SvB #8: Unternehmen Shanjir I©1990 by Shavana & Stayka
3763/01/41 GZ Alycia Cherylla Blade erwachte von einem zärtlichen Kuß. Sie schlug die Augen auf und erspähte Sir Cayvyn, ihren Lebensgefährten, der sich - bereits wieder in eine seiner prunkvollen Gewandungen gehüllt (diesmal in kupfer, weiß und violett, den traditionellen Farben des Herzogtums von Süd-Ayryana) - über sie beugte. "Ich wünsche Euch einen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mylady Alycia", meinte er hoheitsvoll und dirigierte ein Schwebetablett heran, auf dem allerlei Leckereien und vor allem eine monumentale Kaffeekanne aufgebaut waren. "Danke, Cay..." Acy richtete sich auf und verwuschelte erst einmal wieder seine Frisur, die sie wie stets viel zu ordentlich fand. Es stand Cayvyn entschieden besser, wenn sein herrlich kupferrotgoldener Schopf nicht so perfekt gekämmt aussah, aber er bestand ja darauf, daß es nicht mit seinem Image als Erbe des Herzogtums von Süd-Ayryana zu vereinbaren war, wenn er sein Outfit vernachlässigte. Er setzte sich zu Alycia auf die Bettkante und strich ihr eine widerspenstige weißblonde Haarsträhne aus dem Gesicht, woraufhin sie ihn liebevoll anlächelte. "Tsayée, Geburtstag..." Acy seufzte und räkelte sich. "Das heißt, ich bin schon wieder ein Jahr älter geworden..." "Das bleibt an einem Geburtstag schwerlich aus", bemerkte Cayvyn belustigt. "Ich habe soeben beschlossen, daß ich heute wieder meinen dreißigsten Geburtstag feiere", verkündete Alycia und griff nach ihrer neongelben Perücke, die auf der Ablage am Kopfende des monumentalen, neonblau bezogenen Bettes lag. Bestimmt würden in Bälde wieder ungezählte Leute anrufen, um ihr zu gratulieren, und denen konnte sie doch schwerlich in 'Zivil' gegenübertreten... Cayvyn schüttelte amüsiert den Kopf, als er Acys Kampf mit dem ellenlangen Neonmop beobachtete. Endlich saß das Teil halbwegs gerade, auch wenn es reichlich struppig wirkte. Nun noch die neonblauen Kontaktlinsen - fertig. Geschafft kippte Alycia einen großen Becher Kaffee herunter. "Wie kannst du deinen 30. Geburtstag feiern, wenn du doch heute 31 wirst?" erkundigte sich Cayvyn neugierig. "Scht! Bei einer Dame nennt ein Gentleman kein Alter, wenn sie nicht mehr zwanzig ist..." "Aber was ist daran schlimm? Du bist doch ziemlich gut erhalten für deine 31..." Genau mit dem Ende des Satzes erwischte ihn ein von Alycia geworfenes Kopfkissen. "Paß bloß auf, Cay, sonst verrate ich den Leuten, wie alt du wirklich bist!" Lachend befreite Cayvyn sich von dem Wurfgeschoß und kletterte zu ihr in die Federn, um sie unter sich zu begraben und ausgiebig zu küssen. "Das würde dir ohnehin niemand glauben", meinte er grinsend, während Acy noch um Atem rang. "Bleib lieber bei meinen 28 Jahren..." "Aber du verrätst auch niemandem, daß ich schon 31 bin!" Sie sah ihn treuherzig an. "Wenn du meinst... - Ach, bevor ich es vergesse..." Cayvyn erhob sich wieder, machte eine stilvolle Verbeugung und drückte Alycia drei Codekarten und einen umfangreichen Satz Folien in die Hand. "Dein Geburtstagsgeschenk, Lisha." "Hm?" Acy begutachtete die Papiere. Es waren TKD-Zulassung, Eignerpapiere und technische Manuals eines Raumgleiters. (TKD - Technischer Kontroll-Dienst, FGS-weite Organisation, die unter anderem die Flugtauglichkeit von Gleitern und auch sonstiges technisches Gerät überprüft.) "Oh!" Alycia sprang auf und schlang Cayvyn die Arme um den Hals, um ihn hingebungsvoll zu küssen. "Danke, Cay! - Wo steht die Kiste? Ich muß sie mir sofort ansehen..." Sie hüpfte vom Bett. "Jee - eine CC-Raumyacht..." (CC - Comtesse Chambleau, Gleiterfirma, die zu Blade Enterprises gehört; produziert absolute Nobel-Karossen (nur Einzelanfertigungen.) "Sie ist im Hangar 3", sagte Cayvyn und hob fasziniert eine Augenbraue, als Acy, nur mit ihrem wallenden Neonmop bekleidet, zur Schlafzimmertür hinausstürmte. Naja, zum Glück war hier in der Villa Alycia die Gefahr relativ gering, daß sie als öffentliches Ärgernis auffiel. (Alycias Orbital-Villa, die sie von ihrem Vater Jeremy Blade geerbt und im Jahr 3753GZ bezogen hat. Die Villa kreist in geostationärem Orbit in 39074 km Höhe um Suune III/Tarishaan und verfügt über ein TM-Tor, daß zu ihrem Garten auf Tarishaan herausführt. Sie ist ein neonblauer Oktaeder mit granatfarbenen Verzierungen, 300m lang und in der Mitte maximal 282m breit (d.h. Basis-Seitenlänge der beiden Pyramiden, aus denen sie zusammengesetzt ist: 200m). Nebst Alycia wohnen dort nur drei Personen: Sir Cayvyn, Shentay und Myriella, wobei Cayvyn Acys Lebensgefährte ist, während Shentay und Myriella als Butler und Dienstmädchen fungieren.) Etwa zehn Minuten später kam Alycia stirnrunzelnd zurück. "Ist was?" erkundigte sich Cayvyn scheinheilig. "Sie heißt Starfire!" meinte sie anklagend. "Das war Absicht!" Seit ihrem unglückseligen Techtelmechtel mit Alan Dale, dem neuen Firestar (für das sie sich immer noch ohrfeigen könnte), beliebte Cayvyn, sie permanent zu ärgern. Gut, die Starfire war ein wunderschönes Schiff - 23m lang, kupferfarben und innen in türkis eingerichtet - aber daß in großen, verschnörkelten Lettern 'Starfire' am Bug unter der türkis/violett schillernden Direktsichtscheibe aufgemalt war... Cayvyn sah aus wie die Unschuld persönlich. Er wurde glücklicherweise einer Äußerung enthoben, da plötzlich das Viphon summte. "Ja?" Alycia blickte etwas unwirsch in die Aufnahmekamera. Starfire! "Guten Morgen, Acy", wurde sie von ihrer Schwester begrüßt, die ein ziemlich belustigtes Grinsen aufgesetzt hatte. "Herzliche Glückwünsche zum Geburtstag!" "Oh! Äh! - Danke..." Siedendheiß fiel es Alycia ein, daß sie sich vielleicht etwas überziehen sollte. Sie fischte ein neontürkisfarbenes Federteil aus dem äußersten linken Kleiderhaufen und wickelte sich hinein. Wer wußte, wer sonst noch bei Nad herumhing... Diese schüttelte amüsiert den Kopf. "Na, welchen Geburtstag feierst du heute?" "Ähm... Äh... - Dreißig!" Sie guckte schelmisch zu Nardia herüber. "Hm", machte diese, enthielt sich aber eines Kommentars. "Ich soll dir übrigens etwas bestellen - von Firestar..." "Von Firestar?" fragte Alycia mißtrauisch. Ob der etwa auch etwas mit Cayvyns Geschenk zu tun hatte? Sie legte die Stirn in tiefe Falten und bedachte ihren herzallerliebsten Lebensgefährten mit einem nachdenklichen Blick. "Er läßt dir mitteilen, daß er sein Versprechen nicht vergessen hat und daß das Geschenk in deinem Garten steht." "Hm." Alycia hob die Augenbrauen. "Moment, ich gucke mal nach - bin gleich wieder zurück!" Sie stürmte zum TM-Tor und transmittierte in den Garten der Villa Alycia hinunter. Cayvyn und Nardia sahen ihr kopfschüttelnd nach, bevor sie dezente Konversation betrieben, um den Zeitraum bis zu Acys Wiedererscheinen zu überbrücken. Als Alycia aus dem Transmit-Feld trat, bemerkte sie mit Erstaunen, daß ihr Garten nun um a) einen mittleren, grünbewachsenen Hügel, der mit einer dekorativen, seiner Größe angemessenen roten Schleife verziert war und b) ein monumentales (ca. 300m Kantenlänge) Geschenkpaket bereichert worden war. Der Riesenkarton war silbern und mit einem schwarzen Blitz verziert, Blackfires Wahrzeichen. Da Acy ihn selber dorthin plaziert hatte, war er vorerst nicht weiter interessant, immerhin wußte sie ja, was er beinhaltete. Der hübsch verpackte Hügel jedoch... Sie ging zu der gewaltigen Karte, die daran hing.
Das war das einmaligste und schönste Geschenk, das ich auftreiben konnte. Ich hoffe, es gefällt Euch. Folgt den neonblauen Pfeilen! - Firestar Neonblaue Pfeile? Alycia sah sich neugierig um. Ah! Da war der erste... Sie wanderte um den kleinen Berg herum, bis sie endlich in einer Höhle landete. Dort ging es einen kurzen Tunnel entlang, und dann stand sie in einer schimmernden Kristallgrotte, die dezent beleuchtet war. "Wow!" dachte Acy, als sie die atemberaubend glitzernden Stalagmiten und Stalaktiten bewunderte. Das einzige, was irgendwie störte, war, daß soviel Berg außen drumherum sein mußte, vor allem, wo sie sich selbst doch bereits eine kleine Landschaftskorrektur ihres Gartens geschenkt hatte... Aber naja, wenn sie ordentlich Blumen und Ähnliches darauf pflanzen ließ, würde der Kristallhügel auch von außen ein ansprechendes Bild liefern. Staunend wanderte Alycia durch die Kristallhöhle und war angenehm überrascht davon, daß Firestars Geschenk nicht irgendein Gag war, mit dem er sie wieder nur aufziehen wollte. Mitten in der Höhle entdeckte sie schließlich einen Karton von etwa einem Meter Länge und jeweils 20cm Höhe und Tiefe, der ebenso wie der Hügel mit einer roten Schleife verziert war. Sie befreite das Paket von seiner Umhüllung, und eine antike Holzschatulle kam zum Vorschein. Holz! Alycia staunte. Heutzutage verwandte doch niemand mehr Holz für Verpackungen! Dazu war es viel zu wertvoll. Vorsichtig öffnete sie den Kasten - und hielt ehrfürchtig den Atem an: Sorgfältig verpackt glitzerte ihr eine durchsichtige dunnlornische Kristallrose entgegen. Diese Blumen waren eine Spezialität des Planeten Iridaan VII/Dunnlorn und durften unter gar keinen Umständen ausgeführt werden. Aus diesem Grund waren sie in der FGS (Freie Galaktische Sternenrepublik) legal überhaupt nicht erhältlich und über dunkle Kanäle im Prinzip nicht erschwinglich. Neben der Kristallrose lagen außerdem ein Brief und ein kleines Kästchen. Nachdem Alycia die Blume ausgiebig bewundert hatte, öffnete sie das Kuvert.
diese Rose hat mir Deine Mutter einmal verehrt, und nun möchte ich sie Dir schenken. Ich habe Alan gebeten, sie Dir zu einem geeigneten Zeitpunkt zu überreichen. Ich weiß nicht, was ich Dir sonst noch sagen soll. Die Blume soll Dir Glück bringen, und vielleicht hast Du auch noch Verwendung für die Fotos. - Firestar Alycia las den Brief noch einmal. Dieser Firestar also! Sie hob das Kästchen auf, das neben der Kristallrose gelegen hatte und sah hinein. Darin befanden sich etwa zwei Dutzend Photos, die ihre Mutter, Marycia Enylla Khyshisall, und Tyron Firestar Star zeigten. 'Warum hat Marycia mir nur nie etwas davon gesagt?' dachte Acy traurig. Ihre Mutter hatte sich beharrlich über ihren Vater ausgeschwiegen und ihr gesagt, sie würde es erfahren, wenn sie alt genug wäre. Aber dann kam alles anders, und Marycia hatte sich das Leben genommen, bevor sie das Geheimnis lüften konnte. Und hätte nicht Firestar - Tyron Star - ihr in den Speicherkristallen, die er ihr nach seinem Tod vermacht hatte, die ganze Geschichte erzählt, hätte sie jetzt noch keine Ahnung, daß sie seine Tochter war! Auf den Bildern sah Marycia noch schöner aus, als sie sie in Erinnerung hatte... Abrupt legte Alycia die Photos zu der Rose und dem Brief in die Holzschatulle zurück und verschloß diese wieder sorgfältig, bevor sie mit der Schachtel zur Villa Alycia zurückkehrte. "Hast du gewußt, was er mir geschenkt hat?" erkundigte sie sich bei ihrer Schwester, die sich immer noch mit Sir Cayvyn unterhielt. "Nein! - Was hat er dir denn geschenkt?" wollte diese neugierig wissen. "Das!" Alycia packte die Rose vorsichtig aus. "Meine Mutter hatte sie ihm einmal gegeben..." "Wem?" fragte Nardia irritiert. "Firestar!" "Also, was hatte denn deine Mutter mit ihm zu tun?" Nad zog die Stirn in verwirrte Falten, und Alycia konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Naja, meine Mutter wäre schwerlich meine Mutter geworden, wenn sie nichts mit ihm zu tun gehabt hätte..." "Mir geht ein Licht auf! - Aber ich dachte, das Geschenk wäre von Alan?!" "Alan hat es mir im Auftrag von Tyron Star übergeben." "Aha! - Diese Blume ist wundervoll!" "Finde ich auch. Und ich habe einige alte Photos bekommen." Acy wühlte die Bilder aus der zugehörigen Schachtel und hielt sie vor die Bilderfassung. Nardia betrachtete die Fotos nachdenklich, wobei sich ihre Miene merklich verdüsterte. Das erinnerte sie bloß wieder an ihre Mutter. "Was hast du?" Alycia war Nads Stimmungswandel nicht entgangen. "Nichts, ist schon gut." Nardia lächelte etwas gezwungen. Ihre Halbschwester hob irritiert eine Augenbraue, ehe sie die Photos wieder wegpackte. Sie setzte ein etwas schiefes Grinsen auf. "Außerdem habe ich da unten noch ein Geschenk stehen, aber ich bin noch nicht dazu gekommen, es auszupacken", meinte sie dann. Aber am besten sollte sie damit bis zur Party warten, dann dürfte der Effekt besser wirken. "Ja?" meinte Nardia, froh darüber, daß Acy das Thema gewechselt hatte. "Dann packe es schnell aus. Ich werde es mir heute nachmittag ansehen. Bis dann!" Der Bildschirm wurde dunkel, und Alycia sah an sich herunter. "Ich glaube, ich sollte mich auch langsam fertig machen", kommentierte sie ihr Outfit. Cayvyn nickte belustigt und zupfte an ihrem Federumhang herum, bis dieser sich gen Boden verflüchtigte. "Hey!" entrüstete sich Acy und baute sich vor ihrem Lebensgefährten auf. Cay kümmerte sich nicht im Mindesten um ihre Drohgebärde sondern nahm sie zärtlich in die Arme und küßte sie. "Mmmh", seufzte Alycia und kuschelte sich an ihn. "Was soll ich denn mal zur Party anziehen?" fragte sie nach einiger Zeit. Ohne eine Antwort abzuwarten, löste sie sich sanft von Cayvyn und wühlte in den Kleiderhaufen herum. Endlich fand sie, was sie suchte und verschwand triumphierend im Bad. Als Alycia wieder zum Vorschein kam, trug sie eine Kombination aus hohen, kupferfarbenen Stiefeln zu neonvioletten, engen Hosen und einem weiten, weißleuchtenden Oberteil. Um das Outfit zu komplettieren, hatte sie ihre neongelbe gegen eine neonviolette Perücke ausgetauscht, die ebenso wie die andere bis zu den Hüften reichte. In wenigen Minuten müßte der Partyservice in ihrem Garten eintreffen und den ganzen Krempel aufbauen, überlegte sie. Sie warf Cayvyn einen glutvollen Blick zu, bevor sie durch das TM-Tor schritt, um unten nach dem Rechten zu sehen. Cay würde bestimmt nachkommen, sobald er seinen laufenden Check an der anderen Raumyacht, der Lovelight, beendet hatte, die sie ihm letztlich übereignet hatte, damit er die alte Dreamsong endlich einmal in Ruhe ließ. Apropos, jetzt würde sie die Dreamsong endlich einmotten können... Zehn Jahre waren doch schon ein ziemliches Alter für einen Raumgleiter... Nardia betrachtete Alycias Garten nachdenklich. Komisch, hier waren einige Hügel zuviel. Genauer: Ein Hügel und ein riesiger, silberner Karton mit Blackfires Emblem, einem gezackten, schwarzen Blitz. Neugierig sah sie sich nach ihrer Halbschwester um, um diese nach den gewaltigen Präsenten zu befragen. Vor allem würde es sie interessieren, was das wohl für ein Geschenk von Blackfire war, immerhin hatte sie selbst von dieser erst letztlich zu ihrem Wiegenfeste eine ganze Brücke bekommen! "Hallo Nad!" Alycia wirbelte durch die Scharen der Gäste, die ihr allesamt zum Geburtstag gratulieren und/oder Geschenke überreichen wollten. Einige waren auch nur wegen des ausgezeichneten und kostenlosen Essens hier. "Hi Acy! Woher kommen denn der Berg und das Riesenpaket?" fragte sie interessiert. "Ach, der Hügel ist von Firestar, und das andere Teil habe ich von Blackfire bekommen. Mir scheint, Mademoiselle Noir hat ein Faible für monumentale Präsente..." Sie grinste breit. "Ich werde es am besten dann aufmachen, wenn alle Gäste beisammen sind. Genauer: Ich meditiere noch darüber, wie ich es aufkriegen soll..." Acy war schon gespannt, welche Vorschläge ihr die Leute zu diesem Thema unterbreiten würden. Im Zweifelsfall könnte sie dann immer noch die Fernsteuerung für dem Holoprojektor 'finden', der die Verpackung vorspiegelte. "Wirklich monumental", meinte Nad und sah von dem rotbeschleiften Berg zu dem Riesensilbergeschenkkarton. "Tja, was für ein Glück, daß mein Garten groß genug dafür ist. Ich denke mit Grausen daran, wenn man versucht hätte, mir die Dinger in der Villa Alycia zu überreichen..." Nardia konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, bevor sie eine Schachtel hinter ihrem Rücken hervorzog. "Nochmals herzliche Glückwünsche!" "Oh! Danke!" Alycia packte das Geschenk aus. Bestimmt war es Nardias neustes Werk mit eigenhändiger Widmung, 'Gesprengte Fesseln', oder wie der Roman hieß. Zu ihrer Verwunderung enthielt das Päckchen jedoch keine Solido-Kopie eines Buches, sondern eine Schmuckschatulle. Acy bestaunte diese. Kein Buch! Das war das erste Mal seit... Sie überlegte - seit acht Jahren! Als sie das Kästchen aufklappte, glitzerte ihr ein Diamant-Saphir-Collier entgegen. "Das ist einfach wundervoll!" Alycia bestaunte den wertvollen Schmuck. "Meine Mutter hatte es auf einem der Photos getragen..." Sie umarmte ihre Schwester. "Danke, Nad..." "Bitte, gern geschehen", wehrte diese ab. "Mir steht es eh überhaupt nicht..." "Moment, ich bin gleich wieder da!" Alycia verschwand rasch via TM-Tor in ihrer Orbitalvilla und kehrte wenige Minuten darauf zum Erstaunen der Gäste in einem einfachen tiefblauen Kleid und mit einer halblangen weißen Perücke zurück, um den Hals trug sie das Collier. "Das sieht toll aus", bemerkte Nardia. "Danke..." Acy schlug leicht verlegen die diesmal blaugeschminkten Augenlider nieder. "Irgendwie seltsam, daß ich an diesem Geburtstag so viele erinnerungsträchtige Geschenke erhalte..." "Es fiel mir erst ein, als ich die Photos sah", bemerkte Nad. Eigentlich hatte sie ihrer Schwester ja eine persönlich gewidmete Version ihres neusten Romans 'Gesprengte Fesseln' schenken wollen... "Auf jeden Fall gefällt es mir ausgesprochen sehr." Alycia drehte eine ihrer gewagten Pirouetten, obwohl das in ihrem aktuellen Outfit lange nicht so dramatisch wirkte wie in ihren sonstigen Neon-Flattergewändern. "Wo hast du eigentlich Sir Cayvyn gelassen?" erkundigte sich Nardia. Der war doch sonst permanent in Acys nächster Umgebung. "Er war doch gerade noch... - Cay?" Der junge naravinische Adlige trat hinter einem Baum hervor. Acy erinnerte sich schwach, daß dort hinten irgendwo die Fressalien aufgebaut sein mußten. "Ja, Mylady Alycia?" Er verneigte sich galant. "Seid auch Ihr begrüßt, Lady Nardia." Nad nickte ihm zu. "Wo wart Ihr, mein Liebster?" wollte Acy wissen und warf ihm einen Schmachtblick zu. "Ich hielt mich am Buffet auf, mein Herz." "Wo sonst", kommentierte Alycia belustigt. "Ich mißte Eure Nähe, Mylord," verkündete sie dann theatralisch, woraufhin Cay sie in die Arme nahm. "Es schmerzt mich, Euch solchen Kummer durch meine Abwesenheit bereitet zu haben", meinte er betrübt und vergrub sein Gesicht in ihren aktuell schneeweißen Haaren. Nardia fand diese Sprechweise immer wieder amüsant, doch irgendwie war es heute nicht so lustig wie sonst. Sie schlenderte gedankenverloren durch den Garten. Am besten wäre wohl, wenn sie nach Hause ginge, bevor sie den anderen durch ihre trübe Stimmung die Laune verdarb. Alycia war aufgefallen, wie sich ihre Schwester davonstahl, und sie machte sich sachte von Sir Cayvyn los. "Cay, entschuldige mich bitte für einen Moment." "Sicher." Er schaute sie verwundert an, und Acy gab ihm einen zärtlichen Kuß. "Ich hab dich lieb!" sagte sie und düste hinter Nardia her. "Du hast etwas, Nad", meinte sie zu dieser. "Laß dir von mir nicht den Tag verderben." "Hey, an meinem Geburtstag möchte ich, daß sich die Leute amüsieren und fröhlich sind! Was ist denn los? Du läufst herum, als läge dir ein Tumlik im Magen..." (Tumlik - eine unverdauliche Frucht eines auf Tarishaan ansässigen Strauches.) "Ich hätte gleich daheim bleiben sollen." "Warum denn das?" "Weil ich da meine schlechte Laune an niemandem auslassen würde." "Und warum bist du schlecht gelaunt?" "Ach, lassen wir das doch!" "Moment, jetzt will ich es wissen! Auf meiner Geburtstagsfeier soll keiner mit so einem Gesicht herumrennen!" "Dann gehe ich lieber." "M-mh, so einfach kommst du mir nicht davon!" Nardia sah trübsinnig in die Ferne. "Also, was ist?" fragte Alycia, doch ihr Gegenüber schwieg beharrlich. "Du kannst es auch ausbrüten. Ich würde nur zu gerne wissen, was für ein Tierchen das wird." "Du kannst mir nicht helfen. Ich muß alleine damit fertig werden." "Und? Wirst du alleine damit fertig?" "Das weiß ich noch nicht!" "Na, dann versuch's doch mal, ob ich dir nicht vielleicht doch helfen kann. Was hast du zu verlieren?" "Ich weiß nicht... Aber bis jetzt bin ich auch immer alleine mit meinen Problemen klargekommen", meinte Nardia. Was war ihr auch anderes übrig geblieben? "Naja, du könntest es zumindest mal mit einem anderen Approach versuchen." "Hm. Ich verderbe dir bloß das Fest! - Ich gehe lieber nach Hause und grüble da weiter..." "Und wenn du weg bist, dann grüble ich darüber nach, was du hast. Ich würde sagen, dann verdirbst du mir auch die Fête." "Ich hätte gleich zu Hause bleiben sollen!" "Bist du aber nicht." "Das weiß ich doch! Ich wollte dir nur gerne das Collier geben..." "Und dafür danke ich dir." Acy lächelte sie an. "Also, was ist nun?" Nardia schniefte. "Na siehst du. Es geht dir nicht gut, und du bedarfst dringlich der Tröstung." Nad zog ein Taschentuch hervor und schneuzte sich. "Ist schon wieder okay!" versicherte sie entschlossen. "Du täuschest mich nicht!" bemerkte Alycia, und ihre Schwester lächelte zaghaft ob der komischen Redeweise. Sir Cayvyn war anscheinend ansteckend. "Also - sprich dich aus!" "Das hat auch keinen Sinn." "Warum dieses?" "Es hat alles keinen Sinn mehr!" "Das klingt so, als wolltest du dich hinter die nächste Expreßbahn stürzen." Alycia runzelte besorgt die Stirn. Nad hatte offenbar wirklich Probleme. "Nein! Sowas würde ich nie tun!" entrüstete sie sich. "Zumindest etwas", bemerkte Acy trocken. "Aber warum hat 'alles keinen Sinn mehr'?" "Laß mich doch zufrieden!" "Nein. - Also?" Nardia schüttelte den Kopf. "Willst du auf immer und ewig deinen Gram mit dir herumschleppen, bis daß die Last auf deinen schmalen Schultern so schwer wiegt, daß sie dich in die Tiefen schwärzester Verzweiflung hinabzieht?" deklamierte Alycia. "Warum nicht? Es ist doch mein Leben!" sagte Nardia trotzig. "Aber meine Fête", stellte Acy klar. "Dann vergiß, daß du mich gesehen hast und widme dich deinen Gästen!" "Kommt gar nicht in die Tüte!" Alycia schüttelte entschieden den Kopf. "Auch du bist Gast in diesem meinen Garten, und ich widme mich also dir, da du offensichtlich Kummer hast." "Ich bin Verwandtschaft, da kannst du mich ruhig ignorieren." "Du bist Verwandtschaft, und daher sorge ich mich umso mehr um dich." "Vergiß es einfach!" "Nein!" "Ich weiß nicht, warum ich dir etwas erzählen soll. Das ändert doch auch nichts!" "Da würden dir Psychologen etwas anderes erzählen. Abgesehen davon - bin ich deine Schwester oder nicht?" "Naja, schon..." "Also - teile deine Sorgen mit mir!" "Ich will aber nicht. Es ist unnötig. Morgen ist das mit Sicherheit wieder vorbei." "Und wenn nicht?" "Dann werde ich mit jemandem darüber reden." "Soso." Alycia schüttelte den Kopf. "Hast du jemanden umgebracht, gemeuchelt oder sonstwie ermordet?" Nardia sah sie entsetzt an. "Wie kommst du auf sowas?" "Naja, welchen Grund solltest du sonst haben, solch ein Geheimnis um deine Trübseligkeit zu machen?" "Ich will nur niemanden damit belästigen, wo es doch sowieso wieder vorbei geht..." "Und wenn du mich eher damit belästigst, daß du mich nicht damit belästigen willst?" "Ich mag einfach nicht über meine dummen Gedanken sprechen. Ich weiß schließlich selbst, daß es Quatsch ist." "Tja, aber wenn es dich erleichtern würde?" "Es wäre mir nur peinlich..." "Und wenn ich dir dafür eine Peinlichkeit meinerseits erzählte?" Nardia sah sie überrascht an. "Was kannst du denn Peinliches getan haben? Ich kann mir nicht denken, daß dir irgendetwas peinlich ist!" "Ähm..." Acy wurde feuerrot. "Lieber nicht..." "Also, ich behalte meine auch lieber für mich!" "Und dafür grämst du dich den Rest deines Lebens..." "Quatsch! Solange bestimmt nicht. Ich vergesse es bestimmt." "Na und - was war es nun?" "Ich habe es vergessen!" "Ach! Irgendwie glaube ich dir das nicht!" "Daran kann ich nichts ändern." "Ich glaube dir immer noch nicht. - Sprich dich aus!" "Ach, Acy, jetzt laß mich doch. Ich werde mich nicht vor einen Gleiter werfen, vom Dach springen oder so. Ich bin heute nur melancholisch." "Aber das hat doch einen Grund!" "Hm." "Und welchen?" "Ich möchte nicht darüber reden." "Und warum nicht?" "Man kann Vergangenes nicht ändern. Warum soll ich andere mit meinen Geschichten belasten." "Ich sagte doch, daß du mich nicht damit belästigst." "Das sagst du! Du weißt ja gar nicht, worum es geht." "Deshalb würde es mich interessieren, worum es geht." "Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir wirklich etwas darüber erzählen soll. Ich weiß genau, daß ich mich kindisch benehme." "Tja, du könntest es ändern." Alycia guckte ihre Schwester kopfschüttelnd an und wünschte sich, daß Cay vorbeikäme und sie einfach nur in die Arme nähme. Seufz. "Schon..." Nardia zögerte. Auch wenn sie Acy von ihren Problemen erzählte, was würde es ändern? Den Großteil würde sie eh verschweigen müssen. "Na gut", meinte sie endlich. "Aber ich weiß nicht, wo ich anfangen soll..." Nad zerfaserte hingebungsvoll ihr Taschentusch. "Versuch's am Anfang", schlug Alycia vor. "Oh, das dauert dann aber..." "Ich habe Zeit." Acy setzte sich auf die Wiese und winkte Nardia, es ihr gleich zu tun. Diese ließ sich ebenfalls nieder. "Ich komme mir so dämlich vor!" "Warum denn?" "Naja, weil ich mir Gedanken über Sachen mache... Ach, ist ja egal! - Ich fühle mich allein..." "Allein?" Acy guckte sie groß an, und Nardia nickte heftig. "Und woran liegt das?" "Weiß ich nicht!" "Ist es, weil du dich von Michael getrennt hast?" Nad schüttelte den Kopf. "Damit hat das gar nichts zu tun!" "Und woran, meinst du, liegt es dann?" "Wenn ich es wüßte, könnte ich es ändern!" "Bist du so betrübt, weil du wieder solo bist?" "Nein. Ich habe festgestellt, daß ich nicht mit jemandem zusammenleben kann. Glaube ich wenigstens." "Mhm. Und daher bist du betrübt, weil du jetzt alleine bist?" "Nein, verdammt noch mal!" fauchte Nardia ärgerlich. "Entschuldige... - Ich habe mich schon immer allein gefühlt. Schon als Kind." "Weil du dauernd im Internat warst? - Aber ich war doch ebenfalls ewig unterwegs..." "Unterwegs ist etwas anderes, als wenn dich niemand haben will. Meine Mutter konnte mich nicht leiden, und Dad hatte keine Zeit für mich. Ich mußte sogar während der Ferien im Internat bleiben!" "Hattest du denn da keine Freunde?" "Nein. Ich glaube, ich habe jedwede Versuche der anderen, Freundschaft zu schließen, bereits im Keim erstickt." "Und warum?" "Hm. Ich hatte Angst, daß sie mich auch verlassen..." "So wie deine Mutter?" "Ich war ihr nur im Weg." "Meine Mutter hat sich selbst umgebracht, als ich elf war." "Das weiß ich!" "Glaubst du nicht, daß ich mich nicht auch gefragt habe, warum sie mich so im Stich gelassen hat? Sie hatte mir außerdem nicht einmal gesagt, wer mein Vater war..." Nardia sah Alycia an. "Er hat es nicht gewollt." "Siehst du..." Acy funkelte ihre Schwester an. "Ich habe damals beschlossen, nach vorne zu sehen und nicht zurück!" "Und was ist 'vorne'?" "Die Zukunft, Nad, die Zukunft! Du bist gerade mal 28, dein Leben liegt doch noch vor dir!" "Das sagst du..." "Das sage ich. Du denkst wohl, du gehst in Bälde ein, wie?" "Nein, natürlich nicht. Aber ich sehe nicht, was mir die Zukunft bringen soll..." "Tja, das ist die Schwierigkeit mit der Zukunft. Ich bin auch keine Hellseherin..." "Das meine ich doch gar nicht so. Ich... Ach, ich weiß einfach nicht weiter!" "Inwiefern weißt du nicht weiter? Geistig? Beruflich? Emotionell?" "Beruflich! Ich habe doch gar keinen. Ich war noch nie was anderes als Jeremy Blades Tochter." "Aber du hast den Vorsitz über die Firma. Und du bist eine Bestsellerautorin!" "Na und? Ich unterschreibe, was die Direktoren mir vorlegen. Und Autorin? Das kann man wohl kaum so nennen..." "Ich bin Malerin", meinte Acy grinsend und dachte an das abstrakte Geschmiere, daß sie in der Regel kurz vor dem Schlafengehen oder wenn sie sonst mal ein, zwei Minuten Zeit hatte, an die Leinwände klatschte. "Du kennst meine Machwerke doch - bin ich Malerin?" "Nein, aber du hast die Bilder gemalt!" "Du hast deine Romane doch auch geschrieben - Oder? "Nicht direkt..." "Inwiefern?" Alycia legte irritiert die Stirn in Falten. "Ich denke mir eine Story aus, und sie wird geschrieben." "Von einem Ghostwriter?" "So in etwa..." "Soso. Und warum schreibst du die Teile nicht selbst?" "Ich habe einen grausamen Stil..." "Oh!" Acy grinste breit. "Und als was würdest du meine Bilder bezeichnen? Aber das hat mich noch nie davon abgehalten..." "Das gefällt aber! Bücher von mir würde niemand lesen." "Hast du es schon mal ausprobiert?" "Es war ein großer Mißerfolg." "Hm. Ich war aber eigentlich auch nie der Crack! Ich bin sogar in hohem Bogen von der Uni Ashteera geflogen - und zwar ausgerechnet im Fachbereich Kunst und Gestaltung..." Daß das darin begründet lag, daß sie die ganze Zeit in den Physiklabors herumhing und drei davon in die Luft jagte, stand dabei auf einem anderen Blatt... Aber Acy hatte sich ohnehin ausschließlich für die Naturwissenschaften interessiert und war nur deshalb bei den Künstlern eingeschrieben, weil das zu ihrem Image gehörte... "Ach, in der Schule", meinte Nardia. "Das war lange nicht so schlimm. Die verlangten eh nur so Sachen wie Benehmen, Konversation und Diplomatie..." "Ähm..." Alycia errötete dezent an. Wegen Diplomatie und Benehmen wäre sie beinahe aus dem Tyron Star Memorial Internat geworfen worden, und nur aufgrund der Tatsache, daß sie Jeremy Blades Tochter war, hatte die Direktorin sämtliche Augen zugedrückt. "Das gehörte zu meinen absoluten Horrorfächern", bemerkte sie schaudernd. "Das grausamste Fach war Handarbeiten", äußerte Nardia. "Ich kann doch nicht sticken!" "Und ich habe AHT, Geschichte und Kulturkunde gehaßt..." (AHT - Althochtarishana, eine bereits seit Jahrhunderten mausetote Sprache, die anscheinend nur aus Ausnahmen und unregelmäßigen Verben besteht...) "Klavier", meinte Nad mit Grausen. "Singen", entgegnete Acy kichernd. "Damit habe ich mit Hingabe meine Lehrerin gefoltert. Ich bin nämlich total unmusikalisch..." "Mein Klavierspiel hat mit Garantie das Gebäude geräumt. Und ebenso geschickt war ich in Haushaltsführung und Kinderpflege..." "Ups!" machte Alycia und war froh, daß auf dem TSMI der Schwerpunkt bei den Naturwissenschaften gelegen hatte, sonst hätte sie die Schule nie geschafft. "Aber jetzt weiß ich, wie wir problemlos eine Party terminieren können: Ich singe, und du begleitest mich auf dem Klavier!" "Damit können wir die Stadt leerfegen", stellte Nad mit hochgezogenen Augenbrauen fest. "Tja..." Alycia verzog amüsiert den Mund, und Nad kicherte im Gedanken an die fliehenden Menschenmengen. Nun bekam sich auch Acy nicht mehr ein. Sie rappelte sich von der Wiese auf, warf sich in Positur und begann, laut und schräg ihr aktuelles Lieblingslied ihrer Lieblingsgruppe Explosive Symphony zu grölen: Times of Stone. (Explosive Symphony - eine FGS-weit bekannte und auch gefürchtete Gruppe, produziert ziemlich harte Musik, so etwas wie Heavy Metal auf Sol III/Terra.) Nardia lag auf dem Boden und bekam kaum noch Luft vor lauter Lachen. Endlich kam Sir Cayvyn herbeigeeilt und brachte Alycia mit einem ausdauernden Kuß elegant zum Schweigen. Anschließend wandte er sich an Nad. "Hat sie schon wieder einen über den Durst getrunken?" Jetzt konnte sich Nardia endgültig nicht mehr beherrschen, und ihr liefen die Lachtränen übers Gesicht. "Aber... Lady Nardia..." Sir Cayvyn hob bestürzt die Augenbrauen. "Habt Ihr Probleme? Ist Euch unwohl?" Er entließ seine Lebensgefährtin aus seinen Armen, da diese offenbar freiwillig von weiteren Arien Abstand nahm. Nad bekam noch immer