SvB #4: Return of Firestar I©1990 by Shavana & Stayka
3762/02/17 GZ Alan beobachtete den Monitor des Überwachungssystems. Mhm, es schien wirklich keine Wache im Haus zu sein. "Okay!" sagte er und schob den rechten Ärmel seines feuerroten Overalls nach oben, um das TM-Gerät anzulegen. (TM = Transmit) Es hatte die Form einer kunstvoll gearbeiteten, silbernen Spange, die fast den ganzen Unterarm bedeckte. Nachdem der Verschluß eingerastet war, zerrte Alan den Ärmel wieder hinunter. Er sollte sich doch mal einen weniger engen Overall besorgen. Nachdenklich betrachte er sein Spiegelbild. Er sah einen schlanken, hochgewachsenen Mann mit dunkelkupferfarbenem Haar und stahlblauen Augen. Ein breites Grinsen gab ihm ein äußerst verwegenes Aussehen. Er zupfte noch hier und da an dem Overall herum und strich das Emblem, einen strahlend goldenen Stern auf der linken Brustseite, glatt. Schließlich war er zufrieden. Aus der Entfernung würde niemand den Unterschied bemerken. Er schnallte sich seinen Werkzeuggürtel um und transmittierte in die Nähe des historischen Museums von Suune III/Tarishaan; Naroon. Alan schlich zu einem der hinteren Fenster und machte sich sogleich an die Arbeit. Mit einem kleinen Gerät aus seinem Gürtel tastete er Rahmen und Scheibe ab. Interessanterweise war die Alarmanlage äußerst primitiv. Es schien ihm, als wäre seit dem Bau des Hauses vor 273 Jahren nichts daran geändert worden. Sehr eigentümlich... Nun ja, normalerweise gab es in diesem kleinen Museum auch nichts, was einen Einbruch wert war, nur alte Dokumente, historische Bilder von der Stadt, Gebrauchsgegenstände der früheren Bewohner etc. Aber seit letzter Woche wurde hier die Ipanema-Collection ausgestellt. Die Schmuckstücke waren zum Teil seit mehr als 10 Generationen im Besitz dieser Familie. Sie mußten stets von den Eltern auf die Kinder vererbt werden, waren also unveräußerlich und hatten für die Ipanemas eine große traditionelle Bedeutung. Es hatte viel Überzeugungskraft gekostet, bis Def Ipanema, das derzeitige Oberhaupt der Familie, sich bereit erklärt hatte, die Collection einem Museum zur Verfügung zu stellen. Es waren wundervolle filigrane Goldschmiedearbeiten mit auserlesenen Juwelen, deren Wert unschätzbar war. Alan hatte inzwischen das Fenster geöffnet und war in das Gebäude eingestiegen. Er befand sich in einem Büro mit geschmackvollen Möbeln aus dem 33. Jahrhundert. Vorsichtig öffnete er die Tür zum Flur. Wie erwartet war niemand zu sehen. Schnell lief er zum Ausstellungsraum. In der Tür blieb er prüfend stehen. Es schien ihm verdächtig, daß es so gut wie keine Sicherungsmaßnahmen gab. Erst nach gründlicher Untersuchung entdeckte er, daß die Vitrinen separat mit einer Alarmanlage versehen waren. Ipanema war doch nicht so vertrauensselig, wie er gedacht hatte. Alan grinste, da es genau das war, was er brauchte. Die Anlage war in kurzer Zeit nicht zu überlisten. Aber sein Plan lautete ja ganz anders. Er wollte gesehen werden. Aufmerksam suchte er den Raum nach Kameras ab. Optimal, stellte er fest. Genau die richtige Entfernung. Zu weit, um ihn deutlich zu erkennen und nahe genug, um ihren Zweck zu erfüllen. Entschlossen trat Alan auf die Vitrinen zu. Sie ließen sich ohne große Probleme öffnen, er löste allerdings sofort den lautlosen Alarm aus. Soweit, so gut, dachte er und packte die Schmuckstücke in einen gefütterten Beutel, den er seinem Gürtel entnommen hatte. Nach einer Minute war alles verstaut, und er zog aus seiner Tasche eine Folie, die er gut sichtbar in eine der nun leeren Vitrinen legte. Nun mußte er sich aber beeilen, denn gleich würde die Polizei auftauchen. Er verschwand schnell aus dem Bereich der Kameras und transmittierte auf sein Schiff zurück, wo er sich in einen Sessel fallen ließ und den Inhalt des Beutels auf eine schwarze Samtdecke schüttete. Der Schmuck glitzerte im Licht. 'Einfach atemberaubend', fand Alan. Die Geschmeide waren von einer unglaublichen Filigranität. Fast zärtlich nahm er jedes Stück in die Hand, sie wirkten so zerbrechlich. 'Nur schade, daß ich sie nicht behalten kann', dachte er. 3762/02/18 GZ Alycia Cherylla Blade wühlte fasziniert in den aktuellen Klatschmagazinen herum. Gerade hielt sie eine Solido-Kopie von 10 Tage in der Hand. (Normalerweise sind sämtliche 'Zeitungen' per Viphon elektronisch abrufbar, doch es gibt auch die Möglichkeit, sich deren Inhalte mit einem Solido-Printer auf Folien übertragen zu lassen.) Was stand da auf dem holographischen Cover unter dem 3D-Bild eines kupferhaarigen Mannes mit eisblauen Augen im gutgeschnittenen, markanten Gesicht? ER IST WIEDER DA! Acy mochte es kaum glauben - Firestar war doch angeblich tot! In den Jahren 3698-3727 GZ hatte er die gesamte FGS in Atem gehalten, reiche Leute beraubt, korrupte Politiker überfallen und gleichzeitig auch wieder den Schwachen und Unterdrückten geholfen. Der Polizei war er ein Dorn im Auge, von der einfachen Bevölkerung jedoch (besonders den Damen der Schöpfung...) wurde er verehrt. (FGS = Freie Galaktische Sternenrepublik) Hm. Das mußte sie unbedingt mit ihrer Schwester besprechen. Die exzentrische Künstlerin blickte in eine der Spiegelwände ihres geräumigen Schlafgemachs. Kissen und Decken waren zur Zeit in leuchtendem Neonpink gehalten, und sie bildete einen wildzerzausten neongelben Fleck darinnen. Sie fuhr sich kurz mit den Händen durch die wallende, quietschgelbe Mähne und zupfte ihre kaum vorhandene Gewandung in etwas dezentere Position zurück, bevor sie die Viphon-Verbindung aktivierte. "Nardia!" "Hm?" Nardia verschwand völlig hinter einigen Zeitungen, Zeitschriften und ähnlichem. "Du liest es also auch! - Tiens, einmal bist nicht du die Schlagzeile..." "Stimmt", meinte Nardia und legte die Zeitung zur Seite. Nun konnte man erkennen, daß sie es noch nicht für nötig befunden hatte, ihre welligen, braunen Haare zu kämmen. Allerdings blitzten ihre grünen Augen bereits unternehmungslustig in die Runde. "Ist doch interessant!" "Ich bin wahrlich hin und weg! Firestar ist zurück... Er ist mein absoluter Lieblingsheld, seit ich soooo klein", sie deutete ein eher unrealistisches Maß an, "war!" "Ich fand ihn auch immer toll", bemerkte Nardia. "Wie er jetzt wohl aussieht?" Acy betrachtete nachdenklich das Bild, das Firestar zeigte, wie er kurz vor seinem Verschwinden ausgesehen hatte. Damals mußte er vierzig oder fünfzig Jahre alt gewesen sein, genaue Daten über ihn waren nicht bekannt geworden. "Seufz... Er ist doch eine Legende! Ich bin sicher, er sieht genauso aus wie damals..." Alycia blickte verträumt in weite Fernen. "Hm", machte Nardia zweifelnd. "Immerhin muß er gut 80 sein!" "Naja... Vielleicht hast du recht. Aber trotzdem - er ist immer noch ein Held." "Ein alter Held", meinte ihre Schwester tragisch. "Seufz", äußerte Acy sich teilnahmsvoll. "Wahrscheinlich läßt er sich deshalb nicht mehr photographieren. Früher hat er sogar Autogrammkarten verteilt!" "Ich weiß - vor vielleicht sieben Jahren habe ich einmal einige ersteigert..." Alycia überlegte, wo sie die Dinger hingelegt hatte. "Hm, wenn ich so überlege, irgendwo muß ich auch noch welche haben. Dad war doch mit ihm befreundet." "Gigaseufz! Meinst du, frau könnte ihn einmal treffen?" "Früher hat er das manchmal gemacht. Für wohltätige Zwecke..." "Hm. An sowas hatte ich eigentlich nicht gedacht!" "Ich weiß... Aber über das andere hat mir nie jemand etwas erzählt. Ich würde ihn auch mal gerne treffen." Nardias Blick schweifte in die Ferne. + + + "Ryko!" Karylla Noir, auch genannt Blackfire, starrte empört auf einen der Monitore im Info-Zentrum ihrer Basis Nightfall Station, über den gerade die aktuellen Schlagzeilen des Tages huschten. "Ist das nicht eine Frechheit?! Taucht da so ein Typ auf und gibt sich als mein Vater aus! Mein Vater! Dabei ist der vor mittlerweile 16 Jahren gestorben! Und zwar nachgewiesenermaßen!" Sie ließ ihre Faust auf die Konsole krachen. "Autsch!" Sie rieb sich ihre Hand. "Wir werden ihn jagen, fangen und zur Rede stellen! Hier und sofort!" Ihr Partner trat hinter sie und nahm sie erst einmal in die Arme. "Beruhige dich doch, Kary", meinte er ein wenig amüsiert. "Wenn du versuchst, hier die Einrichtung zu demolieren, bringt uns das auch nicht weiter." Er hauchte ihr einen Kuß in das lange, kohlrabenschwarze Haar. "Ich muß dich außerdem darauf hinweisen, daß er offensichtlich keinem vorausberechenbaren Kurs folgt." Karylla drehte sich um und funkelte Ryko wild an. "Egal! Den schnappe ich mir!" In der Starcave blickte Jana Stardust Star, die Top-Agentin der ISPC, ebenfalls empört auf die Solidos der Zeitungen. (Starcave - Stardusts Schlupfwinkel, in dem unter anderem CASS I (Cass) stationiert ist, sowie eine umfangreiche Werkstatt, wo dieser gewartet wird. Die Starcave ist vor über 60 Jahren von Tyron Firestar Star erbaut worden. ) (ISPC - Interstellar Society of Protection and Crime-fighting. In 3742GZ von Jeremy Blade und einigen anderen Industriellen gegründete Gesellschaft zur Verbrechensbekämpfung, die immer dann in Erscheinung tritt, wenn die lokalen planetarischen Polizeitruppen der FGS hilflos sind.) "Unverschämtheit! Was erlaubt sich dieser Knilch? Sich als Firestar auszugeben! Mein Vater ist seit 16 Jahren tot!" "Eine Frechheit", nickte Coryn Arvhayn, Stardusts SAA-Partner, zustimmend. (SAA - ISPC-Spezialagent in Ausbildung (also eine Art 'Lehrling'). Ein SAA wird in der Regel einem erfahrenen CASS-Fahrer als Begleitung zugeteilt.) "Wir werden diesen Typen zur Rede stellen. Mit sowas kommt der nicht durch!" ereiferte sich Jana. "Ich werde ihn jagen, fangen..." "Das dürfte gar nicht so einfach sein", warf Cass aus seiner Box ein. "Der Bursche ist äußerst geschickt, und sein Raumschiff scheint unheimlich schnell zu sein." Nardia warf ihrem Gleiter einen trotzigen Blick zu. "Trotzdem! Ich werde ihn fassen. Das bin ich dem Andenken Firestars schuldig." Stardust hielt Coryn die Hand hin. "Ich bin dabei", meinte er und schlug ein. Alan blickte vom Terminal auf, als ein leiser Piepton ertönte. Anscheinend war eine Meldung hereingekommen, und er drehte sich zum Funkgerät herum. Def Ipanema war bereit, das Lösegeld von 3 Millionen Credits zu bezahlen. Ein lächerlicher Betrag in Betracht des Wertes der Schmuckstücke. Die Übergabe sollte in einer Ruine in der Nähe von Naroon stattfinden. Alan grinste. Für wie dumm hielten die ihn? Das roch doch förmlich nach einer Falle. Hm, noch zwei Stunden bis zur Übergabe, da müßte sich was machen lassen. Er drehte sich wieder zum Terminal um, um das Terrain genau zu untersuchen. Alan lächelte, als er die Bank entdeckte. Das wäre doch ein bestens geeignetes Objekt. Er hatte schon einen Plan, wie er an das Lösegeld und die Bankeinlagen herankam. Gewissensbisse kannte er da gar nicht, denn die Ipanemas waren seit jeher als Ausbeuter und Geschäftemacher bekannt; ihr Vermögen war gewiß nicht auf ehrliche Art erworben. Und die Bank befand sich im Besitz eben dieser Familie. Sie hatten es verdient. Alan transmittierte zu der verfallenen Siedlung, die Ipanema bezeichnet hatte. Er würde für eventuelle Notfälle vorsorgen. Gewissenhaft deponierte er kleine Zylinder mit Betäubungsgas rund um den alten Marktplatz, der als Übergabeort vorgesehen war. Die Patronen waren mit einem unsichtbaren Gas gefüllt, das schwerer als Luft war, also nicht aufsteigen würde. Bei Bedarf würde er sie per Funk zünden können. Nachdem Alan alle Spuren sorgfältig verwischt hatte, kehrte er zur Fireflash zurück. Endlich war es Zeit zu gehen. Alan legte einen Gürtel mit diversen Taschen um und ließ den Beutel mit den Schmuckstücken in eine davon gleiten. Er streifte seine Handschuhe über und verließ das Schiff. Er landete auf dem Dach eines noch halbwegs intakten Gebäudes. Schnell duckte er sich hinter die Brüstung, denn er durfte auf keinesfalls zu früh gesehen werden, sonst wäre sein schöner Plan terminiert. Alan ließ den Blick über den Platz unter ihm schweifen. Belustigt zählte er die diversen Personen, die sich dort hinter Mauern verborgen hatten. Ipanema sollte allein kommen, doch wie es schien, hatte er seine gesamte Mannschaft mitgebracht. Alan hatte bereits fünfzehn Leute entdeckt, allesamt schwer bewaffnet. Tse, auf diesen Trick fiel doch wirklich niemand mehr rein. Dann schwebte ein Gleiter auf den Platz, Alan nahm an, daß dies Ipanema war. Nun, der konnte ruhig noch etwas warten. Vorsichtig zog er sich vom Dachrand zurück und transmittierte in die Nähe der Bank. Wie vermutet, waren hier die Wachen stark reduziert worden, die hockten ja momentan in den Ruinen. Unbemerkt legte Alan die Alarmanlage lahm. Die beiden Wächter spielten Karten, so sah niemand den schlanken Mann, der durch das Fenster einstieg. Der Tresor war bei seinen Fertigkeiten auch kein großes Hindernis. Alan füllte Credits in seine Gürteltaschen bis sie voll waren, dafür deponierte er Ipanemas Schmuck in einem der Schließfächer. Das würde schon jemand finden. Auf die Tresortür klebte er eine große Folie, bevor er verschwand. Kurze Zeit später befand Alan sich wieder in der verlassenen Siedlung. Er war kurz auf dem Schiff gewesen, um die Beute abzuladen, und nun würde er das Lösegeld kassieren. Er spähte vorsichtig auf den Platz. Die Leute wurden langsam ungeduldig. Monsieur Ipanema lief pausenlos hin und her, anscheinend war auch er unruhig. Alan betrachtete ihn neugierig. Ein kleiner Mann, ungefähr 50 Jahre alt, mit mittelbraunem Haar und ebensolchen Augen. Tse, er sah überhaupt nicht nach dem skrupellosen Geschäftsmann aus, der er war. Seine Wachen schienen sich zu langweilen. Kaum einer achtete noch auf den Platz, geschweige denn, daß einer zu dem Dach hochblickte, wo Alan sich befand. 'Dann wollen wir mal etwas Action in die Sache bringen', dachte Alan und zog die Fernbedienung für die Gaspatronen aus seiner Tasche. Er grinste gefährlich und betätigte den Schalter. Das Gas verteilte sich ungesehen, er hatte die Patronen so plaziert, daß der Marktplatz frei blieb. Alan wartete einige Minuten, bis er sicher war, daß alle bis auf den Kaufmann selig schliefen. Schließlich richtete er sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Genau in diesem Augenblick sah Monsieur Ipanema nach oben, da er ein Geräusch gehört hatte. "Firestar!" keuchte er. Alan lachte über dessen entsetzten Blick, dann trat er etwas zurück, um unauffällig auf den Platz hinunter zu transmittieren. Ipanema starrte ihn mit offenen Mund an, als Firestar so plötzlich vor ihm auftauchte. Er rührte sich nicht mal, als Alan ihm den Koffer mit den Credits entwand. Erst als dieser verschwunden war, fand er die Sprache wieder. Er fluchte laut. Dieser Teufel hatte ihn überlistet! Aber dafür war der Schmuck nicht verloren. Ipanemas Vermutung war gewesen, daß sich irgendein Gauner wichtig machen wollte und sich deshalb als Firestar verkleidet hatte, doch nun bestand kein Zweifel mehr, der echte Firestar war zurückgekehrt. Def Ipanema seufzte tief, er konnte froh sein, mit dem Leben davongekommen zu sein. Und da Firestar bekannt dafür war, daß er immer sein Wort hielt, würde der Schmuck wohl bald wieder auftauchen. Er stieg in seinen Gleiter, um zur Stadt zurückzufahren. Auf der Fireflash zählte Alan das erbeutete Geld. Drei Millionen Lösegeld von Ipanema und 4,291,853 Credits aus dem Bankraub. Da er die Plastikchips ziemlich wahllos in seine Taschen gestopft hatte, konnte er sich wohl nicht über die krumme Summe beschweren. Alan überlegte, was er nun mit dem Geld anfangen sollte. Er selbst brauchte die Credits weder, noch wollte er sie, denn er besaß schon mehr Geld, als er jemals ausgeben konnte. Zudem hatte er es ja nur entwendet, um jemandem zu helfen. Alan hatte überrascht feststellen müssen, daß Firestars alter Briefkasten schon Stunden nach seinem ersten Auftauchen wieder in Betrieb genommen worden war, also hatten ihn schon jetzt unzählige Anfragen erreicht. Das Spektrum reichte von sehr eindeutigen Angeboten bis zu Kinderwünschen, von verzweifelten Hilferufen bis zu Morddrohungen. Und da sollte er nun entscheiden, wer das Geld am dringensten brauchte! Alan setzte sich an sein Terminal und ließ sich die diversen gemeinnützigen Institutionen Tarishaans auflisten und wieviel Geld sie wofür benötigten. Es war eine wahrlich monumentale Liste, anscheinend brauchten sie alle Unterstützung. Das war weitaus komplizierter, als er gedacht hatte. Aber im Überblick schien es vor allem an Rehabilitationszentren und Einrichtungen für Jugendlichen zu Fehlen. Alan überlegte, daß er besser das Geld für die Einrichtung eines neuen Instituts bereitstellen könnte, anstatt zu grübeln, welche von den bestehenden Organisationen am nötigsten Hilfe brauchte. Er entdeckte eine Notiz, daß die Stadt Landaar schon seit vier Jahren versuchte, das Geld für den Bau eines Ausbildungszentrums für straffällig gewordene Jugendliche zusammenzubekommen, doch bis jetzt hatten sie nicht einmal die Hälfte des benötigten Betrages erreicht. Alan beschloß, daß dies eine gute Investion wäre, aber erst mußte er das Geld wieder zur Bank bringen. Es sollte schließlich so aussehen, als wenn ein unbekannter Spender den Betrag an die Stadt überwiesen hätte. Würde er es als Firestar zur Verfügung stellen, so müßte die Polizei das Geld doch wieder einkassieren, da es ja definitiv nicht ihm gehörte. Firestar verkleidete sich als Anwalt und zahlte kleinere Beträge auf verschiedene Konten ein. Von diesen wurde das Geld dann wieder auf ein Nummernkonto überwiesen und von diesem auf das Spendenkonto der Stadt. 3762/02/19 GZ Alan grinste zufrieden, sein gestriger Auftritt war die Schlagzeile in der gesamten Tagespresse. FIRESTAR ÜBERFÄLLT BANK IN NAROON! WER IST DER GEHEIMNISVOLLE SPENDER DER 7 MILLIONEN FÜR
DEN BAU EINES AUSBILDUNGSZENTRUMS? GROSSARTIGE SPENDE Alan fand, daß dies eine ausgezeichnete Gelegenheit für ihn war, sich dem Publikum zu zeigen. Zwar mußte er aufpassen, daß niemand zu nah mit einer Kamera an ihn heran kam, da sonst zu früh herauskommen würde, daß nicht der alte Firestar wiedergekehrt war, sondern ein anderer seine Rolle übernommen hatte. Aber er konnte auch nicht ewig Versteck spielen... Das Ganze sollte um 11 Uhr stattfinden. Hm, das müßte zu schaffen sein... Alan tauchte während der Rede der Bürgermeisters am Bauplatz auf, was natürlich nicht unbemerkt blieb. Firestar drückte einem kleinen Jungen eine Folie in die Hand und beauftragte ihn, diese zum Bürgermeister zu bringen. Er erfüllte noch schnell ein paar Autogrammwünsche, bevor er eilig verschwand - genau vor der Nase des Kamerateams, daß sich soeben bis zu seinem Standort durchgewühlt hatte. Die Reporterin fluchte lästerlich und schob die Schuld dem Kameramann zu. Er hätte ihr durch seine Langsamkeit die Chance für das Interview des Jahres, vielleicht sogar des Jahrzehnts, vernichtet. Der Bürgermeister las inzwischen aufmerksam die Folie.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sie werden sicherlich verstehen, daß ich nicht lange bleiben konnte. Aber ich wollte Ihnen viel Glück für Ihr Vorhaben wünschen. Jeder hat das Recht auf eine Chance... - Firestar Der Bürgermeister steckte das Schreiben in seine Tasche und fuhr mit der Rede fort. Er betonte nochmal seine Dankbarkeit gegenüber dem unbekannten Spender, obwohl er sich völlig sicher war, daß das Geld von Firestar stammte. "Okay." Blackfire trommelte gereizt auf der Konsole des Leitstands ihres Raumschiffs Lightning herum. Ihr Partner saß am Schiffscomputer und ließ einige Simulationen bezüglich der Sichtungen 'Firestars' ablaufen. Karylla musterte ihn liebevoll und stellte fest, daß sie sich prompt etwas abregte. Ryko Infinity Maiell war ein hochgewachsener, superschlanker Mann mit schneeweißer Haut und silbernen Haaren, und wenn er sich jetzt zu ihr umdrehte, hätte sie wieder ein Problem, weil sie in seinen phantastisch violetten Augen versänke und nicht mehr ordentlich sauer auf diesen Möchtegern-Firestar sein könnte. Dabei wollte sie diesen Typen in möglichst kleine unzusammenhängende Teile zerlegen - was fiel dem ein, sich als Firestar auszugeben?! "Ryko, kannst du bitte die letzten Sichtungen von diesem Freak projizieren? - Bestätigt und unbestätigt." Infinity zauberte eine Sternenkarte der FGS mitten in den Raum. "Markierung erfolgt in zeitlicher Abfolge", bemerkte er. Prompt leuchtete ein offenbar vollkommen sinn- und regelloses Punktmuster auf. "Ist das dein Ernst?" Karylla starrte angestrengt auf das Holofeld. Nein, kein Muster, keine Linie. Grumpf. "Besteht irgendein Grund, aus dem ich einen Scherz machen sollte?" wollte Ryko wissen. "Vergiß es, mein Schatz! Überprüfe die Koordinaten auf ein Schema." "Negativ, keins vorhanden", stellte er fest. "Und nun?" Karylla verschränkte ratlos die Arme vor der Brust, lehnte sich in ihrem Sitz zurück und legte die Füße auf die Konsole des Leitstandes. "Du wolltest ihn jagen, mein Schatz", machte Ryko sie belustigt aufmerksam. Karylla wandte den Kopf, um ihren Partner direkt anzusehen. "Sag bloß, dich interessiert es nicht, wer dieser Typ ist? Immerhin bist du ja im übertragenen Sinne auch ein 'Kind' Firestars..." Auch im gegnerischen Lager kam man dem Ziel nicht näher. Stardust und Coryn entdeckten kein System in Firestars Unternehmungen, daher konnten sie keinen seiner Schritte im Voraus erahnen. Sie kamen also mit schöner Regelmäßigkeit am Ort des Geschehens an, wenn Firestar längst wieder weg war. Jana fluchte lautstark, als sie wieder mal nach Firestar erschienen. "Es ist zum Heulen!" meinte sie. "Stimmt. Er scheint grundsätzlich eine halbe Stunde eher auf ein lohnendes Ziel aufmerksam zu werden als wir", maulte Coryn. Er war gefrustet, daß sie so gar keinen Erfolg zu verzeichnen hatten. "Wir müssen uns halt mehr anstrengen!" "Hm. Ich habe aber das Gefühl, er ist einfach besser als wir", bemerkte Coryn nachdenklich. Stardust warf ihm einen empörten Blick zu. "Besser?! - Bestimmt nicht, der hat nur mehr Glück!" Zwar glaubte sie selbst nicht ganz daran, aber sie hatte ja ein Image zu wahren, und Aufgeben kam auf gar keinen Fall in Frage... 