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Jenseits der Träume

Tauchen wir ein in eine andere Welt:

Liebe, Lust, Leidenschaft und

Ewigkeit, Verdammnis und Tot

 Ohne Grenzen gäbe es nichts, was wir besiegen können…

 

Viel Spaß wünscht Maya © 2003

Buch 1 - Ein wahrer Traum

 

Die ganze Geschichte begann vor fast genau einem Jahr. Jetzt stehe ich hier auf der Lichtung, vom Vollmond in kaltes Licht getaucht, und sehe den beiden Männern  bei ihrem spielerischen Kampf zu, der an so vieles anderes erinnert: einen exotischen Tanz, eine seltsame Art von Liebesspiel, eine furchtbare Drohung und an ursprüngliche Energien, an Wildheit.

Damals – es scheint mir heute wie in einem anderen Leben – lebte ich noch in mehr oder weniger normalen Verhältnissen. Was man halt so normal nennt. Von meinen Eltern hatte ich ein beachtliches Vermögen geerbt, das bis zu meinem 18. Geburtstag treuhändisch verwaltet wurde. Ich hatte immer genug Geld für einen angenehmen Lebensstil und für eine angemessene Anzahl von ‚Freunden‘. So nannte ich sie damals, obwohl ich es besser wußte; eigentlich waren wir dafür zu oberflächlich, nur Freunde durch unser Geld und einen guten Status verbunden und durch unsere gemeinsame Suche nach Abwechslung, aber es war mir auch egal. Zumindest waren meine Vermögensverwalter ehrlich und fähig.

Wenn ich einmal Freunde brauchte, konnte mein Geld sie locken und halten, ob sie mich nun ehrlich mochten oder nicht, war mir völlig egal. Hauptsache, wir hatten unser Vergnügen und ich langweilte mich nicht. Dazu paßte mein Liebesleben: hin und wieder mal für eine Nacht einen Mann mit nach Hause nehmen, aber keine langfristigen Bindungen. Trotzdem war ich nie so oberflächlich, wie es hier vielleicht klingen mag. Ich hatte eine gute Schulbildung genossen, ein gewisses Verständnis für den Umgang mit Computern entwickelt und beschlossen, damit zusätzliches – wenn auch nicht benötigtes – Geld zu verdienen. Mit meinen Bekannten besuchte ich Ausstellungen oder Museen oder wir gingen in Nachtclubs  und spielten Sirenen. Außerdem lernte ich früh die Vorzüge gelegentlicher Einsamkeit kennen, manchmal aufgelockert mit Musik oder einem Buch. Alles in allem also ein gemütliches, sicheres, ereignisloses und vielleicht auch oberflächliches Leben.

Das änderte sich dann an einem Tag im Juli, als eine meiner Freundinnen starb. Doch ich werde das genauer erzählen, denn dies war der Auslöser einer ganzen Reihe von ungewöhnlichen, unglaublichen und unumkehrbaren Ereignissen, die mich jetzt auf diese Lichtung führten.

 

Tot

You see a shadow in the night
Darker yet as black of sin.
Your instincts tell you “run” and they are right
But even if you flee, you might not win.

Wir waren nur zu zweit unterwegs in dieser Nacht. Zuerst ein Bummel durch die Kneipen der Altstadt von Atlanta, später einige Drinks in einer exklusiven Bar, wo auch Ladies alleine sitzen können. Wir hatten gelacht, getrunken etwas geflirtet und es war richtig spät geworden. Genauer – es war schon fast sehr früh. Noch war es dunkel, auf der Straße war außer uns keine Menschenseele. Wir hätten drinnen auf die Taxe warten können, aber es war verraucht und Sabina meinte, die frische Luft würde uns gut tun. Der Türsteher war schon lange verschwunden, eine schwache Lampe über dem Eingang warf ein trauriges Licht. Die Straßenbeleuchtung schimmerte gelblich. Nur vereinzelt stand eine Laterne und das Licht wurde von dem nassen Pflaster reflektiert. Leichter Nebel hing über den Bürgersteigen von einem sommerlichen Regenguß, den wir nicht mitbekommen hatten.

Große Schatten lungerten in den Türeingängen und den schmalen, unbeleuchteten Nebengassen. Ich konnte nur ein beständiges Rauschen hören, das aber vielleicht ein Echo der lauten Musik aus der Bar sein konnte. Sabina ging ein paar Schritte die Straße runter, fröstelnd in Ihrem dünnen Seidenkleid. Wir waren für diese Uhrzeit und diesen Ort wohl etwas falsch gekleidet – und von Regen hatte auch keiner was gesagt. Vielleicht hätten wir doch lieber drinnen warten sollen.

Sabina war einige Meter von mir entfernt, als plötzlich aus der Seitengasse rechts eine dunkle Gestalt auftauchte. Sie trat nicht heraus, es war nichts zu hören, sie war einfach plötzlich da, genau auf der Höhe von ihr. Ich blickte in ihre Richtung, sah eine Bewegung als die zwei aufeinander trafen, dann hörte ich einen gurgelnden Laut. Die dunkle Gestalt kehrte mir den Rücken zu, Sabina teilweise verdeckend. Trotzdem konnte ich erkennen, wie sie scheinbar nach hinten stolperte und der Fremde sie mit dem linken Arm festhielt.

„He“, hörte ich mich rufen, ein vermutlich nicht sehr kluger Reflex. Der Mann drehte sich zu mir um, er schien mich bisher nicht gesehen zu haben. Schlimmer als sein Blick war, daß ich Sabina in dem Moment wider vollständig sehen konnte. Obwohl es nicht hell war, sah ich, daß rubinrotes Blut aus ihrer Kehle floß, in grellem Kontrast zu dem grünen Stoff ihres Kleides. ‚Komplementärfarben’ war mein erster Gedanke; Schreck, Entsetzen oder Furcht noch nicht durch den Nebel draußen oder mein alkoholverschleiertes Gehirn dringend. Sabina stand nicht wirklich, sie wurde durch den Mann gehalten. Der wandte sich wieder ihr zu und zog sie ganz nah zu sich heran, wie ein Liebender. Einen Augenblick stand ich nur starr da und schaute auf die unwirkliche Szene, die sich da vor mir ausbreitete. Dann endlich schaltete sich so etwas wie Verstand bei mir an. Nicht unbedingt Vernunft, denn anstatt zur Bar zurück zu rennen ging ich auf die Gestalt zu, die meine Freundin in seltsamer Umarmung hielt.

„Laß sie los“, hörte ich mich mit einer Stimme rufen, die eher nach Krächzen als Schreien klang. Der Mann drehte sich wieder zu mir um. Fast sein ganzes Gesicht war blutverschmiert. Komplett in Schwarz gekleidet, schwarze Haare, ein blasses Gesicht und das viele Blut dort – ein Anblick, den ich bis heute nicht vergessen habe. Scheinbar war ich für den Typen aber keinerlei Bedrohung – wieso auch – denn er kehrte sich wieder seinem Opfer zu. Daß ich vielleicht zu seinem zweiten Ziel werden könnte, auf den Gedanken  kam ich damals nicht. Eigentlich dachte ich überhaupt nicht viel, nur, daß er meine Freundin los lassen solle, die schlaff in seinem Arm hing.

Ich hatte noch einen weiteren Schritt in Richtung auf das Paar gemacht, als neben mir eine weitere Gestalt auftauchte. Nun, wenn man sich im Schock befindet, kann man dann noch mal erschrecken? Ich tat es jedenfalls nicht, obwohl auch diese Person einfach nur ‚plötzlich da war’. Eigentlich war ich nie besonders mutig und auch hier war mein Handeln eher als Reflex zu bezeichnen. Ich blickte nach links zu dem Neuankömmling. Er war groß, ebenfalls komplett in schwarz gekleidet, Lederhose, schwarzes Seidenhemd einen langen Ledermantel, sogar das Haar war schwarz, lang und lockig und zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er blickte zu mir rüber, nur einen kurzen Augenblick. Er verzog keine Mine doch seine dunklen Augen schienen fast bis auf den Grund meiner Seele zu schauen. Ebenmäßiges Gesicht, gebräunte Haut, gut aussehend meldete ein entfernter Teil meines Gehirns beiläufig.

„Cudro! – Cudro – was treibst Du da?“ Er hatte sich der Szene vor uns zugewandt und seine Stimme trug weit, ohne daß er rief oder auch nur groß lauter sprach. Trotzdem ließ der Angreifer mit blitzartiger Bewegung meine Freundin los, die mit einem scheußlichen Geräusch leblos auf dem Pflaster aufschlug. Er drehte sich uns vollständig zu und einen kurzen Moment wurde ein glänzender Gegenstand in seiner linken Hand von einer entfernten Straßenlaterne reflektiert.

„Gabriel!“ Er klang heiser, das Wort ausgestoßen durch zusammengebissene Zähne. „Gabriel, wie nett, daß du auch hier bist. Ich kümmere mich gleich um dich – misch dich hier nicht ein!“. Ich stand wir angewurzelt da und schaute abwechselnd auf die beiden Männer. Der Mann namens Cudro war gut 10 Schritte entfernt, der Fremde mit den schönen Augen nur ein paar Handbreit links von mir.

“Ich kann dich nicht gewähren lassen, das weißt du doch.“ Gabriel, der Mann neben mir, antwortete ruhig und wieder ohne die Stimme zu heben. Wo blieb eigentlich das Taxi??

So langsam kehrte mein rationaler Teil wieder zurück, der wegen der vorherigen Ereignisse wohl auf eine kurzfristige Reise ins Nirwana gegangen war. Dieser Typ, Cudro, hatte soeben meine Freundin vermutlich ermordet. Der große Mann neben mir, Gabriel, kannte ihn offensichtlich, war aber nicht gut auf ihn zu sprechen. Sozusagen. Optimistisch beschloß ich, daß er damit für mich wohl so eine Art ‚Guter’ sein mußte.

Der ‚Böse’ hielt die linke Hand schräg hinter sich, außerhalb des Blickfeldes des schwarzen Fremden neben mir. Ich konnte seinen Blick nicht erkennen aber er wirkte angespannt und recht bedrohlich. Im nächsten Moment hob er in unglaublichem Tempo den linken Arm.

Ich hörte mich „Vorsicht“ schreien und schubste den Mann neben mir mit meinem Körpergewicht zur Seite. „Er hat eine Waffe“, dieser Teil des Satzes ging in einem furchtbaren Krachen, gefolgt von einem stechenden Schmerz in meiner rechten Schulter unter. Sekundenlang stand ich wie betäubt da. Gabriel bewegte sich in einer katzenhaften Bewegung auf den Angreifer zu. Ich hatte nicht gesehen, wie er die Entfernung überbrückte. Aber plötzlich war er einfach neben dem Schützen, griff zu und das letzte was ich hörte war ein scheußliches Geräusch wie von brechenden Knochen. Dann kam das Straßenpflaster auf mich zu, wurde größer, verschwamm vor meinen Augen und alles wurde dunkel.

Bewegung, langsames Schweben, Schatten vor den Augen, ein Druck in der rechten Schulter, ein harter Untergrund.

Langsam öffnete ich die Augen. Ich saß an einer Mauer, der Club lag keine fünf Meter nach links, meine tote Freundin zehn Meter rechts von mir. Und daneben ein Huckel – ihr Angreifer. Der Mann mit den langen schwarzen Haaren hockte vor mir und schaute besorgt in mein Gesicht. Ich suchte meinen – kurzfristig ausgewanderten – Mut zusammen und sah in seine dunklen Augen. Man sagt, sie sind die Spiegel der Seele. Ich sah Schwärze, tiefste Kälte und glühende Hitze, die Unendlichkeit. Seine Ausstrahlung war sehr intensiv, so nahe vor mir. Sie strahlte all das aus, was ich schon in den Augen gesehen hatte aber noch so vieles mehr. Berauschend, erotisierend, wissend und geheimnisvoll. Und eindeutig leicht besorgt.

„Du dummes Ding, was machst du für Sachen. Du sollst doch nicht mich retten.“ Er klang leicht vorwurfsvoll, verwundert und freundlich. Seine Stimme wirkte noch immer so eindringlich wie vorhin. Er hob eine Hand und ich zuckte unbewußt etwas zurück. „Nur keine Angst, junge Lady. Ich tue dir nichts.“ Ich glaubte ihm und er berührte leicht meine rechte Schulter. „Uhh“, das war eindeutig nicht nur ein Ziehen sondern echter Schmerz. „Ich weiß, das tut weh, wird aber gleich besser und ist auch nicht lebensgefährlich.“ Seine Stimme war so beruhigend. Er griff in die Tasche und holte ein – natürlich – schwarzes Tuch hervor. Das drückte er leicht auf meine Schulter. Als er die Hand wieder zurück zog, leuchtete Blut an den  Fingern seiner Hand. Er schaute einen Moment fast nachdenklich darauf dann wand er seine Aufmerksamkeit wieder mir zu.

„Tja, es wäre wohl nicht gut, wenn du der Polizei die Geschehnisse in allen Details erzählen würdest.“ Wieso hatte ich auf einmal so ein komisches Gefühl in der Magengegend? Als er wieder in die Tasche seines Mantels griff, versuchte ich aufzustehen. „Na, das laß mal lieber.“ Und da meine Beine nicht gehorchten, stellte ich die Aktion fatalistisch wieder ein. Aber er holte nur eine kleine Goldkette mit einem schlichten Goldanhänger daran hervor. Er hob beides in Augenhöhe und ließ es vor mir hin und her pendeln. „Schau auf den Ring.“ Ich gehorchte. Als ich noch jünger war, hatte man schon öfter versucht, mich zu hypnotisieren aber irgendwie hatte das niemals so recht geklappt, ich schien wohl immun gegen solche Attacken auf mein Unterbewußtsein zu sein. Und genau das versuchte der Typ hier gerade. Ich hatte mich genug gefangen um zu beschließen, ihn über dieses Detail meiner Persönlichkeit nicht spontan zu unterrichten. Das schien wirklich eine gute Idee zu sein: einfach tun, als ob er Erfolg hätte, immerhin war das Ziel ja eine Verlängerung meines Lebens über dieses – zugegebenermaßen mißlungenen – Abend hinaus. Ich beließ meinen Blick also auf dem Anhänger, senkte vorsichtig die Augenlieder nach kurzer Zeit etwas und hörte mir an, was er mir für Instruktionen mit auf den Weg geben wollte.

„Ihr zwei seid aus der Bar gekommen. Ihr habt in der Seitengasse Stimmen gehört. Bevor ihr noch nachsehen konnten, kamen zwei Männer herausgestürmt, offenbar im Streit. Einer war dunkel gekleidet, der zweite war in Jeans und Fliegerjacke. Der hatte in der Hand eine Pistole und eh du dich versahst, hat er auf dich gezielt und abgedrückt. Vermutlich wurdest du durch den Angriff an die Wand zurückgeschleudert. Du hast noch gesehen, daß deine Freundin auf die Männer zugestürzt ist, dann wurde alles dunkel um dich. Die Gesichter hast du nicht erkannt. Merke es dir, so ist es passiert.“

Interessante Geschichte, wieso sollte ich nicht erzählen, daß mir ein dunkel gekleideter Fremder das Leben gerettet hatte? „Ich habe verstanden,“ sagte ich leise. „Wach auf, wenn die Polizei eintrifft.“ Er steckte die Kette zurück in die Manteltasche und schaute mich noch einen Moment an. Sicherheitshalber ließ ich die Augenlieder noch etwas weiter nach unten flattern. Das war wohl in seinem Sinne. Er beugte sich vor und innerlich spannte ich noch einmal jeden Muskel an. Doch dann berührte sein Mund leicht meine Stirn und im nächsten Moment war er weg. Einfach so. Vorsichtig schielte ich unter den Wimpern hindurch. Der Haufen Mensch lag noch immer neben meiner Freundin. Ich angelte ungeschickt nach dem Tuch, das der Fremde auf meine schmerzende Schulter gelegt hatte. Ha! Ein Fehler in seiner Geschichte. Das Tuch war mit Blut getränkt aber hielt noch einen Hauch von seinem Geruch. Ich steckte es – so wie es war – in meine Handtasche.

Was sollte ich jetzt der Polizei erzählen? Offensichtlich war ihm nicht nach deren Bekanntschaft. Aber ich war trotzig genug, seine Geschichte nicht so zu übernehmen. Frechheit, unschuldige Leute zu hypnotisieren. Also was? Ich würde die Geschichte abwandeln und sollte er es in der Zeitung lesen, was ich fast vermutete bei der Menge an Leichen hier, sollte er ruhig wissen, daß ich aus eigener Entscheidung nicht die ganze Wahrheit erzählte. Es blieb zum Verändern eigentlich nur der 2. Mann. Ich war noch am grübeln, als ich von ferne ein Auto hörte. ‚Wieso kam diese verflixte Taxe erst jetzt?’ Oh ja, der zweite Mann hatte einen Vollbart, war untersetzt und trug einen blauen Arbeitsoverall. Mit diesem Gedanken schloß ich meine Augen und sank wieder in Dunkelheit zurück.

