Wer suchet, der findet (1)
(c) by Michail & Shavana
Jean LeCartres hatte die Halle
gerade zur Hälfte durchquert, als die Eingangstür hinter ihm aufgerissen wurde
und eilige Schritte laut auf dem Marmorboden knallten. Voller Neugier drehte
sich der Franzose um. Es war gerade die rechte Zeit, um mit einer vornehmen Unpünktlichkeit
auf der Vernissage zu erscheinen, also wahrlich kein Grund, so zu hetzen.
Kaum war ihm dieser Gedanke
durch den Kopf gegangen, da schoß der Ankömmling an ihm vorbei, auf die
Herrentoilette zu. Nun war Jean wirklich interessiert, immerhin war die
Ausstellung und ihre Eröffnungsfeierlichkeit den Kindern der Nacht vorbehalten,
für die die Benutzung jener Örtlichkeit nicht mehr in Frage kam. Vielleicht
war es ja nur ein jugendlicher Punk, der sich in einer schickeren Umgebung als
einer öffentlichen Toilette erleichtern wollte, und sicherlich würden die
anderen Vampire es Jean danken, wenn er ungebetene Gäste von den Räumlichkeiten
fernhielt.
In Sekundenschnelle war er neben
dem abgehetzt wirkenden Mann, der gerade mit einem Fluch die Türklinke fahren
ließ. Jean grinste; natürlich war dieser nutzlose Raum abgeschlossen
Der Neuankömmling atmete einmal
tief durch, wohl um sich zu beruhigen, dann wandte er sich um. Jean hatte sich
gründlich getäuscht, der andere war kein normaler Mensch, nein, so gut konnte
nur ein Vampir aussehen: Langes, schwarzes Haar umrahmte ein ebenmäßiges
Gesicht mit vornehm blasser Haut, die Augen waren zwei finstere Tore zur Hölle,
und die schwarze Bikerkluft betonte den athletischen Körper auf gebührliche
Art und Weise.
Der Fremde lächelte, und Jean
lief ein Schauer den Rücken hinunter - Stunden könnte er mit der Betrachtung
dieses dunklen Engels verbringen. Doch ehe er sich völlig in den Anblick
verlor, bemerkte der andere mit einer Stimme wie schwarzer Samt: "Sie haben
nicht zufällig den Schlüssel?"
Sein halb resignierter, halb
hoffnungsvoller Ton ließ Jean alle Bedenken bezüglich Einbruch und Sachbeschädigung
über Bord werfen. Er zog ein schmales Lederetui aus seiner Jacke und wählte
eins der darin enthaltenen Werkzeuge aus. "Nun, nicht ganz. Aber etwas ähnliches."
Er beugte sich zum Schloß hinunter und stocherte kurz darin herum, bis die Tür
mit einem leisen Klacken aufging.
"Vielen Dank, Sie haben mir
das Leben gerettet." Der Mann schob sich an ihm vorbei, und der Franzose
folgte ihm automatisch. "Oder zumindest, was unsereins so Leben
nennt."
"Wie das?" erkundigte sich
Jean neugierig. Erstaunt beobachtete er, wie der andere Lederjacke und Pullover
auszog und auf einem der Waschbecken ablegte.
"Florine hätte mich
umgebracht, wenn ich in diesen Klamotten erschienen wäre." Wieder lächelte
der Schwarzhaarige Jean an und streckte ihm die Hand hin. "Michail Vladescu."
"Jean LeCartres", erwiderte
dieser, während er den Blick nicht von dem muskulösen Oberkörper wenden
konnte, der ohne Bekleidung sogar noch besser aussah.
Michail entging Jeans
Bewunderung nicht, und er unterdrückte ein Schmunzeln. Daß er diese Reaktion
von Leuten gewöhnt war, verminderte nicht sein Vergnügen daran, und er überlegte,
ob er dieser einladenden Geste nicht eindeutige Taten folgen lassen sollte.
Immerhin sah LeCartres verführerisch gut aus. Er war ein wenig größer als der
Karpate, aber zierlicher, nicht so kräftig, doch geschmeidig wie eine Katze.
Die leicht schrägen, türkisfarbenen Augen paßten ebenfalls zu diesem Bild,
und plötzlich erinnerte sich Michail daran, woher er den Name kannte: Jean
LeCartres galt als einer der besten Einbrecher unter ihresgleichen, und es gab
eine ganze Reihe von Erzählungen über die gewagten Unternehmungen des
Franzosen.
"Gefällt dir, was du
siehst?" wechselte Michail ins vertrauliche Du, die Daumen in seinen Gürtel
hakend.
Jean nickte. "Arbeitest du
eigentlich auch als Modell?" erkundigte er sich, da er von dem anderen große
Konkurrenz befürchten mußte.
"Kommt drauf an", wich
Michail einem ehrlichen Nein aus. "Wieso, suchst du jemanden, der dir
Modell steht?"
"Oh, nein", wehrte Jean ab.
"Meine künstlerischen Ambitionen erstrecken sich auf ganz andere Gebiete."
"Wenn das so ist", sagte
Michail so leise, als spräche er mit sich selbst. Er fing Jeans Blick ein und
schenkte ihm eines seiner verführerischen Lächeln. Er befand sich halbnackt in
einer Herrentoilette in Paris - verfänglicher konnte die Situation nicht sein.
Doch Jean stand hier und jetzt
nicht der Sinn nach einem Abenteuer, und er trat kaum merklich zurück.
Der Karpate seufzte in Gedanken. Doch nicht so interessiert, wie er schaut,
dachte er und ging in die Hocke, um aus seinem Rucksack ein T-Shirt und einen
Anzug, beides in schwarz, zu nehmen. Er zog Shirt und Jacke an, wechselte die
Hosen und vertauschte die Springerstiefel gegen ein paar elegante Schuhe. Als
letztes band er seine Haare mit einem dunklen Band zusammen. "Ah, schwarz",
feixte er, "die Uniformfarbe der Vampire."
Der ebenfalls in schwarz
gekleidete Jean erwiderte das Grinsen ein wenig gequält. Gemeinsam verließen
sie das stille Örtchen, gaben ihre Jacken und Michails Rucksack an der
Garderobe ab und betraten den Ausstellungsraum. Früher war das Gebäude eine
Lagerhalle gewesen, bis die Kunstliebhaberin Justine Calinot es gekauft und zu
einer Galerie umgestaltet hatte. Nun hingen Gemälde an den Wänden, und im Saal
verteilt standen Skulpturen und andere bildhauerische Schöpfungen. In dieser Eröffnungsnacht
waren Publikum und ausstellende Künstler ausschließlich Vampire, und so war es
nicht weiter verwunderlich, daß die meisten der Anwesenden - wie Michail so
treffend angemerkt hatte - schwarz trugen.
So ging er ja völlig unter! überlegte
Jean erschrocken. Ob er sich demnächst nicht mal in einem anderen Farbton
kleiden sollte, damit ihm die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wurde? Zum Glück
hatte er eben Michail getroffen: Das Erscheinen an seiner Seite sicherte ihm genügend
Beachtung. Ein Raunen ging durch die Menge, ein neues Gesicht, besonders ein so
hübsches, war immer eine willkommene Abwechslung für die Vampire von Paris.
Plötzlich entstand Bewegung
unter den Anwesenden. Eine zierliche Frau mit hellbraunem Haar bahnte sich einen
Weg durch die Menge und stürzte sich auf Michail.
"Da sind Sie ja endlich! Und
elegant sehen Sie aus", rief sie. "Ich hatte schon befürchtet
"
"Aber Florine, ich würde es
niemals wagen, mir durch meine Abwesenheit Ihr Wohlwollen zu verscherzen."
Sie nickte. "Ja, wahrlich,
denn welcher Idiot würde sonst Ihr Schloß restaurieren?"
"Das haben Sie gesagt."
Michail zwinkerte ihr zu. "Darf ich vorstellen, Florine, Jean LeCartres."
Jean beugte sich galant über
die Hand Florines. "Sehr erfreut. Ihre Werke sind wirklich einzigartig. Es ist
schon länger her, daß wir eine solch phänomenale Künstlerin in der Stadt der
Lichter begrüßen durften." Er lächelte sie strahlend an, während er weiter
ihre Finger umfangen hielt.
"Danke", erwiderte Florine
und entzog ihm ihre Hand. "Schön, daß wenigstens einem meine Werke gefallen.
Nachdem sie meinem Schloßherrn", sie nickte Michail zu, "nicht gefielen, fürchtete
ich schon, ich müßte sie im Wald aussetzen."
"Ich würde Ihren Werken gerne
ein neues Zuhause bieten", bot Jean nicht uneigennützig an. Die außergewöhnlichen
Metallskulpturen der Elsässerin waren ihm sofort ins Auge gefallen, und er war
sich sicher, daß sie wunderbar in sein Haus passen würden.
Florine lächelte geschmeichelt.
"Da müssen Sie mit Madame Calinot reden. Kommen Sie, Michail", wandte sie
sich an Vladescu, "Sie müssen sie unbedingt kennenlernen."
Ehe dieser etwas sagen konnte,
zog sie ihn quer durch den Raum. Jean folgte den beiden, da er nicht vorhatte,
seinen Fund so schnell gehen zu lassen. Er mußte unbedingt noch mehr über
Michail erfahren.
Kaum, daß die Galeristin die
drei entdeckte, begrüßte sie sie begeistert: "Oh, Monsieur LeCartres, es ist
schön, Sie wieder einmal hier begrüßen zu dürfen. Und Sie, Monsieur Vladescu,
Sie sind uns schon viel zu lange ferngeblieben."