3762/02/22 GZ "Hm..." machte Karylla. Ryko sah sie etwas mißtrauisch an. Sie guckte, als hätte sie einen ihrer gefürchteten Geistesblitze. "Ryko..." In ihren weltraumschwarzen Augen funkelte es unternehmungslustig. "Ja...?" erwiderte er ahnungsvoll. "Was planst du, Kary?" "Ich werde diesem Firestar einfach zuvorkommen!" "Soso." Er sah sie höchst zweifelnd an. "Ryko...!" Blackfire runzelte ärgerlich die Stirn. "Wir haben doch bereits festgestellt, daß es uns nichts bringt, wenn wir diesem Typen immer hinterherfliegen. Jetzt werden wir einfach vor ihm da sein!" "Und wie? Darf ich dich daran erinnern, daß sein Kurs absolut irregulär ist?" "Völlig egal." "In der Tat?! - Und woher willst du wissen, wohin er fliegt?" "Weibliche Intuition!" Ryko warf ihr einen Blick zu, in dem alle Tragik des Universums zu liegen schien. Frauen! - Noch schlimmer: Karylla...! "So, und wohin führt dich deine ...weibliche Intuition?" "Moment. Laß mich nachdenken." Infinity wandte sich erschüttert ab. "Ich hab's!" Blackfire war begeistert aufgesprungen. "So, und was hast du?" "Die Eingebung! Die OMC im Saluna-System! Dort sind letztlich beträchtliche Diamantenfunde gemeldet worden. Ein kleiner Asteroid voller hochreiner Steine. Und da die OMC - wie du ja noch weißt - mit dem Konsortium D zusammenhängt..." (OMC = Ore Mining Corporation, Schürfgesellschaft im Saluna-System, das Konsortium D hält die Aktienmajorität.) "Hm." Ryko sah seine Partnerin immer noch eher zweifelnd an, setzte aber dennoch den Kurs nach Saluna DLXXV, wo die Schürfgesellschaft OMC ihren Hauptsitz hatte. "So kommen wir eindeutig nicht voran", stellte Coryn fest, nachdem Firestar ihnen schon wieder entwischt war. "Ach ja? Und was sollen wir deiner Meinung nach tun?" erkundigte sich Jana ärgerlich. Coryn zuckte mit den Schultern. Typisch, dachte sie. Meckern, aber auch keinen besseren Vorschlag haben! Stardust ließ sich in ihren Sessel fallen und grübelte intensivst. "Ich hab's!" rief sie plötzlich und wühlte hektisch in der Tagespresse. "Die großen Diamantenfunde der OMC. Und da die Gesellschaft nicht ganz astrein ist... Also auf nach Saluna!" "Wie du meinst", erwiderte Coryn zweifelnd. Er war sich ziemlich sicher, daß sie Firestar nie fangen würden. Sie waren einfach nicht dazu in der Lage, es mit ihm aufnehmen zu können. Zudem hatte Coryn schon länger den Verdacht, daß der Typ doch irgendetwas mit dem alten Firestar zu tun haben mußte... Die Lightning setzte unter ihrem Tarnschild auf dem Landefeld des Asteroiden Nummer 625 auf. Das Licht des trüben, dunkelroten Zwergsterns trug kaum dazu bei, die Gegend zu erhellen, also hatte man grellweiße künstliche Sonnen über dem von einem semipermeablen Schutzfeld überkuppelten Gleiterparkplatz installiert. "Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß in den nächsten 25 Minuten ein Raumschiff auf dem unsrigen landet, beträgt - gemessen an der Durchschnittsquote für diesen Platz in den letzten zwei Wochen - 68.73%", bemerkte Infinity düster. "Ich hoffe, es macht dir nichts aus, bei Gelegenheit nach Hause zu laufen...?" "Wir sind doch im Schiff und können jederzeit starten. Und sobald wir Firestar haben, werden wir eh wieder abhauen." ...und sie warteten. Cass brachte Jana und Coryn zum OMC-Asteroiden und landete auf dem Parkplatz. "Jetzt brauchen wir nur noch auf Firestar zu warten", sagte Stardust zuversichtlich. Coryn verzog das Gesicht. Mit Sicherheit würde hier wer weiß wer auftauchen, aber nicht Firestar. Der müßte ja verrückt sein, sich hier blicken zu lassen, wo man sein Erscheinen so sehnsüchtig erwartete. Aber Coryn behielt seine Meinung in diesem Punkt lieber für sich, da Stardust in letzter Zeit dazu neigte, auszuflippen, wenn er ihr in bezug auf diesen Firestar widersprach. Seufz. Es würde sich ja zeigen, wer recht hatte... Ryko behielt die Raumüberwachung im Auge. Plötzlich entdeckte er einen Impuls, den er nur zu gut kannte. CASS I, der schnittige, schwarze Gleiter von Stardust und Coryn Arvhayn war gerade materialisiert. "Karylla", begann er zögernd, "mir scheint, wir sind nicht die einzigen, die hier auf 'Firestar' warten wollen..." Blackfire sprang auf und baute sich neben ihrem Partner auf. Was sie auf den Abtastern erblickte, stimmte sie nicht gerade fröhlicher. "Graaaa!" fauchte sie. "Diese dumme Nuß! Wenn sie mit ihrem dusseligen CASS-Gleiter so offen herumsteht, wird 'Firestar' nie hier vorbeikommen!" Sie schmiß sich wieder in ihren Sessel und aktivierte das Funkgerät. (CASS - Computerized Aero-Shuttle System) "Stardust, hier Blackfire - was suchst du hier?" Das 'du dumme Kuh!' verschluckte sie noch gerade eben. "Du vermasselst mir meine Mission!" "Ach ja? Meine Liebe, verzieh dich mitsamt deiner Rostbeule und Monsieur Maiell wieder dahin, wo du hergekommen bist! Ich habe hier zu tun", fauchte Jana zurück. "Wenn du so offen herumstehst und jedem, der auch nur ein Pocket-Ortungsgerät hat, auf Parsecs hinaus anzeigst, wo du dich gerade befindest, wirst du natürlich viel Glück mit deinem Job haben - oder glaubst du, ich wüßte nicht, daß du hier auf diesen Möchtegern-Firestar wartest?" "Cass fällt ja auch so enorm zwischen den 127 Gleitern auf, die noch hier auf dem Parkplatz stehen. Und wo wir schon dabei sind - du bist doch auch nur aus dem Grund hier, um Firestar zu fangen. Vielleicht, damit er dir einige Tricks verrät, damit du endlich mal was gebacken kriegst", knurrte Stardust. "Aus deinen Worten spricht der blanke Neid, meine Liebe!" Karylla holte tief Luft, um Stardust eine weitere Beleidigungskanonade an den Kopf zu werfen, als Ryko ihr dezent auf die Schulter tippte. "Kary, mein Schatz, ich habe dir eine wichtige Mitteilung zu machen. Ich hoffe, es stört dich nicht allzu sehr, wenn ich deine Verbalinjurien bezüglich Mademoiselle Stardust kurzfristig unterbreche..." "Im Prinzip schon - aber wenn es so wichtig ist... Was gibt es?" "Während du dich so angeregt mit Mademoiselle Stardust unterhieltest, raubte Firestar die Lager der Nachbargesellschaft CMS aus." (CMS = Crystal Mining Society, Schürfgesellschaft im Saluna-System, das Konsortium D hält die Aktienmajorität. Sitz: Saluna CCXLVI.) Dies verschlug sogar Blackfire die Sprache. Auf der anderen Seite hatte Jana soeben von Coryn eine ähnlich lautende Mitteilung erhalten. Sie war nahe daran, einen Schreikrampf zu bekommen. "Nach Hause, sofort!" befahl sie. Sie wollte nichts mehr sehen und nichts hören. Graaaa... Mittlerweile hatte Karylla die Fähigkeit zur akustischen Äußerung wiedergefunden und erfand einige gänzlich neue Flüche, die sich allesamt auf eine etwaige zweifelhafte Herkunft dieses Pseudo-Firestars bezogen. Ryko war sehr fasziniert, was seine Partnerin abwechselnd 'Firestars' Mutter, bzw. dessen Vater unterstellte. "Retour nach Nightfall Station", befahl sie schließlich weißglühend. 'Soviel zum Thema weibliche Intuition', dachte Ryko amüsiert und tat, wie ihm geheißen, bevor er beschloß, Karylla ein wenig über diesen Reinfall hinwegzutrösten. Firestar war derweil schon wieder auf seinem Raumschiff Fireflash. Die Miniaturisierung des TM-Systems machte sich bezahlt. Spielerisch fuhr er mit der Hand durch die Rohdiamanten, die er der CMS entwendet hatte. Die Steine waren eine Menge Credits wert, aber leider sahen Rohdiamanten nach rein gar nichts aus. Er überlegte, was er damit anfangen sollte, während die Fireflash mit Höchstgeschwindigkeit das Saluna-System verließ. Es amüsierte ihn, daß diese beiden - Blackfire und Stardust - ihm immer noch auf den Fersen waren. Sie versuchten sicherlich verzweifelt, hinter sein System bei den Überfällen zu kommen. Er grinste bei dem Gedanken. Da konnten sie lange suchen, schließlich hatte er gar keins. Er entschied sich immer sehr kurzfristig für ein Ziel, meist nur aus der Überlegung heraus, daß er dazu gerade Lust hatte. Sollten sie doch ruhig weiter hinter ihm herjagen. Noch würde er sich nicht fangen lassen. Die Zeit war noch nicht reif. 3762/02/23 GZ Karylla gähnte herzhaft und reckte sich erst einmal. "Umpf!" machte Ryko, da seine Partnerin es wieder einmal geschafft hatte, ihm den Ellenbogen vor das Ohr zu rammen. "Wir müssen noch einmal zurück ins Saluna-System!" verkündete sie. "Warum das?" "Wir werden eben die Diamanten der OMS mitgehen lassen, wo doch dieser Pseudo-Firestar die CMS ausgeraubt hat..." "Wie kommt es, daß du so früh am Morgen schon so aktiv bist?! Dabei hast du doch noch nicht einmal einen Kaffee bekommen..." "Grummel, ich habe mich die ganze Nacht permanent über Firestar geärgert, daß dieser uns wieder durch die Lappen gegangen ist..." "Soso, du hast die ganze Nacht damit verbracht, dich über Firestar zu ärgern...?!" Er sah sie belustigt an und strich herausfordernd mit dem Zeigefinger über ihre Vorderfront. "Mmmmh... Naja... - Äh, Ryko, wir sollten uns jetzt aber doch langsam aufraffen! Die OMS wartet!" Dieser machte jedoch keine Anstalten, sie loszulassen, im Gegenteil, er zog sie enger an sich heran. "Ich weise darauf hin, daß du es bist, die die Nächte hauptsächlich verschläft..." "Ich bin ja auch nur eine arme, kleine Enaryshanerin, die hin und wieder ihren Schönheitsschlaf braucht..." (Blackfires Mutter stammte von Solse IV/Enaryshavell, daher bezeichnet sie sich selbst ebenfalls als Enaryshanerin.) Ryko grinste sie an und machte ihr mit höchst überzeugenden Argumenten klar, daß das Saluna-System noch etwas warten könnte. Natürlich konnte Karylla ihm wie üblich nicht widerstehen. Sie schloß die Augen und genoß es, von ihm verwöhnt zu werden. Geraume Zeit später beschlossen sie doch noch, zur OMS zu fliegen. Aber zunächst würden sie sich ein ausgiebiges Frühstück genehmigen. "Ich habe eine umfassende Sensorüberprüfung des OMS-Asteroiden vorgenommen", sagte Infinity. "Dort ist kein Anti-TM-System aktiviert." "Tsy, so ein Leichtsinn", bemerkte Blackfire. "Aber um so besser für uns. Ähm, kannst du eventuell ein TM-Ortungsfeld anpeilen? Vielleicht wollen die etwaige Besucher zunächst in Sicherheit wiegen und lassen nachher die Falle zuschnappen..." "Negativ, auch das nicht", erwiderte Ryko. "Na gut. Dann können wir offenbar wirklich einfach in den Tresorraum springen, das Teil knacken, die Diamanten mitnehmen und wieder wegtransmittieren. Püh, das ist ja richtig langweilig", beschwerte Karylla sich. "Ich programmiere unsere TM-Gürtel auf die Koordinaten des Tresorraums." "Okay." Etwa fünf Minuten später kam Ryko zurück. "Grün-grün-rot, und wir sind unten." "Aye, aye." Die beiden tippten auf die farbig markierten Sensorschalter und materialisierten im Inneren des Asteroiden. Blackfire sah sich um und entdeckte den Tresor. "Infi...!" brüllte sie entgeistert. "Ich sehe es", bemerkte dieser. "Es ist uns jemand zuvorgekommen." "Jemand?! Das war er!" fauchte Blackfire. "Diese billige Entschuldigung für den richtigen Firestar!" Infinity sah sich rasch um und verzog das Gesicht. "Er war erst vor einer halben Stunde hier", stellte er fest. "Graaaa! Fast hätte ich ihn erwischt! - Daran bist nur du schuld!" "Wie bitte?!" Diesem Gedankengang konnte Ryko nicht so recht folgen. "Ich wollte sofort aufstehen!" Blackfire stampfte wütend mit dem Fuß auf. "Moment, ich weise darauf hin, daß du freiwillig nicht aufgestanden bist." "Grummel. Na gut. Wir gehen!" Bei sich überlegte Karylla, was sie am besten mit diesem 'Firestar' machen könnte, wenn sie ihn erwischte. Am besten ganz, ganz langsam umbringen... Sie schlug zweimal auf das violette Sensorfeld ihres TM-Gürtels und verschwand. Ryko schüttelte wieder einmal nur den Kopf und folgte seiner Partnerin in die Lightning zurück. 3762/02/31 GZ Infinity saß im Chemo-Lab von Nightfall Station und bastelte an einer neuen Farbmischung für seine diversen Maskeraden. Dummerweise mußte der Ansatz noch 50 Minuten reagieren, und Ryko beschloß, diese Zeit dazu zu nutzen, um einmal nachzuschauen, was Karylla gerade im Info-Zentrum trieb. Er wußte, daß sie auf der Suche nach einem neuen Aktionsgebiet war, da sie sich nach der Pleite von wegen Firestar entschieden abreagieren mußte. "Was hast du jetzt eigentlich vor?" erkundigte er sich bei ihr, neugierig zu erfahren, ob sie etwas gefunden hatte. Karylla lehnte sich zurück und legte ihre Füße auf den Solido-Printer des Leitstands, der öfter eine Verwendung als Ablage für alle möglichen Dinge fand, denn eine Betätigung in seinem eigentlichen Fachgebiet. "Hm, Ryko, du weißt doch, daß letztlich auf Dvaris dieser neue Ultramikrochip entwickelt worden war, der kurz darauf in die Hände des KD fiel..." "Die Nachrichten waren voll davon." "Korrekt. Ich bin dafür, daß wir das Teil und die Entwicklungsunterlagen zurückholen." "Mhm." Er trat hinter Karylla und begann, ihren Nacken zu massieren, was sie mit einem behaglichen Seufzer quittierte. "Hast du eine Idee, wohin man den Chip gebracht hat?" "Wenn ich die Informationen, die durch das Organet geistern, richtig deute, ist das Teil zum KD-Labor Enaryshavell VII gebracht worden. - Es ist doch wohl eine Unverschämtheit von diesen Typen, zig ihrer Stützpunkte auf meinem Heimatplaneten einzurichten!" (Organet - Funknetz, dessen Frequenz nach einem bestimmten Schlüssel permanent verändert wird; dient zur Kommunikation des organisierten Verbrechens untereinander. Ein ähnliches Funknetz des freien Verbrechertums ist das sogenannte Freenet.) "Ich glaube nicht, daß das KD sich durch deinen heiligen Zorn davon abhalten läßt, weitere Basen dort zu eröffnen", meinte Ryko amüsiert und gab ihr einen Kuß auf die Nasenspitze. "Grummel. Naja. Ich habe jedenfalls das einzig in Frage kommende Gebäude lokalisiert." "Hast du auch schon einen Plan?" "Aber natürlich! Wir düsen hin, brechen dort ein, lassen das Teil mitgehen und hauen wieder ab." "Toller Plan..." stöhnte Ryko auf. "Trotzdem! Los geht's!" Die Lightning kreiste unter ihrem Tarnschild um Solse IV/Enaryshavell. Karylla hatte sich bereits in ihren Einsatz-Coverall gewandet. "Ich bleibe lieber hier oben, Kary", meinte Ryko. "Bei deinem phänomenalen Plan halte ich es für überaus wahrscheinlich, daß ich dich wieder einmal retten muß..." "Haha!" machte Blackfire genervt. Sie warf sich den tragbaren Desintegrator-Brenner über die Schulter, der ihr schon des öfteren gute Dienste geleistet hatte und überprüfte den erst kürzlich von Ryko und ihr entwickelten Mikroflektor-Schild, der ähnlich arbeitete wie der Tarnschild der Lightning, aber bedauerlicherweise nur vor konventionellen Ortungssystemen schützte. Sie wäre also weiterhin sichtbar. Die andere Variante, der Optoflektor, würde sie zwar unsichtbar machen, aber sie wäre immer noch eine Zielscheibe für Radar u.ä. - Und beide Aggregate zusammen verschlangen dermaßen viel Energie, daß die Energiezellen innerhalb von vielleicht einer Minute ausgebrannt wären. Irgendwie bedurften diese Dinger eindeutig der Verbesserung, befand Blackfire, vor allem, was ihr Volumen und die Masse betraf. Der Mikroflektor-Schild war ein ziemlich schwerer Tornister, und der Desintegrator-Brenner dazu nicht minder gewichtig. Ächzend rückte sie die Teile zurecht, bevor sie nach Galsea transmittierte, einer Stadt auf dem enaryshanischen Klein-Kontinent Selsaiell. Es war gegen 02:00 Uhr EGZ7, und alles wirkte überaus verlassen. Blackfire beschloß, einfach zu dem Laborkomplex zu wandern und sich mit dem Desintegrator-Brenner durch die Rückwand des Gebäudes zu fräsen. (EGZ7 - Enaryshanische Galakta-Zeit, Zeitzone 7. Dazu ist anzumerken, daß auf Enaryshavell die standardmäßige Einteilung eines Tages in 20 Stunden etc. übernommen wurde. Durch die etwas andere Rotationsperiode des Planeten ist allerdings eine enaryshanische GZ-Stunde um 22 Prozent länger als die Standard-GZ-Stunde. Ebenso werden die anderen Zeiteinheiten angepaßt. Es ist müßig zu erwähnen, daß es infolge der unterschiedlichen Zeitrechnungen häufig zu gravierenden Mißverständnissen kam, bis man sich angewöhnte, immer die jeweilige Zeitrechnung explizit anzugeben.) Als sie den Zaun der Anlage erreichte, aktivierte sie den Mikroflektor-Schild. Nun hatte sie knapp zehn Minuten Zeit, um alle Sperren zu unterlaufen. Wenn sie im Labor war, würde ihr der Tarnschild ohnehin nicht mehr viel nutzen. Dann war sie gezwungen, schnell zu arbeiten, den Chip und die Unterlagen zu finden, etwaige weitere Informationen abzurufen und das Anti-TM-System zu desaktivieren, um wieder zur Lightning zurückkommen zu können. Sie hoffte, daß um diese Uhrzeit nicht so viele Wachen im Komplex waren. Kurz darauf befand sie sich innerhalb des Grenzzauns und wanderte auf das Gebäude zu. 'Vielleicht hätte ich mich als Kaktus verkleiden sollen', überlegte sie amüsiert, verwarf den Einfall aber wieder. Ein wandernder Kaktus war bestimmt auffälliger als ein wandernder Wanderer... Endlich hatte sie die fensterlose Südmauer erreicht. Offenbar hatte sie dank des Mikroflektors tatsächlich keinen Ortungsalarm ausgelöst. Sie setzte kurzerhand den Desintegrator-Brenner an, und gerade, als der Durchschlupf groß genug für sie war, setzten die Energiezellen des Tarnschilds aus und der Alarm ein. Blackfire gab ein paar lästerliche Flüche von sich und raste durch den Gang, der sich vor ihr auftat. Den unhandlichen Mikroflektor-Schild hatte sie liegengelassen und schleppte nur noch den Desintegrator-Brenner, zusätzlich hielt sie einen Pfeilwerfer in der Hand. (Alte enaryshanische Waffe, ein ca. 30cm langer, 1cm durchmessender, schwarzer Stab, mit dem Lähmkristalle verschossen werden können. Diese Lähmkristalle sind 2cm lang, durchmessen etwa 1/10 mm und durchdringen nachgiebige Materialien relativ gut. Sie lösen sich im Körper des Opfers komplett auf und führen zu einer 2-3 stündigen Bewußtlosigkeit. Blackfires obligatorische Waffe. Sie hat zwei Pfeilwerfer, an jedem Stiefel einen, die mit einer Magnethalterung versehen sind.) Allerdings schien sie Glück im Unglück zu haben, denn es waren bemerkenswert wenige Wachposten unterwegs, und es bereitete ihr keine Schwierigkeit, diese mit ihren Lähmkristallen ins Reich der Träume zu befördern. Endlich kam sie in einen Trakt, in dem alle Anzeichen darauf hinwiesen, daß es sich um einen hochreinen Laborabschnitt handelte. Sie legte keinen Wert darauf, sich der komplizierten Reinigungsprozedur zu unterwerfen, denn es war ihr ziemlich egal, was mit den dortigen Geräten u.ä. passierte. Hauptsache, sie konnte den Mikrochip und die Unterlagen mitnehmen, ob er nachher noch funktionierte, war ohnehin irrelevant. Es ging darum, dem KD seine Forschungsgrundlagen zu entwenden. Ein paar Wissenschaftler, die sich schützend vor einige Instrumente stellten, wurden ebenfalls schlafen gelegt, und schließlich entdeckte Blackfire das gesuchte Objekt. Es war in einen Vakuum-Behälter gepackt, und sie steckte kurzerhand das ganze Kästchen ein. Nun noch rasch die Computer durchgehen... Moment, da hinten schienen diverse Speicherkristalle aufbewahrt zu werden... Karylla ging an die Halterung und stopfte die Kristalle wahllos in ihre Tasche, bevor sie mit einem ausdauernden Desintegrator-Brenner-Beschuß alles, was sie vom hiesigen Zentralcomputer erblickte, vernichtete. Sie hoffte, daß sie damit auch den Speicherbereich des Rechners erwischt hatte, aber andererseits ging sie davon aus, daß derart geheime Daten nicht unbedingt noch in externen Speichern außerhalb des Labors untergebracht waren. Und wenn doch... Naja, hier ging es darum, das KD zu behindern, und diesen Job hatte sie ja wohl erledigt. Aber jetzt hieß es, sich schleunigst auf und davon zu machen, dachte Blackfire. Ein Sensorscan ergab, daß das hiesige Anti-TM-System offenbar nur Eindringlinge von außen abwehren sollte. Karylla atmete auf. Das Glück half wieder einmal dem Tüchtigen, befand sie. Gerade, als sie zur Lightning zurückspringen wollte, tauchte Firestar auf. Irritiert betrachtete er die auf dem Boden liegenden Leute, bevor er Karylla Noir entdeckte. "Blackfire!" "Der Möchtegern-Firestar!" rief diese verblüfft. Firestar sah sie ärgerlich an. Immer diese Beleidigungen! "Geben Sie mir den Chip!" forderte er. "Wie komme ich dazu?" fragte sie ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. Er grinste Karylla bedeutungsvoll an. "Wie wollen Sie mich daran hindern?" "So!" Blackfire grinste zurück und tippte auf den Violett-Sensor ihres TM-Gürtels. "Bye-bye, Sie billige Imitation..." Nach dem zweiten Druck auf Violett war sie auf der Lightning, wo sie sich aber im Nachhinein darüber ärgerte, daß sie einfach wegtransmittiert war, ohne sich den Pseudo-Firestar ein wenig vorgenommen zu haben. Aber das war sicherlich nicht das letzte Mal, da sie ihn traf... Im KD-Labor fluchte Firestar ebenfalls lautstark, bevor er verärgert zur Fireflash zurücktransmittierte. 3762/02/47 GZ Der riesige, runde Konferenztisch war eigentlich nur eine Illusion, wirkte aber nichtsdestotrotz völlig real. Siebzig der Plätze waren von den ISPC-Departmentleitern der siebzig Mitgliedswelten der FGS besetzt, 70 weitere von den Direktoren der planetarischen Polizeitruppen, bzw. deren Vertretern. ( Die FGS - Freie Galaktische Sternenrepublik - besteht zur Zeit aus 15 Freien Welten und 55 sogenannten 'Jungen Welten' (Kolonien)) Tatsächlich saß jeder der Konferenzteilnehmer in seiner Holophon-Kammer, aber sämtliche anderen wurden via Holo-Projektion ebenfalls dorthin gezaubert. Der Vorteil einer solchen Maßnahme lag darin, daß sich niemand extra in ein Raumschiff setzen mußte, um einen bestimmten Treffpunkt anzufliegen, und außerdem war so auch kein Anschlag auf die Gesamtheit aller Teilnehmer möglich. Die heutige Konferenz der Ordnungshüter der Freien Galaktischen Sternenrepublik hatte einzig und alleine Firestar zum Thema. Aimée-Evesse Roquevert, Polizeichefin von Tarishaan, hatte das Wort ergriffen. "Meine Damen und Herren, es muß etwas geschehen! Wir können nicht tatenlos zusehen, wie dieser ruchlose Verbrecher Firestar die FGS unsicher macht." "Aber bedenken Sie seinen Einsatz für Recht und Ordnung - wie viele korrupte Elemente der Gesellschaft er entlarvt hat", ereiferte sich Joël Lasalle, der Chief-Departmentleiter der ISPC, ein Mittfünfziger mit graumellierten Haaren. "Dagegen stehen unzählige von ihm verübte kriminelle Delikte", fauchte Hanra Enduardi, ihres Zeichens Polizeichefin von Khemarra, wütend. "Alleine 50 in den letzten 34 Tagen", bemerkte Polizeichef Ying Chen von Sinhalon anklagend. "Ich verstehe nicht, was das mit der ISPC zu tun hat", bemerkte Departmentleiterin Anya Ivhella Kheshaiell von Enaryshavell irritiert. "Das ist eine Aufgabe für die Weltraumpolizei!" "Aber die Polizei ist leider mit ihrem Althochtarishana am Ende", rief Aimée-Evesse Roquevert verzweifelt aus. "Die ISPC ist nicht für jeden Fall zuständig, den die Polizei nicht lösen kann", äußerte sich Joël Lasalle. "Ich schlage vor, wir stimmen ab!" Nach einer Viertelstunde lag das Ergebnis vor. 48 der 70 ISPC-Departmentleiter und 60 der Polizeivertreter waren für eine Zusammenarbeit. Joël Lasalle blickte erschüttert in die Runde, bevor er sich aus der Verbindung schaltete und sich schwer in seinen Sessel zurücksinken ließ. Was war nur mit der ISPC geschehen, daß diese Männer und Frauen ihren geistigen Vater derart schmählich verrieten? 3762/02/48 GZ Am Morgen wurden Jana Star und Coryn Arvhayn gleich in das Büro Lasalles im ISPC-Hauptquartier auf Suune III/Tarishaan; Ashteera gerufen. "Mademoiselle Star, Ihr neuer Auftrag wird sein, Firestar zu fangen. Es gefällt mir gar nicht, aber die Mehrheit der Versammlung hat sich dafür entschieden", meinte der Leiter der Interstellar Society of Protection and Crime-fighting ernst. Stardust blickte ihn erstaunt an. "Was? Firestar verhaften? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!" rief sie. "Leider ja", entgegnete Lasalle entschuldigend. "Kommt gar nicht in Frage, Monsieur Lasalle. Ich werde keine Minute länger hierbleiben. Ich kündige!" verkündete Stardust lautstark und verließ den Raum. "Ich auch!" Coryn folgte ihr und schmetterte die Tür zu. Firestar zu fangen, um seine Identität herauszufinden, war eine Sache. Aber ihn verhaften? Das Idol der ISPC, auch wenn er ein Schwindler sein mochte... Irgendwie war die ganze Organisation auch schon von Korruption unterwandert. Pfui! Ab jetzt würden sie auf eigene Faust arbeiten, und sie mußten Firestar erwischen, um ihn vor diesen Heinis zu warnen. Naja, und außerdem wollte sie ihn immer noch ausquetschen, und eine Frechheit war es auch... Karylla saß im Info-Zentrum von Nightfall Station und betrachtete die Monitore, die die aktuellen Nachrichten der ganzen FGS verkündeten. Wie bitte? ISPC und Polizei arbeiteten Hand in Hand, um Firestar dingfest zu machen?! Das war doch wohl das allerletzte! Immerhin hatte doch Firestar die ISPC erschaffen! Das war nicht nur unfair, sondern auch noch eine bodenlose Frechheit, befand sie. Außerdem, wenn jemand das Recht hatte, Firestar einzufangen, dann war sie das, Karylla Blackfire Noir, Firestars leibliche Tochter und Erbin seines Vermächtnisses! Sie würde es niemals zulassen, daß er so in den Schmutz gezogen wurde, auch wenn er nur eine gut gemachte Imitation war. Die Betonung lag auf dem 'gut gemacht'! Hm. Aber sie würde sich den Kerl trotzdem einmal intensiv zu Brust nehmen und interviewen, dachte sie grimmig. 3762/02/49 GZ Wütend warf Jana die Solidos in die Ecke. Sie bedauerte heute zum ersten Mal, sich Zeitungen gekauft zu haben. STARDUST UND CORYN ARVHAYN AUS DER ISPC