Polizei

what would you prefer, being saint or a sinner?
to yield to the moral and live by the fencing-in rules
we learn from the movies the good is always the winner
but what is the price? happy are only the sinners and fools

Langsam wurde es hell um mich. Rufe, blaue Lichter, eine laute Stimme, die Kommandos gab. Vorsichtig öffnete ich die Augen. Ich saß noch immer auf der Straße, an die Wand gelehnt. Über meine Beine war eine Decke gebreitet, in meinem linken Arm steckte eine Nadel aus der ein Schlauch kam, der zu einem Plastikbehälter führte, der von einem Mann in roter Warnkleidung gehalten wurde, der neben mir kniete. Puh, war das anstrengend… Gerade als ich mich über meine Aversion gegen Nadeln äußern wollte, fiel ein Schatten über mich. Ich schaute nach oben und gegen die Lichter der plötzlich hellen Straße stand eine große Silhouette über mir. „Wie geht es Ihnen?“ Damit näherte sich die Gestalt meinem Gesichtsfeld. Sie hockte sich vor mich, wie vor einer Ewigkeit der schwarz gekleidete Fremde. „Prima! Was ist passiert?“ Meine Stimme klang seltsam. Rau und belegt und ziemlich matt. Der Sanitäter neben mir drehte sich zu mir und lächelte freundlich. Ohne sich umzuschauen sagte er: „sie muß umgehend ins Krankenhaus. Sie hat viel Blut verloren und anscheinend eine Kugel in der Schulter. Sie können später mir ihr reden!“

 „Eigentlich wollte ich von ihnen wissen, was passiert ist.“ Der Mann, scheinbar ein Polizist in Zivilkleidung, ignorierte die Bemerkung des Sanitäters. „Hier liegen zwei Leichen und ich wüßte gerne wieso. Können sie mir ihren Namen sagen?“ „Äh… klar. LaVerne. LaVerne Kordens.“ Der Sanitäter erhob sich, noch immer den Behälter mit Flüssigkeit über mich haltend. „Wir fahren jetzt ins Krankenhaus. Sie können gerne mitfahren aber hier wird keine weitere Befragung durchgeführt!“ Ein zweiter Sanitäter tauchte neben dem ersten auf, eine Art von Trage unter dem Arm. Diese legte er quer vor mir aufs Pflaster und mit geübtem Griff lag ich ruckzuck darauf. Seltsam, die Schulter tat gar nicht mehr weh. Dann plötzlich verschwammen die Lichter und Menschen um mich herum und ich hörte wie durch Watte, daß der Polizist noch irgend etwas zu dem Sanitäter sagte. Aber es interessierte mich nicht mehr. Alles wurde wundervoll hell, warm und dann langsam ganz still. –

Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, lag ich im Bett. Das Zimmer war abgedunkelt, schwere Vorhänge ließen kein Licht durch, nur ein kleines Nachtlicht neben der Tür spendete etwas Helligkeit. Ich war im Krankenhaus. Und es war nicht so, wie man das immer liest. Die Erinnerung kam nicht langsam und bruchstückhaft sondern sie war einfach plötzlich da und erdrückte mich fast. Vorsichtig setzte ich mich auf. Ja, die Schulter tat weh. Hier mußte es doch eine Klingel geben. Richtig – auf dem Nachttisch. Kurze Zeit nach dem ersten Versuch wurde die Tür geöffnet. Licht flutete herein. Mit ihm eine typische Schwester. „Schön, Sie sind wach. Dann will ich mal etwas Licht machen.“ Schnurstracks eilte sie an mir vorbei zu den Vorhängen und zog nachdrücklich daran. Es war hellichter Tag und das Licht tat in den Augen weh. Erschöpft und noch ziemlich desorientiert ließ ich mich zurücksinken. Als sie fertig war, trat sie an mein Bett, ließ auf geheimnisvolle Weise – vermutlich mit irgendwelchen Knöpfen – das Kopfteil meines Bettes hoch.

„Draußen sitzt ein Polizist, der mit Ihnen reden möchte. Vorher vielleicht etwas zu trinken?“ „Gerne!“ Irgendwie klang ich noch immer nicht so, wie ich mich in Erinnerung hatte. Sie füllte ein Glas vom Nachtisch und reichte es mir. Nein, den rechten Arm würde ich dafür schnell vergessen müssen, der war mit Bandagen ruhig gestellt. Das Wasser tat gut, so langsam kamen neben der Erinnerung auch die Lebensgeister wieder zurück. Also, jetzt mußte ich meine Geschichte erzählen. Sollte ich wirklich lügen? Ja, das schuldete ich dem Fremden wohl für mein Leben. „Schicken sie ihn rein.“ Und ‚Hallo!’ das war dann auch fast meine gewohnte Stimme. Sie eilte zur Tür hinaus. Sie ließ sie offen und ich hörte sie mit jemandem flüstern. Dann betrat der Mann den Raum, den ich schon gesehen hatte, als der Sanitäter sich um mich gekümmert hatte.

Er trat auf mich zu und jetzt konnte ich ihn mir in Ruhe anschauen. Groß – von meinem Standpunkt aus – mindestens 185. Grauer Anzug, weißes Hemd mit Krawatte. Er wirkte kräftig aber nicht extrem muskulös. Er hatte dunkelblondes, kurzes Haar das nach hinten gekämmt aber so kurz war, daß es eher hoch stand. Kantiges Gesicht mit  durchaus ebenmäßigen Zügen. Blaue Augen musterten mich ebenso prüfend wie ich ihn. Er griff in die Jackentasche und zog einen Ausweis heraus.

„Polizei! Ich bin John Tremane. Ich hätte da einige Fragen an sie.“ Damit steckte er den Ausweis zurück, angelte nach dem Stuhl neben dem Nachtschrank und setzte sich an meine rechte Seite.

„Freut mich, ich bin LaVerne Kordens. Das wissen sie ja schon. Sorry, aber ich geb’ ihnen mal nicht die Hand.“ Nun ja, Galgenhumor kam nicht wirklich gut an, er verzog zumindest keine Miene. „Wie fühlen sie sich?“ Nett, wenigstens die erste Frage war nicht schwer.

„Matt, etwas durcheinander und ich kann den Arm nicht bewegen.“ - „Der Arzt sagt, sie sind soweit OK. Es gibt vielleicht eine kleine Narbe aber es bleiben wohl keine größeren Schäden zurück. Der Arm soll nur ruhig gestellt werden, aber er hat keine Einwände, wenn sie schnell nach Hause möchten. Aber vorher“, damit zog er aus der Seitentasche ein braunes Notizbuch, „erzählen sie mir bitte genau, was passiert ist.“

 „Was ist mit Sabina? Ich hab gesehen, daß sie auf sie zugelaufen ist, aber nicht mehr. Sie war fast bei ihnen aber ich kann mich nicht mehr erinnern, was dann los war!“ Ich hatte nicht gesehen, ob sie wirklich tot war, obwohl das viele Blut dafür gesprochen hatte. Aber ich meinte, er hätte so etwas erwähnt. Und die Frage war durchaus zulässig, fand ich. Paßte sowohl zu der folgenden Geschichte als auch zur Realität.

„Ich fürchte, die hatte nicht so viel Glück wie sie.“ Er wartete scheinbar auf eine Reaktion. Aber nach den letzten Ereignissen war die Antwort ja keine Überraschung und ich war einfach zu schlaff um mich aufzuregen. Wahrscheinlich kam der Schock noch oder ich hatte einfach ein dickes Fell. Wir würden sehen… Als ich ihn nur ansah, sprach er weiter. „Wir haben zwei Tote, eine davon ist ihre Freundin, der andere ein unbekannter Mann. Die Umstände sind alle etwas seltsam und deshalb möchte ich von Ihnen genau wissen, was vorgefallen ist.“

„Wir kamen aus dem Roxa Club. Wir hatten am Eingang ein Taxi rufen lassen und weil es so stickig war, beschlossen wir, draußen zu warten.“  Ich sprach mit leiser Stimme, der Polizist kritzelte etwas in sein Büchlein. „Wir sind also raus gegangen. Es war dunkel, diesig und recht kühl. Ich bin nur ein bis zwei Schritte von dem Club weggegangen aber Sabina ging noch ein paar Meter die Straße hoch. Es war nichts zu hören. Plötzlich tauchten aus der Seitenstraße rechts zwei Gestalten auf. Weil Sabina weiter vor mir stand, war sie fast auf deren Höhe. Sie hatte sie wohl auch nicht gehört, denn sie machte fast einen Sprung, als die so plötzlich da raus kamen. Wenn die zwei sich unterhalten haben, habe ich es jedenfalls nicht gehört. Die beiden schienen genau so erschrocken wie wir, aber der große, dunkel gekleidete Mann machte eine schnelle Bewegung als er sah, daß meine Freundin zu mir rüber schaute. Irgend etwas blitzte, es knallte und ich wurde zurückgeschleudert. Und damit ist eigentlich schon alles erzählt, was ich gesehen habe.“

Ich angelte mit der linken Hand nach dem Wasserglas auf dem Nachttisch, mein ‚Befrager’ ließ den Block sinken und reichte es mir. Dann schaute er mich einen Moment an, als ich vorsichtig trank. Diese klaren blauen Augen. Einen Moment hatte ich das Gefühl, er würde durch meine Story hindurch sehen. Was hatte ich mir nur gedacht? Und warum überhaupt. Nun, irgendwie war es jetzt zu spät, ich hatte den Verstand wieder nachträglich bemüht. Aber bevor ich noch mehr an mir rumschimpfen konnte, drang seine Frage zu mir durch: „Können sie die beiden Männer beschreiben?“ Er hatte wieder sein Notizbuch in der Hand und warf mir einen fragenden Blick zu. „Einer war ganz in schwarz gekleidet. Der, der wohl auf mich geschossen hat. Ein ganzes Stück größer als Sabina, sogar noch größer als sie. Der andere war wesentlich kleiner. Höchstens so groß wie Sabina, also um die 175. Er war stabil, fast schon dick. Er trug einen blauen Overall. Nicht leuchtend, eher ein dunkler Ton. Vollbart, dunkle Haare. Viel mehr hab ich nicht von ihm gesehen, die waren immerhin ein Stück von mir entfernt.“

Tremane hatte die ganze Zeit geschrieben. Jetzt blätterte er in seinem Büchlein ein paar Seiten zurück. Obwohl ich keine Angst hatte, oder vielleicht ein ganz klein wenig schlechtes Gewissen, spürte ich doch mein Herz im Halse schlagen. So viel war passiert, das mußte doch irgendwann Wirkung zeigen. Ich wartete.

„Es gibt einige – ungewöhnliche – Details in diesem Fall.“ Er schaute zu mir rüber und mir wurde merklich wärmer. Mußten wohl die Medikamente sein. „Was meinen Sie?“ Zumindest klang ich recht normal.

 „Nun, da kommt einiges zusammen. Das fängt schon mit dem anonymen Anruf an, der gerade mich an den Schauplatz des Verbrechens schickte. Dann haben wir ihre Freundin gefunden und den schwarz gekleideten Mann, der ebenfalls tot war. Wieso?  Wieso leben sie noch, obwohl die Frage sie nicht grade begeistern wird. Bei dem Mann ist scheinbar das Genick gebrochen, aber außerdem wurde sein Herz entfernt. Das sieht nach einem Ritual aus. Davon abgesehen, daß sein ganzes Gesicht voll von dem Blut ihrer Freundin war. Und das sind nur einige der Seltsamkeiten.“

Jetzt starrte ich ihn ehrlich verwundert an. Gut, das mit dem Blut hatte ich ja auch mehr oder weniger gesehen. Ich erinnerte mich an das seltsame Geräusch – das paßte zu dem gebrochenen Genick. Aber daß sein Herz fehlte? Das war neu. Jetzt wurde mir auf einmal kälter, ich zog die Bettdecke höher. Was war passiert, nachdem ich ohnmächtig geworden war? Sein fragender Blick schien mich jetzt fast zu durchbohren, als er sich wohl dieselbe Frage stellte, aber ich konnte antworten, ohne zu lügen: „Ich habe keinen Schimmer, was passiert ist oder was das bedeutet!“ Ich fühlte mich müde.

„Gut!“ Er stand auf und sah auf mich herunter. ‚Ich seh’ schon, das muß erst mal reichen. Ich lasse ihnen meine Telefonnummer da. Wenn ihnen noch was einfällt, sagen sie bitte umgehend Bescheid. Ansonsten werde ich sie noch mal besuchen, wenn sie wieder zuhause sind. Jetzt erholen sie sich erst mal!“ Er ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. Sah mich an, nickte mir freundlich zu und fügte als Schlußsatz nach: „und passen sie auf sich auf.“ Damit verschwand er durch die Tür. Ich starrte hinterher. Ziemlich erschöpft von den Neuigkeiten, den Medikamenten, seiner Anwesenheit und meiner Lüge. Wo war ich da nur reingeraten?

Mit diesem Gedanken driftete ich zurück in einen unruhigen Schlaf voller Blut, schlagender Herzen und einem paar intensiver blauer Augen.


Zuhause

If you lock out the world around you,
and hide away from friends you need to see
one day the fears might all come true
you find yourself alone – without a key.

Schon zwei Tage später wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Ich war nicht schwer verletzt und mich ausruhen konnte ich auch zuhause. In diesen zwei Tagen hatte ich sogar ein paar Besuche bekommen. Einen Mann von der Presse hatte ich mit ‚Kein Kommentar’ hinaus komplimentiert. Meine Haushälterin hatte Kleidung mitgebracht und Orangen, die ich mit dem ruhig gestellten Arm nicht pellen konnte. Eine gemeinsame Freundin von Sabina und mir war kurz da gewesen, sie wirkte verheult und konnte immer nur schluchzen. Wahrscheinlich hatte sie sich gewundert, daß ich sie ausdruckslos angestarrt hatte, wenig sagte und sie bald bat zu gehen, weil ich müde sei.

Überhaupt ging alles irgendwie an mir vorbei. Wenn das ein Schock war, war es durchaus angenehm. Ich dachte kaum nach, so gut wie gar nicht über den Vorfall sondern ließ meine Gedanken einfach so wandern. Nichts ernsthaftes, nichts wichtiges, ich war in eine Art von Lethargie verfallen, aber seltsamerweise – oder traurigerweise – noch immer unberührt von dem Verlust einer Freundin oder dem Schuß auf mich. Es war mir egal. Ich wollte weder raus aus dem Krankenhaus, noch wollte ich nach Hause. Ich wollte auch nicht hier bleiben. Es war einfach nur egal. Eigentlich war ich schon immer etwas gelassen – manche würden es pragmatisch nennen – aber jetzt war es schon extrem. Aber es würde schon werden. Am Tag meiner Entlassung ließ ich mir ein Taxi kommen, das mich zurück in meine Wohnung bringen sollte.

Der Portier begrüßte mich freudestrahlend. „Schön, daß sie wieder da sind. Hoffentlich geht’s ihnen gut. Wenn sie was brauchen, rufen sie nur an!“ Es hätte seine Ehre verletzt, hätte er auch nur mit einem Wort nach den Geschehnissen gefragt. Recht so! Das liebte ich an diesem Haus. Mit dem Aufzug fuhr ich in den obersten Stock. 10. Etage, Dachgeschoß-Wohnung. Alles aussteigen…

Die Haushälterin hatte aufgeräumt, den Kühlschrank aufgefüllt und frische Blumen verteilt. Die Stille war himmlisch. Schuhe und Strümpfe auszuziehen war gar nicht so einfach mit der linken Hand. Aber die Bandage war schon ab und ich sollte nur den Arm ruhig halten. Ich zog die Vorhänge vor der Dachterrasse weg, lümmelte mich aufs Sofa mit Blick auf die Stadt und tat das, was ich die letzten zwei Tage getan hatte: Vor-mich-hin-Starren mit exzessivem Nichtstun.

Die nächsten Tage hielt diese Lethargie an. Ich war nicht traurig, aufgeregt oder gar an irgend etwas interessiert. Meine Tage bestanden aus essen, schlafen und aus dem Fenster starrten. Einige meiner Freunde riefen an, aber ich dankte für die Einladungen und sagte freundlich ab.

Dann, knapp 10 Tage nach dem Vorfall rief der Portier an und meldete den Besuch eines Polizisten: Tremane. Also zog ich mir vernünftige Jeans und einen Sweater an und ließ ihn herein. Wir gingen ins Wohnzimmer und er ließ sich auf die Couch fallen mit Blick auf die Terrasse. Die Türen waren weit geöffnet obwohl die Juli-Hitze hinein strömte. Ich liebte die Wärme, die leichte Brise, die die dünnen Vorhänge bewegte. Einen Moment ließ er schweigend den Blick durch die Wohnung und aus dem Fenster schweifen und den entfernten Straßenlärm auf sich wirken.

„Möchten sie etwas trinken? Wasser vielleicht, oder einen Eistee?“ Er überlegte kurz. „Haben sie Kaffe?“ Oh! Ein Mann mit vernünftigem Geschmack! „Klar, immer! Milch? Zucker?“ „Schwarz bitte.“ Immer besser. „Kommt sofort.“ Kaffee hatte ich immer fertig. Ich holte zwei große Becher aus der Küche und setzte mich auf den Sessel ihm gegenüber. Einen Moment tranken wir schweigend.

„Und, haben sie sich etwas erholt?“ Er lehnte sich zurück und schaute mich mit ehrlichem Interesse an. „Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich erholen muß oder aufwachen. Alles  ist so ruhig, ich habe keine Angst oder gar Alpträume. Aber auch keine Motivation oder Dynamik. Ich lebe einfach so vor mich hin.“

Das war viel mehr und nicht unbedingt das, was ich sagen wollte. Eine kleine Weile hielt er sich mit beiden Händen an dem Kaffeepott fest, schaute verträumt zu mir rüber – im mich rein? Ich konnte die starren blauen Augen nicht ertragen und stand auf und ging zur Terrassentür.

 „Haben sie mit dem psychologischen Dienst im Krankenhaus gesprochen?“ „Ja, kurz mit einem Doktor Orley. Der meinte, ich brauche Ruhe, um das Erlebte zu verkraften. Ich würde verdrängen aber irgendwann würde es einfach aus mir raus brechen – und bis dahin hat er mich sozusagen auf die Warteliste gesetzt, im Tausch gegen Leute mit echte Psychosen.“ Ich klang nicht bitter, war es auch nicht, einfach nur uninteressiert und etwas ironisch.

„Und? Was denken sie? Werden sie zusammenbrechen?“ Ich drehte mich zu ihm um. Die Frage schien ehrlich, nicht spöttisch gemeint obwohl ich nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob ihn das wirklich etwas anging.

„Ernsthaft? Ich glaube nicht. Es ist vorbei, es ging schnell und zwei Leute sind tot. Tatsachen. Ich kann es nicht ändern aber es ist auch nicht meine Schuld. Ich habe es überlebt, vielleicht mit Glück. Warum also sollte ich zusammenbrechen?“

„Haben sie keine Angst vor dem zweiten Mann? Der hat sie sicher gesehen und könnte sie suchen – immerhin sind sie eine Augenzeugin.“ Diesmal klang seine Frage nachdrücklicher. Ich mußte aufpassen.

„Nicht wirklich. Ich habe eigentlich nicht mehr an ihn gedacht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er mich suchen sollte. Fragen sie aber nicht, warum. Ist ja vielleicht Unsinn aber irgendwie glaube ich, daß der mehr Panik hatte als ich, außerdem hab ich ja mittlerweile meine Aussage eh gemacht.“ Mein Gast sah zweifelnd zu mir rüber.

