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Les premières nuits à Paris

(c) 1995 by Shavana & Stayka

Kapitel 1: L'Arrivée

Man schrieb Samstag, den 2. Januar 1982, etwa gegen 1 Uhr nachts.

Die Caravelle der Air France setzte auf dem neuen Großflughafen Charles-de-Gaulle im Nordosten von Paris auf, der etwa 30 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt war.

"Voilà. - Jetzt bist du in Frankreich", sagte Jean LeCartres auf Englisch zu seiner Begleiterin Anshara, als sie die Gangway hinabgingen. Der Franzose war ein ganz in schwarz gekleideter, hochgewachsener junger Mann Anfang zwanzig. Er sah auf die kleine Ägypterin herab, die ihm knapp bis zur Schulter reichte und sich neugierig umsah.

"Wow", machte sie andächtig. Bislang hatte sie die meiste Zeit ihres Unlebens in Karnak und Luxor sowie in den Vereinigten Staaten verbracht, und Europa war ihr weitestgehend fremd. In der letzten Woche hatte sie das falsche Flugzeug erwischt und war versehentlich in Frankfurt am Main gelandet, wo sie Jean kennengelernt hatte, der ihr nun seine Heimatstadt Paris zeigen wollte.

"Endlich daheim", meinte Jean zufrieden. Er hatte etwas über schulterlange, schwarze Haare und sah nachgerade phänomenal gut aus, was durch seine tief türkisfarbenen Augen noch verstärkt wurde.

Anshara sah zu ihm hoch und seufzte. 'Daheim'? Ihr Zuhause existierte seit über 3800 Jahren nicht mehr. Einst war sie eine Priesterin im Tempel der Ma'at in Karnak gewesen, bis ein Vampir - Kainskind, verbesserte sie sich gedanklich - ihr den Kuß ewigen Lebens gegeben hat. Und ewiger Dunkelheit und Verdammnis, fügte sie melancholisch hinzu.

"In spätestens zwei Stunden sind wir bei meinem Haus", eröffnete Jean, der seit dem Jahr 1658 zu den Untoten gehörte. "Holen wir unser Gepäck."

Sie gingen zur Gepäckausgabe, wo die Koffer der Air France-Maschine auf einem Laufband an den wartenden Passagieren vorbeizogen. Schließlich erschien auf ihr umfangreicher Koffersatz, den Jean mit einem fatalistischen Gesichtsausdruck einsammelte.

"Wer soll das bloß wieder schleppen?" fragte er rhetorisch und suchte nach einem Gepäckwagen.

"Du", erklärte Anshara und nahm einige kleinere Stücke. Sie war knapp 1.60m groß und zierlich, und Körperkraft zählte nicht gerade zu ihren herausragenden Eigenschaften. Sie warf Jean einen koketten Blick aus ihren bernsteinfarbenen Augen zu. Der brummelte etwas und packte die Koffer auf einen gerade eroberten Gepäckwagen, der anschließend reichlich überladen wirkte.

"Suchen wir uns ein Taxi", schlug er vor. "Am besten ein großes."

"Wie wäre es mit einem LKW?"

"Ich bezweifle, daß wir einen solchen hier am Taxistand vorfinden werden." Er schob den Gepäckwagen dorthin und lud mit Hilfe des Fahrers die Koffer in das Auto. Dummerweise stellte sich heraus, daß außer dem Gepäck nun nichts weiteres in den Wagen paßte. Jean zog eine Grimasse und gab dem Fahrer an, zu welcher Adresse er die Koffer bringen sollte. Seine Begleiterin und er würden mit einem weiteren Fahrzeug nachkommen.

"Ich hoffe, der liefert die Sachen auch ordentlich ab", sorgte sich Anshara.

"Doch", beruhigte Jean sie. "Ich habe die Taxe schließlich nur angezahlt." Er hielt ihr die Tür des nächsten Wagens auf.

"Merci", versuchte sie sich an dem einzigen französischen Wort, das sie bislang gelernt hatte und stieg ein. Jean grinste, kletterte ebenfalls in das Fahrzeug und gab dem Fahrer die Adresse. Dieser machte sich gleich darauf hinter dem anderen Taxi her.

Bald standen zwei Autos vor Jeans Behausung, einem edlen Gebäude in barockem Stil, das etwas zurückgesetzt in einem gepflegten Garten lag.