kein Wort heraus. "Soll ich einen Medic rufen?" erkundigte sich Cayvyn hilfsbereit. Nardia schüttelte hektisch den Kopf. Acy hatte sich unterdessen ebenfalls erneut ins Gras fallen lassen und lachte schallend. Sir Cayvyn war einfach süß! Und ihre Schwester schien ihre düstere Stimmung zumindest momentan ad acta gelegt zu haben. Plötzlich richtete sich Nardia ruckartig auf. Jetzt hatte sie einen Schluckauf! Graaaa... "Nad! - Was ist?" Alycia schaute sie besorgt an. "Hicks!" "Oh! Du hast einen Schluckauf", war Acys wenig intelligente Feststellung. "Ach!" "Naja, es hörte sich zumindest so an." "Es tut weh!" "Der Schluckauf?" "Nein, mein Bauch!" "Vom Schluckauf?" Alycia guckte sie belustigt an, und Nad stürzte sich auf sie, um ihr die Meinung kundzutun. "Hiiilfe!" Acy machte einen Satz zur Seite und landete im nächsten Gestrüpp, einem Aishyl-Busch. "Was machst du denn da unten?" "Ich sammele Beeren!" "Ich dachte, du suchst Pilze..." "Nö. Die wachsen links hinter dir." Nardia wollte sich umdrehen, vermutete dann aber, daß Acy sie nur auf den Arm nehmen wollte und ließ es lieber. "Hast du ein Problem?" erkundigte sich Alycia scheinheilig. "Na warte!" rief Nardia und zerrte ihre Schwester aus dem Grünzeug. "Hey, ich dachte nicht, daß es zu den Straftaten gehörte, einen Schluckauf fahrlässig zu verursachen..." "Hm. Vielleicht kann man das ändern..." "Es war nicht vorsätzlich!" "Naja..." Sir Cayvyn schüttelte hoheitsvoll den Kopf und beschloß, den beiden Frauen etwas zu trinken zu holen, damit sie sich eventuell etwas beruhigten. Mit zwei Gläsern türkisschillernder Bowle in der Hand kehrte er zurück. Nardia hockte inzwischen auf dem Boden und versuchte, irgendeine Ordnung in ihr metallicgrünes Gewand aus Tüll und Taft zu bringen. Sie wirkte wohl ein wenig zerzaust. "Benötigt Ihr meine Hilfe?" erkundigte sich Sir Cayvyn galant. Eins der Gläser war er bereits an Acy losgeworden, die fatalistisch die roten und violetten Aishyl-Beeren-Flecke auf dem ehemals unifarben blauen Kleid begutachtete. Nardia zerrte die Schleppe ihrer Robe aus einem Dornbusch. Seufz, das Teil war reif für den Müll... Sie nahm Cayvyn das zweite Glas ab. "Danke!" Der junge Naravino neigte huldvoll den Kopf und verschwand erneut, um sich nun ein paar Bissen zu essen zu organisieren. Alycia kippte den Inhalt ihres Glases in einem Zug herunter und musterte ihre Schwester amüsiert. "Heute im topmodischen Fetzenlook? Ts, Nad, so kenne ich dich ja gar nicht..." "Püh!" machte diese und leerte ebenfalls ihr Trinkbehältnis. Hm, wenn sie es recht betrachtete, war ihr Kleid tatsächlich etwas zerrissen... Acy dreht sich in Mannequin-Manier um sich selbst. "Hm, ich glaube, ich werde die Flecken am besten als Aktionskunst deklarieren, dann sieht es nicht so peinsam aus..." "Tse!" Nardia stand auf und verwickelte sich erneut in die Tüll-Fetzen. Graaaa... "Moment, ich helfe dir da raus!" Alycia verschwand kurz und kam dann mit einem Tranchiermesser wieder, mit welchem sie kurzerhand das Abendkleid inklusive Schleier etwas kürzte. "So, jetzt trägst du eine Originalcréation à la A.C. Blade!" verkündete sie anschließend. "Naja..." Nad blickte zweifelnd an sich herunter. "Das ist doch besser als der vorige Fetzen!" "Aber viel zu kurz!" "Zu kurz?" Acy musterte das Teil. Es hörte knapp zwei Handbreit über dem Knie auf. "Also, für einen Mini finde ich es sogar noch entschieden zu lang!" "Ich bin sowas eben nicht gewohnt." "Nun ja..." Alycia schaute sich suchend um, bevor sie das Tranchiermesser zum Buffet zurückbrachte. "So, ich glaube, jetzt kann ich auch endlich das Geschenk von Blackfire in Angriff nehmen. Ich denke, mehr Gäste werden wohl nicht kommen", sagte sie mehr zu sich selbst. Sie kletterte auf das Buffet und rief lautstark: "Hey Leute! - Hat einer eine Idee, wie ich das Ding", sie deutete auf den silbernen Würfel mit dem schwarzen Blitz, "auspacken kann?" Nardia sah wie die übrigen Gäste zu dem Riesenpaket auf. Als sie sich durch das Gebüsch schob, entdeckte sie ein längliches silbernes Kästchen, das ebenfalls mit einem schwarzen Blitz verziert war und verdächtig an eine Fernbedienung erinnerte. "Wofür ist denn das?" fragte sie neugierig und hielt ihr Fundstück in die Höhe. "Hä? Was?" Tsayée, da hatte ihre Schwester doch glatt im ersten Anlauf die Holoprojektor-Steuerung entdeckt. Sowas aber auch! Acy sprang vom Tisch und düste zu ihr hin. "Siehst aus wie eine Fernbedienung", konstatierte Alycia und drückte auf den einzigen Sensor derselben. In einem Sekundenbruchteil erlosch der Geschenkkarton, und ein 250m hoher Berg mit einem hübschen Wasserfall kam zum Vorschein. "Toll!" meinte Nardia. "Finde ich auch." Alycia hatte er ebenfalls ausgezeichnet gefallen, als sie ihn in Kancia auf Enaryshavell gesehen hatte. Sie unterdrückte gewaltsam ein Grinsen, als sie fortfuhr. "Ist das nicht die Carulashell-Anhöhe mit dem Kristallwasserfall, dessen Verschwinden vor drei Wochen bei allen Info-Gruppen für gewaltige Schlagzeilen gesorgt hatte?" "Sieht so aus." "Irgendwie scheint Blackfire Spaß daran zu finden, spektakuläre Objekte nur zum Verschenken zu klauen", mischte sich nun Calris Cleiton, Acys 'beste Freundin' (wobei Alycia diese absolut nicht ausstehen konnte) in das Gespräch ein. Acy lächelte süßlich. Offenbar würde Calris auch zu gerne einmal so etwas geschenkt bekommen... Nardia sah die aufgetakelte Tarishaanerin genervt an. Sie hatte diese dumme Pute noch nie leiden können, vor allem wenn sie andauernd wie ein billiger Abklatsch ihrer Schwester herum lief. Acys Outfit war ja wenigstens ihrer eigenen Idee gesprungen, Calris hingegen machte nur immer alles nach. Zur Zeit war sie in neongiftgrüne Fransen gewandet, was zu den neonorangegelben Haaren einfach nur albern aussah. Außerdem hatte Calris Cleiton für ein so gewagtes Gewand mindestens zwanzig Kilo zuviel auf den Rippen - bzw. Po, Beinen und Bauch. Alycia grinste niederträchtig. Vielleicht sollte sie demnächst einmal in Babyrosa herumlaufen. Wenn Calris dies ebenfalls 'nachempfand' sähe sie perfekt aus wie ein rosa Schweinchen... "Oh, Mademoiselle Nardia", kiekste Calris gerade. "Woher habt Ihr diese schicke Kleidervariation?" "Von Monsieur Balocchi. Acy hat es etwas umgestaltet", erwiderte Nad. "Sie ist darin sehr begabt, nicht wahr?" Calris himmelte Alycia ungeniert an, und diese lächelte gezwungen zurück. "Unzweifelhaft", beteuerte Nardia belustigt. Acy holte sich rasch noch etwas zu trinken. Wenn sie nur einen Moment länger in Calris' Gegenwart bliebe, würde sie einen hysterischen Lachanfall bekommen. "Ich bin ja so froh, daß ich Alycia Blade meine beste Freundin nennen darf", schnatterte Calris munter weiter. "Es ist wirklich eine Auszeichnung..." Nad wünschte diese Person ans andere Ende der FGS oder besser in die nächste Galaxis. "Entschuldigt mich bitte!" "Aber - warum habt Ihr es so eilig?" Calris blieb Nardia auf den Fersen. "Ich habe eine Verabredung." "Oh! Habt Ihr?" Mademoiselle Cleiton witterte den neusten Klatsch. "Mit wem denn?" "Das geht Euch überhaupt nichts an!" "Ihr seid aber unhöflich!" "Natürlich. Ich kann es mir leisten." Calris Cleiton guckte, als ob sie in eine Grapefruit gebissen hatte und stolzierte mit hocherhobenem Haupt von dannen. Diese dumme Kuh würde schon sehen, was sie von ihrer Unfreundlichkeit hatte. Irgendwo waren hier doch bestimmt irgendwelche Reporter, die einem kleinen Tip bestimmt nicht abgeneigt waren... Nardia seufzte erleichtert und machte sich auf den Weg zum Buffet. Alycia stand bereits dort und schaufelte allerlei Häppchen in verschiedenen Saucen in sich hinein. Sir Cayvyn vernichtete lieber die Pralinen. Nad musterte die beiden amüsiert und machte sich gleichfalls über diverse Leckereien her. Acy konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als sie aus dem Augenwinkel Calris Cleiton erspähte, die hektisch auf die Reporter von 10 Tage, Star, und Express einquasselte. "Mir scheint, du hast sie verärgert", bemerkte sie zu ihrer Schwester. "Ich glaube schon", stimmte diese zwischen zwei Bissen zu. "Sie wird sich ein paar wilde Stories über dich ausdenken." "Macht nichts. Ein paar mehr oder weniger - was soll's?" Nardia zog wieder an ihrem Kleid. Es war definitiv zu kurz. "Soll ich Euch meine Cape leihen, Lady Nardia?" Sir Cayvyn deutete auf sein entsprechendes halblanges, kupferfarbenes Kleidungsstück. "Danke, ich werde es überleben", winkte Nad ab. Der Naravino verneigte sich leicht. "Wie Ihr wünscht, Lady Nardia." Acy betrachtete Cay leicht mißtrauisch. Wollte der Gute etwa immer noch etwas von ihrem Schwesterchen? Nardia runzelte verwirrt die Stirn. Warum guckte Acy so merkwürdig? Sie hatte doch gar nichts getan... Alycia trat zu ihrem herzallerliebsten Lebensgefährten und schlang die Arme um seine Taille - auch wenn sie das ein wenig beim Essen behinderte. Zum Glück waren die Gäste (hauptsächlich exzentrische Künstler, aber auch diverse Mitglieder des naravinischen Hochadels und einige Verwandte aus dem Blade-Teil der Familie) ohnehin mehr mit ausgiebiger Selbstdarstellung beschäftigt als mit dem eigentlichen Sujet der Feier, also ihr. Nad lächelte und widmete sich weiter den Speisen. "Seufz", machte Acy, und Cayvyn legte nunmehr ebenfalls einen Arm um sie (den anderen brauchte er für die Pralinen). "Was habt Ihr, mein Herz?" erkundigte er sich besorgt. "Es ist so langweilig in letzter Zeit", meinte Alycia und kuschelte sich an ihn. "Tsy, aber es ist auch absolut nichts los!" beschwerte sie sich. Nardia sah sie erstaunt an. Sie sollte doch froh sein, daß endlich mal nichts passierte. Naja, obwohl, wenn sie es recht betrachtete, gefiel es ihr ja auch nicht ganz... "Wenn ich es nicht schon zweimal versucht hätte", fuhr Acy fort, "würde ich ja einen Urlaub vorschlagen..." Das würde sie bestimmt nicht mehr in Angriff nehmen, dachte Nardia. Die letzten beiden Versuche waren ja allesamt in Katastrophen geendet... "Vielleicht sollten wir es ja einmal mit einer Dienstreise probieren?" schlug Alycia vor. 'Hm, wäre eine Idee', dachte Nad belustigt. Aber in was für einem Dienst sollten sie reisen? "Warum schlägt denn niemand etwas vor?" erkundigte sich Acy. "Ich habe sowieso keine Zeit", lehnte Nardia präventiv ab. "Ich auch nicht - aber es ist trotzdem alles öde..." Alycia blickte rasch zu Cayvyn auf. "Bis auf Euch, Mylord, das versteht sich von selbst..." Cay hob schmunzelnd eine Augenbraue, und auch Nad verzog amüsiert das Gesicht. "Alles ist immer wie jedesmal", sinnierte Acy. "Ungezählte reiche Langweiler, die auf den langweiligen Parties der Reichen herumstehen, nur, um zu sehen und gesehen zu werden... Naja, ich habe das Gefühl, hier besteht das Leben ohnehin nur aus Parties, Wohltätigkeitsveranstaltungen und Vernissagen... Ich glaube, ich brauche dringend einmal eine richtige Luftveränderung!" "Irgendwie klingst du genervt", stellte Nardia fest. "So? Meinst du?" "Ja!" "Hm. Dann wird es wohl stimmen." Nardia sah sie zweifelnd an. "Is was, Nad?" erkundigte sich Alycia gereizt. "Nö. Warum?" "Pah, wenn ich genervt klinge, dann guckst du komisch." "Püh!" "Ich will hier raus!" "Hm?" brummelte Cayvyn und machte Anstalten, seine Umarmung zu lösen. "Hier doch nicht!" Acy betrachtete ihn kichernd. "Am liebsten würde ich nur mit dir alleine einen kleinen Einweihungsflug mit der Starfire machen..." Nardia sah ihre Schwester sehr nachdenklich an. "Starfire?" "Meine neue Raumyacht. Sir Cayvyn hat sie mir geschenkt, da die Dreamsong ja mittlerweile schon fast antik ist." Jetzt blickte Nad den Naravino höchst eigentümlich an. Wer war wohl auf den Namen gekommen? Und vor allem: warum? "Sie ist wunderschön und weitaus schneller als die alte Dreamsong..." fuhr Acy begeistert fort. "Das kann ich mir vorstellen." "Hm?" Alycia legte die Stirn in Falten, als ihr ein Verdacht kam. Steckte vielleicht Nardia hinter der Idee, den Raumer Starfire zu nennen? Nad guckte Acy verwundert ob deren eigenartigem Blick an. Das war doch nur höflich gemeint gewesen! Alycia brummelte etwas Unverständliches. Unvermittelt fiel ihr etwas ein. "In zwei Monaten ist der Grand Prix Univision 3763 de la Chanson." "Hä?" Der Themenwechsel war etwas zu plötzlich für Nardia gekommen. "Der größte Songcontest in der FGS!" "Das weiß ich. Nur - wie kommst du plötzlich darauf?" "Ich glaube, ich werde mich als Sängerin bewerben!" Nad sah ihre Halbschwester völlig verdattert an. War sie nun vollständig übergeschnappt? "Naja, als Schauspielerin habe ich doch schon Lorbeeren geerntet, als Malerin bin ich eh bekannt - ich brauche einfach einen Tapetenwechsel!" "Wenn es dir Spaß macht?" "Du klingst nicht allzu begeistert, und dabei wollte ich dich doch gerade fragen, ob du mich nicht vielleicht begleiten willst?" "Ich?" "Naja, du sagtest doch, du kannst genauso wenig Klavierspielen wie ich singen kann. Das sind doch optimale Voraussetzungen, wenn du die Qualität der musikalischen Beiträge des Grand Prix in den letzten Jahren betrachtest..." "Stimmt irgendwie. Aber ich habe leider keine Zeit!" "Was hast du denn so Wichtiges vor? Ein neues Buch?" "Nein, das nicht." Nardia dachte an das Chaos zu Hause. Die Bauarbeiten, das neue Schiff... "Was dann?" "Naja, es ist halt massig zu tun." "Hm." Alycia überlegte. Sie mußte einfach etwas unternehmen! Am besten wieder einmal etwas wirklich Spektakuläres... Trostsuchend (sie fand immer einen Grund...) schmiegte sie sich an Sir Cayvyn. "Ich verschwinde jetzt", verkündete Nardia. "Keine schlechte Idee", stimmte Acy zu. Sie hatte genügende Mengen moderne, abstrakte und/oder Aktions-Kunstwerke überreicht bekommen, ditto kostbare Geschmeide und kitschigen Kram in Neonfarben, von dem die Leute meinten, er müsse ihr gefallen. "Mylord Cayvyn, was hieltet Ihr davon, wenn wir uns ebenfalls zurückzögen?" "Euer Wunsch ist mein Plaisir, Mylady", erwiderte Sir Cayvyn. Langsam aber sicher wollte er auch möglichst schnell weg von hier. "Gut", sagte Acy mit einem verlangenden Blick zu ihrem Gefährten, bevor sie sich an ihre Schwester wandte. "Dann ciao, Nad - mein herzallerliebster Sir Cayvyn und ich werden uns gleichfalls verdüsen..." "Tschüs", entgegnete Nardia grinsend und beobachtete noch, wie Alycia & Cayvyn engumschlungen zum TM-Tor schlenderten und sich in funkelnde Regenbogen aus Energie auflösten, ehe sie sich ebenfalls davon machte. "Ich halte es hier nicht mehr aus!" verkündete Acy. "Du wirkst wahrlich enerviert", sagte Cay trocken und gab ihr einen Kuß auf die Nasenspitze, bevor er begann, sie aus ihren Klamotten zu pellen. Er wußte genau, wie er sie auf andere Gedanken bringen konnte. "Ich bin es auch! Mach du doch mal einen Vorschlag, was wir unternehmen könnten!" Sie seufzte behaglich, als Cay sie sanft streichelte. Bis ihnen etwas besseres einfiel, war das wirklich eine gute Idee... "Wenn du mich fragst, sollten wir die kommenden Stunden erst einmal dazu nutzen, um uns ein wenig zu ...entspannen." "Du bist unmöglich, weißt du das?" Acy kicherte und schmiegte sich hingebungsvoll an ihn. "Aber dann überlegen wir uns etwas. - Hm... Was hältst du davon, wieder mal ein Raumschiff zu entführen? Wir sollten einen neuen Einsatzraumer zurechtbasteln..." "Später..." Cayvyn hob sie mühelos hoch und trug sie in seine Privaträume. Alycia schloß genießerisch die Augen und befand, daß Cay nicht unrecht hatte. Morgen war auch noch ein Tag. Oder übermorgen... Nardia hielt sich die Ohren zu. Dieser Krach! Sie stülpte ein Paar Ohrenschoner über, bevor sie die Starcave betrat. Eine Staubwolke hüllte sie ein. Grumpf... Der Hangar war anscheinend immer noch nicht fertig. Was die da bloß machten? Coryn tauchte aus dem neuen Tunnel auf. Er war von oben bis unten verdreckt, und Nardia hatte ihn eigentlich nur an den Augen erkannt. "Wieder da?" brüllte er. "Wie du siehst!" schrie sie zurück. "Seid Ihr immer noch nicht fertig? "Nein!&quo Es war entschieden zu laut hier, und Nad flüchtete entnervt. Dummerweise wurde jedoch ganz Blade Manor durch die Bauarbeiten erschüttert. Sie sollte sich woanders einquartieren. 3763/01/43 GZ "Aufstehen!" "Mmmmh... Keine Lust..." "Raus aus den Federn, Lisha!" "Warum? Hier ist es warm, weich und gemütlich..." Acy räkelte sich genüßlich in den Laken. "Dem kann ich ganz leicht mit einer Ladung Wasser abhelfen." "Cay, du bist sadistisch veranlagt! Das habe ich dir aber nicht einprogrammiert." Alycia zog eine Schnute und schielte zu ihrem Gefährten hoch. Wie stets bewunderte sie seinen absolut perfekten Körperbau. 'Eine enaryshanische Götterstatue', dachte sie hingerissen, was gar nicht so weit hergeholt war. Immerhin hatte sie unter anderem einige Anleihen bei antiken enaryshanischen Bildhauern gemacht, als sie sein Exterieur modellierte. "Ich und sadistisch?" Cayvyn guckte sie aus grüngolden schimmernden Unschuldsaugen an. "Dabei wollte ich dir sogar einen Kaffee machen..." "Gut, dann nehme ich das zurück. Also, wie ist es - sollen wir nach dem Frühstück einen Raumer kapern?" Alycia hatte schon ein Schiff im Sinn, da sie erst letztlich die Auslieferungsliste von Comtesse Chambleau nach einem lohnenden Objekt durchgesehen hatte. Ganz kurz hatte sie ja sogar die Starfire als Opfer ins Auge gefaßt (natürlich hatte Cayvyn diese unter falschen Namen geordert, da er Acys unbändige Neugierde nur zu gut kannte), jene aber aufgrund der weitaus besser geeigneten Miracle Time wieder zurückgestellt... Cay schüttelte amüsiert den Kopf. "Immer mit der Ruhe! Ich werde erst einmal nachsehen, ob überhaupt etwas Interessantes unterwegs ist..." "Comtesse Chambleau liefert heute die Miracle Time aus", bemerkte sie beiläufig. Ihr Partner prustete los. "Ich habe den Eindruck, du bist irgendwie kriminell", stellte er fest. "Nun gut. Aber jetzt wird gefrühstückt!" "Mmmmh..." Gnadenlos pflückte Cayvyn sie aus den Federn und transportierte sie unter die Dusche. "Iiiiiiiieeeks!" kreischte Acy auf. "Das ist ja kalt!" Sie strampelte wild herum, konnte sich aber nicht aus Cays Griff befreien. "Ich demontiere dich, wenn du nicht sofort das Wasser abstellst!" Er sah sie prüfend an. Alycia war anscheinend endlich wach geworden. Na gut... Während er sie immer noch im Arm hielt, nun aber bedeutend zärtlicher, aktivierte er die Warmwasserzufuhr, und Acy sah ihn schmollend an. Dann sollte er jetzt auch gefälligst Genugtuung für seinen rüden Überfall leisten, dachte sie und ließ sich von ihm abschrubben, wobei sie schon mal überlegte, wie sie die Miracle Time kidnappen könnte. Fatalistisch betrachtete Nardia den schaukelnden Kronleuchter. Seufz. Wann war das endlich vorbei? Bevor der Hangar nicht fertig war, konnte sie auch nicht mit Coryn oder Alan rechnen. Sie mußte also alleine etwas unternehmen - nur was? Grummel... Blade Manor war total verlassen. Tony hatte es vorgezogen, das Weite zu suchen, und alles Personal bis auf die Androiden hatte Urlaub. Nad hatte sich in die hinterste Ecke ihres Besitzes verzogen, um endlich Ruhe zu haben. Acy, die sich mittlerweile in Karylla Noir alias Blackfire verwandelt hatte - mit mitternachtsfarbenen Haaren, Augen und Montur - saß gefrustet am Leitstand der Miracle Time. Es war viel zu einfach gewesen! Keine Herausforderung - grumpf! Karylla schob schmollend die Unterlippe vor. Die Überführungscrew hatte sich nicht einmal gewehrt, als sie in die Leitzentrale marschierte. Sie hatten nur entsetzt geguckt und kampflos das Feld geräumt. Naja, dafür hatte sie sie an einem wunderschönen, einsamen Strand an einem der Smaragdozeane von Naravina ausgesetzt. Reguläre Urlauber bezahlten ein Vermögen dafür, einmal an solch einem Fleckchen ihre Ferien verbringen zu dürfen... Die Miracle Time stand unterdessen bereits im Delta-Hangar von Nightfall Station, wo Blackfire und ihr Partner den Raumer einer genauen Inspektion unterziehen würden. "Was hast du, mein Schatz?" Cayvyn, jetzt wieder mit schneeweißer Haut und silbernen Haaren, stand hinter ihr und hatte die Arme um sie gelegt. Karylla schmiegte ihre Wange an seinen Arm. Obwohl sie Cay generell in jeder Aufmachung einfach nur wundervoll fand, gefiel ihr sein Outfit als Ryko Infinity Maiell wie immer am besten von allen. "Mmmh, nichts, Ryko..." Sie gab einen leisen Seufzer von sich. "Oder doch... Also, weißt du... Es ist irgendwie gar keine echte Herausforderung mehr da!" "Hey, Kary - was heißt hier 'keine Herausforderung mehr'?" Er küßte sie auf die Stirn. "Und was ist mit dieser Organisation Xi?" "Hm, naja... und wo sollen wir da anfangen?" Sie schaute tragisch zu ihm empor. "Ist das keine Herausforderung?" Er streichelte sanft über ihren Hals, was Karylla mit einem neuerlichen Seufzer quittierte. "Laß dir was einfallen! - Aber jetzt werden wir uns erst einmal unsere aktuelle Errungenschaft genauer ansehen..." "Jee... Okay..." Nardia tigerte ruhelos hin und her. Was sollte sie bloß unternehmen? Ihr ging mittlerweile alles auf die Nerven. Schließlich warf sie sich in ihr Stardust-Outfit und düste mit Cass los, der auch endlich dem ununterbrochenen Krach und Staub entkommen wollte. Wohin aber sollte sie fliegen? Jana beschloß, Cass die Wahl zu überlassen. "Und wie sollen wir sie nennen?" Nachdenklich fuhr Blackfire mit dem Zeigefinger eine der desaktivierten Sensorleisten des Leitstands ihres neuen Raumers entlang. Sie wandte den Kopf und schaute Ryko erwartungsvoll an. "Lightning II?" schlug dieser vor. Karylla zog eine Schnute. "Pöh, du bist total phantasielos", beschwerte sie sich. "Was bin ich?" Ryko hob eine silberne Augenbraue und begab sich zu seiner Partnerin. "Phantasielos?" fragte er neckend. Er fuhr sanft und überaus herausfordernd mit den Fingerspitzen über ihren Körper. Karylla erschauerte wohlig, ehe sie dezent die Augen niederschlug. "Ähm... Naja... Kommt immer darauf an", gab sie zu. "Aber was das Erfinden von Raumernamen angeht..." Infinity grinste sie an und verwöhnte sie mit einigen weiteren Streicheleinheiten. "Hm", meinte er nach einer Weile. "Oder eben nur Lightning", sagte er. "Warum sollten wir überhaupt einen neuen Namen erfinden?" "Hm, naja..." Schließlich hielt Ryko inne in seiner Tätigkeit, immerhin hatte er heute auch noch etwas anderes vor. 'Hey', dachte Karylla schmollend. Er hätte ruhig noch ein bißchen weitermachen können... "Wir sollten sie ohnehin erst einmal umbauen", bemerkte er. "Und ich habe da auch schon ein paar hübsche Kleinigkeiten im Sinn." Er machte sich auf den Weg aus dem Kommandostand der neuen Lightning. Am Schott der Zentrale drehte er sich noch einmal kurz um und winkte ihr zu. Karylla brummelte etwas Unverständliches. Das hieße, er würde wieder einen Großteil seiner Zeit damit verbringen, einen Raumer umzumodeln. Grummel... Stardust lag auf einer Wiese und betrachtete den Himmel. Wenigstens hatte sie hier auf diesem einsamen und friedvollen Stückchen Land ihre Ruhe. - Aber langweilig war es trotzdem. Seufz... Die ISPC hatte auch nichts für sie zu tun, denn es war kein Fall so wichtig, daß er den Einsatz des neuen Teams erfordert hätte. Grummel... (ISPC - Interstellar Society of Protection and Crime-fighting. In 3742GZ von Jeremy Blade und einigen anderen Industriellen gegründete Gesellschaft zur Verbrechensbekämpfung, die immer dann in Erscheinung tritt, wenn die lokalen planetarischen Polizeitruppen der FGS hilflos sind.) Jana zupfte ein paar Grashalme aus. Wenn nicht bald etwas passierte, würde sie noch an Langeweile eingehen. Wenn sie es recht bedachte, vermißte sie doch die Hektik der letzten Zeit. Wie schnell man sich an so etwas gewöhnen konnte! 3763/01/44 GZ "Verdammt noch mal, wenn nicht gleich etwas passiert, dann gehe ich hier ein!" grumpfte Karylla. "Ich will etwas klauen, aber mir fällt nichts ein, was mich in dieser Hinsicht wahrhaft befriedigen würde. Banken und Juweliere sind viel zu trivial, das kann ja jeder. Einen kleinen Berg habe ich letztlich mitgenommen, ein Raumschiff gestern nachmittag - es ist einfach nicht fair! Warum ist denn im Augenblick so überhaupt nichts los?" Ryko hatte denm Kopf schiefgelegt und hörte den Klagen seiner Partnerin amüsiert zu. Sie wollte bestimmt nur 'getröstet' werden... "Hast du dich langsam abgeregt?" erkundigte er sich mit hochgezogenen Augenbrauen. "Ich werde wohl doch beim Grand Prix Univision mitmachen", erklärte Blackfire, ohne auf seine Frage einzugehen. "Und dich zu Tode blamieren?" "Graaaa! - So schlecht singe ich doch auch nicht..." "Hm", überlegte Ryko. "Nein, du hast recht. Du singst noch schlechter..." "Graaaa!" begann Karylla, doch eine weitergehende Unmutsäußerung wurde von einem hingebungsvollen Kuß Rykos erstickt. "Wenn du schon nichts anderes zu tun hast, mein Schatz", meinte er, "könnten wir schon mal anfangen, die Miracle Time umzubauen..." "Mmmh... - Es war den Pressefritzen noch nicht einmal eine Schlagzeile auf der ersten Seite wert, daß wir das Schiff entführt haben", mäkelte Blackfire. "Du bist doch sonst nicht so pressesüchtig!" "Ja, aber wenn doch sonst nichts los ist?" "Immerhin hieß es im Freenet, daß Pierre Coderay nur mit einer relativ milden Strafe davonkommt. Der Richter soll auf seiner Gehaltsliste stehen... Nennst du das 'nichts los sein'?" (Funknetz, dessen Frequenz nach einem bestimmten Schlüssel permanent verändert wird; dient zur Kommunikation des freien Verbrechertums untereinander. Ein ähnliches Funknetz des organisierten Verbrechens ist das sogenannte Organet.) "Das ist doch uninteressant!" Ryko schüttelte den Kopf und wühlte in einer seiner voluminösen Hosentaschen herum. Endlich hatte er gefunden, was er suchte, und er drückte Karylla einen Satz Werkzeuge in die Hand. "Du kannst ja schon mal anfangen, den Maschinenraum so weit zu zerlegen, damit wir den modifizierten USV und den Tarnschild einbauen können, wenn dir sonst nichts Vernünftiges einfällt..." (USV - Ultraraumschubverstärker - von Cayvyn entwickeltes Gerät, um Geschwindigkeiten über den angeblich maximalen 10 pc/h zu erreichen. (Damit schafft die alte Lightning z.B. 25 pc/h!)) "Auch noch arbeiten", maulte Blackfire. "Du mokierst dich doch darüber, daß du nichts zu tun hast..." "Aber arbeiten?!" Die Bauarbeiten an der Starcave waren mittlerweile abgeschlossen; der Hangar war fertig. Jetzt bastelten Coryn und Alan an dem neuen Schiff herum. Zwar hatten ISPC-Techniker den Raumer schon teilweise umgestaltet, aber die beiden waren wie üblich in keinster Weise zufrieden damit. Stardust wurde andauernd wegen mangelnder Kompetenz rausgeworfen. Sie stand bloß immer im Weg herum, behaupteten die zwei. 'Sehr freundlich', dachte Jana. Vielleicht sollte sie auswandern... Ein total zerzauster schwarzer Schopf tauchte aus einem Wartungsschacht auf, gefolgt vom Rest von Blackfire. "Seufz, ich glaube, die Kiste wird in zehn Jahren noch nicht fertig sein", nörgelte sie und ließ angewidert ein besonders schlecht konstruiertes Teil des Standard-Schubverstärkers auf den Boden fallen. Es schepperte einmal kläglich und war nunmehr gänzlich unbrauchbar. Karylla drehte den Schrott vorsichtig mit dem Fuß um. Die Ingenieure die das da verbrochen waren Dilettanten gewesen. Blutige Stümper! Rykos Entwicklung war nicht nur eleganter, sie war auch noch um einige hundert Prozent leistungsfähiger. "Sei doch froh, Kary, dann bist du wenigstens für die nächste Zeit beschäftigt!" "Hm, grummel..." Ryko gab ihr einen Kuß, und Karylla sah ihn empört an. "Bah! Du bist doch total mit diesem Zeug eingesifft!" Sie wischte sich über das Gesicht, was dazu führte, daß sie neben dem vormaligen schwarzen Fleck auf der Stirn und dem von Ryko verursachten violetten jetzt auch noch einen dezenten braunroten Streifen aufwies. Ihr Partner grinste breit. Er schillerte teilweise türkis, schwarz und violett. Angewidert sah Karylla an sich herab. Auch ihr schwarzer Arbeitscoverall hatte einiges abbekommen. 'Ein Bad, ein Sternenreich für ein Bad!' dachte sie genervt, ehe sie fatalistisch den Kopf schüttelte. "Wir sollten vorerst lieber noch die alte Lightning verwenden", seufzte sie. "Ich glaube nicht, daß die neue Lightning zur Zeit auch nur eine Lichtsekunde weit fliegen würde..." Ryko hielt einen Satz Energieüberträger-Module in die Höhe, die dringendst des Anschlusses bedurften. "Hmpf, brummel, brummel..." Karylla verschwand wieder in ihrem Wartungsschacht. Stardust hockte auf ihrem Bett und stützte den Kopf in die Hände. Grumpf. Warum fiel ihr bloß nichts ein? Sie ging in den Trainingsraum, um ein bißchen Sport zu treiben. Auch wenn sie die Übungen haßte, das war immer noch besser als völlig nutz- und sinnlos herumzuhängen. Im Hangar waren Alan und Coryn weiter damit beschäftigt, das neue Schiff zu zerlegen. Es war zum Verzweifeln! "JAUL!" Karylla hielt sich die Finger. "Ist etwas, Kary?" erkundigte sich Ryko besorgt. "Warum ist Metall bloß wärmeleitend?" jammerte Blackfire. "Ich habe mir die Flosse verbrannt, und das tut weh!" "Ich dachte eigentlich, du hättest zumindest in Physik aufgepaßt..." "Hm... Manchmal... Ich war mehr damit beschäftigt, die Physik-Labors in die Luft zu sprengen, falls ich dich daran erinnern muß..." Ryko grinste sie breit an. "Mußt du nicht. Du hast es mir oft genug erzählt, auch wenn eigentlich ein einziges Mal völlig ausreichend gewesen wäre..." Immerhin war das auch der Hauptgrund für ihren unrühmlichen Rausschmiß aus der Universität Ashteera gewesen... "Weißt du was - ich will endlich mal wieder ein richtiges Abenteuer erleben..." "Dann müssen wir lediglich erneut Urlaub machen." "Mir fällt kein Verbrecher ein, den wir jagen müßten..." "Mir schon. Xi", bemerkte Ryko. "Hm, aber über den wissen wir doch rein gar nichts!" "Dann müssen wir das eben ändern." "Okay", stimmte Karylla lustlos zu und warf ihr Werkzeug in den zugehörigen Kasten. "Aber zunächst brauche ich entschieden eine Dusche!" "Dem kann ich nur zustimmen." Ryko fuhr mit dem Finger (leicht orangeverschmiert) über ihre Wange. Blackfire sah ihn zunächst fatalistisch an, dann erhellte sich ihr Gesicht merklich. "Leistest du mir Gesellschaft, mein Schatz?" fragte sie und warf ihm einen begehrlichen Blick zu. Ryko lächelte und deutete eine Verbeugung an. "Wie es Euch gefällt, Mylady..." Er reichte ihr einen Arm und sie hakte sich bei ihm ein. Via Transmit sprangen sie in die Wohnräume von Nightfall Station. Coryn warf den Schraubenschlüssel hinter sich, wobei er beinahe Alan abschoß. "Paß doch auf!" "Sorry!" Coryn drehte sich um. "Irgendwie ist es langweilig." "Stimmt. Wir sollten etwas unternehmen." "Das Schiff ist ja mittlerweile auch soweit..." "Jetzt stellt sich nur die Frage, was können wir anfangen?" "Hm. Momentan ist wohl totale Flaute!" In diesem Augenblick kletterte Jana in das neue Raumschiff. "Na, wie steht es?" fragte sie. "Wir sind vorerst fertig", verkündete Alan. "Fein. Und was machen wir jetzt?" Stardust sah sie erwartungsvoll an. Alan war überrascht, daß sie heute einmal nicht auf ihn losging. 