GEWORFEN Einfach unglaublich! Coryn lief ebenfalls zornig hin und her. So eine gemeine Verdächtigung! Die beiden waren nun nur noch um so mehr entschlossen, diesen Firestar zu fassen. Allein schon, um ihre Unschuld zu beweisen, und außerdem mußte Stardust einfach wissen, wer dieser Firestar war. Wie so oft in letzter Zeit saß Blackfire im Info-Zentrum ihrer Basis im Trümmergürtel zwischen dem 7. und 8. Planeten des Suune-Systems. Sie war einfach zu neugierig, was diesmal über jenen Möchtegern-Firestar in den News-Sendungen gebracht wurde. Gerade wurden die aktuellen Schlagzeilen eingeblendet, und als sie diese überflog, wäre sie fast aus dem Sessel gefallen. "Ryko, das mußt du sehen", rief sie völlig perplex. Ihr Partner verließ seinen Versuchsaufbau im Physik-Lab und eilte ins Info-Zentrum. Karylla lag halb in dem bequemen Sessel, die Füße natürlich auf dem Solido-Printer, und schaltete fassungslos einen Kanal nach dem anderen auf den Hauptmonitor. "Was gibt es?" wollte Infinity wissen. "Das!" Karylla ließ die Schlagzeile der Info-Gruppe FGS-Umschau stehen. STARDUST AUS ISPC GEFEUERT! "Diese Meldung erscheint mir eher zweifelhaft zu sein." "Eben. Starlight ist doch gar nicht intelligent genug, um sich als Firestar auszugeben!" ereiferte sich Karylla. Sie konnte Stardusts Team-Kollegen einfach nicht ausstehen. Ryko schüttelte nur den Kopf. "Soso..." "Was will sie denn jetzt machen, wo sie nicht mehr der ISPC angehört?!" "Vielleicht versucht sie, uns unseren Job streitig zu machen", meinte Ryko belustigt. "So ganz astrein auf der Seite des Gesetzes war sie ja auch noch nie..." "Sie soll es wagen, sich mit mir anzulegen! Und sie soll es auch wagen, Firestar zu cashen!" Blackfire war auf 180 (bzw. eher darüber). Ryko sah sie höchst amüsiert an. Irgendwie erinnerte ihn seine Partnerin in der letzten Zeit unentwegt an einen Vulkan im Dauerstreß. 3762/03/12 GZ Seit Tagen war nichts los, und Stardust langweilte sich gewaltig. Da sie nun nicht mehr in der ISPC war, gab es auch keine Aufträge, und so hing sie meist den ganzen Tag in der Starcave herum. Coryn und sie hatten immer noch keine Spur, die sie zu Firestar führen würde. Es war einfach hoffnungslos... Da sie den ganzen Morgen die alten Labors ihres Vaters, des einzigen wahren Firestar, durchwühlt hatte - und vor allem, da sie peinlicherweise den Ölkanister auf dem Schrank übersehen hatte - war nun eine Dusche nötig. Ihr Laune befand sich mittlerweile auf dem absoluten Nullpunkt. Stardust fluchte unterdrückt. Verdammt, jetzt hatte sie auch noch das Badetuch im Schlafzimmer liegen lassen. Brummelnd kletterte sie aus der Dusche. Im ganzen Bad nicht mal die Spur eines Handtuches. Grummel... Jana streifte sich schnell wieder ihre Unterkleidung über. Man konnte ja nie wissen, wo sich dieser Coryn herumtrieb, und auf seine anzüglichen Kommentare konnte sie nun wirklich verzichten. Ein Blick in den Wandspiegel sagte ihr, daß ihr Bemühen umsonst gewesen war, das hauchdünne Teil war schon vollkommen durchnäßt. Naja, eigentlich war es auch egal. Hauptsache, sie konnte sich endlich abtrocknen. Ärgerlich strich sie sich ein paar patschnasse Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie ging ins Nebenzimmer. Das Handtuch lag noch auf dem Bett. Jana wollte gerade danach greifen, als sie ein anerkennender Pfiff herumwirbeln ließ. Sie würde diesem Nichtsnutz nun mal gründlich ihre Meinung sagen. Aber die Worte blieben ihr im Hals stecken, denn nicht Coryn lehnte an der Wand und musterte sie mit interessiertem Blick, sondern dieser Pseudo-Firestar... Jana kochte vor Wut. Was dachte sich dieser Knilch dabei, sich als Firestar auszugeben, wie kam er in die Starcave und vor allem, was fiel ihm ein, hinter ihr her zu pfeifen?! Sie warf sich auf ihn, um ihm zumindest den Hals umzudrehen, doch eine Teppichkante vereitelte ihr Vorhaben. Anstatt ihm die Luft abzudrehen, prallte sie heftig gegen ihn. Stardust fühlte sich, als wäre sie vor eine Mauer gelaufen. Verzweifelt versuchte sie, das Gleichgewicht zu bewahren. Ihr zweiter Angriff blieb schon in der Planung stecken, da Firestar die Arme fest um sie legte. Er legte keinen Wert auf weitere Attacken, zudem würde sie sich doch nur verletzen. Stardust wurde hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihm kräftig vor das Schienbein zu treten oder ganz einfach einen Schreikrampf zu bekommen. Zudem war es ausgesprochen unangenehm, so unbeweglich in seinen Armen liegen zu müssen... Firestar gefiel es aber anscheinend ausnehmend gut, da er sie angrinste. Jana mußte sich den Hals verdrehen, um ihm ins Gesicht sehen zu können, da er mit Sicherheit über 1.90m groß war. Aus der Nähe betrachtet, war seine Ähnlichkeit mit dem Original-Firestar weitaus geringer, stellte sie fest. Seine Gesichtzüge wiesen kaum Gemeinsames mit denen Tyron Stars auf. Zudem war das Kupfer seiner Haare dunkler, die Augen eher stahl- denn eisblau, seine Haut heller, und vor allem war er weitaus jünger. Jana schätzte ihn auf Mitte zwanzig. "Frieden?" fragte er. Stardusts Wut hatte sich inzwischen gelegt, und zwar alleinig aus dem Grund, daß Leichen äußerst selten Fragen beantworteten. Und sie hatte eine Menge davon... Danach konnte man schließlich wieder zu diesem Punkt zurückkehren. "Vorerst", meinte sie vorsichtig. Man konnte ja nie wissen. Zögernd ließ Firestar sie los, er traute diesem plötzlichen Meinungsumschwung nicht. Wenigstens war er sicher, daß Coryn nicht hier auftauchen würde. Cass hatte versprochen, ihn in den Labors festzuhalten. Jana hatte sich inzwischen in das Badetuch gewickelt und ließ sich auf der Bettkante nieder. "Also, was wollen Sie von mir?" fragte sie und überlegte, wie es ihr gelingen könnte, ihn zu überlisten. "Ich bin im Auftrag deines Vaters hier", erläuterte Firestar. "Hah, daß ich nicht lache. Mein Vater ist seit 16 Jahren tot", meinte sie ironisch und versuchte unauffällig mit dem Fuß nach dem Laser zu angeln. Sie war sich ziemlich sicher, daß sie ihn unter das Bett befördert hatte. "Er erteilte mir diesen Auftrag vor 19 Jahren." "Da waren sie doch höchstens ein kleines Kind!" zweifelte Jana. "Danke für das Kompliment!" Firestar machte eine leichte Verbeugung. "Aber ich war schon 10 Jahre alt, als Tyron mit mir darüber sprach." Plötzlich fiel Stardust etwas anderes ein. "Wie sind Sie hier hereingekommen?" fragte sie. Die Eingänge der Starcave waren nämlich nur Cass, Coryn und ihr bekannt. "Ich bin durch die Geheimtür im Gartenpavillon gekommen." Firestar grinste sie an und ließ sich ebenfalls auf dem Bett nieder, da es in dem Raum keine andere Sitzgelegenheit gab und er nicht vor hatte, die ganze Zeit zu stehen. Jana sah ihn irritiert an. Diese Geheimtür war seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr benutzt worden. Argwöhnisch betrachtete sie ihn. Sie unterdrückte gerade noch einen erleichterten Seufzer, als sie mit dem Fuß an den Laser stieß. Vorsichtig schob sie die Waffe nach vorn. Wie gut, daß er von seinem Platz nicht sehen konnte, was sie tat. "Worum geht es denn bei diesem Auftrag?" wollte Jana wissen. "Nun, ich sollte mich bei dir melden und helfen. Mein Ziel ist es vor allem, die ISPC zu säubern. Und natürlich werde ich auch Firestars Aufgabe weiterführen." "Wenn ich Ihnen glauben soll, muß ich schon etwas mehr wissen", meinte Stardust. "Nur zu. Frag mich etwas!" Firestar verschränkte die Arme hinter dem Kopf, legte sich zurück und sah sie erwartungsvoll an. "Woher kommen Sie?" Der Laser lag nun fast in einer Position, in der sie ihn greifen konnte. Sie mußte den Typ nur ablenken. "Geboren bin ich auf Tarishaan, jedenfalls nimmt man das an, da ich dort als Säugling gefunden wurde. Ich war erst im Waisenhaus, aber als ich älter wurde, hat mich nichts mehr dort gehalten. Ich bin abgehauen und habe mich herumgetrieben, bis dein Vater mich aufgegabelt hat. Da war ich so ungefähr 9 Jahre alt. Er hat mich fast ein Jahr unterrichtet. Ich muß zugeben, daß ich ein ziemlich wilder Junge war. Auf seinen Wunsch hin habe ich dann die FGS verlassen. Und nun... bin ich wieder da", erzählte Firestar und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Stardust ertappte sich bei dem Gedanken, daß sie liebend gern das gleiche tun würde. Diese Haarfarbe war einfach zu interessant. "Wie ist Ihr Name?" fragte Jana und verfluchte ihre hoffnungslos romantische Natur, die sich schon immer Firestar als Helden ihrer Träume ausgesucht hatte. Sie konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie enttäuscht sie gewesen war, als sie erfuhr, daß Firestar und ihr Vater identisch waren. Es hatte sie damals alle ihre Träume gekostet. Naja, das war auch schon lange her... Aber nun war sie nahe dran, sich in diesen Pseudo-Firestar zu verlieben. 'Nimm dich zusammen', ermahnte sie sich. Diesen Triumph würde er nicht erleben... "Hm", machte er nachdenklich. "Du kannst mich Alan nennen." "Heißt das etwa, dies ist nicht Ihr Name?" argwöhnte Jana. "Doch, eigentlich stimmt er schon", meinte er mit einem geheimnisvollen Lächeln. "Du kannst mich übrigens ruhig duzen." "So?" Jana hob den Laser. "Wenn ich das aber gar nicht möchte...? Nun werden wir uns mal richtig unterhalten." Man sah es Firestars Gesicht an, daß er damit garantiert nicht gerechnet hatte. "Bleiben Sie schön liegen", drohte Stardust und zog sich vom Bett zurück. Sie mußte versuchen, Coryn zu erreichen, denn lange konnte sie ihn wohl nicht in Schach halten. Alan verfluchte gerade seine Dummheit, einfach so auf sie hereingefallen zu sein. Er hatte sich zu sehr darauf verlassen, daß sie keine Waffe hatte, und körperlich war sie ihm ja ohnehin hoffnungslos unterlegen. Er hatte nur darauf geachtet, ob sie etwas bei sich trug, und daß das nicht der Fall war, war ja zu deutlich zu sehen gewesen. Dies hatte ihn unvorsichtig werden lassen. Wer konnte denn ahnen, daß sie den Laser unter dem Bett aufbewahrte? Er hatte sie einfach unterschätzt. Jana sah so... harmlos aus, aber daß sie die Top-Agentin der ISPC gewesen war, hätte ihn warnen müssen. Tja, momentan blieb ihm nichts anderes übrig, als sich über seinen Fehler zu ärgern, denn gegen die Waffe konnte er nichts ausrichten. Jana kehrte mit einem Paar Handschellen zurück, die sie aus einer Schublade gekramt hatte und ließ diese um Alans Handgelenke zuschnappen. Vorsicht war besser... Wo nur Coryn blieb? Sonst kam er doch alle fünf Minuten vorbei. "Was hast du mit mir vor?"erkundigte sich Firestar. "Im Moment nichts. - Solange Sie meine Fragen beantworten." Sie setzte sich auf die Bettkante. "Habe ich das nicht auch vorher getan?" fragte Alan und sah sie wütend an. Stardust grinste, anscheinend hatte sie sein Ego getroffen. "Das schon, aber wer garantiert mir für die Richtigkeit Ihrer Antworten?" "Wer tut das jetzt?" "Vielleicht sollte ich dich doch der Polizei ausliefern..." überlegte Jana laut. "Das wirst du nicht tun." Alan klang sehr zuversichtlich. Schließlich war ihre Weigerung, dies zu tun, der Grund für ihre Kündigung bei der ISPC gewesen. Und außerdem hatte sie ihn gerade geduzt... Alan versuchte, möglichst unauffällig diese Handschellen zu öffnen, aber diese Dinger waren anscheinend antik. Mechanische Verschlüsse... Zudem waren sie aus einem eigentümlichen, hochelastischen Material. Er konnte sie ohne geeignetes Werkzeug weder öffnen noch zerstören. Verdammte... Stardust beobachtete fasziniert seine Versuche, die Fesseln zu lösen. "Das schaffst du nicht", meinte sie fröhlich. "Nicht mal ein Androide kann sie ohne Werkzeug öffnen." "Schön. Du hast mich also, und was nun?" meinte Alan ironisch. "Die Top-ISPC-Agentin legt Firestar in Ketten..." "Ex-Agentin, bitte!" sagte Stardust. "Und deshalb werde ich auch nicht die Polizei holen." "Und was soll das dann?" Er hielt ihr die gefesselten Hände entgegen. "Ich traue dir nicht. Sag mir, warum du dich als Firestar ausgegeben hast." "Dein Vater wollte es so!" meinte Alan wütend. "Ach? Der ist immer noch seit Jahren tot. Du kannst doch nicht ernsthaft behaupten, er hätte einem Zehnjährigen den Auftrag gegeben, hier Firestar zu spielen! Das ist lächerlich." "Du kannst mich nicht ewig hier festhalten", sagte Alan und überlegte, wie er sie entweder überzeugen oder überlisten könnte. "Schön brav sein." Jana richtete den Laser wieder auf ihn, da er versuchte aufzustehen. "Ewig vielleicht nicht, aber ziemlich lange!" meinte sie nachdenklich. Plötzlich fiel ihr etwas auf. Firestars Gürtel sah dem TM-Gürtel von Blackfire sehr ähnlich. Da sie auf keinen Fall riskieren wollte, daß Alan ihr entwischte, nahm sie ihm das Teil ab und warf es in die Ecke. Firestar war dem Ganzen irritiert gefolgt. Was sollte das nun wieder? "Sagst du mir jetzt, warum?" wollte Jana wissen. "Nein. Es hat ja gar keinen Sinn! Du glaubst mir ja eh nicht!" "Wie du willst", meinte sie schulterzuckend. In diesem Augenblick hatte Alan eine Idee, wie er Stardust überzeugen konnte. Er begann, Daten und Fakten aus ihrem Leben zu zitieren. Jana war verblüfft. Wie konnte er das wissen? Diese Sachen waren nur ihrem Vater und ihr bekannt. Nicht mal Cass und Coryn wußten darüber Bescheid... Sie ließ den Laser sinken. Firestar nützte die Chance sofort, er schlug ihr die Waffe aus der Hand und versetzte ihr einen Stoß, so daß sie auf das Bett fiel. Noch einmal würde er sich nicht reinlegen lassen, dachte Alan, als er über ihr kniete. Stardust sah ihn verwirrt an. "Scheint so, als wäre ich wieder am Zug", meinte er lächelnd. Jana seufzte tief. Sie sah keine Möglichkeit, ihn ein zweites Mal zu überrumpeln. "Gib mir den Schlüssel", forderte er. "Nein!" Erfolglos versuchte sie sich unter ihm hervorzuwinden. Es hatte nur zur Folge, daß das Handtuch sich löste. "Ich hole mir den Schlüssel auch ohne dein Einverständnis", drohte Alan. "Das wagst du nicht!" "Nein?" Sein Lächeln ließ Stardust erstarren. Der brachte es fertig... Schließlich gab sie nach und zog den Schlüssel hervor. Alan nahm ihn und schloß die Handschellen auf. Er war erleichtert, da er sich keineswegs sicher gewesen war, ob Jana den Schlüssel überhaupt hatte. "Jetzt laß mich los", meinte sie kläglich. Ihr Magen war letztendlich nicht als Sitzkissen gedacht. "Hm?" Firestar dachte nach. Verdient hatte sie eine Lektion ja, aber sie war Tyrons Tochter, und er hatte ein Versprechen gegeben. Stardust bemerkte mit Entsetzen, wie sein Gesichtsausdruck eisig wurde. Er strich mit der Hand nachdenklich über ihre Kehle. Jana schloß die Augen. Alan grinste, als er ihren rasenden Puls bemerkte. Firestar kletterte aus dem Bett und sah mit einem eigentümlichen Ausdruck auf sie herunter. Schließlich küßte er sie fast zärtlich. Jana riß verwirrt die Augen auf. "Bis dann, Kleine. Ich muß weg. Falls du mich jemals brauchen solltest..." Er kramte in den Taschen seines Overalls und zog eine Folie heraus. "Wenn du bei dieser Adresse eine Nachricht hinterläßt, so erreicht sie mich immer." Alan drückte ihr die Folie in die Hand und sammelte dann seinen Gürtel wieder ein. 'Was sie wohl damit vorgehabt hatte?' dachte er. "Ich brauche deine Hilfe nicht!" meinte Jana und warf die Folie weg. "Sei dir da nicht zu sicher. Du hast ja keine ISPC mehr, die all deine Rechnungen bezahlt. Du mußt schließlich einiges finanzieren, und mir ist kein Star bekannt, der jemals gearbeitet hat, um Geld zu verdienen..." Firestar verschwand. Ohne den Gürtel zu benutzen. 'Anscheinend war doch kein TM-Gerät drin', dachte Jana. Sie war frustriert, denn leider hatte Firestar recht mit seiner Äußerung. Sie brauchte für ihre Existenz als Stardust ziemliche Mengen Geld, und sie hatte keine Ahnung, wie sie an solche kommen sollte. Als Dieb hatte sie sich bis jetzt immer als äußerst unfähig herausgestellt. Seufz... Aber sie würde auf gar keinen Fall Firestar um Hilfe bitten. Entschlossen kletterte sie aus dem Bett, um sich endlich anzuziehen. 3762/03/15 GZ Firestar hatte sich nun doch dazu durchgerungen, auch diese Blackfire heimzusuchen. Leider wußte er nicht über ihre Basis Bescheid, daher blieb ihm keine andere Wahl, als ihr in der Zentralbank von Sinhalon-City aufzulauern. Er war sich ziemlich sicher, daß sie hier auftauchen würde. Also knackte er den Tresor und lehnte sich an die Wand, um auf Blackfire zu warten. Diese ließ nicht lange auf sich warten. Natürlich hatte sie 'Firestars' Spuren sofort entdeckt, und sie rechnete nicht damit, ihn noch hier anzutreffen. Doch nun sah sie den geöffneten Tresor - und davor stand er. "Ah! Hab ich dich endlich!" rief sie angriffslustig und stürzte sich mit einem gewaltigen Hechtsprung auf ihn - respektive in den Tresor, da 'Firestar', etwas irritiert ob dieser Begrüßung, blitzschnell beiseite getreten war. Ryko wandte sich erschüttert ab, als sich Blackfire wutschnaubend aus den unfälschbaren Plastik-Credits wühlte. 'Firestar' konnte sich ebenfalls das Grinsen nicht verkneifen, und er hatte auch keineswegs vor, ihr aus dem Berg zu helfen. Allerdings war dies auch gar nicht nötig, denn mit einem Satz war Karylla wieder auf den Beinen und baute sich drohend vor der Firestar-Imitation auf. Jetzt konnte sie ihn auch endlich einer genaueren Musterung unterziehen. Bei der Sache in den enaryshanischen KD-Labor war alles viel zu schnell gegangen. Hm. Fast so groß wie Ryko, dunkelkupferfarbene Haare, stahlblaue Augen, heller Teint und vielleicht Mitte 20, registrierte sie. Gut, er sah ihrem Vater halbwegs ähnlich, war aber auf keinen Fall mit diesem identisch. 'Firestar' ließ die Musterung erst einmal über sich ergehen. Stardust hätte ihn schließlich beinahe gelyncht, also wollte er diesmal etwas vorsichtiger sein. Infinity war seinerseits zu einem interessanten Ergebnis gekommen. Dieser Typ war zwar nicht Tyron Star - aber dafür war er sein, Rykos, Bruder! Er trat hinter seine Partnerin, die den falschen Firestar zunächst nur mit Blicken erdolchte, aber ganz so aussah, als ob sie ihn auch gleich physisch zu verhackstückeln gedachte, und legte ihr sanft, aber bestimmt die Hände auf die Schultern. "Kary, mein Schatz, ich schlage vor, du beruhigst dich zunächst einmal..." "Ich denke nicht daran!" fauchte sie. "Du solltest es aber tun", empfahl er ihr amüsiert und nahm sie in die Arme, damit sie sich nicht mehr losreißen und 'Firestar' anfallen konnte. Jener grinste Ryko an. "Du brauchst mich nicht vor ihr zu schützen", bemerkte er. "Sicherlich nicht - ich versuche lediglich, sie vor sich selbst zu schützen!" Nun warf Karylla Ryko ein halbes Dutzend mörderischer Blicke zu. "Was fällt dir ein, Infi...?" Ryko hob eine Augenbraue. So nannte sie ihn nur, wenn sie entweder absolut gestreßt oder sehr wütend auf ihn war. Das konnte noch heiter werden, befand er. "Karylla...!" Er küßte sie zärtlich auf den Nacken. Es war doch nur zu ihrem Besten, wenn sie sich nicht mit 'Firestar' prügelte... "Graaaaaa!" Karylla stampfte mit dem Fuß auf. Es war einfach ungerecht, daß sie sich partout nicht gegen Rykos enorme Körperkräfte zur Wehr setzen konnte. Sie war sich hundertprozentig sicher, daß er diese kleine Demonstration genoß. Männer! "Ist sie immer so?" wollte 'Firestar' wissen. "Und dabei dachte ich, sie wollte mich unbedingt fangen..." Ryko betrachtete seine Partnerin nachdenklich. "Nun, wie ich sie einschätze, sind ihre diesbezüglichen Gefühle zwiespältig. Korrekt, sie wollte dich fangen. Nur die folgenden Aktionen waren nicht genauer festgelegt. Sie schwankten zwischen 'dich interviewen', 'erwürgen' und 'erdolchen', wobei allerdings die Reihenfolge nicht ganz feststand." "Nun, sie hat meine ungeteilte Aufmerksamkeit - aber anscheinend hat sie es sich doch anders überlegt..." Dies war gut beobachtet. Zur Zeit war Karylla nahe daran, zur Abwechslung einmal Ryko zu demontieren. "Keine Panik", beschwichtigte Infinity. "Übrigens, wie soll ich dich nennen?" "Alan." "Freut mich. Ich bin Ryko Maiell, wie du vermutlich bereits wissen dürftest. Und was Karylla Noir betrifft..." Blackfire überlegte, ob sie Ryko vors Schienbein treten sollte. Einfach nur so... Aber dabei würde sie sich bestenfalls die Zehen verstauchen. Grumpf. "Sie möchte sich anscheinend doch nicht mit mir unterhalten", bemerkte Alan-Firestar. "Dann werde ich wohl wieder verschwinden..." "Kommt gar nicht in die Tüte!" brüllte Blackfire. Da Ryko sie nun gnädigerweise doch noch losgelassen hatte, stürzte sie sich zum zweiten Mal auf Alan, der ihren Ansturm gerade noch abfangen konnte. Offenbar war sie doch in der Lage zu reden. Er grinste Ryko an. "Ich hasse es, wenn man sich über meinen Kopf hinweg unterhält und sich dabei auch noch über mich lustig macht", fauchte sie wütend und bearbeitete 'Firestar' mit den Fäusten, was diesen jedoch nur wenig irritierte. Er hielt sie kurzerhand an den Handgelenken fest. "Tse! Auf diese Art Kommunikation kann ich verzichten", sagte er indigniert. Blackfire musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Frustrierend, war denn hier jeder stärker als sie? Pah! "Ryko! Kümmere du dich um den!" "Aus welchem Grund?" "Er beleidigt mich, er macht sich über mich lustig - und überhaupt!" "Ich habe gar nichts gesagt", wehrte Alan grinsend ab. "Mademoiselle erscheint mir etwas hysterisch!" Diese Bemerkung verhalf ihm zu einer handfesten Ohrfeige. "Hysterisch?! Ich?" Alan rieb sich das Gesicht. "Hm?" Ryko hatte mittlerweile Mühe, seine Fassung zu bewahren. Er sah sich in der Bank um. "Mademoiselle et Monsieur, könnten wir unsere gemütliche Plauderei nicht besser auf einen anderen Ort verlegen? Die Weltraumpolizei scheint langsam eingetroffen zu sein." "Dem stimme ich zu. Ich habe nicht vor, mich von denen erwischen zu lassen." "Wir auch nicht", befand Ryko. "Wir?! Darüber müssen wir uns noch einmal ernsthaft unterhalten", fauchte Blackfire. Infinity seufzte insgeheim. Kary war heute schlecht gelaunt... "Fein. Ich jedenfalls verschwinde", meinte 'Firestar' und räumte das von Karylla verursachte Chaos ein bißchen zusammen, um seine Tasche zu suchen. Ryko nannte kurzerhand einen kompletten Galakta-Koordinaten-Satz. "Dort werden wir mit dir in Verbindung treten. Ich schlage vor, wir sollten versuchen, uns noch einmal in Ruhe zu unterhalten." Karylla murmelte etwas Unverständliches. "Okay", stimmte Alan zu, zerrte seine Taschen aus dem Geldhaufen und verschwand - offenbar auch via Transmit, wie Blackfire erstaunt feststellte. Blackfire & Infinity sprangen ebenfalls auf ihr Schiff zurück. Dort angekommen sah Karylla ihren Partner funkensprühend an. "Ich hoffe, er vergißt die Koordinaten!" Ryko schüttelte nur den Kopf. Das würde Alan ganz bestimmt nicht passieren... Anschließend meditierte er darüber, wie er Karylla wieder versöhnen könnte. Diesmal würde es schwierig werden. Alan hatte derweil die angegebenen Koordinaten lokalisiert, es war ein öder Felsbrocken im Trümmerring zwischen Suune VII und Suune VIII. Was das nun wieder sollte, dachte er, dort war doch weit und breit nichts - aber es waren eindeutig die richtigen Koordinaten. Etwas gestreßt lenkte Alan die Fireflash zu dem angegebenen Punkt. Vielleicht würden Karylla Noir und Ryko Maiell ihm ja hier eine weitere Nachricht zukommen lassen? Aber das war ganz bestimmt der letzte Versuch, den er unternehmen würde, um Blackfires Neugierde zu befriedigen. Er hatte schließlich auch noch anderes zu tun. Er wartete also - aber das war er ja mittlerweile gewöhnt, immerhin tat er es bereits seit neunzehn Jahren... Karylla saß im Chemo-Lab von Nightfall Station und grumpfte vor sich hin, während sie in einigen Spezial-Reagenzgläsern lustige Explosionen erzeugte. Offiziell wollte sie einen neuen Mikrosprengsatz basteln, inoffiziell jedoch reagierte sie sich ein wenig damit ab, daß sie angeblich bruchstabile Reagenzgläser in die Luft jagte. Durch die offene Tür fauchte sie Ryko an, der im Nebenraum an etwas anderem bastelte. "Was fällt dir überhaupt ein, die Position von Nightfall Station preiszugeben?!" "Ich habe lediglich einen Punkt im Trümmerring von Suune angegeben, der in der Nähe einer der TM-Relaisstationen liegt." "Na und?! Es gibt doch nur etwa 60 000 größere Körper im Trümmerring! Wenn man genug Geduld aufbringt, könnte man uns finden." Ryko seufzte schwer. Am besten sollte er ins Info-Zentrum flüchten, dort könnte sie ihn von Chemo-Lab aus nicht mehr anbrüllen. Er setzte seine Überlegung in die Tat um und überwachte die RÜ-Monitore. (RÜ = Raumüberwachung) Noch nichts. Plötzlich stand Karylla neben ihm. "Er wird nicht kommen!" sagte sie gehässig. "Er wird", entgegnete Ryko überzeugt. "Nie!" "Doch." "M-mh", machte Blackfire entschieden. "Mhm!" kam es zurück, als Ryko triumphierend auf den Monitor von Relais 24 deutete. Insgesamt 75 Stationen hatten Blackfire und er im Trümmerring installiert, um etwaige Gegner sofort aufspüren zu können. Im Prinzip bestanden diese lediglich aus einem kleinen Hochleistungsscanner, sowie einem Funk- TM- und Strahl-Relais, mit welchem sie jeden beliebigen Punkt im Trümmerring erreichen konnten. Die Fireflash parkte gerade bei Asteroid Suune TXVIDLXXXIV, und Infinity schickte einen Traktorstrahl von Relais 24 aus, der das Schiff dort sicher verankerte. Alan war irritiert ob der Tatsache, daß sein Schiff plötzlich festhing, aber eine sofortige Überprüfung ergab, daß der Traktorstrahl für ihn kein Problem bedeutete, falls er wieder wegfliegen wollte. Die Quelle war ein öder Felsbrocken von etwa 75 km Länge und ungefähr 47 km Breite. 