„Ich bin mir da nicht so sicher. Herzen raus schneiden zeugt eher nicht von Panik. Und daher habe ich für die nächste Zeit für sie Personenschutz angeordnet.“ Cool. Polizisten, die mich überall hin begleiten würden. Grad jetzt schien mein ‚Kleiner Teufel’ in mir wieder zu erwachen. Was könnte man da alles anstellen. „Das ist nett aber vermutlich nicht wirklich notwendig. Außerdem verlaß ich das Haus auch momentan kaum und sie haben ja gesehen, daß unten der Empfang immer besetzt ist.“

„Wer wirklich hier rein will, kommt auch an einem Pförtner vorbei. Und in diesem Fall gibt es – wie ich schon im Krankenhaus sagte – einige seltsame Dinge. Wissen sie eigentlich, womit auf sie geschossen wurde?“ Das war eine seltsame Frage. Er hatte eindeutig meine Aufmerksamkeit. „Mit einer Pistole?“ fragte ich, etwas Spott in der Stimme. Er ließ sich gar nicht beirren, griff in die Jackentasche und zog ein Plastiktütchen raus. Darin befand sich eine einzelne Kugel, die matt schimmerte. „Wir haben allerdings eine Waffe am Tatort sicher gestellt Und das hier ist eine Kugel aus dieser Pistole. Die Kugel hier ist identisch mit der, die im Krankenhaus aus ihrer rechten Schulter geholt worden ist. Sehen sie sie sich genau an.“ Ich setzte mich zurück in den Sessel und nahm ihm die Tüte aus der Hand. Waffen sind nicht mein Spezialgebiet. Sie hatte eine typische Form und schien nicht weiter ungewöhnlich. Ich gab ihm die Tüte zurück.

„Tut mir leid, ist echt außerhalb meines Wissens. Stimmt damit was nicht?“ „Wie man’s nimmt, die Kugel ist aus reinem Silber, eindeutig eine Spezialanfertigung. Teuer und eigentlich nicht so wirkungsvoll. In der Waffe waren fünf Kugeln, die 6. kam aus ihrem Arm.“ „Silber?“ Ich war wirklich verblüfft. So was kannte ich nur aus Filmen. „Wenn ich ein Werwolf wäre, wäre ich jetzt also tot.“ Mein Kommentar schien ihn nicht unbedingt zu amüsieren. „Wir haben weder das Messer gefunden, mit dem ihre Freundin getötet wurde, noch irgendwelche Fingerabdrücke. Das Herz des Toten ist nicht aufgetaucht und eine Identifizierung ist so gut wie ausgeschlossen, da selbiger jetzt auch weg ist.“

 „Weg? Wie weg?“ Jetzt hatte ich meinen Kaffee völlig vergessen. „Beide Tote wurden in die Gerichtsmedizin gebracht. Aber bevor der Arzt mit der Untersuchung beginnen konnte, fing der Leichnam des Mannes an zu verwesen. Innerhalb von nur einer Stunde nach Ankunft dort hatte der Arzt nur noch die Knochen des Toten. Er konnte so grade noch einen Gebißabdruck anfertigen, bevor diese sich dann ebenfalls in Staub auflösten.“ Soweit zu seltsamen Umständen! Er schaute mich an während ich die Geschichte staunend aufnahm. Durfte er mir das eigentlich alles so erzählen? Jetzt fing mein Kopf wieder an, Lebenszeichen auszusenden. Keine Erklärungen aber ich kehrte sozusagen zu den Menschen zurück.

„Das klingt ja alles tüchtig unheimlich. Trotzdem kann ich eigentlich nicht viel zur Lösung des Rätsels beisteuern.“ Das entsprach der Wahrheit.

„Nun, wir haben immerhin noch einige Spuren, denen wir folgen können.“ Er sagte nicht, was das wohl sei. Es schien mir auch nicht klug, danach zu fragen. Der forschende Blick ruhte immer noch auf mir und – genau wie im Krankenhaus – wurde mir darunter tüchtig warm.

„Wie dem auch sei, in Anbetracht der Umstände in diesem Fall sehe ich es als vernünftig an, sie eine Weile unter Schutz zu stellen. Ist Ihnen seit unserer letzten Unterhaltung noch etwas eingefallen, was ich wissen sollte?“ Er stellte die leere Tasse auf den Tisch zurück.

„Nein. Aber ich hab ja schon gesagt, ich habe auch nicht darüber nachgedacht. Ich versuche noch immer, diese Starre los zu werden.“ Meine Güte, die Wärme wurde immer schlimmer, ich brauchte dringend eine Abkühlung. Ich stand wieder auf und ging zur Terrassentür. Besser. Jetzt hatte ich aber den bohrenden Blick im Rücken. Ach nicht gut. Umdrehen!

„Wie ich schon im Krankenhaus sagte, können sie mich jederzeit anrufen. Meine Karte haben sie ja noch?“ „Natürlich. Sie liegt auf meinem Schreibtisch. Ich verspreche, ich werde darüber nachdenken und mich melden, wenn mir was einfällt.“ „Schön.“ Er stand auf. „Danke für den Kaffee. Wundervolle Wohnung haben sie hier!“ „Ja, hier fühle ich mich richtig wohl.“ Und als Nachgedanke „ich hab mich über ihren Besuch gefreut. Danke.“ „Kein Problem. Hab eh grad die Wachen unten kontrolliert. Wenn es ihnen recht ist, schau ich rein, wenn ich wieder in der Gegend bin.“ Und ob mir das Recht war. „Gerne. Rufen sie vorher an, dann gibt’s auch frischen Kaffee.“ Jetzt endlich sah ich ihn das erste Mal lächeln. Sollte er öfter tun, denn die kleinen Lachfältchen gaben ihm ein bubenhaftes Aussehen, als die blauen Augen mit Schalk blitzen. „Das ist ein gutes Argument. Und noch was: gehen sie raus, unter Menschen, bevor sie sich hier noch komplett abschotten. Aber passen sie auf sich auf.“ Er ging in Richtung Tür, ich folgte ihm. Am Ausgang blieb er stehen, drehte sich noch einmal um. Jetzt war er wieder ernst. „Ich will nicht, daß ihnen was passiert.“ Er reichte mir die Hand, ich ergriff sie ungeschickt mit der Linken – die rechte Hand war noch etwas unkooperativ – und drückte. „Versprochen!“ Auftritt mein Lächeln. Er öffnete die Tür und war weg. Und ich war endlich wieder ich selber.

An diesem Abend begann ich endlich wieder etwas zu tun. Zuerst die Tasche, die ich aus dem Krankenhaus mitgebracht hatte. Mein Cocktailkleid war völlig ruiniert. Das ganze Oberteil voller Blut und der rechte Ärmel aufgeschnitten. Also ab in den Müll. In meiner Handtasche steckte noch das Portemonnaie. Und ein Stück schwarze Seide.

Oh, das hatte ich völlig vergessen. Ich holte es raus, klappte es auseinander. Ein quadratisches Tuch, das Blut war auf dem dunklen Untergrund kaum auszumachen. Ein leichter Geruch nach Eisen und Moschus ging von ihm aus. Was sollte es, so konnte ich es wohl kaum behalten, also kam es in die Wäsche mit den restlichen Sachen. Wieder setzte ich mich aufs Sofa mit Blick aus den Fenstern.

Aber diese Mal war ich nicht abwesend. Ich hörte die Autos, Leute auf der Straße und sah die leichte Bewegung der Gardinen. Und ließ diesen Abend vor 10 Tagen vor meinem Auge Revue passieren. Aber so, wie er geschehen war. Bild für Bild. Der Mann, der wohl Gabriel hieß, war dicht vor mir gewesen. Wäre ich begabter, könnte ich ihn malen. Seine Ausstrahlung – mir kam sie nach wie vor sehr erotisch vor – wirkte noch nach über einer Woche. Doch was war passiert, als ich ohnmächtig war. Wollte ich jemanden wieder sehen, der anderen Leuten das Herz raus schnitt. Nicht, daß er sich noch durch mich bedroht fühlten könnte und das ‚Problem’ – nämlich mich – auf seine spezielle Art löste. Wenn er Zeitung las mußte er wissen, daß ich seine Geschichte geändert hatte. Kleiner dicker Mann mit blauem Overall…

Trotzdem würde ich ihn trotz allem gerne noch mal sehen. Ich hatte also nicht wirklich Angst, aber vielleicht war Polizeischutz doch eine so schlechte Idee nicht. Nur zur Sicherheit.


Silberner Satyr

Dance with me through an endless night
Let me fall into oblivion and ecstasy
Don’t show me the meaning of wrong and of right
Let me be you and you can be me.

Über die nächsten Wochen nahm ich wieder langsam Kontakt zu meinen Freunden auf. Zuerst trafen wir uns bei mir oder bei ihnen aber nach und nach fand man uns auch wieder in Restaurants oder Nachtbars. Immer war ein unauffälliges ziviles Polizeifahrzeug in meiner Nähe. Eines Nachmittags rief John Tremane an. Ich hatte mich gerade umgezogen um eine Ausstellung über das Leben der Inkas zu besuchen. Also fragte ich ihn, ob er nicht Lust hätte, mich zu begleiten. Kurzes Zögern in der Leitung, dann: „Klar, ich hole sie in einer halben Stunde ab.“ Diese halbe Stunde nutzte ich für ein gekonnt unauffälliges Make-up.

Er ließ durch den Pförtner ausrichten, daß er unten wartete. Ein letzter Blick in den Spiegel: LaVerne, was tust Du da eigentlich? – und ab nach unten. Er stand in der Lobby und sprach mit einem meiner Aufpasser. Der deutete zu mir rüber, sagte etwas und ging dann raus. Mein neuer Begleiter drehte sich zu mir um, lächelte und  ‚… hach, die Sonne geht auf…‘ und kam auf mich zu. „Ich habe ihnen gesagt, daß sie sich jetzt etwas frei nehmen können, ich übernehme den Personenschutz.“ Das Lächeln war noch immer auf seinem Gesicht. „Dann fühle ich mich extrem sicher“ lächelte ich zurück. Wir gingen nebeneinander zu seinem Auto und er hielt mir sogar die Beifahrertür auf. Der Zivilwagen startete und fuhr in die entgegengesetzt Richtung davon.

Wir fuhren schweigend zum Museum. „Schön, daß …“ „Hören Sie …“ setzten wir beide gleichzeitig an. Ich beharrte. „Zuerst mal nennen sie mich LaVerne, das tut jeder. Und zweitens finde ich es toll, daß sie mitkommen. Und jetzt dürfen sie!“ „Also gut, LaVerne. Dann bin ich John. Obwohl das wohl nicht ganz korrekt ist, wo sie zu meinem Fall gehören. Außerdem wollte ich mich für die Einladung bedanken. Ich hatte einiges über die Ausstellung in der Zeitung gelesen aber einfach keine Zeit gefunden, hin zu gehen.“ „Ich hatte mir den Besuch auch schon lange vorgenommen aber alleine macht es nicht so viel Spaß. Ich hätte nicht gedacht, daß du dich für die Inkas interessierst.“ Während er nach einem Parkplatz suchte, antwortete er: „ich habe vor einigen Jahren die Ruinen von Maccu Piccu besucht und seit der Zeit habe ich immer wieder versucht, mehr über die Erbauer zu lernen. So. Da wären wir.“ Wieder öffnete er mir die Tür und zusammen gingen wir in die kühle Ausstellungshalle.

Wir verbrachten einen wunderbaren Nachmittag. Die Exponate waren ganz außer-gewöhnlich, die Dokumentation sehr informativ und gar nicht langweilig und die Zeit verging wie im Fluge. Es war weit nach acht, als wir endlich auf dem Rückweg zu meiner Wohnung waren.

Vor der Tür hielt er den Wagen und ließ mich aussteigen. Jetzt nur nichts Falsches sagen oder lächerlich machen. „Wie wär’s noch mit dem versprochenen Kaffee?“ Er schaute auf die Uhr und dann mich an. Keine Spur von Hintergedanken. „Ich muß den Kollegen sagen, daß ihr Dienst wieder beginnt. Die sind in gut einer halben Stunde dann hier. In der Zeit nehme ich gerne einen.“

Puh. Gut gegangen. Ich wollte ihn ja nicht gleich verschrecken, aber gehen lassen auch nicht grad… Also fuhren wir hoch und ich setzte Kaffee auf. Als ich zurück ins Wohnzimmer kam, stand er an der offenen Terrassentür. Ohne sich umzudrehen sagte er: „Du hast die Fenster immer auf, während alle über die Hitze stöhnen und die Klimaanlage aufdrehen.“ Ich blieb in sicherer Entfernung stehen: „Ich liebe die Wärme. Kälte hasse ich förmlich. Es kann gar nicht warm genug sein.“

„Was hat Deine Haltung geändert?“ Mit einem Ruck drehte er sich zu mir um. „Warum gehst du wieder raus, was hat dich ins Leben zurück gebracht?“

„Ich weiß nicht. Nach deinem Besuch hier bin ich einfach wohl aufgewacht.“ Ich drehte mich um und holte die Tassen. Der Kaffee mußte sofort fertig sein. „Einfach so?“ Er stand noch immer am Fenster, der Stadt draußen den Rücken zugekehrt, Arme hinter dem Körper verschränkt. Ein leckerer Anblick! Schmale Hüften, breite Schultern. Leider ziemlich verdeckt durch den obligatorischen Anzug.

„Vermutlich war ich schon auf dem Weg, ich brauchte wohl nur noch einen Schubser.“ Mit den Tassen ging ich zum Sofa. Stellte beide auf den Tisch und ließ mich in meinen Lieblingssessel fallen. Er kam zur Couch und steckte die langen Beine unter den Tisch. Wieder wurde es warm im Raum. Seine bloße Anwesenheit schien meinen Körper irgendwie aufzuheizen. Schweigend sah er mich über seinen Becher eine Weile an. „Wir sind noch immer nicht weiter gekommen! Der zweite Mann bleibt spurlos verschwunden, das Motiv ist weiterhin nicht erkennbar und was dem ersten Angreifer passiert ist, ist völlig unverständlich.“

„Und ich hab in meinem Gedächtnis auch keine weiteren Details ausgraben können.“ Es tat mir leid, daß ich nichts für ihn tun konnte. Und seine Anwesenheit ließ Blut aus meinem Gehirn in andere Regionen fließen. – Einen Moment schwiegen wir beide, dann plötzlich schien sich die Stimmung im Raum zu ändern. „Vielen Dank für den Kaffee. Und für den schönen Nachmittag. Ich werde die Kollegen unten in Empfang nehmen.“

Er klang professionell und distanziert wie an dem Tag im Krankenhaus. Und ein wenig nach Flucht. Er war schon halb an der Tür, eh ich noch richtig stand. „Ich melde mich. Gute Nacht LaVerne.“ Die Tür fiel hinter ihm zu. Verdutzt stand ich halb im Raum. Was war da gewesen? Sah fast aus, als wolle er einer Falle entkommen. Dabei hatte ich mich doch wirklich benommen. Schade eigentlich. Ich ging raus auf die Terrasse. Nach einiger Zeit tauchte er dort unten auf und wenig später erschienen auch meine Aufpasser wieder. Ohne einen weiteren Blick stieg er in sein Auto und fuhr davon. In dieser Nacht wurde es so kalt in der Wohnung, daß ich das erste mal in diesem Sommer die Fenster schloß. Die ersten Vorboten des Herbstes…

In den nächsten Tagen traf ich einige Verabredungen mit Freunden. Ein neuer Nachtclub hatte vor einiger Zeit eröffnet und vier von uns wollten sich den mal genauer ansehen. Also machten wir uns fesch und gegen zehn Uhr kam die Taxe, die mich zu dem Club bringen sollte. Auf der Fahrt war der Polizeiwagen immer brav hinter uns.

Es war kein Problem, eingelassen zu werden. Das richtige Geschlecht, richtiges Outfit und schon stand ich im Vorraum. Ein kurzer Blick und dann drängte ich mich durch einen Pulk von Menschen zu dem kleinen Tisch neben der Tanzfläche, wo die anderen drei schon saßen. Zwei der Mädel kannte ich schon lange, die dritte im Bunde – Alina – hatte ich bisher nur flüchtig gesehen. Ich ließ mich auf den freien Stuhl sinken. Ein Kellner brachte Getränke und ich bestellte einen Whiskey.

„Und, wie gefällt dir der ‚Silberne Satyr’,“ fragte Frenja neben mir. „Bisher nicht viel anders als andere Clubs.“ „Ja, aber irgendwie knistert es hier. Nur die High Society, und so viele fesche Kerle darunter. Ich denke, der Abend ist vielversprechend.“ Ich schaute mich um. Rund um die Tanzfläche waren Tische angeordnet, wobei die Tanzfläche zwei Stufen tiefer lag. Die Musik war nicht zu laut und im Hintergrund gab es größere Sitzecken, wiederum einige Stufen höher und an drei Seiten des großen Raumes. Dort oben gab es nur schwache Beleuchtung, allerdings hatte man von dort sicher einen guten Blick in den Raum. Die meisten dieser dezenten Nischen waren belegt. An einer Wandseite zog sich ein Tresen entlang, dahinter ein riesiger Spiegel. Der war aber nicht schlicht sondern geschliffen und stellte die Namensgeber der Bar dar. Ein eindeutig männlicher und eine deutlich weibliche Satyr. Sie waren mannshoch und so perfekt in den Spiegel gearbeitet, daß sie zu leben und dem Publikum auf der anderen Seite des Tresens zuzuschauen schienen. Der komplette Saal war sehr groß und modern eingerichtet: viel indirektes Licht, viel Stahl und Glas.

Unsere Unterhaltung plätscherte so dahin. Ich hörte mehr zu, während die anderen drei die Männerwelt einzeln anvisierten und ihre Vorstellungen mit der Realität verglichen. „LaVerne! Was ist mit dir? Gefällt dir hier so gar keiner?“ „Äh…“, ich richtete die Aufmerksamkeit auf meine Begleiterinnen zurück. „Ich weiß nicht, nein, eigentlich nicht wirklich. Zu jung oder zu alt, zu aufgedonnert oder zu arrogant und selbst-gefällig. Einige sehen wohl nett aus aber irgendwie hab ich heut keine Lust auf die, denen fehlt vielleicht das ‚gewisse etwas’.“ „Ach, so wird das nie was mit dir.“ Frenja schaute mißbilligend und kehrte dann wieder zu ihrer Selektion zurück.