'Sehr merkwürdig', befand er, aber er würde sich sicherlich nicht darüber beschweren. "Okay." Ryko saß am Leitstand des Info-Zentrums von Nightfall Station, und Karylla hatte es sich auf seinem Schoß bequem gemacht. "Laut Organet hat sich Xi auf Esdraa II/Shanjir niedergelassen. Die hiesigen Syndikate sind offenbar ziemlich ungehalten ob der Einmischung der Organisation Xi in ihre angestammten Fischgründe..." "Also, mich stört vor allem, daß Xi illegalen Androidenhandel betreibt", sagte Ryko empört. "Wir künstlichen Lebensformen haben immerhin auch unsere Rechte!" "Hm. Du weißt ja, wie das Gesetz in der FGS dazu steht", seufzte Karylla und strich durch seinen wuscheligen Silberschopf. (3228GZ wurde ein Gesetz zur Restriktion der Fähigkeiten künstlicher Lebensformen erlassen. Danach müssen Androiden unter allen Umständen so gestaltet werden, damit eine Verwechslung mit 'normalen' Menschen unmöglich wird, und ihre Verwendung wird auf reine Dienstleistungen, sowie niedere Tätigkeiten beschränkt.) Wenn es nach ihr ginge, bekämen alle Androiden volle Bürgerrechte, doch seit in 3226GZ völlig menschenähnliche Androiden von verbrecherischen Kräften in die Regierungen und wirtschaftliche Spitzenpositionen eingeschleust worden waren, um dort subversiv tätig zu werden, herrschte großes Mißtrauen in alle künstlichen Lebensformen. Nicht umsonst war es ihr größtes Geheimnis, daß Ryko ein Androide war. Wenn irgendjemand dies herausbekäme, würde man ihn sofort demontieren wollen. Aber dies geschähe nur über ihre Leiche, schwor sich Karylla. Aus einem Impuls heraus schlang sie die Arme um Ryko. Er sah sie ein wenig verwundert an. "Hm?" "Ich liebe dich, Ryko", meinte sie leidenschaftlich. Ein wenig verwirrt ob Karyllas eigenwilligem Gedankensprung enthielt er sich einer verbalen Antwort und küßte sie. Anschließend legte sie den Kopf an seine Schulter. "Okay. Auf nach Shanjir!" "Ist euch immer noch nichts eingefallen?" quengelte Jana. "Überleg du dir doch etwas!" erwiderte Coryn. "Wie wäre es, wenn wir dieser Organisation Xi mal etwas näher auf die Pelle rückten", meinte Alan nachdenklich. "Aber wir haben doch keinerlei Infos darüber!" Coryn maß Alan mit einem überraschten Blick. "Ich habe mich einmal umgehört und herausgefunden, daß die etwas mit Androidenhandel zu tun haben, und die Spuren weisen allesamt nach Shanjir." "Humpf!" machte Coryn. Sowas gehörte strengstens bestraft, dachte er zornig. Auch Jana war Feuer und Flamme - hauptsache, es tat sich etwas. Gestern abend hatten sie ihr neues Schiff getauft; der Name Silver Star hatte die allgemeine Zustimmung gefunden. Nun stand ihrem Aufbruch nichts mehr im Wege, und sie nahmen Kurs auf das Esdraa-System. Esdraa II/Shanjir war eine malerische Welt: eine strahlendgelbe Sonne in dunkelrotkupfernem Himmel, dessen Farbe sich in Meeren, Seen und Flüssen widerspiegelte und dazu Wiesen und Wälder in malerischen Rottönen, aufgelockert durch bunte Blüten... Blackfire bewunderte die Landschaft auf dem Bildschirm. "Wunderschön!" sagte sie staunend. Bislang hatte sie bestenfalls vereinzelte Holos der Shanjir-Landschaft gesehen, doch in natura wirkte das alles noch weit atemberaubender. Ryko war nicht so sehr von den landschaftlichen Schönheiten des Planeten angetan. "Androidenhandel", äußerte er angewidert, während er die Lightning unter ihrem Tarnschild in einer Waldlichtung landete. Die Oberfläche von Shanjir war eher spärlich besiedelt, da ein Großteil der Städte unterseeisch angelegt war. Dennoch befand sich unter anderem die Hauptstadt des Planeten, Skuntreja, auf dem Festland, nämlich auf dem Zentralkontinent Atvaru. Die Lightning stand nicht in der Nähe von Skuntreja, sondern war, zwar auch auf Atvaru, aber etwa 27km entfernt von der Metropole Ekvajar niedergegangen. Es hieß, daß die Organisation Xi dort ihren Hauptsitz aufgemacht hatte, und so würden sie versuchen, dort einen Kontaktmann anzusprechen. Für diese Aktion hatten sich Karylla und Ryko in die Maske zweier shanjirischer Bürger begeben; so trug Blackfire zu elfenbeingefärbter Haut einen metallicvioletten Pagenkopf und eine schneeweiße Rüschenbluse mit einem zur Haarfarbe passenden langen, weit schwingenden Rock. Auch ihre schwarzen Kontaktlinsen wichen einem Satz leuchtendblauer. Ryko hingegen hatte sich auf kupferne Haare, grüne Augen und einen schwarzen Coverall verlegt. Derart ausgerüstet transmittierten sie in die City von Ekvajar. Die Silver Star hatte inzwischen ebenfalls Shanjir erreicht und schwenkte in einen Orbit ein. Jana betrachtete den Planeten fasziniert. 'Komische Farben', dachte sie. Nur - wo waren die Städte? Es waren weit weniger zu sehen als man laut Bevölkerungsstatistik von Shanjir vermuten dürfte. Die spärlichen Ansiedlungen, die man auf dem Schirm sehen konnte, lagen allesamt an den Ufern der Kontinente. Vermutlich befand sich der Rest unter der Oberfläche, ob nun unter den Ozeanen oder unter der Erde. Und wo waren jetzt die Banditen? Stardust starrte auf den Monitor, während der Rest des Teams den Planeten überprüfte. Bis jetzt fehlte ihnen jede Spur, wo Xi seinen Schlupfwinkel aufgeschlagen hatte. "Wir sollten uns am besten tarnen", schlug Alan vor. Er selbst würde sinnvollerweise bei seinem Outfit bleiben, nur sein Teint brauchte eine Coloration in Richtung Elfenbein. Coryn wählte lediglich metallicschwarzes Haar, denn an seinen Augen etwas ändern zu wollen, war ohnehin zwecklos. Stardust wurde gegen ihren Willen mit braungoldenen Haaren und braunen Augen ausgestattet. Einfach grauenhaft, befand sie. So verkleidet machte sich das Spezial-Team der ISPC auf nach Ekvajar. Sie zogen stundenlang durch die Stadt, aber sie konnten nichts finden. Stardust maulte pausenlos über das gräßliche Make-Up, woraufhin Alan ihr drohte, sie auf das Schiff zurück zu verfrachten. Also beschloß sie, das Gequengel vorerst aufzugeben. Wenn sie doch nur irgendeinen Anhaltspunkt finden könnten... Blackfire kam aus dem Labor der Lightning. "Okay, hier sind unsere Karten", meinte sie. Ryko und sie waren zunächst kurz nach Ekvajar gesprungen, um sich einen Satz Ausweise zu beschaffen, die sie auf dem Schiff passend für ihre Zwecke umzugestalten gedachte. "Demnach heißt du also Enshavar Iskadrion, und ich bin Elmvinar Uvgeris." "Aye aye, Madame..." Ryko ergriff ihre Hand und deutete einen Handkuß an. "Angenehm, Eure Bekanntschaft zu machen", sagte er lächelnd, bevor er sich wieder dem Eigentlichen zuwandte. "Laut Organet soll ein Anwalt namens Tulrisom Musritom unser Kontaktmann sein. Er ist mittelgroß, mittelschlank, hat goldblaue Haare und türkisfarbene Augen. Laut Datenbank ist er außerdem 37 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder..." "Pech für ihn", meinte Karylla belustigt. "Zumindest, wenn er sich jemals von seiner Frau trennen will..." Sie hatte er letztlich in einer Info-Sendung im Trivid von der rigiden shanjirischen Rechtsprechung in solchen Fällen gehört. Ryko sah sie etwas irritiert an, dann kam er auf ein anderes Thema, das ihn schon ein Weilchen beschäftigte. "Wir sollten erst einmal etwas essen!" befand er. Karylla grinste nur und beschloß, seinem Vorschlag Folge zu leisten. Nach einem erquickenden Mahl suchten sie Tulrisom Musritoms Anwaltsbüro auf. "Monsieur Musritom", begann Karylla. "Ja bitte, Madame?" Der etwas untersetzte Mann blickte von einem Monitor auf. "Elmvinar Uvgeris." "Was wünschen Sie, Madame Uvgeris?" "Wir müssen Sie privat sprechen, Monsieur Musritom." "Dann kommen Sie nach der offiziellen Öffnungszeit noch einmal vorbei." "Es ist notwendig, Sie jetzt zu sprechen. Wir suchen Kontakt zu Xi." "In der Tat?" Musritom sah sie erstaunt an. Normalerweise ließen Bittsteller etwas mehr Diskretion walten. "Jawohl." Der Shanjiraner tippte auf einen Sensor, und zwei Bewaffnete stürmten herein, die sofort ihre Strahlpistolen auf Ryko und Karylla richteten... In Ekvajar kam das ISPC-Spezial-Team einfach nicht voran, und so beschlossen sie, zunächst zur Silver Star zurückzukehren. Dort bemühten sich Coryn und Alan, weitere Informationen zu erlangen, aber es schien wie verhext. Jegliche Versuche, sich ins Organet einzuklinken, scheiterten kläglich an dem raffinierten Frequenzschlüssel jenes Nachrichtennetzes. Aber es mußte doch irgendeinen Weg geben, an die gesuchten Daten zu kommen, ärgerte sich Alan. Da sich aber auch nach einigen Stunden kein Erfolg zeigte, transmittierten sie wieder in die Stadt zurück und fragten mangels besserer Ideen einfach dort herum. Vielleicht war ihnen das Glück ja auf diese Weise hold... Ihr Optimismus erwies sich als reichlich übertrieben, den unvermittelt sahen sich die drei von einer Meute Bewaffneter umringt. Keine Chance zu entkommen, konstatierte Stardust, und die ISPC-Spezialisten wurden abgeführt. Blackfire war begeistert. Irgendwie hatte sie ein ungeheures Talent, sich andauernd gefangennehmen zu lassen, stellte sie säuerlich fest. Sie guckte ihren Partner genervt an, als sie von den Schergen Musritoms (oder Xis?) peinlichst genau durchsucht wurde. Offenbar hatten die Typen ihre wahre Freude daran, so hingebungsvoll, wie sie sie betatschten... Karylla wurde langsam wirklich sauer, am liebsten hätte sie die Kerle erst einmal ausgiebig verprügelt, aber irgendwie schien ihr das weder die Zeit noch der Ort dafür zu sein... Zumindest fanden die Freaks keine Waffen bei Ryko oder ihr, da sie diese in weiser Voraussicht zurückgelassen hatten - naja, zugegeben, die Pfeilwerfer hafteten wie stets magnetisch an Karyllas Stiefeln, aber diese Teile hielten die meisten Leute normalerweise für bloße Verzierungen ihres Schuhwerks, und daß ihr und Rykos Gürtel ein TM-Aggregat enthielt, das sah man diesen nun wirklich nicht unbedingt an... "Wohin bringen Sie uns?" fragte Karylla gekonnt ängstlich, als die Männer ihre Untersuchung beendet hatten und der Anführer mit dem Strahler gen Tür deutete. "Sie wollten doch Xi sprechen", meinte Musritom, und die Bewaffneten führten Blackfire und Infinity ab. "Toll!" grumpfte Blackfire, hellauf erfreut. Jetzt steckten sie in einem düsteren Loch, und von Xi war weit und breit nichts zu sehen. Sie beschloß, daß alles Herumfluchen rein gar nichts nutzte, und daß sie sich die Zeit doch weitaus angenehmer vertreiben konnte. Sie ging zu Ryko herüber, und er war von ihrer Idee ebenfalls durchaus angetan... Stardust fluchte lästerlich, als man sie in eine finstere Zelle schubste. Mit einem weiteren Stoß wurden Coryn und Alan ebenfalls dort hinein befördert. "Da ist wer gekommen", stellte Karylla fest. "Mmmmh", machte Ryko und zog sie enger zu sich heran. Ein kurzer Sensorscan hatte ihm gezeigt, daß es drei Personen waren, von denen er zwei nur zu gut kannte. Coryn und Alan konnten anstellen, was sie wollten, ihre typischen Emissionen waren für Ryko so augenfällig wie eine Leuchtbombe in der Nacht. "Verfluchter Mist!" Jana war mehr als nur ärgerlich. Warum tappten sie bloß immer in jede Falle, die man ihnen stellte? "Ist da wer?" meinte Karylla in Starlingua mit einem - wie sie hoffte - authentischen Dvarisiana-Akzent und schmiegte sich an ihren Partner. (Starlingua: allgemeine Verkehrssprache in der FGS. Basiert zu
etwa 50 Prozent auf Tarishana
Dvarisiana: Hauptsprache von Hasgaal II/Dvaris, in der FGS
hauptsächlich in den Ingenieurswissenschaften wichtig. Ferner
Hauptsprache auf Esdraa II/Shanjir, einer dvarisianischen Kolonie. "Nein!" knurrte Stardust. Coryn und Alan versuchten etwas zu erkennen und erspähten - sehr zu ihrer Verwunderung - Ryko Maiell oder Sir Cayvyn oder wie er sich im Augenblick gerade zu nennen beliebte. "Dann bin ich ja beruhigt", kommentierte Karylla belustigt. Jana war irritiert. Was sollte das? Sie tastete vorsichtig umher. War das duster! "Enshavar, halt mich fest", seufzte Blackfire gestreßt, ungeachtet der Tatsache, daß Ryko nicht gedachte, sie loszulassen. Schon gar nicht mit Alan in der Nähe! Aber es würde ihn schon interessieren, was die drei vorhatten. "Wer beehrt uns hier mit seinem Besuch?" wollte er wissen. Es wäre wohl sinnvoll, die Tarnung beizubehalten, falls es hier Abhöranlagen gab, dachte er. "Enshavar Iskadrion, zu Euren Diensten", stellte er sich also vor. "Ilashar Talraiz", erwiderte Stardust. Anscheinend war sie an einer Wand angekommen, bemerkte sie und tastete sich daran entlang. Coryn und Alan hielten sich erst einmal zurück. "Sehr erfreut, Madame Talraiz", sagte Ryko, und Karylla fragte sich, warum ihr die Stimme der Frau so bekannt vorkam. Jana folgte derweil weiter der Wand; irgendwann mußte sie ja wieder an der Tür ankommen. "Umpf!" machte Blackfire plötzlich, als jemand unsanft mit ihr kollidierte. "Au!" Stardust war über etwas - genauer: jemanden - gestolpert und aufgrund dessen ziemlich heftig mit dem Boden in Kontakt getreten. "Moment", gab Karylla verwirrt von sich. "Nardia?" "Falsch!" entgegnete Jana unwirsch. Sie sollte ihre Stimme mehr verstellen. Aber was wollte Acy hier? "Pah, tu nicht so!" Blackfire ärgerte sich tödlich darüber, daß sie sich so verraten hatte. "Was treibst du hier?" "Ich suche die Türe." "Und weshalb? Die ist ziemlich zu." "Na und?" "Ich habe sie nicht aufgekriegt." "Du nicht." "Glaubst du etwa, du schaffst es, wo ich es nicht geschafft habe?" Karylla schüttelte nur den Kopf. Immerhin war sie doch das Ein- bzw. Ausbruchstalent in der Familie... "Ich werde es auf jeden Fall versuchen. - Das heißt, falls ich die Tür finde!" "Wenn du meinst..." Blackfire kuschelte sich an ihren Schatz. "Ich meine!" Stardust nahm ihre Wanderung wieder auf und rannte in Alan. "Humpf!" "Hast du ein Problem?" erkundigte sich Karylla scheinheilig. "Nein. Es hat sich schon erledigt." "Ach!" meinte nun Ryko, der die Szene in Infrarot betrachtet hatte. "Sie halten sich da ganz raus! Jana war ausgesprochen sauer. Wenn das Acy war, konnte es sich bei dem Mann nur um Sir Cayvyn handeln, auch wenn es sie erstaunte, daß man diesmal überhaupt nichts von seinem normalen naravinischen Akzent gehört hatte. Aber ausstehen konnte sie ihn immer noch nicht, und so brachte sie einen größeren Abstand zwischen ihn und sich und einen ausreichenden zwischen sich und ihre beiden Begleiter. "So entschuldigt, Mam'zelle - was habe ich Euch getan?" erkundigte sich Ryko mit tragischem Unterton. Es würde ihn doch interessieren, was Nardia immer mit Coryn und Alan zu tun hatte, überlegte er. Theoretisch könnte das implizieren, daß diese ebenso wie Alycia eine Doppelidentität hätte, aber andererseits fand er es völlig unmöglich, daß sie Stardust sein könnte. Einmal, weil Nardia Blade zu so etwas gar nicht fähig wäre, und zum anderen, da er Jana Star einmal gesprochen hatte, als auch Nardia anwesend war. "Nichts!" Sir Cayvyns pure Anwesenheit nervte Jana bereits kolossal. "Es betrübt mich zutiefst, Lady Nardia, daß Ihr mir unentwegt so böswillig gesonnen seid..." "Ich bin Euch nicht 'böswillig gesonnen'", fauchte Stardust. Ah, endlich hatte sie die Tür entdeckt! Es war dummerweise immer noch so verdammt finster hier... "Dürfte ich dann erfahren, weshalb Ihr mich stets so ärgerlich anfauchet?" erkundigte sich Ryko geknickt. "Ich fauche nicht!" knurrte sie ihn an. Sie tastete die Wand nach dem Codeschloß ab, von dem sie wußte, daß es sich dort befinden mußte - zumindest, wenn es sich bei dieser Tür um eine Standard-Konstruktion handelte. Jetzt war es ihr einmal gelungen, unterwegs einen der Wachmänner seiner Codekarte zu berauben (auch wenn dies entschieden ihrer moralischen Einstellung widersprach), und nun fand sie das passende Schloß nicht, dachte sie gereizt. Karylla seufzte unterdessen abgrundtief und suchte weiterhin engen Körperkontakt zu Ryko. Was hatten Nad und Cay nur gegeneinander? - Obwohl, auf eine Art war ihr das auch wieder mehr als recht, denn das hieß, daß die zwei kaum noch einmal ein Techtelmechtel miteinander beginnen würden wie vor zwei Monaten auf der Couronne de l'Éspace... Endlich hatte Jana das Schloß gefunden und schob die Karte hinein. Augenblicklich öffnete sich die Tür und blendendhelles Licht strömte herein. Stardust wunderte sich. Nicht mal ein Code als Zusatzsperre? Was waren denn das für Sicherheitsvorkehrungen? "Licht aus!" protestierte Karylla, die sich inzwischen ziemlich gut an die Dunkelheit gewöhnt hatte, und hielt den Arm vor die Augen. "Also, ich will hier raus!" eröffnete Stardust. "Anschließend kann ich die Tür ja wieder verriegeln, wenn du darauf bestehst..." "Und ich darf dann später die ganzen Fragen beantworten, wo du abgeblieben bist und so... Nein, danke", wehrte Karylla ab. Du könntest ja sagen, wir seien von einem gleißenden Licht entführt worden", meinte Jana ironisch und verließ den Raum. Coryn und Alan folgten ihr unmittelbar, denn sie wollten auf gar keinen Fall in diesem Loch bleiben. Karylla schnitt eine Grimasse und stieß einen lästerlichen Fluch aus, bevor sie sich samt Ryko ebenfalls davon machte, allerdings in die andere Richtung. Plötzlich fiel ihr etwas ein & auf, und sie blieb abrupt stehen, was dazu führte, daß sie von ihrem Partner über den Haufen gerannt wurde. "Sag mal, spinne ich?" gab sie irritiert von sich. "Erwartest du eine ehrliche Antwort?" "Graaaa! - Ich meine die Klamotte, die Nardia anhatte!" "Ein schwarzer Overall, und?" "Kein grünes Ballkleid!" "Das wäre in dieser Situation auch schwerlich angemessen." "Und der Typ und das Coryn-Wesen hatten dieselben Teile an! Sollte das etwa heißen, daß Nad Stardust ist?" "Vom rationalen Standpunkt betrachtet ist dieser Schluß naheliegend", stimmte Ryko zu. "Wenn du aber meine persönliche Meinung hören willst: NIE!" Just in diesem Augenblick bogen sie um eine Ecke... "Humpf!" machte Jana, als sie in irgendjemanden hineinrannte. "Die schon wieder", seufzte Ryko. Stardust sah ihn irritiert an. Der Stimme nach waren das schon wieder Acy und Sir Cayvyn - aber die sahen ziemlich anders aus! Hm. In der Zelle war es zu dunkel gewesen, um irgendetwas erkennen zu können, und Blackfire und Infinity hatten den Vorteil gehabt, daß Stardust & Co. vor ihnen den Raum verlassen hatten und losgedüst waren, ohne sich noch einmal umzudrehen. "Nebenbei, Nad, bist du zu deinem eigenwilligen Fetzen auch noch in einen Farbtopf gefallen?" fragte Karylla, als sie das Make-Up ihrer Schwester begutachtete. Jana musterte sie ärgerlich. Die sollte gerade meckern! "Mir scheint, dein Ausbruch war geplant", bemerkte Blackfire trocken und deutete auf die tennisballgroßen Kameras, die aus allen Richtungen herangeschossen kamen. "Natürlich! Wer läßt schon Zellen ohne Code... Aber lieber latsche ich hier rum als untätig in diesem düsteren Kabuff zu hocken!" Stardusts Lamentieren hinderte die Flugtennisbälle jedoch nicht daran, alle fünf mit Energiefesseln zu versehen und in den Kerker zurückzubefördern. "Sagtest du etwas?" erkundigte sich Karylla mit hochgezogenen Augenbrauen. "Nein. Aber ich komme hier schon raus. Fragt sich nur wie..." "Tja..." Blackfire hatte eh nicht vorgehabt auszubrechen, da sie davon ausging, daß diese Arrestzelle eher eine Art Zwischenlager darstellte. Sie setzte sich bei Ryko auf den Schoß und kuschelte sich eng an ihn, auch wenn dieser fand, daß es irgendwie unziemlich war, daß sie ihn wie so oft zum Sitzkissen degradierte. Tse! Aber andererseits schmeichelte es ihm auch wieder, wie sehr Karylla an ihm hing... Er lächelte und hielt sie fest. Stardust grübelte unterdessen darüber nach, warum sie erneut in die Zelle gepackt worden waren. Ob dieser Raum als eine Art Aufbewahrungsort gedacht war? Hm... Coryn und Alan hatten die ganze Sache ohne Kommentar geschehen lassen, doch nun hatten sie keine Lust, länger hier zu verweilen. In der Mitte des Raumes befand sich ein Gitter im Fußboden. Die beiden machten sich gleich an die Untersuchung desselben. "Es ist der Zugang zu einem Abwasserschacht", bemerkte Ryko beiläufig. Er hatte das Teil bereits zu Beginn inspiziert, wobei Karylla ganz entschieden die Nase gerümpft hatte. Ihre Abneigung gegen Abwasserkanäle war fast so ausgeprägt wie ihre Phobie vor Spinnen. "Stimmt", bemerkte Coryn. Der Geruch war überwältigend, nachdem sie die Abdeckung entfernt hatten. Auch Alan war keineswegs begeistert. Jana, die neugierig in die Richtung der beiden Männer getappt war, hielt sich angewidert die Nase zu. Blackfire blieb tunlichst bei Ryko sitzen; sie hatte schon daran geschnuppert... "Macht gefälligst den Deckel wieder zu!" rief sie empört. "Ich denke ja gar nicht daran", erwiderte Jana, ganz zu schweigen davon, daß sie diesen gar nicht heben konnte, und ihre beiden Kollegen offenbar ebenfalls nicht beabsichtigten, etwas in dieser Richtung zu unternehmen. "Hast du etwa vor, uns hier zu erstinken?" "Nein, ich will nur verduften!" "Ich rieche es..." "Püh! Du kannst ja hierbleiben. Ich gehe", sagte Jana, obwohl sie es unmittelbar darauf bereute. Warum war sie bloß immer so vorlaut? Aber sie würde es niemandem eingestehen, daß sie diesen Gestank ebenfalls absolut unerträglich fand. "Mein Schatz, ich ziehe es vor zu bleiben", bestimmte Karylla. "Nicht machbar", schüttelte dieser den Kopf. "Die haben uns doch jetzt sicherlich im Verdacht, gemeinsame Sache zu machen, und damit ist unser eigentlicher Plan nicht mehr durchführbar. Also los!" Er hob Blackfire von seinem Schoß und stellte sie auf dem Boden ab. "Das überlebe ich nicht", stöhnte Karylla und hielt sich angestrengt die Nase zu, als sie den anderen widerwillig in den Schacht folgte. Jana fand ihre Idee inzwischen selbstmörderisch. Der Boden des Tunnels war knietief mit Moder bedeckt, es war glitschig, und sie mußte darum kämpfen, nicht versehentlich auszugleiten. Aus Sicherheitsgründen hatte sie Alan die Führung überlassen, denn sie war nicht in der Lage, in der hier unten herrschenden Finsternis irgendetwas zu erkennen. Krampfhaft hielt sie sich an seinem Gürtel fest, damit sie bloß nicht ausrutschte. Coryn bildete die Nachhut und fluchte unablässig vor sich hin. Völlig unerwartet für die drei ging es auf einmal steil abwärts, und sie verloren den Halt... "Ich bin nicht hier, und es riecht angenehm nach Blumen", murmelte Blackfire vor sich hin. Ryko schob sie einfach voran, sonst hätte sie sicherlich längst kehrt gemacht und wäre wieder zurückgedüst. Unvermittelt spürte er, wie Karylla davonrutschte. Er machte einen schnellen Schritt, um sie wieder einzufangen, aber das führte nur dazu, daß er nun hinter ihr her schlitterte, da es energisch bergab ging... Alan konnte sich nicht mehr halten und glitt die Schräge hinunter, wobei sich Jana verzweifelt an ihm festklammerte. Allerdings krachte Coryn auch noch gegen die beiden, was dazu führte, daß die drei gesammelt in den Sammelkanal plumpsten. Hier reichte Stardust der Moderpamp bis zur Taille, und selbstverständlich war sie beim Absturz aus dem Tunnel erst einmal komplett untergetaucht. Sie war begeistert... "NEEEIIIIIN!" kreischte Karylla noch entsetzt, als eine neuerliche Gestankwolke eine Öffnung vor ihr verriet. Mit einem eleganten Hechtsprung tauchte sie nasevoran in den übelriechenden Morast. Prustend tauchte sie gerade wieder auf, als Ryko neben sie platschte. "Das ist alles nur deine Schuld!" fauchte sie ihn ungerechterweise an und schubste ihn schwungvoll in die Brühe, was natürlich Jana noch einmal richtig vollspritzte. "Pfui!" sagte diese ärgerlich. "Könnt ihr euch nicht woanders im Dreck suhlen?" Sie spürte mit Schaudern, wie sich ihre Sachen nun vollständig vollsogen. Ekel! "Erst wenn ich mit ihm abgerechnet habe!" Karylla baute sich drohend vor ihrem Partner auf. "Was hast du dir dabei gedacht, mich in diese... ekelerregende, stinkende Brühe zu befördern? Ich hasse es!" "Reg dich ab, mein Schatz, du bist doch nicht alleine hier..." meinte Ryko belustigt, was Blackfire logischerweise noch mehr in Rage brachte. Sie war so wütend, daß sie den bestialischen Gestank hier unten kaum wahrnahm. "Das ist auch das einzig Tröstliche an dieser Angelegenheit!" Alan war derweil auf den schmalen Sims geklettert, der sich links und rechts des Abwasserkanals befand, denn er hatte keinerlei Lust, in der Matsche stehen zu bleiben. Coryn folgte ihm. Es war einfach grauenhaft... Jana war sehr erstaunt, wie Acy Sir Cayvyn herunterputzte. Sonst tat sie so etwas doch nie! Im Ernst, sie hatte angenommen, die zwei turtelten in jeder freien und unfreien Sekunde miteinander herum... "Wie wäre es, wenn du endlich da rauskommen würdest?" fragte Alan. Auch Blackfire & Infinity krabbelten auf den Sims. Pah, hier roch es auch nicht besser, befand Karylla, und außerdem war der lange Rock furchtbar unpraktisch. Sie rupfte das klatschnasse Teil herunter, die ebenfalls eingeweichte Perücke dazu und stand nun lediglich in ihrer ehemals weißen Rüschenbluse, einem knappen Slip, dem TM-Gürtel und einem Paar Kupferstiefeln da. Ein Glück, daß es hier unten stockfinster war, dachte sie. An dieser Situation war nur Coryn schuld - oder der andere Typ. Und natürlich Nardia. Und Ryko... Grummelnd stapfte sie den anderen nach. Brrr, jetzt wurde es kalt... Stardust schauderte. Ihre Stiefel waren voller Abwasser, und überhaupt... Heller war es auch nicht geworden, und der Sims war kaum 30cm breit, wie sie nach vorsichtigem Abtasten mit dem rechten Fuß festgestellt hatte. Es war wirklich keine gute Idee gewesen... "Hier stinkt es!" nörgelte Blackfire. "Ich will hier raus!" "Niemand hindert dich daran zu gehen", bemerkte Jana. "Nerv mich nicht, sonst gehst du noch mal baden", knurrte Karylla. "Versuch's doch!" "Aber gerne..." Blackfire streckte einen Fuß aus und stellte der vor ihr gehenden Person ein Bein. Mochte es dieser genauso dreckig gehen wie ihr im Augenblick! Coryn stolperte und klatschte erneut in den Moder. 'Na warte', dachte er, als er wieder auftauchte und zog Karylla die Füße weg. Diese machte nun auch den zweiten Tauchgang für heute. Sie fluchte, weil sie nicht ihre Schwester erwischt hatte und machte zwei rasche Schritte, ehe sie das nächste Beinpaar ergriff. Es klatschte doppelt in der stinkenden Brühe. Jana fluchte lästerlich. Langsam hatte sie genug. Und Alan war nahe daran, Blackfire so lange unterzutauchen, bis sie... Ryko hob amüsiert eine Augenbraue. "Mir scheint, Ihr habt Probleme? Kann ich Euch - auf welchem Weg auch immer - behilflich sein?" "Sehr witzig", knirschte Stardust und kletterte auf den Sims zurück. "Aus mir sprach die reinste Besorgnis, Lady Nardia..." Unterdessen war Karylla auf den gegenüberliegenden Sims geklettert, auch wenn sie rein gar nichts sehen konnte. Hier ging es ums Prinzip, und sie war derart mies gelaunt, daß sie einfach niemanden in ihrer Nähe ertragen konnte, und schon gar nicht auf so einem schmalen Sims. "Irgendwie kann ich Euch das nicht abnehmen", sagte Jana zu 'Sir Cayvyn'. Inzwischen hatten auch Coryn und Alan das Trockene erreicht - zumindest das, was man hier darunter verstehen konnte. "Können wir jetzt weiterflanieren?" erkundigte sich Ryko dezent herablassend. "Nachdem Ihr Eure Spielchen gespielt habt, sollten wir uns allmählich den ernsteren Dingen zuwenden..." "Ach!" äußerte sich Stardust wütend. "Wir spielen Spielchen?" Sie drehte sich zu Cayvyn um, auch wenn sie diesen bei den hiesigen Lichtverhältnissen nicht ausmachen konnte. "Wie würdet Ihr dies sonst bezeichnen?" Derweil stand Karylla auf der anderen Seite und grumpfte vor sich hin. Irgendwie war diese ihre Idee ein äußerst dummer Einfall gewesen; schließlich hatte sie in den letzten Minuten nicht dazugelernt, wie sie im Dunkeln sehen könnte. Aber andererseits war das hier hauptsächlich eine Frage des Prinzips, und sie würde nicht klein beigeben. Sie nicht! "Gewiß nicht als 'Spielchen'!" knurrte Stardust. "Aha. Dies ist also, wie Ihr Euren Job erledigt? - Sauber", bemerkte Ryko anzüglich. "Welchen Job?" fragte Jana scheinheilig. "Das, aus welchem Grund auch immer Ihr hier seid. Es sei denn natürlich, Ihr beliebt, Euren Urlaub in Kerkern und Abwasserkanälen zu verbringen." "Natürlich! Ich liebe es, in diesem Matsch herumzukriechen!" Stardust war nahe daran, ihm an die Gurgel zu springen. Wenn sie nur etwas erkennen könnte... Sir Cayvyn sollte besser nicht noch einmal das Wort 'Urlaub' erwähnen! - Obwohl, es hatte ja eh keinen Zweck, ihn umbringen zu wollen... Mist-Androiden! 'Hm', dachte sie. 'Wo war eigentlich Acy?' Jana drehte sich um und wäre dabei beinahe ausgerutscht. Sie hielt sich krampfhaft an Alan fest. Graaa... "Eine Dusche, ein Sternenreich für eine Dusche", grummelte unterdessen Karylla auf der Gegenseite vor sich sich hin. "Und Raumspray - oder besser gleich ein örtliches Betäubungsmittel für meine Nase..." Sie tastete sich weiter an der glitschigen Wand entlang. Pfui! Und von den anderen war auch weder etwas zu sehen noch zu hören. Sie bemühte sich voranzukommen, doch plötzlich verlor sie schon wieder den Boden unter den Füßen. Mit ein paar besonders pittoresken Flüchen verschwand sie zum dritten Mal in der stinkenden Brühe. Es klatschte schon wieder. Jana blieb irritiert stehen. Wer war denn jetzt hineingefallen? Naja, egal, hauptsache, sie war es nicht... "Mir reicht's!" brüllte Blackfire entnervt. "Ich will hier raus, sonst kriege ich einen Blutrausch!" "Ach?" machte Coryn, und auch Alan sah fasziniert zu Blackfire herunter. Sie machte sich gut in Infrarot im Abwasser. "Und was hast du davon?" erkundigte sich Stardust neugierig. "Die lustvolle Befriedigung, fortan von deinen blöden Bemerkungen verschont zu bleiben!" "Wohl kaum. Ich werde dich auch weiterhin damit beglücken." "Wart's nur ab!" Karylla watete drohend in Richtung auf Janas Stimme. "Wag es ja nicht!" warnte Stardust, als sie das Platschen hörte. Sie machte sich sicherheitshalber daran, eiligst Alan und Coryn zu folgen. Ryko schüttelte bloß den Kopf. Seine werte Partnerin schien aus irgendwelchen Gründen schlechte Laune zu haben. Er packte sie am Kragen ihrer Bluse und zog sie mit einem Schwung nach oben. Karylla fauchte ihm ein 'Dankeschön' zu, und Ryko überlegte einen Moment, ober sie nicht vielleicht doch lieber wieder nach unten befördern sollte. Jedoch anbetracht der Tatsache, daß sie seit geraumer Zeit seine Lebensgefährtin war und ansonsten eigentlich nichts dagegen sprach, diesen Zustand noch etwas beizubehalten, unterließ er die Anwandlungen tunlichst. Nach einer weiteren Biegung konnte man in der Ferne einen schwachen Schimmer wahrnehmen. Anscheinend kamen die entgegen aller Erwartungen doch noch zu einem Ausgang. Alan beschleunigte seine Schritte, denn er wollte schleunigst hier heraus, und Jana bemühte sich, ihm zu folgen, was aber dem glitschigen Stein und mit ihren nassen Stiefeln gar nicht so einfach war. Blackfire fürchtete schon Schlimmes, falls sie jemals wieder hier herauskamen. Ihre abenteuerliche Modecréation - verschmierte Rüschenbluse, Tanga-Slip, TM-Gürtel und Kupferstiefel, alles dezent in Matsch und Moder gehalten - würde unzweifelhaft nicht unbeträchtliches Aufsehen verursachen. Plötzlich erreichte die Gruppe das Ende des Simses, auf dem sie entlangbalanciert waren. Nun floß die Abwasserbrühe durch ein Rohr weiter, das gerade weit genug war, um jeweils eine Person durchzulassen. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als wieder in den Pamp zu steigen. Seufzend kletterte Alan in die Kloake, und Coryn & Jana folgten ihm. Umkehren würden sie auf keinen Fall. Karylla wollte gerade tief Luft holen, um lautstark Protest einzulegen, aber einer neuerliche Wolke bestialischen Gestanks ließ sie diese Absicht sogleich verwerfen. Sie hatte es gewußt, sie hätten lieber in der Zelle bleiben und auf die Typen warten sollen, die sie zu Xi bringen wollten! Aber nein, Stardust mußte ja auf einem Fluchtversuch bestehen! Ihr wurde es noch übler als ihr ohnehin schon war, und sie hegte die Befürchtung, daß ihr Mageninhalt gleich dem restlichen übelriechenden Abwasser Gesellschaft leisten würde. Aber das würde hier wohl auch nichts mehr ausmachen, dachte sie fatalistisch und kletterte hinter Ryko her, der bereits vorangeeilt war. Plötzlich ging es im freien Fall abwärts, und Alan, Coryn und Jana knallten auf einen Rost, der sie kräftig durchschüttelte. Unzweifelhaft waren sie hier in der städtischen Kläranlage gelandet und wurden soeben mit den anderen 'festen Bestandteilen' der Brühe aussortiert und per Fließband auf eine Müllhalde transportiert. Stardust wußte überhaupt nicht, wie ihr geschah, bis sie samt einem etwas verfaulten Kadaver, einem rostigen Metallgebilde und diversen Schleimklumpen auf dem Abfallhaufen landete. Sie schluckte schwer. Gleich würde sie sich übergeben müssen... Auch Blackfire wurde mit Vehemenz durchgeschüttelt. Dabei war ihr doch schon so schlecht genug! Als sie dann inmitten eines Haufens geruchsmäßiger Unaussprechlichkeiten auf die Müllkippe befördert wurde, beschloß sie, sich nunmehr doch noch einer gnädigen Ohnmacht anheim zu geben. Hauptsache, sie sah und roch nichts mehr von all dem Zeug... Coryn wollte gar nicht wissen, worauf er gelandet war. Er hielt den Blick starr geradeaus gerichtet und stieg von dem Berg aus Unrat, der sich ebenfalls langsam fortbewegte. Auch Alan hatte den Platz eiligst verlassen, als er feststellte, daß hier nicht die Endstation des Mülls war, sondern dieser auf der anderen Seite der Halle stetig in einem Konverter verschwand, wo mit einem Desintegratorfeld auch die gefährlichsten Stoffe sicher vernichtet wurden. Sie hatten Glück, daß der ganze Abfall von der Aufbewahrungshalle aus noch durch ein Detektorfeld geleitet wurde, um etwaige wertvollte Stoffe auszusortieren, sonst wären sie wohl auf nimmer Wiedersehen aufgelöst worden. Stardust bequemte sich nun ebenfalls, die Müllhalde zu verlassen. Sie sah sich um. Acy war anscheinend umgekippt, und Sir Cayvyn hatte sie sich über die Schulter geworfen. Angeekelt blickte Jana an sich herunter. Sie war von oben bis unten mit grau-grün-braunem Matsch beschmiert. Pfui! Vor allem schien sich das Zeug nicht nur auf, sondern auch noch unter ihrem Overall zu befinden... Wo war bloß die nächste Dusche? Unterdessen hielt Ryko Umschau nach der letzten Klärstufe, denn dort sollte das Wasser ja schon annähernd sauber sein. Er warf seine Gefährtin kurzerhand in das Wasserbecken und sprang hinterher. Die restlichen Drei folgten ihm, denn sie wollten so schnell wie möglich diesen ekel-klebrigen Dreck loswerden. Nach einem Tauchgang hockte sich Jana auf den Rand des Beckens und zog erstmal die Stiefel aus. Fasziniert betrachtete sie den grüngrauen Matsch in diesen. Langsam war auch Blackfire wieder zu sich gekommen und genoß das Bad, auch wenn das Wasser selbst noch nicht ganz sauber war. Ein Fortschritt gegenüber den gänzlich ungeklärten Abwässern war das auf jeden Fall! Sie entledigte sich kurzerhand auch noch ihrer Bluse und befreite diese notdürftig von dem Dreck. Coryn und Alan hatten sich gleichfalls von ihren schmutzigen Klamotten getrennt und wuschen diese aus. Janas Maskerade, d.h. Perücke und Kontaktlinsen, schwammen in der Klärstufe herum. Dieser Schleim hing aber auch überall! Schließlich pellte sie sich doch noch aus dem Overall. Was sollte es? Hauptsache, der Dreck ging weg... Für einen außenstehenden Beobachter dürfte Angelegenheit verdächtig nach einer Orgie im Klärwerk aussehen, dachte Karylla belustigt und entfernte den letzten Schlamm aus ihren Haaren. Stardust tauchte nochmals unter, um den restlichen Matsch loszuwerden. Das Wasser hier war zwar auch nicht ideal, aber diesen Zweck erfüllte es allemal. Endlich war sie wieder sauber und kletterte aus dem Wasser. Aber nun erneut in den patschnassen Overall? Pfui! Blackfire wickelte sich wieder in ihre Rüschenbluse. Jetzt konnte sie es auch riskieren, in die Lightning zurücktransmittieren ohne den Raumer total zu verdrecken. Sie seufzte tragisch, trat zu Ryko herüber und sah ihn schuldbewußt an. "Tut mir leid, daß ich dich so angefaucht habe, mein Schatz..." Sie fuhr ihm zärtlich durch die nassen Kupferhaare, und er lächelte sie an. Jana betrachtete fasziniert Acys TM-Gürtel. Seit wann hatte sie denn sowas? Es sei denn... Stardust kniff die Augen zusammen. Ach was, Acy konnte niemals Blackfire sein! Außerdem hatte sie die beiden schon mal zusammen gesehen. "Mir ist kalt!" Karylla kuschelte sich an Ryko, und dieser schüttelte wieder einmal den Kopf, bevor er sie in die Arme nahm. Sie sollten langsam aus der Klärstufe verschwinden, dachte er und hob seine Gefährtin hoch, um sie auf dem Trockenen abzusetzen. Auch Coryn und Alan hatten inzwischen genug von dem Wasser und waren aus dem Bassin gestiegen. Während Coryn noch seinen Overall auswrang, betrachtete Alan nachdenklich die Kläranlage. Soweit also ihr Versuch, Xi zu finden... "Und nun?" meinte Blackfire. "Also, wenn es nach mir ginge, würde ich mich jetzt erst einmal ein paar Tage intensiverer ...Entspannung widmen..." Ihr Zeigefinger wanderte vielsagend über Rykos Brust, und dieser konnte ein belustigte Grinsen nicht unterdrücken. "Wir hatten etwas anderes vor", machte er Karylla amüsiert aufmerksam. "Naja... Wenn du meinst?" "Ich meine!" "Schaaade..." Stardust hatte sich immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden können, in den klammen Overall zu steigen. Sie würde jetzt liebend gerne zur Silver Star zurückkehren, ein warmes Bad nehmen... Seufz! Alan musterte ebenfalls grübelnd sein TM-Armband. Aber so schnell würden sie nicht aufgeben, das schwor er sich. "Wir werden erst einmal in unser Hotel zurückkehren", verkündete Karylla lautstark. Ryko sah sie leicht verwundert an. Welches Hotel? Sie zog ihn kurzerhand mit sich in einen leerstehenden Gang des (vollautomatischen) Klärwerks, und als sie außer Sichtweite waren, sprangen sie zur Lightning zurück. Dort gaben sie sich zunächst einmal einem ausgiebigen Duschbad hin und zogen sich um. Als sie wieder frisch waren, beschloß Blackfire, daß doch morgen auch noch ein Tag wäre, und diesmal hatte Ryko keine Einwände... Das ISPC-Team kehrte zur Silver Star zurück. Jana ließ sich so lange unter der Dusche einweichen, bis sie von Coryn hinausgeworfen wurde, da er endlich auch mal ins Bad wollte. 3763/01/50 GZ "Einen wunderschönen guten Morgen, Kary", ertönte es schwungvoll, und sie spürte, wie Ryko ihr einen Kuß auf die Stirn gab. "Wunderschöner Morgen? Wo? Stell ihn mir vor", brummelte Blackfire und schnupperte. Kaffee! Sie schlug die Augen auf. Ryko hatte ihr wie meist das Frühstück ans Bett gebracht. Schön! Sie strahlte ihn an, auch wenn es noch sehr früh am Morgen war. "Danke, mein Schatz... - Was steht denn heute an?" "Die Inhaftierung von Xi I, die 2.", meinte er. "Hör mir bitte mit Filmen auf", stöhnte Karylla. "Davon habe ich seit Return of Firestar genug..." Auf der Silver Star hatte Stardust ebenso wenig Lust aufzustehen. Wozu? Um wieder in einem Schlammloch zu baden? Nein, danke! Aber schließlich wurde sie doch 'überzeugt', da Coryn mit einem Eimer Wasser drohte. Gemeinheit, dabei hatten sie doch noch immer keine Spur! "Und was jetzt?" Blackfire sah ihren Partner ratlos an. "Hey, du bist die Planerin in unserem Team!" Infinity setzte sich auf die Bettkante, legte den Kopf schief und betrachtete Karylla erwartungsvoll. "Hm. Moment, laß mich überlegen..." Sie sah in weite Fernen und schlürfte ihren Kaffee, wobei sie sorgsam darauf achtete, keine Überschwemmung zu veranstalten - einmal, weil sie feuchtes Bettzeug nicht ausstehen konnte, und zum zweiten, weil der Kaffee zum Verschütten viel zu schade war. "Ich glaube, ich habe es", verkündete sie endlich und stellte die Tasse wieder auf dem Schwebetablett ab, nur um diesem einen Schubs zu geben, der es präzise bis an eine Wand ihrer Kabine beförderte. "Wir werden Xi einfach etwas anbieten, bei dem er nicht widerstehen kann. Eine wirklich große Sache!" "Und was? - Hoppla!" Karylla hatte ihn schwungwoll zu sich heruntergezogen und sah ihm treuherzig in die Augen. "Ähm... Keine Ahnung. Das muß ich mir erst noch überlegen." Sie kuschelte sich an ihn. "Soso..." Ryko strich ihr zärtlich über die Wange. "Hm. Ich glaube, ich hab's!" "Und das wäre?" "Ganz einfach: Wir klinken uns ins Organet ein und setzen ein paar Gerüchte in die Welt... Seit dem Untergang des Konsortium D ist doch der Markt im Prinzip leergefegt, was die Serie D-Drogen betrifft. Und wenn wir nun behaupten, wir hätten beträchtliche Quantitäten dieser Psycho-Droge D-Extra anzubieten? Du weißt ja, ich hasse Drogen, aber in diesem Fall fängt man wohl mit Speck die Mäuse... Außerdem setzen wir nur Gerüchte in die Welt." "Mhm." "Auf jetzt! An die Arbeit!" empfahl Blackfire ihrem Partner und schob ihn sachte von sich. Sie hätte ja auch nichts dagegen, noch eine Weilchen hier im Bett zu verbringen, aber ab und zu mußte frau sich auch um die Arbeit kümmern. 3763/02/12 GZ Unterdessen wurden auch auf der Silver Star Pläne geschmiedet, aber die ISPC-Spezialeinheit kam einfach nicht voran. Auch die nächsten Tage brachten rein überhaupt nichts. Dann plötzlich kam ein Auftrag von der ISPC mitsamt einer monumentalen Akte. Das Teil war ein Sammelsurium von Hinweisen, Gerüchten, Mißerfolgen etc. Nichts Vernünftiges, aber es füllte unzählige Seiten. Alan fand es sehr eigentümlich, daß erst jetzt jemand darauf aufmerksam geworden war. Naja, aber sie waren Angestellte der ISPC und mußten Befehle befolgen... Karylla lehnte sich im Sessel des Info-Zentrums von Nightfall Station zurück und legte ihre Füße auf den Kontrollen ab. Sie seufzte hingebungsvoll. Ryko bastelte immer noch an der Lightning II herum, und es war noch kein Ende abzusehen. Im Organet überstürzten sich die Meldungen, denn ungezählte kleine Dealer behaupteten, direkte Händler von Timewind zu sein, der aktuellsten Drogenorganisation in der FGS. Blackfire war fasziniert, welche durchschlagenden Wirkungen bloße Gerüchte immer wieder hatten. Jetzt mußte sich nur noch Xi irgendwo melden... Gefrustet saß Stardust am Leitstand der Silver Star. Die Spezial-Einheit hatte nun schon Dutzende von Kleindealern festgenommen, die angeblich mit Timewind in direktem Kontakt standen, aber alle behaupteten, nichts von dieser neuen Organisation zu wissen. Sie sagten lediglich, sie hätten den Namen Timewind als Promotion-Gag benutzt, um ihre Geschäfte anzukurbeln. Seufz! Und Timewind - falls es ihn wirklich gab - blieb weiterhin total im Dunkeln... 3763/02/19 GZ "Immer noch nichts!" seufzte Blackfire genervt. Ryko stand hinter ihr und wuschelte in ihren Haaren herum (sie trug gerade mal keine Perücke). Langsam wuchs ihr weißblonder Schopf auch wieder nach, stellte er zufrieden fest. Der Afro-Look von der KD-Geschichte hatte Karylla überhaupt nicht gestanden, aber aus Tarnungsgründen hatte es halt sein müssen. "Das einzig Bemerkenswerte zur Zeit sind ein paar eigentümliche Fälle von Geistesverwirrung bei einigen Drogenkonsumenten, die noch nie zuvor bemerkt worden sind." Karylla lehnte sich zurück und schaute nach oben, direkt in Rykos traumhaft tiefblauviolette Augen. "Ein paar Süchtige bekamen seltsame Anfälle und gaben irgendeinen Schwachsinn von 'extragalaktischen Besuchern' von sich, die 'in Liebe und Frieden' kämen... Sie wurden unverzüglich in Psycho-Kliniken eingeliefert, wo sie nach kurzer Zeit - nach einer vollständigen Entziehung - als völlig gesund entlassen werden konnten. - Ob da irgendwer schwer gepanschten Stoff mit Zusatz-Halluzinogenen vertreibt?" "Keine Ahnung. Naja, achte weiter auf die News, ich muß mich um die Lightning II kümmern." "Aye aye..." Auch die ISPC-Mannschaft war auf die merkwürdigen Halluzinationen einiger Drogenkonsumenten gestoßen. Eigenartig war vor allem, daß sämtliche Opfer den gleichen Quatsch von 'extragalaktischen Besuchern' erzählten. Außerdem brachte keine Untersuchung in bezug auf Timewind und Xi irgendetwas. Es gab nicht eine einzige Spur, die man hätte verfolgen können. Das ganze war einfach frustrierend. 3763/02/34 GZ "RYKO! Wenn du nicht unmittelbar wieder aus der Lightning II kommst und dich mal um mich kümmerst und nicht dauernd um dieses dumme Schiff, dann bekomme ich einen Schreikrampf!" "Hm?" Rykos silberner Schopf lugte zur Schleuse des Raumers heraus. "Ist was? Hast du mit mir gesprochen?" "Graaaaaa!" kreischte Karylla. "Ich bin gefrustet, genervt und außerdem ziemlich daneben! Und was machst du!?" "Ich sorge dafür, daß wir bald ein neues Einsatzraumschiff haben", stellte Infinity fest. "Und dafür vergräbst du dich jetzt schon über zwei Wochen Tag und Nacht in der Kiste und hast für mich nicht mal einen Blick übrig - geschweige denn..." "Du bist doch auch beschäftigt", machte Ryko seine Partnerin dezent aufmerksam. "Aber außer den Irren ist nichts los!" Ryko begleitete sie in die Info-Zentrale. "Und das?" Er deutete auf eine Kurzmeldung, die gerade eingetrudelt war. "Natürlich kommt sowas nicht, wenn man drauf wartet", maulte Blackfire. "Xeveri wünscht einen umfangreichen Katalog der Timewind-Angebote.&quo "Klingt doch verdächtig Xi-mäßig, oder?" "Hm..." "Noch einen Bericht über diese Irren mit ihrem Extragalaktiker-Gefasel, und ich raste aus!" seufzte Stardust Es geschah einfach nichts, was eine Spur zu Xi oder Timewind ergab. Nur die Zahl der seltsam geistig Verwirrten stieg stetig an. Alan und Coryn zuckten nur mit den Schultern, wenn Jana ihre Vermutungen zu diesen Typen abgab und widmeten sich wieder dem Umbau der Silver Star, verschwanden in einem der Labors oder ignorierten sie einfach. Neben dem nervenaufreibenden Sichten der Krankenberichte (hatte sie als Chefin der ISPC-Spezial-Einheit nicht besseres zu tun?) waren in der letzten Zeit auch noch unzählige Auftritte von Nardia Blade fällig gewesen. Stardust war nahe daran, den ganzen Krempel zu schmeißen und auch lieber 'Frieden, Liebe, Brüderlichkeit' etc. zu predigen. Diese Leute schienen wenigstens glücklich dabei zu sein. 3763/02/36 GZ Blackfire hatte ihre neuste Maske fertiggestellt. Sie war diesmal als Osikkanerin verkleidet und hatte sicherheitshalber einen gefälschten Weltraumpolizei-Ausweis dabei. Über dieser Aufmachung trug sie via Holoprojektor-Backpack das Outfit eines bärbeißigen Saluna-Diamantenschürfers samt Vocoder, um ihre Stimme zu einem tiefen Baß zu wandeln. Außerdem war sie lediglich mit einer Großpackung Anti-Rausch-Pillen, zwei Speicherkristallen und ihren Pfeilwerfern bewaffnet. So gerüstet wollte sie sich auf das Treffen mit Xeveri begeben, um diesem/dieser/diesen die Unterlagen zu übergeben. Infinity würde mit der alten Lightning im Hintergrund bleiben und wie meistens Rückendeckung spielen. Karylla hatte sich eine üble Raumfahrerpinte ausgesucht, verqualmt bis zum Umfallen (sie haßte es!), nur die absoluten Umhau-Getränke und Schlägertypen allüberall. Wegen ihres beeindruckenden Holo-Images machte man ihr sicherheitshalber Platz, und sie setzte sich an einen der hinteren, schwach beleuchteten Tische, um auf Xeveri zu warten. Die ISPC hatte durch einige Informanten erfahren, daß irgendeine Aktion auf Osikka stattfinden sollte, die mit Timewind zu tun hatte. Mehr wollte oder konnte der Typ offenbar nicht erzählen, also machte das Spezial-Team sich auf den Weg dorthin. Stardust hatte nur schlechten Erfahrungen auf diesem dämlichen Planeten gemacht, daher war sie hochgradig erfreut, schon wieder dorthin zu müssen . Als sie dann noch erfuhr, wo das Treffen stattfinden sollte, war sie vollends begeistert. Sie haßte Kneipen, und insbesondere diese Art, wo man als Frau permanent angefaßt wurde. Graaa... Aber es half alles nichts. Als Chefin der ISPC-Spezial-Einheit konnte sie sich schlecht drücken, und sie wählte also eine Verkleidung, die so gut wie nichts von ihrem Körper erkennen ließ. Coryn bekam bei ihrem Anblick einen Lachkrampf, und selbst Alan fiel es schwer, seine übliche Miene beizubehalten. Die beiden Männer hatten sich in schmuddelige Arbeitsoveralls geworfen, und so machten sie sich auf den Weg. Blackfire wartete. Offenbar hielt ihr Kontakt nicht viel von Pünktlichkeit. Sie hatte schon vier dreifache Asteroidenkiller vernichtet, etwa fünf eindeutige Angebote diverser leichtbeschürzter Mädchen abgeschmettert und hielt sich jetzt an ihrem ersten doppelstöckigen Novablast fest. Inzwischen hatten auch Jana, Coryn und Alan die Kneipe erreicht und sicherten sich einen Tisch, von dem sie den Raum gut überblicken konnten. Stardust war erfreut, daß sie niemand eines zweiten Blickes würdigte. Endlich kam Xeveri! Karylla war fasziniert; der Kontaktmann war ein klappriges Gestell von uraltem Greis, dessen Augen jedoch sein sonstiges Outfit Lügen straften. Gutes Make-Up, dachte sie, aber schließlich hatte sie mittlerweile ein wenig Übung im Durchschauen solcher Masken gewonnen. Obwohl sie natürlich nicht herausfinden konnte, wie der Mann unter dem Make-Up aussah... "Sie gestatten, Hervé Selois", meinte Blackfire, und der Vocoder gab ihre Stimme in grollendem Baß wieder. "Sie wollten das Angebot einsehen?" Derweil hatte Alan eine Person ausgemacht, die ihm verdächtig erschien. Dieser Saluna-Arbeiter war ganz bestimmt kein Saluna-Arbeiter - er war nur eine Holo-Illusion! Darunter steckte eine junge Osikkanerin. Das konnte nur einen Grund haben. Und dieser komische Greis... Entschlossen stürzte sich das Team auf die beiden. "Sie sind verhaftet!" Karylla guckte entnervt auf und desaktivierte das Holo-Feld. Stardust war sprachlos, als der Typ plötzlich eine Lady war. "Wer sind Sie?" fragte Coryn. Blackfire zog ihren Polizei-Ausweis. "Lt.Ellirian, Planetenpolizei Osikka. Ich wollte Kontakt zu Xi aufnehmen", behauptete sie frech. Völlig unerwartet richtete sich der Greis auf und entledigte sich seiner Maske. "Captain Tanya Ricard, Planetenpolizei Tarishaan", sagte diese, reichlich ungehalten. Alles starrte auf die schwarzhaarige Frau. "Mademoiselle Ricard!" brachte Karylla entgeistert hervor und verfluchte sich gleich anschließend für ihre vorlaute Klappe. Auch Stardust war fassungslos. Alan und Coryn war das Ganze nur ausgesprochen peinlich. Blackfire faßte sich als erste wieder. "Es hat den Anschein, als ob wieder einmal die rechte Hand der Weltraumpolizei nicht wußte, was die Linke tat... Das ist mir höchst unangenehm..." Die übrigen Besucher des Lokals bekamen sich vor Lachen nicht mehr ein. "Es ist wahrlich eine Schande", meinte Coryn. Warum passierte bloß immer ihnen so etwas! Stardust beschloß, lieber den geordneten Rückzug anzutreten, bevor noch jemand herausbekam, daß ihre Truppe nicht von der Polizei war. Auch Blackfire machte sich lieber auf und davon. Sie fand, daß Stardust in ihrem ...Zelt (?) einfach nur albern aussah. Sie düste gen Toilette und sprang von dort zur Lightning zurück, um sich erst einmal ausgiebig von Ryko trösten zu lassen. Und dann mußte sie sich etwas neues überlegen. Tanya Ricard! Tsy, wenn es ums Verkleiden ging, war die Frau fast so gut wie sie... Karylla fragte sich nur, wie Tanya es geschafft hatte, ihre üppigen Formen so gut zu verstecken. Auf der Silver Star war die Stimmung inzwischen auf dem Nullpunkt. Nach ihrer Rückkehr von Osikka hatten sie dort schon wieder einiges an Aktenmaterial vorgefunden. Schon wieder Berichte über diese Geisteskranken, seufzte Jana gestreßt. 3763/02/39 GZ Gereizt tigerte Karylla durch die Info-Zentrale von Nightfall Station. Sie hatte kurzerhand TTV III (Fernsehsender von Tarishaan) auf den Großen Schirm gelegt, weil gerade das aktuelle Live-Konzert von Wild Screaming Green Thing übertragen wurde. Der Sänger sah genauso aus und tat auch das, was der Name der Band verhieß. Blackfire 'sang' lautstark mit, da Ryko eh wieder in der Lightning II bastelte. Wahrscheinlich war das Schiff eher fertig als sie dachte, überlegte Karylla, ehe sie beschloß, vielleicht noch einmal einen Abstecher nach Shanjir zu machen, wo doch das HQ von Xi dort liegen sollte. Naja, zumindest eine wichtige Basis. Aber davor kam erst noch diese dösige Einladung zu diesem langweiligen ISPC-Benefizfest... Ziemlich niedergeschlagen kehrte das ISPC-Team zur Starcave zurück. Seit sie in diesem Verein waren, ging aber auch alles daneben! Zudem hatte Jana entschieden genug von Krankenberichten. Vielleicht sollte sie Eremit oder sowas werden... Hm. Lieber doch nicht, überlegte sie. Das war bestimmt noch langweiliger... Warum kamen sie aber auch nicht den geringsten Schritt voran! Und dann war da noch morgen dieses blöde Benefizfest der ISPC, auf dem sie zu erscheinen hatten. Sie sollte sich schon mal überlegen, warum Nardia verhindert war. 3763/02/40 GZ Karylla Noir - jetzt ja wieder Alycia Blade -war begeistert. Endlich hatte sie ihren herzallerliebsten Lebensgefährten mal wieder nur für sich. Allmählich fragte sie sich schon, ob er nicht vielleicht mit dem Bordcomputer der Lightning II angebandelt hatte - er schwärmte jedenfalls in höchsten Tönen von ihr... Acy warf sich in einen engen, schwarzen Coverall mit selbstleuchtenden Neon-Applikationen; dazu trug sie eine silberweiße Perücke, ebenfalls mit Neon-Schmuck. Cayvyn war diesmal wieder in grün und gold gewandet, den traditionellen Farben des Königreichs von Ost-Sdayinisa, dem seine Mutter entstammte. So gerüstet transmittierten sie zunächst in Acys Garten, von wo aus sie mit einem Aero-Shuttle zur ISPC-Zentrale fuhren. Stardust stieg soeben aus Cass. Sie blickte seufzend an dem monumentalen ISPC-Gebäude hoch. Die verspiegelten Fenster wirkten irgendwie geheimnisvoll. Sie betrat die Eingangshalle und fuhr mit dem Lift in die erste Etage, wo sich ein riesiger Saal befand, der zur Zeit zum Platzen voll war, wie Jana feststellen mußte, als sie sich hineinschob. Irritiert bemerkte sie, daß ihr die Blicke nicht weniger Leute folgten. Das mußte wohl daran liegen, daß sie ausnahmsweise mal etwas anderes anhatte als ihren normalen, schäbigen schwarzen Overall. Aus Frust hatte sie sich nämlich in ein elegantes, eisblau/silber-changierendes Kleid gewandet und ihre weiße Mähne kunstvoll aufgesteckt. Komisch, dachte sie, was so ein Fummel ausmachte! Nachdem Alycia aus dem Aero-Shuttle geklettert war, mußte sie sich durch eine ziemliche Besucherschar kämpfen, nur um in das Foyer des Gebäudes zu gelangen. Dort sah man diverse Türen, ein rechteckiges Empfangspult und im Hintergrund die 'Ahnentafel' der CASS-Fahrer. Das oberste Bild dieser Tafel zeigte ein Portrait von Tyron Firestar Star, mit seinem berühmt-berüchtigten Grinsen im Gesicht. Zur Linken befanden sich fünf Aufzüge, vor denen eine ziemliche Menge Leute wartete. Acy hakte sich bei Sir Cayvyn ein und reihte sich mit ihm in die Schlange der Wartenden. Da oben gab es bestimmt etwas zu essen, vermutete Cayvyn und setzte ein huldvolles Lächeln auf. Er war in letzter Zeit kaum dazu gekommen, etwas zu sich zu nehmen, denn die Justierungen am neuen Bordcomputer der Lightning II waren zeitraubender gewesen, als er geahnt hatte. Aber in den nächsten Tagen würde er endlich soweit sein! Stardust hatte das Buffet erspäht und stürzte sich gleich auf die Fressalien. Das war eh das einzig Gescheite an so einem Fest. Bei den Eßwaren traf sie auch Coryn, der sich diesmal in einen metallicdunkelblauen Overall mit silbernen Verzierungen geworfen hatte. Da! Begeistert stürzte sich Cayvyn auf die Hors d'Oevres. Er schaufelte einen monumentalen Berg Futterage auf seinen Teller. "Seid mir begrüßt, Monsieur Arvhayn, Mademoiselle Star", meinte er zwischen zwei Häppchen. Jana nickte grüßend, da sie gerade den ganzen Mund voll hatte. "Hi!" erwiderte Coryn und fischte nach einer weitere Pastete. Endlich hatte sich auch Acy nach vorne durchgetankt. Der Berg auf Cayvyns Teller war bereits halbiert. "Huhu", machte sie nur, bevor sie sich ihrerseits auf das Buffet stürzte. "Hallo", entgegnete Stardust. Noch einen Bissen, und das Kleid würde sich verabschieden, dachte sie und verließ schweren Herzens die Leckereien. "Hat hier irgendjemand eine Bowle oder sowas gesehen?" Alycia spähte suchend in die Runde. Coryn blickte von der Tafel auf. "Da hinten ist eine Bar!" vermeldete er und deutete in die entsprechende Richtung. "Ich danke Ihnen, Monsieur Arvhayn! Sie haben soeben eine arme Künstlerin vor dem Verdursten gerettet..." Acy entschwebte dorthin. Auch an der Bar waren massenhaft Leute versammelt. Entschlossen packte Jana Coryn und schleifte ihn mit sich hinter Alycia her. Sie würde schon dafür sorgen, daß andere Leute auch noch etwas zu essen bekamen. Derweil hatte sich Acy einen Becher (größte vorhandene Sorte) erkämpft und versuchte nun, etwas Trinkbares zu ergattern. Was immer es war, es schimmerte helltürkis, und es schwammen blauviolette Kügelchen (Beeren?) drin herum. Sie betrachtete es erst einmal sehr mißtrauisch. Coryn war indes eine phänomenale Idee gekommen. Er hatte doch noch immer vor, Jana und Alan wieder zu versöhnen. Und da sie nun ohnehin schon an der Bar waren, konnte er ja auch gleich seine Geheimvorräte plündern. Er verschwand kurz hinter der Bar und kehrte mit zwei Gläsern und einer Flasche zurück. Stardust musterte ihn zweifelnd. Alycia fand das Bowlen-Getränk nach dem zweiten Becher durchaus genießbar. Um genau zu sein, fand sie es sogar ausgezeichnet. Sie klopfte leicht angeheitert den Takt eines ihrer aktuellen Lieblingslieder auf die Bar. Hm. Es paßte irgendwie nicht zu dem langweiligen Gedudel im Hintergrund, stellte sie fest. Sie summte kurzerhand Weird Attack von Explosive Symphony vor sich her. Unterdessen hatten sich Jana und Coryn an einen Tisch plaziert. 'Hm, das Zeug schmeckte gut', fand Stardust. Aber sie hatte irgendwie den Verdacht, daß Coryn irgendeine Absicht hegte, als er ihr diesen faszinierenden silbernen Wein anbot. Inzwischen hatte Acy den Musik-Computer entdeckt. Da mußte man doch bestimmt auch etwas Fetzigeres kriegen können, beschloß sie und tippte kurzerhand als nächste 12 Songs einen repräsentativen Querschnitt der aktuellen Hardrock-Szene ein, von Explosive Symphony über die Sun Smashers, bis hin zu den absoluten Senkrechtstartern Wild Screaming Green Thing. Mit Glas Nummer 3 in der Hand stand sie neben der Anlage und hielt Ausschau nach Sir Cayvyn, da sie langsam wieder so anlehnungsbedürftig wurde... Plötzlich nahm die Musik beachtliche Lautstärke an. 'Grummel', dachte Jana. Ihr war doch eh schon ganz dödelig! Cayvyn hörte die Musik und hob irritiert eine Augenbraue. Diese Auswahl klang verdächtig nach Acy... Er spähte in Richtung Musik-Computer und entdeckte seine Gefährtin, die - ein so gut wie leeres Glas in der Hand - mit beträchtlicher Schlagseite an der Wand lehnte und dezent mitgrölte. Sorgenvoll überprüfte er seinen Gürtel - ah, doch, die Anti-Rausch-Pillen hatte er dabei. Zielstrebig marschierte er quer durch den Saal zu Alycia. Stardust mußte sich an Coryn festhalten, da anscheinend der ganze Saal rotierte. Aber Hauptsache, dieser Lärm hörte endlich auf! Wenn es sein mußte, würde sie diesen komischen Musik-Computer zerlegen. Acy bewachte denselben jedoch eifersüchtig. Es sollte bloß nicht wieder jemand auf den Gedanken kommen, erneut all diese Schnulzen und das andere Discolala anzuwählen! 'Was hat Coryn mir da bloß eingetrichtert?' fragte sich Jana verwirrt. Und wenn diese Musik nicht sofort aufhörte... Endlich waren sie bei dem Computer angekommen. Coryn grinste bei Acys Anblick, denn das würde garantiert einen Kampf geben... Gerade jaulte Wild Screaming Green Thing 'You're greener than you think', und Alycia jaulte gnadenlos mit. Das war eindeutig zuviel für Stardusts Nerven. Das Lied alleine war ja schon genug, um ganze Volksstämme auszurotten - aber Acys 'Gesang'... Entschlossen tippte Jana auf die aus-Taste. Alycia Blade schob sie energisch weg und reaktivierte ihre Auswahl. Noch einmal von vorne 'You're greener than you think!' Stardust schaltete erneut aus. Das Spielchen wiederholte sich auf Acys Seite. aus! Jana schaute ihr Gegenüber drohend an, und diese funkelte zurück. an! - aus! - AN! - AUS! Inzwischen waren schon die ersten "Aufhören!"-Rufe laut geworden, doch das störte die beiden gar nicht. "Und ich sage, die Musik bleibt an!" giftete Acy. "Sie bleibt aus!" knurrte Jana. Wortlos hieb Alycia mit der Faust auf den Schalter. 'Greeener...' grölte es aus der Anlage. Stardust drückte erneut die aus-Taste. Cayvyn schüttelte nur leidend den Kopf und fragte sich, wie er seiner Partnerin die Anti-Rausch-Pillen verabreichen konnte. Warum mußte sie auch immer einen über den Durst trinken? Ein weiteres Mal setzte die Musik ein. In diesem Augenblick taucht Alan auf, in seiner neuen Identität als Hawk of Dawn. Das hatte er sich doch gedacht! Natürlich hatten Nardia und Alycia wieder Streit... Entschlossen schob er die beiden zur Seite und stellte das alte Programm wieder ein. Acy funkelte ihn erbost an und versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben. Er ging ihr aus dem Weg. "Wenn Sie dieses Spielchen nicht lassen können, bin ich befugt, Sie aus dem Saal zu entfernen." "Diese Party ist ohnehin die langweiligste, die mir seit der Bottle-Party bei Thorn Graven untergekommen ist!" Hocherhobenen Hauptes stolzierte sie an Hawk vorbei in Richtung Ausgang. Dieser blickte ihr hinterher. Genau in diesem Augenblick sprang am anderen Ende des Saals jemand auf einen Tisch und begann, vom universellen Frieden und dem Besuch der Extragalaktiker zu predigen. Jana runzelte verwundert die Stirn. Was sollte das schon wieder? Acy wirbelte herum. Ein Live-Irrer! Bedauerlicherweise hatte sie wirklich etwas zu viel intus und verlor erst einmal das Gleichgewicht. Höchst unelegant auf dem Boden sitzend, starrte sie nach oben, wie der Verrückte wirres Zeug von sich gab. Verdfluxt, und sie konnte sich doch nicht konzentrieren, weil sie sich wie in Watte verpackt fühlte. Das nächste Mal würde sie einen Riesenbogen um die Bowle machen, vor allem, wenn sie so eigentümlich aussah wie diese... Stardust sah sich in einer vergleichbaren Lage; auch sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, da um alles um sie herum zu wirbeln schien. Zudem kamen ihr plötzlich so komische Einfälle... Nein, schwor sie sich, nie wieder würde sie etwas trinken, das sie nicht kannte. Hawk und Coryn waren ebenfalls überrascht. Einer dieser Drogen-Irren hier? Überaus seltsam. Cayvyn hatte endlich genug. Er hielt Acy die Nase zu, und als sie den Mund öffnete, um nach Luft zu schnappen, steckte er ihr kurzerhand drei der Anti-Rausch-Pillen hinein. Sie guckte ihn verdattert an, umso mehr, als er sie ungalant in die Höhe zog. Damit sie sich nicht losreißen konnte, um etwas Unüberlegtes zu tun, legte er fest die Arme um sie, während er primär die augenblickliche Situation genauestens analysierte. Hm. Hieß es nicht, diese Wahnsinnsanfälle seien eine Folge des Gebrauchs dieser neuen Droge? 