'Ob das Blackfires Basis war?' überlegte er. Im selben Augenblick stand Ryko in der Zentrale der Fireflash. Er hielt einen breiten, schwarz/silbernen Gürtel in der Hand. "Hallo Alan!" "Hi Ryko!" Er sah ihn fragend an. "Ich habe mir erlaubt, dein Schiff hier zu parken. Lege bitte diesen Gürtel um. Rot-Violett, dann gelangst du in unsere Basis." Alan griff nach dem Gürtel, der anscheinend ein miniaturisiertes TM-Aggregat war. Offenbar waren Blackfire und Ryko in dieser Hinsicht auch nicht ganz untätig gewesen. "Okay." "Dann los!" sagte Infinity. Sie materialisierten im Info-Zentrum von Nightfall Station. Dieses war ein schwacherleuchteter, runder Raum mit rauchglasähnlichen, dunkelblauen Wänden, in denen unzählige Monitore und Holorama-Projektionsfelder eingelassen waren. In der Mitte befand sich eine Art Leitstand aus demselben schimmernden, tiefdunkelblauen Material, an dem zur Zeit Blackfire saß. "Hallo", meinte Alan, wobei er einen ausreichenden Abstand zwischen der jungen Frau und sich beließ. "Ich grüße Sie, Monsieur Alan", erwiderte Karylla unbewegt. Sie hatte beschlossen, erst einmal abzuwarten, was er zu sagen hatte. Umbringen konnte sie ihn später noch. Alan entschloß sich ebenfalls zu warten, was passieren würde. Er wollte auf gar keinen Fall, daß sie wieder auf ihn losging. "Erklären Sie sich! Warum geben Sie vor, Firestar zu sein? Wer sind Sie wirklich? Woher kommen Sie? Was beabsichtigen Sie? Ich höre!" "Welche Frage soll ich zuerst beantworten?" erkundigte sich Alan irritiert. "Am besten alle der Reihe nach", empfahl ihm Ryko. Im Augenblick wäre es taktisch überaus unklug, seine Partnerin zu reizen. "Nun gut", lenkte Alan ein. "Also: 1. - Ich gebe nicht vor, Firestar zu sein, ich bin Firestar. Damit erledigt sich Punkt 2. Zu 3. - Nun, aus meinem Schiff. 4. - Ich beabsichtige momentan, Ihre Fragen zu beantworten." "Fein. - Dies als Kommentar zu 4.", bemerkte Karylla überaus freundlich. "Frage: Wenn Sie tatsächlich Firestar sind, warum sind Sie noch am Leben, obwohl er faktisch tot ist?" "Firestar ist effektiv nie gestorben." "Interessant." Nun war Karyllas Neugierde wirklich geweckt. Das Niedermetzeln mußte warten. Sie hatte irgendwie das Gefühl, daß er zwar nicht log, aber auch nicht die Wahrheit sagte. Die Frage war nun - wie konnte sie ihn dazu bringen, die Wahrheit unverfälscht wiederzugeben? Sie warf Ryko einen höchst gefährlichen Blick zu. Sie wußte, daß ihr werter Partner etwas wußte, was sie nicht wußte, und daß er das auch wußte (daß sie es wußte, daß er wußte, etc...). Hm. Wenn es ihr gelang, Ryko auszutricksen, könnte sie unter Umständen auch weiterkommen, aber die Sache hatte einen kleinen Haken... In den ganzen sechs Jahren, in denen sie mit ihm zusammen war, war es ihr noch nie gelungen, ihn auch nur einmal auszutricksen. Böse Falle. "Monsieur Alan, wollen Sie dann auch etwa behaupten, mein Vater zu sein?" "Wohl kaum! Dazu bin ich kaum alt genug..." "Sehen Sie. Wie können Sie mir dann diesen Widerspruch erklären?" "Firestar ist nicht Ihr Vater." "Sehr interessant. Und warum habe ich authentische Belege, die dies bezeugen?" Alan sah sie groß an. Das paßte überhaupt nicht in sein Konzept! "Nun, ich nehme an, daß Sie sich darauf beziehen, daß Tyron Star ihr Vater ist. Er war aber nicht der einzige Firestar." "Ah, wir kommen der Sache näher. Sie wollen also behaupten, daß Tyron Star - mein Vater - Firestar war, und daß Sie es ebenfalls sind. Ferner bedeutet dies, daß beide Personen nicht unbedingt identisch sein müssen." "Genau!" Karylla dachte einen Moment nach. "Gehe ich recht in der Annahme, daß Tyron Star in der Anfangszeit - also von 3698-3727 GZ - durchgehend als Firestar auftrat, während Sie alleine für diese momentanen Auftritte verantwortlich sind?" "Eigentlich muß ich das bejahen." "Hm." Eine kurze Pause. Den Fisch wollte Blackfire nicht so schnell von der Angel lassen. "In welchen Fällen müßten Sie es denn verneinen?" "Ich bin nicht nur für die letzten 'Auftritte' hier verantwortlich." "Hm." Eher unerwartet ergriff Ryko das Wort. Er hatte ja einen kurzen Blick in Alans Raumschiff werfen können und war demzufolge ein wenig neugierig. "Woher hast du die Fireflash?" "Ähm, ich habe sie selbst entworfen und gebaut." "Keine schlechte Arbeit", stellte Ryko fest. Karylla runzelte die Stirn. Auf jeden Fall schien dieser Typ ebenso ein Allround-Talent zu sein wie ihr Vater es gewesen war. Hm. "Woher kommen Sie wirklich? - Und damit ist nicht Ihr Raumschiff als Aufenthaltsort gemeint", übernahm wieder Karylla das Verhör. "Wie meinen Sie das?" "a) Sie sind Firestar ab einem gewissen Zeitpunkt. Was waren Sie vorher, woher stammen Sie? b) Ich habe das Gefühl, da klafft noch eine zeitliche Lücke zwischen Ihrem Auftauchen am 3762/02/13 GZ und Ihrer 'Geburt' als Firestar. - Sie behaupteten, nicht nur für Firestars 'letzte Auftritte' verantwortlich zu sein, und das heißt, Sie müssen noch mehr unternommen haben. - Wo waren Sie da?" Alan lehnte sich gegen die schmale Wandfläche zwischen Hauptbildschirm und den kleineren Überwachungsmonitoren. Ganz schön vertrackt die Sache. "Wo ich geboren bin, weiß ich nicht so genau. Ich nehme an, irgendwo auf Tarishaan. Wer ich wirklich bin? Nun, so ungern ich diese Frage beantworte - mein Name ist Alan, Alan Dale, um genau zu sein. Zu Ihrer zweiten Frage - ich war außerhalb der FGS und habe dort einiges unternommen." "Hm-hm." Irgendetwas war sehr merkwürdig an diesem Alan-Firestar oder wie auch immer. Sie konnte nur nicht genau festnageln, was es war. Hm. "Warum beantworten Sie eigentlich diese ganzen Fragen?" "Gezwungenermaßen", meinte Alan leicht gestreßt. "Faszinierend. Und wer hat Sie dazu gezwungen? Und warum?" "Das ist eine Frage, die ich auf gar keinen Fall beantworten werde!" "Aus welchem Grund?" "Das ist meine private Angelegenheit!" Alan klang ziemlich ärgerlich. "Weshalb sind Sie plötzlich so verärgert?" "Ich bin nicht verärgert!" "Ihr Tonfall spricht eine andere Sprache", stellte Karylla amüsiert fest. Es bereitete ihr große Genugtuung, diesen Typen ein wenig zu quälen. "So?" "Exakt. Also?" Er blickte sie irritiert an. Worauf wollte sie eigentlich hinaus? "Wieso beantworten Sie alle Fragen - zwar zum Teil nach intensiverem Nachhaken - nur bei dieser einen Frage beharren Sie darauf, daß es eine persönliche Angelegenheit sei?!" "Die anderen Fragen waren nicht privater Natur." "Faszinierend. In welchem Umfang sind Sie denn 'gezwungen', meine Fragen zu beantworten?" "Soweit sie zur Aufklärung der Situation dienen und nicht bestimmte Grenzen überschreiten." Seufz. Blackfire war mittlerweile ziemlich genervt. Sie verstand einfach nicht, was dieser Typ beabsichtigte. Und überhaupt... Naja. Zumindest hatte sie durch ihren Umgang mit Ryko - vor allem in der ersten Zeit - gelernt, wie man jemand anders durch Fragen so lange quälen konnte, bis dieser entnervt aufgab. (Zu jener Zeit war es hauptsächlich sie gewesen, die die Segel strich...) Okay. Weiter im Text... "Erbitte eine präzise Erläuterung, auf welche Situation Sie sich explizit beziehen." "Das Wiederauftauchen von Firestar." "Hm-hm. Wodurch sind die Grenzen meiner Fragestellungen bestimmt?" "Sie können alles fragen. Lediglich bei Fragen über den Grund, aus dem ich diese Fragen beantworte und solche über meine privaten Angelegenheiten erlaube ich mir, keine Antwort zu geben." "Bitte definieren Sie den Begriff 'privat' nach Ihrem Verständnis." "Ich werde einfach keine Frage über meine Person beantworten, die zuviel über meine persönlichen Angelegenheiten verrät." "Hm-hm. - Nebenbei, wie alt sind Sie?" Alan blickte sie erstaunt an. "29 - warum?" "Ich sammele Mosaiksteinchen", meinte Karylla belustigt. "Haben Sie eigentlich keine Fragen?" Was sollte das nun wieder? Alan war mehr als irritiert. "Nein. Im Moment nicht!" "Aus welchem Grund?" wollte Karylla wissen. Alan sah sie erstaunt an. "Mir fällt nichts ein." "Hm. Sie könnten sich zum Beispiel an meinen Fragen orientieren." Alan blickte von Karylla zu Ryko und wieder zurück. Es war eine verdammt blöde Idee gewesen, sich darauf einzulassen. Wenn er sich recht überlegte, waren ihm sogar Blackfires handgreifliche Attacken weitaus lieber als dieses ...Verhör. Die brauchte er wenigstens nicht zu beantworten... "Ich will keine Fragen stellen." "Wissen Sie etwa schon genug über uns?" "Mir reicht's!" 'Soso', dachte Karylla stirnrunzelnd. "Woher haben Sie dieses Wissen bezogen?" "Von verschiedenen Quellen." "Und diese wären?" "Das ist wieder eine Frage, die ich nicht beantworten werde." Karylla dachte nach. Offenbar wußte er mehr, als für ihn gut war, und er hatte dieses hypothetische Wissen nicht von frei zugänglichen Quellen bezogen. Tja... "Fällt sie ebenfalls unter die Kategorie 'privat'?" "Auch!" Graaa... Wenn sie ihm die Würmer nicht andauernd einzeln aus der Nase ziehen müßte... Karylla holte tief Luft und sammelte sich wieder. "Unter welche Kategorien würden Sie sie denn noch einteilen?" "Streng geheim!" meinte Alan grinsend. "Soso. Wie weit reicht denn Ihr Wissen zum Beispiel über mich?" "Diese Frage würde ich lieber überspringen." "Aus welchem Grund?" "Es ist ein ziemlich umfangreiches Kapitel." "Umso interessanter für mich. Ich liebe es zu erfahren, was andere Leute über mich zu wissen vermeinen." "Ich möchte diese Frage trotzdem nicht beantworten!" Langsam aber sicher fühlte sich Alan doch in die Ecke gedrängt. Er hatte auf keinen Fall vor, sein Wissen preiszugeben. "Und warum wollen Sie das nicht?" Nun war Karylla wirklich neugierig. Sie wollte wissen, was dieser Typ über sie wußte! Jetzt und sofort! "Ich will nicht, das muß reichen!" "Weshalb?" fragte Karylla schmollend. Sie dankte insgeheim dem Schicksalsmeister, daß dieser ihr damals Ryko als Lehrmeister für beharrliches Fragen geschickt hatte. Auch wenn es sie zu jener Zeit beinahe den letzten Nerv gekostet hätte... "Ich werde hier keine derartigen Fragen beantworten. Auf gar keinen Fall!" "Ich möchte aber den Grund dafür wissen!" "Den werde ich Ihnen aber nicht sagen!" "Und was wissen Sie über Ryko?" "Einiges! Und ich werde mich auch darüber nicht äußern." "Kennen Sie meinen Geburtsnamen?" "Ja - Mademoiselle Alycia Cherylla Khyshisall..." Karylla sah Alan sehr irritiert an. Woher konnte der Kerl das wissen?! Ihres Erachtens gab es exakt drei Personen, denen dieses bekannt sein dürfte. Es war einiges sehr suspekt an Alan. Sie vermutete, daß er faktisch weit mehr wußte, als gut für ihn war. Leider fielen ihr momentan keine Fragen ein, denen er nicht elegant ausweichen konnte. Hm. Überaus frustrierend. Moment, wenn er doch eine Firestar-Version war... "Kennen Sie eigentlich CASS I persönlich?" "Ja." "Wann haben Sie ihn zuletzt gesprochen?" "Hm, vor 5 Tagen." "Hups. Sehr interessant..." Nun wußte Blackfire überhaupt nicht mehr, was sie von der Situation zu halten hatte. "Dann kennen Sie wohl auch Stardust und dieses Coryn-Wesen?" "Ja." Das schien einige interessante Querverbindungen zu geben. "Wissen Sie über Jana Star und Coryn Arvhayn ebenso Bescheid wie über Ryko und mich?" "Ja." "Woher, verdammt noch mal?" platzte es aus Karylla heraus. Alan zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Das fällt wieder unter 'streng geheim'." Karylla überlegte angestrengt. Sie brauchte etwas Zeit, um das Puzzlespiel ein wenig zu ordnen. Und sie mußte mit Stardust sprechen. Hm. Sie dachte an Coryn - nein, lieber doch nicht... Sie erinnerte sich noch verärgert an ihr letztes Meeting mit den beiden. "Monsieur Alan - oder Firestar - oder wie auch immer Sie heißen mögen, werden Sie auch in Zukunft noch Fragen von mir beantworten, oder ist das auf dieses Treffen beschränkt?" "Ich werde Ihnen nur heute antworten." "Das ist ja wie in einem schlechten Märchen", beschwerte sich Blackfire. "Nun bin ich einmal hier, und dann komme ich nimmermehr - oder wie das hieß..." Sie ging in Gedanken ihre Frageliste noch einmal durch. Da waren noch einige Lücken... Gut, dann also auf die ganz harte Tour. "Was haben Sie in der Zeit getan, als Sie sich außerhalb der FGS befanden?" "Ich habe mich mit dem Bau der Fireflash beschäftigt und diverse andere Spielereien gebastelt. Zudem bin ich zuweilen auf verschiedenen Planeten gewesen, um mein Wissen zu erweitern." "Wie lange hat das Ganze gedauert?" "Ungefähr neunzehn Jahre." "Waren Sie zu Beginn alleine?" "Ja!" "Hm. Wie haben Sie es geschafft, im Alter von 10 Jahren auf sich allein gestellt außerhalb der FGS zu überleben?" "Ich war noch nie hilflos. Und zudem bin ich ganz gut zurecht gekommen." "Offensichtlich." Dieser Typ wurde immer eigentümlicher. "Wer hat Ihnen Ihre Kenntnisse vermittelt?" "Tyron Star." Karylla hob eine Augenbraue. Der echte Firestar also... Hm. Das erklärte einen Teil - aber bei weitem nicht alles! "Wie lange hat er Sie unterrichtet?" "Ungefähr ein Jahr. Und bevor Sie weiterbohren - ein Jahr persönlich und später durch Speicherkristalle." "Hm-hm. Was könnten Sie tun, wenn ich darauf bestünde, daß Sie mir erzählten, was Sie von mir wissen?" "Ich kann einiges tun. Was dachten Sie denn so?" "Das sollten Sie mir sagen!" "Was?" "Was würden Sie tun, wenn ich darauf bestünde, daß Sie mir erzählten, was Sie von mir wissen?" "Ich würde es nicht tun!" "Was würden Sie nicht tun?" "Es Ihnen erzählen!" Alan strich sich die Haare aus der Stirn. Sie war nahe dran, ziemlich nahe... "Hm. Ich bestehe aber darauf, daß Sie mir sagen, was Sie von mir wissen!" "Nein!" "Es ist korrekt, daß diese Frage weder privat noch geheim ist, nicht wahr?" "Ja." "Es ist weiterhin korrekt, daß Sie offenbar stets logisch wahre Antworten geben?" "Nun ja... Meistens..." "In welchen Fällen sind Ihre Aussagen nicht logisch wahr?" "Wenn mir eine Frage nicht paßt!" "Wann paßt Ihnen eine Frage nicht?" "Wenn ich sie nicht beantworten will!" "Wann wollen Sie eine Frage nicht beantworten?" "Wenn Sie eine Gefahr für meine Person ist." "Was fällt denn für Sie unter Fragen, die eine Gefahr für Ihre Person sind?" "Fragen, die mich langsam aber sicher zu einem Nervenzusammenbruch hintreiben!" "Sie könnten es einfacher haben, wenn Sie einige Fragen direkt beantworteten. Dann wäre ich auch nicht gezwungen, so viele Ausweichfragen zu stellen", meinte Karylla unbewegt. Ryko sah seine Partnerin ziemlich verwundert an. Sie schien es tatsächlich zu schaffen, Alan festzunageln. Das hätte er eigentlich niemandem so recht zugetraut... "Nun gut", lenkte Alan ein. "Also, was wollen Sie wissen?" "Ich würde gerne von Ihnen wissen, was Sie über mich wissen." "Okay, ich gebe auf..." Alan zitierte eine ziemlich beträchtliche Menge von Daten aus Karyllas Leben - Dinge, sonst eigentlich nur noch Ryko wußte...! Blackfire guckte ihn total perplex an. Woher?! Aber sie wußte genau, daß diese Frage trotz allem nicht beantwortet werden würde. Ergo schluckte sie sie dezent herunter. "Und was ist mit Ihren Informationen bezüglich Ryko?" "Muß das sein?" "Ja. Oder wollen Sie, daß wir das Spielchen der letzten Stunden noch einmal von vorne durchziehen?" Sie setzte ein eiskaltes Lächeln auf, und Alan merkte, daß sie es tatsächlich ernst meinte. Sie würde doch glatt... "Oh nein! Also..." Er zitierte auch zum Thema Ryko Maiell einige Daten, aber doch einiges weniger. Allerdings war ihm - sehr zu Karyllas Verwunderung - auch Rykos Herkunft bekannt! Sehr faszinierend. Sie beschloß, daß es eindeutig ungesund für sie wäre, wenn sich Alan irgendwann einmal als ihr Gegner entpuppen würde. "Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich, Monsieur ...Firestar?" "Ich würde sagen, auf meiner!" Alan sah Blackfire mit schiefgelegtem Kopf an. Ob sie jetzt endlich genug von der ganzen Fragerei hätte?! "Okay. Ich glaube, mehr ist wahrlich nicht aus Ihnen herauszubekommen", beschloß Karylla seufzend. Sie grinste ihn an. "Ich danke Ihnen für dieses überaus informative Gespräch..." Alan grinste erleichtert zurück. "Ich kann leider nicht sagen, daß es ein Vergnügen war. Nicht im Geringsten!" Blackfire schaute ihn betont unschuldig an. "Sie haben 'Firestar' wieder aus der Versenkung geholt! Da brauchen Sie sich über ein paar Fragen nicht zu wundern..." Alan gab ihren Blick entsetzt zurück. Ein paar Fragen?! Ihm dröhnte immer noch der Schädel. Und Hunger hatte er... Firestar zu sein war anscheinend doch nicht so witzig, wie er gedacht hatte. Karylla sah sich suchend um. Wo steckte eigentlich Ryko? Er schien sich irgendwann in den letzten Minuten verflüchtigt zu haben. Sie ging zur Intercom und schaltete auf Rundruf. "Ryko, wo steckst du? Würdest du bitte ins Info-Zentrum kommen?" "Hast du dich wieder beruhigt?" kam es über Com zurück. "Doch, ich glaube schon... Es war überaus interessant." Ryko kam in die Informationszentrale zurück, wobei ein Tablett mit allerlei Fressalien vor ihm herschwebte. "Hast du ihn endlich erlöst?" Er grinste seine Partnerin an. "Ts! Volle drei Stunden ohne Brot und Wasser..." Auch Alan hatte bereits wieder sein unverschämtes Grinsen aufgesetzt. Kary ging mit einem entschuldigenden Lächeln zu Ryko. "Sorry, mein Schatz, daß ich dich so angefaucht habe..." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen zärtlichen Kuß. "Ich hab dich lieb!" "Schon okay..." Er strich ihr sanft über die Wange. "Ich habe dir übrigens eine Kanne Kaffee mitgebracht." "Du bist meine Rettung!" Sie küßte ihn noch einmal, bevor sie sich auf das dampfende Gebräu stürzte. Nun winkte Infinity Alan zu. "Sei mein Gast!" "Danke!" Alan stieß sich von der Wand ab und bediente sich. "Was hast du eigentlich in nächster Zukunft vor?" erkundigte sich Karylla beiläufig bei 'Firestar'. Dieser zog die Augenbrauen hoch. Sollte das Teil 2 des Verhörs werden? Bloß nicht! "Warum?" "Ganz einfach: Ich halte es für absolut unproduktiv und auch unpraktisch, wenn wir stets die gleichen Objekte anvisieren. Wir sollten unsere Ziele sinnvollerweise besser koordinieren." "Ich dachte schon... Nun gut, und wie soll das Ganze vonstatten gehen?" "Wir sollten einmal die lohnendsten Ziele auflisten und die Angelegenheit sinnvoll aufteilen." "Hm", machte Alan. Er ließ sich ungern festlegen. "Und nach welchen Kriterien willst du teilen?" "Zufallsgenerator." Blackfire zuckte mit den Achseln. "Ich habe hauptsächlich keine Lust, dort aufzukreuzen, wo du gerade herumhängst. Abgesehen davon gehe ich davon aus, daß bei 70 Planeten in der FGS eigentlich keine größeren Territorialstreitigkeiten auftreten sollten..." "Nun gut. Ich werde mich bemühen, mir zu merken, welche Planeten wann mir gehören..." "Es war nur ein Vorschlag... Ansonsten bleiben wir bei unserem bisherigen Arrangement - wer schneller ist, gewinnt!" Sie musterte ihn abschätzend. "Was hältst du davon, wenn wir eventuell mal in Kontakt treten, falls es mal ein wirklich großes Projekt gäbe, das man unter Umständen gemeinsam bewältigen könnte?!" "Vielleicht. Ruf doch mal an!" Alan grinste. "Wenn du alleine nicht zurechtkommst..." "Ich sprach von einem großen Projekt!" Blackfire grinste zurück. "Ich kann mich entsinnen, daß eine Sache einmal nicht funktionierte, weil die Traktorstrahlkapazität meines Schiffes nicht ausreichte..." Und sie würde diese dusselige Brücke irgendwann noch einmal mitgehen lassen! "Hm. Da muß ich dich enttäuschen. Einen Traktorstrahlgenerator habe ich noch nicht." "Tja, dann fällt das wohl flach..." "Nun muß ich aber verschwinden. - Ach ja, hier habt ihr euren Gürtel zurück." Er drückte Ryko das Teil in die Hand. "Vielleicht sieht man sich mal wieder!" Alan transmittierte mit seinem eigenen TM-Gerät in die Fireflash zurück. Karylla blickte den Fleck, an dem die 'Firestar'-Kopie gerade noch gestanden hatte, stirnrunzelnd an. "Und ich sage dir, Ryko - mit diesem Typen stimmt etwas nicht!" Infinity sah seine Partnerin nur betont verständnislos an. In der Fireflash streckte Alan sich erst einmal im Pilotensitz aus. Nur gut, daß die Sache jetzt erledigt war! Diese Karylla Noir war ihm ja gewaltig auf den Nerven herumgetreten. Er war froh, wenn er sie vorerst nicht mehr sehen mußte. Zudem war er eh ein Einzelgänger, das war sicherer. Alan startete die Fireflash in Richtung Tarishaan und verfluchte den Tag, an dem er Tyron Star versprochen hatte, dessen beide 'Lieblingstöchter' zu besuchen, falls Firestar jemals in die FGS zurückkehren würde. Es war ihm schon immer unverständlich gewesen, was Tyron dazu bewogen hatte, in Jana seine Nachfolgerin zu sehen. Sie besaß nicht die geringste Eignung, um in seine Fußstapfen zu treten. Gut, er war enttäuscht gewesen, daß sein heißersehnter Sohn in geistiger Hinsicht - nun ja ...etwas zurückgeblieben war. Doch Jana war dieser Aufgabe auch keineswegs gewachsen. Sie war viel zu sehr das verhätschelte Kind reicher Eltern, das niemals wirkliche Schwierigkeiten überwinden mußte. Sie erwartete einfach, daß sie gerettet wurde, falls etwas schief lief. Und Blackfire? Nein, Alan fand, daß sie ebenfalls nicht die ideale Besetzung war. Nun, er konnte kaum ihre technische Begabung abstreiten, darin war sie eine würdige Nachfolgerin ihres Vaters. Aber sie war viel zu impulsiv, um wirklich erfolgreich zu sein. Ihr Handeln beruhte mehr auf Instinkt als auf intensivem Planen, da war er sich sicher. Ohne Ryko als ruhendem Pol wäre sie niemals so weit gekommen. Was sollte es? Alan hatte ihnen ihre Fragen beantwortet, und nun hoffte er, daß sie ihn zufrieden ließen. Es gab noch einiges zu tun - auch ohne ständig Stardust und Blackfire an den Fersen zu haben. 