Jean half den Fahrern, das Gepäck auszuladen und zu seinem Haus zu bringen, ehe er die beiden Männer entlohnte und ihnen ein großzügiges Trinkgeld gab. Als die beiden Wagen weggefahren waren, öffnete er die Haustür und machte eine einladende Geste.

"Willkommen in meinem Heim", sagte er.

"Oh danke." Anshara trat in den Flur und sah sich um. "Hübsch hast du es hier."

"Danke", erwiderte er und transportierte die Koffer hinein. "Soll ich dir zuerst dein Zimmer zeigen, damit du dich etwas frisch machen kannst?"

"Das wäre lieb." Anshara nahm die zwei kleinsten Koffer von denen, die mit ihren Sachen gefüllt waren und folgte Jean, der sich ebenfalls einige Gepäckstücke aufgeladen hatte. Er führte sie hinauf in den ersten Stock und öffnete ihr die Tür. Das Zimmer war mit exquisiten antiken Möbeln eingerichtet, die alle aus einem goldschimmernden Holz bestanden und teilweise mit passendem Stoff bezogen waren.

"Das ist ja herrlich", rief sie aus. "Da passe ich ja richtig hinein!"

"Finde ich auch", meinte Jean und betrachtete die hübsche junge Frau, deren helle Haut einen leichten Goldschimmer aufwies, und die wie meist goldenes Make-Up trug, das perfekt zu ihrem ockerfarbenen Hosenanzug paßte.

"Ich finde es erstaunlich, daß du deine Einrichtung nicht auch in Schwarz gehalten hast wie deine ganze Kleidung."

"Du hast ja bis jetzt nur ein Zimmer gesehen."

"Oh. Ist der Rest etwa schwarz?"

"Nein", meinte Jean vergnügt. "Nur ein Zimmer. Jedes hat eine andere Farbe. Bei diesem hier habe ich an meine Mutter gedacht; sie liebte diese Farben." Er stellte die Koffer neben das Bett. "Das Bad ist dort." Er wies auf eine schmale Tür.

"Ist da auch ein Ankleidespiegel?" Hier in dem Raum vermißte Anshara ein solches Utensil.

"Nein, aber hier." Er öffnete einen Schrank, dessen Türen von innen verspiegelt waren.

"Praktisch. Hier gefällt es mir", verkündete sie. "Da fällt mir ein - wie sieht es mit den Fenstern aus? Hast du lichtdichte Vorhänge?"

"Nein, aber etwas besseres. Hier sind die Schalter für die Rolläden." Jean zog die Vorhänge beiseite und gab den Blick auf die innen liegenden Rolläden frei. "Da die Fenster von außen verspiegelt sind, sieht man nicht, wenn der Lichtschutz tagsüber heruntergelassen ist."

"Du hast offenbar an alles gedacht", stellte Anshara bewundernd fest.

"Hier gibt es viele, die mir mit Rat zur Seite standen. In Paris leben sehr viele Kainskinder, und einige davon entwerfen Häuser."

"Prima. Sag mal, gibt es hier auch Parties?"

"Fast jede Nacht."

"Ich glaube, hier werde ich mich rasch eingewöhnen." Sie strahlte ihn begeistert an.

"Das würde mir gefallen. Ich suche schon länger jemanden, der La Chambre du Soleil - das Sonnenzimmer - bewohnen könnte."

"Jetzt hast du ja jemanden gefunden. Weißt du eigentlich, daß mein Name auch etwas mit 'Sonne' zu tun hat? Eigentlich heiße ich ja Anch-Ra, aber der Typ, der mir meinen Ausweis gefälscht hat, hat das wohl nicht richtig verstanden und mich Anshara geschrieben..."

"Wo ist da der Unterschied?"

"Hm. Moment. Hast du etwas zu schreiben?" Sie nahm einen Stift und einen Zettel von ihm entgegen und malte die Versionen auf, eine in Buchstaben, die andere in Hieroglyphen. "So. Anch-Ra heißt übrigens soviel wie Ra - also die Sonne - ist das Leben..."

"Paßt doch hervorragend."

"Seit einigen Jahren nicht mehr", seufzte sie.

"Also, ich finde, du strahlst immer noch."