Um ihre Vorstellung gebracht,
warf Florine Michail einen finsteren Blick zu, während dieser Madame Calinot
mit einem Handkuß begrüßte. "Verzeihen Sie mir, Madame", bat er im
scherzenden Ton.
"Schon geschehen", erwiderte
die Galeristin großzügig. "Immerhin konnten wir dank Ihrer Vermittlung die
Ausstellung um die wunderbaren Werke unserer lieben Florine hier bereichern."
"Aber nicht doch", wehrten
Michail und Florine fast gleichzeitig ab. Die Bildhauerin fuhr fort: "Ich muß
sogar gestehen, ich hatte schon befürchtet, gegenüber den anderen Künstlern
nicht bestehen zu können. Die Arbeiten sind bemerkenswert." Sie wies in den
Raum. "Insbesondere die Marmorskulpturen von Björn Torbenson. Sie können
sich mit denen der Meister der Antike messen."
"Hm", machte Jean. Bis jetzt
hatte er kein einziges Stück der Ausstellung in Ruhe betrachten können, und
eigentlich besuchte er diese Art von gesellschaftlichen Anlässen nur, um
Kontakt mit anderen Vampiren zu haben, insbesondere jetzt, wo er gerade erst in
die Stadt zurückgekehrt war.
Vladescu lachte leise, als er
Jeans Gesichtsausdruck bemerkte. Er hatte anscheinend eine andere Antwort
erwartet.
"Ist Torbenson auch hier?"
erkundigte sich Florine.
"Er hatte zusagt, aber
"
Madame Calinot runzelte die Stirn. "Das ist schon eine merkwürdige Sache: Ich
habe ihn schon seit ein paar Nächten nicht mehr gesehen, obwohl wir einige
Termine vereinbart hatten."
"Vielleicht hat er
Lampenfieber bekommen?" mutmaßte die Künstlerin.
"Das kann ich mir eigentlich
nicht vorstellen, da er schon an einigen Ausstellungen beteiligt war. Ich befürchte
eher, daß irgendwas geschehen ist."
"Hat denn noch niemand
Nachforschungen angestellt?" wollte Jean sogleich wissen.
"Doch, natürlich", erklärte
Madame Calinot. "Aber leider hat das nicht viel ergeben: Seit drei Nächten
hat ihn niemand mehr gesehen, über sein Handy ist er nicht zu erreichen, und
seine Sachen befinden sich immer noch im LHôtel Belle Nuit. Er scheint
spurlos verschwunden zu sein."
"Das klingt wirklich
seltsam
", meinte Jean, doch Michail unterbrach ihn: "Vielleicht ist ihm
was dazwischen gekommen. Oder er hat sich eine gesellschaftliche Auszeit
genommen."
"Er hätte wenigstens Bescheid
geben können. Immerhin gibt es Freunde, die sich um einen Verschwundenen Sorgen
machen", warf Florine überraschend scharf ein, wobei sie Michail ärgerlich
anfunkelte, und Jean hatte das Gefühl, daß die beiden auf eine bestimmte Sache
anspielten.
Und tatsächlich: ein Schatten
huschte über Michails Gesicht, und der Ausdruck in seinen Augen verriet, daß
seine Gedanken für den Moment nicht im hier und jetzt weilten. Schließlich
zuckte er mit den Schultern und erklärte: "Wenn mir etwas passiert wäre, hätten
Sie es früh genug erfahren."
"Ja, toll", maulte Florine.
Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch Madame Calinot kam ihr zuvor. Um die plötzliche
Mißstimmung zu vertreiben, fragte sie, ob Florine nicht die anwesenden Künstler
kennenlernen wollte und führte sie von den beiden Männern fort ins Gewühl der
Besucher.
Jean musterte Michail neugierig:
"Was war denn los?"
"Ach, nichts", winkte der
Karpate ab. "Anfang des Jahres war ich für einige Zeit
in absentia."
Sein Gesichtsausdruck lud zu keinen weiteren Fragen ein. "Florine hat sich
ziemliche Sorgen gemacht."
"Ihr lebt zusammen?"
vermutete Jean.
"Ja und nein." Michail
setzte sich langsam in Bewegung, und sie begannen, sich die Ausstellung
anzusehen. "Sie kümmert sich um mein Schloß, dafür kann sie dort wohnen und
arbeiten. Und ich habe den Transport ihrer Werke nach Paris arrangiert."
"Woher kennst du Madame
Calinot?"
"Ich war öfters hier, zuletzt
in den Neunzehn-Zwanzigern. - Aber dich habe ich damals hier nicht gesehen."
"Zu der Zeit war ich auch
nicht hier", erklärte Jean.
Sie blieben vor einer glänzenden
Metallkollage stehen. Es war ein Werk von Florine und trug den Titel
Spiegelkabarett, wie Michail auf dem Schildchen las. Er wollte etwas
entsprechendes zu Jean sagen, da stellte er fest, daß der Franzose mit einem
verzückten Gesichtsausdruck in die glänzende Silberbeschichtung der einzelnen
Teile starrte, in der sich seine unbestrittene Schönheit widerspiegelte. Für
einen Moment fühlte der Karpate Neid, dann schob er das Gefühl von sich. Was nützte
schon ein Spiegelbild - oder ein Schatten - wenn die Seele fehlte.
Jammerlappen, schimpfte er sich selber, und plötzlich erhellte ein Lächeln sein Gesicht. Die
Situation wollte ausgenutzt sein! Er lehnte sich zu Jean hinüber, brachte seine
Lippen ganz nah an sein Ohr und flüsterte ihm zu: "Läßt du mich bei dir übertagen?
Wir finden sicherlich ein Plätzchen für mich
Hm, Schweigen bedeutet
Zustimmung, richtig?"
Mit einem leisen Auflachen zog
er sich zurück. Dabei bemerkte er zufällig einen Mann mit einer langen,
braunen Haarmähne, der durch seinen Heavy Metal Look aus der Menge der elegant gekleideten Vampire herausstach und der ihn finster
musterte. Unvermittelt setzte er sich in Bewegung und kam auf Vladescu und
LeCartres zu.
Um Jeans Aufmerksamkeit
wiederzuerlangen, schnippte Michail mit den Fingern direkt vor dessen Nase, und
mit einem Blinzeln kehrte der Narziß in die Realität zurück - gerade richtig,
um den Langmähnigen begrüßen zu können.
"Salut, Marcel", sagte er
ganz ungezwungen. "Darf ich dir Michail vorstellen. Michail, das ist Marcel,
ein Freund von mir."
Nicht sehr alt, dachte der Karpate, ein Kind dieses Jahrhunderts. Gelassen erwiderte er Marcels kühlen
Blick, während er überlegte, welche Laus dem Langhaarigen wohl über die Leber
gelaufen sei. Eifersucht, vielleicht? Seine Frage wurde beantwortet, als der Jüngere
Jean über die dreiste Selbsteinladung des Karpaten informierte. Er
muß von Lippen lesen können, dachte Michail,
er kann mich nicht gehört haben.
Bei dieser Überlegung
angekommen, wandte er sich mit einem frechen Grinsen an Jean: "Und ziehst du
nun meine Einladung zurück oder nicht?"
"Du kannst gerne bei mir im
Haus schlafen", bot dieser an. "Ich habe mehr Platz, als ich jemals brauchen
werde." Sein Haus in Saint Germaine hatte allein neun Schlafzimmer, da war
mehr als genug Raum für Gäste. Ihm fiel auf, daß Marcel ziemlich nervös
wirkte. "Was ist los?" fragte er. "Ist hier in letzter Zeit irgendetwas
geschehen, das ich wissen müßte? Ich bin leider nicht auf dem Laufenden, da
ich erst gestern nach Paris zurückgekehrt bin."
"Na ja", druckste Marcel.
"Angélique hat sich nach dir erkundigt: Sie hat befürchtet, du wärst
ebenfalls verschwunden."
"Ebenfalls?" hakte Jean
nach, und auch Michail widmete dem Gespräch nun seine volle Aufmerksamkeit.
"Ja. Sie hatte einen Pianisten
zu sich eingeladen, aber der ist nie eingetroffen. Und als sie dich nicht
erreichen konnte, hat sie sich an mich gewandt."
"Das ist schon der zweite
Vermißte." Jean runzelte die Stirn. "Ist sonst noch etwas Ungewöhnliches
passiert?"
"Wie mans nimmt. Ich habe
gehört, daß sich in einem alten Château am Stadtrand ein paar Ghoule
rumtreiben. Aber anscheinend weiß niemand, zu wem die gehören."
Das klang ja sehr interessant,
und Jean fühlte, wie ihn die Abenteuerlust packte. Er war schon lange nicht
mehr unterwegs gewesen, und es juckte ihn förmlich in den Fingern, diesem
Château einen Besuch abzustatten. Leider war es heute schon zu spät für eine
derartige Aktion - aber die Zeit reichte noch, um sich mal in Torbensons
Hotelzimmer umzusehen. Nur sollte er vielleicht nicht allein gehen.
"Hat jemand Lust, mich auf
einer kleinen Nachforschungstour zu begleiten?" Er sah Michail auffordernd an.
Dieser feixte. "Irgendwie
hatte ich den Eindruck, du hättest keine Lust auf ein Abenteuer mit mir."
"Hab ich nie behauptet",
grinste Jean. "Hast du etwa Schiß?"
"Natürlich nicht." Michail
schüttelte den Kopf. "Hm, das klingt nach ein paar Berühmten letzten
Worten. Aber was solls, es wird mich schon nicht umbringen. Wo sollen wir
denn anfangen?" Er ließ einen eindeutig zweideutigen Blick von Jeans Kopf über
seinen Körper zu seinen Füßen und wieder zurück gleiten.