3762/03/17 GZ Stardust fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Pfui, war das hier schmutzig, dachte sie angeekelt. Irgendwie hatte Alans Besuch sie veranlaßt, nach den Aufzeichnungen Tyron Stars zu suchen. Im Moment befand sie sich in dessen Räumen. Sie hatte den Verdacht, daß seit dem Tod ihres Vaters hier niemand mehr geputzt hatte. Als sie einen weiteren Schrank öffnete, wirbelte der Luftzug den Staub durch die Gegend, und Jana nieste heftig. "Graaa! Wie ich es hasse, in diesem Dreck zu wühlen", schimpfte sie ärgerlich. Aber irgendwo mußte Tyron doch die Speicherkristalle mit seinen privaten Aufzeichnungen hingetan haben. Stardust steckte schon halb im Schrank, als sie wieder niesen mußte, dabei rempelte sie sich den Kopf an einem Regalbrett, was auch nicht zur Besserung ihrer Laune betrug... Endlich entdeckte sie mehrere Schachteln mit der Aufschrift TS-TB-sel. Was das nun heißen sollte? Diese Abkürzungen sagten ihr überhaupt nichts. Sie schleppte die Kartons erst mal zum Tisch, denn da hatte sie mehr Licht. Es waren wirklich die gesuchten Speicherkristalle! Jana seufzte erleichtert, noch einmal wäre sie ganz bestimmt nicht in den Schrank gekrochen. Stardust nahm einen alten Lappen, den sie zufälligerweise gerade irgendwo entdeckt hatte und wedelte damit das Lesegerät auf dem Tisch etwas frei. Nun behinderte sie aber erst einmal eine enorme Staubwolke ihre Sicht. Sie bemühte sich, nicht zu tief einzuatmen und schob schon mal den ersten Kristall in das Gerät. Dummerweise waren die Teile nicht gekennzeichnet, sie mußte also ausprobieren, welches das von ihr gesuchte war. Die wissenschaftlichen Aufzeichnungen Tyron Stars waren ja schon lange im Zentralcomputer der Starcave, damit Cass jederzeit Zugriff dazu hatte, obwohl auch jene Kristalle noch irgendwo herumliegen mußten. Aber diese Kristalle hier waren rein privater Natur, und Jana hatte es nie über sich bringen können, auch nur danach zu suchen. Wenn Tyron gewollt hätte, daß sie die Aufzeichnungen las, so hätte er bestimmt irgendwas darüber verlauten lassen - oder wenigstens das Paßwort verraten, mit dem er die Files im Zentral-Computer versehen hatte. Jana war trotz intensiver Bemühungen nicht an die Daten gekommen, also mußte sie hier nach den Kristallen graben. Zumindest hatte sich Cass überzeugen lassen und ihr verraten, daß es solche gab und wo sie sich befanden. Alan wußte zuviel, als daß er alles erfunden haben konnte. Irgendetwas mußte er schon mit Tyron zu tun haben, dachte Jana. Anscheinend handelte es sich bei den Kristallen um eine Art Tagebuch. Grinsend las Stardust einige Passagen aus Firestars Anfangszeiten. Aber sie wollte doch nach Hinweisen auf Alan suchen, und zu dieser Zeit war Alan ja noch nicht mal geboren. Sie nahm einen Kristall aus einem der anderen Kästen. Da war natürlich auch nichts, ihr fiel nur eine größere Lücke im Jahr 3727GZ bis zu Firestars Verschwinden auf. Komisch, dachte Jana, es wirkte fast als hätte jemand dort etwas gelöscht. Jana fischte einen weiteren Kristall aus einer Schachtel. Vielleicht war das ja der Richtige. Alan war 29 Jahre alt, jedenfalls hatte er das behauptet. Also 3733GZ geboren, rechnete Jana aus. Sie sollte sich daher auf die Zeit danach konzentrieren, falls sie jemals fertig werden wollte. Stardust war nahe daran aufzugeben, als sie etwas im Jahr 3742GZ entdeckte. Hier stand tatsächlich einiges über einen Alan Dale, ein verwahrlostes Kind, das Tyron aufgesammelt hatte. Sie fand Daten, die Alans Aussagen bestätigten. Tyron hatte Alan eine Zeit unterrichtet und ihn dann fortgeschickt. Aber irgendwie kam Jana das komisch vor, warum sollte ihr Vater ein Kind so weit reisen lassen? Auf jeden Fall schien Alan die Wahrheit gesagt zu haben... Jana sammelte die Kristalle ein und verließ den Raum. Sie würde Coryn noch mal alles durchgehen lassen. Und sie würde sofort einige Reinigungsroboter in Tyrons Räume schicken. Der Dreck mußte weg... 3762/03/19 GZ Ryko saß im Info-Zentrum von Nightfall Station und lauschte mit wachsender Besorgnis den Mitteilungen auf Organet und Freenet, den Standard-Nachrichtensystemen des organisierten und freien Verbrechertums. Karylla hatte sich eine Tasse Kaffee geholt und sah ihren Partner stirnrunzelnd an. "Was ist, mein Schatz?" "Ich hege die Befürchtung, daß sich unsere Probleme potenzieren. Seit du den Mikrochip und die Kristalle hast mitgehen lassen, hat das KD insgesamt 47 weitere Kopfgeldjäger losgeschickt. Und ich kann dir versichern, deren Absichten bezüglich deiner Gesundheit sind nicht vorteilhaft..." Wütend knallte Karylla ihre Tasse auf die Abdeckung des Solido-Printers. "Jetzt reicht es mir endgültig! Jetzt mache ich sie fertig!" "Wen? Die diversen Kopfgeldjäger?" "Quatsch! Das hieße, nur die Symptome zu beseitigen. Nein, ich werde die Wurzel des Übels ausrotten - das Konsortium D mit allem, was dazu gehört. Endgültig!" "Und wie, Kary?! Darf ich dich darauf aufmerksam machen, daß du dies bereits seit einigen Jahren vergeblich versuchst?" "Egal!" "Ich hege die Befürchtung, du hast auch schon einen Plan...?" vermutete Ryko voller böser Vorahnungen. "Oh ja! Wie du ja weißt, habe ich neben dem Mikrochip noch per Zufall einen Teil der Gehaltslisten des KD mitgehen lassen, wo unter anderem diverse ISPC- und Polizeileute mit draufstanden. Ich werde die Sache durchgehen und mir eine Lady herauspicken, deren Identität ich annehme. So dürfte es mir ohne weiteres gelingen, mich wirklich in das KD einzuschleusen und dort von innen aufzuräumen. Du machst am besten die Rückendeckung!" "Wer sonst sollte dich aus dem Schlamassel wieder heraushauen, in den du dich mit deinen verrückten Plänen andauernd bringst...?" "Siehst du..." "Und du hast dir auch sicherlich schon ein Opfer ausgesucht?!" "Klaro! Anya Ivhella Kheshaiell, die ISPC-Departmentleiterin von Enaryshavell. Ich muß mir nur noch ihren Background organisieren - et voilà!" "Oh-oh", machte Ryko leicht gestreßt. Das war wieder so ein typischer Blackfire-Plan. 3762/03/20 GZ Die Lightning parkte auf der Enaryshavell zugewandten Seite von Glitzermond, dem kleinsten der drei Trabanten des Planeten, der seinen Namen der Tatsache verdankte, daß seine Oberfläche zu großen Teilen aus geschmolzenem und wieder erstarrtem SiO$_2$ bestand, welches die Strahlen von Solse vielfach gebrochen reflektierte. Dasselbe galt natürlich auch für die Sensorstrahlen der unterschiedlichsten Ortungssysteme, was Glitzermond früher zu einem idealen Aufenthaltsort für alle die gemacht hatte, die eine Zeit lang verschwinden wollten. Allerdings war es heutzutage nicht mehr sinnvoll, allzulange auf ihm auszuharren, da die enaryshanische Weltraumpolizei nach einigen leidvollen Erfahrungen des öfteren Patrouillen dort flog, um etwaige Räubernester sofort auszuheben. Für die Lightning jedoch war dieser Parkplatz optimal, da sie unter ihrem Tarnschild optisch und für Normalortungsgeräte unsichtbar war, wenngleich sie auch mit Ultraraumsensoren leicht auszumachen wäre. Aber wer benutzte schon Ultrasensoren, wenn er sich die Oberfläche eines Himmelskörpers ansehen wollte? "Okay, Ryko, ich werde mal sehen, was ich legal an Infos über Anya Kheshaiell bekomme. Naja, ich meine, ohne sie zu kidnappen und zu interviewen..." "Das nennst du 'legal'...?!" Ryko kicherte amüsiert. "Sag mal, diese Anya Kheshaiell ist doch wohl hoffentlich nicht verheiratet oder so?" Blackfire runzelte die Stirn. "Da habe ich noch gar nicht nachgesehen. Keine Ahnung also... Auf jeden Fall ist sie die einzige, bei der ich keine Probleme mit der Maskerade haben werde. Sie hat exakt dieselbe Haut-, Haar- und Augenfarbe wie ich und auch meine Größe. Außerdem stammt sie aus derselben Gegend von Enaryshavell wie meine Tante Nanya Ylissa Shintesall, bei der ich geraume Zeit gelebt habe; ich habe also auch keine Probleme mit ihrem Dialekt. Ich brauche nur noch ihr Stimm-Muster, ihre Fingerabdrücke, einen Komplett-Retina-Scan und eben sämtliche Background-Infos..." "Nur noch..." "Jawohl! Denk daran, das ist vielleicht die Chance, doch noch an die Führungsclique des Konsortium D heranzukommen..." "Aber es ist auch verflucht gefährlich! Kary, denk daran, spätestens seit du dich erfolgreich als Thannalon ausgegeben hast, wissen die Leute vom KD, daß du in Sachen 'Verkleidung' nahezu unübertroffen bist..." "Egal. Also, ich werde jetzt nach Tamsaioll springen und versuchen, an die Daten zu kommen." "Gut. Ich werde sehen, was ich von hier aus machen kann", sagte Ryko mit eher gemischten Gefühlen. Karylla befand sich wieder auf der Lightning und sichtete die auf diversen Wegen organisierten Informationen. "Oh, Dunkle Mutter der verlorenen Schriftrolle", stöhnte sie auf. "Was hast du, Kary?" Ryko blickte besorgt von seinem Terminal auf. "Ein Problem. Genauer: Vier Probleme..." "So?! Und die wären?" "Chemery Demulla Komvall, sowie Ninya, Elycia und Hyko Kheshaiell..." "Ach?!" "Ersterer ist Anya Kheshaiells Lebensgefährte - und letztere drei ihre Kinder, wobei Ninya $+$ Elycia a) Zwillinge & b) 7 Monate alt sind und Hyko immerhin sieben Jahre..." "Kary, wenn ich schon vorher nicht für deinen Plan war, dann muß ich dir sagen - jetzt bin ich endgültig dagegen!" "Ryko, Schatz, bitte versteh doch - ich muß es tun!" "Karylla, glaub mir, ich fände es überhaupt nicht gut, wenn du dich - natürlich nur zum Zwecke der Tarnung... - mit diesem ...Typen einließest! Ich dachte, du bist meine Partnerin?!" "Hey, Ryko, ich denke gar nicht daran, mit diesem Freak ins Bett zu steigen... Weißt du, selbst wenn ich es ohne weiteres schaffen sollte, mich so nicht zu verraten - spätestens in solch delikater Situation wäre meine Tarnung hin!" "Das würde ich dir auch geraten haben!" Karylla sah ihren Partner ungläubig und auch ein wenig belustigt an, bevor sie zu ihm herüber ging. "Ryko, sag bloß, du bist wirklich eifersüchtig?!" Sie wuschelte in seinen phantastisch silbernen Haaren herum. "Weißt du, irgendwie beruhigt mich das ungemein..." Sie schlang die Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht in seinem dichten und mittlerweile ziemlich verstrubbelten Schopf. In der ganzen Zeit, da sie mit ihm zusammen war, hatte er es noch nie für notwendig befunden, ihr zu sagen, daß er sie liebte. Sie hatte häufig den Eindruck, daß es ihm eigentlich gar nichts ausmachen würde, wenn sich plötzlich eine andere Frau an ihrer Stelle befände - aber das war jetzt das erste Mal, daß er verriet, daß ihm tatsächlich eine ganze Menge an ihr persönlich lag... "Ä-hem..." Aus unerfindlichen Gründen fühlte sich Ryko ertappt. Karylla lächelte ihn an und küßte ihn. Als sie aber an die weiteren Aktionen ihrerseits dachte, überkamen sie irgendwie unangenehme Vorahnungen. Zwei Blagen, die noch in den Windeln lagen... Sie fragte sich ernsthaft, wie sie das überleben sollte. Am besten wäre es wohl, diese Anya Kheshaiell auf der Lightning einzudosen und ihr die Kinder bis auf weiteres dazuzupacken. Nur - was sollte sie mit deren Typen anfangen? Den konnte sie schlecht auch noch entführen, das würde sicherlich auffallen. Bedauerlicherweise war Chemery Komvall ziemlich klein und ziemlich dick, so daß es absolut unmöglich war, ihn vielleicht von Ryko ersetzen zu lassen. 'Böse Falle', dachte Karylla gestreßt. 3762/03/21 GZ Anya Ivhella Kheshaiell sah auf die Uhr. 12:75 Uhr EGZ$_1$... Hm, sie konnte schon allmählich beginnen, ihre Sachen zusammenzupacken, überlegte sie. In einer Viertelstunde war ihre Dienstzeit vorbei, und sie hatte vor, noch einen kleinen Schaufensterbummel durch die City von Tamsaioll, der Hauptmetropole von Solse IV/Enaryshavell, zu machen. Das Kindermädchen würde sie nicht vor dem Abendessen zurückerwarten, also hatte sie noch genug Zeit, sich um eine neue Wintergarderobe zu bemühen. Sie checkte noch einmal rasch die einkommenden Meldungen durch - nichts Neues. Elyko Aella Savionall, ihr Sekretär, hatte auch nichts mehr zu vermelden, also verließ Anya das Verwaltungsprogramm und schaltete den Rechner ab. Sie bedauerte das Faktum, daß ihr derzeitiger Freund Hals über Kopf in Urlaub gefahren war, bevor sie ihre letzten Probleme ausreichend ausdiskutiert hatten. Hm, aber damit konnte sie erst einmal eine oder zwei Wochen Abstand gewinnen. Anya warf sich ihr Cape über (es war leichter Regen angesagt) und schloß ihr Büro ab, bevor sie zur nächsten Gleiterbus-Haltestelle ging. Sie flog nicht gerne mit ihrem privaten Aero-Shuttle in die Stadt, da es dort permanent Parkplatzprobleme oder im anderen Fall nur maßlos überteuerte Parkplätze gab. Wie ein Schatten huschte Blackfire hinter Anya her, um den geeigneten Zeitpunkt für die Entführung der ISPC-Departmentleiterin abzupassen. Karylla hatte heute einmal auf jedwede Maskerade verzichtet, was bedeutete, daß sie in ihrem einfachen knallroten Kleid aussah wie eine völlig durchschnittliche Enaryshanerin mit knapp über die Schulter reichendem weißblonden Haar und graublauen Augen. Sie ärgerte sich ein wenig darüber, daß ihre Haare nicht mehr ganz so lang waren wie früher, denn normalerweise war es Usus bei den Frauen des Kontinents Tamincia, sie bis zur Taille zu tragen, um sich so von den 'Landpomeranzen' von Kancia abzugrenzen, deren Frisuren in der Regel ziemlich kurz waren. (Es ist eine altbekannte Tatsache, daß sich die Bewohner von Tamincia und Kancia nicht ausstehen können. Früher waren sogar mörderische Kriege zwischen den beiden Völkern geführt worden, wobei die Kulturhistoriker nicht verstehen, daß der Planet Enaryshavell diese größtenteils unbeschadet überstand.) Die ganze Strecke bis zur Bushaltestelle erwies sich als wenig sinnvoll. Auch oben in der Station sah es nicht besser aus. Während Anya die ersten zwei Linien vorbeifahren ließ, beschäftigte sich Karylla intensivst mit dem Computerterminal, über das man die Anschlußbusse abfragen konnte. Endlich verschwand Anya in der Linie 01/237 Richtung Tamsaioll-City, und Karylla spurtete hinterher. Der Bus passierte die Stationen Rue Thendavall, Sportpark, Kleines Stadttheater, Rue Zalecia und Rue Aiall. Blackfire war erstaunt, daß Anya nicht an ihrer Heimatstation ausstieg und fluchte insgeheim. Hoffentlich war sie nicht zu irgendeinem Rendezvous unterwegs! Hm. Aber sie mußte sie trotzdem heute einkassieren, sonst zöge sich die Sache mit dem Einschleusen beim Konsortium D noch länger hin... An der Endstation, Tamsaioll-City, verließ Karyllas Opfer den Gleiterbus. Sie stieg auf das langsamste Gleitband, das mitten durch die Haupteinkaufszone der Stadt führte. Blackfire seufzte gestreßt. Die wollte doch wohl nicht einen Einkaufsbummel machen?! Übel, übel. Wo sollte sie sie denn hier betäuben und zur Lightning transmittieren können? Ziemlich genervt wanderte Karylla etwa anderthalb Stunden hinter Anya her. Jetzt mußte sie schon seit bestimmt einer halben Stunde zur Toilette, aber sie dachte nicht daran, ihr Opfer davonmarschieren zu lassen. Zu ihrer großen Erleichterung ging die Frau nun in ein Café-Restaurant, und Blackfire nutzte die Gelegenheit sogleich, um kurz zu verschwinden. Als sie wieder in den Gastraum zurückkehrte, nahm Karylla diesen näher in Augenschein. Sehr gut! Es war eins dieser Schnellrestaurants, wo man zuerst bezahlte und nicht lange auf irgendwelche Bedienungen warten mußte. Das hieß, wenn es ihr gelang, Anya auf die Toilette zu befördern, konnte sie mit ihr auf Nimmerwiedersehen davontransmittieren, ohne daß es einen Riesenaufstand wegen einer etwaigen Zechprellerei gäbe. Blackfire holte sich ein kaltes Fruchtmixgetränk und wartete. Nach etwa 20 Minuten wurde ihre Geduld belohnt, und Anya verschwand ebenfalls in Richtung Toilette. Karylla düste so unauffällig wie möglich hinterher. 'Sehr gut, alles leer', dachte sie und wartete auf Anyas Wiederkehr. Kaum hatte diese den Waschraum betreten, als sie schon einen Lähmkristall aus Blackfires Pfeilwerfer abbekam. In einem Sekundenbruchteil zog Karylla den zusätzlichen TM-Gürtel aus ihrer Handtasche, streifte ihn Anya über, und im nächsten Augenblick befanden sie sich auf der Lightning. "Hallo Kary", wurde sie von Ryko begrüßt. "Das hat aber ziemlich lange gedauert!" "Tja, es war gar nicht so einfach, einen passenden Ort und eine passende Zeit zu finden..." Karylla räkelte sich ein wenig geschafft, und ihr Partner hob Anya vom Boden auf, um sie in das Hauptlabor der Lightning zu befördern. Dort legte er sie auf einer Untersuchungsliege ab. "Ich habe die Instrumente bereits vorbereitet. Wir geben ihr gleich ein Mittel, daß ihren Widerstand gegen Hypnose abbaut", sagte Ryko und nahm einen vorbereiteten Hochdruckinjektor von einem Regal, um Anya eine Dosis des Medikaments zu verabreichen. Unterdessen holte Karylla aus dem Engineering-Lab die Hypnose-Generator-Einheit, die sie bereits vor etwa sieben Jahren entworfen und gebaut hatte, um die Lernzeiten für die ganzen furchtbar komplizierten Firestar-Kristalle und sonstigen wissenschaftlichen Abhandlungen drastisch zu verkürzen, die sie alle zu konsumieren gedachte. Mittlerweile hatte der Hypnorator - so das Kurzwort für die Einheit - immer mehr Anwendung dafür gefunden, widerspenstigen Personen auf elegantem Wege alles Wissenswerte zu entlocken. Als Blackfire aus dem Labor zurückkam, hielt sie einem geschlossenen schwarzen Helm in den Händen, in dessen Inneren eine Musik-Lichtreflex-Show abgespielt werden konnte, die den jeweiligen Träger zunächst in den Alpha-Zustand und anschließend in eine tiefe Voll-Trance entführte. Nachdem Anya von Ryko mit dem Medikament versorgt worden war, setzte er sie in einem bequemen Sessel ab. Die Wirkung der Pfeilwerfer-Betäubung hatte er ebenfalls direkt mit einem Gegenmittel aufgehoben, und als Anya - ziemlich benebelt - die Augen öffnete, wurde ihr sogleich der Hypnorator übergestülpt. Auf diese Weise würde es Anya auch nicht passieren, daß sie etwaige wichtigen Daten einfach vergaß, weil sie sich nicht daran erinnerte, dachte Karylla befriedigt. Sie setzte sich auf die Untersuchungsliege und ließ die Beine herunterbaumeln. "Wie fühlst du dich, Anya?" "Oh, ich fühle mich ausgezeichnet", entgegnete diese mit leicht schläfriger Stimme. "Ich bin nur ein wenig müde." Blackfire seufzte. Offenbar waren die Reste des Lähmkristalls noch nicht ganz abgebaut. Sie warf Ryko einen Blick zu, und dieser verabreichte Anya eine weitere Dosis des Deparalyzers. "So, und jetzt erzähle mir doch bitte ein wenig von dir", sagte Karylla mit einschmeichelnder Stimme und vergewisserte sich noch einmal, daß das Aufnahmegerät auch tatsächlich lief. Insgeheim machte sie sich eine geistige Notiz, daß sie sich unbedingt einmal daran machen sollte, einen Mental-Scanner zu erfinden, mit dem sie sie Informationen direkt aus den Gedanken des jeweiligen Opfers abzapfen könnte. Aber leider hatte Blackfire nicht die geringste Ahnung, wie sie so etwas realisieren könnte. Durch zielbewußtes Fragen gelenkt, legte Anya sämtliche relevanten Daten ihres Lebenslaufes dar, während Infinity schon einmal die Infos in den Zentralcomputer der Lightning kopierte, um für seine Partnerin einen Turbo-Hypnose-Lehrgang Wie werde ich Anya Kheshaiell? vorzubereiten. Zudem nahm er Anyas Fingerabdrücke und justierte gemäß der Stimm-Analyse einen Stimmband-Tuner für Karylla, ein winziges Gerät, daß an die Stimmbänder geklebt wurde und in der Lage war, die dort produzierten Laute dergestalt an das vorprogrammierte Muster anzupassen, daß selbst eine Stimmüberprüfung keine Fälschung feststellen konnte. Das einzige Problem dieses Instruments war die Tatsache, daß es sich etwas unangenehm anfühlte, ein Faktum, aufgrunddessen Blackfire es häufig vermied, den Stimmband-Tuner zu benutzen, auch wenn sie die Idee zu seinem Bau gehabt hatte. Normalerweise zog sie die Methode Holoprojektion plus Sprachsynthesizer vor, doch für den aktuellen Job wäre dies viel zu leicht zu durchschauen. Nachdem Karylla das Interview beendet hatte, konnte Ryko auch endlich Anyas Netzhäute genauestens ablichten, um die Kontaktlinsen zur Überlistung eines etwaigen Retinascanners vorzubereiten. Dazu mußte er ein komplex aufbereitetes Bild auf jede der Kontaktlinsen aufbringen, so daß ein Scanner aus jedem Winkel einen authentischen Bildausschnitt der Retina abtasten konnte. Daß gewährleistet sein mußte, daß Karylla durch die Dinger auch noch etwas erkennen konnte, war eine zusätzliche Schwierigkeit. Endlich war alles soweit geschafft, und Blackfire überzeugte Anya via Hypnorator davon, daß sie einen mehrstündigen Stadtbummel hinter sich gebracht hatte, ehe sie sich auf ein Stück Kuchen in ein Bistro gesetzt hatte. Sie transportierte die immer noch in Trance befindliche Frau in die Toilette einer geeigneten Gaststätte, ehe sie sie wieder aufweckte. Nun vermeinte Anya, gerade bezahlt zu haben und nur noch einmal kurz auf die Toilette gegangen zu sein, bevor sie nach Hause zurückkehrte. Erleichtert machte sich auch Blackfire auf den Rückweg zur Lightning. Noch zwei, drei Sitzungen mit Anya, und sie hatte alle notwendigen Informationen eingeholt. 3762/03/24 GZ Stardust hatte es sich in ihrem Sessel bequem gemacht. Sie hatte die Füße auf der Computertastatur liegen und grübelte über ihre Probleme nach. Verdammt, dieser Firestar hatte doch recht... Wie sollte sie die ISPC säubern ohne einen müden Credit? Sie war vollkommen pleite, und das hieß gleichzeitig, daß ihre Informationsquellen versiegt waren. Niemand gab schließlich aus reiner Nächstenliebe sein Wissen preis. Jedenfalls kannte Jana keinen, der so etwas tat. Die einzigen Möglichkeiten, an Informationen zu kommen, waren Gewalt oder eben Geld. Und genau das war das Problem... Wenn sie Gewalt anwenden würde... Nun, dann bekäme sie vielleicht diesmal die gewünschten Infos, aber in Zukunft wären ihr sämtliche Quellen verschlossen. Seufz, sie steckte wirklich in der Klemme. Auch Coryn war in dieser Beziehung ratlos. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, wo das Geld herkam. Er hatte es einfach genommen und ausgegeben. Jana hatte plötzlich eine Idee, aber sie war sicher, daß weder Coryn noch Cass damit einverstanden waren. Nun, dann mußte sie es eben auf eigene Faust versuchen. Wenn die beiden nicht erfuhren, woher das Geld stammte... Ablehnen würden sie es gewiß nicht. Einige Stunden später wartete Stardust - völlig in schwarz gekleidet mit ebenso schwarzer Perücke - an der Hinterseite einer Bank. Es war die winzige Nebenstelle der Tarishaan Bank in Saanor. Jana hatte erfahren, daß hier weitaus größere Geldbeträge transferiert wurden, als für eine so kleine Bank üblich war. Nach einigen Nachforschungen hatte es sich gezeigt, daß die Bank Geschäfte mit Geldern des KD machte. Wenn sie etwas davon nahm, konnte sich ja keiner beschweren, dachte Jana zuversichtlich. Mit einem Meßgerät tastete sie Fenster, Lüftungsklappen etc. ab, um eine schwache Stelle in der Alarmanlage zu finden. Schließlich entdeckte sie eine Luke, deren Sicherung anscheinend defekt war. Sie stemmte das Teil mit einigen Mühen auf. 