'Irgendetwas stimmt hier nicht', dachte Hawk. Diese Anfälle sollten doch angeblich nur nach Drogengebrauch auftreten? Es mußte einfach noch etwas anderes dahinter stecken. Coryn hielt Stardust fest, da diese bedenklich schwankte. Es war wohl doch keine so gute Idee gewesen, überlegte er schuldbewußt. Wie bekam er sie jetzt bloß wieder nüchtern? "Umpf", machte Alycia und schüttelte den Kopf. "Was mache ich eigentlich hier?" Sie stellte fest, daß ihr Gefährte sie ziemlich nachdrücklich in den Armen hielt. "Hey!" "Wenn du nicht immer deine extravaganten Szenen abziehen würdest..." begann Cayvyn eine umfangreiche Standpauke, die jedoch von Acy abrupt unterbunden wurde. "Scht! Hör mal, der Typ scheinen einen absoluten Hammer zu haben!" Sie deutete mit dem Kinn zu dem 'Prediger' hinüber. "Ach! Daß du das auch schon merkst..." Kurz darauf stürmten zwei orange gekleidete Notfall-Sanitäter in den Raum und führten den Mann ab. Die Party ging weiter, als wäre nichts geschehen. Alycia hatte sich unterdessen doch wieder an einen Tisch begeben, schlürfte einen Kaffee Marke Herztod, den ihr Cay verordnet hatte und wunderte sich, was diesen Wahnsinnsanfall wohl verursacht haben mochte. Es war alles sehr mysteriös... Hawk beobachtete amüsiert Jana und Coryn, während er etwas über den 'Irren' in Erfahrung zu bringen suchte. Laut diverser Akten war er in der Abrechnung tätig und ein völlig 'normaler' Mensch gewesen - bis jetzt. Es gab keinerlei außergewöhnliche Daten. Sehr merkwürdig. "Cay, ich habe keine Lust, hier noch länger herumzuhängen", meinte Acy leicht genervt. "Es ist öde, langweilig, und die Musik bringt mich noch um den Verstand!" "Aber das ist doch hier die beste Möglichkeit, einmal an Ersthand-Infos über diese neue Droge zu kommen", äußerte Cayvyn kopfschüttelnd. "Trotzdem..." Alycia legte den Kopf an seine Schulter. "Ich hab dich soooo lieb", seufzte sie. "Das weiß ich doch - aber jetzt haben wir effektiv keine Zeit dafür!" "Schmoll..." "Sehen wir uns lieber die Leute hier explizit an." Da Hawk mit dem 'Irren' fertig war, begann er, die anderen Anwesenden ebenfalls systematisch zu überprüfen. Man konnte ja nie wissen, vielleicht brachte das ja etwas. Coryn überlegte immer noch, wie er Stardust entweder nüchtern bekam oder loswurde, aber ihm fiel einfach nichts ein. Anti-Rausch-Tabletten hatten mit diesem Wein zusammen eine fatale Wirkung. Es war vermutlich das beste, wenn er sie einfach unter eine eiskalte Dusche stellte. "Die Leute hier sehen alle ganz normal aus", bemerkte Alycia genervt. "Und - können wir jetzt endlich gehen?" "Kommt gar nicht in Frage! - Du kommst jetzt mit." Er schob sie unerbittlich in Richtung Buffet. "Jetzt futtere erst einmal etwas, das bringt dich vielleicht auf andere Gedanken." "Hm..." Acy musterte Cayvyn mit einem begehrlichen Blick. Was hieß hier 'das bringt dich auf andere Gedanken'? Es brachte sie höchstens darauf, daß sie jetzt lieber ihren Schatz zum Nachtisch vernaschen wollte. Pah, die ganze Zeit an der Lightning II herumbasteln... Sie war schließlich auch nur eine Frau! Seufz... In ihre diesbezüglichen Überlegungen platzte ein neuerlicher Wahnsinnsanfall. Alycia riß die Augen auf. Das war doch Joël Lasalle, der Chef der ISPC! Hawk hatte nichts finden können, doch als nun Lasalle 'predigte' war er wirklich überrascht. Von diesem Mann wußte er mit Sicherheit, daß er noch nie etwas mit Drogen zu tun hatte oder haben wollte. Es mußte offenbar wirklich einen anderen Grund für dieses merkwürdige Verhalten geben. Hawk bahnte sich einen Weg durch die Menge und führte Lasalle persönlich aus dem Festsaal. Er mußte einfach herausfinden, was dahinter steckte. "Hinterher!" meinte Alycia plötzlich. Jetzt war sie wieder in ihrem Element, denn es schien offensichtlich doch noch Action zu geben. Sie verfluchte ihren Leucht-Coverall und düste so unauffällig wie möglich durch dieselbe Tür wie dieser Hawk of Dawn (sie hatte seinen Namen endlich herausgefunden). Coryn hatte Stardust nun tatsächlich unter die Dusche gestellt, denn er wollte hinter Hawk her. Jetzt war Jana zwar pitschnaß, aber wach. Leider hatte er von dem Wasserregen auch einiges abbekommen, da er sie gewaltsam am Verlassen der Kabine hindern mußte. Stardust fluchte zwar ununterbrochen, folgte Coryn jedoch trotzdem zu Hawk. Alycia hatte Hawk zwar aus den Augen verloren, aber als sie sich in eine Ecke drückte und überlegte, hörte sie jemanden kommen. Sie spähte vorsichtig um die Ecke. Aha! Stardust, diese dusselige Kuh und das Coryn-Wesen. Erstere völlig und letzterer halbnaß. Sehr eigenwillig... Aber da sie vehement tropften, brauchte Acy nur dem Wasser auf dem Boden zu folgen. Jana war zwar immer noch nicht nüchtern, aber im Moment zu ärgerlich, um darauf zu achten. Sie stürmte den Raum, in dem Hawk Lasalle festhielt. Der ISPC-Departmentleiter von Tarishaan schenkte ihnen keine Beachtung, sondern erzählte munter weiter. Hawk musterte die Neuankömmlinge mit einem eigentümlichen Blick. "Er scheint irgendwie nicht er selbst zu sein", bemerkte Hawk. "Wieso?" wollte Coryn wissen. Unterdessen stand Alycia an der Tür und lauschte fasziniert. Lasalle war nicht mehr er selbst? Das eröffnete durchaus neue Perspektiven. Sie klebte an der Pforte und drückte sich ihre linkes Ohr platt. Hm, wo hatte sie nur Ryko verloren? Hawk hatte das merkwürdige Gefühl, daß jemand lauschte. Er machte einen raschen Schritt und riß die Tür auf. Natürlich hatte dies zur Folge, daß Acy schwungvoll ins Zimmer flog. "Suchen Sie etwas?" fragte er. "Ja, das Bad", entgegnete sie schlagfertig. "Und da hier die Tropfenspur hinführte, dachte ich..." Jana sah sie giftig an. "Ich muß Sie enttäuschen, das Bad befindet sich am anderen Ende des Flurs!" "Ah! Dann entschuldigen Sie bitte vielmals... - Nebenbei, was ist den Monsieur Lasalle widerfahren? Er hatte plötzlich so wirres Zeug von sich gegeben - ist er krank?" "Nein", sagte Hawk und hielt unmißverständlich die Tür auf. Acy erhob sich umständlich vom Fußboden und stolzierte hinaus, nicht ohne sich zu überlegen, wo wohl der Lüftungsschacht hinführte, dessen Gitter in das Zimmer reichte. Sie hatte draußen etwas Vergleichbares gesehen. Mit Full Speed raste sie aus dem ISPC-Gebäude hinaus, das gegen Transmit-Aggregate abgeschirmt war, und sprang zur Villa Alycia, von der sie kaum zwei Minuten später im Blackfire-Dress zurückkehrte. Sie schlich sich im Schutz eines bodenlangen, grauen Capes in die ISPC-Zentrale zurück. Und nun der Lüftungsschacht... Hawk warf die Tür hinter Alycia ins Schloß und wandte sich erneut Joël Lasalle zu. So schien diesem nichts zu fehlen, aber warum faselte der Mann solch einen Schwachsinn? Coryn und Jana bemühten sich derweil, den ISPC-Chef irgendwie dazu zu bringen, etwas anderes von sich zu geben. Plötzlich hörte Hawk ein Geräusch im Lüftungsschacht. Er ging zu dem Gitter und öffnete es. "Einen wunderschönen Guten Tag, Monsieur Starhawk", begrüßte Blackfire ihn mit einem hinreißenden Lächeln. "Ebenfalls Guten Tag. Sind Sie von der Rohrreinigung?" fragte er nachdenklich. Diese Frau wurde man einfach nicht los. "Nein, ich kam zufällig hier vorbei, und als ich die ganzen Lüftungstunnels sah, konnte ich einfach nicht widerstehen. Frau muß schließlich in Übung bleiben." Hawk of Dawn musterte sie höchst mißtrauisch. "Aha." Blackfire kletterte aus dem Schacht und räkelte sich ausgiebig. "Das tut gut", seufzte sie. "Und was möchten Sie hier?" Stardust sah völlig perplex auf Karylla Noir, die frech wie Oskar mitten unter ihnen stand. Und trotz ihrer bodenlosen Unverschämtheit hielt Hawk auch noch ein Schwätzchen mit dieser ...Person! Sie würde Blackfire achtkant rausschmeißen. Oder verhaften... Bedauerlicherweise war ihr momentan allerdings viel zu übel, um derartige Gedanken in die Tat umzusetzen. "Ich sorge mich um das Wohlergehen all jener Wahnsinns-Kranken", verkündete Karylla. "Ich bin mittlerweile zu dem Schluß gekommen, daß keine Droge dafür verantwortlich sein kann. Aber aufgrund dieser Tatsache interessiert es mich umso mehr, was diese Anfälle tatsächlich verursacht." Hawk sah sie zweifelnd an. Er glaubte ihr erstmal kein Wort, immerhin hatte diese Frau ihn schon mehr als einmal hereingelegt. "Ich bin noch zu keinem Ergebnis gekommen, aber schließlich bin ich auch kein Mediziner." "Hm-hm..." Karylla trat auf Joël Lasalle zu und musterte ihn mit gerunzelter Stirn. Der Mann lächelte selig und ließ einen weiteren Schwall Quatsch mit Soße los. Von wegen, wie glücklich er sich pries, endlich verständige Zuhörer gefunden zu haben, und daß er sie alle liebte... Jana sah den Departmentleiter gestreßt an. Was sollte dieser Unsinn? Es hörte sich an wie das Geschwafel dieser Jünger des Leuchtenden. Jene komische Sekte brabbelte auch immer so ein Zeug. "Ich grüße Sie", meinte Karylla aus einem Impuls heraus. "Hi!" Lasalle lächelte sie freudestrahlend an und fing von neuem an, von den extragalaktischen Besuchern zu erzählen. Stardust wandte sich erschüttert ab. "Sie wollen doch wohl nicht behaupten, von einer anderen Galaxis zu kommen?" meinte Karylla belustigt und bemühte sich, ihm keinen Vogel zu zeigen. Immerhin kannte sie Joël Lasalle schon geraume Zeit, und er war unzweifelhaft ein ganz normaler Tarishaaner. Darauf versuchte sie ihn auch aufmerksam zu machen. "Der universale Geist jedoch kennte keine Grenzen", säuselte Lasalle. Hawk war der Meinung, daß sie langsam doch einen Arzt verständigen sollten, während Coryn die Ansicht vertrat, daß Lasalle lediglich zu oft Invasoren aus Galaxis 7 gesehen hatte und nun komplett übergeschnappt war. "Der ist reif", war auch Blackfires Kommentar, der von Joël Lasalle begeistert aufgeschnappt wurde. "Oh, ja, reif! Die Zeit der Reife ist gekommen - für Euer Volk und meins", verkündete er begeistert. 'Das ist ja nicht auszuhalten', dachte Stardust. Auch Hawk hatte nun genug und verständigte die Sanitäter. "Ich hoffe, Eure Neugierde ist befriedigt", denn Ihr müßt nun gehen", wandte er sich an Karylla. "Keine Sorge", entgegnete diese, tippte auf den Auslöser ihres TM-Gürtel, um erst einmal innerhalb des Gebäudes in die Nähe des Ausgangs zu springen, von wo sie aus dem Bereich des Anti-TM-Schildes ging und zur Villa sprang. Kurz darauf stand sie bereits wieder als Alycia Blade am Buffet. Lasalle wurde in das nächste Krankenhaus eingewiesen, und das ISPC-Spezial-Team kehrte zum Fest zurück. Jana blickte an sich herunter. Zum Glück war ihr Kleid wieder ganz trocken - nur die Frisur hatte es wirklich erwischt... Zwischendurch hatte Acy ihrem Partner Bericht erstattet. Sie waren immer noch keinen Schritt vorangekommen. Gefrustet schmiegte sie sich an ihn und lünkerte schon wieder in Richtung Bar. 'Seufz', dachte Stardust. Irgendwie kamen sie kein bißchen voran, und ihr war immer noch so komisch. Was hatte Coryn bloß in den Wein gekippt? Hawk ging wieder einmal zum Buffet, denn er hoffte, jetzt vielleicht einmal in Ruhe Essen zu können. Gerade vertilgte Acy einen mittleren Berg Gurkenstückchen, als Hawk of Dawn an die Speisetafel trat. Verwundert bemerkte sie, wie Cayvyn ihr den Arm etwas nachdrücklicher um die Taille legte. Was sollte das? Hawk lud sich den Teller nur halbvoll, da er beobachtet wurde. Diesmal würde er sich aber nicht erwischen lassen. Alycia fragte sich immer noch, was Cayvyn hatte. Er benahm sich entschieden merkwürdig - aber Androiden konnten doch wohl nicht auch diesem Wahnsinn anheimfallen? Hawk wich an das andere Ende des Buffets aus. Er würde sich weder mit Blackfire noch mit Ryko anlegen. Am besten wäre es wohl, er ginge ihnen aus dem Weg. Diese Ausweichtaktik Hawks schien Acy zusätzlich seltsam. Sie sah von Cayvyn zu Hawk of Dawn und zurück. Männer! dachte sie genervt. Egal, ob Androiden oder sonstige - in einigen Belangen waren alle absolut gleich. Inzwischen war auch Stardust am Buffet angekommen. Vielleicht half es ja, wenn sie etwas aß. Trinken würde sie jedenfalls bestimmt nichts mehr. Sie grübelte immer noch über das merkwürdige Verhalten Lasalles nach. Was wäre eigentlich, wenn er die Wahrheit sagte? Vielleicht war er ja von einem Extragalaktiker übernommen worden? Aber nein, so ein Quatsch, rief sie sich selbst zur Ordnung. Dieses Zeug würde sie nie wieder trinken! Jetzt fing sie auch schon mit total schwachsinnigen Vermutungen an... Alycia spähte gefrustet auf die Teller des Buffets. Keine Gurken mehr! Auf einmal errötete sie zart. Konnte das heißen, daß sie alleine alle? Aber nein, bestimmt hatten sich irgendwelche anderen Leute darauf gestürzt, als sie draußen war. Sie blickte sich unauffällig um. Hoffentlich war das niemandem aufgefallen... Jana knabberte an einem trockenen Stück Brot. Pfui, aber was anderes bekam sie erst recht nicht herunter. Zu Hause würde sie Coryn mindestens massakrieren. Wo steckte er eigentlich? Er ließ sich wohl vorsichtshalber schon gar nicht mehr blicken. Typisch! "Cay, ich will nach Hause", sagte Alycia leise. "Aber nur, wenn du versprichst, heute nicht mehr herumzubasteln!" "Hm." Cayvyn überlegte, auf welche Gedanken sie sonst auf dieser Veranstaltung noch kommen könnte. Er entschied, daß ihr einiges zuzutrauen wäre... "In Ordnung." Außerdem hatte sie eigentlich recht, nur an der Lightning II herumzufuhrwerken, war in der Tat auf Dauer langweilig... Die beiden verzogen sich also erst einmal in Richtung Villa Alycia, um sich dort ein etwaiges weiteres Vorgehen zu überlegen. Auch Stardust entschloß sich dazu, heim zu fahren. Am besten ging sie sogleich ins Bett. Coryn und Hawk begaben sich noch ins Krankenhaus, um sich nach Joël Lasalles Befinden zu erkundigen. In der Starcave widmeten sie sich später noch einmal den Berichten über sämtliche 'Irren'. 3763/02/41 GZ Plötzlich schreckte Acy aus dem Schlaf. "Die Prophezeiung von Jassnir", murmelte sie, noch halb im Traum. Sie sah fürchterliche, schleimtriefende Monster mit langen Tentakeln auf sich zu kommen, angeführt von einem kleinen, kreischenden, grünen Wilden, der sie mit einem Speer piesacken wollte. Außerdem ritt er auf einer ekligen Monsterspinne. Als sie diese erblickte, saß Alycia kerzengerade im Bett und gab einen panischen Schrei von sich. "Hey!" Cayvyn zog sie zu sich herunter und nahm sie in die Arme. "Was ist, Lisha?" Sie kuschelte sich schutzsuchend an ihn. "Ich habe schlecht geträumt, glaube ich", meinte sie schaudernd. "Von Spinnen und Monstern und kleinen, grünen Wilden..." "Scht!" machte Cay und streichelte sie sanft. "Keine Panik, ich bin doch bei dir..." "Mmh..." "Versuch wieder zu schlafen." "Mmmmh..." Nachdem Acy wieder eingedöst war, überlegte Cayvyn angestrengt. Das Orakel zu Jassnir? Hm. Die Hohe Priesterin hatte vor 2000 Jahren vor einer extragalaktischen Invasion gewarnt. Ob doch etwas an dem Gefasel der Kranken dran war? Stardust wälzte sich unruhig hin und her. Tausende von Menschen predigten von Einigkeit und Brüderlichkeit, und plötzlich platzen ihre Körper auf, und glibberige rosa Würmer quollen hervor. Jana schrie entsetzt auf. Auf einmal saß sie aufrecht im Bett; sie zitterte am ganzen Körper. Erst nachdem sie das Licht eingeschaltet hatte und keine Würmer entdecken konnte, war sie einigermaßen beruhigt. Daran war bestimmt dieses blöde silberne Gesöff schuld! Jetzt würde sie sowieso nicht mehr einschlafen, also zog sie sich an und machte sich auf die Suche nach Coryn und Hawk. Sie wollte keinesfalls allein den Würmern entgegentreten. Als Alycia diesmal erwachte, hatte sie den Alptraum schon wieder total vergessen - woran aber hauptsächlich Cayvyns liebevolle Tröstungsmanöver schuld waren. "Bei genauerer Analyse muß ich sagen, du könntest einen Punkt mit deiner Äußerung haben", sinnierte er statt eines Guten-Morgen-Kusses. Acy starrte ihren Gefährten verwirrt an. Wovon sprach er? Sie holte den Kuß kurzerhand nach und fragte: "Wovon redest du, Cay?" "Von der Großen Prophezeiung von Jassnir und den angeblichen extragalaktischen Invasoren, vor denen die DGK seit 2000 Jahren zittert." (DGK - Demokratische Galaktische Konföderation, 2781GZ von den Welten Farrid IV/Jassar, Ischla III/Inschai, Tum IV/Andir und Dor III/Perrsai gegründet. Der FGS benachbartes Sternenreich.) "Wie kommst du denn darauf?" "Es war deine Idee... - Sag bloß, du erinnerst dich nicht mehr an deinen Traum." "Hä?" "Naja, du erzähltest von Spinnen, Monstern, grünen Wilden und der Prophezeiung." "Cay, und du bis sicher, daß Androiden nicht verrückt werden können?" "Ich kann dir auch die Aufzeichnung vorspielen, die ich von dir gemacht habe." "Okay, okay..." Alycia überlegte. "Aber wenn es auch stimmt - kann es uns irgendwie weiterhelfen?" Stardust kam von dem Gedanken der Extragalaktiker, die in anderer Leute Körper steckten, nicht mehr los. Aber war die Idee wirklich so verrückt? Coryn und Hawk würden sie natürlich nur komisch angucken und den Arzt holen, also sagte sie ihnen lieber nichts. Aber wer sagte denn, wie etwaige Extragalaktiker auszusehen hatten? Wer wußte schon, was es dort draußen gab. Jana beobachtete die beiden beim Basteln an der Silver Star und grübelte, wie sie ihre Vermutung beweisen könnte. Acy beschloß, sich wieder als Blackfire zurechtzumachen. Alycia Blade mußte sich erst von den Strapazen der ISPC-Fête erholen. Sie sprang samt Ryko durch das TM-Tor nach Nightfall Station. Endlich funktionierte die Relaisstrecke fehlerfrei und 200prozentig sicher, so daß sie auch benutzt werden konnte. Ryko wollte natürlich weiter an der Lightning II basteln, und sie würde sich eben wieder um die aktuellen Neuigkeiten kümmern. Hm. Interessant! Laut Freenet wartete eine Botschaft in ihrem 'Briefkasten' auf Saluna MMMMMMDCCLI. Sehr eigenartig. Naja, dann würde sie halt mit der Lightning I dorthinfliegen und einmal nachsehen. Stardust hatte eindeutig genug von den blöden Reparatur- bzw. Verbesserungsarbeiten an der Silver Star. Sie fuhr mit Cass zur ISPC, vielleicht hatte ja dort jemand etwas für sie zu tun. Aber natürlich war nichts wichtig genug, um den Einsatz der ISPC-Spezial-Einheit zu rechtfertigen... Grummel! Gefrustet kehrte Jana in die Tiefgarage zurück. Im Lift roch es plötzlich merkwürdig, und dann wurde ihr schwarz vor Augen... Blackfire tankte sich zu der bewußten Schnapstankstelle bzw. Kneipe durch. Dort war auf der Herrentoilette ein nahezu unsichtbares Versteck eingebaut, in dem Eingeweihte ihr Botschaften u.ä. zukommen lassen konnten. Karylla warf sich in weiten weiten, verschmuddelten grauen Prospektoren-Coverall, der ihre Rundungen perfekt kaschierte. Dazu eine kurze, struppige Perücke von durchschnittlichem Braun, passendes Make-Up und ein angekleisterter Rauschebart - fertig war ein Saluna-Prospektor. Doch kaum, daß sie sich an dem 'Briefkasten' zu schaffen gemacht hatte, stieg ihr ein seltsamer Geruch in die Nase, und Blackfire sank bewußtlos zu Boden... Stardust wachte langsam wieder auf. Ihr war unheimlich schlecht, und finster war es auch. Sie versuchte, sich von der Liege zu erheben, ließ sich aber gleich wieder stöhnend fallen. Also mußte sie sich im Liegen umsehen. Da drüben schien eine weitere Person zu sein. Aber wo war sie bloß? Sie konnte sich nur noch an den Fahrstuhl erinnern - und dann gähnende Leere... Als Blackfire aus dem Land der Träume zurückkehrte, war ihr zunächst überaus übel, aber das wich rasch einem monumentalen Wutanfall. Reingelegt! Sie sprang auf die Beine und stampfte wütend mit dem Fuß auf. Den daraus resultierenden Schwindelanfall ignorierte sie geflissentlich und ließ einen fürchterlichen Fluch vom Stapel. Jana sah mehr als nur irritiert zu ihr herüber. Ein Saluna-Prospektor mit weiblicher Stimme? Das war sehr merkwürdig. Sie richtete sich auf. Außerdem kamen ihr die Flüche so bekannt vor... Karylla blickte sich nun ebenfalls um. Ts, und dann ausgerechnet mit Stardust in einer Zelle! Womit hatten sie sie nur betäubt, fragte sich Jana. War ja ein ekliges Zeug. Sie tastete nach ihrem Incom (Interne Communication, unter anderem Funkgerät, mit dem die CASS-Fahrer mit ihren Gleitern in Kontakt bleiben können), aber es war verschwunden. Schöner Mist! Warum passierte immer ihr so etwas? Und wer war nun jenes andere Opfer? Blackfire ignorierte Jana erst einmal dezent und machte sich daran, ihre Klamotten bzw. die Zelle zu überprüfen. S&*|!B|@Z! - Diese Schurken hatten ihr nebst den Pfeilwerfern auch den TM-Gürtel abgenommen und alles, was sie sonst noch so bei sich trug. Vermutlich hatten sie sich königlich über ihre Verkleidung amüsiert... Die Zelle war jedenfalls auch bis auf zwei Pritschen - Pritschen? Bretter wäre eine passendere Bezeichung! - und eine Hygiene-Kabine völlig leer. Pah, nicht mal eine Zahnbürste, ein Kopfkissen oder eine Decke hatte sie. Frustrierend! Inzwischen hatte auch Stardust ihre Sachen durchsucht. Hm, viel hatte sie nicht mehr dabei, und auf keinen Fall etwas, womit sie die blöde Tür aufbekam. Das war ja zum Heulen! Grumpfend ließ sich Blackfire auf ihre - harte! - Unterlage fallen und starrte einfach geradeaus. Das ganze Interieur der Zelle war in verwaschenem Grau bzw. Blau gehalten, bis auf diese 'Liegen', denn die sahen aus wie echtes Holz. Einmal Dagegenklopfen entlarvte das Material allerdings als eine Kunststoff-Art. Jana grübelte, wie sie hier am besten raus kam. Darauf, daß sie gerettet wurde, wartete sie wohl besser nicht, denn das hatte noch nie etwas gebracht. Also sah sie sich lieber selber das Türschloß an. Verdammt schwierig, dachte sie gefrustet. Blackfire legte sich erst einmal wieder hin und überlegte, was sie an Hilfsmitteln zur Verfügung hatte und wie diese ihr helfen konnten, die Situation wieder zu verlassen. Das Toilettenpapier war viel zu leicht zu zerreißen, als daß sie damit ein Seil basteln könnte, mit dem sie u.U. einen hereinkommenden Wächter strangulieren könnte. Dafür war ihre Prospektorenmontur aus einem ebenso unzerreißbaren Material wie ihre Einsatzkombi. Hm. Die war zur Zeit ihr einziger echter Pluspunkt, da sie unbrennbar war und zu einem gewissen Prozentsatz mechanische Gewalt abfing. Vielleicht könnte sie einem Wächter auch ihre Stiefel über den Kopf ziehen? Hm. Außerdem hatte sie noch diese dusselige Perücke; in Wasser getunkt wäre sie sicherlich ein nettes Wurfgeschoß zur Ablenkung. Aber bis jetzt war Karylla noch nicht mit ihren Optionen zufrieden. Stardust meditierte immer noch über das Schloß. Den Code würde sie wohl niemals herausbekommen, auch wenn sie das Feld aktivieren könnte. Grumpf! Sie war jedoch nicht die einzige, die gefrustet war. Blackfire befand, daß es diesmal wirklich übel aussah, vor allem, wo sie nicht den geringsten Anhaltspunkt hatte, wo man sie hingebracht hatte. Und da ihr der Gürtel abgenommen worden war, hatte sie nun nicht einmal mehr den Notpeilsender, der Ryko in einem Umkreis von 10 Parsec ihren Standort verriet. Humpf, war das heiß unter dieser Maske! Sie holte tief Luft und stieß einen Seufzer aus. Jana setzte sich auf die Liege. Durch die Tür kam sie nicht hinaus, also mußte ihr etwas anderes einfallen. Sie betrachtete nachdenklich die Zelle. Wie lange mochten sie nun schon hier sein, überlegte Blackfire. Jee... Sie horchte in sich hinein. Also, Hunger hatte sie nicht, und außerdem verspürte sie nicht einmal den Drang, die Toilette zu besuchen. Im schlimmsten Fall konnten so an die 6-7 Stunden seit ihrer Entführung vergangen sein. Dann wäre es Ryko bestimmt noch nicht einmal aufgefallen, daß ihr etwas zugestoßen sein könnte. Er würde bestimmt annehmen, sie trieb sich wieder im Saluna-System herum. Seufz! 'Hätte sie sich doch bloß nicht...' - Ach was, diese Vorwürfe halfen auch nicht weiter, dachte Jana. Eigentlich blieb ihr gar nichts anderes übrig als abzuwarten. Leider half ihr diese Erkenntnis auch nicht weiter. Karylla stand auf und drehte einige Kreise in der halbdunklen Zelle, um sich etwas abzureagieren und ein weiteres Mal alles zu überprüfen. Ihre Suche ergab, daß sich offenbar weder Abhörgeräte noch eine Video-Überwachung existierten. Jana folgte ihr mit den Augen. Das machte einen ja ganz nervös! Gestreßt legte sie sich hin und schloß die Augen. Wenn sie eh nichts tun könnte, würde sie wenigstens etwas schlafen. Blackfire beschloß, nun einmal die Hygiene-Kabine genauer zu inspizieren. Sie wollte endlich diese dumme Maske und den Mop loswerden, und dann mußte sie sich auch noch die Haare waschen, da ihr Kopf von der Perücke und der darunter angestauten Hitze juckte. Hm. Doch, man konnte es vertreten... Sie setzte also ihre Idee in die Tat um. Wenigstens ihren Kamm hatte man ihr noch gelassen, dachte sie befriedigt. Als sie fertig war, begradigte sie ihre Frisur. Das war das erste Mal, daß sie die kurzen - naja, mittlerweile wieder schulterlangen - Haare als praktisch empfand. Anschließend stieg sie erneut in ihren silbernen Overall, ehe sie die Prospektoren-Montur darüber zog. Die schwarzen Handschuhe ihres Einsatzcoveralls, die vorher unter den falschen 'Prospektoren-Händen' aus Synthohaut verborgen waren, versteckte sie in ihren Stiefeln, und die Maskenteile wurden in die voluminösen Taschen des darüberliegenden graublauen Einteilers gepackt. Sie verließ die Hygiene-Kabine und machte ein paar Gymnastik-Übungen, um die Zeit herumzubringen, bis ihre Haare einigermaßen trocken waren. Jana hörte zwar, daß jemand in der Hygiene-Kabine verschwand, sich dort ausgiebig betätigte und später wieder zurückkehrte, aber es war ihr egal. Sie döste vor sich hin. So, jetzt waren ihre Haare leidlich trocken, beschloß Karylla und schüttelte ihre weißblonde 'Mähne' (naja, noch nicht ganz wieder...) nach hinten. Die Maske würde sie sich nicht ein weiteres Mal überstülpen, dazu war diese viel zu unpraktisch. Sie ließ sie auf ihre Pritsche fallen (Ayée, war das Ding unbequem!) und beschloß, ebenfalls eine Runde zu schlafen. 3763/02/42 GZ Stardust erwachte schlagartig. Pfui, sie hatte schon wieder von Würmern geträumt. Nachdenklich musterte sie den Prospektor, der sich doch gewaltig verwandelt hatte. Eigentlich hatte sie ja Blackfire unter der Maskerade vermutet, aber die war eindeutig nicht weißblond wie diese Person hier. Sehr eigentümlich - vor allem kam sie ihr irgendwie bekannt vor... Als Karylla aufwachte, knurrte ihr allmählich der Magen. Dummerweise hatte sie bei ihrer Zelleninspektion keinen Nahrungsmittelsynthetisizer entdeckt - und es gab auch keinen Kaffee! Frust. Naja, ihre Entführer sollten sich schon mal schwer in Acht nehmen! Sie steuerte erst einmal die Toilette an. Stardust sah ihr verwirrt hinterher. Wer war das bloß? Außerdem hatte sie Hunger. Am besten, sie dachte an etwas anderes, aber irgendwie schienen die Bilder von überladenen Tischen nicht weichen zu wollen... Als Karylla in den Spiegel sah, erschrak sie erst einmal. Sie hätte doch nicht mit halbnassen Haaren schlafen sollen, überlegte sie und klatschte die kreuz und quer stehenden Strähnen mit einer neuerlichen Wasserladung wieder an den Kopf. Außerdem konnte sie erst einmal ein paar Handvoll Wasser tanken, schließlich hatte sie Durst. Jetzt fehlte ihr eigentlich nur noch etwas Futterage zu ihrem Glück. So ein knuspriges Honigbrötchen - das wäre doch etwas... Sie kehrte zu ihrer Pritsche zurück und erspähte Stardust, die auf der anderen saß und sie rätselnd anstarrte. Nun verschwand auch Jana erst einmal in der Hygiene-Kabine. Was sein mußte, mußte sein! Karylla kam auf einmal der Verdacht, daß Jana unter Umständen gar nicht so recht wußte, wer sie war, immerhin hatte sie Blackfire bis dato nur in vollem Make-Up erblickt. Faszinierend. Kary jedenfalls hatte sich selbst sofort erkannt. Hm. Vielleicht sollte sie ja einfach eine neue Tarnidentität erfinden... Als Stardust zurückkam, grübelte sie immer noch darüber nach, wer ihre Mitgefangene denn nun sein konnte. Sie war so gut wie alle weiblichen Wesen, die sie kannte, durchgegangen, aber irgendwie... Dabei kam sie ihr so verdammt bekannt vor! Karylla fragte sich, wer wohl als erster das Schweigen brechen würde. Sie jedenfalls machte vor dem Frühstück keine Aussage, schon gar nicht freiwillig, und auf gar keinen Fall ohne Kaffee! Auch Jana hatte nicht vor, etwas zu sagen, bevor sie wußte, mit wem sie es zu tun hatte, sonst könnte sie schließlich zu leicht etwas Falsches sagen... Mittlerweile hatte sich Karylla auch schon ein alter ego ausgedacht. 'Fabienne Dirasse von Tarishaan' kam ihr am passendsten vor. Wenn sie sich als Enaryshanerin ausgab, war das bestimmt zu auffällig. Oder doch nicht? Darüber mußte sie erst noch meditieren. Stardusts Kopf rauchte weiterhin. Wenn ihr doch nur einfallen würde, wer das war! Verdammt, sie war sich so sicher, daß sie die Person kannte! Sie seufzte tief, und Blackfire konnte nicht umhin, ihr zuzustimmen. Ihre Lage war besch...eiden. Sie ließ gleichfalls einen tragischen Seufzer los. Aus Gründen der Langeweile rollte sich Jana erneut auf ihrer Liege zusammen. Sie würde noch ein Schläfchen halten. Tsayée, dachte Karylla. Stardust hatte offenbar das Temperament einer Paralyse-Ladung. Wie kam die bei der Motivation überhaupt je zu irgendetwas? Unvermittelt öffnete sich die Zellentür, und zwei schwerbewaffnete Posten flankierten einen Typen, der ein Papptablett mit einer Plastik-Kanne, zwei Bechern, zwei mit etwas Undefinierbarem gefüllten Schüsseln und zwei Plastiklöffeln vorbeibrachte. Nicht die geringste Angriffsmöglichkeit, stellte Blackfire gefrustet fest, und dann zogen die Typen auch schon wieder ab. Aber zumindest hatten sie nun etwas, daß ungefähr wie Kaffee roch und hoffentlich etwas ähnlicher schmeckte. Unverzüglich schüttete Karylla sich ihren Becher randvoll. Stardust war ebenfalls relativ überzeugt davon, daß es sich bei dem Getränk um Kaffee handelte, also bequemte sie sich, aufzustehen. Sie goß den anderen Becher voll und ließ sich erneut auf dem Bett nieder. Nun begutachtete Blackfire den Rest auf dem Tablett. Igitt, Synthopapp! Der Standard 08/15 Einheitsbrei, der zwar alle Vitamine, Spurenelemente und sonstigen Nährstoffe enthielt, aber sonst weder nach etwas aussah oder schmeckte. Schaudernd nahm Karylla eine erste Kostprobe, sie mußte schließlich bei Kräften bleiben. Jana sah den Brei und dachte angewidert darüber nach, warum man das Zeug Nährbrei Deluxe genannt hatte. Aber es war auf jeden Fall besser als gar nichts. Die Pampe schmeckte zwar nicht, machte aber satt, und daher quälte sie sich ebenfalls mit ihrer Portion herum. Karylla verzog das Gesicht, dann kippte sie etwas von dem Kaffee in den Synthopapp. Den Trick hatte ihr mal ein Veterane von Saluna MDCCXLVI verraten, der in seinem Claim aus Kostengründen nichts anderes bekam. Leidlich... Hm, auf jeden Fall besser als vorher, beschloß sie. Stardust sah dem irritiert zu. Na egal, sie hatte das Zeug schon oft genug essen müssen, und sie würde es auch diesmal überleben. Erledigt, dachte Blackfire und kippte den Rest des Kaffees hinterher. Und jetzt sollte sie sich langsam daran machen, von hier auszubrechen... Stardust stellte das Geschirr wieder auf das Tablett und kehrte zu ihrer Liege zurück. Naja, wenigstens hatte sie jetzt keinen Hunger mehr. Blackfire hingegen untersuchte das Material ihrer Schüssel. Unbrauchbar! Der Becher dito... Sie überlegte fieberhaft. Zumindest könnte man die Kanne mit Wasser füllen und als Wurfgeschoß für einen Überraschungsangriff verwenden. Jana legte sich hin und starrte an die Decke. Ihr war immer noch nichts eingefallen, wie sie hier herauskommen könnte. Die Wachen waren zu schwer bewaffnet, als daß sie irgendeine Chance sah, und als Waffe ließ sich hier auch nichts verwenden. Das Geschirr war viel zu leicht, um geworfen werden zu können. Grübel... Ob man sie zu Hause schon vermißte? Es wäre zumindest einen Versuch wert, beschloß Karylla. Die Wachposten hatten sich vorhin nahe der Tür aufgebaut. Einen konnte sie auf einfache Art und Weise zu Fall bringen, und zwar möglichst so, daß er gegen den anderen Mann fiele. Sie füllte zunächst einmal die Kanne randvoll mit Wasser. Fast ein Liter, dachte sie befriedigt. Anschließend wusch sie ihre Schüssel aus, füllte sie ebenfalls mit Wasser und legte das Masken/Perücken-Teil hinein, damit es sich ordentlich vollsog. Nachdem sie alles griffbereits positioniert hatte, baute sie sich neben der Tür auf. Stardust betrachtete Karyllas Vorbereitungen mißtrauisch. Was sollte das nun wieder? Wollte sie eine Überschwemmung verursachen? Nun zog Blackfire den Prospektoren-Coverall aus und breitete diesen auf dem Boden aus. Ein Hosenbein packte sie am unteren Ende mit festem Griff und wickelte es sich einmal um die Hand. So sollte sie zumindest einem der Posten den Boden unter den Füßen wegziehen können. Aha, es war also doch Blackfire, dachte Jana. Aber seit wann war die denn blond? Und was sollte dieser Zirkus, denn sie gerade hier veranstaltete? Anscheinend wollte sie jemandem den Boden unter den Füßen wegziehen, aber dazu mußte erst mal einer darauf treten. Karylla warf einen sehr genervten Blick zu Jana herüber, die offenbar immer noch keine Ahnung hatte, was sie hier vorhatte. "Was hältst du davon, wenigstens das Tablett zu nehmen, um zumindest einem der Typen eine der Ecken in die Augen zu rammen, wenn sie gleich wieder kommen, um den Krempel abzuräumen?" "Wozu?" erkundigte sie sich gelangweilt. Sie würde sich doch nicht derart lächerlich machen! Stattdessen begann sie, eine lange Schnur aus ihrem Overall zu zerren, die als Muster getarnt war, und die sie anschließend zu einer kleinen Rolle zusammenrollte. Karylla guckte sie genervt an, mußte aber zugeben, daß Stardust nicht ganz unrecht hatte, sie sollte sich auch auf ihre noch sonstigen Accessoires besinnen. Sie ließ das Hosenbein los und wühlte ihre Handschuhe hervor, da diese ihre Knöchel und Gelenke vor den Folgen allzu heftiger Schläge ihrerseits schützten. Als endgültig alles bereit war, warteten sie... Nach einiger Zeit öffnete sich tatsächlich die Tür, und als der erste Typ auf dem Overall stand, zog Blackfire mit Gewalt an diesem. Er verlor das Gleichgewicht und ruderte herum. Im selben Augenblick hatte er zunächst Karyllas klatschnassen Mop im Gesicht und danach eine furchtbare linke Gerade am Hals. Er sackte röchelnd zusammen. Jana hatte dem völlig überraschten zweiten Wachmann eine Schlinge um den Hals geworfen und zog zu. Karylla beobachtete ihre Aktion stirnrunzelnd. Mit der Sinya konnte man zu leicht jemanden umbringen, deshalb mochte sie diese Waffe nicht. Leider war sie ihre beiden Pfeilwerfer direkt losgeworden, als man sie einkassiert hatte, sonst hätte sie die hiesigen Leute problemlos ins Land der Träume befördern können. Sie warf dem dritten Mann, der das Eßgeschirr wieder in Empfang nehmen sollte, die Kaffeekanne an den Kopf, und er zog sich anbetracht der kalten Dusche und Blackfires mörderischem Blick direkt in die nächste Ecke zurück. Er hatte offenbar keine Lust auf weitere Prügel... "Nun mach schon!" meinte Karylla zu Jana. "Wir haben keine Ewigkeit..." "Ich bin schon lange fertig!" Stardust funkelte sie wütend an und wickelte die Schnur wieder auf. Karylla widmete ihr lediglich ein abschätziges Lächeln, ehe sie einen Blick auf den Gang vor der Zelle warf. Alles leer... Hm - und nun? Sie überlegte. "Was ist nun schon wieder?" fragte Stardust ärgerlich. Wenn sie noch länger hier herumstanden, konnten sie auch gleich in die Zelle zurückkehren. "Bitte, du magst gerne vorangehen!" Seufz, warum war Ryko nicht hier? Irgendjemand sollte jedenfalls versuchen, sie davon abzuhalten, Stardust an die Kehle zu springen. Wie hatte die bloß die ganze Zeit bei der ISPC überlebt? Aber wahrscheinlich war es reines Glück gewesen... Jana schob sich vorsichtig den Gang entlang. Sie konnte zwar nichts und niemanden sehen, aber das hieß ja gar nichts. Außerdem ging ihr Blackfire total auf die Nerven. Karylla hatte unterdessen beschlossen, daß es vielleicht sinniger wäre, sich von Stardust zu trennen, da es bestimmt nur eine Frage von Minuten war, bis diese von den Entführern wieder einkassiert wurde. Beim nächsten Seitengang stahl sie sich lautlos davon. Bloß gut, daß sie diese dumme Kuh los war, dachte Jana, als sie Blackfires Verschwinden bemerkte. Sie war ohne diese sicherlich besser dran. Nun mußte sie nur noch die Funkzentrale finden. Na, diesmal mußte sie sich dabei wohl auf Glück und Intuition verlassen. Sie hatte inzwischen einige Gänge hinter sich gelassen. In einem Raum hatte sie einen Plan mit Notfallfluchtwegen gefunden, die ihr allerdings nicht bei der Suche nach der Funkzentrale halfen. Stardust kletterte eine Leiter nach oben. Schon wieder Gänge, dachte sie gestreßt. Irgendwo mußte es doch wenigstens einen Terminalraum oder so geben! Aber bis jetzt war ihr nicht eine Menschenseele begegnet, was sie ausgesprochen merkwürdig fand. Irgendwie war ihr Entkommen zu leicht. Sie hatte den Verdacht, daß eine Absicht dahinter stand. Jana legte Tempo zu und lief die Gänge entlang. Endlich kam sie an einem Notfluchtweg an, von dem sie sicher war, daß sein Öffnen nicht auffallen würde. Außerdem wollte sie ja immer noch zur Funkzentrale... Also machte sie kehrt und zog dann in einen anderen Gang ab. Vielleicht fand sie hier etwas... Derweil hatte Karylla einen Techniker getroffen, k.o.