 „Schaut mal, da oben das ist doch der neueste heiße Typ hier in der Stadt, von dem alle reden. Alina? Hast du nicht erzählt, daß man an den nicht ran kommt?“ Alina schielte in einer der großen schummerigen Nischen, auf die Frenja gedeutet hatte. „Stimmt, das müßte er sein, ich kenn' ihn daher, daß eine Bekannte bei der Inneneinrichtung seiner Stadtwohnung geholfen hat. Sie hat ihn mir hier mal gezeigt, obwohl er bei diesem Licht kaum zu sehen ist. Er ist immer von Leibwächtern umgeben. Soll enorm reich sein Und sehr süß, lange schwarze Haare, groß und schlank. Kommt wohl irgendwo aus einer alten Adelsfamilie und hat vor einigen Monaten hier ein Haus gekauft. Aber vergiß es, an den Aufpassern ist noch keiner vorbei gekommen.“ Sie seufzte und spähte zurück auf die Tanzfläche. Ich folgte Frenjas Blick. Da saßen mehre Männer in der Nische aber es war unmöglich, etwas Genaueres zu erkennen. Alle trugen dunkle Kleidung und einige von ihnen wirkte eher wie Catcher. Wohl die erwähnten Bodyguards. Jetzt mischte sich auch Dunja in die Betrachtung ein: „Oh, von dem hab ich auch schon gehört. Wird viel über ihn gesprochen auf dem Parties, speziell, weil er so gut wie nie dort auftaucht. Daher gibt es natürlich unendlich viele Gerüchte über Gabriel ‚den Geheimnisvollen’.“

Rums! Da war ich hellwach. Gabriel? Hallo? Geheimnisvoll? Dunkel gekleidet mit dunklen langen Haaren? Sollte das vielleicht… „Gabriel sagtest du?“ Dunja schaute mich verwundert an. „Ach ja, du warst ja in letzter Zeit nicht mit. Klar. Gabriel de Suvroc. Aber vergiß es, wie gesagt, keiner kommt an den ran. Schon erstaunlich, daß der hier überhaupt auftaucht. Ach nein, nicht wirklich, ist ja immerhin sein Club, hab ich gehört.“

Meine Gedanken waren schon einige Kilometer weiter weg. War er es? Wenn ja, wäre es überhaupt klug, mich in Erinnerung zu rufen? Aber die Augen brannten noch in meinem Kopf – und in meinem Bauch. Außerdem war die Polizei draußen. Aber nochmals – diesmal richtig – mit ihm sprechen… fragen, warum. Ach, was grübeln, einfach tun. Ich war plötzlich aufgeregt und gespannt auf neue Entwicklungen.

Nun, Kontakt dürfte nicht so schwer werden. Jede Nische hatte einen eigenen Kellner. Ein kurzer Moment des Beobachtens und ich hatte ihn identifiziert. Der zweite Teil des Planes befand sich – wie jeden Tag – in meiner Handtasche. Das schwarze Seidentuch.

„Hallo? Bist du noch da?“ Frenja wedelte vor meinen Augen. „Ich fragte, ob du noch was trinken willst.“ „Ach nein, ich geh mal kurz an die Bar und schau mir die Zentauren an. Komme gleich zurück.“ Einen Moment gucke sie etwas verwundert, dann wandte sie sich den anderen wieder zu.

Ich stand auf und ging an den Tresen. Ich schaute mir die Figuren genauer an, während ich auf den besagten Kellner wartete. Als er an mir vorbei eilte, hielt ich ihn auf.

„Entschuldigung, ich möchte gerne, daß sie etwas für mich zu ihren Kunden bringen.“ Dabei deutete ich auf die Nische. Sollte das nicht der Gesuchte sein, wäre das schlimmste Ergebnis eine kleine Peinlichkeit.

„Das möchten viele, aber normalerweise hat das keinerlei Sinn. Es kommt eh alles zurück.“ Er wirkte leicht blasiert und musterte mich von oben herab wie ein typisches Diskohäschen. „Nun, ich möchte es trotzdem versuchen. Es ist ja keine Visitenkarte oder so was. Ich möchte nur, daß sie eine ‚Bloody Mary’ dort hin bringen und zusammen mit diesem Tuch abgeben.“ Dabei hielt ich ihm den schwarzen Seidenstoff hin. „Die Rechnung geht natürlich auf mich. Wir sitzen dort vorne an dem Tisch“ und ich zeigte auf meine Begleiterinnen. „Nun gut, ich will es versuchen.“ Sprach’s und nahm das Tuch und trat hinter den Tresen. Er mixte das bestellte Getränk – irgendwie mußte ich ja das Blut kopieren und Tomatensaft schien eher unpassend. Dann drapierte er das Tuch um das Glas und machte sich in die Nische auf. Mir schlug das Herz bis zum Hals als ich mich wieder zu den anderen setzte. Wieder erst gehandelt und die Konsequenzen nicht bedacht…

 Keine meiner Begleiterinnen hatte meine Aktion mitbekommen. Leider konnte ich aber eine etwaige Reaktion nicht beobachten, weil ich dummerweise mit dem Rücken zu meinem Ziel saß. Umdrehen oder Beobachten stand nicht zur Debatte. So saß ich dann mindestens fünf Minuten. Die anderen Mädel diskutierten lebhaft über die Vorzüge von Meersalz-Peelings oder irgend was anderes hoch wichtiges, das ich nicht hörte und bekamen so von meinem Zustand nichts mit. Gerade war ich wieder soweit, mir selber geistig in den Hintern zu meiner unbedachten Aktion zu treten, als Frenja mitten im Satz aufhörte zu reden und über meine Schulter starrte.

„Oh Gott, da kommt einer von ihnen auf uns zu. Einer von dem Tisch des heißen Typen, scheinbar ein Bodyguard – mit ganz vielen Muskeln,“ wisperte sie völlig perplex. Ich drehte mich langsam in die Richtung ihres Blickes. Ja, einer der großen Typen aus der Nische stand einen Schritt hinter mir. Er maß uns mit professionellem Blick – keine Gefahr für seinen Schützling! Dann blickte er mich direkt an:

„Gabriel de Suvroc würde sich freuen, wenn sie sich an unseren Tisch gesellen würden. Er hätte gerne mit ihnen ein paar Worte gewechselt.“ Wohl moduliert, höflich aber auch bestimmt. Meine Begleiterinnen starrten erst ihn und dann mich verblüfft an.

Langsam stand ich auf, nahm meine Tasche und sagte wesentlich ruhiger, als ich mich fühlte: „Gerne, ich danke für die Einladung.“ Und zu meinen Freunden gewandt: „ich komme gleich wieder.“ Keine sagte ein Wort. Der Mann drehte sich um und ich ging hinter ihm her. Also ich die drei Stufen zu der Nische hoch ging, waren meine Knie wie Gummi. Sechs Männer starrten mich an. Und, war er es?

Ja! Eine Mischung aus Erleichterung und Angst kroch durch meinen Magen, als Gabriel aufstand, mich freundlich anlächelte – mein Herz hüpfte ganz leicht – und mir die Hand reichte. Das schwarze Tuch lag auf dem Tisch vor ihm.

„Hallo LaVerne, so sehen wir uns wieder. Setzen sie sich etwas zu mir und lassen sie uns plaudern. Kolya, rück mal, damit die Dame Platz hat.“

Der Angesprochene – ein blonder Riese von höchstens zwei Metern – erhob sich und schob mich auf den frei gewordenen Platz neben Gabriel.

Ich folgte wortlos, während ich einen unauffälligen Blick auf die Kollektion von Kraftpaketen warf. Schon recht einschüchternd – aber viel interessanter: er hatte mich mit Namen angesprochen. Das gab mir zu denken. Also war er ganz und gar nicht unwissend, aber immerhin lebte ich noch und bei der Menge von Leuten hier sollte sich das auch nicht ändern.

Da saß ich nun und schaute etwas unsicher aus meinem Abendkleid. Gabriel winkte nach dem Kellner. „Die Dame möchte einen Whiskey und ich nehme noch mal das Gleiche.“ Der Kellner warf mir einen kurzen, vielsagenden Blick zu und verschwand dann wortlos.

Mein Gastgeber griff nach dem Tuch vor ihm und hielt es mir hin. „Eine recht originelle Methode möchte ich meinen. Darf ich fragen, wie sie mich gefunden haben?“ Er wirkte nicht verärgert, vielleicht etwas amüsiert. Gut gut. Ich nahm ihm das Tuch aus der Hand und antwortete wahrheitsgemäß: „eine meiner Begleiterinnen hat ihren Namen erwähnt. Und da der nicht so häufig vorkommt und die Beschreibung auch paßte, wollte ich mal testen, ob ich richtig liege. Und als sie sagte, daß man an sie nicht ran kommt, war die Versuchung natürlich doppelt so groß, es zu versuchen.“ Er hatte hinreißend weiße Zähne die sein Lächeln noch strahlender erschienen ließen. Obwohl ich nicht viel getrunken hatte, wurde mir ganz warm in meiner Haut und ich fühlte mich fast beschwipst.

Der Kellner brachte die Getränke. Whiskey für mich – ohne Eis, gut aufgepaßt! Für Gabriel brachte er Tequila und Zitronenscheiben.

Einige Zeit nippten wir schweigend an unseren Getränken und schauten auf die Tanzfläche. Ich hätte schon einige Fragen gehabt aber man soll sein Glück nicht zu sehr strapazieren. Warten wir einfach mal ab, ob die richtige Zeit von alleine kommt. Und richtig.

„Ich denke, ich muß mich bei ihnen bedanken. Ganz offensichtlich haben sie die Kugel abgefangen, die für mich bestimmt war. Es tut mir leid, was mit ihrer Freundin passiert ist. Sie waren beide wohl zur falschen Zeit am falschen Ort. Jedenfalls schulde ich ihnen jetzt was. Und ich bezahle meine Schulden.“ Er klang ernst und bestimmt und schaute mir direkt in die Augen. Ein Schauer jagte meinen Rücken herunter. Eigentlich hatte ich bisher gedacht, er hätte mir das Leben gerettet. Seltsam.

„Woher kennen sie meinen Namen?“ Irgendwo mußte ich ja anfangen und dies war noch die unverfänglichste Frage. Natürlich nicht wirklich eine von denen, die mir wichtig waren. Noch immer dieser forschende Blick. Dann „das war keine der Fragen, die sie eigentlich stellen wollten. Aber gut. Natürlich habe ich die Berichterstattung verfolgt, außerdem habe ich hervorragende eigene Quellen.“ Damit schaute er kurz zu dem blonden Riesen rüber, der seinen Blick mit einem leichten Grinsen erwiderte. „Oh, ich finde alles und jeden“, brummte der.

„Ich denke, sie haben eine ganze Menge Fragen, von denen ich die meisten wohl nicht beantworten kann oder will. Aber trotzdem würde ich sie gerne zum Essen einladen, denn ich denke nicht, daß hier der richtige Ort für eine ernsthafte Unterhaltung ist. Und sie können sich so auf die Fragen vorbereiten.“

Ich zögerte mit der Antwort. Hier, unter den vielen Leuten, war ich sicher. Aber Essen gehen, wer weiß wo. Andererseits war ich noch nie feige gewesen, dazu noch ziemlich neugierig und wollte auf jeden Fall seine Gesellschaft nochmals genießen. Er schien mein Zögern schon teilweise richtig zu deuten. Er kam nah an mich heran und sprach leise in mein linkes Ohr: „Wenn sie etwas von mir befürchten müßten, wäre das schon lange vorher geschehen. Wobei das Befürchten eine Definitionsfrage ist. Außerdem paßt ja Tremane mit seinen Leuten auf sie auf!“

Ich spürte seinen Atem auf meiner Wange. Ein unbeschreiblicher Duft ging von ihm aus, kein Parfüm, einfach er selber. Wie sollte man sich da konzentrieren… Selbst wenn ich noch Angst gehabt hätte, die Emotionen, die er weckte, wischten alles fort. Ich hoffte, daß meine Stimme nicht zitterte: „Gerne. Und wenn ich Angst hätte, wäre ich nicht hier, sondern mit der Taxe auf dem Weg nach hause.“

Er zog sich aus meinem persönlichen Umkreis zurück und zeigte wieder dieses Lächeln. „Schön, das hätte auch gar nicht zu ihnen gepaßt. Wie wäre es am nächsten Freitag? Sagen wir um neun Uhr? Dann reserviere ich einen Tisch im Sky Rock.“ Neun Uhr war recht spät für eine Einladung zum Essen, aber warum nicht. Und das Sky Rock war ein toller Vorschlag. Da lohnte es sich tatsächlich, im Dunkeln dort hin zu gehen. Normalerweise gab es eine wochenlange Wartezeit. Na gut, wir würden sehen, wie gut er war.

„Wunderbar!“ „Schön, dann wird Kolya sie um neun von ihrem Appartement abholen.“ – keine Frage nach der Adresse Er stand auf und ich folgte ihm. Als Abschied nahm er meine Hand  und berührte sie ganz leicht und altmodisch mit seinen Lippen – die Hand würde ein paar Tage nicht mehr gewaschen werden – dachte ich grinsend im Hinterkopf. Wie ein Backfisch. „Schön, daß wir diesmal unter besseren Umständen aufeinander treffen.!

„Das finde ich auch.“ Ich schenkte ihm mein strahlendstes Lächeln und meinte auch jedes Wort. Er drehte sich zu dem blonden Hünen um. „Kolya, begleitest du die Dame an ihren Tisch zurück?“ Damit nickte er mir zu, setzte sich und beobachtete, wie ich hinter Kolya die Stufen runter ging. Sein Blick brannte kleine Löcher in meinen Rücken.

Unten wartete Kolya auf mich und nebeneinander gingen wir zu meinen Begleiterinnen zurück. Alleine seine Größe reichte, um uns eine Gasse zu bahnen. Kurz vor dem Tisch blieb er stehen, reichte mir die Hand und sagte: „Einen schönen Abend noch. Bis Freitag dann.“ Ich mußte meinen Nacken fast verrenken, um ihm ins Gesicht sehen zu können. „Ich bin um 9 Uhr bei ihnen. Es hat mich gefreut, sie persönlich kennen zu lernen.“ Das klang aufrichtig und freundlich. Ich mochte diesen Giganten. Der abschließende Händedruck erinnert aber eher an einen Schraubstock. Ein freundliches Nicken und er kehrte durch die Menge zurück. Dann mußte ich mich den Fragen meiner Freundinnen stellen und mir eine Geschichte ausdenken, die unverfänglich und gelogen war.

Die Tage bis zum Freitag wollten einfach nicht vergehen. Also rief ich eines Abends John Tremane an. Er war tatsächlich zuhause. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, sagte ich gleich, daß dies ein privater Anruf war. Und fragte ihn, ob er nicht Lust hätte, irgendwo eine Kleinigkeit zu trinken. Wir einigten uns auf ein Restaurant und eine Stunde später saßen wir uns gegenüber. Er in obligatorischem Anzug und ich ganz lässig in Jeans und Shirt. Noch war es warm genug, aber der Herbst rückte unaufhaltsam näher.

„John, was war neulich los?“ Ich mochte schon immer den direkten Weg – solange es nicht mich betraf. „Hab ich was Falsches gesagt?“ Er starrte in sein Glas und sagte erst mal nichts. Dann schien er sich innerlich einen kleinen zu Ruck geben.

„Nein, das war es nicht. Du bist Zeugin in einem Mordfall. Eigentlich darf ich nicht mit dir privat verkehren.“ Und das war ihm dann plötzlich auf meinem Sofa eingefallen? Da mußte noch mehr kommen, also wartete ich und ließ ihn seinen Gedanken folgen.

„Und… und.. Ach.“ Dann schaute er mich plötzlich direkt an. „Und ich wollte lieber gehen, bevor ich was sagen oder tun würde, das sich später als Dummheit herausstellt.“ Er sagte das mit Nachdruck und schien sich danach besser zu fühlen. Ich konnte es ihm nun entweder schwer machen und weiterbohren oder ihm entgegenkommen. Seine strahlend blauen Augen entschieden den recht kurzen Kampf in mir sehr schnell. Und zu seinem Glück war auch mein kleiner Schalk heute friedlich.

„John, ich glaube nicht, daß irgendwas dumm ist, was du tust oder sagst.“ Das klang mir zu oberflächlich, ich wollte aber auch nicht mit der Tür ins Haus fallen. Also ein klein wenig deutlicher:

„Ich bin gerne in deiner Gesellschaft. Und ich bin sicher, daß deine Instinkte dich richtig leiten.“ Das sollte ihm helfen, seine Gedanken in die richtigen Bahnen zu lenken. Es schien zu passen, denn er zeigte ein leichtes Lächeln. Warum war die Welt nur so kompliziert? Statt diesem pubertären Getänzel einfach sagen, daß man an Sex dachte, was sprach dagegen? Jedenfalls gingen meine Gedanken in diese Richtung. Aber so was sagt man nicht, schon gar nicht, wenn man sich kaum kennt. Nein, so was tut man einfach nicht…

Ich war noch in meinen Gedanken versunken, als er sagte: „ich werde nächste Woche für ungefähr zwei Wochen wegfahren. Wir haben im Norden scheinbar einen weiteren Fall, wo mit Silberkugeln geschossen wurde und ich will mir das genauer ansehen, das ist immer besser, als nur informiert zu werden. Was hältst du davon, wenn wir Essen gehen, wenn ich zurück bin.“

 „Auf jeden Fall! Wann fährst du?“ „Dienstag.“ „OK, ruf mich doch an, wenn du zurück bist, dann können wir noch einen Ort ausmachen.“ Er nickte. „Werd ich machen.“ Damit schien sein Problem erst mal aus der Welt, denn den Rest des Abends plauderten wir über seine Fälle. Er brachte mich zurück und bis in die Lobby. „Danke für den schönen Abend“ lächelte er zurückhaltend. Reichte mir die Hand während der Portier tüchtig desinteressiert tat und ging ohne weiteren Aufenthalt zu seinem Auto.


Noctis Infinitum

If darkness were water, I’d surely drown
If desire were sin, I’d end up in hell
Fall to my knees but head never down
Dreams now will haunt me, dreams I can’t tell

Endlich war Freitag. Nicht, daß ich darauf gewartet hätte. Nein! Ich war schon Stunden vorher fertig und lief dann wie ein Löwe durch die Wohnung. Diesmal hatte ich mich angepaßt. Schwarze, enge Jeans, schwarze Boots und enges schwarzes Top mit tiefem Decolté. Und als Schmankerl das schwarze Seidentuch als Halstuch. Um eine Minute vor neun rief der Portier an, daß Besuch auf dem Weg nach oben sei. Ich öffnete die Tür und Kolya bückte sich fast in die Wohnung. Er warf einen neugierigen Blick ins Appartement: „Gabriel wurde leider durch Geschäfte aufgehalten. Er wird sich um eine halbe Stunde verspäten. Wir sollen selbst entscheiden, hier oder im Restaurant zu warten, oder eine Spazierfahrt oder einen Aperitif in der Restaurantbar.“

„Kommen sie erst mal rein Kolya. Das war doch ihr Name, richtig? Wir können gerne hier etwas trödeln, wenn sie mögen. Wie wär’s mit einem Kaffee?“ er ließ sich nicht zweimal bitten und trat an die Glastür zur Terrasse. „Kaffee wäre prima, ich muß ja noch fahren, und Kolya ist richtig.“ Alle meine Besucher bewunderten den Blick und die Terrasse. „Man sollte nicht glauben, was für schöne Orte diese Stadt hat!“ Ich rief aus der Küche: „man muß sie nur finden. – machen sie es sich bequem.“ Als ich mit den Tassen zurück kehrte, hatte Kolya sich draußen auf eine der Liegen gesetzt. Ich gesellte mich zu ihm.