"In Torbensons Hotelzimmer."
Michail nickte. Das Belle
Nuit war ein altes, sehr exklusives Hotel, das trotz seiner niedrigen Preise
und seiner eleganten Ausstattung in keinem Reiseführer erwähnt wurde, denn es
war ausschließlich Vampiren vorbehalten. Laut Madame Calinot waren Torbensons
Sachen immer noch auf seinem Zimmer, und vielleicht fanden sie dort einen
Hinweis auf seinen Verbleib. "Gut, fahren wir."
Sie verabschiedeten sich und
verließen den Ausstellungsraum. Nachdem sie ihre Jacken und Michails Rucksack
von der Garderobe geholt hatten und vor die Tür getreten waren, nickte Michail
zu dem am Straßenrand parkenden Motorrad hin. "Ich bin mit dem Bike hier. Und
du?"
"Taxi." Jean verfluchte wohl
zum tausendsten Male die Tatsache, daß er immer noch keinen Führerschein
hatte. Es wurde wirklich langsam Zeit, daß er fahren lernte! Denn wie befürchtet
erwartete Vladescu nun, daß sie sein Motorrad nahmen, und ein wenig widerwillig
folgte Jean dem Karpaten, da ihm diese Dinger ganz und gar nicht geheuer waren.
"Nur keine Angst",
kommentierte Michail sein Zögern. "Solange du mir beim Fahren kein Kreuz
unter die Nase hältst, wird schon nichts passieren."
"Das klingt ja, als hättest
du das schon mal erlebt."
"Oh ja", bestätigte
Michail. Erst letztes Jahr hatte jener Teufelsbraten namens Claude genau das
getan, hauptsächlich zum Schaden des Motorrads, das bedauerlicherweise nicht
wie ein Vampir von alleine heilte. Aber inzwischen war Claude wieder seiner Wege
gezogen, was sicherlich daran gelegen hatte, daß Michail Anfang des Jahres für
einige Zeit nicht auffindbar gewesen war.
Sie fuhren los und erreichten
ohne einen Zwischenfall das Belle Nuit, das schon seit langer, langer Zeit als
Unterschlupf für Vampire diente. Der Karpate parkte in einer Nebengasse, und
sie gingen zum Hintereingang. Die Tür war verschlossen, doch kein wirkliches
Hindernis für Jeans Fähigkeiten. Im Gegensatz zu der Tatsache, daß sie
Torbensons Zimmernummer nicht kannten.
"Am besten, du gehst zurück,
kommst durch die Vordertür herein und redest mit der Concierge Babette", flüsterte
Jean im Gang. "Du kannst sie ja noch ein wenig ausquetschen, ob Torbenson sich
mit jemanden getroffen hat und so weiter, während ich mich in seinem Zimmer
umsehe. Wir treffen uns wieder bei deiner Maschine."
"Okay." Michail verschwand
aus dem Flur, und nur wenige Augenblicke später trat er durch die Vordertür
ins Belle Nuit. Mit echter Freundlichkeit begrüßte er die Concierge: "Hallo,
Babette. Schön, dich wiederzusehen."
Das verhutzelte Weiblein, das
eher einem der Wasserspeier von Notre Dame als dem üblichen Bild der eleganten
und weltgewandten Vampirin glich, schenkte Michail ein breites Lächeln und warf
ihm eine Kußhand zu. Heute war Freitag, also ein Fasttag, und in diesen Nächten
redete sie mit niemanden.
"Wie geht es dir?" Michail
lehnte sich an den Tresen und machte es sich bequem. Die Concierge machte mit
der Hand eine schaukelnde Bewegung und schaute ihn auffordernd an. "Mir geht
es gut, danke der Nachfrage. Ich war eben auf der Eröffnungsfeier von Madame
Calinots neuer Ausstellung
", er machte eine Kunstpause, "
aber
bedauerlicherweise vermißt die Dame einen der ausstellenden Künstler, Björn
Torbenson. Er hat hier doch ein Zimmer gemietet, nicht wahr?"
Babette nickte und zeigte auf
einen der Schlüssel, die an einem Bord an der Wand hinter ihr hingen.
"Zimmer 47, so so." Michail
nickte ernst. "Aber er ist nicht da. Weißt du vielleicht, wo er ist?"
Babette schüttelte traurig den
Kopf und zuckte mit den Schultern.
"Seit wann ist er denn
verschwunden?" fragte er weiter, und die Concierge zeigte ihm im Kalender das
Datum von vor drei Tagen. Außerdem teilte sie ihm auf ihre Art mit, daß
Torbenson das Hotel allein verlassen hatte und daß er seit der Nacht seiner
Ankunft weder Besuch empfangen noch Post erhalten hatte.
"Vielen Dank." Michail
reichte Babette einige große Franc-Scheine. "Danke für alles." Er lächelte
ihr noch einmal zu und verließ das Hotel.
Als er sein Motorrad erreichte,
wartete Jean schon auf ihn, und er wirkte selbstzufrieden wie eine Katze, die
von der Sahne genascht hatte.
"Na, was hat Babette
gesagt?" flachste er.
"Gar nichts. Aber wenn man weiß
wie, dann kann man von ihr selbst an Fasttagen eine Menge erfahren."
"Du kennst sie von früher?"
"Ja, sie hat mir einmal bei
einer etwas delikaten Angelegenheit geholfen."
"Und warum gings?"
"Um eine Frau, was sonst",
ließ Michail Jean abblitzen. Der Junge
ist ja schrecklich neugierig, urteilte er,
ob er das englische Sprichwort Curiosity killed the cat kennt? Von der
Vergangenheit wieder zur Gegenwart wechselnd erzählte er, was er herausgefunden
hatte. "Und wie sieht es mit deinen Nachforschungen aus?"
Triumphierend zog Jean ein Blatt
Papier hervor. "Unser erster Hinweis."
Der Karpate nahm das Blatt
entgegen, und unter einer leichten Bleistift-Schraffur entzifferte er einige
Zahlen. "Eine Telefonnummer?"
"Ja, Torbenson hat sie
notiert, und der Stift hat sich durchgedrückt."
"Und was machen wir jetzt?"
"Nach Hause fahren und warten.
Ich habe Marcel schon angerufen, er soll herausfinden, unter welcher Adresse die
Telefonnummer angemeldet ist."
"Gut." Michail schwang sich
auf das Motorrad. "Wo solls denn hingehen?"
Jean nannte seine Adresse, und
sie fuhren los. Michail ließ sich von dem Franzosen dirigieren, denn er verspürte
keine Lust, sich in den fremdgewordenen Straßen zu verirren. Paris war nicht
nur größer geworden, sondern auch das Stadtbild hatte sich an einigen Stellen
stark verändert. Doch in Saint Germaine schien die Zeit ein wenig langsamer zu
vergehen, und Michail hatte das Gefühl, das eine oder andere vertraute Eckchen
wiederzuerkennen.
LeCartres wohnte in der Rue des
Fleurus in einem eleganten Gebäude im barocken Stil, das etwas zurückgesetzt
in einem gepflegten Garten lag, und während Vladescu seine Maschine aufbockte,
schloß Jean die Tür auf und bat Michail herein.
Die erste Hürde erfolgreich geschafft, dachte der Karpate, der
ohne Einladung kein privates Gebäude betreten konnte, doch die nächste folgt zugleich. Denn die gesamte Eingangshalle war
zugestellt mit Koffern, Holzkisten und Pappschachteln.
Geschickt umrundete Jean die größten
Hindernisse und warf seinen Schlüsselbund in eine exklusive Metallschale, um
sogleich nach dem daneben liegenden Berg Post zu greifen. "Entschuldige die
Unordnung, aber ich hatte einfach noch keine Zeit zum Auspacken", erklärte er
und sprang über einen zusammengerollten Teppich, der ihm den Weg zur Treppe
versperrte.
Michail zuckte mit den
Schultern, verkniff sich einen Kommentar über die Einstellung von Personal und
folgte Jean in den ersten Stock.
"Du kannst das Zimmer hier
nehmen." LeCartres öffnete die Tür zu einem Raum, der ganz in Gold, Orange
und warmen Brauntönen gehalten war. "La chambre de lautomne."
"Gefällt mir." Michail warf
seinen Rucksack hinein. Außer dem Anzug, den er immer noch trug, und seiner
Ledermontur hatte er nicht viel Gepäck dabei. Sein Aufbruch nach Paris hatte äußerst
schnell stattgefunden: Er hatte den Termin der Vernissage völlig vergessen, und
erst heute mittag hatte ihn sein Verwalter an seine Verabredung erinnert.
"Meine Zimmer sind ganz am
Ende des Ganges", erklärte Jean. "In der Nähe der Hintertreppe."
"Brauchst du sie öfter?"
"Manchmal ist es praktisch,
wenn man sich ungesehen verdrücken kann."
Michail sah sich weiter um.
"Wohnt hier sonst noch jemand?"
"Zur Zeit nicht." Jean
betrat sein ganz in schwarz gehaltenes Zimmer, in dem Koffer, Kleidungsstücke,
Schmuckstücke und Papiere überall verteilt waren.
Ah, er ist einer von denen, die das Chaos beherrschen,
stellte Michail amüsiert fest.
Derweil hatte sich Jean auf sein
riesiges Bett geworfen und ging die mitgebrachte Post durch. Außer Werbung und
Rechnungen war nur ein Brief von Angélique dabei. Er überflog rasch die
Nachricht seiner alten Freundin.