'Manchmal wäre es doch praktisch, Coryns Kräfte zu haben', dachte sie, und streckte die schmerzenden Arme. Vorsichtig schob sie sich in den Schacht. Zum Glück keine Abwässer, stellte Stardust erleichtert fest. Das hätte ihr noch gefehlt. Dummerweise hatte sie keine Ahnung, in welcher Richtung der Tresor lag. Sie hatte sich da immer voll und ganz auf Coryn oder Cass verlassen. Aber aufgeben würde sie auf keinen Fall! Entschlossen kroch sie weiter. Nach einigen Fehlversuchen hatte Stardust doch noch den Weg zum Tresor gefunden. In einem verlassenen Nebenflur kletterte sie aus dem Schacht, und sie kam sogar ohne Probleme bis zum Tresorraum. 'Nur - was nun?' fragte Jana sich angesichts des überaus komplizierten Sicherungsmechanismus. Sie war sicher, Coryn konnte das Ding ohne Probleme knacken, denn es war ein ziemlich altes Modell. Aber sie? Sie zog einen kleinen Scanner aus ihrem Gürtel und hielt ihn an Sensorplatte. Vielleicht hatte sie ja Glück, und sie konnte den Code damit entschlüsseln. Coryn hatte das Gerät gebaut, um mit Hilfe der Starcave-Computer Sicherungen zu überwinden. Ungeduldig trommelte Jana mit den Fingern. Plötzlich klackte es vernehmlich, und ein grünes Licht leuchtete auf. Sie hatte es tatsächlich geschafft! Stardust betätigte die Felder zum Öffnen des Energievorhangs. Dieser verlosch, und Jana spähte neugierig in den Raum. Leider war sie immer noch nicht am Ziel ihrer Wünsche, denn sie hatte zwar den Zugang geöffnet, doch der Tresor war noch verschlossen. Sie klemmte den Scanner an das Tresorschloß und sah sich im Vorraum um. Außer einem Terminal war hier nichts zu sehen. Jana betrachtete ungeduldig den Scanner, dabei entging ihr jedoch völlig, daß der Bildschirm des Terminals kurz rot aufflackerte. Endlich leuchtete das grüne Licht auf, und Jana öffnete die innere Kammer. Sie war völlig sprachlos beim Anblick der vielen Credits, die hier aufgestapelt waren. Zudem lagen in diversen Regalen Edelmetallbarren, und es gab auch noch eine Menge Schließfächer für Kunden. Stardust war so stark mit der Überlegung beschäftigt, was sie am besten nehmen sollte, daß sie gar nicht bemerkte, wie einige Anzeigen des Alarmsystems auf Rot umsprangen. Sie entschloß sich endlich, einige der farblosen Credits einzupacken, da mußte sie am wenigsten tragen. Eilig stopfte sie die Teile in ihren Werkzeuggürtel. Sie machte gerade den Verschluß zu, als Schritte hinter ihr erklangen. (1 Credit hat 1000 MilliCredits. In der Regel gestaltet sich der Zahlungsverkehr bargeldlos über Kreditkarten, obwohl es natürlich auch Bargeld gibt. Dieses besteht aus farbigen, unfälschbaren 'Plastik'chips (in denen sich ein Mikrochip mit einem Code befindet, damit man die Stücke auch überprüfen kann), die in 1 (Schwarz), 5 (Braun), 10 (Grün), 25 (Türkis), 50 (Blau), 100 (Violett), 250 (Rot), 500 (Orange), 1000 (Gelb) 5000 (Weiß) und 10 000 (Durchsichtig) unterteilt sind. Dabei sind 'ganze' Credits quadratisch (1.5 x 1.5 cm) und MilliCredits gleichseitige Dreiecke (Seitenlänge: 1cm).) Sie wirbelte herum und erblickte Firestar, der ausgesprochen ärgerlich in der Türe stand. "Was tust du hier?" fuhr Alan sie an. "Siehst du das nicht?" fragte Jana ironisch zurück und wunderte sich, daß er sie in dieser Verkleidung erkannt hatte. "Du bist ja nicht ganz bei Trost!" Firestar packte sie und warf sie förmlich aus der Tresorkammer. Jana sah in ihrem derzeitigen Outfit fast wie Blackfire aus. Alan hoffte, daß Karylla Noir niemals davon erfuhr. "Was soll das? Ich war zuerst da!" maulte Jana und rieb sich den Arm, Firestar hatte ganz schön kräftig zugefaßt. "Ach ja? Und wer hat den Alarm ausgelöst? Ich bestimmt nicht!" Er schüttelte sie heftig. Wie konnte man nur derartig unvernünftig sein? "Alarm?" fragte sie verwirrt und versuchte sich zu befreien. "Was, meinst du, bedeuten die roten Lämpchen?" fragte Alan gefährlich leise und deutete auf die hektisch blinkenden Lichter. Jana wurde blaß. Und sie hatte sich schon gewundert, daß alles so glatt lief. Warum ging bloß alles, was sie unternahm, schief? War sie wirklich so unfähig? Stardust schniefte und blickte Alan so an, als wollte sie gleich losheulen. Wenn Firestar etwas nicht ausstehen konnte, dann waren das weinende Frauen. Bei Tränen tat er fast immer Dinge, die er später ausgesprochen bereute. Trotzdem sollten sie von hier möglichst schnell verschwinden. Wenn die Weltraumpolizei auch langsam war, ewig brauchten sie dennoch nicht. Um genau zu sein, waren sie nämlich soeben vor der Bank angekommen. Er nahm Jana den mit Credits vollgestopften Gürtel ab, klemmte ihr dafür sein zweites TM-Armband um den Arm und aktivierte es, um sie zur Fireflash zu schicken. Dann zog er eine Folie mit dem strahlend goldenen Stern aus der Tasche und deponierte diese auf dem Terminal. Gerade als die ersten Polizisten den Tresorvorraum erreichten, aktivierte er sein TM-Gerät. Sie sahen ihn zwar noch, aber ihre Schüsse trafen nur die Wand. So knapp war es noch nie gewesen. Stardust schaute sich neugierig um. Sie schien sich im Leitstand eines Raumschiffs zu befinden. Bevor sie ihre Umgebung jedoch etwas genauer untersuchen konnte, tauchte Firestar auf. "Ich bin sicher, es war ein großer Fehler", meinte er und warf Janas Gürtel auf eine Konsole. "Was? Daß ich versucht habe, an Geld zu kommen?" Jana blickte ihn herausfordernd an. "Nein, daß ich dich hergebracht habe! Aber ich hatte einfach keine Zeit mehr, das Armband umzuprogrammieren. Die Polizei hat mich beinahe angesengt." "Es tut mir leid!" meinte Stardust zögernd. Man wußte ja nie, ob dieser Firestar nicht wieder handgreiflich wurde. Und sie hatte eigentlich schon ausreichend blaue Flecken. Alan glaubte ihr nicht, aber es war sowieso nichts mehr an der Tatsache zu ändern, daß sie nun mal hier war. Nur - was sollte er jetzt mit ihr anfangen? Sie einfach zurückzuschicken paßte ihm nicht. Wer wußte, was sie dann anstellte, dachte er, und er hatte nun beim besten Willen keine Lust, Jana andauernd aus irgendwelchen Schwierigkeiten zu holen, in die sie unzweifelhaft geraten würde. Manchmal wünschte er wirklich, Tyron Star nicht versprochen zu haben, auf sein Sternchen zu achten. Dieser alberne Kosename paßte weder damals noch jetzt zu Jana. "Schwarz steht dir nicht!" meinte Alan plötzlich in die Stille hinein. Irritiert faßte Stardust nach der Perücke, der Themawechsel kam zu plötzlich. "Was mache ich bloß mit dir?" fragte Alan ratlos. "Wie wäre es, wenn du mich gehen läßt?" Firestar schüttelte den Kopf. "Warum nicht?" wollte Jana wissen. "Du wirst dich bloß wieder in Schwierigkeiten bringen." "Na und? Was geht dich das an?" meinte Stardust wütend. Was fiel dem überhaupt ein? "Ich habe deinem Vater etwas versprochen!" Zwar war nie die Rede von Aufpassen gewesen, aber er hatte das Gefühl, daß sein Auftauchen Schuld an Janas Problemen war. Er war irgendwie für ihre Versuche als Diebin verantwortlich. "Das gibt dir kein Recht, mich hier festzuhalten!" empörte sie sich. "Ich lasse dich nur gehen, wenn du mir dein Ehrenwort gibst, nie wieder eine Bank auszurauben." "Ich denke ja gar nicht dran!" "Dann bleibst du hier, bis du es dir anders überlegst!" meinte Alan rigoros und nahm Stardust vorsichtshalber die TM-Armspange ab. Er verschloß sie mitsamt Janas Werkzeuggürtel in einem Fach und steckte den Schlüssel in seine Hosentasche. Firestar beschloß, Jana einfach zu ignorieren und widmete sich lieber den Überwachungsgeräten. Die Polizei hatte inzwischen sein Zeichen gefunden, von einer zweiten Person sprach in den Berichten niemand. Also war noch mal alles gut gegangen. Mit diesem Überfall hätte sie sich die Rückkehr zur ISPC für immer verbaut. Alan setzte einen neuen Kurs für die Fireflash, denn er blieb nicht gern zu lange an einer Stelle. Das Schiff machte einen Schwenk in Richtung Trümmerfeld. Jana hatte inzwischen beschlossen, sich das Schiff anzusehen. Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit, von hier zu entkommen. Und Firestar schien gerade beschäftigt zu sein. Leider stellte sich das Ganze als Fehlschlag heraus. Sie fand weder eine Waffe, noch ein TM-Gerät, noch sonst etwas. Im Aufenthaltsraum entdeckte sie nur einen Nahrungsmittelsynthetisizer (Nicht von MacGalax oder McSnack, das Fabrikat war ihr gänzlich unbekannt.), sowie ein Lesegerät und Speicherkristalle. In der Kabine und im Bad war auch nichts Brauchbares, und die weiteren Räumlichkeiten waren versperrt. Schließlich ließ sich Jana im Aufenthaltsraum nieder, sie hatte Hunger. Verwundert stellte sie fest, daß der Nahrungsmittelsynthetisizer das produzierte, was sie wollte. Sie probierte alles aus, bis nichts mehr auf den Tisch paßte. Aus dieser Auswahl bediente sie sich dann. Firestar hatte derweil die eingegangenen Informationen durchgesehen. Momentan war nichts Lohnendes in Sicht. Die Presse berichtete über seinen dreisten Raub, es gab sogar ein Interview mit einem Polizisten, der beschwor, ihn angeschossen zu haben. Alan grinste. Die glaubten aber auch alles. Inzwischen war es im hinteren Teil des Schiffes verdächtig ruhig geworden. Ob er mal nachsehen sollte? Jana war im Aufenthaltsraum, stellte er mit einem Blick auf einen Monitor fest. Was konnte sie da schon anrichten? Stardust hatte nach dem reichhaltigen Essen ein dringendes Bedürfnis und suchte das Bad auf. Sie entschloß sich, die Verkleidung noch schnell loszuwerden. Ein Dusche konnte auch nicht schaden... Alan grinste, als er Janas neuen Aufenthaltsort feststellte. Er dachte an ihre erste Begegnung. Vielleicht sollte er ihr mitteilen, daß es dort kein Handtuch gab. Er bevorzugte es, sich von einem Luftstrom trocknen zu lassen. Jana hatte sich von oben bis unten eingeschäumt. Das komische Duschgel roch faszinierend, es hatte eine ihr völlig unbekannte Duftnote. Endlich entschloß sie sich, das Duschbad zu beenden, ihre Haut war schon ganz schrumpelig. Patschnaß machte sie sich auf die Suche nach einem Handtuch. Warum passierte sowas immer ihr? Sie tastete die Wand ab, es mußte hier doch zumindest so einen Fön geben. "Der Trockner ist links neben der Dusche!" meinte Alan von der Tür. Stardust seufzte genervt. Er konnte es anscheinend nicht lassen! Sie schaltete den Luftstrom ein und drehte sich dabei unauffällig zur Tür. Firestar war bereits wieder verschwunden. Erleichtert ließ sie sich Zeit mit Trocknen und Anziehen. Sie hatte immer so ein eigentümliches Gefühl, wenn Firestar in der Nähe war. Alan hatte es sich im Pilotensitz bequem gemacht. Die Fireflash flog mit Autopilot, also konnte er ungestört seinen Gedanken nachhängen. Er analysierte seine 'Gefühle' für Jana. Es war nicht das, was ihn sonst zu Frauen zog. Tyron hatte mal gesagt, er sei ein 'unverbesserlicher Weiberheld', und es hatte auch keinen Sinn, dies abzustreiten. In dieser Beziehung war er das absolute Ebenbild des alten Firestar. Es hatte viele Frauen gegeben, das war er seinem Ruf schuldig. Sein 'Jagdinstinkt' war schnell gereizt, doch nach dem 'Erlegen' verlor er meist das Interesse an der 'Beute'. Seine jetzigen Reaktionen paßten ins keins der Konzepte. Alan war irritiert. War er vielleicht 'verliebt'? Tyron Star hatte ihm mal etwas derartiges prophezeit. Er hatte es damals als unmöglich abgetan, doch nun hatte er den Verdacht, daß Tyron dies geplant hatte. Auch nach 19 Jahren hatte er immer noch nicht alle Nuancen seiner Persönlichkeit entdeckt. Wenn er nur wüßte, wie man sich in diesem Zustand verhielt... Jana lief durch das Schiff, sie hatte Langeweile. Es gab hier nichts, womit sie sich beschäftigen konnte. Im Aufenthaltsraum hatte jemand derweil die Reste ihrer Mahlzeit vernichtet, und sie nahm einige Speicherkristalle aus den Regalen. Doch nachdem sie gut ein Dutzend in das Lesegerät gesteckt hatte, gab sie auf. Firestar schien sich ausschließlich für wissenschaftliche Themen zu interessieren. Sie verstand meist noch nicht mal die Titel der Abhandlungen. Aber einiges kam ihr bekannt vor, ähnliche Kristalle hatten sich im Nachlaß ihres Vaters befunden. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Wenn sie Firestar versprechen würde, nie mehr eine Bank zu überfallen, dann hieß es ja nicht, daß sie keinen Raubzug mehr unternehmen konnte. Es gab ja auch noch andere Institutionen, die man erleichtern konnte. Eilig machte sie sich auf den Weg zum Leitstand. "Wenn ich dir verspreche, keine Bank mehr auszurauben, läßt du mich dann gehen?" fragte sie etwas atemlos. "Ich halte mein Wort!" meinte Alan, während er sich umdrehte. Wieso der plötzliche Sinneswandel? Es schien ihm ausgesprochen verdächtig. "Also, ich verspreche hoch und heilig, mich nie mehr einer Bank mit unlauteren Absichten zu nähern." Jana strahlte ihn an. "Kann ich jetzt gehen?" "Bitte!" meinte Firestar. "Und wie?" fragte sie kleinlaut. Alan seufzte schwer, dann wendete er die Fireflash um 180 Grad, zurück nach Tarishaan. "Ich bringe dich nach Hause!" Einige Zeit später lieferte Alan Stardust in der Starcave ab, bevor er sich mit unbekanntem Ziel weiter auf den Weg machte. Es gab noch einiges zu tun... 3762/03/31 GZ Blackfire betrachtete sich im Spiegel und schnitt eine Grimasse. Diese Frisur war grauenhaft, furchtbar, entsetzlich! Das Schlimmste an der Maskerade als Anya Ivhella Kheshaiell war nicht so sehr der Stimmband-Tuner (der sich immer mehr als Plage erwies - der schwache Juckreiz mitten im Hals war einfach nervig. Sie sollte wirklich einmal etwas neues erfinden.), hatte sie beschlossen, sondern eher die Tatsache, daß sie ihre etwas über schulterlangen weißblonden Haare einem sehr eigenwilligen Igelschnitt opfern mußte. Nun standen ihr die Haare im Prinzip wörtlich zu Berge, denn Anyas Friseur hatte deren Schopf auf etwa 5cm gestutzt und offenbar mit einer sehr hartnäckigen Dauerwelle standhaft nach oben frisiert. Nachdem Ryko ihr dieses Outfit verpaßt hatte, konnte er nicht mehr an sich halten und prustete los, was Karylla umso mehr verstimmt hatte. Da nahm sie alle Opfer auf sich, um diese schwere und wahrlich nicht ungefährliche Aktion durchstehen zu können, und er machte sich über sie lustig! Es war gar nicht so einfach gewesen, sich Anyas Background derart zu verinnerlichen, daß sie auch in Streßsituationen keine Fehler machte. Ryko hatte die Konditionierung soweit überprüft, bis er meinte, daß sich nun auch ihre normalerweise unbewußten Reaktionen nicht mehr von denen Anyas unterscheiden ließen. Zur Zeit war es beinahe eine Anstreengung für Karylla, sich Blackfire-typisch zu verhalten, aber das war ja der Sinn der Sache gewesen. Ryko trat hinter sie und nahm sie in die Arme. "Du siehst absolut albern aus", flüsterte er ihr ins Ohr, woraufhin Karylla sich umdrehte und ihn tadelnd anschaute. "Ich mag es nicht, wenn man mich derart aufzieht", klagte sie. "Vergebt mir, Anya", meinte er grinsend, denn das war beim besten Willen keine Blackfire-Reaktion. "Aber es funktioniert wirklich hervorragend. Ich denke, du wirst die Rolle überstehen, ohne daß du sofort auffliegst." "Es bereitet mir jetzt schon Unbehagen, mir die Re-Konditionierung vorzustellen. Ich sorge mich vor allem darum, ob es gelingt, dieses Verhaltensschema vollkommen zu neutralisieren..." "Keine Panik, darum werde ich mich kümmern, Kary. Ich denke, es wäre für mich schlimmer als für dich, wenn ich mich auf Dauer mit einer Anya/Karylla herumschlagen müßte..." Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, sah dann aber gleich wieder naserümpfend auf. "Diese Frisur ist für so etwas völlig ungeeignet", beschwerte er sich, und diesmal kam doch wieder Blackfire gänzlich durch die Anya-Persona, denn sie grinste ihn unverschämt an. "Tja, das soll dich daran erinnern, welch grausames Opfer ich zu bringen hatte!" "Ja ja..." Er ließ sie wieder los. "Ich denke, wir sollten zusehen, daß wir die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter uns bringen..." Ein zweites Mal wurde Anya auf die Lightning entführt, wo Blackfire ihr noch rasch die Vorfälle der letzten Tage entlockte, damit sie sich diesbezüglich keine Schnitzer leistete. Anschließend begab sich Karylla in die Fußstapfen der Anya Ivhella Kheshaiell. Karylla - bzw. Anya Kheshaiell - steckte die Codekarte in das Lesegerät der Eingangstür. Irgendwie kam sie sich komisch bei dieser Aktion vor. Gut, sie hatte schon öfter ihr schauspielerisches Talent unter Beweis gestellt, aber dann immer nur in selbst erfundenen Rollen. Dies hier war entschieden anders - immerhin mußte sie eine existierende Person darstellen, und zwar gut genug, als daß sie sogar deren Kontaktleute beim Konsortium D täuschen konnte. Wenn ihr nur der winzigste Schnitzer unterlief, würde sie unweigerlich liquidiert werden. Kein schöner Gedanke, befand sie, als sie den geräumigen Flur betrat. Alles war genauso wie von Anya beschrieben - helle Farben, viele Pflanzen, flauschiger weißer Teppich aus schmutzabweisenden Syntho-Fasern... Anya-Karylla blickte sich um und hängte ihr Cape an die Garderobe. Sofort erkannten die Sensoren, daß es feucht war und ein warmer Luftstrom trocknete es unverzüglich, ehe es automatisch in dem dahinterliegenden Schrank verschwand. Ein weißhaariges junges Mädchen kam die Gleittreppe herunter. Oben lagen die Kinderzimmer, rief sich Blackfire ins Gedächtnis. "Guten Abend, Mademoiselle Kheshaiell", begrüßte die Babysitterin sie. Karylla überlegte kurz. Ah, Alycia Diella Orevhall war ihr Name. "Einen guten Abend, Alycia", erwiderte sie. "Was machen die Kleinen?" Selbstverständlich hatte sie Anya auch explizit nach den Standard-Formulierungen ausgefragt, die diese im Umgang mit anderen Personen benutzte, um sich nicht durch einen Fauxpas auf diesem Gebiet unwillentlich zu verraten. "Die Zwillinge schlafen. Sie waren den ganzen Tag mehr als nur brav. Lediglich Hyko macht mir ein wenig Sorgen. Er hat keine Lust gehabt, seine Schulaufgaben zu machen. Er hat sein Terminal gelockt, und es ist mir nicht gelungen, ihn dazu zu bewegen, wieder Kontakt mit dem Schulrechner aufzunehmen..." "Schon gut, ich werde mich darum kümmern, Ally. Sie können sich dann auch endlich freinehmen. Wie lange dauern die Ferien in der Uni Zalecia eigentlich noch? Werden Sie eventuell auch während der Studienzeit noch das eine oder andere Mal Zeit finden, die Kleinen zu betreuen?" "Wir fangen in 3 1/2 Wochen wieder an, aber ich denke schon, daß ich mir hin und wieder Zeit nehmen kann. In der pädagogischen Fakultät nehmen die Professoren es einem wenig übel, wenn man nicht ständig bei den Vorlesungen erscheint. Ein Glück, daß ich nicht bei Hyper-Energetikern bin... Ich habe da schon schlimmes gehört, von wegen Anwesenheitspflicht und so... Oder die Exo-Medics sollen auch immer übel dran sein..." "Soso. - Ich habe ja lediglich Verwaltungstechnik studiert", sinnierte Anya-Karylla. "Vielleicht sollte ich einmal ein paar Kurse an der Tele-Uni belegen. Ich glaube, Kosmosoziologie könnte mich noch interessieren..." Tatsächlich fand sie, daß Kosmosoziologie eins der langweiligsten Fächer war. Wenn es nach ihr ginge, würde sie höchstens TM-Technik belegen, aber in diesem Fach war sie dank der von Firestar via Info-Kristall verabreichten Vorbildung vermutlich den meisten Profs um einige Jahre voraus. Also doch nichts mit studieren... "Ich denke, ich werde dann langsam aufbrechen", erklärte Alycia und forderte ihren Umhang an, der prompt aus dem Schrank zur Garderobe befördert wurde. "Schön. Geben Sie mir bitte noch rasch ihre Codekarte, Ally." Anya-Karylla nahm diese in Empfang und steckte sie in den Leseschlitz eines Terminals, das sich neben dem Spiegel im Flur befand. Mit wenigen Sensor-Berührungen buchte sie das Geld für die geleistete Arbeit auf Alycias Konto. "100 Credits, wie üblich", kommentierte sie. "Danke. Ich gehe nun", meinte Ally Orevhall. "Bis morgen früh." "Bis dann." Nachdem die Babysitterin verschwunden war, atmete Karylla auf. Offenbar hatte das Mädchen keinen Verdacht geschöpft! Sehr gut. Jetzt sollte sie aber mal nach oben gehen, stellte sie fest, denn von dort ertönte nunmehr lautstarkes Geschrei. Vermutlich die Babies, konstatierte Blackfire, was zum ersten ernsthaften Problem führte: Was nun? Sie hatte keine Probleme dabei, ein defektes TM-Aggregat auseinanderzubauen, zu reparieren und wieder zusammenzusetzen. Auch der Entwurf komplizierter Geräte bereitete Karylla kaum nennenswertes Kopfzerbrechen - aber was, bitte, sollte sie mit solch einem plärrenden Wesen anstellen? Wenn es wenigstens irgendwo einen Hauptschalter hätte, mit dem sie es abschalten könnte! Seufzend ließ sie sich von der Treppe in die erste Etage befördern. Die Lautstärke nahm zu, und sie lokalisierte die Quelle hinter der linken der Türen. Entschlossen trat sie ein. Der Krach wurde ohrendbetäubend. Offenbar war bei Kleinkindern die Lautstärke umgekehrt proportional zu der Größe, konstatierte Karylla. Was für ein Glück, daß die Zwillinge nicht noch kleiner waren. Sie sah in die Antigrav-Betten, wobei sie feststellte, daß das rechte Baby selig schlummerte, während das linke dem Lärm produzierte. Hm. Was würde Anya nun unternehmen? Sie durchforschte die aufgepfropften Informationen und nahm das Kind auf die Arme. Nun waren ihre Ohren noch mehr in der Nähe des Geschreis, und Blackfire verzog das Gesicht. Sie hatte noch nie verstanden, was einige Leute an kleinen Kindern fanden, und sie fühlte sich nur noch mehr in der Meinung bestärkt. Nun begann auch noch Baby Nr.2 zu schreien. Karylla legte Nr.1 wieder zurück (es hatte sich natürlich noch nicht beruhigt, sondern verstärkte sein Getöse bloß) und schaute sich hilflos um. Und nun? Wie sollte sie das nur länger überstehen? Für so etwas waren ihre Nerven eindeutig nicht geeignet. Sie mußte etwas unternehmen, ganz eindeutig. Wenn sie noch eine Viertelstunde länger mit diesen Kindern hier verbringen müßte, würde sie ausrasten. Sie spürte jetzt bereits, wie sie aggressiv wurde. Plötzlich hatte Karylla eine Idee. Sie nahm ihr kleines Handfunkgerät und rief Ryko in der Lightning. "Hallo, mein Schatz - sag mal, wie geht es Anya?" "Kary?" Infinity klang verwundert, daß sich seine Partnerin schon so bald bei ihm meldete. "Du, ich habe ein Problem hier. Also - wie geht es ihr?" "Was ist das denn für ein Krach da unten? Ich verstehe dich kaum." "Darum geht es ja! Also?" "Nun, jetzt, wo ich ihr ein Sedativum verabreicht habe, geht es ihr besser. Vorher wollte sie mich erwürgen." "Und?" "Wieso 'und'? Ich lasse mich nicht erwürgen!" "Hm. Ich dachte, sie hätte die eine oder andere Anregung für mich auf Lager", meinte Blackfire grinsend. "Warte nur, bis du mir wieder in die Finger kommst", drohte Ryko. "Obwohl ich lieber einige andere Dinge als 'Erwürgen' an dir zelebrieren würde..." "Ay, und was?" Karylla lächelte kokett. Wenn die Blagen nicht sofort mit dem Schreien aufhörten, würde sie sie erwürgen, dachte sie bei sich. "Aber doch nicht hier am Viphon!" machte Ryko sie belustigt aufmerksam. "Nebenbei - wo ist deine Anya-Konditionierung geblieben?" "Offensichtlich auf der Strecke", seufzte Blackfire. Mit Verhören etc. hatte sie ja gerechnet und sah auch keine Probleme, solche zu überstehen, aber diesem Streß war offensichtlich auch die beste Konditionierung nicht gewachsen. "Deshalb wollte ich wissen, was mit Anya ist." "Willst du etwa noch eine Hypno-Sitzung mit ihr machen?" "Nein! - Aber ich will ihr etwas geben, was ihr gehört..." "Und das wäre?" "Moment. Ich komme vorbei und bringe es." Karylla klemmte sich die plärrenden Babies unter den Arm und schaffte es mit einigen Verrenkungen, den Auslöser des TM-Gürtels zu erwischen. Sofort stand sie im Leitstand der Lightning, von wo aus sie direkt ins Labor marschierte. Dort legte sie die Kinder vor Anya ab. "Bitte sehr! Es sind Ihre!", meinte sie zu dieser und sprang nach Tamsaioll zurück. Ryko guckte entgeistert von den schreienden Bündeln zu Anya und wieder zurück. "Was soll das darstellen?" erkundigte er sich indigniert, wobei er mehr Blackfires Aktion, die Babies auf der Lightning abzuliefern, meinte, als die Kinder selbst. "Ich würde sagen - zwei Kinder", meinte Anya schnippisch - trotz Beruhigungsmittel, wie Infinity beunruhigt feststellte. "Sagen Sie, haben Sie hier irgendwo ein paar frische Windeln?" wollte sie direkt nach einem Blick auf ihre Töchterchen wissen. Ryko starrte die Frau entsetzt an. "Wie kommen Sie denn auf sowas?" "Nun - wenn Sie keine haben, dann besorgen Sie gefälligst welche!" kommandierte Anya. "Ich kann doch meine beiden Kleinen nicht in ihrem Schmutz liegen lassen." Sie sah beglückt auf die Zwillinge herab und gab einige undefinierbare Laute von sich, die wie "Gutschi-gutschi-gu, Mami kümmert sich schon um alles", klangen. "Sind Sie noch nicht unterwegs?" fauchte Anya ihren Entführer an, als dieser dem Schauspiel fasziniert zugesehen hatte. Ryko zuckte resignierend mit den Achseln, schloß das Schott zur Leitzentrale der Lightning ab und transmittierte anschließend nach Enaryshavell, um das Geforderte zu organisieren. Das versprach, noch ziemlich lustig zu werden, dachte er fatalistisch. 