"Vielleicht bin ich ja als Kainskind ein wenig fehlgeschlagen."

"Du bist jedenfalls das einzige, das ich kenne, das in dieses Zimmer paßt", erklärte Jean. "Allerdings bin ich auch ziemlich wählerisch, was meine Gäste betrifft."

"Dann muß ich dir ja danken, daß du mich als würdig empfindest, hier mein Domizil aufzuschlagen." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, ihm einen Kuß auf die Wange zu geben, was aber leider infolge des Größenunterschieds scheiterte. Jean sah auf sie herab.

"Was hast du vor?"

"Eigentlich wollte ich dir einen Kuß geben", seufzte sie und sah tragisch zu ihm hinauf.

"Sag das doch." Er hob sie hoch und stellte sie auf das Bett, und nun gelang es Anshara, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. "Du solltest immer einen Schemel bereit halten", kommentierte er belustigt.

"Oder eine Trittleiter", ergänzte sie, und er lachte.

"Oder du könntest dir jemanden suchen, der besser zu dir paßt."

"Ach nee, du bist schon okay", winkte sie ab. Jean grinste.

"Trotz meiner offensichtlichen Fehler?"

"Ja." Sie musterte ihn von unten bis oben. "Immerhin sind die zusätzlichen Zentimeter nicht überflüssig, sondern ausnehmend gut gebaut." Sie schlang die Arme um ihn, und er sah sie an.

"Ich finde, du paßt hervorragend in dieses Haus", äußerte er, und Anshara strahlte ihn an wie die Sonne, die ihren Namen zierte. "So, ich lasse dich nun besser allein, damit du dich erst einmal häuslich einrichten kannst. Wenn ich noch etwas von deinen Sachen in den anderen Koffern finde, bringe ich es dir vorbei. Jetzt muß ich erst einmal nachsehen, wie es um das Haus bestellt ist."

"In Ordnung." Sie begann, die Koffer auszupacken und den Inhalt in den Schränken zu verstauen.

Jean machte sich auf den Weg, das Haus zu überprüfen; er war schließlich fast drei Monate nicht mehr hier gewesen. Vorgestern hatte er zwar seinen Hausdiener Marc angerufen, damit dieser das Haus in einen bewohnbaren Zustand bringen sollte, aber nachschauen war allemal besser. Vor allem wollte er wissen, ob Marc auch frisches Blut vom Lieferservice für Kainskinder geordert hatte, denn er hatte keine Lust, schon in der ersten Nacht auf die Jagd gehen zu müssen.

* * *

Nach knapp einer Stunde brachte Jean Anshara die restlichen Kleidungsstücke, die sich zwischen seinen versteckt hatten und legte sie auf das Bett.

"Hier hast du noch etwas zum Einräumen."

"Ah, danke!" Sie stürzte sich prompt auf den neuerlichen Berg und sichtete und faltete alles sorgfältig. Einiges flog gleich in die Ecke; es handelte sich um die Sachen, die unbedingt einer Reinigung bedurften.

Jean schaute ihr fasziniert dabei zu. Er fand es zu interessant, wie jemand eigenhändig seine Sachen aufräumte. Das war wirklich bewundernswert.

"Da hinten ist eine Kiste für die schmutzige Wäsche", erklärte er und deutete auf einen goldbraunen, geflochtenen Wäschekorb.

"Prima." Anshara stopfte den Haufen aus der Ecke in den Korb, ehe sie den Deckel zuklappte und das darauf gehörende Deckchen wieder an seinen Platz rückte.

Sie musterte die nunmehr in ihren Schränken befindlichen Kleidungsstücke und seufzte.

"Ich brauche unbedingt noch ein paar Sachen", erklärte sie. "Es wäre toll, wenn wir demnächst einmal einkaufen gehen könnten."

"Machen wir auf jeden Fall."

"Hm. Und wir müssen irgendwie meine Sarkophage und den restlichen Kram aus Karnak holen."

"Ich werde mich darum kümmern", versprach Jean. "Es kann aber etwas dauern, da alles per Schiff hergebracht werden muß."

"Hauptsache, der Zoll findet das Zeug nicht - es handelt sich bei den restlichen Grabbeigaben von Nefer-Arishi schließlich um wertvolle Kunstschätze, und ich bezweifle, daß die ägyptischen Behörden akzeptieren würden, daß die mir gehören." Dabei war das doch nur ausgleichende Gerechtigkeit dafür, daß der Hohepriester Menekhat sie 3809 Jahre in dem Sarkophag hatte schmoren lassen, fand Anshara.