 „Wissen sie, LaVerne, ich kenne Gabriel schon lange aber daß mal eine Fremde sein Leben rettet, das finde ich nicht gut. Das ist mein Job. Vielen Dank also auch von mir.“ „Sind sie ein Freund oder sein Leibwächter?“ „Beides. Wie gesagt, wir kennen uns lange und sind gute Freunde, die viel miteinander teilen und geteilt haben. Aber ich bin für seine Sicherheit verantwortlich.“ Wie schon in dem Club stellte ich fest, daß ich Kolya mochte. Er war ruhig, wirkte nicht plump wie die anderen Muskelprotze. Außerdem hatte er ein freundliches Grinsen, das sein Gesicht bisher noch kein einziges mal verlassen hatte.

„Haben sie schon von ‚Noctis Infinitum’ gehört“, fragte er mit einem plötzlichen Themenwechsel. Endlose Nacht? „Nein, was soll das sein?“ „Das ist eine Ausstellung, die Gabriel im hiesigen Kulturzentrum organisiert. Ich habe gehört, daß sie auch Interesse an Kunst haben, speziell an mystischer, und nächste Woche ist dort Eröffnung. Wird übrigens Montag in der Zeitung stehen.“ „Nein, hab ich bisher noch nicht von gehört, war aber in letzter Zeit nicht sehr aufmerksam in der Richtung.“ Wußten die denn alles? Daß ich mich für Kunst interessiere, und Mystik? Was mich zu der Frage brachte: „Was ist denn das Thema der Ausstellung?“

„Oh, es geht um Geschöpfe der Nacht, um Dinge im Verborgenen – all so was. Aber Gabriel kann das bestimmt besser erklären.“ Das klang ja durchaus interessant. Auf jeden Fall was für meine Liste. „Das klingt faszinierend. Also eine Besucherin ist schon mal sicher.“ Dabei mußte ich fast lachen. „Eigentlich müßte die Ausstellung dann ja auch nachts stattfinden.“ „Ob sie’s glauben oder nicht, die Öffnungszeiten sind von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens. Nur der Ordnung halber…“ Er grinste schelmisch zurück. Es stand auf und reichte mir die leere Tasse. „Kommen sie, nicht, daß wir noch zu spät kommen.“

Vor der Tür stand eine schwarze edle Limousine. Ich war geplättet, das war doch erheblich mehr als ich erwartet hatte. Kolya öffnete mir die Tür und ich stieg in ein kleines Wohnzimmer. Rundum schwarz getönte Scheiben, Ledersitze, Minibar, halt alles so, wie man es sich vorstellt. Als er losfuhr, ließ Kolya die Scheibe zum Fond runter und wir unterhielten uns.

Vor dem Gebäude des Sky Rock öffnete er wieder die Tür für mich und holte den Fahrstuhl runter. „Sie müssen in den 43. Stock rauf. Der Empfangschef weiß Bescheid. Viel Spaß und einen schönen Abend.“ Er wartet, bis die Fahrstuhltüren hinter mir geschlossen waren. Ohne Halt ging es bis ins oberste Stockwerk.

Die ganze oberste Etage bestand völlig aus einer Glaskuppel, umgeben von einer breiten offenen Freifläche, die mit dem Haus abschloß und wie ein riesiger Balkon rundherum führte. Im Inneren der Glaskuppel standen an den Glaswänden einzelne Tische mit freiem Blick auf die Stadt. Gedämpfte Musik und nur dezente Beleuchtung direkt an den Tischen trugen zu einer fast traumhaften Atmosphäre bei. Ein bißchen, als ob man unter freiem Himmel in einem vornehmen Urlaubsort wäre. Die Tische waren mit Pflanzen und Paravens abgeteilt.

Als ich eintrat kam der Empfangschef direkt auf mich zu. Bevor ich noch etwas sagen konnte, verbeugte er sich leicht. „Ihr Begleiter ist bereits eingetroffen. Folgen sie mir bitte.“

Wir gingen an der Bar vorbei, die die Mitte des Raumes einnahm. Er näherte sich einem der Tische und ich sah, wie Gabriel sich erhob. Ich mußte bei seinem Anblick wieder schlucken. Hautenge Lederhose, schwarzes, offenes Seidenhemd. Die langen Haare mit einem dunkelroten Samtband gehalten. Unter dem Hemd schimmerte die getönte Haut und ließ gut geformte Muskeln mehr erahnen als erkennen. Wirklich ein gelungenes Outfit und sicherlich nicht dazu geeignet, mich auf etwas anderes als mein Gegenüber und seine Wirkung länger zu konzentrieren. Oder – um es noch etwas einzugrenzen: auf banale, wenn auch extrem aufregende Äußerlichkeiten. Dabei wollte ich doch so viel wissen. Das würde anstrengend werden …

Mühselig riß ich meinen Blick los, dankte dem Ober, der mir den Stuhl zurecht rückte und setzte mich. Gabriel schenkte mir ein Lächeln, das alles nur noch  viel schlimmer machte. Dann griff er nach etwas auf dem Stuhl neben sich und reichte mir eine einzelne schneeweiße Rose. „Eine weiße Rose für die Schwarze Rose. Schwarz und weiß. Der ultimative Gegensatz. Und doch beides schön. Ich freue mich, daß du gekommen bist.“ Ich nahm sie. Sie duftete sogar. „So eine Einladung konnte ich doch nicht ablehnen. Vielen Dank zurück.“

Gabriel hatte schon für uns bestellt und der Kellner brachte Getränke – für mich wieder Whiskey – und kurz darauf kam die Vorspeise. Während des Essens unterhielten wir uns über das Restaurant, aktuelle Geschehnisse und Belanglosigkeiten. Erst als der Kellner die Nachspeise abräumte, setzte sich Gabriel zurecht und schaute mich über den Tisch intensiv an.

„Ich denke, jetzt ist die Zeit, daß wir über ernste Dinge reden. Ich glaube, du hast einige Fragen. Bestimmt auch das Recht auf eine Antwort. Aber ich sage gleich, einige Dinge kann und darf ich nicht erläutern. Ich bin durch mein Wort und auch durch meine eigene Entscheidung gebunden. Aber ich werde mein Möglichstes tun.“ Ich schaute ihn an. Er hatte mich den ganzen Abend mit Vornamen angesprochen und ich hatte es ihm gleichgetan. So hatte sich eine leichte Vertrautheit eingestellt. Jetzt war es an mir. Nicht an die Dinge denken, die meine Augen dem Gehirn meldeten – oder besser gesagt einem Ort irgendwo in meinem Bauch.

„Ich weiß nicht, ob ich die richtigen Fragen stellen würde. Allerdings will ich dich auch nicht in einen Zwiespalt stürzen. Vielleicht wäre es am Besten, wenn du mir erst einmal erzählst, was da in dieser Nacht im Juli passiert ist. Denn da habe ich tatsächlich einige Lücken.“

„Ich war – entgegen meiner Gewohnheit – alleine unterwegs. Ich wollte mich mit einem Bekannten in der Nähe des Clubs treffen, wo du mit deiner Freundin warst. Jetzt bin ich sicher, daß ich in eine Falle gelaufen bin. Der Mann, der deine Freundin getötet hat, hatte in der Seitengasse auf mich gewartet. Dadurch, daß eine von euch zu weit vorausgegangen war, ist sein Versteck wohl aufgeflogen und er mußte handeln. Also ging er mit dem Messer auf deine Freundin los, grade in dem Moment, als ich um die Ecke kam. Da ich dich am Treffpunkt auf der Straße vorfand, war ich abgelenkt und habe zuerst nicht gesehen, was los war. Dann hast du mich zur Seite geschubst und die Kugel abgefangen, die er für mich reserviert hatte. Ohne euch hätte er mich vermutlich unvorbereitet angetroffen. Während er schoß und dich traf, bin ich zum Angriff übergegangen. Ich habe ihm“ – hier stockte er kurz – „das Genick gebrochen. Dann habe ich sein Herz entfernt als Warnung für die, die ihn geschickt hatten. Danach hab ich nach dir geschaut aber du warst bewußtlos. Also habe ich dich an die Wand gelehnt, versucht die Blutung zu stoppen und“ hier zog sich ein Grinsen über sein Gesicht, „dir einzureden, daß du mich nicht erkannt hattest. Ich dachte, es wäre für uns alle besser, wenn das so wäre. Dann habe ich gewartet, bis ich euer Taxi kommen hörte und bin dann verschwunden. Und das war eigentlich schon alles.“ „Ach ja, ich hab noch anonym bei der Polizei angerufen, nur falls das Taxi zu lange brauchen würde.“

Ich ließ diese Zusammenfassung etwas einwirken. Das klang plausibel, wenn ich auch den Verdacht hatte, er habe einige spezielle Details ausgelassen. Ich war sicher, daß genau dort die Dinge interessant wurden. Aber langsam, eines nach dem anderen.

„John Tremane hat mir einige Dinge erzählt, die ihn bei dem Fall verwirrten. Da war in erster Linie, daß man eine Silberkugel aus meiner Schulter geholt hat. Ist das nicht etwas ungewöhnlich?“ Gabriel nickte. „Stimmt, aber bedenke, daß die Kugel für mich bestimmt war. Es war eine Botschaft, die nur an den falschen Empfänger ging. Ich denke, daß die Waffe komplett mit Silberkugeln geladen war. Genug davon, und selbst das wirkt nachhaltig.“ „Stimmt“, nickte ich, „Tremane sagte so etwas. Aber er sagte auch, daß der Tote nie identifiziert wurde. Er hätte – äh – einen ungewöhnlichen Prozeß bei der Untersuchung durchgemacht.“ „Aha!“ Er schwieg, schaute fast unschuldsvoll aus dem riesigen Panoramafenster. Das Gesicht, das er mir dann zuwandte, war undurchdringlich – und schön. „Das. Ja, ich weiß. Das gehört in den Bereich, über den wir heute nicht sprechen können. Vielleicht später mal.“ Damit gab ich mich erst mal zufrieden.

„Warum wollte man dich töten?“ „Nun, ich gehöre einer – sagen wir Vereinigung – an, die nicht von allen toleriert wird. Unsere Gegner wollten diesem Mißfallen Ausdruck verleihen.“ Jetzt sagte ich „aha!“ Diese Vereinigung interessierte mich. Aber vorher: „ich habe in der Nacht gesehen, daß der Mann, den du Cudro nanntest, das Gesicht voll von dem Blut meiner Freundin hatte.“

Er schaute mich einen Moment starr an. „Du hast ein erschreckend gutes Gedächtnis. Richtig. Ich hatte den Mann dort sofort erkannt, er hatte schon früher seltsame Obsessionen. Vielleicht war das eine davon?“ Er ließ es als Frage im Raum stehen. Nein, auch da stimmte etwas nicht, sagte mir mein Gefühl. Irgendwas fehlte dort. Seine Antworten lagen parat – natürlich – aber er gab selber zu, daß da noch mehr war. Eine Herausforderung! Und eine Gelegenheit, diese ‚Bekanntschaft’ in meinem Sinne zu vertiefen. Seltsam – erst gab es nur ‚Durchschnittsleute’ in meinem Leben und auf einmal gleich zwei lohnende Objekte. Kaum gegensätzlicher aber doch so ähnlich. Doch zurück zu meiner momentanen Inquisition.

Gabriel hatte geduldig gewartet, bis mein Gehirn wieder präsent war. Sein Blick ließ mich einen Moment lang fürchten, er könne vielleicht Gedanken lesen. „Du sagtest beim ersten Treffen, daß du die Entwicklung des ‚Falles’ verfolgt hattest. Wieso? Oder auch, warum habe ich nichts vor dir zu befürchten?“ Ich hatte keinerlei Angst vor ihm. Im Gegenteil. Aus meinem Standpunkt hatte er mir geholfen. Seine Variante der Geschehnisse war mir ja völlig neu. Trotzdem schien mir die Frage berechtigt.

 „Daß ich die Nachrichten über einen Mordfall mit meiner Beteiligung verfolgen würde, war klar.“ Er winkte dem Kellner und deutete auf unsere Gläser. Dann sprach er ruhig und nachdenklich weiter. „Ich habe dafür gesorgt, daß ein erfahrener Mann die Untersuchung durchführt, erfahren in ungewöhnlichen Dingen. Denn wenn so ein Mann das Rätsel nicht lösen kann, kann es auch sonst keiner. Als ich dann deine Beschreibung des zweiten Beteiligten las, war mir klar, daß du den Sinn meiner Worte verstanden hattest und etwas damit deutlich machen wolltest. Und ich wollte wissen warum.“ „Warum was?“ Ich hätte mir eine Antwort aus verschiedenen Möglichkeiten aussuchen können, wollte aber nicht mehr rausrücken als nötig.

„Warum? Nun, warum hast du mitgemacht bei meiner Geschichte, warum die Änderungen, die mich aufmerksam werden lassen mußten, warum konnte ich dich nicht hypnotisieren.“ Er zog die Augenbrauen hoch. Leicht spöttisch, er hatte mich beim Pokern kalt erwischt. „Ich habe mitgemacht, weil ich dir etwas schuldete; ich mag es nicht, wenn man mir befiehlt aber ich spiele hin und wieder gerne mit Feuer. Das sind die ersten zwei Fragen. Die dritte kann ich nicht beantworten. Ein Hypnotiseur hat das vor Jahren schon erfolglos versucht. Ich bin wohl immun gegen solche ‚Spielereien.’“

 „Wieso schuldest du mir war?“ Er war ernsthaft verwundert, ging aber nicht auf den Kommentar mit dem Feuer ein. „Nun, ich wollte das eigentlich schon bei unserer Begegnung in dem Nachtclub klären. Ich hatte den Eindruck, wenn du nicht gewesen wärest, hätte der Kerl mich auch umgebracht. Du kannst sagen, was du willst, aber ich hatte einen leicht anderen Eindruck von den Geschehnissen. Ich dachte, soweit ich überhaupt denken konnte, daß meine Aussage das Mindeste war, was ich als Dank tun konnte. Aber aus eigener Entscheidung!“ Eine längere Ausführung, der er aufmerksam gelauscht hatte. Sein Lächeln kehrte zurück. Er beugte sich so nah zu mir, daß ich wieder diesen Duft von ihm in die Nase bekam. Berauschend! „Du hast Recht LaVerne. Es steckt viel mehr dahinter. Aber ich kann es dir nicht erklären. Laß uns darauf einigen, daß wir uns gegenseitig geholfen haben. Mit der Option, weitere Gespräche darüber zu führen.“

Alles, was du sagst, nur bleib so dicht bei mir – nein, halte Abstand, ich muß mich konzentrieren… Mein Lächeln mag gequält gewirkt haben. Aber die Worte waren ehrlich: „Ich nehme das als ein Versprechen.“ „So sei es!“ Der Duft verschwand langsam, als er sich wieder zurück lehnte.

„Hat Kolya dir von meinem kleinen Projekt erzählt?“

„Meinst du diese Ausstellung? Ja, hat er kurz erwähnt und mir gesagt, ich soll dich danach fragen. Er hat grade genug gesagt, um mich neugierig zu machen.“ „Oh ja, das kann er besonders gut. Andeutungen ausstreuen. Aber die Ausstellung soll wirklich was Besonderes werden. Ich habe von meinen Reisen und von Freunden viele Dinge mitgebracht, die sich alle mit Aberglaube, Dämonen, Mystizismus oder Magie befassen. Diese Artefakte, Gemälde, Schmuck und Waffen erzählen ihre eigne Geschichte und ich dachte, vielleicht möchten noch andere zuhören.“ „Ich bin sicher, daß es da einige Leute gibt. Noch dazu, weil die ‚dunklen Mächte’ ja seit einigen Jahren wieder ‚in’ sind und es immer eine gewisse Anhängerschar gab.“ Und bei mir gab ich zu, daß solche Dinge immer schon ‚in’ bei mir waren. „Eröffnung ist Montag Nacht um Zehn Uhr, denn es geht ja nicht an, diese Dinge bei Tageslicht zu betrachten oder sie gar der Sonne auszusetzen.“ Wohl wahr.

„Allerdings wird das Ambiente, die Dekoration und Akustik einen großen Stellenwert haben. Hättest du vielleicht Lust, die Ausstellung mit mir zu testen?“ Mit ihm hätte ich so einiges getestet, aber eine Ausstellung war ein guter Anfang. Was war mit mir los, ich war doch sonst nicht so leicht abzulenken und zu verwirren. „Das würde ich gerne, aber vielleicht nicht am Eröffnungstag. Wenn so viele Leute da sind, hat man eigentlich nicht genug Ruhe zum ‚Wirken lassen’.“ „Nein, LaVerne, nicht Montag. Sonntag Abend, vor der Eröffnung, Du könntest mein Testpublikum spielen?“

„Sag mir, wann ich fertig sein soll und wo ich hinkommen soll. Eine Einzelführung lasse ich mir auf gar keinen Fall entgehen.“ „Ich schicke dir wieder Kolya. Wäre Zehn Uhr abends ok, oder ist dir das zu spät?“ Herausfordernder Ton… Na gut, das kann ich auch. „Hmm, Sonntag schlaf ich lange, aber bis dahin müßte ich auf und fit sein.“ „Gut, dann ist es abgemacht.“ Damit wechselte er das Thema und wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über Musik. Es war weit nach zwei Uhr, als er den Kellner zum Bezahlen rief. „Vergiß nicht die weiße Rose für die schwarze Rose.“ Ich nahm sie vom Tisch – sie wirkte schon etwas schlaff. Er meinte mit einem Blick darauf: „So vergänglich ist Schönheit. Aber stell sie ins Wasser und sie wird sich erholen. Wenn alles so einfach wäre, was?“

Am Fahrstuhl ließ er mir den Vortritt und wir fuhren schweigend nach unten. In dem engen Abteil spürte ich seine Gegenwart doppelt so deutlich. Er schaute mehrfach kurz zu mir rüber, sagte aber nichts. Obwohl niemand ihm Bescheid gesagt zu haben schien, stand Kolya vor der Tür und hatte die Limousine schon geöffnet. Gabriel erzählte während der Fahrt, wie er an einige der Bücher in der Ausstellung gekommen war.

Zuhause öffnete Kolya wieder die Autotür. „Es war ein wunderbarer Abend. Das müssen wir wiederholen. Aber erst mal gehen wir Sonntag in die ‚Noctis Infinitum’. Gute Nacht LaVerne.“ Wieder hauchte er einen Kuß auf meine Hand. „Gute Nacht Gabriel und Danke auch. Bis Sonntag. – Gute Nacht Kolya.“ Der wartete, bis ich drinnen den Pförtner grüßte. Gedankenverloren an der Rose riechend fuhr ich in meine leere Wohnung hinauf.