-geschlagen und seiner Montur beraubt. Bedauerlicherweise war der junge Mann eher ein Strich in der Landschaft gewesen, und so spannte sein Coverall bei ihr an einigen Stellen bedenklich. Aber zumindest hatte der Techniker eine Codekarte und diverses Werkzeug dabei gehabt, das - soweit es paßte - nun in ihren Stiefeln steckte. Er hingegen steckte nunmehr in einer Art Kabelschacht, und Blackfire düste in Richtung Computerzentrale, wo immer die war... Kurz darauf war Karylla in einer Art Speisesaal gelandet. Sie war begeistert, denn der Synthopapp hatte immer noch einen höchst unangenehmen Nachgeschmack hinterlassen. Vielleicht könnte sie ja etwas anderes hinterherfuttern... Sie betrat kurzerhand den Speisesaal und setzte sich frech an einen Tisch, wo sie sich erst einmal eine vernünftige Mahlzeit orderte. Hoffentlich fiel es nicht so schnell auf, daß die Gefangenen ausgebüchst waren. Naja, selbst wenn - wer würde annehmen, daß sie seelenruhig inmitten der sonstigen Belegschaft etwas essen würde? Nachdem sie ausgiebig gespeist hatte (der Overall wirkte noch eine Nummer kleiner), beschloß Karylla, sich langsam in Richtung Computerzentrale aufzumachen. Sie beschloß, daß Frechheit siegte und wandte sich an einen etwas älteren Osikkaner, der irgendwie zuständig wirkte. "Entschuldigen Sie, heute ist mein erster Tag hier... Könnten Sie mir bitte sagen, wie ich zur Computerzentrale komme? Ich fürchte, ich verlaufe mich sonst, und mein Vorgesetzter sagte doch, daß er sehr viel Wert auf Pünktlichkeit legte... Wissen Sie, ich bin ja schon soooo gespannt auf diesen Job... Ich..." "Schon gut, schon gut", wehrte der Mann ab und erklärte ihr kurzerhand den Weg. Karylla düste also los... Aha! Hier war der beschriebene Eingang... Karylla stand einen Augenblick unschlüssig davor, bevor sie eintrat. Der Raum war ziemlich groß, rund und in drei Ebenen unterteilt, die wie Terrassen nach unten führten. An die zwanzig Leute saßen an irgendwelchen Stationen, und Karylla düste einfach zu einem freien Terminal. Gerade, als es ihr gelungen war, in den Compi einzubrechen (die Codekarte hatte tatsächlich gepaßt!) und die ersten Daten abzurufen, traten zwei Wachposten mit gezückten Strahlern zu ihr... Abgesehen davon, daß Jana nun ziemlich außer Puste war, hatte sich absolut nichts geändert. Die Gänge sahen immer noch gleich aus und schienen nirgendwo hinzuführen. Frustrierend. Stardust blieb stehen, um erstmal eine Runde nachzudenken, und vor allem, um wieder zu Atem zu kommen. Sie war es inzwischen absolut leid, hier herumzurennen, denn sie kam sich vor wie eines dieser Labortiere in einem Labyrinth, und so etwas konnte Jana überhaupt nicht ausstehen, da sie kein sehr geduldiger Mensch war. Wenn nicht bald etwas geschah - egal was! - dann würde sie ausrasten! Schließlich nahm sie die nächste Leiter, die wieder in eine tieferliegende Etage führte. Seufz, am besten ginge sie wohl freiwillig wieder in ihre Zelle zurück... "Interessant, Mademoiselle Noir?" erkundigte sich die Frau mit dem Strahlenkarabiner. "Sie sind nur deshalb hier hereingekommen, weil wir wissen wollten, wieviel Sie bereits wissen - und was Sie in Erfahrung zu bringen gedachten. Ich danke Ihnen für diese nützliche Information... - Und jetzt begleiten Sie uns bitte in Ihre Zelle zurück." Grummel, dachte Blackfire ungehalten, als man sie in ihr altes Gefängnis eskortierte. Was dem Ganzen die Krone aufsetzte, war die Tatsache, daß man sie zunächst einmal komplett entkleidete und auch den Rest des Zelleninterieur peinlichst untersuchte. Beim Anblick des von Karylla einkassierten Werkzeugs in den Stiefeln hob die Sicherheitslady amüsiert eine Augenbraue. Schließlich waren sie mit dem Ergebnis zufrieden und warfen ihr gnädigerweise eine Art Mini-Shorts und Tunika auf die Pritsche, ehe sie wieder abzogen. Blackfire war begeistert, als sie die Teile in Empfang nahm. Dieser Stoff war extrem leicht und nicht sonderlich stabil. Damit etwas anzufangen, würde extrem schwierig werden. Zudem war nun ein Nahrungsmittelsynthetisizer fest installiert (die Betonung lag auf dem 'fest'), so daß auch niemand mehr die Zelle zu betreten brauchte. Es sah irgendwie nicht sehr gut für einen neuerlichen Fluchtversuch aus. Stardust lief den Wachen genau in die Arme. Sie hatte keine Chance zu entkommen. Wie Blackfire wurde auch sie sämtlicher Kleidungsstücke entledigt und mit einer orangefarbenen Tunika ausgestattet. Jana fluchte unterdrückt. Das war doch die Höhe! Aber immerhin war das Teil besser als gar nichts... Anschließend wurde Stardust ebenfalls in die Zelle zurück transportiert. Blackfire war wohl auch nicht weiter gekommen, dachte Jana bei deren Anblick. Sie musterte ihre Kontrahentin nachdenklich. Jetzt in diesem signalfarbenen Teil erinnerte sie sie an jemanden... Stardust hockte sich auf ihre Liege und betrachtete Blackfire sinnend. Diese riß entgeistert die Augen auf. Die Person, die gerade in die Zelle befördert worden war, konnte eigentlich nur Stardust sein, denn jene war schließlich zuvor mit ihr in der Zelle gewesen und ebenfalls ausgebrochen... Aber die Frau, die ihr nun auf der Pritsche gegenüber saß, hatte schulterlange, weißblonde Haare anstelle der schneefarbenen Mähne und graue statt eisblauer Augen. Alles in allem sah sie nicht mehr nach Jana Star aus, sondern eher wie eine gewisse Nardia Ashni Blade ohne ihre obligatorische braune Perücke! "Nad!" brüllte Karylla entgeistert, und im selben Augenblick hätte sie sich dafür ohrfeigen können. 'Toll', dachte sie, 'jetzt hast du dich endgültig verraten.' Stardust sah Blackfire sehr eigentümlich an. Wie kam die wohl darauf? Das konnte doch eigentlich nur eins bedeuten - und jetzt war ihr auch klar, warum sie ihr so bekannt vorkam! Blackfire und Acy waren ein und dieselbe Person. Jana konnte es nicht fassen. Karylla saß immer noch restlos geschockt auf ihrer Pritsche. Nardia = Jana? Diese Gleichung schien ihr nicht ganz stimmig zu sein. Vor allem verstand sie nicht, warum sie mit Nad prima auskam, Jana dagegen am liebsten in die Große Leere schießen würde. Wie mochte sich ihr Verhältnis nun entwickeln, schoß es ihr durch den Kopf. Stardust mußte diesen Schock erst einmal verwinden. Ihre chaotische Schwester Acy war Blackfire! Sie machte Alycia gern, aber Karylla Noir war ein rotes Tuch für sie. Was würde dieses Wissen für Folgen haben? Irgendwie konnte sie es immer noch nicht glauben... Im Nachhinein war Karylla ziemlich verärgert über sich. Eigentlich hätte sie schon viel früher darauf kommen müssen; immerhin gab Jana Star ja ganz offiziell an, daß sie Firestars Tochter war. Aber irgendwie hatte Blackfire immer vermutet, es handelte sich um eine weitere Schwester von ihr; schließlich war ihr Vater in dieser Hinsicht recht produktiv gewesen... Wie viele Kinder waren noch offiziell von ihm anerkannt worden? Karylla überlegte. Es mußten an die vierzig gewesen sein... Ts. Aber daß ausgerechnet Nardia Stardust war... Jana war es inzwischen klar geworden, woher Blackfire die ganzen technischen Errungenschaften hatte, und vor allem konnte sie sich nun denken, wie ihre Schwester zu Cayvyn gekommen war. Einige Rätsel waren nun weniger rätselhaft. Warum war sie nicht schon eher auf die Idee gekommen? "Und nun?" rang sich Karylla zu einer verbalen Äußerung durch. "Was 'und nun'?" meinte Jana, die von der Frage abrupt aus ihren Gedanken gerissen worden war. "Springen wir uns weiterhin an die Kehle - oder versuchen wir zur Abwechslung mal, etwas zusammen zu erreichen?" "Ich habe mich noch zu keiner Entscheidung durchringen können." "Hm." Blackfire war sich auch noch nicht ganz sicher, vor allem, wenn sie daran dachte, daß es ja nun noch tragischer war, was Cayvyn-Rykos Seitensprung auf der Couronne betraf. So betrachtet hatte er sie mit Nardia und Stardust betrogen. Dieser Schuft! Jana grübelte weiter darüber nach, ob sie sich mit Blackfire abfinden konnte. Das war beileibe nicht einfach... "Seufz!" machte Karylla. Ryko...! Hoffentlich kam er bald vorbei und rettete sie. Schließlich hatte sie nicht den Schimmer einer Ahnung, was die Typen, die sie entführt hatten, für Pläne mit ihnen hatten... Auch Stardust hoffte, daß sie in nächster Zeit hier rauskam. Wenn sie nicht eingesperrt war, konnte sie viel besser nachdenken. Blackfire fühlte sich absolut unbehaglich. Normalerweise hätte sie nun die Zeit damit verbringen können, entweder Stardust anzugiften oder sie eiskalt zu ignorieren. Aber was konnte sie jetzt unternehmen? Immerhin war Jana auf einmal ihre Schwester! Plötzlich fiel Stardust etwas auf. Es war nur ein ganz dummer Gedanke, und eigentlich sollte sie doch versuchen, sich einen Fluchtplan zu überlegen - aber... Ähm. Wenn Acy Blackfire war, wie war das dann mit Sir Cayvyn? Da sie sich absolut nicht vorstellen konnte, daß ihre Schwester gleichzeitig zwei Freunde unterhielt, konnte das nur heißen... Jana spürte, wie sie dezent errötete und wandte sich sicherheitshalber ab. Mit 99.99 prozentiger Wahrscheinlichkeit waren Sir Cayvyn und Infinity ebenfalls identisch. Das war nun wirklich äußerst peinlich, hauptsächlich, wenn sie da an diese blödsinnige Sache auf diesem Luxusliner dachte... Und das wo sie vor allem Monsieur Maiell überhaupt nicht leiden konnte... Jetzt war nur eine weitere Sache interessant, und Stardust beschloß, lieber darüber zu meditieren, als sich weiter mit allen Implikationen jener Peinlichkeit zu beschäftigen. Wie war es Acy und Sir Cayvyn möglich gewesen, hin und wieder gemeinsam mit Blackfire und Infinity auf der Bildfläche zu erscheinen? Hm. Sie mußten irgendwoher Doubles haben, überlegte Jana. Eine andere Erklärung konnte sie sich nicht vorstellen. "Hast du dich langsam zu einer Entscheidung durchgerungen?" wollte Karylla wissen. "Nein. Aber es hat wohl kaum einen Sinn, wenn wir uns in dieser Situation auch noch gegenseitig an die Gurgel springen." "Korrekt. Wir sollten uns darauf konzentrieren, eine Fluchtmöglichkeit zu finden." "Ich sehe momentan nicht die Spur einer Chance." "Hm." 'Trifft sich gut, ich auch nicht', dachte Blackfire, aber es fiel ihr mehr als schwer, dies vor Stardust zuzugeben. Besser, sie äußerte sich vorerst noch nicht zu diesem Thema. "Seufz." "Ich gehe voll und ganz mit dir konform. Trotz der Tatsache, daß du Stardust bist." Jana warf Karylla einen ärgerlichen Blick zu, verkniff sich aber eine Entgegnung. "Seufz", machte nun auch Blackfire. Sie wollte sofort gerettet werden. Jana ebenso, aber wie sie ihr Glück kannte, wurde sie zur Zeit zu Hause noch nicht einmal vermißt. Seuf Ryko legte den Desintegrator-Brenner beiseite, mit dem er einige Zusatz-Verstrebungen für die Lightning II zurechtgeschnitten hatte. Was machte Karylla nur so lange im Saluna-System? Sie wollte doch bloß kurz in den Briefkasten gucken, hatte sie gesagt! Sie würde doch niemals die Nacht dort verbringen, schon gar nicht, wo sie ihm erst vorgestern versichert hatte, daß er ziemlichen Ärger mit ihr bekommen würde, wenn er Tag und Nacht ununterbrochen in der Lightning II steckte... Daraufhin hatte er eingelenkt, und... Naja, sie wäre bestimmt nicht freiwillig dort geblieben. Infinity versuchte, die Lightning I anzufunken, doch der Bordcomputer des Raumers gab nur die Message durch, daß Karylla zur Zeit nicht anwesend war. Eigenartig. Und was nun? Cass fand es sehr eigentümlich, daß Jana seit zwölf Stunden nicht mehr aus dem ISPC-Gebäude rausgekommen war. Normalerweise war sie doch nie länger als eine halbe Stunde dort - doch das Signal des Incom war laut und deutlich zu vernehmen. Leider konnte er ansonsten nichts in Erfahrung bringen, da das Gebäude derart abgeschirmt war, daß seine Sensoren nicht hindurchdringen konnten. Schließlich rief er Hawk und Coryn herbei, und diese fanden nach einigem Suchen den Incom in einem Papierkorb. Irgendetwas mußte mit Jana geschehen sein, da sie das Gerät normalerweise nie ablegte. Ryko tigerte unschlüssig durch die Info-Zentrale von Nightfall Station. Er hatte einfach nicht genug Informationen, um sich einen Plan zurechtzulegen. Es wäre wohl das beste, wenn er erst einmal ins Saluna-System flöge, um dort vor Ort nachzusehen. Als er jedoch - selbstverständlich als Diamantschürfer verkleidet - die Kneipe auf Saluna MMMMMMDCCLI betrat und sich nach einem Prospektor in Karyllas Maskerade erkundigte, traf er auf tiefes Schweigen. Offenbar war sie niemals dort gewesen! Stirnrunzelnd betrat er die bewußte Toilette und sah sich dort um. Der 'Briefkasten' war unberührt, aber dafür konnte er noch schwache Spuren eines überaus wirksamen Betäubungsgases wahrnahmen. Anhand der Menge, die benötigt wurde, um einen Menschen schlafen zu legen und der noch vorhandenen Reste mußte die Aktion vor etwa 16 Stunden stattgefunden haben, stellte Ryko fest. Leider war die Chemikale überaus gebräuchlich und gab somit keine Anhaltspunkte auf den Benutzer preis. Zumindest deutete dies jedoch darauf hin, daß man Blackfire nicht umgebracht hatte bzw. umbringen wollte. Zumindest nicht sofort, korrigierte er sich rasch. Seine Partnerin war eine sehr gefragte Frau bei allen möglichen Kopfgeldjägern, wenn man die Belohnungen betrachtete, die die diversen Drogenringe und sonstigen Syndikate auf sie ausgesetzt hatten. Und dann war da natürlich auch noch ihre private Todfeindschaft mit Thannalon und Harrisco, den beiden Top-Kopfgeldjägern (bzw. auch Killern, aber die Bezeichnung hörten die beiden nicht so gerne) von Osikka... Aber er konnte im Augenblick nicht das Geringste tun, also gab er der Lightning I Anweisung, nach Nightfall Station zurückzukehren, während er mehr oder weniger ziellos mit der Lightning II durch die Gegend kurvte, um dabei nicht nur ausgedehnte Sensormessungen nach Triebwerksspuren anderer Schiffe anzustellen, sondern auch die bereits eingebauten Verbesserungen des Schiffes ersten Tests zu unterziehen. Die Analyse der Schiffsbewegungen im Saluna-System anhand der Triebwerksspuren erwies sich als illusorisch, da zwischen den ungezählten Asteroiden so viele Schiffe verkehrten, daß eine einzelne Spur höchstens einige Stunden halbwegs stabil blieb - das hieß, wenn man Glück hatte und nicht gerade ein Gleiter direkt hinterher gestartet war oder die Bahn gekreuzt hatte... Wo mochte Karylla nun stecken? Ryko stellte fest, daß er sich diesmal wirklich Sorgen um sie machte. Eigentümlich, fand er, als er diese Gefühlsregung genauer analysierte. Die Aufzeichnungen der Überwachungskameras gaben nicht die geringsten Hinweise darauf, wohin man Stardust verschleppt hatte. Das einzige, was man sehen konnte, war, wie Jana in einen Lift stieg, aber nicht mehr herauskam. Hawk und Coryn saßen ratlos in der Starcave. Da es nicht die geringste Spur gab, konnten sie auch keiner nachgehen. Wo war Jana? Es war sicher, daß man sie entführt, wenn nicht gar umgebracht hatte. Hawk zweifelte daran, daß jemand Lösegeld fordern würde. Es mußte einen anderen Grund geben, aber leider gab es viel zu viele Möglichkeiten. Stardust war nicht gerade beliebt in Verbrecherkreisen. Unterdessen war Infinity nach Nightfall Station zurückgekehrt. Er war schwer versucht, noch einmal Hilfe von der ISPC zu erbitten, aber dann dachte er an Stardusts Aktionen bei der KD-Sache auf Khemarra und verwarf diese Idee lieber wieder. Aber andererseits - warum sollte er nicht seinen 'Bruder' (sie waren schließlich beide nach denselben Grundplänen entstanden) Alan kontaktieren? Nachdenklich betrachtete Ryko den Hauptmonitor der Info-Zentrale, wo einige der Asteroiden des Trümmergürtels von Suune glitzerten. Er mußte das Für und Wider sorgfältig abwägen. Coryn und Hawk hatten die volle Unterstützung der ISPC bekommen, aber was half ihnen das? Rein gar nichts! Zum Glück hatte die ISPC wenigstens verhindert, daß irgendetwas von Stardusts Entführung an die Medien gelangt war. Aber was sollten sie jetzt tun? Keiner ihrer Informanten hatte einen Hinweis für sie. Es war einfach zum Verzweifeln. 3763/02/44 GZ Zum ersten Mal verspürte Ryko so etwas wie Frustration. Nicht einmal in Organet oder Freenet gab es den geringsten Hinweis auf eine Entführung. Niemand brüstete sich damit, die gefürchtete Blackfire einkassiert zu haben - gar nichts! Zumindest hieß das jedoch, daß Karylla nicht ihrer Intim-Feindin Thannalon zum Opfer gefallen war, denn diese würde sobald als möglich lautstark verkünden, daß sie Karylla Noir gefangen und langsam zu Tode gefoltert hätte - nicht zuletzt, um ihn zu einer Rache-Aktion herauszufordern, damit sie ihn, Ryko, auch noch erledigen konnte. Wenn aber nicht Thannalon - wer wäre sonst interessiert an Karys Verschwinden? Das Konsortium D existierte nicht mehr, und sonst wüßte er niemanden, dessen Verbindungen so weitreichend wären, um eine solche Aktion so perfekt und lautlos zu organisieren. Doch halt! Wäre es nicht vielleicht möglich, daß es sich hier um eine Aktion dieser neuen Organisation Xi handelte? Immerhin hatten Blackfire und er ihnen eine gewaltige Sache vermasselt. Andererseits hatte jedoch die Presse alleine diese neue ISPC-Spezialeinheit dafür verantwortlich gemacht... Wer also hatte einen Vorteil davon, wenn Blackfire beseitigt war, und wer konnte solch eine Aktion auch durchziehen? Seufz. Irgendwie fehlte ihm etwas, wenn sie nicht da war, stellte Ryko fest. Er mußte sie einfach finden und heraushauen, wo immer sie steckte. Nur - wo anfangen? Coryn und Cass versuchten immer noch, von den diversen Informanten etwas über Janas Verschwinden zu erfahren, während Hawk sich an das Funkgerät gesetzt hatte, um eventuell etwas aufzufangen - aber es ergab sich einfach nichts. Schließlich verschwand Hawk in seinem Labor. Vielleicht fiel ihm ja etwas ein, wenn er sich mit etwas anderem beschäftige. 3763/02/45 GZ Zum wiederholten Male hörte Ryko die Organet-News ab. Auf Endjas V/Khemarra hatte die Weltraumpolizei den Waffenhändler hochgehen lassen, dem sie seit der Coderay-Angelegenheit auf der Spur war. Pierre Coderay hatte zwar bei allen Verhören dichtgehalten, aber es waren dennoch verräterische Indizien aufgetaucht, und nun wurden alle Verbindungsleute von Kerina Hemondaer gewarnt, sich besser eine neue Identität zuzulegen oder anderweitig unterzutauchen. Die Drogenlieferungen von Seraion VI/Alenje seien von minderer Qualität, hieß es im nächsten Bericht. Es wäre möglich, daß diese für die beträchtliche Anzahl von geistigen Verwirrungen innerhalb der FGS verantwortlich sein konnten, denen letzthin auch Sinjur Tamill Feïironne, der Vize-Chef des Litheas-Syndikats von Tunris II/Sangira, zum Opfer gefallen war. Und danach kam die Ankündigung einer Androiden-Versteigerung auf Esdraa II/Shanjir. Ryko war empört. Das mußte er Alan erzählen! Da er zunächst die ISPC kontaktieren mußte, um mit diesem in Verbindung zu treten, schlüpfte er rasch in eine Verkleidung, ehe er den Code des tarishaanischen ISPC-Departments abrief. Hawk war mehr als überrascht, als die ISPC ihm einen Anruf durchstellte. Er schaltete sein Viphon auf Audio, da er sich gerade im Labor befand, dessen Innenleben Fremde nun wirklich nichts anging. "Ja bitte?" "Hallo Alan", begrüßte Ryko ihn ernst. Hawk musterte den Anrufer verwirrt. Den kannte er weder dem Aussehen nach, noch hatte er dessen Stimme schon einmal gehört. Wie konnte der dann etwas von seiner wahren Identität wissen? "Was?" "Ich habe weder Zeit, noch Lust, Spielchen zu spielen, Alan. Ist die Leitung 100 prozentig abhörsicher?" "Natürlich! Sonst würde ich mit Sicherheit nicht rangehen." Was war das nur für ein Typ? "Okay..." Ryko wechselte wieder zu seiner normalen Stimme. "Beruhigend, daß selbst du mich nicht erkennst... Weshalb ich anrufe? Ich habe eine absolute Unverschämtheit ausgemacht!" "Ja?" Wie kam Ryko dazu, ihn zu kontaktieren? Es mußte wirklich etwas von Bedeutung sein. Infinity spielte Alan die Aufzeichnungen der Organet-News vor, allerdings nur den Part über den Androidenmarkt. "Unverschämtheit!" meinte auch dieser. "Sagte ich doch! Wir müssen unbedingt etwas dagegen unternehmen." "Ich kann aber jetzt nicht." "Wie bitte?" rief Ryko entgeistert. Zugegeben, es war auch für ihn nicht der ideale Termin, wo doch Kary entführt worden war, aber da seine Nachforschungen sich bislang totgelaufen hatten, war es absolut unlogisch, nur brütend herumzusitzen und nichts zu tun, als auf ein Wunder zu warten. Er konnte genausogut auf die Suche nach ihr gehen, während er dabei noch ein weiteres Projekt laufen ließ. Wozu war er denn multitaskingfähig? "Es ist nicht drin! Ich kann momentan nichts in der Sache machen." "Und warum nicht?" Was konnte so tragisch sein, daß Alan tatenlos zusah, wie arme Mit-Androiden in die Sklaverei verkauft wurden? "Hm. Das kann ich dir nicht sagen." "Und warum nicht?" "Ich darf es einfach nicht!" Schöner Mist, dachte Alan, aber er durfte auf keinen Fall etwas von Stardusts Verschwinden verlauten lassen. Er konnte nun mal niemandem vertrauen. "Von wem läßt du dir etwas verbieten?" meinte Ryko irritiert. Das war ja ganz neu. - Aber wenn er partout nicht wollte, würde er eben alleine losdüsen. "Ich lasse mir überhaupt nichts verbieten!" empörte sich Alan. "Und wie kommt es dann, daß du mir nicht sagen darfst, warum du nichts gegen die Androiden-Sache unternehmen willst?" "Nun gut. Ich will nicht, weil es eine Aktion gefährden könnte." "Aha. Aber ich glaube dir nicht." Dachte Alan etwa, er könnte ihm etwas vormachen? Dazu waren sie sich in letzter Instanz doch zu ähnlich, obwohl in ihrer Programmierung ansonsten gewaltige Unterschiede klafften. "Und wieso nicht?" "Tja, in dieser Hinsicht verhältst du dich genauso, wie ich mich verhalten würde, wenn..." Alan verfluchte die Tatsache, daß er Ryko so schlecht etwas vormachen konnte. Wenigstens war es andersherum genauso... "Naja..." begann er zögernd. Er war nicht sicher, was er tun sollte. Hier herumzuhängen brachte ihn schließlich auch nicht weiter. Andererseits - wenn sich etwas tat, und er war nicht da, so war das auch äußerst dumm. "Warum mußtest du mich bloß anrufen!" fluchte er. "Um dir von dem Androiden-Markt auf Shanjir zu erzählen", entgegnete Ryko trocken. "Ausgesprochen witzig!" Alan grübelte immer noch. Er konnte sich einfach nicht entscheiden. "Also, was bereitet dir solche Ungemach, daß du ein derart verwerfliches Tun wie jenen öffentlichen Verkauf von Androiden nicht zu ahnden gedenkst?" "Hör auf zu bohren. Ich werde dir helfen", überwand sich Alan endlich. Wenn sich hier etwas tat, konnte er immer noch zurückkommen. "Dies erfreut meine bescheidene Wenigkeit gar sehr", sagte Ryko erleichtert. Alleine wäre es sicherlich stressig geworden. "Aber was sagt deine 'liebe Partnerin' dazu? Ich will ihr auf keinen Fall begegnen!" Rykos Miene blieb ausdruckslos. "Da besteht keine Gefahr. Sie ist zur Zeit unterwegs." "Schön!" meinte Alan erleichtert. "Und ich hoffe, Mademoiselle Star wird dich nicht begleiten - wo du doch diesen neuen Team angehörst..." "Sie hat genug mit der gewissen Aktion zu tun." "Beruhigend", atmete Ryko auf. "Und wie hast du dir die Sache gedacht?" "Wir begeben uns nach Shanjir und untersuchen die Angelegenheit zunächst vor Ort." "Hm", machte Alan. Und wie kam er dahin? Sie Silver Star war noch nicht ganz zusammengebaut. Cass mußte hier bleiben, die Fireflash konnte er schlecht nehmen - Frust! Er sollte sich wirklich mal ein neues Raumschiff kaufen. "Hast du ein Transportproblem?" erkundigte sich Ryko scheinheilig. "Falls ja - die Lightning steht im Orbit von Tarishaan." "Naja, ich habe dummerweise kein Schiff hier", gab Alan zögernd zu. "Wo kann ich hier unauffällig parken?" wollte Ryko wissen. "Mit Tarnschild, versteht sich, keine Sorge..." "Äh! Ich muß erstmal überlegen", meinte Alan, und Ryko hob amüsiert eine Augenbraue. "Ich warte." "Nun, ich denke, der Parkplatz von Blade Manor ist am besten." "Hm. Da war ich doch schon mal", überlegte Ryko halblaut. Vor geraumer Zeit hatte er Stardust dort einsammeln müssen... Zufall? Wohl kaum... "Heißt das, du hast dich wieder mit Mademoiselle Blade ausgesöhnt?" "Nein, habe ich nicht! Aber ich bin gerade in der Nähe." "Aha. - Ich bin in einer Stunde da." "Gut. Ich werde dort warten." Alan hatte lediglich noch Coryn über seinen Aufenthaltsort informiert. Dieser wollte natürlich unbedingt mitkommen, aber er konnte ihn schließlich doch von der Wichtigkeit seiner Anwesenheit in der Starcave überzeugen. Zur vereinbarten Zeit begab er sich zum Parkplatz. Ryko war wieder in sein Infinity-Outfit geschlüpft, obwohl er sich diesmal nur einen einfachen schwarzen Coverall überzog. Zur angegebenen Zeit stand er neben der unsichtbaren Lightning auf dem Landefeld. Plötzlich tauchte Ryko neben ihm auf. "Hallo." Er machte eine Geste zu einem leeren Fleck. "Ich bitte einzusteigen!" "Hi", entgegnete Alan und folgte Ryko ins Schiff. Sogleich hob die Lightning ab. Ryko ließ sich in den Pilotensessel am Leitstand fallen, auch wenn es ihm ohne weiteres möglich war, den Raumer per Funk zu steuern. Karylla fand es immer irgendwie beunruhigend, wenn er schwierige Manöver flog und dabei ganz wo anders steckte... "Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß wieder einmal die Organisation Xi ihre Finger im Spiel hat", erklärte Ryko. "Hm. Langsam wird diese Truppe zum wirklichen Nachfolger des KD", meinte Alan nachdenklich. "Falls du mich fragst, es hat fast den Anschein, als ob wir irgendjemanden aus der alten KD-Führung übersehen hätten. Das Muster ist zu ähnlich, und außerdem kann man eine Organisation von der Größe nicht in so kurzer Zeit aus dem Boden stampfen. Da scheint jemand einen Großteil der alten KD-Zellen reaktiviert zu haben... Ein weiteres Problem ist auch, daß die Typen so frech sind, daß sie sogar offen operieren, weil man ihnen nichts dergestalt nachweisen kann, daß ein Gericht sie verurteilen könnte." "Das ist leider nur zu wahr..." "Hm. Was hat die ISPC bislang über Xi selbst herausgefunden?" "Ich bin sicher, ich weiß nichts, was du nicht auch weißt." "Hm... Und was weißt du?" Alan sah Ryko mit einem schiefen Grinsen an. "Eigentlich gar nichts." "Tsy. Also, ich weiß zumindest, daß sich Xi seinen Untertanen - insgesamt 30 Leute, so hieß es in den Nachrichten - nur als Farbwirbel auf einem Monitor zeigt. Ist auch nicht viel mehr, hm?" "Stimmt. Die ISPC hat in letzter Zeit dreimal eine Spur gehabt, die sich aber als Falle der Polizei für Xi entpuppte..." "Stimmt. Karylla erzählte mir von eurem letzten Versuch." Alan sah ihn irritiert an. Woher wußte die... Plötzlich fiel ihm die merkwürdige Polizistin mit der Holoprojektion ein. "Wir sind ebenfalls hinter Xi her", erklärte Ryko. "Das habe ich mir gedacht..." Alan fand es ausgesprochen peinlich, daß er andauernd auf Karylla Noir hereinfiel. "Noch drei Stunden, dann erreichen wir das Esdraa-System", verkündete Infinity. "Was hältst du von einer kleinen Mahlzeit?" Natürlich war sein Gast begeistert. "Was ist dir lieber - ein 'normales' Essen oder ein Special-Cocktail von mir?" "Egal. Ich nehme, was kommt." "Okay." Ryko verschwand kurz und kam nit zwei Bechern zurück, in denen ein türkis/violett changierendes Gebräu schwappte. Alan betrachtete das Zeug sehr nachdenklich, als er einen der Becher in die Hand nahm. "Keine Sorge, für dich ist es garantiert unschädlich", kommentierte Ryko dessen Blick amüsiert. "Das weiß ich. Aber es sieht trotzdem komisch aus." "Tut mir leid... Ich mag es halt