"Von einer Verehrerin?"
erkundigte sich Michail mit Blick auf das nach Rosen duftende Papier.
"Nein, eher eine alte
Freundin", erklärte Jean. "Angélique."
"Ist sie die Dame, von der
Marcel gesprochen hat? Die den Pianisten vermißt?"
"Ja. Sie schreibt, daß dieser
Nägeli nicht zu einem Treffen erschienen ist und bittet mich, Nachforschungen
anzustellen." Er schaute auf das Datum. "Das ist jetzt einen Monat her."
"Nägeli - klingt
schweizerisch." Michail ließ sich in einen Sessel fallen. "Das scheint tatsächlich
kein Einzelfall zu sein. Aber ich nehme nicht an, daß wir noch einen Hinweis in
Nägelis Sachen finden."
"Ich hoffe, daß diese
Telefonnummer uns weiterbringt. Dieses Château mit den herrenlosen Ghoulen
finde ich auch nicht uninteressant. Ich würde gerne dort mal vorbeischauen,
aber ich steige nicht gerne unvorbereitet irgendwo ein, da ich etwas aus der Übung
bin", erklärte Jean, während er sich diverser versteckter Waffen und
Werkzeuge entledigte.
"Unvorbereitet kann man das
wohl kaum nennen."
"Ein kleines schwaches Wesen
wie ich muß sich doch verteidigen können", erwiderte er vergnügt.
"Zweifellos", lächelte
Michail. Er wollte gerade eine anzügliche Bemerkung machen, da wurde er
unvermittelt unterbrochen: "Ich bin müde", erklärte der Franzose und
rollte sich im Bett zusammen. "Bis heute abend."
Michail stutzte, doch er sagte
nichts, als er sich mit einem letzten nachdenklichen Blick auf Jean in sein
Zimmer zurückzog.
Am Abend weckte Jean das
Klingeln des Telefons, doch obwohl er die Decke über den Kopf zog, hörte das
blöde Ding nicht auf zu läuten, so daß er schließlich nachgab und den Hörer
abnahm. "Ja?"
"Hey, du Langschläfer", ertönte
Marcels Stimme.
Jean brummelte etwas unverständliches
vor sich hin.
"Du wolltest Infos von mir,
also hör auch zu."
"Muß ich ja wohl, so laut,
wie du schreist."
"Na denn. Also, die
Telefonnummer ist die Geheimnummer einer gewissen Dr. Prees, die in der Rue des
Pleupliers in einem ehemaligen Hospital wohnt. Das Haus heißt Maison du
Soleil - und da sollen wirklich seltsame Dinge vorgehen."
"Dann werde ich da wohl mal
vorbeischauen müssen. Kannst du mir die Gebäudepläne beschaffen?" fragte
Jean.
"Ich wußte, du würdest das
fragen, also habe ich ein Treffen für dich und deinen neuen Kumpel arrangiert.
Um zwölf Uhr auf dem Cimetiére de Montmatre am Grab der Kameliendame. Du weißt,
wo das ist?"
"Natürlich, ich lebe schon
ein paar Jahre länger hier. Wen sollen wir denn da treffen?"
"Einen Vertreter des
Untergrundes selbstverständlich. Er wird die gewünschten Pläne dabei haben.
Und du solltest dir genügend Kleingeld in die Taschen stecken, damit du sie
auch bekommst."
"Als wenn ich es nicht
erwartet hätte. Bekommt man in dieser Stadt auch mal was umsonst?"
"Wo wir gerade dabei sind, ich
erwarte ebenfalls eine Belohnung für meine Mühe."
Marcel klang irgendwie schlecht
gelaunt, dachte Jean. Wahrscheinlich, weil er sich Michail als Partner für
diese Sache ausgesucht hatte und nicht ihn. "Klar, was sonst. Wir reden später
darüber, ja?"
"Okay. Bis dann."
Wenn er heute noch was schaffen
wollte, mußte Jean wohl oder übel aufstehen, also wühlte er sich aus dem
Bett. Er stellte fest, daß er in seinen Kleidern geschlafen hatte, und beschloß,
sich erst mal umzuziehen.
"War das dein Telefon oder die
Alarmanlage?" fragte Michail in das Zimmer tretend. Da alle Apparate
gleichzeitig geschellt hatten, war der Anruf nicht zu überhören gewesen.
"Mein Telefon." Jean warf
die verknautschten Kleidungsstücke in die Ecke. "Marcel hat herausgefunden,
daß die Telefonnummer zu einem gewissen Maison du Soleil gehört." Er
verzog das Gesicht. Der Name "Haus der Sonne" gefiel ihm absolut nicht.
"Um zwölf Uhr treffen wir uns mit einem Vertreter des Untergrundes auf dem
Cimetiére de Montmatre am Grab der Kameliendame. Dort sollen wir die Gebäudepläne
bekommen, gegen eine entsprechende Bezahlung selbstverständlich." Ihm fiel
ein, daß vermutlich der Untergrund Marcel vorgeschlagen hatte, Jean die Pläne
zur Verfügung zu stellen, und nicht umkehrt. Eine weite Vorausplanung war nicht
gerade Marcels Stärke.
Von Jeans spöttischen Überlegungen
natürlich nichts ahnend, betrachtete Vladescu interessiert, wie sich sein
Gastgeber erst auszog und dann in weiches, schwarzes Leder kleidete. Er konnte
nicht bestreiten, daß ihm der Anblick gefiel, und um sich von seinen
unsittlichen Gedanken abzulenken, fragte er: "Was sollen die Pläne denn
kosten?"
"Keine Ahnung, normalerweise
geht das eher immer Gefallen gegen Gefallen. Mir scheint, Marcel ist etwas sauer
wegen dir." Jean betrachtete sein Spiegelbild und fuhr mit einer Bürste über
seine langen, nachtdunklen Haare. "Aber keine Angst, ich habe auf jeden Fall
genügend Geld hier."
"Sehe ich so aus, als würde
ich zum verarmten Adel gehören?" spottete Michail. "Und ein Geldautomat müßte
sich sogar in Paris finden lassen. Wann brechen wir auf?"
"Wir sollten etwas früher da
sein, der Friedhof ist ziemlich unübersichtlich, und ich sehe mir immer lieber
die Gegend vorher an. Eine Falle kann man ja nie ganz ausschließen." Eine
ganze Menge Werkzeug, Waffen und sonstige Utensilien verschwand in Jeans
Kleidung. Zum Glück fertigte ihm eine langjährige Freundin, die Modedesignerin
Marie Dupont, immer seine Arbeitskleidung an. "So, ich bin fertig."
"Dito", erklärte Michail.
Seine Vorbereitungen hatten zwar lediglich darin bestanden, sich in seine
Lederklamotten und Springerstiefel zu werfen, aber bevor sie dieses Maison du
Soleil unter die Lupe nahmen, würde er entsprechende Vorkehrungen treffen. Wenn
hier jemand im großen Stil Vampire entführte, dann wollte er optimal gerüstet
sein.
Auf dem Weg zur Haustür fragte
er: "Bestehst du auf einem Taxi oder können wir meine Maschine nehmen?"
"Immer diese
Suggestiv-Fragen
" lästerte Jean.
"Ich bin gern flexibel. Und
die Pariser Taxifahrer sind schlimmer als die Kölner - und das will was heißen."
"Du kommst aus Köln?"
fragte Jean neugierig, da er sich eine ganze Zeit lang in Deutschland
aufgehalten hatte.
"Aus der Nähe: Vom
Drachenfels", präzisierte Michail. "Ich habe mir das dortige Schloß
Drachenburg gekauft."
"Klingt recht nett. Ist es schön
dort?" Jean hatte schon von dem Schloß gehört, es aber noch nicht gesehen,
da er nie lange genug in der Gegend gewesen war, um Zeit für Besichtigungen zu
finden.
"Ja." Er warf Jean einen
scherzhaft prüfenden Blick zu. "Du würdest gut dazu passen."
"Vielen Dank." Der Franzose
machte eine spöttische Verbeugung. "Wegen eines Termins sprechen Sie bitte
mit meinem Sekretär." Inzwischen waren sie bei Michails Motorrad angelangt,
und Jean erkundigte sich: "Kennst du den Weg oder soll ich dich wieder
leiten?"
"Ich finde mich schon
zurecht." Der Karpate zog seine Jacke auf und zeigte ihm den Stadtplan, der in
der Innentasche steckte. "Ich habe mir die Karte angesehen, während du den
halben Abend verschlafen hast." Er schwang sich auf die Maschine.
"Hab ich nicht",
protestierte Jean und saß hinter ihm auf. Schließlich war er heute sogar
ziemlich früh aufgestanden.
"Hast du doch."
"Hab ich nicht."
"Hast du doch."
"Nein."
"Doch."
"Ne
"
Das Aufheulen des Motors übertönte
Jeans Protest, und die überaus intellektuelle Diskussion fand ein abruptes
Ende, als Michail losfuhr. Entgegen seinen Gewohnheiten hielt er sich diesmal an
die Straßenverkehrsordnung und ganz besonders an die
Geschwindigkeitsbegrenzung. Nicht auszudenken, wie Jean auf einem Unfall
reagieren würde, der seine Kleidung und Frisur ruinierte! Michail lächelte. Er
stellte fest, daß er Jean mochte. Nun gut, der Franzose war recht eitel, aber
auf eine sehr amüsante und charmante Art.