Samstag beschäftigte ich mich den ganzen Tag mit meinem Computer. Gabriel hatte Recht gehabt, die Rose hatte sich im Wasser vollständig erholt. Ich vermied jeglichen Gedanken an Gabriel oder John Tremane. Nur nicht in die Tiefe gehen. Einfach reagieren und auf sich zu kommen lassen statt denken oder agieren. Beide waren interessante Persönlichkeiten, von den Äußerlichkeiten gar nicht zu reden. Stop! Nicht denken, abwarten. Am Abend saß ich lange auf der Terrasse, schaute über die Stadt und lauschte meiner Lieblingsmusik. Ich sah die Sonne versinken, die ersten Sterne glitzerten. Innerlich ruhiger und entspannt ging ich erst ins Bett, als es mir zu kalt wurde.

Den Sonntag verbrachte ich nicht viel konstruktiver. Abends ließ ich mir das Essen aus einem nahe gelegenen Restaurant kommen. Wieder wählte ich – natürlich – schwarze Kleidung aus. Als Ergänzung allerdings einen weißen Chiffonschal um den Hals. Ein langer Ledermantel vervollständigte die Garderobe und als Kolya vor der Tür stand, war ich abfahrbereit.

Auf dem Weg nach unten erzählte er, daß Gabriel im Wagen wartete und etwas nervös wegen der Eröffnung war. Das war verständlich.  Kolya öffnete die Autotür und ich setzte mich auf die hintere Bank neben Gabriel. Heute trug er seine Haare offen und manche Frau wäre bei dieser Haarpracht neidisch geworden. Er lächelte mich etwas gequält an und drückte mir zur Begrüßung ein Glas Sekt in die Hand. „Schön, daß du mich begleitest. Trink mit mir auf die Ausstellung. Daß alles klappt.“ Ich nahm das Glas und bevor wir noch angestoßen hatten, setzte sich die Limousine geräuschlos in Bewegung. Während wir langsam tranken, erzählte Gabriel von den Vorbereitungen. Lichttests, Presse, Sicherheit der Objekte – es war eine ganze Liste von Dingen, die beachtet werden mußten.

Vor dem Museum ließ Kolya uns aussteigen. Als wir die Stufen hinauf gingen, schloß er sich uns an. Im Foyer machten wir kurz Pause. Gabriel nahm mir den Mantel ab und angelte hinter einen der Tresen. Als er sich zu uns zurück drehte, hatte er drei dunkle Masken in der Hand.

„Jeder Besucher kann so eine Maske tragen, es ist aber keine Pflicht. Der Gedanke ist, daß wir im Dunkeln nicht erkannt werden, wir sind alle gleich. Und wir alle tragen Masken, die unser wahres Ich verbergen. Möchtet ihr versuchen?“

Ich schaute Kolya fragend an. Er zuckte zustimmend mit den Schultern. Als er die Maske aufsetzte, verschwand der Großteil seines Gesichtes hinter schwarzem Holzimitat. Die blonden, kurzen Haare darüber gaben ihm ein leicht bizarres Aussehen. Ich nahm auch eine und befestigte sie mit einem Gummi unter meinen Haaren. Als Gabriel dann seine aufsetzte, hätte ich beinah gelacht. Wir boten schon einen seltsamen Anblick.

„Übrigens sind diese Masken den Karnevalsmasken aus Venedig nachempfunden und stellen bestimmte Figuren dar. Sie dürfen als Andenken von den Besuchern mit nach Hause genommen werden.“ Gabriel rückte die Maske zurecht und so gewappnet traten wir durch die Tür in die Haupthalle. Aber die war völlig umgebaut. 

Der Raum war mit schwarzen, teilweise wallenden Tüchern aufgeteilt. Man hörte Grillen zirpen und in der Fast-Dunkelheit konnte man nicht sehr weit sehen. Es war kühl und wenn man nach oben sah, meinte man, den Sternenhimmel erkennen zu können. Verschiedenste raffinierte Effekte vermittelten den Eindruck von Größe, Einsamkeit, Freiheit oder auch Bedrückung und Alter und Verfall.  Der Weg durch die Ausstellung war leicht zu erkennen, es ging immer der spärlichen Beleuchtung nach. Enge ‚Stoff-Gänge’, Nischen mit Masken, lateinische Beschwörungsformeln, erotische Statuen aber auch Folterinstrumente, eine künstliche Höhle mit Fledermäusen, Bücher auf alten Tischen, seltsame Kleidungsstücke, Unmengen von Waffen und Schmuckstücke waren hier verteilt. 

Wir gingen nicht zusammen sonder blieben mal an interessanten Punkten stehen. So wanderte ich bald alleine. Die Sammlung war immens, die Präsentation optimal, schon teilweise unheimlich realistisch. Ich war so vertieft in die Exponate, daß ich Gabriel erst bemerkte, als er direkt hinter mir stand. Sein Atem drang sanft an der Maske vorbei über meine Wange als er leise sagte: „Fühlst du es? Das Licht erzählt die Wahrheit, aber die Dunkelheit befreit.“ Ich drehte mich nicht um.

„Du schenkst der Fantasie hier Flügel. Hier wird man verzaubert, auf eine Reise geschickt.“ Ich hatte geflüstert, wie er auch. Einen Moment später fühlte ich seine Hände links und rechts auf meinen Hüften. Die Wärme seines Körpers drang durch meine Kleidung und schickte ein Kribbeln über meine Haut. Ich rührte mich nicht, hielt ganz still.  „Hier sind wir gesichtslose Wesen, gefangen in der Magie. Da draußen verbrennt die Sonne unsere Träume. Aber im Dunkel können wir unerkannt unser wahres Ich frei lassen.“ Was war sein ‚wahres Ich’? Und was war meines? Ich konnte die Frage stellen aber die Antwort war nicht hier und nicht jetzt und vielleicht wußte nicht einmal er die Antwort. Ich lehnte mich leicht zu ihm zurück, spürte seinen Körper, wie seine Hitze gegen meinen Rücken brannte. Er strahle neben der Wärme auch Kraft aus und ich wollte mehr davon spüren.

Aber bevor ich noch seinen Worten antworten konnte, hörten wir die Schritte von Kolya. Er ließ mich los, aber legte in der gleichen Bewegung seinen Arm um meine Schulter. Lauter sagte er: „Kolya, was meinst du, sollen wir für heute Schluß machen und noch gemütlich irgendwo was trinken? Ich lade euch ein, wenn ihr mir eure ehrliche Meinung über die Ausstellung sagt.“

„Was meinst du LaVerne, können wir die Ausstellung so morgen eröffnen?“ Ich nickte begeistert. „Es ist wunderbar. Die Atmosphäre, die Ausstellungsstücke, die Beleuchtung, die Geräusche. Ihr werdet morgen einen vollen Erfolg feiern.“ „Siehst du Gabriel, ich hab dir gesagt, du machst dir zu viele Sorgen. Geht schon mal voraus zum Foyer. Ich mache noch die Lichter aus und die Alarmanlage an.“ Damit drehte Kolya sich um und eilte mit schnellen Schritten in Richtung Ausgang.

Während wir langsam zurück gingen, ließ Gabriel seinen Arm auf meiner Schulter und ich legte wie selbstverständlich meinen Arm um seine Hüften. Durch den Stoff konnte ich seine Muskeln spüren – aber der nahe Moment von eben war erst einmal vorbei. Wortlos schlenderten wir Richtung Ausgang. Hinter uns wurde es dunkel.

Wir fuhren mit der Limousine in den ‚Silbernen Satyr’. Zu dritt gingen wir in die Nische, wo ich Gabriel vor gut 10 Tagen entdeckt hatte. Einige seiner ‚Leibwächter’ waren schon dort und machten uns bereitwillig Platz. Gabriel wirkte irgendwie nie wie ihr Boß, eher wie ein Freund von den Catchern.

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über die verschiedensten Ausstellungsstücke und erst so um vier Uhr morgens brachte Kolya mich zurück. Da Gabriel im Satyr blieb, konnte ich auf der Rückfahrt meinen Gedanken nachhängen. Kolya ließ mich vorm Haus raus, und verabschiedete sich mit einem „Schöne gute Nacht LaVerne“ und einem festen Händedruck. Müde und etwas verwirrt fiel ich ins Bett.


Annäherung

What do you crave, what do you need?
Is it love that drives you or a rush of lust?
You better hope that you’ll not getting what you seek
Or your dreams and wishes for sin will turn to dust.

Die folgende Woche verlief sehr ruhig. Laut den Zeitungen war die Ausstellung ein voller Erfolg. Ich hörte nichts von Gabriel und John Tremane war nicht in der Stadt. Damit hatte ich Gelegenheit mich zu sortieren. Und auf ein Lebenszeichen von einem der beiden zu warten. Langsam kam dann wieder mein Pragmatismus durch aber nachts dachte ich oft an strahlend blaue oder tiefbraune Augen. Am Ende der Woche rief mich John kurz an. Er war nicht glücklich mit dem Verlauf seines Falles. Wir verabredeten uns für den darauf folgenden Freitag zum Essen.

Abends traf ich mich mehrmals mit ein paar Bekannten und wir gingen tanzen. Obwohl es durchaus genug Männer für einen netten Abend dort gab, kehrte ich doch alleine zurück. Keiner konnte mit dem Gefühl konkurrieren, daß die bloße Anwesenheit von John oder Gabriel hervorrief. Irgendwann im Laufe der nächsten Woche fiel mir dann auch auf, daß ich so gut wie nichts über Gabriel wußte. Über meine Freundin könnte ich wohl die Anschrift erfahren. Aber wozu. Hinterherlaufen widersprach meiner Ehre. Wenn er was wollte, würde er sich melden.

Donnerstagabend rief John wieder an. Er war zurück und bestätigte den Termin für den nächsten Tag. Er würde mich um 7 abholen. Für dieses Treffen war auf jeden Fall andere Kleidung angesagt.

Ich öffnete John die Tür wieder in Jeans und weißer, tief ausgeschnittener Bluse. Diesmal mit hochgesteckten Haaren. Wir hielten uns nicht auf und fuhren direkt ins Restaurant. Während des Essens erzählte er von seinem Fall im Norden. Tatsächlich war dort mit Silberkugeln geschossen worden. Ein Mann war von 7 Kugeln durchsiebt worden, allerdings war die Schützin wohl eine verwirrte Frau, die den Vertreter für einen Einbrecher gehalten hatte. John war ärgerlich, weil er Zeit verschwendet hatte und dafür bei der Obduktion einer Leiche anwesend sein mußte. Außerdem gab auch in ‚meinem’ Fall kein Fortschritt. Schlimmer, er berichtete zornig, daß die Polizeieskorte für mich eingestellt werden sollte, weil wohl keine Gefahr mehr bestand, nach all den Wochen. Wie wahr…

 „Ich weiß nicht, manchmal macht der Job keinen Spaß.“ Gedankenverloren schob er eine einsam zurückgelassene Orangenscheibe auf seinem Teller hin- und her. „Vermutlich wird dieser Mord als ungeklärt in den Aktenordner wandern. Verdammt!“ Ich legte meine Hand leicht auf seine und schaute ihn direkt an. „Jetzt klappt es vielleicht nicht, aber manchmal gibt es doch auch später noch Wendungen in solchen Fällen. Vielleicht kommt ja irgendwann der große Durchbruch.“ Er tat mir leid. Ich wünschte, ich hätte ihm mehr sagen können. „Aber es ist doch was Gutes dabei rausgekommen, immerhin sitzen wir hier ja jetzt und essen zu Abend!“ Ein Mundwinkel zog sich leicht nach oben und er hielt die Hand still. „Da hast du zumindest Recht, aber es ist schon manchmal frustrierend.“

Er wechselte das Thema, ließ aber seine Hand unter meiner. Ich erzählte ihm von der Ausstellung ‚Noctis Infinitum’ aber nicht, wann und mit wem ich dort gewesen war. Er ließ sich einige der Ausstellungstücke genau beschreiben, offensichtlich war er sehr gut informiert über die Abgründe der ‚dunklen Seite’.

Als wir uns endlich aufmachten, war es schon wieder recht spät. Er hielt vor dem Haus und stellte den Motor aus. Als ich die Beifahrertür öffnete, schaute er mir nur zu. „John? Wie wär’s zum Abschluß des Abends mit einer Tasse von meinem berüchtigten Kaffee?“ Eine blöde Frage diesmal aber durchaus ernst gemeint. Er wirkte fast, als brauche er einen. Er zögerte ganz kurz, dann „gerne!“ Ich winkte dem Portier zu und oben zog ich als erstes die Schuhe aus. „Such dir `nen Platz, mach es dir bequem. Ich mache den Kaffee. Wenn du magst, mach doch Musik an.“ Damit verschwand ich in der Küche.

Als ich ins Wohnzimmer zurück kehrte, lief meine Lieblings-CD und er hatte sogar das Jackett ausgezogen. Ich fand ihn auf der Terrasse, wie er an der Brüstung lehnte und die Stadt beobachtete. „Was versteckt sich wohl in dieser Dunkelheit?“ Er hatte sich bei dieser Frage nicht umgedreht.

„Verbrechen, Leidenschaft, Trauer, Freude, alle Dinge, die es auch am Tage gibt. Nur jetzt finden wir Zeit, darüber nachzudenken.“ Was ich vorher schon festgestellt hatte, die beiden Männer waren sich in vielem sehr ähnlich, auch in der Leidenschaft für das Verborgene. John dachte über meine Antwort einen Moment nach. Als ich mich neben ihn an die Brüstung lehnte, meinte er: „Schon. Aber ich habe mit den Jahren gelernt und gesehen, in der Dunkelheit gibt es Dinge, die es bei Licht nicht gibt. Die Sinne nehmen anders wahr, die Menschen folgen eher ihren Instinkten und nicht dem Verstand.“

„Vielleicht brauchen wir alle solche Zeiten, wo wir frei von Zwängen sind. Die Dunkelheit gibt uns die Chance, dem Herzen zu folgen. Oder zu träumen. Wir alle brauchen solche Momente und die Nacht deckt ihren Schleier darüber. Poetisch gesprochen.“ Er drehte sich zu mir, lächelte etwas. „Aber ich glaube, du hast das Konzept richtig beschrieben – was für dunkle Gedanken.“

Ich lachte, während ich zurück in Richtung Küche ging: „Passend zu einer dunklen Nacht.“ Wir setzten uns auf das Sofa und lauschten schweigend einer Weile der leisen Musik. Dann erzählte ich ihm ein wenig von mir. Dabei spürte ich eine leichte Unruhe in mir aufkommen, ein leichter Druck in der Magengegend. Die Stimmung schien sich unmerklich etwas zu verändern. Ich konnte nur nicht den Finger drauf legen. Als die Tassen leer waren, ging ich zurück in die Küche. Er stand auf und folgte mir.

Auf einmal stand er hinter mir und legte seine Arme fest um meine Körpermitte. Ich mußte unwillkürlich an Gabriel denken, wir hatten ganz ähnlich gestanden. Aber Johns Griff war fester, fordernder. Der folgende sanfte Biß in mein rechtes Ohr blies jeden weiteren Gedanken fort. Ich drehte mich um und fand mich in seinen Armen wieder. Er beugte sich etwas zu mir runter und vorsichtig berührten seine Lippen meinen Mund – sanft, fragend. Ich öffnete leicht die Lippen und zog seinen Kopf mit meiner Umarmung näher zu mir. Mein Körper brannte förmlich von der Berührung mit dem seinen, wo seine Hände lagen, drang Feuer in meine Haut. Dann zog er mich ganz fest an sich, sein Mund jetzt verlangender auf meinen gepreßt. Seine Zunge forschend - meine Zunge herausfordernd. Ich erwiderte die Erkundungen. So fest drückte er sich an mich oder ich  mich an ihn, daß ich jeden Muskel seines Körpers spüren konnte, und die Erregung, die sich hart durch seine Hose an meinen Oberschenkel preßte. Zwischen meinen Schenkeln breitete sich eine Wärme aus gespannter Vorfreude aus.

Dann löste er seine Umarmung leicht, seinen Mund weiterhin meinen bedeckend. Mit einem Griff hob er mich ohne Anstrengung auf die Arme. Seine Zähne knabberten an meinen Lippen als er mich ins Wohnzimmer auf den Teppich setzte. Er brach den Kontakt mit meinem Mund nur lange genug, um die Bluse über meinen Kopf zu streifen. Dann drückte er mich auf den Boden. Seine Hand glitt erst forschend an meiner Wange entlang, zuerst noch unsicher auf meine Reaktion wartend.

Er schaute mich mit seinen strahlenden Augen an und fand in meinen Augen die Antwort die er suchte, denn ich hielt nur einen Moment seinen Blick, dann schloß ich die Augen. Mein ganzer Körper schien sich unter ihm in eine erogene Zone zu verwandeln und als seine Hand an meinem Hals zu meiner Brust glitt, hob ich ihm meinen Oberkörper entgegen. Sein Kopf beugte sich nach vorne und biß vorsichtig in meine Brustwarze. Ich konnte das leichte Stöhnen nicht ganz unterdrücken. Wieder ließ er mich los. Als ich die Augen widerwillig öffnete, knöpfte er gerade sein Hemd auf. Bevor ich noch bei diesem Vorhaben helfen konnte, hatte er es über den Kopf gestreift: seine Brust war kaum behaart aber mit deutlich definierten Muskeln, wie ich es schon geahnt hatte. Ich streckte die Hand nach diesem Körper aus und folgte langsam vom Adamsapfel einer Linie, die am Bauchnabel endete.

John streckte sich neben mir auf dem Boden aus. Seine Hand machte sich auf, meinen Körper zu erkunden, langsam unsichtbaren Mustern folgend. Für mich fast zu langsam, ich spürte jede Berührung, als würde er unter Strom stehen – oder ich. Fordernder zog ich ihn zu mir herunter. Sein leicht geöffneter Mund fand den meinen und unsere Zungen begannen ein eigentümliches Duell. Seine freie Hand – mit der anderen stützte er sich auf – machte kleine Kreise um meinen Bauchnabel. Das Zittern, mit dem mein Körper auf seine Berührungen reagierte, konnte ich nicht kontrollieren. Mein Verlangen nach ihm schrie bei jeder Umrundung des Nabels laut auf. Also zog ich ihn näher zu mir und dann legte er sich mit seinem vollen Gewicht auf mich – während meine Finger sich langsam an seinem Rückrad bis zum Ansatz der Hose herunter arbeiteten. Ich spürte sein hartes Glied durch den Stoff seiner und meiner Hose auf meinem Unterleib. Innerlich nahm ich Schwung und rollte – dann allerdings mit seiner Unterstützung – bis ich auf ihm lag. Sofort setzte ich mich auf, seine Erektion direkt zwischen meinen Beinen. Mit den Fingernägeln zog ich eine Spur von seinem Hals abwärts, nicht zu fest aber doch hart genug, daß er sich daran erinnern würde. Als ich an der Brust ankam und an einer Warze ‚hängen’ blieb, biß er sich auf die Unterlippe.