gerne bunt." Ryko kippte den Cocktail in einem Zug herunter. Das waren genug Nährstoffe für die nächsten sechzig Stunden, was ihn der Notwendigkeit enthob, ständig Unmengen an menschlicher Nahrung zu sich zu nehmen, deren Inhaltsstoffe seine Energieversorgung nur mehr schlecht als recht gewährleisteten. "Ich werde es überstehen", seufzte Alan und schluckte das Gebräu, egal wie es aussah. "Na?" fragte Ryko gespannt. "Buäh!" gab Alan von sich. "Tse! Man könnte meinen, du bist schon total angepaßt", meinte Ryko grinsend. Ihm war es zu dumm, andauernd Unmengen dieser für ihn so unpraktischen Menschen-Nahrung zu sich zu nehmen, daher blieb er privat lieber bei seinen diversen Konzentratvarianten. Abgesehen davon, ihm schmeckten sie ausgezeichnet. "Ich weiß, ich bin verzogen und verwöhnt!" "Also, ich halte mich eigentlich durchaus auch für einen Genießer..." Ryko drehte das Glas belustigt in den Händen herum. Geschmäcker waren halt verschieden. "Ich habe in dieser Beziehung leider einen komischen Geschmack. Manchmal wäre etwas weniger ausgefallen durchaus begrüßenswert..." "Was magst du denn so im allgemeinen?" An 'normaler' Kost sagten Ryko am ehesten alle Varianten von Süßigkeiten oder Steaks zu. "Spezialitäten von Dunnlorn, Wild im Allgemeinen, Fleisch vom Holzkohlengrill, naja..." Im Prinzip war es alles, was Tyron Star bevorzugt hatte, denn dieser hatte seine Vorlieben auch in Alans Programm übertragen. "Aha. Nein... Ich liebe Pralinen..." Ryko sah leicht verlegen zu Boden. "Ich glaube, es fällt etwas auf, da ich ja nicht zunehmen kann..." "Ein wenig", stimmte Alan amüsiert zu. "Naja... - Wenn du etwas anderes willst, kannst du ja den Nahrungssynthi umprogrammieren. Oder was hieltest du von einen Special-Cocktail mit Wild-Geschmack?" "Nein danke! Wenn es nicht so aussieht, braucht es auch nicht danach zu schmecken!" "Das verstehe ich nicht", stellte Ryko irritiert fest. "Der Geschmack ist doch unabhängig von der physischen Erscheinung der jeweiligen Substanz." "Bei mir nicht." "Und aus welchem Grund?" Alan zuckte mit den Schultern. "Ist nicht meine Idee." "Woher ist sie dann? Mir ist kein literarisches oder ähnliches Werk bekannt, in dem eine solche Behauptung aufgestellt wird." "Tyron Star hat das gesagt!" "Tsy. Dann ist das wohl auch einer der Teile meiner Programmierung, die Karylla geändert hat." "Mit Sicherheit. Sei froh, daß du dich nicht mit so komischen Ideen herumplagen mußt!" "Dafür habe ich andere... Stell dir vor, es gibt einige Mineralien, die ich auch pur ganz gerne mag..." "Igitt! Sowas würde ich nie essen!" "Oh, einige schmecken aber wirklich nicht schlecht... Sie sind nur etwas problematischer zu zerkleinern." Alan schüttelte sich bei dem Gedanken, Steine zu verspeisen. Das war ja eklig! Ryko guckte seinen 'Bruder' belustigt an. Offenbar gefiel ihm diese Idee überhaupt nicht. Aber er unterließ es ohnehin seit geraumer Zeit, solche Kabinettstückchen vorzuführen. Ganz am Anfang seiner Existenz hatte ihn Karylla einmal ziemlich zusammengestaucht, als er einen Pyrit zu sich nahm, da seine Analyse ihm sagte, daß dieser Stein Schwefel und Eisen enthielt, zwei Stoffe, an denen er zu jenem Zeitpunkt ein Defizit hatte. Kary meinte, es wäre etwas suspekt, soetwas zu tun, und außerdem, eine Mineralienbörse wäre doch kein Restaurant! Alan hatte den Gedanken an die Steine beiseite geschoben. Über so etwas dachte er lieber nicht länger nach. Manchmal war seine Programmierung aber wirklich eine Plage! Langsam wurde die Sonne Esdraa größer. Planet II, Shanjir, war eine warme Welt mit nicht ganz tropischem Klima. Nachdenklich betrachtete Alan die rot/weiß gescheckte Kugel des Planeten, die den Bildschirm immer mehr ausfüllte, während seine Gedanken schon wieder in der Starcave weilten. Ob es schon etwas neues gab? Er machte sich wirklich Sorgen, wo Stardust steckte. Ryko folgte Alans Blick. Dieser guckte irgendwie sehr sinnend, befand er. Komisch... Ryko seufzte. Jetzt, wo er nicht mehr direkt durch Konversation abgelenkt wurde, überkam ihn erneut ein Anfall von Trübsal, und er stellte fest, daß er seine Partnerin immer mehr vermißte. Gut, wenn er wußte, daß sie ständig erreichbar war, vergrub er sich schon mal einige Tage ununterbrochen in irgendwelchen Basteleien, und dann machte es ihm nicht das Geringste aus, wenn er sich nicht in ihrer Nähe befand. Aber da wußte er auch, daß sie stets da war, wenn er sie sehen wollte. Doch jetzt? Karylla war gerade zwei Tage fort, und er hatte ein echtes Problem! Hm. Das mußte er einmal genauestens analysieren. Es war auf jeden Fall völlig unlogisch und irrational - und das verstand er nun überhaupt nicht. Alan seufzte und wandte sich vom Bildschirm an. Er sollte nicht soviel grübeln, das brachte ihn auch nicht weiter. "Stimmt irgendetwas nicht?" wollte Ryko wissen. "Nein, wieso?" "Du seufztest so tragisch." "Ist mir gar nicht bewußt", meinte Alan ausweichend. "Aha." "Warum siehst du mich so komisch an? Kann ich nicht mal..." begann Alan. "Ach, vergiß es!" Ryko hob die Augenbrauen. Da stimmte einiges nicht, konstatierte er, als sein Gegenüber ihm demonstrativ den Rücken zudrehte. Er zuckte mit den Schultern. Es war Alans Problem, nicht seins. Er hatte ein anderes, Schwerwiegenderes. Hoffentlich war Kary nichts zugestoßen! Na, wenigstens fragte er nicht weiter, dachte Alan. Aber er sollte sich zusammennehmen und voll auf das konzentrieren, was ihn hierher geführt hatte. Ryko durchschaute ihn zu schnell, als daß er sich irgendwelche Ausrutscher leisten konnte. "Wir landen in einem unbewohnten Gebiet in der Nähe von Ekvajar", sagte Infinity. "In dieser Stadt hatten wir bereits einmal Anzeichen für Aktivitäten der Organisation Xi bemerkt, und es soll sich auch dieser ...Markt dort befinden." "Gut", erwiderte Alan nur. "Du hast ein Problem", stellte Ryko fest und setzte sich an die Kontrollen. Manchmal flog er das Schiff komplett manuell, vor allem, wenn er sich irgendwie ablenken wollte. Alan entgegnete nichts, er blickte ihm lediglich über die Schulter. Es wurde Zeit, daß er etwas zu tun bekam. Die Lightning setzte sanft auf, und Ryko desaktivierte die Aggregate und sicherte das Kontrollpult, bevor er sich in seinem Sessel zurücklehnte. Wenn Karylla hier wäre, wäre es keine Frage, was sie nun unternähmen. Aber jetzt mußte er sich selbst etwas ausdenken! "Und?" fragte Alan. "Was machen wir jetzt?" "Einen Augenblick. Laß mich überlegen..." Ryko fühlte sich auf einmal sehr seltsam, als ihm auffiel, daß das eigentlich immer genau Karyllas Worte waren... Er seufzte. Wo steckte sie bloß? "Du hast aber auch ein Problem", machte Alan ihn aufmerksam. "Hm", gab Ryko unbestimmt von sich, und sein Bruder grinste nur. "Gehen wir zu diesem Markt", schlug er vor. "Ja!" sagte Ryko ein wenig zu schnell und erhob sich. Alan schüttelte amüsiert den Kopf. Tse, der hatte es aber eilig! Ryko sah kurz in einen Spiegel, den er holographisch herbeordert hatte. "Einen Augenblick!" Er verschwand rasch in seinem Quartier und kehrte nur fünf Minuten später mit goldbraunem Haar und elfenbeinfarbener Haut zurück. Außerdem hatte er einen schlichten dunkelgrauen Coverall angelegt. "Nun denn", meinte er. "Hm." Alan betrachtete ihn nachdenklich. "Ich glaube, ich sollte mich ebenfalls umziehen." "Sei mein Gast!" Ryko deutete auf den voluminösen Schrank mit den Verkleidungsutensilien. "Farben findest du im Badezimmer." Er deutete auf den Eingang zu seinem Quartier. "Wie ich das hasse!" gab Alan von sich, als er den Kostümfundus inspizierte. Er wunderte sich nun aber nicht mehr darüber, daß er Blackfire nie erkannte. Ryko setzte sich unterdessen auf das Kontrollpult der Lightning und wartete. Alan grummelte sauer vor sich hin. Er konnte diese Verkleidungen nicht ausstehen. Da ihm wie meist nichts einfiel, kopierte er einfach Rykos Outfit. Dessen rechte Augenbraue schoß in die Höhe, als ihm plötzlich sein Zwilling gegenüberstand. "Hallo, großer Bruder!" "Tse, du bist größer." "Aber du bist älter." "Naja, etwas..." "Wieviel eigentlich?" fragte Ryko neugierig. "Keine Ahnung, da ich nicht weiß, wie alt du bist." "Ich? Ähm... Naja, ich werde demnächst sieben... - Aber pssst, nicht weitersagen, sonst falle ich noch unter den Jugendschutz..." Er grinste breit. Alan schüttelte amüsiert den Kopf. "Dann bin ich 13 Jahre älter." "Ts! Hast dich aber ganz gut gehalten - für dein Alter..." "Du!" drohte Alan. "Ja?" Ryko guckte betont unschuldig und machte einen raschen Schritt in Richtung Schleuse. "Laß uns gehen", empfahl Alan. "Bin schon dabei... - Nebenbei, du trägst dein TM-Aggregat?" "Sicher!" "Dann solltest du die Frequenz mit dem Bordcomputer synchronisieren, damit du im Notfall wieder hier auskommst und auch neue Sprungkoordinaten anfordern kannst." "Gut." Als sie endlich fertig waren, gingen sie aus dem Schiff und standen auf weitem, rostrotem Feld unter ähnlichfarbigem Himmel. "Tolle Gegend", kommentierte Alan leicht ironisch. "Wir machen hier schließlich keinen Urlaub. Zur Stadt geht es in die Richtung!" Ryko setzte sich im Sprintertempo in Bewegung. Diesmal brauchte er nicht auf Karylla Rücksicht zu nehmen, und Alan war ja im Prinzip baugleich mit ihm. 'Nun gut', dachte dieser und lief hinter Ryko her. Nach einem etwa zwei Stunden langen Sprint bei Höchstgeschwindigkeit (nicht viel schneller als ein menschlicher Hochleistungssprinter, aber dafür eben etwas ausdauerender...), kamen sie am Rand der eigentlichen Stadt Ekvajar an. "Wurde aber auch Zeit", bemerkte Alan. "Naja, es war wohl doch nicht ganz so nah an Ekvajar", stellte Ryko entschuldigend fest. "Aber dafür ist das Schiff dort sicher. Ich wollte hauptsächlich nicht per Transmit springen, so lange wir die Lage noch nicht genau inspiziert haben. Es wäre unangenehm, in einem Anti-TM-System mit Fangschaltung zu landen." "Da gebe ich dir Recht. Aber wir hätten doch wenigstens bis an den Stadtrand springen können!" "Hm. Stimmt auch wieder." Ryko setzte ein etwas verwirrtes Gesicht auf. Irgendwie hatte er die Parameter bezüglich der Sicherheit etwas zu eng gesetzt. Die Sorge um seine Partnerin durfte nicht mit seinen aktuellen Aktivitäten kollidieren, ermahnte er sich und schob das Karylla-Problem erst einmal in den Hintergrund. Dort würde es nicht verloren gehen, und wenn es relevant wurde, käme es schon wieder hervor. "Wir sollten uns zu unserem Kontaktmann begeben. In den Organet-News hieß es, man solle sich an einem Tulrisom Musritom wenden..." "Und wo ist das?" "Er ist ein Anwalt hier in Ekvajar. Adresse: 03A/49B-Planquadrat, Ansikkan-Ave |3785." "Hm. Du gehst hin", bestimmte Alan. "?" Ryko hob die Augenbrauen. "Warum nicht? Einer bleibt hier, und einer geht. So haben wir ein gutes Alibi." "Klingt logisch." Außerdem - vielleicht erfuhr er ja sogar etwas über Karyllas Verbleib. Sogleich setzte er sich in Bewegung. Alan machte es sich in einem Straßencafé bequem. Komischerweise hatte er überhaupt keinen Hunger. Sehr eigentümlich. Vielleicht sollte er Ryko doch noch nach dem Rezept fragen? Das Geschmack ließe sich ja ändern. Unterdessen wanderte Ryko zu Musritom. Der Anwalt hörte sich sein Begehr an, und seltsamerweise wurde Ryko diesmal nicht gefangengenommen. Musritom sagte nur, er müßte einiges überprüfen, und Ryko würde von ihm hören. Anschließend bekam Ryko eine Code-Karte für ein Schließfach, in dem er am nächsten Tag nachzusehen hatte. So ausgerüstet kehrte er zu Alan zurück. "Wieder zurück?" fragte dieser. "Was sagt der Typ?" Ryko hielt die Karte hoch und setzte sich. "Morgen bekomme ich eine Nachricht in einem Schließfach. - Was unternehmen wir bis dahin?" Wenn Kary hier wäre, wüßte er ja, was er tun würde. Aber jetzt? Seufz. Irritiert bemerkte Ryko, daß das Karylla-Problem unerwartet wieder im Vordergrund logierte. Sehr eigentümlich. Er hatte ihm doch eine niedrigere Priorität gegeben? Offenbar machte sein Programm auch, was es wollte. "Weiß nicht", meinte Alan. Ryko guckte schon wieder so komisch. An was dachte er bloß dauernd, überlegte er. "Hm-hm", gab Ryko von sich und stützte den Kopf auf den Händen auf. Eigentlich hatte er immer gedacht, er hätte seine Reaktionen besser unter Kontrolle. Aber im Augenblick schien es, als wäre weit mehr seines Programms seinem direkten Zugriff entzogen als ihm lieb war. Er sollte wirklich einmal mit Karylla reden, was sie da alles angestellt hatte. "Hm?" Wenn er alleine war, würde er jetzt ein bißchen basteln, dachte Alan. "Seufz..." 'Karylla...' Er mußte sie wiederfinden. "Das ist ja nicht zum Aushalten!" "Hm - was?" Ryko schreckte auf. "Diese Seufzerei!" "Ich vermisse Karylla. Wenn Sie jetzt hier wäre..." ...dann würde er sie genauestens interviewen, welche Programmteile sie vor seinem direkten Zugriff weggelockt hatte! "Du meine Güte!" rief Alan überrascht aus. "Hä?" "Daß es so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht." Offenbar bezog sich Alan auf etwas anderes, bemerkte Ryko irritiert. Na gut, er wollte ihm lieber nicht auf die Nase binden, was ihn gerade bewegte. "Sie ist schließlich meine Freundin." Dieser Kommentar stimmte schließlich auch zu 100 Prozent... "Na und?" "Wie - na und?" Ts. Offenbar war das für Alan kein Argument. "Das ist doch noch lange kein Grund, bei ihrer Abwesenheit gleich das große Seufzen zu bekommen!" Das alleine vielleicht nicht, dachte Ryko. Aber sie war nunmal nicht freiwillig abwesend, außerdem mußte er sie dringend sprechen - und zum dritten fehlte sie ihm tatsächlich, stellte er fasziniert fest. "Hm... Naja..." meinte er zögernd. Wenn er wüßte, was von seinen Gefühlen von seiner Programmierung erzwungen war und was durch seine Persönlichkeit hervorgerufen wurde, wäre das alles gar nicht so tragisch. Vermutlich wäre es nicht halb so kompliziert, wenn er ein Mensch wäre... "Was stellen wir nun an, um dich auf andere Gedanken zu bringen?" äußerte Alan amüsiert. Ryko sah ihn fast ein wenig verärgert an. "Du hast offenbar keine Probleme, mit dem klarzukommen, was du fühlst?" "Selten." Alan überlegte. Eigentlich hatte er nie Probleme, weil er einfach nicht darüber nachdachte. Er machte einfach etwas anderes, und schon war die Sache nicht mehr so wichtig. "Hm." Ryko sah melancholisch nach draußen. "Nun ist aber Schluß!" sagte Alan entschlossen und stand auf. "Wir gehen!" Ryko sah verwirrt auf, dann erhob er sich ebenfalls. Sein Bruder hatte nicht ganz unrecht, und außerdem war es ja seine Idee gewesen. Aber trotzdem... Und vor allem... Er sollte sich wirklich zusammenreißen, dachte Ryko und setzte die Priorität seiner Sorge um Karylla erneut herunter. "Nun komm endlich", drängte Alan. Sie waren ohnehin recht auffällige Gestalten in den kleinen Café. "Ja, großer Bruder..." Ryko trottete hinter ihm her. "Sag das nochmal in diesem Ton, und du bekommst Ärger!" Irgendwie würde er Ryko schon aus seiner trüben Stimmung reißen. "Noch ein Duell?" Ryko setzte ein schiefes Grinsen auf. "Diesmal werde ich mich nicht so leicht schlagen lassen!" "Wenn du meinst?" "'Wenn du meinst'!" äffte Alan ihn nach. "Das ist einfach grauenhaft, wie du dich hängen läßt!" Das reichte jetzt aber, beschloß Ryko und stellte sich in Positur, mit jedem Zoll ein naravinischer Adliger. Er verbeugte sich leicht. "Obgleich es mir deucht, daß ich mich diesmal nicht schlagen muß, um einer holden Jungfer zu gefallen, so hege ich die Vermutung, daß Ihr auf einen Händel aus seid, teurer Freund!" Alan musterte ihn überaus amüsiert. Blackfire als 'holde Jungfer'? Das wüßte er aber... "Wenn Ihr darauf besteht", meinte er grinsend. "Verzeihet, wenn ich Euch korrigieren muß, aber nicht ich bestehe auf einem Duell - Ihr mit Euren unbotmäßigen Äußerungen fodertet ein Verlangen nach Genugtuung geradewegs heraus!" "Vielleicht tue ich das", gab Alan angriffslustig von sich. Das schien ja hervorragend zu funktionieren... "So fodert Ihr mich wahrlich itzo zum Duelle?" Alan sah Ryko - hm, wohl eher Sir Cayvyn im Augenblick - irritiert an. Diese Sprechweise war gewöhnungsbedürftig. "Ja!" "In diesem Falle obliegt mir die Wahl der Waffen. So höret - wir schlagen uns also in einer Stunde mit der Yeraal. Die Örtlichkeit dieses unseren Händels..." Ryko sah sich kurz um. "Sollten wir uns am besten zu gegebener Zeit aussuchen... Also, in einer Stunde treffen wir uns wieder hier." (Yeraal - Eine antike naravinische Schlagwaffe; ein kurzer isolierter Metall'griff', der in der Hand gehalten wird. Jeder Treffer verursacht einen beträchtlichen Elektroschock, der die getroffenen Körperteile des Opfers sofort paralysiert.) "Wie Ihr wünscht", entgegnete Alan. Schöner Mist, den er sich da eingebrockt hatte. Ryko war ein mehr als nur ernstzunehmender Gegner. Aber was tat man nicht alles, um seinem 'kleinen Bruder' zu helfen... Ryko verbeugte sich steif und stolzierte von dannen, um das nächstebeste Waffengeschäft ob einer Yeraal aufzusuchen. Auch Alan überlegte, wo er so ein Teil herbekam. Tse, er würde einfach einen geeigneten Laden suchen. Das konnte ja nicht so schwer sein, so ein Ding zu bekommen... Als Ryko vor dem Verkäufer stand und ihm seinen Wunsch kundtat, guckte dieser absolut irritiert. "Sicherlich habe ich schon davon gehört, Monsieur, aber ich habe noch niemals eine gesehen. Diese Geräte sind antik! - Vielleicht sollten Sie es einmal bei einem Trödler versuchen?" Leicht gefrustet trollte sich Ryko wieder. Hm... Alan hatte auch nicht mehr Glück. Der Typ forderte doch glatt 2.7 Millionen Credits für eine halbverrostete Yeraal, an der überhaupt nichts mehr funktionierte. Aber der Händler versicherte ihm, daß diese das einzige Exemplar in dieser Stadt sei - außer der im Museum, die natürlich unverkäuflich war. Seufz... Es war Rykos Idee gewesen, nicht seine... Nachdem er auch im zweiten Laden nichts erreichte, überlegte Ryko schon, ob er sich so ein Teil selbst bauen sollte, aber in den verbleibenden 7 Minuten war das ein aussichtsloses Unterfangen. Tiefgeknickt trollte er sich zum Treffpunkt, wo Alan bereits wartete, da er ja gar nicht hatte weitersuchen brauchen. Ryko sah ihn tragisch an. "Es dauert mich gar sehr, zugeben zu müssen, daß mir die ungeheuerliche Schmach zustieß, keine geziemende Waffe ausmachen zu können..." "Tse", meinte Alan. "Ihr hättet Eure Wahl überlegter treffen sollen." "Hm", machte Ryko etwas gefrustet. Er hatte ja recht... "Aber was machen wir nun?" "Wir haben leider noch eine Menge Zeit", stellte Alan fest. 'In der ich Ryko beschäftigen muß', dachte er gestreßt. Aber wie? Er war schließlich kein Mensch, und alle seine Ideen scheiterten genau daran. "Diese Feststellung ist korrekt", stimmte Ryko zu. Hm... Wenn Karylla... Aber die war ja immer noch verschwunden. Diese Grübelei war in höchstem Maße unlogisch, machte er sich aufmerksam. Dadurch fand er sie auch nicht schneller wieder. "Hm. Momentan fällt mir nichts ein, was wir machen könnten", grübelte Alan. Das war verdammt blöd, aber was sollte er sonst sagen? Wäre er da geblieben, wo er jetzt sein sollte, dann hätte sich das Problem gar nicht erst ergeben. Ob Coryn schon etwas neues wußte? "Was würden wohl 'normale Menchen' in einer solchen Situation unternehmen?" sinnierte Ryko. "Oh, einen Stadtbummel, einen Zug durch die Bars, in den Park gehen, sich ausruhen... Ich wüßte da eine ganze Menge." "Hm. Diese Aktivitäten wären auch durchaus akzeptabel, wenn..." Ryko seufzte abgrundtief. "Wenn was?" Alan war ausgesprochen genervt. "Naja, wenn Karylla hier wäre..." Alan gab ebenfalls einen tragischen Seufzer von sich. Egal, was er von Blackfire hielt, im Augenblick wünschte er, sie wäre hier. So war mit Ryko ja rein gar nichts anzufangen! "Was würdest du denn unternehmen, wenn du seit mittlerweile sieben Jahren ständig nur mit ein und derselben Frau zusammen gewesen wärst und sie jetzt seit einiger Zeit jobmäßig solo auf Achse ist?" "Sieben Jahre! - Ich glaube, das hätte ich gar nicht überlebt!" "Hm. Sie hat einiges an der alten Firestar-Programmierung geändert." "Das weiß ich auch schon!" "Siehst du. Und deshalb habe ich halt ein Problem. Aber es ist nicht machbar, etwas bei mir umzuprogrammieren, ohne meine Erfahrungsmuster zu überschreiben, und das will ich auch nicht." "Das kenne ich. Wie gerne würde ich einen großen Teil dieser 'Vorlieben' loswerden!" "Welche zum Beispiel?" fragte Ryko interessiert. "Du bist überhaupt nicht neugierig!" "Programmierung..." Er guckte unschuldig gen Himmel. "Aber bestimmt nicht im Original-Programm." "Hm. Nicht?" Ryko war erstaunt, als Alan den Kopf schüttelte. "Naja. Jetzt bin ich es aber. Also: Welche deiner 'Vorlieben' würdest du denn gerne loswerden?" "Ähm", gab Alan sichtlich verlegen von sich. Darüber sprach er nun gar nicht gerne. "Nun?" Ryko sah ihn gespannt an. "Dann weiß ich endlich, wieviel vom Original bei mir übrig geblieben ist..." "Die gesamten Daten wurden nach meiner Programmierung vernichtet", wich Alan aus. "Und? Du kennst deine Verhaltensmuster schließlich." "Ich finde, wenn ich sie kenne, reicht das vollkommen." "Es würde mich aber interessieren. Vor allem, da ich auch nach den ganzen sieben Jahren meiner Existenz immer noch nicht genau weiß, was ich alles kann und/oder können soll, da Karylla einfach einen Teil der Firestar-Kristalle weggelassen hat. Sie meinte, das, was da drauf war, brauchte ich nicht zu wissen..." "Ich bezweifle, daß ich da helfen kann. Soweit ich weiß, hat Karylla die zweite Version bekommen, die Tyron erstellte, nachdem er meinen Satz vernichtet hatte... Und wenn sie diese Daten dann noch abgeändert hat... Ich bezweifle, daß wir allzu viele Gemeinsamkeiten auf diesem Gebiet haben." "Naja. Es reicht aber immer noch..." "Stimmt schon", befand Alan nachdenklich. "Mich würde es wirklich interessieren." Ryko sah in weite Fernen. Irgendwie beneidete er Alan. Dieser war im Prinzip der 'Erstproduzierte' - und er, Ryko? Nicht alleine, daß er nach der zweiten Garnitur der Pläne gebastelt worden war, bei ihm hatte auch noch Karylla massiv in die Originalunterlagen eingegriffen! "Also gut", gab Alan schließlich nach. "Was willst du wissen?" "Nun, du erwähntest, daß du einige Features abstellen würdest, wenn du dazu in der Lage wärst. Was denn zum Beispiel?" "Diese Vorlieben beim Essen - und überhaupt. Ich finde sie furchtbar!" "Und überhaupt?" "Du bist ausgesprochen hartnäckig", beschwerte sich Alan. "Daran ist Karylla schuld." "Das habe ich vermutet", bemerkte Alan beim Gedanken an die Quälerei, die diese vor nunmehr einem Jahr mit ihm veranstaltet hatte. Ryko hob eine Augenbraue. "Und was ist nun mit 'überhaupt'?" "Schon gut... Diese kleptomanische Veranlagung zum Beispiel, und dann das Frauen-Problem..." "Hm... Also, zum Thema 'Kleptomanie' kann ich auch ein Liedchen singen. Aber was Frauen betrifft..." Ryko seufzte. Wenn er so Alan betrachtete, kam es ihm ziemlich unnormal vor, daß er derart auf Karylla fixiert war. Dieser musterte ihn überrascht. Von Kleptomanie hatte er bei Ryko aber noch nichts bemerkt. "Zum Glück habe ich diese ewige Klauerei mittlerweile soweit unter Kontrolle, daß ich die Sachen auch schon mal stehen lassen kann..." Wenn er an seine Anfangszeit dachte... Kary war ab und zu ziemlich ungehalten gewesen, zum Beispiel, was den Familienschmuck 'seiner' Familie auf Naravina betraf... "Ich kann mich nicht beherrschen. Meistens merke ich es gar nicht, wenn ich etwas mitgehen lasse..." "Hm. Karylla hat mir versichert, daß ich in der Lage bin, alles zu lernen, was ich lernen will. Und dann meinte sie, wenn ich nicht ganz plötzlich lernen würde, das ganze Zeug, das ich eingesteckt hatte, wieder unauffällig zurückzustecken, dann würde sie sich geeignete Maßnahmen überlegen... Abgesehen davon sagte sie, daß sie keine Lust hätte, sich mit einer Firestar-Kopie herumzuschlagen..." "Soso", brummte Alan. "Aber ich glaube, das ist mein eigentliches Problem. Ich lerne eigentlich nichts - das, was ich jetzt kann, konnte ich schon immer, bereits direkt nach meiner Fertigstellung." "Hm. Karys erster Kommentar war, daß ich eine eigenständige Persönlichkeit wäre, und daß ich tun und lassen könnte, was ich wollte. Kannst du dir vorstellen, daß sie sagte, daß ich frei wäre zu gehen, wann und wohin ich wollte?" Rykos Stimme klang so verwundert, wie er es auch damals gewesen war. "Ich fühle mich eher als Firestar-Kopie denn als eine eigenständige Persönlichkeit", sinnierte Alan. "Ich habe festgelegte Aufgaben und Ziele, was heißt, daß ich keineswegs tun und lassen kann, was ich will..." "Hm. Deshalb hast du wohl auch so wenig Probleme auf gefühlsmäßiger Basis." "Bis vor einiger Zeit hatte ich überhaupt keine Probleme, aber vor kurzem hat sich das irgendwie geändert..." "In der Tat?" Ryko sah ihn irritiert an. "Seit ich beschlossen habe, mein Firestar-Image aufzugeben, entdecke ich immer mehr Programmteile, die ich vorher nie bemerkt habe." "Zum Beispiel?" "Seufz! Du fragst mir wirklich noch Löcher in den Bauch." "Ich bezweifle, daß das technisch möglich ist. - Und?" "Und was?" Alan sah betont unschuldig in die Gegend. "Welche Programmteile hast du z.B. in letzter Zeit entdeckt, die du vorher nie bemerkt hast?" Alan bedachte Ryko mit einem tödlichen Blick. Er haßte es, solche Interviews zu geben. "Ich habe bemerkt, daß ich mir bei meinen Entscheidungen nicht mehr so sicher bin. Früher habe ich nie gezweifelt." "Was für Entscheidungen?" "So im allgemeinen eben! - Soll ich das mitgehen lassen, soll ich nicht... Und so weiter!" "Hm. Das heißt aber, daß deine Programmierung doch zumindest teilweise flexibel ist." "Jetzt. Aber vorher war sie es nicht!" "Sehr interessant!" Ryko überlegte, wie das ablaufen könnte. "Was meinst du, wie das funktioniert?" "Das weiß ich nicht", meinte Alan kläglich. "Hm. Also... Was hältst du von einer eingehenden Analyse? Die Lightning ist für solche Fälle voll ausgestattet, und wir haben Zeit..." "Niemand untersucht an mir rum!" fauchte Alan Ryko an. "Hey! Sag bloß, du bist prüde oder so? Immerhin kenne ich deine Hardware und Leistungsdaten genauso gut wie meine..." "Na und?" "Es geht doch nur um einen kompletten Scan deiner Software..." "Kommt nicht in Frage", erklärte Alan kategorisch. Ryko zuckte mit den Schultern. "War ja nur ein Vorschlag..." Gut, er würde Alan auch nicht freiwillig an sich heranlassen... Dieser entspannte sich sichtlich. Er wußte ja selber nicht, was da alles zum Vorschein kommen könnte, also brauchte es ein anderer erst recht nicht zu wissen. "Hm... Aber was wir jetzt tun können, wissen wir immer noch nicht." Ryko überlegte. Er würde ja eigentlich gerne mal eine Tour durch die Bars und sonstigen Bezirke von Ekvajar machen. Zusammen mit seiner Partnerin ginge das bestimmt nicht, warum sollte er also die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen? Aber andererseits wußte er genau, daß ihn danach ein ziemliches Unbehagen überkommen würde - das Gefühl, das Karylla als 'schlechtes Gewissen' bezeichnete. Tja! "Stimmt." Das leidige Thema wegen seiner Programmierung schien endlich erledigt zu sein, dachte Alan erleichtert. "Also - du bist älter... Sag was!" "Das ist ausgesprochen gemein. Und nachher war dann wieder alles meine Schuld und so weiter... Den Trick kenne ich schon!" "Tja. Aber du bist immer noch älter..." "Das heißt aber nicht, daß mir etwas einfallen muß!" "Ich dachte, du würdest alle Laster etc. kennen und hättest z.B. aus jenem Fundus einen Vorschlag?" Ryko sah ihn erwartungsvoll an. Alan gab seinen Blick überrascht zurück und lachte dann. Wie kam der denn jetzt darauf? Offensichtlich war Rykos Neugierde wirklich unerschöpflich. "Was ist denn daran so lustig?" fragte Ryko schmollend. "Nichts", antwortete Alan schnell. "Hm!" Ryko runzelte die Stirn.. "Meine Laster lassen wir aber besser da, wo sie sind. Ich lege keinen Wert darauf, daß Blackfire mich massakriert." "Hm", machte Ryko ein weiteres Mal, ehe er seufzte. Karylla... Wo, bei Tyron Star, mochte sie bloß stecken? "Ich weiß, ich hätte sie nicht erwähnen sollen. Im Nachhinein fällt mir das natürlich ein", bemerkte Alan mehr zu sich selbst. Ryko warf ihm eine Leidensmiene zu, und er seufzte tief. Als Psychologe war er eine Niete. "Es ist 14:00 Uhr", stellte Ryko fest. Bis morgen früh - was machten sie bloß bis dahin? "Das weiß ich doch. Noch 14 Stunden." "Was hältst du davon, die ZIV heimzusuchen und ein paar Daten abzuzapfen?" (ZIV - Zentrale Informations-Verwaltung, ein Archiv, aus dem man Daten für den persönlichen (u.ä.) Gebrauch anfordern kann, sofern diese frei zugänglich sind (Vergleichbar einer heutigen Bibliothek).) "Wenn du das möchtest..." Alan fand so etwas zwar ausgesprochen öde, aber was machte das? 