"Wir werden das schon arrangieren", beruhigte Jean sie.

"Gut. Aber erst muß ich jetzt noch etwas einkaufen. Ich habe doch fast gar nichts anzuziehen!" Ihre Sachen lagen schließlich größtenteils in ihrem Kleidersarkophag in der Grabhöhle bei Karnak.

"Ich hoffe, der Schrank reicht."

"Ja, ich brauche doch aber unbedingt etwas neues, wenn ich hier zu einer Party gehen will. Vor allem, wo die Pariser Mode so weltberühmt ist..."

"Chacun son goût. - Das ist wohl Geschmackssache", gab Jean zurück. "Manches ist mir definitiv zu modisch. Aber auf jeden Fall gibt es hier viele ausgefallene Boutiquen."

"Prima. Da muß ich überall hin."

Jean lachte. "Wir haben doch Zeit." Er sah zum Fenster hinaus in die Dunkelheit. "Und was möchtest du jetzt tun?"

"Wann wird es denn wieder hell?"

"In etwa vier Stunden."

"Dann lohnt es sich kaum noch auszugehen. Wie wäre es, wenn du mir erst einmal dein Haus zeigst? Und außerdem hätte ich nichts gegen einen kleinen Snack einzuwenden."

"Ich habe einen exquisiten Kellerbestand." Marc hatte wie stets all seine Lieblingssorten beschafft, und vor allem war alles absolut frisch.

"Grandios! Ganz wie ich es erhofft habe."

"Ich weiß, was ich meinen Gästen schuldig bin. - So, und jetzt laß mich dich herumführen. Suis-moi! Hier entlang." Jean hielt ihr die Tür auf.

"Danke - äh, merci", fand sie eine neuerliche Anwendung für ihr ganzes Wissen an Französisch.

"S'il te plaît", meinte Jean belustigt. "Bitte sehr. Hier in der ersten Etage sind hauptsächlich die diversen Schlaf- und Gästezimmer untergebracht, welche alle unterschiedliche Farben haben. Dies hier ist La Chambre de la Mer, das Meereszimmer", sagte er und öffnete die Tür zu einem Raum, der ganz in dunklem Holz und leuchtend dunkelblauen Stoffen gehalten war.

"Hübsch", kommentierte Anshara. Sie gingen weiter.

"Hier siehst du La Chambre de la Forêt, das Waldzimmer", erklärte er und gab den Blick auf einen Raum frei, der in Mahagoni und Smaragdgrün eingerichtet war.

"Toll!" Sie wanderten durch die diversen anderen Räumlichkeiten, die allesamt elegant und geschmackvoll dekoriert waren. "Und was ist auf den anderen Etagen?"

"Unten befinden sich zwei Salons und ein Lesezimmer sowie der Speiseraum und die Küche. Im Keller sind hauptsächlich Sachen gelagert, ebenso wie auf dem Dachboden."

"Hast du auch eine Bibliothek?"

"Im Lesezimmer gibt es einige Bücher. Die meisten sind natürlich in Französisch, aber es sind auch einige englische darunter."

"Hm. Hast du auch ein Französischlehrbuch für englisch- oder arabischsprachige Schüler?"

"Ich nicht, aber ich bin sicher, da läßt sich etwas organisieren."

"Das wäre praktisch."

"Ich werde mal nachfragen."

"Merci", strahlte sie.

"Ich glaube, ich sollte dir wenigstens ein zweites Wort beibringen. Laß mich überlegen... Wie wäre es mit oui? Das heißt ja."

"Ah, oui", machte Anshara prompt.

"Jetzt kannst du wenigstens zu allem ja sagen."

"Hm. Nur zur Sicherheit - was heißt nein?"

"Das erfährst du morgen." Jean betrachtete sie amüsiert. "Ich glaube, langsam habe ich Hunger."

"Ich auch." Sie musterte mal wieder seinen - wie sie fand - überaus appetitlichen Hals. Jean gab ihren Blick ebenso zurück. "Aber du erwähntest ja deinen gut bestückten Getränkekeller..."