Ohne einen Unfall und mit nur
einer minimal zerzausten Frisur, erreichten sie schließlich den Cimetiére de
Montmatre. Sie ließen die Maschine nahe des Einganges zurück und sprangen über
die Friedhofsmauer. Sie waren sehr früh am vereinbarten Treffpunkt, also
wanderten sie noch über die kiesbestreuten Wege, entlang der Gräber von
bekannten, weniger bekannten und unbekannten Menschen.
Als sie am Grab von Heinrich
Heine vorbeikamen, konnte sich Michail ein Zitat nicht verkneifen: "Denk ich
an Deutschland in der Nacht, da bin ich um den Schlaf gebracht."
Jean schaute ihn skeptisch an.
"Na, da kenn ich doch bessere Aufputschmittel."
Für einen Augenblick sahen sie
sich schweigend an, dann lachten sie gleichzeitig los. Doch plötzlich
verstummte Jean und deutete dem anderen, still zu sein. "Da war was."
Michail lauschte nun ebenfalls.
Schließlich nickte er. "Klingt nach Menschen."
"Ein paar Teenies."
In stillem Einverständnis
verschmolzen die beiden Vampire mit der Nacht und bewegten sich lautlos,
unsichtbar über den Friedhof. Sie verharrten in der Dunkelheit, als sie die
sterblichen Besucher entdeckten: Drei Mädchen, siebzehn oder achtzehn Jahre
alt, hatten sich vor dem Grab der Kameliendame eingefunden. Eine von ihnen,
offensichtlich die Anführerin, kniete vor der Gedenkstätte und wie die rechts
und links von ihr stehenden Teenager trug sie dunkle, wahrscheinlich schwarze,
spitzenbesetzte Kleidung, die schon seit einiger Zeit aus der Mode gekommen war.
Die Anführerin entzündete eine
Kerze, hob die Arme gen Himmel und deklamierte: "Oh du, die geliebt hast. Oh
du, die du wiedergeliebt wurdest. Aus dem Reich der Toten rufen wir dich.
Erscheine, Alphonsine, oh erscheine."
Michail biß in den Ärmel
seiner Lederjacke, um nicht laut loszuprusten. Er fühlte Jeans Bewegung neben
sich, und was immer der Franzose vorhatte, er wollte es ihm nicht verderben,
indem er die drei Gören mit seinem Gelächter vertrieb.
Jean mußte sich ebenfalls
gewaltsam das Lachen verkneifen, die Szenerie war einfach zu albern. Was die Mädchen
wohl erwarteten - daß der Geist der Kameliendame herbei geschwebt kam? Und
wenn, was wollten sie wohl von ihm? Ein breites Grinsen stahl sich in sein
Gesicht, als ihm eine Idee kam. Er zog sich noch tiefer in den Schatten zurück
und legte die Hände schalenförmig zusammen, bevor er ein leises Summen
anstimmte. In seinen Händen begann es sacht zu glimmen, das Leuchten wurde
rasch heller, und schließlich warf Jean einen kleinen, blauschimmernden
Lichtball in die Luft. Die Kugel sauste erst in die Höhe und sank dann ganz
langsam über dem Grab herab. Jean behielt sie fest im Auge, denn sobald er die
Konzentration verlor, würde die Kugel verblassen.
Als der Lichtball erschien,
erstarrten die drei jungen Frauen, und stocksteif vor Schreck blickten sie auf
die Kugel, während Michail den Zaubertrick mit leichtem Mißfallen beobachtete.
Doch er schwieg und ließ Jean seinen Auftritt.
Nach einer Minute atemloser
Stille fand das kniende Mädchen langsam seine Sprache wieder: "Oh,
Leuchtende, wir danken dir für dein Erscheinen und bitten um eine Gunst: Mach,
daß wir auf ewig geliebt werden, daß alle Männer uns begehren."
Eine weitere Minute verging in
Schweigen, anscheinend warteten die drei auf eine Antwort. Die Kugel begann
unruhig auf und ab zu hüpfen, da Jean darum kämpfte, ernst zu bleiben, aber
die Mädchen faßten es als ein Zeichen auf. Unisono keuchten sie auf, und die
Anführerin flehte atemlos: "Bitte, sprich zu uns!"
Jean stieß Michail an. "Was hältst
du von einem kleinen Snack?"
"Gute Idee. Du links, ich
rechts?"
"Okay." Jean ließ den
Lichtball noch einmal wild aufleuchten, dann löste er ihn auf. Er schlich sich
nach links, während Michail die andere Seite übernahm. Die Mädchen bemerkten
nichts, bis die beiden aus dem Dunkel der Nacht auftauchten und sich je ein
Opfer schnappten.
"Buh!" machte Jean, und ein
dreistimmiger Aufschrei zerfetzte die Stille des Friedhofs. Ein Mädchen stob
mit wehenden Kleidern davon, während die anderen beiden von den Vampiren in den
Bann geschlagen wurden.
"Ihr wolltet doch begehrt
werden", meinte Jean belustigt. Das Mädchen starrte ihn offenen Mundes an. Er
strich ihre Haare beiseite und versenkte seine spitzen Zähne in ihrem Hals. Sie
war nicht sein Typ, warum also Zeit vertrödeln? Er trank nur wenig von ihrem
Blut, schließlich war er nicht sonderlich hungrig, und fuhr ihr anschließend
mit einer raschen Bewegung übers Gesicht, um sie alles vergessen zu lassen.
Ihm gegenüber ließ Michail
ebenfalls von seinem Opfer ab, und mit den sachten Schritten von Traumwandlern
verließen die Mädchen, der Erinnerung an den Vorfall beraubt, den Friedhof.
Sobald die beiden außer Hörweite
waren, brachen Jean und Michail in Gelächter aus.
"Oh, Apfelsine, sprich zu
uns", imitierte der Karpate die Anführerin und hielt sich den Bauch, als sein
Zwerchfell gegen die heftige Lachattacke protestierte. "Autsch, tut das
weh!"
Jean erging es auch nicht
besser, und minutenlang kehrte keine Ruhe zwischen den Gräbern ein. Sobald die
beiden sich anschauten, lachte einer wieder los und riß den anderen mit. Doch
schließlich versiegte das Gelächter, und erschöpft ließ sich Michail zu
Boden sinken. Er lehnte sich gegen den Grabstein und verschränkte die Arme
hinter dem Kopf. "Du wolltest doch noch die Gegend sichern
Ich warte
solange hier. Ist ja bald Mitternacht. Geisterstunde - buhuu."
Sie teilten ein weiteres Lachen,
dann machte sich Jean auf und sah sich gründlich um. Kurz vor zwölf kehrte er
zurück und lehnte sich malerisch gegen einen Baum, doch bevor er es sich zu gemütlich
machen konnte, erklang ein leises "Pst".
"Was heißt hier pst?"
maulte Jean. Nicht mal fünf Minuten Pause gönnte man ihm.
"Ich bin Isi." Eine düstere
Gestalt schälte sich aus dem Schatten, und Jean rümpfte die Nase, als er den
Abwassergeruch bemerkte, der sie umgab. Viel konnte man nicht erkennen, da Isi
in mehrere Lagen zerlumpter Kleidung gehüllt war, die keinerlei Aufschluß über
ihr wahres Aussehen zuließen. Das Gesicht war auch nicht zu erkennen, da sie
sich eine viel zu große Kapuze über den Kopf gezogen hatte, doch ihre Stimme
verriet eindeutig ihr Geschlecht.
"Hier sind die Pläne, die Ihr
haben wolltet." Schüchtern hielt Isi Michail einen Umschlag hin.
Jean schnaufte ärgerlich, er haßte
es ignoriert zu werden, und das tat diese Isi gerade. "Was willst du für die
Pläne haben?" mischte er sich ins Geschehen ein, während Michail den
Umschlag öffnete und den Inhalt überprüfte: Es waren tatsächlich die Pläne
des Hospitals, anscheinend Kopien alter Zeichnungen. Als er bemerkte, daß Isi
auf Jeans Frage noch nicht geantwortet hatte, warf er einen herrischen Blick auf
die zerlumpte Gestalt, die prompt ein wenig kleiner wurde.
"Oh, nichts", beeilte sich
Isi zu sagen, und an Vladescu gewandt erklärte sie: "Ich soll Euch
ausrichten, der Drache möge die Ratte nicht vergessen."
Michail nickte langsam.
"Bestelle deinem Herrn meine untertänigen Grüße und meinen Dank."
Mit einer knappen Geste entließ
er Isi, die daraufhin wieder im Schatten der Nacht verschwand. Schon nach
einigen Metern konnte Jean keine Spur mehr von ihr ausmachen; vermutlich war sie
in die Abwasserkanäle zurückgekehrt. Aber egal, dachte Jean, jemand, der ihn
so mißachtete, verdiente seine Aufmerksamkeit einfach nicht. Er fragte sich
allerdings, was diese seltsame Botschaft bedeuten sollte. Die Ratte, das war der
Anführer des Untergrundes, Jean hatte schon öfter mit dessen Abgesandten zu
tun gehabt. Aber wer war der Drache? Michail? Naja, immerhin wohnte dieser auf
Schloß Drachenburg.
"Was nun?" fragte er. Seiner
Stimme war seine Mißstimmung deutlich anzuhören.
Michail sah ihn ein wenig
verdutzt an. "Jetzt brauchen wir einen Plan, wie wir in das Gebäude
kommen." Als ihm der Grund für Jeans Unmut aufging, funkelten seine Augen
belustigt auf.
Jean verschränkte die Arme vor
der Brust und warf ihm einen herausfordernden Blick zu. Wenn selbst der Pariser
Untergrund Michail für den Anführer in dieser Sache hielt, dann sollte er mal
machen. "Was schlägst du vor?"