'Wer weiß', dachte Ryko, vielleicht fand er ja da eine Spur zu Karylla... Er machte sich auf den Weg zum nächsten ZIV-Terminal. Alan trottete hinterher, da ihm auch nichts besseres einfiel. Kurz darauf wandte sich Ryko gefrustet vom Monitor ab. "Nichts", kommentierte er resignierend. "Wir müssen wohl bis morgen warten." "Habe ich mir doch gedacht." Alan lehnte an der Wand und betrachtete die Passanten. Ryko folgte seinem Blick. Was fand der da bloß so interessant? "Was machen wir nun?" wollte Alan wissen. "Seufz! Das hatten wir doch schon mehrfach..." Ryko setzte ein schiefes Grinsen auf. "Genau." Alan grinste zurück. "Wie wäre es mit einer Sightseeing-Tour durch die unterseeischen Gebiete von Ekvajar?" "Okay", stimmte Alan zu, und Ryko sah sich um. "Da geht es zum Tiefseelift", meinte er dann. Ein neonblau blinkendes Schild (Seufz, die Farbe erinnerte ihn schon wieder an Acy-Karylla...) wies auf einen gläsernen Zugang zu einer Röhrenbahn hin, die zum Transport innerhalb der ganzen Stadt diente und die Unterseeregionen mit dem Festland verband. "Gehen wir!" Die beiden Männer warteten kurz, bis die nächste Transportkapsel erschien. Wie auch die Röhren war das Fahrzeug völlig transparent. Nachdem sie und ein halbes Dutzend weiterer Passagiere eingestiegen waren, rauschte die Kapsel davon. Alan ließ sich in einen Sitz fallen. Seufz! "Seufz?" fragte Ryko auf Alans unbewußte Lautäußerung hin. Dieser sah sein Gegenüber verwirrt an. Er hatte gar nicht bemerkt, daß er etwas von sich gegeben hatte. "Ihr seufztet", erklärte Ryko mit hochgezogenen Augenbrauen. "Na und?" meinte Alan ärgerlich. Er sollte sich wirklich besser unter Kontrolle haben. "Es betrübt mich gar sehr, wenn Ihr solche tragischen Kommentare von Euch gebt..." "Ach?" Alan sah Ryko an. Das mußte ausgerechnet der sagen! "Sicherlich. Also - was hast du?" "Nichts natürlich." "Ach?" äffte Ryko ihn nach. Alan sah betont nach draußen, um keine Antwort geben zu müssen. Ryko zuckte die Achseln. Dann eben nicht... Er guckte ebenfalls aus der Transportkapsel und bewunderte die gewaltige hellerleuchtete Kuppel, die die Unterwassergebiete von Ekvajar vor dem Ozean schützte. Alan dachte an Stardust. Anscheinend hatte Coryn immer noch keinen Hinweis erhalten. Seufz! Langsam wurde er wirklich unruhig. Irgendetwas mußte ihr passiert sein... Natürlich kreisten Rykos Gedanken um ein vergleichbares Thema, auch wenn er zum wiederholten Male beschloß, die Angelegenheit sinnvollerweise auf einer anderen Ebene seines Bewußtseins abzuarbeiten. Es brachte weder ihm noch Karylla etwas, wenn er sich in sinnlose Schleifen sorgenvoller Gedanken verstrickte. Aber was konnte er dazu, wenn sie ihm tatsächlich fehlte? Er beschloß, erst einmal die Ingenieursleistung der dvarisianischen Techniker zu bewundern, die diese gewaltigen Ozeanstädte möglich gemacht hatte. Abgesehen davon hatte er keine Lust, sich schon wieder vor Alan eine Blöße zu geben, denn dieser würde sich ja nur wieder über ihn lustig machen... Alan bemerkte die Umgebung kaum, denn er grübelte immer noch. Es war frustrierend, er hatte hier einfach viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Schließlich schoß die Transportkapsel in ihrer Röhre durch die Schleuse in die Kuppelstadt unter dem Meer. Das Panorama war atemberaubend - eine futuristische Stadt unter einer phantastisch erleuchteten gläsernen Halbkugel, und die Röhrenbahn führte in einem kühnen Schwung mitten durch den künstlichen Himmel. Alan bewunderte den Ausblick. Es war wirklich wundervoll, aber er wünschte sich, das vollständig genießen zu können. Als sie endlich wieder auf festem Boden standen, wechselten Ryko und Alan einen vielsagenden Blick. Die Haltestelle der Röhrenbahn befand sich genau vor einem Bankgebäude. Der ehemalige Firestar grinste. Das würde ihn bestimmt ablenken... "Welche Methode bevorzugst du?" erkundigte sich Infinity. "Ich lege mich nicht fest. Was gerade angebracht ist." "Gut. Dann also los!" Ryko winkte in Richtung Bank. "Sehen wir sie uns an." "Ich folge dir." Die beiden trabten durch den Haupteingang. Hier gab es fast kein menschliches Personal, nur Standard-Androiden. Alan sah sich neugierig um. Die Bank war zwar nicht sehr groß, aber mit einer sehr guten Alarmanlage ausgestattet. Ryko beschloß, ein wenig für Ablenkung zu sorgen. Er wandte sich an den nächststehenden Androiden. "Ich bin an einem Kredit interessiert", verkündete er. Unterdessen schlenderte Alan durch den Raum, als würde er auf Ryko warten und sah sich alles genauestens an. Der Bank-Androide wollte detaillierte Informationen über Rykos Kreditwürdigkeit, etwaige Bürgen etc., und Ryko beschloß, hier eine nette kleine Szene zu machen. Lautstark brüllte er den Androiden an, was ihn seine persönlichen Angelegenheiten angingen. Alan zuckte zusammen. Mußte der ihn so erschrecken? Aber dadurch achtete niemand auf ihn. Er lehnte an einem Terminal und spielte scheinbar gelangweilt daran herum. Nachdem er gut vier Minuten auf den völlig überforderten Bank-Androiden eingefaucht hatte, wurde Ryko aus dem Bankgebäude entfernt, d.i. geworfen. Nun sollte Alan aber alles Wissenswerte in Erfahrung gebracht haben, dachte er. Dieser verließ die Bank wenig später. Er hatte es nicht eilig, denn bevor die Bank zumachte, konnten sie eh nichts unternehmen. "Sollen wir noch zwei, drei Objekte aussuchen?" fragte Ryko erwartungsvoll. "Du bist heute wohl sehr unternehmungslustig?" "Hm. Ich habe sonst nichts zu tun..." Wie gerne würde er diese Coups mit Karylla machen! Ryko sah sehnsüchtig in weite Fernen. "Eh!" Alan stieß ihn in die Seite. "Hups! - Nun? Ich habe von der Transportkapsel einen Juwelier erspäht..." "Wenn du möchtest... Aber wir sollten es nicht übertreiben." "Naja, einen Juwelier nur..." "So einem bettelnden Blick kann man nicht widerstehen..." "Hör doch auf! Ich sehe es dir an der Nasenspitze an, daß du auch nicht abgeneigt bist!" "Viel kann ich anscheinend wirklich nicht vor dir verbergen", seufzte Alan, und Ryko grinste ihn vielsagend an. "Wie auch - großer Bruder!" Alan warf ihm einen drohenden Blick zu. "Du bist ganz schön frech, Kleiner!" Ryko wechselte seinen Gesichtsausdruck zu betont treuherzig. 'Komisch', dachte er. In Alans Nähe fühlte er sich wirklich wie ein jüngerer Bruder. Zumindest nahm er an, daß sich ein solcher wohl so fühlen mußte... Alan lachte ihn an und klopfte ihm auf die Schulter. "Dann laß uns zu dem Juwelier gehen!" Ryko übernahm die Führung und steuerte auf den Laden zu. Es schien ein sehr exklusives Geschäft zu sein. Alan betrachtete fasziniert die Preise. Absolut überteuert, fand er. Hier mußte man wohl den Namen mit bezahlen. "Das Stück wäre etwas für Kary", sagte Ryko und betrachtete ein schillerndes Collier mit Armreif aus Platin und Regenbogensteinen. Alan sah ihn sehr nachdenklich an. "Stimmt. Es würde ihr stehen." "Ich glaube, ich werde es ihr kaufen." "Ts!" "Glaubst du ich verschenke geklauten Schmuck? Den könnte sie doch niemals öffentlich tragen... - Naja, ansonsten wäre mir das ziemlich egal..." Ryko lächelte schelmisch. "Oh, du scheinst mir aber ganz schön verdorben zu sein!" "Ich? Ryko guckte betont unschuldig. "Ist hier sonst noch jemand?" "Ja. Du." "Ich stehe nicht zur Debatte." "Stimmt. Bei dir ist eh Hopfen und Malz verloren", stellte Ryko grinsend fest. "Püh! Ist ja gar nicht wahr..." "Wer ist hier so gekonnt in Firestars Fußstapfen getreten?" "Na, so gekonnt war das auch nicht..." Alan verzog das Gesicht. "Auf jeden Fall überzeugend", kicherte Ryko. "Jedenfalls habe ich genug davon!" Spätestens seit diesem gräßlichen Film, dachte Alan. "Daher also dein neues Make-Up. Diesmal versuchst du also, einmal richtig auf der Seite des Gesetzes zu arbeiten?" "Naja..." begann Alan zögernd. "So kann man das auch nicht sagen..." Ryko grinste nur. "Vielleicht sollten wir doch erst die Bank ausrauben", sagte er nachdenklich. Das sollten wir doch vor Ladenschluß schaffen. Dann kann ich das Collier kaufen, und anschließend rauben wir den Juwelier aus." "Wie du willst. Ich schließe mich dir an." Die beiden düsten zur Bank zurück, die natürlich geraume Zeit vor den Geschäften schloß. Eine dreiviertel Stunde später war es soweit. "So, dein Job", sagte Ryko zu Alan. "Du hast die Sache ausgekundschaftet." "Hier geht's lang." Alan steuerte auf eine Nebenstraße zu und öffnete den Schacht, der zum Keller des Bankgebäudes führte. Die beiden kletterten nach unten und standen vor einer Panzertür. "Der Tresor liegt direkt dahinter?" "Falls er in der letzten Stunde nicht verlegt wurde..." Ryko hob belustigt eine Augenbraue, ehe er das Code-Schloß inspizierte. "Viel zu einfach", beschwerte er sich. "Stimmt. Eine Herausforderung ist es wirklich nicht. Typisch Provinz!" "Seufz. Aber in letzter Zeit gab es in dieser Hinsicht ohnehin kaum noch echte Herausforderungen..." "Keine Ahnung, ich bin schon länger aus diesem Geschäft." "Nicht nur Banken", mäkelte Ryko. "Einfach alles!" "Mit 'alles' hatte ich auch wenig zu tun. Ich habe die ganze Zeit im Labor gesteckt." "Und was hast du dort getrieben?" "Ach, so ein bißchen herumgebastelt." "Und was?" "Ich habe die Starcave etwas verändert", sagte Alan. "Aha. - Ich bitte einzutreten!" Ryko breitete einladend einen Arm aus. "Vielen Dank. Hm, nicht gerade berauschend", stellte Alan nach einem Blick in die Runde fest. "Naja, zum Zeitvertreib besser als gar nichts..." Ryko sammelte etwa so viele Credits ein, wie er zum Erwerb des Colliers benötigte. Der Einbruch war ja eigentlich mehr aus lauter Langeweile geschehen. "Tse!" machte Alan. "Dann sollten wir wieder verschwinden." "Schon unterwegs." Ryko steckte die Plastikscheibchen in die Hosentasche, und die beiden machten sich wieder auf den Rückzug. Alan legte ein Schmuckstück wieder zurück. Er hatte sich doch fest vorgenommen, sich diese Kleptomanie abzugewöhnen! Seufzend folgte er Ryko. Dieser steuerte geradewegs in das Juweliergeschäft hinein und kaufte das Collier ohne weitere Überlegungen, dabei nutzte er die Zeit, rasch das Interieur des Ladens zu scannen. Alan trottete hinterher, aber anstatt sich das Geschäft anzusehen, flirtete er lieber mit einer Verkäuferin. Endlich hatte Ryko die Schatulle und steckte sie ein. Kary! Wo mochte sie bloß stecken? Hoffentlich ging es ihr gut... Alan amüsierte sich hervorragend. Er warf der jungen Dame immer herausforderndere Blicke zu, und diese lächelte ihn an. "Alan!" Ryko tippte ihm auf die Schulter. "Huhu!" Dieser guckte Ryko so irritiert an, als ob er nicht wüßte, woher dieser plötzlich gekommen war. "Bruderherz, wir haben noch etwas zu erledigen!" Schweren Herzens riß sich Alan los. Wenn er sich schon mal amüsierte... Bei ihrem Abgang warf die Verkäuferin beiden einen ziemlich bedauernden Blick zu. Vor dem Geschäft sah Ryko Alan kopfschüttelnd an. "Frauen, eh?" "Was?" fragte Alan abwesend. "Ich dachte, du wolltest bei einigen Dingen etwas kürzer treten..." "Das tue ich doch", empörte sich Alan. "So?" Ryko lachte. "Natürlich. Ich habe mich sehr zurückgehalten." "Ah! 'Zurückhaltung' nennst du das?" "Aber sicher!" "Was hättest du denn sonst unternommen?" "Pssst!" machte Alan und grinste vielsagend. "Sowas von Programmierung", kommentierte Ryko amüsiert. "Mich wundert nur, daß du anscheinend gar nichts davon abbekommen hast..." Ryko zuckte leicht gestreßt mit den Achseln. Theoretisch hatte er da ja so ein paar dunkle Flecken in seinem Programm, aber... "Hast du Karylla schon mal wütend erlebt?" "Äh, ja..." "Naja, und das versuche ich eben tunlichst zu vermeiden. Sie ist furchtbar eifersüchtig..." "Ach ja?" meinte Alan. "Mhm..." Ryko nickte. "Außerdem ist sie im Prinzip völlig ausreichend." Er lächelte hintergründig. Alan sah ihn sehr zweifelnd an. "Völlig ausreichend?" wollte er nachdenklich wissen. "Allerdings! Immerhin lebe ich schon geraume Zeit mit ihr zusammen..." "Ich erlaube mir, dies als zweifelhaftes 'Vergnügen' zu betrachten!" "Was willst du damit andeuten?" "Gar nichts. Ich würde nicht mit Blackfire zusammenleben wollen. Mir reichen Coryn und Stardust vollkommen!" "Stardust?" Also stimmte seine Vermutung doch? Ryko war total perplex. "Wie?" "Schon gut..." "Ich habe das Gefühl, du denkst etwas völlig Falsches!" "Glaube ich nicht. Du hast nur gerade etwas bestätigt, was ich zwar geahnt habe, aber nicht glauben wollte." "Was?" "Na, eben Stardust..." Alan zog die Augenbrauen hoch. "Was ist mit ihr?" "Warum sie mich nicht mag - so oder so..." Obwohl Stardust ja wohl nicht wußte, daß Sir Cayvyn und Ryko ein und dieselbe Person waren... "Sie mag dich nicht?" Alan war verwirrt. Er hatte den gegenteiligen Verdacht. "Sie konnte mich doch noch nie ausstehen", sagte Ryko, etwas verwundert ob Alans Irritation. "Das glaube ich aber nicht!" "Hä? Wie kommst du darauf?" "Naja..." Dumme Falle, dachte Alan. "Also?" "Ähm... Ich kann doch nicht wiederholen, was sie gesagt hat!" "Was hat sie gesagt?!" wollte Ryko leicht geschockt wissen. "Ich glaube nicht, daß sie möchte, daß ich dir dies sage." "Nach dem, was du angedeutet hast, dürfte das, was ich befürchte, was sie gesagt haben könnte, schlimmer sein als das, was du mir sagen würdest..." "Hm", machte Alan. Sollte er Ryko wirklich sagen, was Jana mal erzählt hatte? "Bitte! - Du bist schließlich mein Bruder!" "In diesem Fall...leider", gab Alan unbehaglich von sich. "Nun?" "Es stimmt eindeutig nicht, daß sie dich nicht mag." "Irgendwie fasse ich das nicht. Aber was hat sie gesagt?" "Ich wiederhole es auf keinen Fall. Aber es war so in der Richtung, daß sie dich niedlich fand..." "Niedlich?!" Ryko wußte nicht so recht, ob er geschmeichelt oder lieber erbost darüber sein sollte. Wie kam Stardust dazu, ihn niedlich zu finden? "Du wolltest es wissen." "Hm", machte Ryko unbestimmt. "Und nachdem du nun erfolgreich das Thema gewechselt hast - was habe ich bestätigt?" "Naja, daß sie Stardust ist..." "Und? Was soll das bedeuten?" "Daß sie sich hervorragend getarnt hatte." "Am liebsten würde ich dir jetzt den Hals umdrehen. Ich will genau wissen, was du meinst!" "Aber das habe ich doch gesagt." "Keineswegs. Aber wenn es das ist, was ich denke, das du denkst, dann bist du auf dem Holzweg!" "Was denkst du denn, das ich denke, so daß ich derart tragisch irren sollte?" Alan sah ihn ausgesprochen wütend an. "Jetzt versuchst du den Spieß umzudrehen, aber ich denke nicht daran, darauf zu antworten." "Schade!" "Überhaupt nicht", fauchte Alan ihn an. Er war stocksauer, und Ryko betrachtete ihn verwundert. "Warum bist du jetzt wütend?" "Ich bin nicht wütend", knurrte Alan. "Hm", sagte Ryko zweifelnd und versteckte seine Belustigung sicherheitshalber. "Ich hasse es!" meinte Alan inbrünstig. "Was?" "Das alle etwas vermuten, wo nichts ist!" "Wieso?" Ryko vermutete doch nichts. Er hatte nur endlich den logischen Schluß aus allen Beobachtungen gezogen. "Ich bin es leid. Vergiß es einfach. Es ist allein meine Schuld, weil ich darauf bestanden habe, in die Starcave zu ziehen." Jetzt verstand Ryko gar nichts mehr und guckte völlig perplex. "Schon gut, du mußt mich nicht verstehen!" "Hm. Wenn du meinst..." "Wäre ich bloß nie auf die Idee gekommen", seufzte Alan. Dann hätte er nicht den Ärger mit Stardust, die ihn permanent nervte oder sonstwie aus dem Gleichgewicht brachte... "Auf welche Idee?" "Na, dort gegen Stardusts Willen einzuziehen", erwiderte Alan. "Warum baust du dir nicht selber eine Basis?" "Die Starcave ist meine Basis! Das einzige Problem ist, daß sich dort während meiner Abwesenheit Stardust eingenistet hast! Und ich räume auf jeden Fall nicht das Feld!" "Willst du sie etwa rausschmeißen?" Ryko war froh, daß er keine - naja, relativ wenige - Probleme mit Karylla hatte... "Ich glaube nicht, daß ich das schaffen würde..." "Oh! - Nebenbei, was ist nur bei euch vorgefallen, daß ihr euch so an die Gurgel geht?" Alan sah Ryko irritiert an. "Wie meinst du das?" "Naja, anbetracht der Tatsache, daß du zunächst mit ihr zusammen warst, giftet ihr euch zur Zeit ziemlich an." "Wann war ich mit wem zusammen?" erkundigte sich Alan betont verwirrt. Ryko grinste ihn an. Jetzt, wo er endlich den Schluß gezogen und die Tatsache auch akzeptiert hatte (Obwohl es schwerfiel...), konnte Alan soviel Ausweichmanöver versuchen, wie er wollte. "Mit Stardust - mit wem sonst?" "Bist du verrückt?" empörte sich Alan. "Wir haben uns noch nie vertragen!" "Nun gut - dann eben mit ihrem 'zahmeren' Alter Ego..." "Mit welchem Alter Ego?" "Nardia Ashni Blade - wer sonst?" Alan sah Ryko an. Er wußte es also doch. Das hatte ihn immer verwirrt, weil er sich nicht sicher war. Aber warum hatte er dann gefragt, ob sie ihn mochte? Sehr eigentümlich. - Oder sollte es das gewesen sein, was er vorhin 'bemerkt' hatte? "Wir haben uns nie lange vertragen." "Wie kommt das?" Obwohl - wenn er es recht bedachte, mit Stardust war im Prinzip kein Auskommen, überlegte Ryko. Er brauchte nur an die Sache mit der Badewanne unter dem Fenster von Mario Alnettis Haus zu denken. Das hatte er ihr bis heute noch nicht verziehen. "Weiß nicht", wich Alan aus. "Ich hatte eigentlich eher den Eindruck, Nardia müßte umgänglicher sein als Alycia." Wenigstens wirkte sie weitaus seriöser und gesetzter. "Das kannst du wohl kaum beurteilen!" "Zumindest, was ihre Auftritte bei ihren Festen etc. betrifft. Naja, und sie hat mir noch nichts an den Kopf geworfen..." "Dir nicht", stellte Alan klar. "Aber du siehst auch nur die Öffentlichkeitsversion von ihr." "Das mag sein..." Obwohl, einmal hatte Ryko sie auch durchaus privat erlebt, und er konnte eigentlich nicht sagen, daß sie sich da als die Schreckschraube schlechthin entpuppt hätte - eher im Gegenteil... Allerdings war das wirklich ein einmaliger Fehltritt gewesen, denn im Endeffekt zog er doch Alycia vor... Seltsam, diese war stets so leicht in Rage zu bringen, kümmerte sich nicht im Geringsten um die Meinung der sogenannten Öffentlichkeit - und trotzdem hatte er nicht ein einziges Mal das Bedürfnis verspürt, seine Zuneigung ihr gegenüber in Frage zu stellen. Das bedurfte einmal einer eingehenden Analyse. Seltsam... Ryko seufzte schwer. "Woran denkst du?" wollte Alan wissen, obwohl er es sich denken konnte. "Alycia - Karylla..." Ryko guckte ausgesprochen leidend. "Nicht schon wieder", rief Alan gestreßt aus. "Laß und lieber den Juwelier erleichtern." "Was heißt hier 'nicht schon wieder'? - Okay, ich komme schon! - Du hast dich wohl noch nie wirklich zu jemandem hingezogen gefühlt? Und das, wo ich mir doch immer noch nicht sicher bin, was es tatsächlich ist, das ich fühle... - Ich verstehe einiges einfach nicht richtig", stellte Ryko nachdenklich fest. "Hm. Ich weiß es auch nicht. Das ist wirklich kompliziert. Bei mir ist es so, daß ich mir nicht im Klaren darüber bin, ob das, was ich unter einer Sache verstehe, das ist, was andere darunter verstehen. Das ist alles so verwirrend!" "Genau!" stimmte Ryko zu. Offenbar verstand Alan ihn in diesem Punkt exakt. Er seufzte. Dabei hätte er doch eigentlich in seinen immerhin sieben 'Lebensjahren' langsam doch etwas mehr darüber gelernt haben sollen... "Dabei sollte ich es wirklich langsam verstehen", meinte nun auch Alan. "Aber kaum bin ich endlich mal halbwegs dahinter gekommen, da ändert sich schon wieder alles. Manchmal wünsche ich mir, Tyron hätte sich wirklich auf eine feste Programmierung beschränkt." "Ich habe aber das Gefühl, mit Lernen kann man da auch nicht viel ausrichten..." "Zu dem Schluß werde ich wohl auch noch kommen. Aber damit habe ich ja gerade erst angefangen..." "Dabei bist du doch der ältere von uns beiden!" "Schon, aber diese Lernerei ist mir neu." Ryko seufzte zum wiederholten Male. "Rauben wir endlich den Juwelier aus!" "Sollten wir tun..." Sie erledigten das in wahrem Turbotempo. Warum war das nur alles so trivial? "Und was machen wir jetzt?" fragte Alan schnell, bevor Ryko etwas in dieser Richtung äußern konnte. "Warum fragst du mich? Du bist doch älter und erfahrener!" "Das läßt sich nicht abstreiten. Aber woher soll ich wissen, ob dir meine Ideen zusagen?" "Das weiß ich doch erst, wenn du etwas vorgeschlagen hast." Alan zog die Augenbrauen hoch. "Stimmt. - Was hältst du von einem Zug durch die Gemeinde?" "Bislang hatte ich wenig Gelegenheit zu so etwas." "Tse", machte Alan amüsiert. "Was ist daran so lustig?" fragte Ryko schmollend. "Mir scheint, da hat dich jemand stark an der Leine gehalten!" "Püh! Ich habe einfach nie die Notwendigkeit dazu gesehen." Alan musterte ihn zweifelnd. "Okay. Wahrscheinlich liegt es doch am Altersunterschied." Ryko runzelte verwirrt die Stirn. Wieso das? "Ich denke eher, daß meine Programmierung daran schuld ist." "So? Das glaube ich eigentlich nicht." "Und warum nicht?" "Ist nur so ein Gefühl. Ich kann es nicht erklären." "Hm", machte Ryko. Naja, er wollte Karylla schließlich nicht weh tun, und außerdem war sie ziemlich anhänglich. Sie hätte bestimmt überallhin mitgewollt... "Gehen wir nun, oder hast du einen besseren Vorschlag?" "Es war doch mein Vorschlag, daß du einen Vorschlag machst!" Ryko grinste Alan an, und dieser warf ihm einen gequälten Blick zu. "Seufz!" "Also - ich werde dir unauffällig folgen." "Unauffällig? Das wird uns wohl kaum gelingen..." Ryko betrachtete sein Gegenüber belustigt. Sogar Alans Coverall war mit dem seinen identisch, und außerdem sahen sie beide nach menschlichen Standards durchaus nicht übel aus... "Egal. Gehen wir", beschloß er. "Na dann los, Brüderchen!" Alan machte sich auf den Weg. "Wohin denn zuerst?" erkundigte sich Ryko neugierig. "Laß dich überraschen", meinte Alan und steuerte zielstrebig die 'Straße' entlang. Ryko sah fasziniert nach unten. Der Weg schwebte an die 15 Meter über den Gebäuden und gab den Blick auf ein phantastisches Panorama frei. Zu beiden Seiten gingen immer wieder schmale Gleitwege ab, auf denen man im Stil antiker Rolltreppen (nur ohne jegliche Mechanik) zum Boden herunter- oder hinaufschweben konnte. Unten befanden sich hellerleuchtete Bodenstraßen mit Geschäften aller Art. "So, da wären wir", äußerte Alan und stoppte vor einem Gebäude. Eine Leuchtschrift wies das 'Lokal' als Dock Alpha aus. "Zumindest kein Xi", sagte Ryko und spähte neugierig hinein. Sie durchquerten einen Gang, und nach einem Vorhang aus bunten Kristallen standen sie in einem schummrig beleuchteten Raum. Ryko hob eine Augenbraue und warf Alan einen vielsagenden Blick zu. "Und nun?" "Das bleibt dir überlassen", bemerkte Alan und ließ sich an einem Tisch in einer Nische nieder. 'Komische Angewohnheit', dachte er. Ryko tat es ihm gleich und beschloß, sich etwas zu trinken zu bestellen. Alles andere wäre an solcher Örtlichkeit wohl etwas auffallend. Alan lehnte sich zurück und betrachtete die Anwesenden, während Ryko sein Glas aus dem Ausgabeschlitz der Synthetisizer-Einheit nahm. Es war ein heller naravinischer Blauwein, der beinahe türkis schimmerte. Alan orderte sich einen schweren Rotwein, wobei seine Blicke einigen leichtbekleideten 'Ladies' folgten. Ryko war sich nicht ganz sicher, ob er das Richtige tat. Karylla war weg - wer weiß, vielleicht war sie in Todesgefahr? - und was tat er? Hing hier in einer 'Bar' herum und hegte ziemlich zweifelhafte Gedanken... Inzwischen hatte Alan einen Sensor betätigt, und zwei Damen steuerten auf ihren Tisch zu. Ryko schluckte dezent, als er die feindliche Attacke bemerkte. Die beiden Frauen hatten eindeutig weniger an als ihnen gut stand. Alan war ausgesprochen amüsiert. Ryko sah aus, als wollte er schnellstens die Flucht ergreifen, als die beiden Ladies sich schon am Tisch niederließen. "Huhu", hauchte eine von ihnen. Ryko setzte ein eher gezwungenes Lächeln auf, als das rothaarige Wesen vor ihm ihn mit einigen heißen Blicken bedachte. Sie hatte goldene Strähnchen im langen, lockigen Haar und war passend dazu goldgeschminkt, was zu ihren grünen Augen ziemlich verwegen aussah. "Hi", sagte er versuchsweise. Die andere Lady hatte schwarzes Haar mit silbernen Strähnen zu dunkelblauen Augen. Sie himmelte Alan an. "Hallo", begann sie mit rauchiger Stimme, und Alan grinste sie an. Als das rothaarige Wesen ihm näher auf die Pelle rückte, befand Ryko, daß es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, auf Alans Vorschlag einzugehen. Aber es war ja seine eigene Schuld... "Ich bin Alkaris", hauchte sie ihm zu. Ryko fragte sich, ob sie wohl auch in der Lage wäre, normal zu sprechen. "Äh... Enshavar", stellte er sich vor. Beinahe hätte er 'Ryko' gesagt, so sehr irritierte ihn die Situation. Ampara, so war der Name der anderen Frau, hatte es sich inzwischen auf Alans Schoß bequem gemacht, doch dieser hatte eigentlich seine ganze Aufmerksamkeit auf Ryko gerichtet. Es war einfach zu amüsant, wie dieser sich anstellte. Alkaris war nämlich unterdessen Amparas Beispiel gefolgt und kuschelte sich aufreizend an Ryko. In was für ein Schlamassel war er da geraten? "Äh, wollen Sie vielleicht etwas zu trinken, Mademoiselle Alkaris?" fragte er, bemüht, die indezente Situation etwas zu entschärfen. Wenn er etwas Glück hatte, würde sie sich dann ja vielleicht etwas gesitteter hinsetzen. "Sehr gern. Etwas Wein vielleicht", erwiderte sich und drängte sich noch näher an Ryko. "Äh - gerne..." Er orderte einen weiteren Blauwein und seufzte in sich hinein. Sie ließ einfach nicht von ihm ab! Alan mußte sich schwer beherrschen, um nicht loszulachen. Ryko schien offenbar etwas schüchtern zu sein... Was nun? Ryko konnte Alkaris schlecht von sich abpflücken, aber andererseits fand er die Situation völlig ...unpassend. Hm. Er war sich sicher, daß die Frau abfärbte! Das ganze Make-Up und die Klamottage waren einfach viel zu billig, um ihm irgendwie zu gefallen. Wenn er im Vergleich zu Alkaris an Karylla dachte... Aber nein, das war ja schon kein fairer Vergleich mehr... Alan grinste zu Ryko herüber. Dieser machte ein zu dummes Gesicht. "Hey, Kleiner", hauchte Alkaris und zerwühlte Rykos derzeit braungoldenen Schopf. 'Ts, das war doch eigentlich Karys Privileg', dachte er verstimmt, doch Alkaris ließ sich von seinem empörten Gedanken natürlich nicht abhalten. "Mach doch nicht so ein trauriges Gesicht", fuhr sie fort. "Gefalle ich dir nicht?" Sie setzte eine gekonnt betrübte Miene auf, was Ryko nun auch wieder unangenehm fand. "Äh, nein, es ist nicht so sehr, daß Sie mir nicht gefallen, Mademoiselle..." 'Aber auch das', dachte er genervt. Alan vergrub unterdessen sein Gesicht in Amparas Haaren, denn er konnte sich das Lachen partout nicht mehr verkneifen. Ampara war begeistert und schmiegte sich mit verdoppeltem Elan an ihn. "Was dann?" erkundigte sich Alkaris. "Ähm..." Ryko war wieder einmal dankbar dafür, daß er nicht rot werden konnte. Alan überlegte, ob er Ryko vielleicht langsam erlösen sollte. Aber nein, noch ein Weilchen, dachte er dann. 'Umpf', schoß es Ryko durch den Kopf, als Alkaris plötzlich an seinem Ohrläppchen knabberte. Das ging langsam wirklich zu weit! Was fiel der ein? Alan mußte sich momentan ziemlich anstrengen, Ryko im Auge zu behalten, da Ampara sich ihm ziemlich intensiv widmete. 'Oh-oh', dachte Ryko, aber irgendwie schaffte es Alkaris, seinen Protest mit einem ausdauernden Kuß zu unterbinden. Er wollte hier raus! Alan bemerkte Rykos panische Blicke. Nun gut, dachte er, beenden wir das Spielchen. Er schob Ampara von sich. "Ich glaube, wir müssen gehen", meinte er dann. Ryko fiel ein ganzer Planet vom Herzen, und er setzte Alkaris sanft, aber bestimmt neben sich. "Entschuldigen Sie, Mademoiselle, aber Sie haben gehört, was mein großer Bruder gesagt hat..." Alan warf ihm einen sehr amüsierten Blick zu, während er die Rechnung beglich. "Gehen wir?" "Ja!" sagte Ryko inbrünstig, und Alan lächelte ihn an. "Dann komm." Fluchtartig verließ Ryko das 'Lokal'. Draußen hielt er kurz inne, um auf Alan zu warten. "Du hast es aber verdammt eilig", stellte dieser fest. "Äh... Habe ich das?" "Mhm!" bestätigte Alan. "Ähm... 'Tschuldigung, Alan, wenn ich dir den Spaß verdorben habe..." "Im Gegenteil! Soviel Spaß hatte ich lange schon nicht mehr", meinte Alan grinsend. "Wie bitte?" Ryko zog die Stirn in Falten und setzte eine Schmollmiene auf. "Nun schmoll doch nicht gleich! Ich habe schließlich nichts gesagt." "Aber gedacht! Schäm dich, dich so an meinem Unglücke zu weiden..." "Ich bin doch ganz zerknirscht." Alan sah ihn treuherzig an. "Du!" Ryko knuffte ihn freundschaftlich, und Alan lachte nur. "Und was stellen wir jetzt an? Das war ja nicht ganz dein Geschmack." "Nein!" Ryko verzog das Gesicht. "Sowas von billig... - Hm. Aber ich weiß überhaupt nichts", sagte er beinahe kläglich. Alan klopfte ihm auf die Schulter. "Hm. Vielleicht fällt mir ja noch was ein." Er schob Ryko vorwärts, und dieser sah sich eher mißtrauisch um. Hier war offenbar das Amüsierviertel von Ekvajar, und außer dezent beleuchteten Bars und diversen leicht bis überaus provokativ gekleideten Ladies war hier nicht viel zu sehen. "Laß dich nur nicht anquatschen", empfahl Alan belustigt. "Sonst versackst du hier noch irgendwo." "Nur das nicht", seufzte Ryko leidend. Er fragte sich, warum seine Haltung bezüglich der Damen den Schöpfung so sehr von der Alans differierte. Diesem schien es jedenfalls egal zu sein, wem er seine Gunst zu schenken beabsichtigte... Alan legte einen Schritt zu und schleifte Ryko hinterher. Sie waren hier im absolut verrufensten Viertel der Stadt, aber es war nunmal der kürzeste Weg. Ryko meditierte weiter darüber nach, warum er so aus der Art geschlagen war. Coryn schien sich ja auch in der Regel keine Gewissensbisse zu machen, wenn es um Kontakte zu Angehörigen des weiblichen Geschlechts ging. Es war bestimmt die Programmierung! Endlich erreichten sie einen anderen Stadtteil, und Alan verlangsamte seine Geschwindigkeit. Sie fielen schon genug auf, auch ohne daß er so rannte. Zielstrebig steuerte er auf ein Lokal zu, daß den Namen Roter Lampion trug. Ryko betrachtete das Leuchtschild mißtrauisch. 'Nicht schon wieder so eine Kneipe', dachte er gestreßt. "Keine Panik", meinte Alan grinsend. "Ich weiß doch nun, daß dir diese Lokale nicht gefallen..." "Hm", machte Ryko und fühlte sich irgendwie ertappt. "Ertappt?" fragte Alan neugierig. "Ähm..." Erneut war Ryko froh, nicht rot werden zu können. "Gehen wir rein!" Alan schob Ryko durch die Tür. Irgendwie fühlte sich dieser andauernd herumgeschoben, aber es war ja seine eigene Schuld. Er hatte Alan ja gefragt... Das Lokal verschwand fast völlig in Blumen, es sah eher einem Garten ähnlich mit all seinen Bächen, Blumen Sträuchern etc. Dazwischen waren in größeren Abständen Tische und Stühle plaziert. Alles war hell und freundlich, da die Decke des Gebäudes durchsichtig war und einen Blick auf den Himmel freigab. Außerdem gab es hier keinerlei 'leichtbekleidete Damen'. Ryko atmete auf. Das gefiel ihm bedeutend besser, aber er fragte sich, wo hier der Haken war. Alan ließ sich an einem Tisch in der Nähe des Baches nieder und betrachtete die farbenfrohen Fische darin. "Ich denke, wenn wir das alles hinter uns gebracht haben, werde ich einmal mit Kary hier vorbeidüsen", meinte Ryko und betrachtete in Gedanken die Blumenarrangements. Er entdeckte 14 einheimische und 8 importierte Pflanzengattungen. "Ich glaube nicht, daß es ihr hier gefallen würde..." "Hm?" "Das ist ein Amüsierlokal, und Paare kommen nicht hierher", bemerkte Alan schmunzelnd. "So?" Also, irgendwie gingen Alans und seine Vorstellungen darüber, wie man sich am besten die Zeit vertreiben konnte, leicht auseinander. "Inwiefern Amüsierlokal?" "Das wirst du schon allein herausfinden." "Soso." Ryko beschloß, der Dinge zu harren, die da kommen mochten. Einige Damen in langen, kaftanähnlichen Gewändern ließen sich bei ihnen nieder und lächelten die beiden Männer an. 'Oh-oh', dachte Ryko. Hier schienen sich die Probleme zu potenzieren, denn es waren immerhin drei Ladies, die es diesmal auf jeden von ihnen abgesehen hatten. Aber zumindest waren die Damen dezent verhüllt, und zudem machten sie weder einen Versuch sie zu berühren, noch sagten sie etwas. Sie lächelten nur. Ryko hob verwundert eine Augenbraue und sah Alan fragend an, doch der hatte beschlossen, seinen 'Bruder' alleine bröseln zu lassen. Er bestellte sich einen Drink, den ihm kurz darauf eine weitere Lady servierte. Alan liebte es offenbar, ihn in Verlegenheit zu bringen, also tat Ryko es ihm kurzerhand gleich und orderte sich ebenfalls etwas zu trinken. Natürlich brachte auch ihm eine zusätzliche Dame das Getränk. Alan lächelte die Damen an, woraufhin diese den Blick senkten. Er fand diese Lokale doch immer wieder amüsant - aber momentan war Ryko das Objekt seiner Studien. Dieser hatte einfach null Ahnung, was von ihm erwartet wurde, nippte von seiner Trinkschale und beschloß, sich absolut unauffällig zu verhalten. Alan unterminierte diese Aktion jedoch, indem er einer der Frauen etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin diese eifrig nickte und auf Ryko zusteuerte. Dieser warf Alan einen eher panischen Blick zu. Was nun? Seine Befürchtungen entpuppten sich zum Glück als etwas übertrieben, denn die Lady stellte sich lediglich hinter ihn und begann, ihn sanft zu massieren. Alan lachte leise, da Rykos Blick schon wieder Fluchtgedanken verriet. 'Nun gut', dachte jener und entspannte sich etwas. Das mit dem Massieren ließ er sich ja noch gefallen - aber es wäre ihm bedeutend lieber, wenn es sich um Karylla gehandelt hätte, die ihm eine solche Behandlung zukommen ließ. Als er sah, daß Ryko offenbar beschäftigt war, hakte Alan zwei der Damen unter und schlenderte den Bach entlang. Jetzt ließ Alan ihn auch noch im Stich, dachte Ryko entsetzt. Aber auf jeden Fall war ihm dieses Lokal entschieden lieber als das vorige. Hm. Vielleicht sollte er doch einmal versuchen, die ungewohnte Situation zu genießen, überlegte Ryko und betrachtete die Ladies, die ihm pausenlos verstohlene Blicke zuwarfen und leise untereinander tuschelten. Alan war inzwischen in einem Pavillon verschwunden und ließ sich von den Ladies verwöhnen. Ryko befand sich nunmehr in einem echten Gewissenskonflikt. Sollte er - oder sollte er nicht? Hm... Falls Kary jemals davon erfuhr... Das würde einen Ärger geben, wie er ihn nie zuvor erlebt hatte! Er überlegte angestrengt. In seinem Pavillon wurde Alan gerade von einer der Ladies mit Obst gefüttert. Er dachte darüber nach, was Ryko wohl anstellte... Endlich hatte dieser einen Entschluß gefaßt. Er würde einfach über seinen Schatten springen und ließ sich nun ebenfalls von seinem Kontingent an Damen in einen anderen Pavillon begleiten. Hauptsache, Karylla erfuhr nie, nie, niemals etwas davon... Last modified: 13.04.2002 |
|