3762/03/32 GZ Stardust war derweil nicht untätig gewesen. Diesmal hatte sie eine narrensichere Sache gefunden, um an Geld zu kommen. Und es war keine Bank... Ihr Ziel war diesmal ein Juweliergeschäft in Ashteera, der tarishaanischen Hauptmetropole. Laut einschlägigen Informationen hatte die Firma gerade eine größere Lieferung Rohedelsteine bekommen, zudem war bekannt, daß Lagow Tenniel, der Eigentümer, seine Ware aus düsteren Quellen bezog. Wenn irgendwo Edelsteine oder -metalle verschwanden, so konnte man sicher sein, daß Tenniel in kürzester Zeit eine neue Lieferung erwartete. Jana hatte Cass und Coryn nichts von ihrem Fehlschlag mit der Bank berichtet, und auch diesmal würde sie sie nicht einweihen. Sie wählte die Verkleidung einer Frau von Aldrigis mit dunkler Haut, braunem Haar und braunen Augen. Über ihren dunkelblauen Overall schnallte sie sich einen neuen Werkzeuggürtel, den alten hatte Firestar ja immer noch. Es war mitten in der Nacht als Jana den Gleiter in einer Nebenstraße parkte. Den Rest des Weges würde sie zu Fuß zurücklegen. Die Steine wurden in einem Tresor im Büro des Geschäftsführers aufbewahrt. Jana erreichte die Hintertür des Gebäudes ungesehen. Merkwürdigerweise schien die Alarmanlage außer Betrieb zu sein. 'Um so besser', dachte Stardust und schlich in das Haus. Doch als sie das gesuchte Zimmer erreichte, mußte sie feststellen, daß ihr jemand zuvorgekommen war. Der Tresor stand weit offen. Ratlos blieb Jana stehen. Erst als draußen eine Polizeisirene ertönte, schrak sie zusammen. Was sollte sie jetzt bloß machen? Vorsichtig betrat sie den Flur. Plötzlich legte sich eine Hand auf ihren Mund. Sie wurde gepackt und rückwärts in ein dunkles Zimmer gezerrt. Stardust strampelte wild, um der eisernen Umarmung zu entkommen. "Sei bloß ruhig!" meinte Firestar leise, "oder sie erwischen uns beide!" Er hatte den Tresor leergeräumt und sich dann in den Auslagen des Geschäftes umgesehen, als er hörte, wie jemand im Haus herumschlich. Als er Stardust erkannte, blieb gerade genug Zeit, sie einzufangen und in die Abstellkammer zu transportieren. Fast wäre sie der Polizei in die Hände gelaufen. Jana überlegte soeben, ob sie zubeißen sollte, als Alan die Hand von ihrem Mund nahm. "Und wie kommen wir jetzt weg?" fragte sie nervös. "Wenn du dein Wort halten würdest, dann ergäbe sich das Problem gar nicht!" fauchte Alan sie an. Er hatte diesmal keine Schwierigkeiten erwartet. "Ich halte immer Wort!" empörte sich Jana. "Das ist keine Bank!" Sie fand es äußerst frustrierend, daß Firestar sie immer wieder trotz Verkleidung erkannte. Alan hörte ihr gar nicht zu. Es war zu dumm, daß er sein zweites TM-Armband auf der Fireflash gelassen hatte, aber nachdem er das Teil mitsamt Stardusts Gürtel weggeschlossen hatte, hatte er gar nicht daran gedacht, sich wieder eine zweite Armspange umzulegen. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als sich entweder aus dem Staub zu machen und Jana hierzulassen, oder sich ebenfalls fangen zu lassen. Die Beamten näherten sich bedrohlich dem Haus. Plötzlich hatte er eine Idee. "Rühr dich nicht von der Stelle, wenn dir deine Freiheit lieb ist", meinte er, öffnete die Türe zum Flur einen Spalt und huschte hinaus. Das einfallende Licht ermöglichte es Jana, sich kurz umzusehen. Sie war in einer Abstellkammer, außer der Tür gab es keinen Ausgang. Schnell zog sie sich hinter einen Stapel Kartons zurück. Alan hatte beschlossen, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er kletterte durch ein Fenster im Erdgeschoß. Kaum hatten die Polizeibeamten ihn bemerkt, als sie auch schon das Feuer eröffneten. Zwar waren ihre Waffen auf Betäubung gestellt, aber trotzdem konnte er es sich nicht leisten, getroffen zu werden. Das wäre einfach zu auffällig. Bevor es gefährlich wurde, betätigte er sein TM-Gerät. Auf der Fireflash löste er schnell die Beutel mit den Steinen von seinem Gürtel, schnappte sich eins seiner Ersatz-TM-Geräte und transmittierte wieder in die Abstellkammer. "Jana!" rief er leise. Hoffentlich war sie nicht verschwunden. Er hatte keine Lust, sie noch lange zu suchen. "Ja", ertönte es aus der hinteren Ecke, und Jana spähte vorsichtig über die Kisten. "Nun komm schon her. Wir haben keine Zeit für Spielereien!" Auf dem Flur waren Schritte zu hören. Firestar packte ihren Arm und ließ das TM-Gerät darum zuschnappen. Zum Glück waren die Dinger so eingestellt, daß er sie synchron auslösen konnte. Sie verschwanden genau in dem Augenblick, als ein Beamter die Tür des Raumes aufriß. Auf der Fireflash stand Jana kampfbereit im Leitstand. Gleich würde es losgehen... Entschlossen sah sie zu Alan auf, diesmal war es aber nicht ihre Schuld. Alan wich ihrem Blick aus und wandte sich den Monitoren zu. Stardust versuchte, das komische TM-Armband loszuwerden, da es ziemlich schwer und auch zu groß war. Endlich öffnete es sich. Erleichtert legte sie das Teil auf einer Konsole ab. "Bist du sauer?" fragte sie. Trotz allem hatte sie sehr viel für ihn übrig. Seit Renegades Tod hatte sie nicht mehr so empfunden. "Redest du nicht mehr mit mir?" Sein Schweigen war weitaus schlimmer, als wenn er sie angebrüllt hätte. Dabei wußte man wenigstens, woran man war... Alan war sich nicht sicher, was er unternehmen sollte. Am liebsten würde er ihr kräftig das Hinterteil versohlen. Aber andererseits... Firestar zu sein, war viel schwerer, als er jemals gedacht hatte... Nach so vielen Jahren Vorbereitung war er dieser Aufgabe anscheinend immer noch nicht gewachsen. Er seufzte tief. Jana war neben Alan getreten und berührte seinen Arm. "Willst du gar nichts sagen?" wollte sie wissen. "Wozu?" fragte Alan und sah sie an. Es hatte doch keinen Sinn, ihr die Meinung zu sagen. Diese Verkleidung war noch gräßlicher als die vorherige, stellte er fest, als er sie nachdenklich musterte. Stardust versuchte, an seinem Gesichtsausdruck zu erkennen, was er dachte, doch seine Miene war ausdruckslos. Wie sollte es nur weitergehen? Die beiden standen wortlos voreinander und keiner war bereit auch nur einen Millimeter nachzugeben. Jana blickte ihn fest an, doch plötzlich mußte sie blinzeln. "Was ist jetzt los?" fragte er schärfer als beabsichtigt. "Nichts! Mir ist nur etwas unter die Kontaktlinse gekommen", meinte sie und drehte sich weg, um die Linsen herauszunehmen. Sie sollte ihm eindeutig nicht zu tief in die Augen sehen, wenn sie irgendwas erreichen wollte. Alan spürte, daß sie etwas verbergen wollte. Nur was? Er drehte sie zu sich herum. Auf jeden Fall sollte er ihr klarmachen, wie gefährlich ihre Touren waren. "Ich kann ja verstehen, daß du dir selbst Geld besorgen willst. Aber du kannst nicht einfach die Risiken außer Betracht lassen. Ich kann schließlich auch nicht immer in deiner Nähe sein, um dich aus dem Schlamassel zu holen." Das braune Make-Up sah absolut komisch aus zu ihren grauen Augen, fand Alan und grinste. Er fuhr mit dem Finger über ihr Gesicht. Das Zeug färbte auch noch ab! Jana blickte ihn verständnislos an. Was war nun schon wieder los? "Am besten gehst du gleich unter die Dusche!" befahl Alan und zog ihr schon mal die dunkle Perücke vom Kopf, bevor er sie unerbittlich in Richtung Bad schob. Kurz vor dem Badezimmer drehte Stardust sich um, damit sie Alan ansehen konnte. Sie verstand diese Stimmungsumschwünge nicht. Von einem auf den anderen Augenblick wechselte seine Laune. Nachdenklich musterte sie ihn. "Du machst mich noch fertig!" meinte Alan seufzend, bevor er sie in seine Arme zog und Farbe Farbe sein ließ. Er küßte sie zärtlich, während sie ihre Arme um seinen Hals schlang. Sie konnte später noch über seinen Charakter meditieren, fand Jana und schmiegte sich an ihn. Schließlich hob Alan sie kurzerhand hoch. Er war sicher, daß sie jetzt beide eine Dusche brauchten. Ein Blick in den Spiegel bestätigte dies. Sie waren nun großflächig braungescheckt. Jana kicherte, als sie ihres Spiegelbildes ansichtig wurde. "Wir sehen ja furchtbar aus. Laß mich bitte runter!" "Ungern." Firestar stellte sie auf die Füße, aber nicht, ohne sie noch mal zu küssen. "Bäh!" machte Jana. "Die Farbe schmeckt einfach grauenhaft!" Man sollte die Firma verklagen, dachte sie. Stardust stieg aus ihren Overall und bemühte sich, ihr geschecktes Spiegelbild zu ignorieren. So schlimm hatte sie das letzte Mal ausgesehen, als Monsieur Maiell ihr dieses tolle Make-up verpaßt hatte. Alan lehnte an der Wand und betrachtete sie schmunzelnd. "Willst du so bleiben?" fragte Jana während sie auch die restlichen Kleidungstücke los wurde. "Und grinse nicht so, du siehst um keinen Deut besser aus." Alan wollte sie wieder in seine Arme nehmen, doch sie entwischte ihm. Sie schloß die Tür der Duschkabine und streckte ihm die Zunge raus. Das konnte er nicht durchgehen lassen, befand Alan und beeilte sich, auch aus seinen Klamotten zu kommen. Jana schrubbte sich gründlich, sie wollte keine Minute länger so bleiben. Da sie nur die sichtbaren Körperteile eingefärbt hatte, sah sie jetzt noch lächerlicher als vorher aus. Verstohlen beobachtete sie Alan. Sein Körperbau war fast zu perfekt, stellte Jana fest. Er erinnerte mehr an eine Statue, denn an ein lebendes Wesen. Währenddessen war Alan zu ihr unter die Dusche geklettert und hatte sich von den braunen Flecken befreit. Er war kaum fertig, als er ihr schon den Schwamm aus der Hand nahm und fallen ließ. Heftig zog er sie an sich. Wie konnte sie nur so verrückt sein, dachte Jana. Jetzt ließ sie sich schon mit Gangstern ein! Dabei hatte sie geschworen, sich nie mehr mit Männern einzulassen, die einen gefährlichen Beruf hatten... Stardust streichelte Alan zärtlich. Irgendwie schien es mit diesen Vorsätzen bei ihr nie zu klappen. Firestar versuchte sich immer noch über seine Gefühle klar zu werden. Irgendwie war es anders... Doch dann beschloß er, das Ganze erst mal abzulegen und sich lieber anderem zu widmen. Er stellte das Wasser ab. Jana gab einen protestierenden Laut von sich, als der warme Regen versiegte. Alan lächelte und hob sie hoch. Es erstaunte Jana, mit welcher Leichtigkeit das geschah. Ihre 'Verflossenen' hatten derartige Kraftanstrengungen tunlichst vermieden. "Hm..." machte sie und schmiegte sich an Alan, während er sie in seine Kabine trug. Sanft legte er sie aufs Bett. "Es wird alles naß", warf Jana ein. "Na und?!" Er ließ sich neben ihr nieder und fuhr über ihre feuchte Haut. Stardust schauderte und kuschelte sich enger an ihn. Alan strich weiter forschend über ihren Körper. Jana seufzte, und zog ihn noch näher zu sich... Viel später war Jana in Alans Arm eingeschlafen. Er betrachtete sie nachdenklich, bevor er sie vorsichtig zudeckte. Jetzt hatte er genügend Zeit, um über seine Empfindungen nachzudenken und eine Analyse zu erstellen. 3762/03/33 GZ Jana erwachte und streckte sich genüßlich. Als sie dabei Alan berührte, setzte sie sich erschrocken auf. Einen Moment hatte sie nicht gewußt, wo sie sich befand. Firestar schien noch zu schlafen. Jana betrachtete ihn nachdenklich und konnte es nicht unterlassen, ihn zärtlich zu küssen. Plötzlich blickte sie direkt in seine stahlblauen Augen. Er wollte sie zu sich herunterziehen, doch Stardust stemmte die Hände gegen seine Brust. "Nein! Ich muß mit dir reden", meinte sie energisch. Alan ließ sich in die Kissen zurücksinken. Warum konnte nicht alles so bleiben, wie es war? Er vermutete, daß Jana über die Art ihrer Beziehung zu sprechen wünschte. Da waren wohl fast alle Frauen gleich. Sie wollten immer Sicherheiten. Das behagte ihm gar nicht, er legte sich nicht gerne fest. "Dir ist ja wohl klar, daß es so nicht weiter gehen kann", begann sie zögernd. "Warum nicht?" Aha, dachte er, jetzt kommt es. "Firestar und Stardust - Das kann nicht gut gehen... Du wirst deinen Lebenswandel nicht ändern, und ich kann mich nicht an einen 'Kriminellen' binden! Das schadet meinem Ruf", erläuterte sie zu Alans Erstaunen. "Ich dachte, du liebst mich", schmollte er, um Janas Reaktion zu testen. "Das habe ich nie gesagt. Ich hatte nicht vor, unsere Beziehung zu einer Dauereinrichtung werden zu lassen." Alan war verwirrt, er war sich sehr sicher gewesen, daß er Stardust um den Finger gewickelt hatte. Anscheinend hatten sie nun die Rollen getauscht. Er war verletzt, eine derartige Abfuhr hatte er bisher noch nicht erhalten. "Du hast recht", meinte er kühl. Auf keine Fall würde er zugeben, daß er damit nicht gerechnet hatte. "Als Firestar kann ich keine feste Bindung brauchen. Das würde mein Image zerstören. Ich bin ein freier Mann, und ich werde es bleiben!" Also hatte sie doch recht gehabt. Jana bemühte sich den gelassenen Gesichtsausdruck beizuhalten. Es lag ihm keineswegs so viel an ihr, wie er behauptete. Er war kein bißchen besser als die anderen Männer, die sie kannte. Es war alles bloß Lüge. Wie gut, daß sie noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen war. "Werden wir uns wiedersehen?" fragte Alan beiläufig. "Das wird sich wohl nicht vermeiden lassen!" Jana kletterte aus dem Bett und begann ihre Sachen zusammenzusuchen. Alan verfolgte ihre Bewegungen und überlegte, ob er nicht doch noch einmal versuchen sollte, sie umzustimmen. Doch leider war die Logik in ihren Worten nicht zu übersehen. Firestar durfte sein Vagabundenleben nicht aufgeben. Aber er war schließlich nicht nur Firestar. Das war lediglich ein Teil seiner Persönlichkeit. Er wollte nicht, daß Jana ging. Aber aufdrängen würde er sich auch nicht. Jana hatte sich inzwischen angezogen, und da Alan anscheinend nicht vorhatte, sie zurückzuhalten, machte sie sich auf den Weg. Als sich die Tür hinter ihr schloß, fiel ihr ein, daß sie ohne seine Hilfe die Fireflash gar nicht verlassen konnte. Verdammt, jetzt mußte sie doch noch mal zurück. Alan sah sie mit einem merkwürdig triumphierenden Blick an, als sie die Kabine wieder betrat. "Bilde dir erst gar nichts ein!" meinte sie. "Ich habe nur vergessen, daß ich ja ohne deine Hilfe nicht vom Schiff herunterkomme." Leider hatte sie nämlich nicht die geringste Ahnung, wie seine TM-Geräte programmiert wurden. "Okay!" Er stand auf und zog sich schnell an, bevor er sich zum Leitstand begab. Dort machte er eines der TM-Armbänder bereit. Schließlich hielt er das Ding Jana hin, die sich in den Co-Pilotensitz gesetzt hatte. Sie streckte ihm den Arm entgegen, und er legte ihr das Armband um. "So. Ich aktiviere das Gerät sobald du bereit bist", meinte er und überlegte, daß er sich wohl ein paar andere TM-Geräte anschaffen mußte. Seine Armbänder wurden ja ausschließlich durch Funksignale ausgelöst, was nicht immer praktisch war. Er würde sich etwas Ähnliches wie Blackfires TM-Gürtel zulegen müssen. "Ich bin fertig! Wo komme ich aus?" fragte Jana. "In der großen Halle der Starcave." Er betätigte einen Schalter, und Jana verschwand. Alan seufzte schwer, er war sich immer noch nicht darüber im klaren, was er eigentlich wollte. Stardust stand am Terminal ihres Computers in der Starcave und blickte nachdenklich auf das TM-Armband. War ihre Entscheidung richtig gewesen? Der Verstand gab ihr recht, doch ihr Gefühl behauptete das Gegenteil. Entschlossen warf sie das Armband in eine Ecke, sie würde einen Schlußstrich unter diese Episode ziehen. Es gab Wichtigeres, als einem Wunschtraum nachzutrauern. Auch ohne die ISPC gab es noch genug für sie zu tun. Sie beschloß, die Jagd auf das KD wieder aufzunehmen. In diesem Augenblick betrat Coryn die große Halle. "Ach, du bist auch mal wieder da", meinte er bei Janas Anblick. "Ich dachte schon, du hättest dich in Luft aufgelöst." Jana hatte ein schlechtes Gewissen, Coryn so beiseite gestellt zu haben. Schließlich waren sie Partner. "Tut mir leid. - Aber es wird nicht mehr vorkommen. Ich habe meine Lektion gelernt." Coryn sah sie irritiert an. "Was?" fragte er. "Schon gut, die Sache ist erledigt. Wir sollten zusehen, daß wir langsam wieder Geld in die Kasse bekommen. Oder wir müssen uns einen neuen Job besorgen." "Hm, viel ist wirklich nicht mehr da. Kannst du nicht..." begann er zögernd. "Nein, kann ich nicht. Nardias Geld bleibt, wo es ist! Wir müssen uns schon etwas anderes überlegen." "Vielleicht sollten wir eine Bank überfallen", schlug Coryn vor. Jana konnte gerade noch eine Erwiderung unterdrücken. Sie mußte aufpassen, was sie sagte. "Das, oder wir versuchen, wieder in die ISPC zurückzukehren. Die Aufregung um Firestar hat sich ja schon ziemlich gelegt." "Warten wir noch etwas, sonst sieht es so dumm aus. Als wenn wir ohne die nicht zurechtkämen." Coryn sah sie nachdenklich an. Irgendwas verschwieg Jana ihm. "Gut. Warten wir noch etwas. Aber trotzdem brauchen wir ja nicht untätig hier herumzuhängen. Was gibt es neues in der Szene?" fragte sie, nahm Coryns Arm und stiefelte in Richtung Küche. Jetzt würde sie sich erstmal ein ausgiebiges Frühstück genehmigen. 3762/03/35 GZ Es war Abend, und Blackfire ließ sich gestreßt in den gewaltigen Trivid-Schwebesessel fallen. Irgendwie war die Idee, Anyas Rolle zu spielen, ein mehr als nur total idiotischer Einfall gewesen, überlegte sie in einer kurzen Retrospektive. Nun gut, sie hatte Elycia und Ninya - die Zwillinge - nur vielleicht eine halbe bis eine Stunde pro Tag aus Repräsentationsgründen da, aber selbst diese zerrte gewaltig an ihren Nerven. Sie war immer froh, wenn sie die Kinder wieder zu Anya auf die Lightning zurückpacken konnte. Wenigstens hatte sie keine Probleme mit Hyko. Natürlich hatte der Junge sofort gemerkt, daß sie nicht seine Mutter war, aber Karylla hatte ihm erzählt, daß sie eine Agentin der Regierung war und einen wichtigen Auftrag hatte. Als sie ihm dann ein Schweigegelöbnis abnahm, war er mehr als nur stolz gewesen, und sie hatte ihm nur ein paar ihrer angeblichen Abenteuer im Geheimdienst erzählen brauchen, und Hyko hatte versprochen, zu schweigen wie ein Grab. Nun, dafür hatte sie ihm ja schon jetzt die Erlaubnis erteilt, daß er, sobald der Auftrag abgeschlossen war, seinen Kumpels einiges von seinem Abenteuer hier berichten durfte... Wenigstens hatte sie vor drei Tagen ihren ersten Arbeitstag im ISPC-Department von Tamsaioll mit Bravour hinter sich gebracht. Allerdings war ihr dabei zustatten gekommen, daß sie auch ab und zu in der ISPC-Zentrale von Tarishaan gewesen war und somit den Betrieb dort einigermaßen aus Erfahrung kannte. Plötzlich ertönte der Türsummer. "Auf den Schirm!" befahl Karylla, und die Überwachungskameras der Haustür projizierte eine untersetzte, füllige Gestalt mit leicht schütterem hellgrauen Haar auf den Trivid-Schirm. Hm. Das war wohl Chemery Demulla Komvall live, dachte sie. Irgendetwie fand sie Anyas Geschmack diesbezüglich ...eigenwillig. Aber der brauchte nicht zu glauben, daß er ihr auch nur auf einen halben Meter nahe kommen dürfte! Bestimmt nicht! Blackfire überlegte, was sie an Informationen diesbezüglich von Anya bekommen hatte. Irgendwie schien es in der Beziehung ohnehin zu kriseln, dachte sie. Wäre es nicht vielleicht die Zeit und der Ort, die Situation endgültig zu klären? Auf jeden Fall war dann eine weitere Gefahr bezüglich ihrer Enttarnung beseitigt. "Guten Tag, Chemery", sagte sie über die Sprechverbindung. Sie wußte, daß nun ihr Konterfei auf dem kleinen Bildschirm neben der Haustür zu sehen war. "Anya?!" fragte dieser irritiert. "Willst du mich nicht hereinlassen?" "Nein", entgegnete Blackfire cool. "Ich habe mir alles genau durch den Kopf gehen lassen - ich habe nicht die Absicht, weiter mit dir zusammenzubleiben." "Aber - Anya..." "Tut mir leid. Ich habe keine Lust, mit dir darüber zu streiten. Du kannst gerne noch deine Sachen holen, aber ich möchte erst einmal meine Ruhe haben." Chemery guckte wie vor den Kopf geschlagen. Gut, sie hatten sich gestritten - aber nun das?! Er funkelte sie wütend an. "Bitte sehr - wenn du meinst? Aber bilde dir nicht ein, daß du noch einmal zu mir zurückgekrochen kommen könntest!" Er wandte sich ab und stürmte davon. Karylla atmete auf. Den wäre sie los. Sie fragte sich, was wohl Anya von der Entwicklung der Dinge halten würde - aber was sollte es? Sobald diese in absehbarer Zeit im Gefängnis saß, wäre es ohnehin irrelevant. Sie aktivierte die Funkverbindung zur Lightning. "Hallo, Ryko, mein Schatz!" "Was hast du jetzt schon wieder angestellt", kam es gestreßt zurück. Er wollte es zwar nicht zugeben, aber Anya Kheshaiell kostete ihn doch mehr Nerven als er jemals zu besitzen geglaubt hätte. "Ich? Nun, ich habe diesen Komvall-Typen vor die Tür gesetzt..." "Wirklich? Sehr gut." Infinity war begeistert, auch wenn er das vor seiner Partnerin nicht unbedingt so offen zeigen wollte. Das hieße, am heutigen Tag gab es doch noch einen Lichtblick, nachdem Anya ihn zum wiederholten Male gezwungen hatte, beim Füttern ihrer Zwillinge zu assistieren... Ryko seufzte abgrundtief. Wohin sollte das noch führen? 3762/03/36 GZ Nardia Blade war begeistert. Schon wieder so eine dumme Eröffnungsfeier, diesmal die des City-Centers. Es würde dort bestimmt schrecklich voll sein, aber solange sie keine Rede halten mußte, ließ sich das Ganze ertragen. Glücklicherweise war die Ehre, sich am Podium vor versammelter Mannschaft auslassen zu müssen, an jemand anderen gegangen... Außerdem war sie viel zu neugierig, um zu Hause zu bleiben. Das Gesprächsthema Nummer 1 der letzten Tage würde nämlich dort zugegen sein. Michael Anthony Bradley, der Besitzer von ElCoTech, war nach Jahren der Wanderschaft endlich nach Tarishaan zurückgekehrt, um die Firma zu übernehmen. Es hieß, er wäre immer noch unterwegs, wenn ihn nicht eine Testamentsklausel dazu gezwungen hätte, dort vor seinem 30. Geburtstag anzutreten und die Fäden in die Hand zu nehmen. Sämtliche weibliche Wesen in Nardias Bekanntschaft brannten darauf, den jungen Mann kennenzulernen, vor allem, da er den Gerüchten nach umverschämt reich sein sollte, und zudem war er wohl auch noch sehr gutaussehend. Nardia grinste, bestimmt würde er sich als unscheinbarer Mann mit Bauch entpuppen. Was den Reichtum betraf, so hatte die Gerüchteküche wohl recht. ElCoTech war eine große Elektronik- und Computer-Firma, die als Zulieferbetrieb für Blade Enterprises arbeitete. Endlich hatte Nardia das City-Center erreicht. Sie stieg aus dem Gleiter und begab sich zu ihrem Sitzplatz. Neugierig sah sie sich um. Leider war es viel zu voll, um einen Überblick zu haben. Soeben bat ein älterer Herr die Gäste, sich zu setzen, damit man mit der Feierlichkeit beginnen konnte. Als Ruhe eingekehrt war, trat eine muntere Lady auf das Podest. Nardia erkannte in ihr Thalia Denia Tine, die Tochter eines hiesigen Bankiers. 