Weiter ging meine Erforschung seines Körpers, noch immer zu langsam und viel zu schnell. Unterhalb des Bauchnabels verschwanden die ersten Schamhaare in der Anzughose. Widerwillig kletterte ich auf seine Seite. Dann öffnete ich die Hose. Als ich den Reißverschluß vorsichtig öffnete, sprang sein Glied erwartungsvoll heraus. Vor-erst ignorierte ich diese Einladung noch. Als ich die Hose weiter runter zog, setzte er sich auf und half mir. Dann griff er nach meinem Kopf und der folgende Kuß war mehr ein zusammenkrachen von Zähnen und Zungen als ein zärtliches Zusammentreffen. Beide atmeten wir schneller in den Mund des anderen. Unsere Berührungen wurden eher von Begehren als von Zärtlichkeit geprägt.

Als er dann meine Jeans öffnete und über die Hüften abwärts schob, konnte ich das Verlangen nach ihm kaum mehr ertragen. Diesmal drückte ich ihn auf den Boden zurück und kletterte wieder rittlings auf ihn. Er stöhnte lauter mit geschlossenen Augen, als ich dabei sein Glied mit meinem Körper auf seinem Unterleib einklemmte. Seine Hände glitten an meinen Oberschenkeln entlang, wanderten über die Hüften bis zu meinen Brüsten. Obwohl er sich zu beherrschen versuchte, war es doch eine sehr fordernde Bewegung. Mein ganzer Körper schrie förmlich nach ihm und seinen Händen, seinem Mund und seinem heißen und zuckenden Glied unter mir. Seine Hände kehrten zurück und vergruben sich zitternd in meinen Schamhaaren. Er hatte die Augen geschlossen und ergriff nicht sofort die Initiative, dennoch spürte ich sein Verlangen wie ein Echo. Ich erhob mich etwas auf die Knie und näherte mich seinem Gesicht. Er öffnete die Augen als er mich so nah spürte. Endloses Blau empfing mich. Ein Blau wie ein Ozean aber vor Verlangen leicht getrübt und weit fort. Ich küßte ihn diesmal ganz sanft und als ich mich zurück lehnte, traf sein Glied auf meine Öffnung. Wir hielten Augenkontakt, als ich langsam tiefer sank und er in mich eindrang. Er stöhnte, öffnete den Mund ein wenig und stieß mit dem Unterleib hoch. Er schob sich den Rest des Weges mit einem fast schmerzhaften Ruck tief in mich. Die Welt um uns herum schien einen Moment zu versinken. Er war hart, groß, heiß und stark. Ich drückte ihn mit vollem Gewicht nach unten und zog die Beine nach vorne neben seinen Oberkörper. Während er sich aufrichtete, drang er womöglich noch tiefer ein. Er zog mich so dicht heran, daß meine Brüste seinen Oberkörper berührten.

Der Ausdruck in seinen Augen sagte alles – oder nichts, er war undefinierbar. Ich legte den Kopf zurück, seine Arme hinter meinem Rücken verschränkt. Er ließ seine Hände zu meinem Gesäß herunter gleiten und begann, mich in einem langsamen Rhythmus anzuheben. Auf seiner Haut bildete sich ein feiner Schweißfilm und ich hörte ihn wieder leise stöhnen – oder war ich das…

Dann verlagerte er sein Gewicht und ich wäre fast zur Seite gefallen, hätte er mich nicht gehalten. Vorsichtig ließ er mich aus seinen Armen auf den Boden gleiten, legte sich wieder über mich und schob meine Beine mit seinen auseinander. Diesmal waren seine Stöße zielsicher und schneller und er drängte kraftvoll und tief in mich. Er hatte die Arme erneut aufgestützt und sein Mund fand meinen wieder. Wir verschlugen uns gegenseitig den Atem während sein Rhythmus schneller wurde und ich es nicht verhindern konnte, daß auch ich kräftiger in seinen Takt einfiel. Ich spürte, wie das erlösende Ende langsam näher rückte, viel zu schnell und doch schmerzhaft lange erwartet. Als ich das Gefühl hatte, ich müsse ersticken, hob er den Kopf, öffnete die Augen und tief aus seinem Körper löste sich ein lautes Stöhnen. Noch während er in mir kam und er sich mit den letzten harten Stößen aufbäumte, folgte ich ihm nach. Die ganze Zeit dabei hielten unsere Augen sich gegenseitig fest.

Später holte ich eine Decke und wir kuschelten uns auf das Sofa. Ich war angenehm müde und keiner von uns hatte Lust zu reden, wir waren beide noch von der unerwarteten Plötzlichkeit und Intensität der Aktion überrascht. Nach einer Weile suchte John seine Kleidung zusammen, zog sich an und hockte sich vor das Sofa. „Das war es, weshalb ich neulich geflohen bin. Ich wollte keine Komplikationen.“ „Ich weiß“, antwortete ich, „aber wir haben ja keine Komplikationen und das war es wert, finde ich.“ „Oh ja!“ Und er gab mir einen leichten Kuß. „Aber ich muß zurück. Morgen muß ich arbeiten.“ „Kein Problem, ich geh jetzt auch ins Bett. Wenn du magst, können wir das ja mal wiederholen.“ Das freche Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Wir sprachen ja auch nicht über Gefühle sondern über Sex und Spaß. Aber er verstand die Botschaft schon ganz richtig. „Klar, gerne, jederzeit“ grinste er ebenfalls ziemlich frech zurück. „Ruf mich an, wenn du Zeit und Lust hast, John.“

Er legte den Kopf zur Seite, musterte mich einen Moment sagte dann aber nur: „Werd ich tun. Gute Nacht LaVerne. Du bist eine ungewöhnliche Frau. Schlaf gut und sei schön brav…“

Mit der Decke um die Schultern brachte ich ihn zur Tür. „Schön brav? Von wegen. Gute Nacht John.“ Damit stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küßte ihn. Er zögerte einen Augenblick, dann öffnete er und trat hinaus. Auf dem Weg zum Fahrstuhl blieb er stehen, drehte sich um, lächelte hob eine Hand an die imaginäre Mütze und ging weiter. Leise schloß ich die Tür. Ich lehnte mich von innen dagegen und atmete einige Male tief durch. Ich hatte bekommen, was ich mir gewünscht hatte, nicht wahr? Der Hunger des Körpers war vorerst gestillt aber der Geist schaute weiter unbeteiligt zu und schien schon fast gelangweilt. Wie immer. Was machte ich nur falsch, daß immer nur der Körper genoß, die Seele aber nicht zufrieden war. Ich seufzte, ging ins Schlafzimmer und war fünf Minuten später eingeschlafen.

In der nächsten Woche schaute eines Abends Kolya vorbei. Er war in der Nähe gewesen und hatte spontan getestet, ob ich da war. War ich. Völlig überrascht öffnete ich ihm die Tür nur mit einem Longshirt bekleidet, meiner Arbeitskleidung wenn ich am PC saß und keinen Besuch erwartete. „Hallo, ich hoffe, ich störe nicht. Aber ich wollte doch erzählen, daß die Ausstellung für zwei weitere Monate verlängert wurde. Wir hatten also recht mit unserer Wertung, was?“ „Das ist toll!“

Ich drückte ihm die übliche Tasse Kaffee in die Hand und wir plazierten uns auf dem Sofa. „Gabriel war fast jeden Abend dort, hat sich unter die Besucher gemischt. Jetzt wird ihm langsam wohl klar, daß die Sache auch ohne ihn läuft. Und was gibt’s bei Ihnen neues?“ „Ach, ich versuche gerade, nicht in Raserei zu verfallen, weil der Rechner wieder ein Eigenleben entwickelt. Ansonsten alles ruhig.“

Gedankenverloren fügte ich hinzu: „der Polizeischutz für mich wurde auch eingestellt. Ich bin wohl nicht mehr in Gefahr.“ Er antwortete mit einem leicht schiefen Grinsen. „Nicht mehr oder weniger, als sie vorher in Gefahr waren, würde ich meinen. Jedenfalls kann ich glaubhaft versichern, daß Ihnen von unserer Seite keine Gefahr droht - vorausgesetzt, unsere Vorstellung von Gefahr ist ungefähr deckungsgleich.“

So etwas Ähnliches hatte Gabriel auch gesagt. Jetzt mußte ich auch grinsen. „Ja, da soll es verschiedenen Stufen geben“, bestätige ich. „Sagen sie Kolya, warum waren sie an dem Abend nicht dort?“ „Ich weiß nicht, was Gabriel ihnen erzählt hat. Hin und wieder verlangen es seine Geschäfte, daß er alleine unterwegs ist.“ „Welche Geschäfte?“ „Das kann ich nicht sagen, sorry.“ Sein Tonfall und sein Blick machten deutlich, daß ein weiteres Bohren nicht lohnen würde. Na gut, dann was anderes. „Womit verdient er sein Geld?“ Es war schon klar, wer er war. – „Oh, er hat ein Vermögen geerbt und kann hervorragend mit Geld umgehen. Ich kann nicht viel dazu sagen, ist nicht mein Gebiet. Es ist halt da, außerdem ist er Teilhaber eines großen – na ja – Imperiums, das auch einen ordentlichen Gewinn abwirft. Und na ja, dann sind noch diese ganzen Antiquitäten und Wertsachen da, in der Ausstellung und im Haus, da gibt es auch schon noch Käufe und Verkäufe“

Wir plauderten noch eine ganze Weile über unverfängliche Dinge, aber ich erfuhr nichts Interessantes mehr. Kolya war ein toller Gesprächspartner, viel klüger als er wirkte, aufmerksam und immer sein typisches Grinsen. Man mußte sich in seiner Gesellschaft einfach wohl fühlen. Als er aufstand um loszufahren, schaute er auf mich runter: „LaVerne, warum lachen sie so selten? Das steht ihnen so gut und so ernst ist die Welt doch auch nicht.“ „Ach je, worüber soll ich denn lachen? Einfach so? Und vielleicht lache ich ja innerlich.“ „Nein, das tun sie nicht.“ Er sagte das mit Bestimmtheit. „Sie wirken manchmal versunken und abwesend auf mich und ich denke nicht, daß das vor dem Überfall anders war. Sie sollten leben und das tun, wonach ihnen ist, folgen sie ihrem Herzen.“ „Oh, das tue ich, mitnichten.“ Als er die Tür öffnete und hindurch trat, drehte er sich noch einmal um. „Ja, wie mit Tremane, nicht war? Aber leben sie jetzt mehr als vorher?“ Damit zog er die Tür zu und ließ mich völlig verdutzt stehen. Woher wußte er? Wie konnte er von dem Abend wissen und was hier vorgefallen war und vor allem, wie konnte er meine Gedanken lesen?

Am darauf folgenden Wochenende ging ich wieder mit einigen Freunden los. Wir testeten mehrere Nachtclubs durch und endeten in einem verrauchten, lauten Tanzpalast. Hier gefiel es mir überhaupt nicht. An eine vernünftige Unterhaltung war nicht zu denken, die Leute waren zum Großteil schon tüchtig angetrunken und die Techno-Musik drückte meine Lungen heute richtig zusammen. Übers Handy ließ ich mir ein Taxi kommen. Ich wartete drinnen, bis der Fahrer da war und verabschiedete mich mit knappen Worten von meinen Begleiterinnen. Sehr traurig schienen sie nicht zu sein, meine mangelnde Begeisterung schien wohl offensichtlich. In der Ruhe des Taxis dachte ich einen Moment nach.

„Ist die Ausstellung ‚Noctis Infinitum’ noch geöffnet?“ Er schaute auf die Uhr: „Klar, ist ja erst 3 Uhr. Aber ob sich der Eintritt jetzt noch lohnt?“ „Ach, egal.“ Ich ließ mich zur Ausstellungshalle bringen. Im Foyer standen einige Leute und hantierten unschlüssig mit ihren Masken. Als ich an die Kasse trat, lächelte mich eine rothaarige Frau mittleren Alters an. „Oh hallo! Sie müssen LaVerne sein. Gabriel sagte, daß sie vielleicht mal reinschauen würden.“ Sie reichte mir eine der Masken. „Gehen sie ruhig rein, für sie ist der Eintritt natürlich frei.“ „Vielen Dank.“ Ich sollte mich nicht fragen, wie sie mich hatte erkennen können oder wieso Gabriel damit gerechnet hatte, daß ich noch einmal die Ausstellung besuchen würde. War ich so berechenbar…

Ich setzte ohne zu zögern die Maske auf und ließ mich durch die dunklen Stoff-Korridore treiben. Die Besucher verloren sich in den Gängen und oft betrachtete ich einzelne Objekte völlig alleine. Auch bei diesem zweiten Besuch zog mich die besondere Atmosphäre in ihren Bann.

Ich setzte mich auf die Stufen eines heidnischen Altars. Und dort fand Gabriel mich. „Ich habe gehört, daß Du hier bist. Gefällt es dir denn beim zweiten Besuch noch immer?“ er trug diesmal keine Maske und setzte sich neben mich. „Ja, die Ruhe hilft, seine eigenen Gedanken zu hören. Hier drin fühlt man sich wunderbar alleine und frei.“ Auch ich setzte die Maske ab.

„Ja, die Seele geht auf Wanderschaft. – Kolya hat mir erzählt, daß er Mitte der Woche bei dir war. Ich hab ihn hinterher fast ausgeschimpft – er hätte dich doch wenigstens mal in den Satyr oder in unser Haus einladen können.“

 „Oh, er hat vermutlich nicht dran gedacht, bei all der Abwehr meiner neugierigen Fragen. Und es war ja wohl auch mehr spontan.“ Hatte er nichts von der Sache mit John erzählt, war Gabriel das egal oder wie sollte ich das verstehen. „Jedenfalls hat Kolya mir gesagt, daß ihm deine Arbeitskleidung ausgezeichnet gefallen hat. Obwohl er nichts weiter dazu sagen wollte. Trotz Bohrens und Androhung von Auto waschen.“ Gabriel mußte bei seinen Worten selber lachen. „Auf jeden Fall würde ich mich freuen, wenn du am Wochenende zu mir kommen würdest, immerhin hab ich ein großes Haus – dann kann ich doch auch mal damit angeben, einen guten Innenarchitekten gehabt zu haben. Aber damit meine ich mein Haus auf dem Land, nicht die kleine Stadtwohnung, die hier mal für mich von einer Bekannten deiner Bekannten eingerichtet wurde. Da lohnt sich ein Besuch kaum, ist eher ein Ausweichquartier, wenn es einfach mal zu spät für eine Heimfahrt geworden ist.“

Also verabredeten wir uns für den kommenden Samstag zu einer Hausführung mit anschließender Weinprobe. Wir unterhielten uns noch ein Weilchen, dann stand er auf. „Ich hab noch etwas zu tun. Bleib solange du magst. Und laß dir von Donna – das ist die Dame im Foyer – eine Taxe rufen. Leider ist Kolya ja nie da, wenn man ihn braucht. Und jetzt laß dich von der Magie hier verzaubern. Bis Samstag.“ Und einen Moment später war er in den Schatten verschwunden. Ich verbrachte noch eine weitere Stunde in der Ausstellung.

Donna entpuppte sich als schrecklich nettes Energiebündel, die mich mit Geschichten über Besucher unterhielt, bis meine Taxe da war.  Wozu hatte ich eigentlich ein Auto?

Wieder zuhause wurde es schon fast hell. Ohne meinen Kopf mit Gedanken zu belasten fiel ich ins Bett. Und träumte von exotischen Masken und halbnackten Männern, die einander durch dunkle Gänge jagten…

Am Mittwoch rief John an. Keiner von uns beiden erwähnte die Geschehnisse vom vorletzten Freitag. Er fragte, ob ich Lust hätte, am Freitag mit ihm ins Kino zu gehen. Ich war ewig nicht mehr im Kino gewesen. Der Titel klang vielversprechend und nach viel Action ohne Handlung, also sagte ich begeistert zu. Hauptsache, ich brachte meine Termine nicht durcheinander. Diesmal schlug ich vor, daß ich ihn abholte. Er war einverstanden und somit war das folgende Wochenende verplant.

Freitag fuhr ich zu dem Haus, das John mir beschrieben hatte. Eine ruhige Gegend mit kleinen Häuschen. Ich parkte in der Auffahrt und klingelte. Er öffnete fast sofort und ging mir voraus ins Wohnzimmer. Er trug wieder einen Anzug, nur das Hemd stand oben offen. „Das Programm startet um acht. Magst du vorher noch was trinken?“ „Gerne. Kaffee wenn du hast, sonst nur Wasser.“ Ich schaute mich um, während er verschwand. Das Zimmer war sparsam eingerichtet. Ein Sofa, ein großes Fenster, ein gut gefülltes Bücherregal sowie eine Stereoanlage und Fernseher waren die komplette Einrichtung. Keinerlei Fotos, keine Blumen oder persönliche Dinge waren zu sehen. Ich setzte mich, während er in der Küche hantierte.

„Der Kaffee hat schon gewartet“, lächelte er und ließ sich neben mir nieder. Die Nähe und die Wärme seines Körpers brachten die Erinnerungen an das Wochenende deutlich zurück. Ich versuchte, mich auf seine Worte zu konzentrieren, während mein Körper schon wieder leise um Beachtung anfragte. Er erzählte, daß er einen neuen Fall hatte und wohl noch mehr aber ich war darauf konzentriert, interessiert zu wirken.