"En effet", stimmte Jean gedankenverloren zu. "In der Tat."

"Sonst werde ich dich nämlich gleich mit Haut und Haaren auffuttern..."

"Kannst du gerne tun", meinte er grinsend.

"Huch! Aber dann bleibt von dir ja gar nichts mehr übrig..."

"Dann hättest du jedenfalls das Haus für dich allein."

"Ooch, weißt du, eigentlich gefällt mit der Inhalt ja..."

"Die Möbel?"

"Eher das unlebende Inventar."

"Das hast du noch gar nicht gesehen."

"Ich dachte dabei an dich." Sie runzelte die Stirn. "Äh, wer unlebt denn noch hier?"

"Niemand von besonderer Bedeutung. Nur ein paar Dienstboten."

"Männlich oder weiblich, lebendig oder nicht?"

"Drei weiblich, einer männlich."

"Hübsch?"

"Selbstverständlich."

"Hm. Ich hätte gerne auch einen oder zwei hübsche Herren als Dienstboten", überlegte sie.

"Dann schaff dir doch welche an. Aber du mußt dich alleine um sie kümmern. Solange sie mich nicht nerven, können sie auch hier unterkommen."

"Keine Sorge, ich sperre sie in einen Schrank, so lange ich sie nicht brauche. - Aber wie kriege ich die dazu, mir zu gehorchen?"

"Am besten, indem du sie zu Ghoulen machst. Das heißt, du mußt sie dein Blut trinken lassen."

"Oh." Anshara guckte fasziniert. "Und die tun so etwas freiwillig? Als ich noch ein Mensch war, hätte ich den Gedanken, Blut zu trinken, total widerlich gefunden."

Jean lachte. "Jetzt aber nicht mehr, hm?"

"Nein, jetzt nicht mehr. Sonst hätte ich vermutlich auch ein Problem."

"Stimmt. - Allerdings brauchst du die Erlaubnis des Prinzen, um einen Ghoul zu schaffen", erklärte er. "Und die bekommt man nicht so einfach."

"Und wie hast du sie erlangt?"

"Ich habe so lange genörgelt, bis er sie mir erteilte. Aber ich habe ja auch nur einen Ghoul. Die anderen sind ganz normale Menschen, die keine Ahnung haben, was ich bin. Für's Saubermachen und Wäsche wegbringen etc. reichen die aus."

"Ach so. Hm. Ich hatte bislang noch keine Diener", sinnerte Anshara.

"Ich putze doch nicht selbst", erklärte Jean. "Dienstboten sind sehr praktisch. Vor allem, wenn man so unordentlich ist wie ich. Ich kann alles herumliegen lassen, es wird schon weggeräumt." Er bot ihr seinen Arm an. "Darf ich dich nun ins Gewölbe führen, wo ich meine erlesenen Getränke lagere?"

"Natürlich darfst du."

Sie gingen in den Keller herab. "Was darf es denn sein?" fragte er.

"Hast du etwas leckeres Süßes da?"

"Bien sûr. - Aber sicher." Jean suchte eine Flasche aus den Regalen. "Da vorne in dem Schrank sind die Gläser."

Anshara nahm zwei heraus und reichte ihm eines, nachdem er die Flasche geöffnet hatte. Er schenkte ein, und sie schnupperte an der tiefroten Flüssigkeit.

"Riecht nach mehr." Sie nippte daran. "Schmeckt auch so."

"Ich habe davon jede Menge. Wenn ich da bin, wird es täglich vom Lieferdienst gebracht, Marc kümmert sich darum."

"Es gibt extra einen Lieferdienst für Blut? Wie praktisch! Und Marc, das ist wohl dein Ghoul?"

"Richtig."

"Mh, wie heißt diese Marke denn? Die ist echt lecker."

"Das ist Lundi, meine Lieblingssorte aus der Collection de la Semaine."

"Muß ich mir merken. Gibt es noch mehr in der Richtung?"

"Naturellement.."

"Hier gefällt es mir immer besser." Sie leerte ihr Glas und hielt es ihm zum Auffüllen hin. Er schenkte ihr nach. Schließlich war die Flasche leer.

"Noch mehr?"

"Nein danke, ich bin rundum satt."

"Und jetzt? Ab in die Heia?"

"Ja, langsam bin ich doch ein wenig müde."