"Wie wäre es, wenn wir uns
erst einmal die Gebäudepläne ansehen?" Michail amüsierte sich königlich über
Jeans Schmollen und seine bockige Haltung, er hütete sich jedoch, das zu sehr
zu zeigen. Er steckte den Umschlag in seine Jacke. "Laß uns zu dir nach Hause
fahren."
Jean maulte und brummelte etwas
vor sich hin, trabte aber hinter Vladescu über den Friedhof in Richtung
Eingang. Als sie beim Motorrad ankamen, murmelte Michail: "Irgendwas stinkt
hier."
"Hm?" machte Jean nicht
sonderlich intelligent. Abrupt wurde er von Vladescu gepackt und rückwärts
geschoben, bis er mit dem Rücken gegen die Friedhofsmauer stieß.
"Hast du denn gar nicht
aufgepaßt?" zischte Michail. "Warum, meinst du, hat der Souverain
Souterrain einen zukünftigen Gefallen von mir verlangt - und nicht von dir?"
Jean zog eine Grimasse. Das
wurde ja immer schlimmer mit Michail. Erst hielt ganz Paris ihn für den Anführer
dieser Aktion, und jetzt stellte er sich selbst als den Mittelpunkt der Welt
dar.
"Er muß etwas über dieses
Hospital wissen, das mich betrifft. Mich persönlich." Michail nahm die Hände
von Jeans Kragen, legte sie auf seine Schultern. "Wenn er was von mir will -
mir als Söldner braucht er nur ein gutes Angebot zu machen."
"Vielleicht sollst du
irgendwann etwas für ihn tun, das nicht für Geld zu haben ist."
"Aber für die Beschaffung läppischer
Gebäudepläne?" Er schüttelte den Kopf, dann wechselte er unvermittelt das
Thema: "Übrigens siehst du ziemlich niedlich aus, wenn du schmollst." Ein
Funkeln trat in seine Augen, und er lehnte sich weiter nach vorne.
"Ach ja?" So zwischen der
Mauer und Michail eingeklemmt, fühlte Jean sich plötzlich gar nicht mehr wohl.
"Das hast du doch bestimmt
schon öfter gehört."
"Kann sein." Fast panisch
stemmte er die Hände gegen Michails Brust. Er mußte hier weg und zwar schnell!
Das Aufheulen eines Motors
befreite Jean aus seiner mißlichen Lage: Eine Horde Motorradfahrer kam die
Avenue Rachel hinuntergefegt, doch voller Unbehagen erkannte Jean, daß es keine
normalen Biker, sondern Vampire waren.
"Les Dragons", sagte er zu
Michail, der zurücktrat und sich halb umdrehte. "Ihr Anführer heißt Navarro."
Er nickte zu dem Fahrer hin, der seine Maschine vor ihnen zum Stehen brachte.
Wie befürchtet pöbelte dieser:
"Na, was haben wir denn hier hübsches: Unseren lieben Jean mit seinem neuen
Spielzeug
"
Innerhalb einer Sekunde
verschwand Michail von Jeans Seite, tauchte neben Navarro auf und riß ihn von
seiner Maschine. Die beiden Vampire gingen zu Boden, Vladescu schlug auf Navarro
ein, doch der Biker hatte sich von seiner Überraschung erholt und parierte die
Attacke. Als der Kampf an Länge zunahm, umrundeten zwei Biker die Kontrahenten
und sperrten sicherheitshalber die Straße ab; noch ließ sich kein Sterblicher
blicken, aber das konnte sich ändern.
Fasziniert beobachtete Jean, wie
sich die beiden Kämpfenden über die Straße wälzten. Sie waren gleich groß,
und was Navarro durch seinen kräftigeren Körperbau gewann, glich Michail durch
Gewandtheit aus. Fleisch klatschte auf Fleisch oder Leder, je nach Trefferzone,
und rasch lag ein schwacher Geruch nach Blut in der Luft. Als der Biker einen
besonders kraftvollen Hieb landete, hörte Jean Knochen knacken, und Michail
schrie verhalten auf. Doch seine Verwundung schien ihn anzuspornen, und seine
Schläge hagelten mit neuer Härte auf Navarro nieder, bis der Biker aufgab.
"Hüte deine Zunge,
Freundchen", fauchte der Karpate, "sonst könntest du sie verlieren!"
"Okay", keuchte Navarro,
"schon gut."
Ruckartig ließ Michail von ihm
ab und erhob sich. Er wischte sich das Blut aus der Stirn, das aus einer schon
wieder verheilten Platzwunde gequollen war, und preßte die andere Hand auf die
gebrochene Rippe, die zum Heilen ein wenig länger brauchen würde.
"Mann, Sie haben vielleicht
einen Schlag am Leib", knurrte Navarro, während er sich ebenfalls auf die Füße
kämpfte. "Kein Wunder, daß Jean Sie vorzieht."
"Vorzieht, vor wem?"
"Ihm." Navarro nickte zu den
Bikern hin, unter denen Michail ein vertrautes Gesicht entdeckte: Marcel. Der Jüngere
maß ihn mit einem mißmutigen Gesicht; anscheinend hatte er erwartet, daß der
Karpate mehr abbekommen würde. Doch ehe Michail reagieren konnte, wurde der
Braunhaarige von LeCartres verdeckt, der zu ihm hinübergeschlendert war.
"Du hast mit der Sache hier
natürlich gar nichts zu tun?" fragte Jean ärgerlich.
"Nein, natürlich nicht",
wehrte Marcel ab.
"Und du meinst, ich glaube
das? Für wie blöd hältst du mich eigentlich?" knurrte Jean ihn an, und als
der andere stumm seinem Blick auswich, streckte er mit einem heimtückischen Lächeln
die Hand nach ihm aus. "Du weißt doch, ich kann es absolut nicht leiden, wenn
meine Freunde mich belügen." Er konnte ziemlich gemein werden, wenn man ihn
betrog.
"Ist ja gut." Marcel wich
zurück und gestand hastig: "Okay, ich habe Navarro überredet, hierher zu
kommen."
"Und warum?"
"Ich war ein wenig eifersüchtig,
weil du Michail mir vorziehst", kam es kleinlaut vor Marcel.
"Du bist kindisch", warf
Jean ihm vor. Falls es zu einem Kampf kommen sollte, war Michail auf jeden Fall
die bessere Wahl, denn Marcel war ebensowenig ein Kämpfer wie er selbst.
"Und ziemlich dumm",
kommentierte Vladescu, der inzwischen mit Navarro zu ihnen herüber gekommen
war. "Wir spielen einfach nicht in der gleichen Liga."
Marcel funkelte ihn an. "Ach
wirklich, Superman?"
"Michail Prinz Dracul",
nannte der Karpate seinen Titel, wobei er sich spöttisch verbeugte. "Und ich
glaube, ich bin der einzig wahre Drache hier", spielte er auf den Gangnamen
Les Dragons an.
"Scheiße", entfuhr es
Navarro. "He, Mann, das hab ich nicht gewußt", erklärte er
entschuldigend.
Jean runzelte die Stirn. Hatte
Michail wirklich etwas mit dem Dracula
zu tun, oder war das nur ein Bluff, um Marcel einzuschüchtern?
"Pech gehabt." Michails Lächeln
zeigte bedrohlich viele Zähne. Abrupt fragte er: "Gibt es eigentlich auch
einen vernünftigen Grund, warum ihr hier aufgetaucht seid, oder wolltet ihr
euch bloß verprügeln lassen?"
"Nun, unser Freund hier",
Navarro nickte zu Marcel hin, "sagte, ihr würdet nach ein paar verschwundenen
Künstlern suchen."
"Und?"
"Mir ist auch jemand abhanden
gekommen, eine Spanierin namens Feliciana."
Der Name kam Michail bekannt
vor. "Die Glücksspielerin?"
"Nun, so wie sie spielt, hat
es wenig mit Glück zu tun." Navarro grinste.
"Ich verstehe. Und seit wann
vermissen Sie sie?"
"Seit etwas über zwei
Wochen." Er lehnte sich gegen Marcels Motorrad. "Sie hat mich zwar
angerufen, daß sie gut angekommen ist, ist aber nicht zum vereinbarten Termin
erschienen. Wir haben nach ihr gesucht, aber vergeblich."
"Nun, vielleicht haben wir ja
mehr Glück." Michail sah Jean an. "Immerhin habe ich einen Spezialisten an
meiner Seite - auch wenn er im Moment etwas abgelenkt ist." Er feixte, Navarro
lachte leise, und mühsam riß sich LeCartres von der Betrachtung seiner
Reflexion im Rückspiegel des Motorrads los.
"Ich würde ja gerne unseren
Besuch im Maison du Soleil vorbereiten", murrte Jean, "aber dafür brauche
ich mehr Licht und einen ruhigeren Ort."
"Das Maison du Soleil?"
stutzte Navarro. "Dann seid mal vorsichtig. Als ich letztens daran vorbeifuhr,
trieben sich da ein paar Ghoule herum - und ich habe keine Ahnung, wer für sie
verantwortlich ist. Nun, auf alle Fälle wünsche ich euch viel Erfolg!"
Er winkte seinen Leuten, und während
die Motorräder davonknatterten, dachte Michail: Schon wieder herrenlose Ghoule - oder sind das die aus diesem alten Château,
das Marcel gestern erwähnte?
