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Brüssels Mega-Behörde für Geldvernichtung

Von Hans-Jürgen Schlamp, Brüssel

Selbst für Brüsseler Verhältnisse ist dieser Apparat gigantisch: 8000 Mitarbeiter bekommt das EU-Außenamt und ein Budget von acht Milliarden Euro. Die Parlamentarier sind in ihrer Kritik einig wie selten, aber keiner will das Prestigeprojekt attackieren. Das liefert den Europaskeptikern Munition.

In Brüssel wächst die neue Behörde heran wie ein Spargel: Anfangs sieht man nur den Kopf, der große Rest harrt noch im Untergrund. Dann kommt das dicke Ende unaufhaltsam hinterher.

Auch vom künftigen EU-Außenamt sind bislang nur die Chefin - Baroness Catherine Ashton, eine von Tony Blair geadelte Labour-Britin - und ein paar Angestellte sichtbar. Doch schnell sollen es mehr und mehr werden und am Ende werden bis zu 8000 Beschäftigte Lady Ashton zuarbeiten, der "Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik". Etwa 5000 ihrer Mitarbeiter werden in EU-Delegationen in mehr als hundert Ländern überall in der Welt arbeiten.
Das Budget der Super-Behörde wird auf etwa acht Milliarden Euro im Jahr veranschlagt.

Eine solche gigantische Menge Geld auszugeben, ist gar nicht so einfach. Rechnerisch müssen knapp 22 Millionen Euro pro Tag, sieben Tage in der Woche, umgesetzt werden. Damit werden die Gehälter der Bediensteten abgedeckt, ihre Dienstreisen, Heimflüge und Spesen. Es werden aber vor allem die weltweiten Hilfsprogramme der Europäer finanziert, von Anti-Wüsten- bis zu Pro-Frauen-Projekten. Das Geschäft ist kompliziert und geht schon jetzt häufig schief. Gerade erst, wird in der Kommission geflüstert, hätten Abstimmungsprobleme zweier EU-Büros in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba dazu geführt, dass 65 Millionen Euro falsch überwiesen wurden. Solche Gelder zurückzubekommen ist immer schwierig, oft unmöglich.

"Quasi rechtsfreier Raum"

Alles das sei freilich nichts, verglichen mit dem, "was uns jetzt droht", fürchtet die Europa-Abgeordnete Inge Grässle. Künftig würde die EU in ihrem weltweiten Einsatz noch viel, viel mehr Geld verschleudern, und "auch dem Missbrauch" werde nun "Tür und Tor geöffnet". Die CDU-Politikerin, Sprecherin der europäischen Christdemokraten im Haushaltskontrollausschuss, hat den Auftrag, Planung und Aufwuchs des Diplomatischen Dienstes der EU unter die Lupe zu nehmen. Jetzt schlägt sie Alarm: Milliarden Euro würden künftig in einem "quasi rechtsfreien Raum" verteilt, unter "schweren Verstößen gegen europäisches Haushaltsrecht".

Viele Jahre habe es gedauert und vieler Skandale bedurft, bis EU-Behörden eine individuelle Verantwortung ihrer Beamten akzeptierten: Für grobe Schnitzer haftet der Schuldige jetzt mit bis zu einem Jahresgehalt. Bei den Diplomaten von Frau Ashton - diesen "Luxusgeschöpfen der Beamtenschaft" (Grässle) - werde das Prinzip "jetzt faktisch wieder abgeschafft".

In Schnellkursen würden "fachlich völlig unqualifizierte, nach politischen Kriterien ausgewählte" Kräfte aus den 27 EU-Ländern im Finanzmanagement angelernt, und dann an die prall mit Steuergeldern gefüllten Kassen gesetzt, etwa als Chef einer der EU-Dependancen. "Wie sollte man aber beispielsweise einen befristet ins EU-Amt entsandten rumänischen Diplomaten belangen, der längst an der Botschaft seines Landes in Nordkorea sitzt, wenn in Brüssel einer merkt, das etwas nicht stimmt."
Das gesamte Parlament hat "ernsthafte Bedenken"

Heute dürfen nicht einmal EU-Kommissare eine Zahlung anweisen, das dürfen nur EU-Beamte. Denn nur die haften für ihr tun. Demnächst, in Catherine Ashtons Großbehörde, kann jeder die Schecks ausstellen. In der Konsequenz, so die zornige Schwäbin, werde der neue Stern am Eurokraten-Himmel "von Skandalen geprägt sein". Der Aufbau des Brüsseler Diplomaten-Pools ist für Grässle "die organisierte Schieflage".

Das gesamte EU-Parlament hat "ernsthafte Bedenken" zur Struktur, Arbeitsweise und Kontrolle der neuen Behörde formuliert. Aber viele Abgeordnete wollen das erste neue EU-Großprojekt in diesem Jahrtausend nicht zu heftig attackieren. Sie fürchten, das könnte den EU-Kritikern neue Munition liefern. Finanzexpertin Grässle befürchtet genau das Gegenteil: Werde das Super-Amt so gebaut, wie jetzt geplant, werde es zum negativen Fanal für Europa. Denn die "gesamte Konzeption" des Diplomatischen Dienstes sei "der helle Wahnsinn".