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Der junge, aber schon schwerkranke Südsudan

Der Südsudan feiert seinen dritten Geburtstag, doch die jüngste Nation der Welt wird von politischen und militärischen Krisen erschüttert. Die grösste Katastrophe aber steht noch bevor: 4 Millionen Personen sind von einer Hungersnot bedroht.

Die Soldaten sind mit Maschinenpistolen bewaffnet in die Verlagsräume in Juba, der Hauptstadt des Südsudans, gestürmt. Sie beschlagnahmten 3000 Exemplare des «Citizen». Die Montagausgabe der Tageszeitung berichtete über die gegenwärtige Föderalismusdebatte in dem Land. «Lasst eure Finger davon», drohten die Männer, bevor sie das brisante Papier abtransportierten. Es könne sonst zu Verhaftungen kommen.

Katastrophale Bilanz

Fast schon wie Hohn klingen in diesen Tagen die Versprechungen von Präsident Salva Kiir aus dem Jahr 2011 nach. «Angesichts unseres Kampfes um Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Gleichheit und Menschenwürde wird der Südsudan nicht nur der neueste Staat der Welt sein, sondern ihre jüngste Demokratie», hatte er im Vorfeld der am 9. Juli 2011 vollzogenen Unabhängigkeit vom Sudan verkündet.

Am Mittwoch jährte sich dieser Tag zum dritten Mal. Die Strassen der Hauptstadt Juba seien mit Plakaten mit der Aufschrift «One People, One Nation» («Ein Volk, eine Nation») beklebt, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. Auf dem Programm standen auch eine Militärparade und eine Rede von Kiir, um das Ende der Unterdrückung durch das Regime in Khartum zu feiern. Doch die eigene Historie liest sich bis jetzt verheerend.

Zunächst brachte ein Streit mit dem Sudan um die Erlöse aus der Erdölförderung das Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. In den vergangenen sieben Monaten kostete dann ein brutaler Machtkampf zwischen Kiir und seinem ehemaligen Stellvertreter, Riek Machar, über 10 000 Menschen das Leben und einer Million Binnenflüchtlingen das Zuhause. Nun bahnt sich sogar eine noch grössere Katastrophe an.

Angesichts der durch den Bürgerkrieg weitgehend zerstörten Landwirtschaft seien ab August bis zu vier Millionen Menschen im Südsudan von Hunger bedroht, teilte das Desasters Emergency Committee (DEC), das sich aus 13 britischen Hilfsorganisationen zusammensetzt, mit. Unzählige Felder konnten wegen der Kämpfe nicht bestellt werden. Zwar haben diese zuletzt abgenommen, doch angesichts der bald beginnenden Regenzeit ist es für den Anbau zu spät. Präsident Kiir, einer der Protagonisten der Krise, erwartet «eine der schlimmsten Hungersnöte überhaupt». Nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef könnten noch in diesem Jahr allein 50 000 Kinder an Hunger sterben.

An den Schulen wurden trotzdem Tänze zur Feier der Unabhängigkeit einstudiert. Den Patriotismus im Südsudan vermochte die bisher katastrophale Historie kaum zu erschüttern. 98 Prozent der Bevölkerung hatten im Jahr 2011 für die Abspaltung gestimmt, es war nach Jahrzehnten mit mehr Krieg als Frieden ein glücklicher Tag für die neue Nation.

Doch schon damals schwelte der Machtkampf innerhalb der Regierungspartei Sudan Peoples' Liberation Army (SPLA) zwischen Kiir und Machar. Beide gehören unterschiedlichen ethnischen Gruppen an, Kiir den Dinka, Machar den Nuer. Ihre Versprechungen, den ausgeprägten Tribalismus in der Bevölkerung abzubauen, stellten sich als Lippenbekenntnisse heraus. Nachdem Kiir im Jahr 2011 noch dadurch aufgefallen war, auch Kritiker an der Regierung zu beteiligen, ging er bald zunehmend restriktiv gegen jede Form von Opposition vor.

Die bisherigen vier Friedensvereinbarungen in diesem Jahr wurden zumeist gebrochen, sobald die Unterschrift der Verhandlungsführer getrocknet war. Erst seit der letzten Verhandlungsrunde am 10. Juni, bei der sich Kiir und Machar auf die Bildung einer Übergangsregierung innerhalb von 60 Tagen geeinigt hatten, beruhigte sich die Lage etwas. Nachbarländer hatten massive Sanktionen angedroht. Die Ölproduktion ist seit Beginn der Kämpfe im Dezember um einen Drittel gesunken.

Laut südsudanesischen Medien musste sich die Regierung 200 Millionen Dollar (178 Millionen Franken) von Ölfirmen im Land leihen und ist trotzdem mit Gehaltszahlungen für Beamte im Rückstand. Ein Drittel des Staatshaushalts wird für das Militär ausgegeben, dagegen lediglich 5 Prozent für Bildung, obwohl nicht einmal die Hälfte der Kinder im schulpflichtigen Alter jemals einen Klassenraum gesehen hat.

Die Transformation von Befreiungskämpfern zu gleichermassen demokratischen wie pragmatischen Staatslenkern, deren Loyalität eher politischen Institutionen als der ethnischen Zugehörigkeit gilt, ist weder dem Dinka Kiir noch dem Nuer Machar gelungen – ein sattsam bekannter Refrain im afrikanischen Chor.

Föderalismus

Viele Analysten sehen in einer Reform des politischen Systems die Voraussetzung für nachhaltigen Frieden. Machar und einige einflussreiche Lokalpolitiker fordern die Einführung des Föderalismus zur Stärkung von Gegenden, die von der Regierung vermeintlich vernachlässigt werden. Es handelt sich um ein zumindest kurzfristig unwahrscheinliches Szenario, schliesslich müsste dafür die noch junge Verfassung in elementaren Teilen geändert werden.