"Schaffst du es noch bis oben?" erkundigte sich Jean amüsiert.

"Wie weit ist es? Zwei Treppen?" Sie guckte zweifelnd. "Kannst du mich tragen?"

"Will ich dich tragen?" fragte er zurück.

"Oui!"

"Ich hätte dir doch das Wort für nein beibringen sollen", seufzte er.

"Oui", grinste sie.

"Ausnahmsweise, weil es heute deine erste Nacht unter meinem Dach ist", meinte er und hob sie hoch. Sie schlang ihm die Arme um den Hals und himmelte ihn an. "Falls ich nicht unterwegs zusammenbreche, heißt das..." Er machte sich also an den Aufstieg.

"Oooch Jean, ich bin doch ganz leicht", beruhigte Anshara ihn. Tatsächlich brachte sie kaum 45 kg auf die Waage, was sich aber bei zwei Stockwerken dennoch bemerkbar machte. Endlich war Jean oben und legte sie auf ihrem Bett ab. Sie zog ihn zu sich herab.

"Merci..."

"Ich dachte, du bist müde?"

"Sicher, aber ich hätte gerne eine Zudecke."

"Dafür bin ich doch zu schmal."

"Hm, dann muß ich dich wohl auf die Hälfte falten..."

"So?" machte Jean vergnügt. "Ich glaube, eine richtige Decke wäre wesentlich praktischer."

"Hm. Vermutlich. Auf jeden Fall wäre sie leichter." Sie gab ihm einen Kuß, und er drohte wieder, in ihren Bernsteinaugen zu versinken.

"Et après?" wollte er wissen. "Und nun?"

"Was immer du möchtest..."

"Was möchte ich denn?"

"Bei mir bleiben?" schlug sie vor.

"Dem wäre ich nicht abgeneigt. Aber so ist es etwas unbequem."

"Du kannst dich ja hinlegen."

Jean stieg aus seinen Stiefeln und ließ sich auf das Bett fallen. Anshara kuschelte sich an ihn; er war zwar nicht warm, aber knuffig. Jean brummte zufrieden. Er war froh, wieder zu Hause zu sein, und diesmal sogar mit netter Gesellschaft. Diese strahlte wieder einmal vor sich hin, und als er vergnügt durch ihre Haare wuschelte, begann sie prompt zu schnurren.

"Sowas Kuscheliges wie du hat mir hier noch gefehlt", stellte er fest, und sie gluckste auf, ehe sie ihn erstaunt ansah.

"Du hast in der ganzen Zeit nichts passendes gefunden?"

"Das ist gar nicht so einfach", machte er sie aufmerksam. "Wer will schon mit mir kuscheln?"

"Du bist doch so süß - wer will nicht?"

"Die meisten haben irgendwelche Hintergedanken", seufzte er, und Anshara schmiegte sich an ihn, um ihn zu trösten. Er fand das sehr nett und lächelte. "Du bist auch sehr süß."

"Ich bemühe mich." Sie gab ihm einen Kuß. "Aber du bist auch immer lieb zu mir, ja?"

"Bien sûr." Jean knabberte an ihr herum, und sie kicherte amüsiert.

"Oui! Oui!"

"Tse", machte Jean. "Heißt das, du willst mehr?"

"Oh, oui!"

"Ah, tu es vraiment jolie." Er sah Anshara tief in die Augen. "Hm. Mir scheint, du bist immun gegen meine Versuche, dich zu beeinflussen."

"Wieso? Wolltest du mich denn beeinflussen? Und in welche Richtung?"

"Ich wollte nur wissen, ob ich dich hypnotisieren kann."

"Kannst du denn andere Leute hypnotisieren?"

"Manchmal."

"Wovon hängt das ab?"

"Ob sich derjenige beeinflussen läßt."

"Hm." Sie runzelte die Stirn, und Jean betrachtete sie ausgiebig. "Also, irgendwie werde ich jetzt doch langsam müde..."

"Dann schlaf."

Sie schloß die Augen und rollte sich zusammen. Jean deckte sie zu.

"Merci", murmelte sie. "Und guten Tag."

"Bonjour, ma belle", sagte er leise.

Als Anshara in tiefem Schlummer versunken war, steckte Jean die Decke um sie fest und begab sich in sein Schlafzimmer.

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