Jean schien die gleichen
Gedanken zu hegen. Er wandte sich an Marcel, der sich in seiner Haut gar nicht
mehr wohlzufühlen schien. Immerhin hatte er Navarro gegen Vladescu aufgehetzt,
nur um festzustellen, daß sogar der Anführer der Dragons vor Michail den
Schwanz einzog. "Du kontaktierst heute noch den Untergrund und bittest um
weitere Informationen", orderte LeCartres. "Enttäusche mich nicht."
"Ich mache mich sofort ans
Werk." Marcel schwang sich auf seine Maschine und donnerte ebenfalls davon.
"Und wir fahren jetzt zu mir,
damit ich die Pläne studieren kann."
Michail lächelte über Jeans plötzliche
Aktivität.
"Warum siehst du mich so
komisch an?" fragte Jean und verschränkte die Hände vor der Brust.
"Du hast vielleicht einen
Kommandoton am Leib."
"Hast du etwas dagegen?"
"Nein, absolut nicht. Ich mag
entschlossene Männer." Er schwang sich auf seine Maschine. "Laß uns
fahren."
Jean stieg hinter ihm auf, wobei
er sich bemühte, einen gewissen Abstand zu der verschmutzten Kleidung des
Karpaten zu wahren. Andererseits war diese Sitzhaltung nicht sonderlich
verkehrssicher, so daß er sich in dem Dilemma wiederfand, entweder seine
Kleidung zu ruinieren oder seine Gesundheit und
seine Kleidung, falls er von dem Motorrad stürzen sollte.
Michail spürte die Notlage
seines Mitfahrers, und obwohl er Jeans Verhalten ein wenig lächerlich fand,
fuhr er extra vorsichtig, so daß er LeCartres unbeschadet vor seiner Haustür
absetzen konnte.
Kaum hatte Michail die Türschwelle
passiert, orderte Jean: "Zieh die dreckigen Sachen aus, sonst machst du mir
noch Flecken in die Polster! Ich sehe mir inzwischen schon mal die Pläne an."
Er hielt Michail auffordernd die Hand hin.
Der schüttelte den Kopf,
verkniff sich aber einen Kommentar, denn schließlich hatte Jean recht. Er zog
den Umschlag aus der Jacke und reichte ihn dem Franzosen.
"Du kannst deine Klamotten
hier unten ins Bad hängen", erklärte Jean. "Marc wird sich um sie kümmern."
"Marc?"
"Mein Ghoul."
Aha, dachte Michail,
das erklärt zumindest, warum Jean noch nicht in seiner Unordnung erstickt ist.
Und wer hier gestern aufgeräumt hat.
Während er die verdreckten
Sachen auszog, kniete sich Jean auf den Boden, wo er die Pläne des Hospitals
ausbreitete. "He, das sind ja zwei Gebäude
", er überflog die komplexen
Zeichnungen, "
das Hospital war früher
" Er sah hoch und brach mitten
im Satz ab. So, wie Michail vor ihm stand, nur mit einem Slip bekleidet, war er
einfach atemberaubend und weitaus faszinierender als die Pläne.
"Ein Château", ergänzte
Michail. "Lenke ich dich irgendwie ab?"
"Nein, wie kommst du
darauf?" erklärte der Franzose hektisch und heftete den Blick auf die Karte.
"Das Gebäude ist ziemlich schlecht zugänglich, da es frei in einem Park
steht. Ein Einsteigen von oben können wir vergessen."
"Und wie sieht es von unten
aus?"
"Viel besser", erklärte
Jean, während er wieder bewundernd an Michail hochsah. "Ich denke, der Keller
ist der schwache Punkt an dem Gebäude. Dort ist die Alarmanlage auch leichter
außer Kraft zu setzen."
"Du bist der Experte."
"Vielleicht sollten wir
versuchen, über die Abwasserkanäle dorthin zu gelangen. Dazu brauche ich aber
die Pläne vom Kanalsystem. Sie müßten in meinem Zimmer sein." Die Pläne
hatten ihm schon öfter nützliche Dienste erwiesen.
"Laß uns raufgehen."
Michail sah an sich herab. "Jetzt besteht ja keine Gefahr mehr für deine Möbel."
Er ließ Jean vorgehen und machte einen kleinen Abstecher in sein eigenes
Zimmer, wo er die Hose seines Anzuges und ein Unterhemd überstreifte: Im Moment
wollte er seinen Gastgeber nicht verführen, sondern einen Schlachtplan
entwerfen.
Während Jean nach den Karten
der Kanalisation suchte, legte Michail die Grundrisse des Maison du Soleil auf
dem Bett ab, da die vorhandenen Tische einfach zu klein waren, und studierte
sie. Schließlich hatte Jean die gewünschten Pläne entdeckt und breitete sie
ebenfalls aus.
"Ich denke, wir versuchen, über
diesen Kanal zum Hauptgebäude zu kommen." Jean fuhr mit einem Stift den Weg
nach. "Hier im Keller gibt es eine Kanalöffnung, die vielleicht groß genug
ist um durchzukommen. Ansonsten könnten wir hier im Garten raus und durch eines
der Kellerfenster einsteigen." Er markierte die Stellen auf den Karten mit
Kringeln.
"Du kennst dich wirklich damit
aus", bemerkte Michail.
"Natürlich, ich mache das
nicht erst seit gestern." Jean grinste. "Wir brauchen auch noch ein paar
Waffen."
"Ich hätte gerne meine
eigenen
Kann ich mal telephonieren?"
"Ja, klar." Jean angelte
nach dem Telefon und reichte es Michail, bevor er sich wieder über die Karten
beugte. Natürlich lauschte er dabei gespannt dem einseitigen Dialog des
Karpaten.
"Hey Jaq, Michail hier
"
Kleine Pause. "Dem Motorrad geht es gut", er klang ein wenig ungehalten,
"und nein, ich hatte keinen Unfall
ich rufe an, weil ich eine kleine Aktion
plane und noch ein bißchen Ausrüstung brauche." Er gab Jaq seine Wünsche
bezüglich der Schußwaffen durch und ergänzte: "Ein Schwert wäre auch nicht
schlecht
Nein, kein altes, dieser neue Damaszener aus Solingen wäre gut. Den
kann ich problemlos ersetzen. Und ich brauche die Sachen bis Sonnenuntergang.
Geht das?
Gut." Er nannte die Adresse und beendete das Gespräch.
Plötzlich gab der Computer, der
in der Ecke des Zimmers stand, ein Piepen von sich. Jean ging hinüber und
schaltete den Bildschirm an. "Da ist eine E-Mail vom Untergrund", er überflog
die Nachricht, "aber ich verstehe sie nicht. Schon wieder was mit Drachen."
"Lies vor."
"Wenn der Drache das Haus
der Leidenden betritt, wird er sein Spiegelbild finden. Mit Drache bist
du gemeint?"
"Hm", machte Michail
nachdenklich. Er ließ sich in einen Sessel fallen und pochte mit den Fingern
auf die Lehne. "Das gefällt mir nicht, überhaupt nicht." Er nickte zu dem
Schrank hin, in dessen verspiegelter Front er nicht zu sehen war. Jean schaute
ihn fragend an.
"Sag, Jean, wie hältst du es
mit der Religion?"
"Nicht sonderlich." Er überlegte,
ob Michail nun das Thema gewechselt hatte oder nicht. "Und du?"
"Streng orthodox",
antwortete der Karpate mit einer Grimasse. "Und das ist, glaube ich, auch der
Grund, warum ich im Gegensatz zu dir kein Spiegelbild habe. Ich bin überzeugt,
daß ich meine Seele verloren habe - und damit mein Spiegelbild. Und meinen
Schatten."
"Und jetzt glaubst du, wenn du
in diesem ehemaligen Hospital auftauchst, wirst du deine Seele wieder
kriegen?" Jeans Blick verriet seinen Zweifel an dieser These. Er fragte sich
eh, warum es manchen Leuten so wichtig war, eine Seele zu haben. Und warum
sollte er eine haben, und Michail nicht?
"Genau das befürchte ich."
Michail machte eine unbestimmte Geste. "Was sonst könnte die Mail
bedeuten?"
"Vielleicht will er uns bloß
verunsichern." Jean wußte schließlich, daß die Ratte nichts lieber machte,
als anderen Rätsel aufzugeben.
"Vielleicht. Aber vielleicht
lassen wir uns auf mehr ein, als wir erwarten. - Noch können wir
aussteigen
"
Hatte Michail etwa Schiß,
dachte Jean überrascht. Laut sagte er: "Denn geh ich halt allein."
Vladescu schüttelte den Kopf,
und ein leichtes Lächeln kehrte auf seine Züge zurück. "Laut Ratte muß ich
ja wohl mitkommen. Sonst werden wir nie erfahren, was seine Nachricht
bedeutet."
"Um so besser." Jean schob
die Pläne auf dem Bett zur Seite und ließ sich auf der Kante nieder. Michail
war von Minute zu Minute rätselhafter geworden, wodurch seine Neugier geweckt
worden war. Bevor sie weiterplanten, wollte er noch ein bißchen mehr über
seinen Gast wissen. "Wie kommt es eigentlich, daß die Ratte dich als Drache
bezeichnet?"
"Mein Vater war Ritter des
Drachenordens, daher unser Familienname: Dracul bedeutet Drache - aber auch
Teufel."
"Paßt auch, so wie du auf
Navarro losgegangen bist."
"Niemand nennt mich ein
Spielzeug!" entfuhr es Michail heftiger als erwartet, und Jean zuckte zurück.
Der Karpate fand, daß eine Erklärung angebracht war. "Ich hatte einst noch
einen zweiten Bruder, Radu. Der Sultan hat ihn zu seinem Lustknaben
gemacht
" Michail zog eine Grimasse. "Naja, und deshalb lehrte mich der
Woiwode, bei solchen Bemerkungen fest zuzuschlagen."