Gegen halb acht fuhren wir los und bekamen auch gute Plätze. Der Film war gut, mit viel Geballer aber unfreiwillig komisch und hatte keinerlei störende Handlung. Jedenfalls hatten wir unseren Spaß. Danach fuhren wir direkt zu ihm nach Hause. Als Abschluß des Abends nahm ich noch seine Einladung auf einen alkoholfreien Drink an. Er schickte mich wieder ins Wohnzimmer während er aus der Küche die Getränke holte. Grapefruit-Saft für mich und einen Tequila mit frischen Zitronenscheiben und Salz für ihn. Ich kannte doch noch jemanden, der Tequila gerne mochte…

Wir setzten uns und ließen noch mal einzelne Teile des Filmes Revue passieren. Als Polizist hatte er viele Dinge doch noch anders gesehen als ich. Die ganze Zeit vermieden wir längeren Blickkontakt. Es war wohl besser, wenn ich ging, sonst würde meine Nicht-Beachtung seines Körpers noch auffallen. Ich stand auf und John folgte mir zur Tür. Als ich mich umdrehte, um mich zu verabschieden, stand er wieder direkt hinter mir. Mit einer plötzlichen Bewegung preßte er sich gegen meinen Körper, so heftig, daß ich gegen die Wand schwankte. Ein Kuß, voller Leidenschaft und fordernd, entflammte die erfolgreich unterdrückte Glut  in einem Augenblick. Sein Begehren und meine Reaktion ließen mich nach Luft schnappen. Seine Hände bewegten sich verlangend über meinen Körper, dabei preßte er mich weiter mit seinem vollen Gewicht gegen die Wand. Ich spürte sein schon hartes Glied gegen meinen Unterleib stoßen. Ich versuchte, ihn von mir zu drücken, um an die Knöpfte seines Shirts zu gelangen. Doch er griff meine beiden Handgelenke und hielt sie über mir gegen die Wand des Flures gedrückt. Ich fand keine Möglichkeit, mich aus diesem eisernen Griff zu befreien. Er war stark, eindeutig. Ich stöhnte leicht in seinen Mund, der über meinem schwebte, als seine Stöße noch heftiger und schmerzhaft drängend wurden. Er hielt beide Handgelenke mit einer Hand weiter gegen die Wand gedrückt, während er mit der freien Hand meine Jeans öffnete. Noch immer konnte ich meine Arme nicht aus diesem Schraubstock befreien. Er schob sein Knie zwischen meine Schenkel und drückte die Hose nach unten, bis sie über meinen Füßen stockte. Mit der gleichen Hand öffnete er dann seine eigene Hose und schob sie grad weit genug herunter, daß seine Erektion heraus konnte. Und wieder drückt er mich gegen die Wand, während er rhythmisch gegen meinen Unterleib stieß. Ich hatte die Augen geschlossen und obwohl ich solchen Mangel an Bewegungsfreiheit eigentlich nicht mochte, folgte ich doch seinen Bewegungen. Die schiere Intensität, Kraft und auch Hilflosigkeit erregten mich schon. Das Prickeln zwischen meinen Schenkeln verschmolz mit dem Schmerz seiner kraftvollen Stöße gegen meinen Körper.

Wieder stoppte er, zog sich diesmal etwas zurück und trat dann auf meine Hose. Mit der freien Hand griff er um mein Gesäß und hob mich an und damit aus der Hose, als ob ich nichts wiegen würde. Endlich ließ er von meinem Mund ab, die Lippen schmerzten schon von dem Druck. Dann ließ er meine Arme herunter, nahm die zweite Hand ebenfalls unter mein Gesäß und drückte mich wieder so hart gegen die Wand, daß mir einen Moment der Atem weg blieb. Vorsichtig ließ er mich dann herunter, bis ich leicht die Spitze seines Gliedes in mir spürte. Ich öffnete die Augen und legte meine Arme um seine Schulter und blickte wieder direkt in seine blauen Augen. Als er sein Glied ohne weitere Vorbereitungen in mich stieß, beobachtete er mich genau. Ich stieß einen leichten Aufschrei aus, eine Mischung aus Lust und leichtem Schmerz. Das wollte er hören. Zufrieden mit seinem Erfolg arbeiteten sich seine Zähne vorsichtig an meinem Hals entlang, während sein Unterleib einen stetigen Rhythmus aufnahm, den mein Körper ergänzte. Schon nach kurzer Zeit näherte er sich dem Höhepunkt. Seine Bewegungen wurden noch schneller und sein Atem kam stoßweise. Behindert durch die Reste der Hose konnte ich mich nur mit den Armen halten, die Beine so weit wie möglich um ihn geschlungen, in dem Versuch, ihn noch tiefer in mich zu ziehen. Unsere Muskeln waren von der Anstrengung angespannt, seine Arme zitterten unter meinem stetigen Gewicht und der heftigen Bewegung. Plötzlich stoppte er, ich fühlte seinen Körper erbeben. Dann holte er tief Luft, drückte seinen Kopf in meine Halsbeuge und ein gurgelnder Laut drang aus seiner Kehle. Dann stieß er nochmals zu, hart und mit aller Kraft. Ich schrie laut auf und fühlte, wie er sich zuckend in mich ergoß. Seine Bewegungen wurden etwas langsamer aber er stoppte nicht, bis er spürte, daß mein Körper sich unter ihm anspannte, bebte und dann langsam erschlaffte.

Jegliche Kraft schien uns danach verlassen zu haben. Wir sanken auf den Boden, er auf die Knie und ich auf seinen Schoß. Vorsichtig hob er mich von sich. Während er aufstand, fädelte ich mühsam meine Hose über die Schuhe nach oben. 

Bis wir beide wieder vernünftig bekleidet waren, vermieden wir jeglichen Blickkontakt. Irgendwie waren wir ja schon seltsam. Heftig, ohne viel Zärtlichkeit und ohne Einleitung, aber vielleicht das, was wir beide brauchten. Aber im Prinzip brauchte es nicht vieler Worte, also verschwendeten wir auch keine, wir ließen unsere Körper und unser Verlangen für uns sprechen.

Er schaute mich endlich an und ich meinte, fast etwas wie ein schlechtes Gewissen in seinem Blick zu sehen. Nun, wir waren kein Paar, wir gaben uns nur etwas, was wir beide wollten. Leidenschaft und die Befriedigung elementarer körperlicher Bedürfnisse. Als er etwas sagen wollte, legte ich meine Finger auf seinen Mund. „Ich muß nach Hause. Danke für den wunderbaren Abend John.“

Dann hauchte ich ihm einen sanften Kuß auf den Mund, öffnete die Tür und ging zu meinem Auto. John blieb in der Tür stehen, ein wortloser Schatten vor dem hellen Licht hinter dem Türrahmen. Als ich losfuhr, stand er dort noch immer. Ich fuhr in die Tiefgarage, ließ auf dem Weg ins Schlafzimmer meine Kleidungsstücke achtlos auf den Boden fallen. Mein Körper schmerzte von der Anstrengung, an den Armen hatte ich schon blaue Flecken. Aber nach einer heißen Dusche war ich fast wieder ich selber. Ich ließ mich ins Bett fallen. Während ich noch überlegte, wie das mit John weitergehen sollte, schlief ich ein.

Samstag. Termin mit dem zweiten, vielversprechenden Mann. Komisch, entweder man hatte keinen oder mehr, als man auf Dauer koordinieren konnte. Was würde bloß passieren, wenn irgendwann mein Herz mitreden wollte statt der Hormone. Bloß nicht dran denken…

Pünktlich um neun Uhr stand Kolya vor meiner Wohnungstür. „Bereit?“ „Jawohl!“

Ich machte es mir in der großen Limousine gemütlich. Über die Sprechanlage hörte ich Kolya sagen „die Fahrt wird etwa eine Stunde dauern. Zwar haben wir hier – wie sie wissen – ein Haus gemietet, aber das lohnt wohl kaum die Führung, wie Gabriel sicher schon erklärt hat. Außerdem ist der Wein natürlich in Kellern gelagert. Also fahren wir zum Familienstammsitz. Hinter der Bar ist ein CD-Player und was zum lesen. Wenn was ist, den roten Knopf in der Armlehne drücken.“

Und als Schlußsatz: „Ladies and Gentlemen, wir wünschen einen angenehmen Flug.“ Während der Fahrt gönnte ich mir einen kleinen Sherry und genoß die traumhafte Musik, die das elegante Interieur durchflutete. Draußen glitten erst die Stadt und später die dunkle Landschaft vorüber.

Wir hielten in der Auffahrt eines Herrenhauses mit einer großen Freitreppe. Kolya öffnete mir wieder die Tür und als wir zusammen die Stufen hinauf gingen, wurde die Eingangstür schon geöffnet. Von drinnen flackerte Licht und tauchte Gabriel – der selber aufgemacht hatte – in dunkle Schatten. Die Empfangshalle war mit alten Möbeln dekoriert und es brannten unzählige Kerzen.

 „Willkommen in meiner Hütte.“ Gut, daß er nicht noch ‚bescheiden’ gesagt hatte. Wir gingen in die Bibliothek und Kolya schenkte uns dreien Sherry ein. Die Bücher waren alt; dicke Wälzer klemmten zarte Einbände ein. Die Regale nahmen den kompletten  Raum ein, nur eine Seite wurde von einem großen Kamin beherrscht, in dem ein nettes Feuer prasselte. Davor eine Sitzgruppe mit rotem Brokat bezogen. Eine Weile unterhielten wir uns über die Folianten, die hier zusammengetragen waren – selbstverständlich befaßten sich fast alle Bücher mit Magie, Aberglaube oder alten Religionen Nach einer Weile erhob sich Gabriel. „Kolya, wir machen jetzt eine Runde durch das Haus. Wir kommen dann in den Weinkeller. Laß doch das Essen schon mal vorbereiten.“

Die Führung dauerte fast eine halbe Stunde; durch Musikzimmer, verschiedenste ‚Salons’, Gästezimmer und überdimensionale Bäder. Obwohl viele Räume in altem Stil erhalten waren, gab es durchaus moderne Annehmlichkeiten. Einen Fitneßraum, Whirlpools, Billardzimmer, Sauna und Solarium und eine perfekt eingerichtete Küche komplett aus Edelstahl.

„Ein wunderbares Haus, Gabriel.“ „Ja, alles, was man so braucht. Draußen sind noch Pferdeställe und ein Swimmingpool. Und jetzt noch in den Keller. Es gibt dort richtige Verliese und die sind einfach perfekt, um Weine dort für die Ewigkeit zu lagern. Und licht- und temperaturempfindliche Bücher übrigens auch. Komm!“ Damit schob er mich auf eine alte Eisentür zu.

Eine schmale Steintreppe führte nach unten, überall kleine Nischen in den Wänden, mit Kerzen darin. Unten öffnete sich ein Raum mit offenen Torbögen, die in dunkle Gänge führten. Ein großer Holztisch mit mehreren Armsesseln darum war die ganze Einrichtung. Es war kühl und ich meinte, eine Klimaanlage zu hören. Auf jedem Stuhl lag eine Decke. „Leider kann ich hier unten die Heizung nicht anstellen, das wäre nicht gut für die Weine. Aber die Atmosphäre hier ist einfach die Unannehmlichkeit lohnend.“ Er führte mich zu einem der großen Stühle und plazierte fürsorglich die Decke über meine Beine. Kolya kam aus einem der Torbögen mit einer staubigen Flasche. Auf dem Tisch standen viele große Weingläser, ein großer Korb mit Brot und eine Platte mit Käsestücken.

„Ich dachte, ein 1816er Caledon wäre ein guter Anfang.“ Er reichte Gabriel die bereits zum atmen geöffnete Flasche. „Gute Wahl – bei solchen Dingen kann ich mich immer sehr gut auf Kolya verlassen. Und wir brauchen nicht mal zu warten, bis sich das Aroma entfaltet. Also sag, wie gefällt dir der erste Tropfen?“

Jeder Wein, den wir in den nächsten Stunden testeten war ein Hit für sich. Bei jedem  Wein gab es neue Gläser, wir knabberten am Weißbrot und verglichen die verschiedensten Geschmacksrichtungen. Oft wurde der Jahrgang der Weine weitergehend kommentiert: ‚ach ja, das war ein regnerischer Sommer, die Trauben hatten wenig Sonne bekommen’ oder ‚da war im September ein Frosteinbruch, da gab es diesen herrlichen Eiswein’. So wurde jeder Jahrgang vor meinen Augen lebendig, es war fast schon unheimlich, was die zwei zu wissen schienen.

Irgendwann fragte ich mich dann, wie ich nach Hause kommen sollte. Wir waren weit von der Stadt, Kolya hatte mit uns getrunken und ich hatte nur ganz kurz mal jemanden vom Personal vorbeihuschen sehen. Und so langsam stieg mir auch der Wein zu Kopf.

„Sag mal Gabriel, wie komm ich nach Hause. Wenn ich nicht langsam Schluß mache, fang ich noch an zu singen.“ Gabriel ließ das Glas sinken und lachte: „Dann werden wir mitsingen, dann würden wir ein extrem schlechtes Trio abgeben. Aber keine Sorge, alles ist bereits arrangiert: das Dienstmädchen hat eines der Gästezimmer hergerichtet. Du bleibst natürlich hier. Morgen – nein heute – ist Sonntag und das Stichwort heißt ‚lange schlafen’ und gut frühstücken. Keine Widerrede!“ Hatte ich auch nicht vorgehabt. Noch mindestens eine Stunde durch die Nacht fahren? Und vermutlich wurde es schon bald wieder hell.

 „Na gut, aber ich denke, ich habe genug getrunken. Jetzt kann ich den Wein nicht mehr genießen. Ich würde gerne ins Bett gehen.“ Die beiden Männer standen auf. „Natürlich LaVerne. Kolya wird dir dein Zimmer zeigen.“ Er nahm wieder meine Hand und schaute mit seinen tiefdunklen Augen genau in die meinen, dann hauchte er wieder seinen Kuß auf die Hand. Das Kerzenlicht wurde in seinen Augen reflektiert wie Sterne in einem nachtschwarzen See. Immer mußte ich an einen See denken, wenn ich in diese Augen blickte… Er blieb als dunkle Gestalt zurück, nur von den flackernden Kerzen beleuchtet. Ein letzter Blick, dann folgte ich Kolya aus dem Gewölbe, durch dunkle Gänge, über eine große Treppe bis in mein Zimmer.

Er wirkte überhaupt nicht angetrunken, schaltete mir das Licht an und wünschte mir eine gute Nacht. Auf dem riesigen Himmelbett lag ein großes T-Shirt. Wie nett, ein Nachthemd. Ich warf meine Kleidung über den nächsten Stuhl und ließ mich völlig geschafft ins Bett fallen. Das Zimmer drehte sich noch knapp drei Mal um mich, dann schlief ich ein.

Ich wachte auf mit leichten Kopfschmerzen. Das war noch gnädig, in Anbetracht dessen, was ich alles getrunken hatte. Die Fenster waren mit schweren Vorhängen abgedunkelt. Als ich aufstand und sie öffnete, schaute mich ein wolkenverhangener Tag an. Ich hatte also nicht viel verpaßt. Dann schaute ich mich um: ich war in einem der antiken Räume. Himmelbett, eine alte Truhe, ein riesiger Schrank, ein mannshoher Spiegel, wundervoll geschnitzte Holzintarsien in Wänden und Decke, alles echte Eiche. Eine Tür führte in ein riesiges Bad – diesmal aber modern eingerichtet. In dem Kleiderschrank hingen verschiedene Kleidungsstücke in unterschiedlichen Größen. Sowohl für die Dame von Welt als auch für den legeren Herren. Ein heißes Bad würde mir bestimmt jetzt gut tun.

Erholt und wieder fit suchte ich mir was Nettes aus dem Kleiderschrank und ging dann auf die Suche nach den Hausherren. In der Empfangshalle hing eine große Uhr, fast vier Uhr. Mein Gott, der Tag war fast vorbei. Endlich, in der Küche, fand ich einen Menschen. Eine dickliche Dame in den Fünfzigern wuselte dort und schaute auf, als ich eintrat.

„Oh, hallo, guten Tag!“ Sie grüßte freundlich und reichte mir die Hand. „Ich bin die Hausdame. Kommen sie ins Speisezimmer, sie müssen ja am Verhungern sein, junge Dame.“

Brav folgte ich ihr. Es war für eine Person gedeckt. Sie brachte frische Eier, Kaffee und Pfannekuchen. „Können sie mir sagen, wo Gabriel und Kolya sind?“ Sie hielt an der Tür inne: „Oh, die Herren sind vor einiger Zeit kurz weggefahren. Ich soll ihnen ausrichten, daß sie bald zurück seinen werden, sie es sich bequem machen sollen und ihre Abwesenheit entschuldigen mögen.“ „Na gut, kein Problem. Ob ich wohl in der Bibliothek warten könnte?“ „Sicher! Ich mach dort schon mal den Kamin an, dann wird’s gemütlicher.“

Und so fand ich mich nach einem ausgiebigen Essen in der Bibliothek wieder. Viele der Bücher waren in Latein oder Griechisch verfaßt – dafür reichten meine Kenntnisse bei weitem nicht. Ich wählte einen Band mit altertümlichen Beschwörungsformeln. Einige Zeit später fuhr dann ein Auto vor und kurz darauf erschienen Gabriel und Kolya zusammen in der Bibliothek. Gabriel warf einen Blick auf mein Buch. „Oh, damit wäre ich vorsichtig. Du willst mich doch wohl nicht verhexen? Schlimm genug, daß du mich verzauberst.“ Er hatte es im Spaß gesagt, doch ein kleiner ernster Unterton schien mitzuschwingen. Also antwortete ich angemessen. „Nur keine Sorgen. Ich suche nur was, um verschwundene Gastgeber wieder zu finden. Scheinbar funktioniert das schon, wenn man nur drüber nachdenkt.“ Wir setzten uns zusammen und plauderten noch eine Weile. Dieses mal hielt ich mich an Wasser. Und stimmte zu, noch zum Abendessen zu bleiben. Danach würde mich Kolya nach hause fahren.

Nach dem Essen begleitete Gabriel uns noch zur großen Eingangstür. „LaVerne, das war ein wunderbarer Abend gestern. Das müssen wir unbedingt wiederholen.“ „Gerne, ich habe selten so viel Spaß gehabt – und dazu noch so beeindruckende Weine getrunken.“ „Ich werde mich bei dir melden. Vielleicht ein Tanzabend?“ „Warum nicht, ich laß mich mal überraschen.“ Dann schob er seine Hände unter meinen Armen durch, zog mich zu sich heran und ich legte im Gegenzug meine Arme um seinen Rücken. So standen wir einen Moment eng umschlungen, mein Kopf auf seiner Brust. Ich spürte die Kraft seiner Arme und die Muskeln in seinem Rücken – eine Erinnerung blitzte kurz in mir auf. Endlose Sekunden später löste er sich, hauchte einen Kuß auf meine Stirn und ließ mich mit Kolya alleine in der Halle zurück. Kein weiteres Abschiedswort. Schweigend gingen wir zum Auto.

Kurz bevor wir zuhause waren, konnte ich die Frage nicht mehr unterdrücken, also sagte ich: „Kolya?“ „Ja?“ „Hast Du Gabriel alles von unserem Treffen erzählt?“

 „Natürlich.“ Einen Moment schwieg ich. „Ich möchte mehr über Gabriel wissen. Und über dich. Über euer Leben.“ „Ich weiß.“ Er sagte eine Weile nichts. Ich dachte schon, das Thema wäre für ihn erledigt. Dann: „Das muß Gabriel entscheiden. Frage ihn.“ Und mehr sagte er nicht. Er ließ mich vor der Tür raus, wünschte eine gute Nacht und verschwand wortlos.


 

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