"Der Woiwode?"
"Vlad."
Jean sah Michail groß an, als
sein Verstand endlich ein paar Puzzleteile zusammensetzte. "Reden wir hier von
Vlad, dem Pfähler? Willst du mir etwa allen Ernstes sagen, du bist Draculas
Sohn?"
"Nein." Der Karpate grinste.
"Sein jüngerer Bruder."
Jean sprang auf und betrachtete
ihn zweifelnd. "Ich kann das nicht glauben."
"Warum nicht?"
"Dracula ist eine Legende. Ich
kenne niemanden, der ihn je wirklich getroffen hat. Obwohl seit dem Erscheinen
von Stokers Roman einige Vampire aufgetaucht sind, die behaupten, von ihm
abzustammen
" Jean verstummte, denn immerhin saß so einer direkt vor seiner
Nase. Und endlich fiel ihm auch ein, daß er den Namen Vladescu genau aus diesem
Zusammenhang her kannte.
"Nun, Vlad lebt ziemlich zurückgezogen,
und er war nicht sonderlich glücklich über den Roman. Und dank Miss Lucy hat
unsere Familie noch ein bißchen Zuwachs bekommen."
"Der Roman basiert also
wirklich auf Tatsachen?" fragte Jean immer noch skeptisch. Dracula war
eines der schwachsinnigsten und ödesten Bücher, die er je gelesen hatte, und
daß dies Realität gewesen sein soll, störte ihn irgendwie.
"Bis auf den Schluß."
"Wie ging es denn wirklich
aus?" Jean ließ sich auf der Lehne von Michails Sitzplatz nieder. So wenig
ihn der alte Dracula interessierte, sein kleiner Bruder war es bestimmt wert,
erforscht zu werden.
"Wir haben uns Elisabeta zurückgeholt
und Rache an den Jägern genommen", erklärte Michail fröhlich. Es war nicht
zu übersehen, daß dem anderen tausend Fragen auf der Zunge brannten, er sich
aber zusammenriß, um das nicht zu zeigen.
Jeans Blick fiel in den Spiegel,
in dem nur er zu sehen war, und von sich selbst fasziniert strich er ein paar
widerspenstige Haarsträhnen glatt. "Sag mal, ist es eigentlich nicht
kompliziert, so ohne Spiegelbild zu leben?"
"Nein, nicht sonderlich. Aber
ich muß mich ja auch nicht dauernd selbst bewundern."
"Behauptest du etwa, ich sei
eitel?" Jean schmollte zehn Sekunden lang, bevor er wieder grinste. "Na ja,
ich denke, du hast recht."
"Natürlich habe ich recht."
"Du bist aber auch überhaupt
nicht von dir eingenommen", behauptete Jean. "Wie alt bist du eigentlich?"
"Kannst du dir das nicht
ausrechnen?"
"Hm, ich spüre, daß du alt
bist, mindestens 500 Jahre." Er musterte den Karpaten prüfend und versank in
die Betrachtung der tiefdunklen Augen.
"552, um genau zu sein",
antwortete Michail weich. "Hoffentlich hast du nichts gegen einen älteren
Liebhaber."
Mit einem Satz war Jean auf den
Beinen und beim Computer, der genau in diesem Moment gepiept hatte. "Schon
wieder eine Mail", meldete er und setzte sich an den Schreibtisch.
Mit einem Seufzen ging Michail
zu ihm hinüber und spähte über seine Schulter. "Von wem?"
"Diesmal von Marcel. Die Ratte
stellt uns einen Führer durch die Kanäle zur Verfügung. Dadurch fallen einige
Probleme weg, denn meine Kanalkarten sind leider nie ganz aktuell."
"Panther", las Michail in
der Mail. "Damit bist du gemeint?"
"Paßt doch zu mir, oder?"
Jean sah ihn mit grünschillernden Augen an.
Der Karpate musterte ihn
nachdenklich. "Du hast tatsächlich etwas katzenhaftes an dir."
"Miau", machte Jean und warf
ihm einen übermütigen Blick zu.
"Schnurrst du auch schön,
wenn dich jemand streichelt?" Michail fuhr ihm durch das lange schwarze Haar.
"Laß das." Jean stand auf.
"Du zerzaust meine Frisur." Die Ausrede war nicht gerade intelligent, und
Vladescu schien das ebenfalls bemerkt zu haben, aber ihm war so schnell nichts
anderes eingefallen.
"Was ist eigentlich dein
Problem?" fragte Michail ein wenig verärgert. Dauernd flirtete der Franzose
mit ihm, aber sobald er darauf einging, zog sich der andere zurück. Was war nur
mit ihm los?
"Daß du eines werden könntest",
sagte Jean mit einem leichten Lächeln.
"Ach ja?"
"Die ständige Versuchung vor
meiner Nase ist schwer zu ignorieren, aber wenn wir Erfolg haben wollen, dann
kann ich keine Ablenkung gebrauchen."
"Und auf die platonische lenke
ich dich nicht ab?" Michail zog die Augenbrauen hoch.
"Ähm", machte Jean.
"solange ich nicht weiß, was ich verpasse, ist es nicht ganz so schwer,
darauf zu verzichten." Das war natürlich Unsinn, aber irgendwie wollte ihm
nichts Vernünftiges einfallen.
"Ich glaube dir kein Wort",
fegte Michail die Ausflüchte beiseite. Er packte Jean an den Armen und hielt
ihn fest. "Also, was hast du
" Er verstummte, als er die aufsteigende
Panik in den Katzenaugen bemerkte, und sofort ließ er den anderen los. Er wich
ein paar Schritte zurück. "Du hast Angst vor mir", erkannte er überrascht.
Jean atmete tief durch und sah
Michail nur schweigend an. Es hatte zwar keinen Sinn zu leugnen, daß er sich fürchtete,
aber zugeben wollte er es natürlich auch nicht.
"Okay, hör zu." Michail
streckte die offenen Hände zur Seite. "Du brauchst nicht zu befürchten, daß
ich dich zu irgend etwas zwinge, das du nicht willst." Seufzend ließ er sich
in einen Sessel fallen. "Als wir uns auf der Vernissage begegneten, hatte ich
bloß einen kleinen Flirt, maximal einen One-Day-Stand im Sinn - und du brauchst
auf keinen Fall zu befürchten, daß ich hier einziehe und in den nächsten paar
Jahrhunderten den eifersüchtigen Liebhaber spiele. Oder daß ich dich über die
Schulter werfe und auf meine Burg verschleppe. Glaubst du etwa, ich würde
irgend jemandem, egal ob Mann oder Frau, das gleiche Schicksal zufügen, das
meinem Bruder Radu widerfuhr?" Er stand auf und ging einen Schritt in Richtung
Tür. "So, und nun gehe ich schlafen. Oder soll ich bleiben?"
Jean schüttelte nur stumm den
Kopf, und so verließ ihn Michail. Im Gästezimmer angekommen warf sich der
Karpate auf das Bett und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. War er
wirklich so ein Kinderschreck - oder lag es an Jean? Wer wußte schon, was ihm
in der Vergangenheit passiert war, als Mensch oder junger Vampir
Andererseits
hatte Michail ja selbst dafür gesorgt, daß man ihm, dem Karpaten, mit gehörigem
Respekt begegnete. Nun, vermutlich war es eine Mischung aus beidem, die Jeans
Scheu verursachte.
Das Klingeln seines Handys riß
Michail aus seinem philosophischen Exkurs. Er schob seine tiefschürfenden
Gedanken beiseite und nahm den Anruf entgegen.
"Ich bins, Florine",
meldete sich die Französin. "Ich wollte fragen, wie es mit Ihren
Nachforschungen aussieht."
"Ganz gut. Wir werden morgen
nacht einem ehemaligen Hospital einen Besuch abstatten und sehen, was wir dort
finden."
"Dürfte ich Sie vielleicht
begleiten?"
Michail überlegte kurz. Bei
ihrem letzten Abenteuer in London hatte sich Florine als nützliche Begleiterin
erwiesen, andererseits konnte er nicht gleichzeitig auf sie und Jean aufpassen,
sollte es zu dem ernsthaften Kampf kommen, mit dem er inzwischen rechnen mußte.
"Nicht ins Hospital", beschied er ihr, "aber ich würde mich freuen, Sie
als Rückdeckung dabei zu haben. Für alle Fälle."
Sie verabredeten einen
Treffpunkt und eine Uhrzeit, beendeten das Gespräch, und Michail legte sich
schlafen. Morgen würde eine lange Nacht werden, und er fragte sich, was sie ihm
bringen mochte. Würde er tatsächlich sein Spiegelbild zurückerhalten? Und
auch seine Seele - oder nur ihre Reflexion? Und woher wußte der Herr über den
Pariser Untergrund soviel über das Maison du Soleil? Er hatte es beobachten
lassen, keine Frage. Aber warum?
Seufzend verschränkte er die
Arme hinter dem Kopf. Ihm fiel ein, daß der Souverain Souterrain immer über
alles informiert war, aber niemals selbst in die Ereignisse eingriff.
Wahrscheinlich überwachte die Ratte schon länger das Hospital und wollte jetzt
die Gelegenheit nutzen, um mehr über die Familie Dracul zu erfahren. Irgendwie
gefiel Michail die ganze Sache nicht, aber er wußte keinen anderen Ausweg;
entweder begleitete er Jean oder er würde nie herausfinden, was die Ratte wohl
schon wußte.
Wer suchet, der findet (2)
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