'Seufz', dachte Nardia resigniert, wenn Thalia einmal redete, dann hörte sie für die nächsten Stunden nicht auf. Sie konnte sich also schon mal auf einen längeren Aufenthalt einrichten, und das bei diesen grauenhaft unbequemen Plastiksesseln. Nach einigen Minuten stellte Nardia mit Erstaunen fest, daß der Platz neben ihr immer noch frei war und daß alle diesen Platz pausenlos kontrollierten. Nardia vermutete völlig richtig, daß Michael Anthony Bradley noch nicht da war. 'Falls er überhaupt kam', dachte sie. 'Ich würde nicht kommen, wenn ich er wäre...' Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie sich alle anwesenden Damen auf den neuen - und vor allen Dingen unverheirateten - Mann in der Gesellschaft stürzen würden. Sie konnte von derartigen Attacken ein Lied singen, schließlich wurde ihr pausenlos vorgehalten, daß es doch Zeit wäre, sich zu verehelichen, sie wäre ja immerhin schon fast 28 Jahre alt. Danach wurde dann immer das Lob irgendwelcher Herren gesungen, die doch hervorragend zu ihr passen würden. Dabei hatte Nardia schon oft genug zu verstehen gegeben, daß sie nie heiraten würde - aber das wurde natürlich immer überhört. Sie bedauerte diesen Monsieur Bradley von Herzen... Thalia redete immer noch, stellte Nad mit einem Blick auf das Podest fest. Sie hatte bis jetzt noch nicht ein Wort mitbekommen. Vielleicht sollte sie doch mal zuhören, nachher würde man bestimmt wieder mit ihr über diesen Vortrag diskutieren wollen. So bekam sie erst mit, daß Monsieur Bradley angekommen war, als er sich neben ihr niederließ. Nardia sah ihn kurz an, bevor sie sich eilig wieder dem Podest zuwandte, sie konnte ihn ja schlecht anstarren. Die Klatschtanten hatten ausnahmsweise mal nicht übertrieben. Er sah wirklich sehr gut aus - leicht zerzaustes schwarzes Haar, dunkelgrüne Augen und ein hübsches Gesicht - jedenfalls, soweit Nardia es bei dem kurzen Blick hatte erkennen können, und er schien zudem ziemlich groß zu sein. Bei seiner Ankunft hatte ein leises Tuscheln eingesetzt, das jetzt erst wieder abflaute. Hoffentlich war das hier bald vorbei, wünschte Nardia sich sehnsüchtig. Michael Bradley fühlte sich auch nicht gerade wohl, da er anscheinend alle Blicke auf sich zog. Grauenhaft, was die nur von ihm wollten? Am liebsten wäre er geflüchtet... Er sah stur auf die Rednerin, was ihm am unverfänglichsten erschien und überlegte verzweifelt, wie er dem Ansturm entrinnen konnte. Schließlich hatte er eine Idee... "Mademoiselle Blade," meinte Michael leise. Nardia sah ihn fragend an. Seine Augen waren tatsächlich dunkelgrün. "Entschuldigt, daß ich Eure Aufmerksamkeit in Anspruch nehme. Aber ich dachte mir, daß Ihr mir vielleicht einen Rat geben könntet, wie ich von hier entkomme." Er warf einen Blick auf die anderen Gäste. "Sehr gern." Nardia war natürlich gern bereit zu helfen, denn sie hatte gerade Thorn Graven entdeckt, der sie garantiert wieder stundenlang mit dummen Komplimenten überschütten würde. "Allerdings müßtet Ihr mir auch einen Gefallen tun." "Das versteht sich doch von selbst." "Dann geht jetzt, und ich werde sagen, Ihr holt etwas für mich und kämt gleich zurück. Dafür könntet Ihr mir eine Nachricht übermitteln lassen, daß ich sofort nach Blade Manor zurückfahren muß, weil... Euch wird schon etwas einfallen." "Ich bin Euch unendlich dankbar", erwiderte Michael und erhob sich. Schnell verließ er das City-Center, während Nardia lautstark verkündete, Monsieur Bradley wäre so nett, ihr ein Glas Wasser zu holen, da sie die Hitze durstig gemacht hatte. Thalia hatte nun doch ihre Rede beendet, es hörte ja eh keiner zu. Die Gäste stürmten zum Buffet, dem eigentlichen Grund für ihre Anwesenheit. Kaum war Nad dort angekommen, als ihr eine Nachricht überreicht wurde, nach der auf Blade Manor ihre Gegenwart notwendig war, da sich der Alarm eingeschaltet hatte und keiner ihn ausschalten konnte. Nardia entschuldigte sich schnell, wobei sie demonstrativ mit der Folie herumwedelte. Sie schaffte es gerade noch, Thorn abzuwimmeln, der sie unbedingt begleiten wollte. In ihrem Gleiter lachte Nardia über diesen Brief. Aber immerhin war die Ausrede glaubwürdig genug, da es wirklich einen Alarm gab, der allerdings nicht nur von ihr abgestellt werden konnte... 3762/03/39 GZ "Madame Kheshaiell, würden Sie das bitte rasch unterschreiben?" Ihr Sekretär Elyko Aella Savionall, ein mittelgroßer Mann mit hellrotblonden Haaren, hielt ihr eine Mappe hin, auf der mindestens zwei Dutzend Folien gestapelt waren. Seufzend nahm Blackfire die Kladde entgegen und blätterte die Unterlagen durch. "Warum nur muß jede Bestellung in einem Wert von über 25 Credits von mir unterzeichnet werden?! Die Abteilungsleiter wissen doch viel besser, was davon sinnvoll ist oder nicht..." "Aber die Abteilungsleiter lassen lieber jemand anderen die Verantwortung für all das übernehmen", meinte Elyko, nicht ohne eine gewisse Schadenfreude. Für das Gehalt eines ISPC-Departmentleiters sollte der oder diejenige auch etwas tun, befand er. "Schön, schön..." Anya-Karylla wühlte ihren Codemarker aus der Brieftasche und berührte den Scan-Sensor, der ihren Fingerabdruck auf Gültigkeit überprüfte, damit die elektronische 'Unterschrift' als gültig markiert wurde, bevor sie mit der Schreibspitze über das Identfeld der Folien fuhr. "So, das hätten wir", meinte sie kurz darauf erleichtert. "Was steht ansonsten an?" "Vize-Königin Rayana von Fayn-Ankhrayn gewährt Euch eine Audienz, damit sie mit Euch die Organisation der Großfahndung nach ihrer entlaufenen Tuzhanna besprechen kann." (Tuzhanna - 1-2m lange (ohne Schwanz; mit: 4-5m) weiß/silberne, naravinische Raubkatze) "Sind wir hier die planetarische Tierfänger-Anstalt? Erst das Schoßhündchen dieser ansikkanischen Baronesse, dann die sinhalonische Spinnenschlange, und jetzt eine Tuzhanna!" "Dürfte ich Sie daran erinnern, daß Vize-Königin Rayana die Gemahlin seiner Durchlaucht Vize-König Tamwayns von Fayn-Ankhrayn ist, des naravinischen Botschafters auf Enaryshavell..." "Sicherlich nicht", meinte Karylla verstimmt. "Wann 'gewährt' sie mir ihre 'Audienz'?!" "Sofort! Sie ist vor fünf Minuten ins Vorzimmer gestürmt." "Oh Herrin der düsteren Träume! - Dann laßt sie zu mir, Elyko." Anyas Sekretär neigte leicht den Kopf und führte die Anweisung aus. Sogleich erschien eine kupfer- und bernsteinfarben gekleidete Naravina mit einer beeindruckenden Hochfrisur aus altgoldenem Haar, die sie um noch mindestens zwanzig Zentimeter größer machte als ihre normalen 1.94m. In ihrem Gefolge waren zwei Leibwächter, eine Zofe und ein weiteres Mädchen, das bitterlich weinte. "Seid begrüßt, Madame Departmentleiterin", wurde Anya von Rayana begrüßt. "Auch ich grüße Euch, Vice-Reine Rayana", sagte Blackfire respektvoll. Es war immer unklug, eine Naravina (oder einen Naravino) von Adel zu verärgern, da dies unter Umständen sehr unangenehme Konsequenzen zeitigen konnte. "Was ist Euer Begehr, Durchlaucht?" "Hat Euch Euer Sekretär nicht Unsere Botschaft ausgerichtet? Dieses unglückselige Kind", Rayana deutete mißbilligend auf die tragische Gestalt der jungen Naravina, "hat Unsere geliebte Shareeya - eine Tuzhanna - entlaufen lassen! Wir erwarten nun von Euch, daß Ihr diesen Schicksalsschlag ungeschehen macht, indem Ihr Unsere Tuzhanna zurückbringt!" Sie reichte Karylla ein Holo der Katze, einem wahrhaft wunderschönen Exemplar der Spezies, wie auch Blackfire zugeben mußte. "Sehr wohl, Vice-Reine Rayana. Ich werde mich persönlich darum kümmern." Sie plazierte das Holo sorgfältig auf ihrem Schreibtisch. "Es erfreut Uns, dies zu hören. Wir erwarten einen baldigen Erfolg." Hoheitsvoll rauschte Rayana mit ihrem Hofstaat wieder davon. Kaum war die Gattin des naravinischen Botschafters verschwunden, als Karylla ihren Sekretär zu sich rief und ihm das Holo in die Hand drückte. "Elyko, geben Sie das Bild bitte an alle Mitarbeiter durch. Wer das Tierchen sieht, soll es unverzüglich einfangen und hier abliefern." "Wird gemacht", meinte der Mann grinsend. Diese Vorgehensweise entsprach sicherlich nicht Vize-Königin Rayanas Vorstellungen, denn diese sah bestimmt vor ihrem geistigen Auge, wie die hiesige ISPC-Chefin persönlich den gesamten Planeten abgraste, nur um das vermißte Kätzchen aufzuspüren... Verstohlen blickte Blackfire auf die Uhr. Gleich! Gleich war Feierabend, und sie konnte hier raus! Sie war mittlerweile ziemlich fertig mit den Nerven und beschloß, daß sie einmal wieder eine ordentliche Betätigung brauchte. Am besten, sie nahm sich diese hübsche Bank in Fah-Telsa vor, einem Nachbarort von Tamsaioll und veranstaltete mal wieder einen kleinen Raubzug... "Monsieur Maiell, wenn Sie mir nicht augenblicklich hier helfen, dann werden Sie sehen, was Sie davon haben! Die Kinder werden in ihren alten Windeln liegen und die ganze Zeit hindurch unentwegt schreien, und ich werde zusehen, wie Sie dabei leiden!" Anya setzte ihren besten niederträchtigen Gesichtsausdruck auf, und Ryko merkte überdeutlich, daß sie ihre Drohung wahrmachen würde. "Nun gut", stimmte er also seufzend zu. "Was soll ich tun?" "So, jetzt nehmen Sie erst einmal Ninya und wechseln ihr die Windeln. Ach, außerdem können Sie doch das Trivid einschalten. Um diese Zeit müßte eigentlich in EGZ1 die Serie 'Der Prediger von Eskevall' laufen..." "Wie es Euch beliebt..." Ryko hatte am Anfang nicht die Wünsche Anyas befolgt, und das Resultat war furchtbar gewesen. Sie hatte angefangen herumzukreischen, und als er ihr ein Betäubungsmittel gegeben hatte, da war sie zwar still, aber plötzlich fingen die Zwillinge anscheinend ohne Grund an herumzuplärren. Es hatte ihn geschlagene vier Stunden (untermalt von dem Geschrei der beiden) gebraucht, um Anya wieder wach zu bekommen, wobei sie die Kinder innerhalb weniger Minuten völlig ruhiggestellt hatte. Es war ihm unbegreiflich. Und nun bestand Anya darauf, daß er als ihr Kidnapper sich gefälligst gänzlich um die Kinder zu kümmern hatte, wobei sie sich königlich über seine diesbezüglichen Versuche amüsierte. Es war einfach nicht fair! 3762/03/40 GZ Nardia lag in ihrem monumentalen Himmelbett und widmete sich der Tagespresse und der Post. Da heute nichts auf dem Programm stand, hatte sie beschlossen, mal einen Suuntag im Bett einzulegen. Sie hatte ja sonst meist zu viel zu tun, um sich das erlauben zu können. Nad reckte sich genüßlich, wobei sie beinahe das Frühstück vom Schwebetablett warf. Schnell schob sie das Teil aus der Gefahrenzone. Sie war erstaunt, daß auch heute nichts über Michael Bradley und sie in der Zeitung stand. Eigentlich hatte sie schon am Telmitag damit gerechnet. Aber Schweigen im Blätterwald - zwar hatte man Monsieur Bradley einige Artikel gewidmet, aber nur im Wirtschaftsteil. Nardia vermutete, daß er die Reporter bestochen haben mußte. Zwar gab es auch nichts zu schreiben, aber das hatte die Presse ja noch nie interessiert. Monsieur Bradley war seit der Eröffnungsfeier nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetaucht, und dort hatte niemand ein Wort mit ihm wechseln können. Es wäre also nicht verwunderlich gewesen, wenn sich die Typen irgendwas ausgedacht hätten. Aber nichts - er mußte die Leute bestochen haben. Es hatte Nardia amüsiert, daß man sie sogar bedauerte, daß Monsieur Bradley sie als Vorwand benutzt hatte, um so schnell zu verschwinden. Sehr eigentümlich, da sonst die erste Vermutung bestimmt so gelautet hätte, daß sie ein heimliches Verhältnis mit ihm hätte. 'Eigentlich könnte ich noch eine Tasse Kaffee trinken', dachte Nardia und versuchte, das Schwebetablett zu erreichen, ohne das Bett zu verlassen. Genau in diesem Moment klingelte das Viphon, Nardia verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Teppich. Fluchend stemmte sie sich in die Höhe, um den Anruf entgegen zunehmen. Wer rief jetzt schon wieder an? Hatte man denn nie seine Ruhe? "Ja?" meinte Nardia, nachdem sie die Verbindung aktiviert hatte. "Guten Morgen, Mademoiselle Blade." "Monsieur Bradley!" sagte Nad irritiert. Was wollte er von ihr? "Habe ich Euch etwa geweckt?" "Nein." Schnell zog Nardia die Bettdecke über sich, sie war in ihren Nachthemd nicht unbedingt gesellschaftsfähig. "Ich war schon wach." "Ich habe gedacht, ich lade Euch zum Essen ein. Zum Dank für die Rettung am Telmitag." Michael lächelte schelmisch. "Oder habt Ihr schon andere Pläne für heute?" "Nein", äußerte sich Nardia nachdenklich. Sehr merkwürdig... Warum lud er sie zum Essen ein, wo er das doch gar nicht nötig hatte? Sie wurde sonst immer nur eingeladen, wenn jemand etwas von ihr wollte. Eine Spende, eine Rede, ihre Zustimmung etc. "Nun, wie habt Ihr Euch entschieden?" fragte Michael. "Einverstanden. Wann?" Wenn sie nicht hinging, konnte sie auch nicht herausfinden, warum er sie einlud... "Sagen wir in einer Stunde. Oder reicht Euch das nicht?" "Doch, natürlich. Wo wollen wir uns treffen?" "Ich hole Euch ab", meinte Michael. "Bis dann." Der Bildschirm erlosch. Nardia saß gedankenverloren im Bett, bis ihr Blick auf die Uhr fiel. Oh, verdammt, jetzt mußte sie sich aber doch beeilen, um noch rechtzeitig zu kommen. Eine Stunde später sauste Nardia gerade aus dem Portal von Blade Manor, als ein Gleiter den Zufahrtsweg heraufkam. Sie bemühte sich, nicht allzu abgehetzt auszusehen, sonst hieß es wieder, Frauen würden immer auf die letzte Minute erscheinen. Immerhin war sie noch vor Monsieur Bradley da, dachte Nardia erleichtert. Der schnittige, feuerrote Blade Dragon hielt vor der Freitreppe. Betont langsam kam Nad diese herunter. "Guten Tag, Mademoiselle Blade", begrüßte Michael sie, nachdem er ausgestiegen war. "Hallo." "Ihr seht bezaubernd aus", meinte Monsieur Bradley, während er Nardia beim Einsteigen behilflich war. Nardia lächelte. Aber sie mochte derartige Komplimente nicht, da sie eh meist reine Höflichkeit waren. "Wohin fahren wir?" fragte sie neugierig. "Wie wäre es, wenn Ihr Euch überraschen laßt?" Michael nahm wieder im Gleiter Platz und lenkte diesen auf die Straße zurück. "Fein." 'Er bringt mich garantiert zu einem dieser Yuppie-Schuppen', vermutete Nardia, doch zu ihrem Erstaunen fuhren sie nicht in Richtung Innenstadt, sondern in die genau entgegengesetzte Richtung. Einige Zeit später hielt Michael vor einem kleinen Restaurant in einer Kleinstadt. Nardia meinte, 'Warleen' auf dem Ortsschild gelesen zu haben. Sie war noch nie hier gewesen, obwohl Warleen kaum 10 Minuten von Blade Manor entfernt lag. "Wir sind da!" meinte Monsieur Bradley und half Nardia beim Aussteigen, bevor er sie in das Lokal führte. Nardia war überrascht, da das Restaurant sehr klein war, aber eine wohlige Gemütlichkeit ausstrahlte. Sie vermutete, daß es uralt war, denn fast die ganze Einrichtung bestand aus echtem Holz, ebenso wie die dunkle Täfelung der Wände. Faszinierend... Sie nahmen an einem kleinen Tisch in der Ecke des Lokals Platz. Sofort eilte ein Kellner herbei und reichte ihnen die Speisekarten. "Vielen Dank", meinte Michael. "Bringen Sie mir schon mal einen leichten Rotwein. - Was möchtet Ihr, Mademoiselle Blade?" "Ich hätte gern einen Demisaaner Blutwein." Sie blickte den Ober fragend an. "Einen 57er?" fragte er zurück, und als Nardia nickte, verschwand er, um das Gewünschte zu holen. Nad wandte sich der Speisekarte zu. Die Gerichte waren allesamt eher rustikal als ausgefallen, aber das war einmal etwas neues. Sie entschied sich schließlich für gebackenes Geflügel im Gemüsebett, während Michael eine Fleischplatte bestellte. Nachdenklich nippte Nardia an ihrem Wein, während sie Monsieur Bradley betrachtete. Irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor, nur konnte sie einfach nicht herausfinden was... "Wie gefällt es Euch hier?" fragte Michael neugierig. "Es ist wundervoll. Ist das Holz wirklich echt?" schwärmte Nardia. "Ich glaube schon. Immerhin existiert das Lokal, so wie es jetzt ist, schon seit gut 300 Jahren." "Oh!" Was Nardia allerdings weit mehr interessierte, war, warum Monsieur Bradley sie zum Essen eingeladen hatte. "Wie lange seid Ihr eigentlich schon wieder in Ashteera?" "Ich bin vor ungefähr einer Woche hier angekommen", gab Michael Auskunft. Nardia löcherte ihn weiterhin mit Fragen, selbst das Essen konnte sie nicht davon abhalten. Michael beantwortete ihr alles, ohne die Geduld zu verlieren. Nur eine Frage, nämlich die, ob er noch ungebunden sei, quittierte er nur mit einem Lächeln. Nardia hätte sich dafür im Nachhinein am liebsten in den Hintern getreten, da Monsieur Bradley es anscheinend ganz anders verstand, als sie es meinte. Für ihn hatte es bestimmt so geklungen, als wenn sie Interesse an ihm hätte. Hm, eigentlich war das gar nicht so falsch, er interessierte sie sehr... Nach dem Essen fuhr Monsieur Bradley Nardia wieder nach Hause. Er hatte sich vorgenommen, langsam vorzugehen... Nardia war vollständig verwirrt, da sie nicht hatte herausfinden können, was Monsieur Bradley beabsichtigte. So hatte es dieser auch nicht schwer, Nardia zu einem weiteren Treffen am nächsten Suuntag zu überreden. 3762/03/45 GZ Fluchend schob sich Alan unter einem Maschinenteil hervor. Jahrelang war die Fireflash ohne Probleme durch die Gegend geflogen, aber kaum war er in der FGS, als auch schon ein Aggregat nach dem anderen den Geist aufgab. Diesmal hatte es den Antrieb erwischt, und er bastelte nun schon drei Tage daran herum. Er hatte die Triebwerke bestimmt schon zweimal vollständig auseinandergenommen, aber keinen Fehler gefunden. Am Eniatag war er von Tarishaan aufgebrochen, um einen kleinen Raubzug auf Dvaris zu unternehmen. Es waren dort einige neue Energiezellen entwickelt worden, die ihn doch sehr interessierten. Aber heute war schon Ensitag, und er hing immer noch auf halben Weg zwischen Suune V/Tenmara und Suune VI/Ensiria fest. Es war zum Verzweifeln... Alan kletterte wieder zwischen den Maschinenteilen umher, er hatte nun wirklich jede Fehlermöglichkeit überprüft, aber das blöde Teil gab nicht den geringsten Laut von sich. Wütend trat Alan gegen eine Abdeckplatte und wollte den Maschinenraum verlassen, um sich sich zu duschen, als ihn ein leises Summen aufhorchen ließ. Der Antrieb funktionierte wieder, und es wurde nicht mal ein Fehler gemeldet. Das konnte doch nicht wahr sein... Um sein Glück nicht herauszufordern, beschloß Alan, erst mal nach Tarishaan zurückzufliegen, um sich die Sache dann noch mal genau anzusehen. Aber zuerst mußte er seinen Frust loswerden und die beste Möglichkeit, dies zu tun, war nun mal ein kleiner Raubzug... Er entschloß sich, die Tarishaan-Bank von Ashteera auszuräumen. Den Planeten konnte er mit der Fireflash ja sowieso nicht verlassen, und die Bank hatte es ihm schon länger angetan... 3762/03/48 GZ Das Viphon summte unüberhörbar. Seufzend stellte Blackfire ihren Kaffeebecher auf den Schreibtisch 'ihres' Büros. Was mochte nun schon wieder anstehen? War vielleicht der Lyrellin eines hochkarätigen Diplomaten entflogen (Nein, es würde ja wieder heißen, 'er sei entführt worden', berichtigte sich Karylla in Gedanken.)? (Blaßvioletter enaryshanischer Raubvogel, der häufig zur Jagd verwendet wird, Spannweite etwa 75cm.) Oder sollte es diesmal ein wirklicher Fall werden, z.B. ein Umweltdelikt, dem die ISPC auf die Spur kommen sollte, weil die normalen Fahnder nicht weiter kamen? "Viphon ein", sagte sie halblaut, und das Gerät aktivierte sich. Allerdings zeigte der Monitor nur das 'Visio nicht aktiv'-Signal, das heute aus einem Hologramm eines aufstrebenden enaryshanischen Künstlers bestand, ein verworrenes Gebilde aus Linien und Farben, das Kary verdächtig an ihre eigenen Machwerke erinnerte. "Hier spricht Anya Ivhella Kheshaiell, Leiterin des ISPC-Departments Enaryshavell-Tamsaioll. Was wünschen Sie, bitte?" "Madame Kheshaiell, hier spricht Telery Aulla Revesholl..." Blackfire konnte gerade noch ein unwilliges Stirnrunzeln unterdrücken. Dieser Typ war Anyas Boß vom Konsortium D! Was mochte er hier und jetzt von ihr wollen? "Ich wollte Ihnen Mitteilung machen, daß sich das Problem mit den belästigenden Anrufen im Appartment meiner Frau in der Rue Duviall im Nevashall-Distrikt offensichtlich erledigt hat. Sie brauchen diese Angelegenheit also voraussichtlich nicht weiter zu verfolgen. Ich werde allerdings noch einen oder zwei Tage abwarten, wenn sich dann bis zum Abend nichts getan hat, sehe ich das Problem endgültig als bereinigt an." "Selbstverständlich", erwiderte Anya-Karylla der Form gemäß. "Ich danke Ihnen für Ihren Anruf, Monsieur Revesholl." "Die Mutter der Träume sei mit Ihnen, Madame Kheshaiell." "Auf Wiederhören." Als die Verbindung unterbrochen war, stieß Blackfire erst einmal einen lästerlichen Fluch aus. Telery Revesholl hatte nicht mehr und nicht weniger übermittelt als die Botschaft, daß sie in der Zeit von morgen bis übermorgen die ISPC-Agenten und wenn möglich auch die Weltraumpolizei von der Rue Duviall fernhalten sollte, damit in dieser Zeit eine größere Drogenlieferung über die Bühne gehen konnte. Die Mutter der Träume als Codewort für Rauschgift zu verwenden, war eine bodenlose Unverschämtheit, fand Karylla, denn immerhin war diese annähernd gleichrangig mit der Dunklen Mutter, der obersten Göttin der enaryshanischen Rhianna-Kaste. Was sollte sie nun unternehmen? Sie mußte dem KD offenbar in die Hände spielen, sonst wäre ihre Tarnung dahin und sie könnte ihren eigentlichen Plan, dieses Syndikat komplett zu zerschlagen, nicht durchführen. Es war frustrierend. Eine Ladung einer der Serie D-Drogen konnte tausende von Menschen abhängig machen oder umbringen... Aber andererseits - wenn niemand das Konsortium D aufhielte, würde es über Jahre hinweg weiter Drogen verteilen, und unendlich viel mehr Menschen würden dem Gift verfallen... Konnte sie hier einfach eine kleinere 'Menschenmenge' opfern, um damit später - im Falle eines etwaigen Erfolges, hieß das! - eine größere Menge zu retten? Man konnte Menschenleben nicht aufrechnen, dachte sie, und ein einzelnes Leben war nun einmal ebenfalls unendlich kostbar. Würde sie zufällig zu den 'paar' dem Allgemeinwohl 'geopferten' gehören, sähen ihre Überlegungen sicherlich anders aus... 'Oh, Dunkle Mutter - Ryko, ich wollte, du wärst hier', kam es Karylla in den Sinn. 'Du würdest bestimmt eine Lösung finden... - Oder?' Sie wünschte sich seine tröstliche Gegenwart herbei; er sollte sie jetzt in die Arme nehmen und einfach nur festhalten. Blackfire seufzte. Sie hatte ihn nun über eine Halbwoche (5 Tage enaryshanischer oder Galakta-Zeit - eine Vollwoche hat 10 Tage.) nicht gesehen und vermißte ihn schmerzlich, vor allem in Situationen wie dieser... Gut, heute früh hatte sie ihn am Viphon gesprochen, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren - aber leider ging hier ihr Job vor. Sonst wäre sie längst wieder auf der Lightning gewesen... "Verdammt!" sagte Blackfire zu sich selbst. 'Ich muß die Sache durchziehen. Ich muß es einfach! Schweren Herzens gab sie die Befehle, die dem Konsortium D freie Bahn in Nevashall machen würden. 'Aber daß ich mich dabei hundeelend fühle, kann mir wohl kaum jemand ersparen?!' Ziemlich fertig mit den Nerven lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück und grübelte darüber nach, ob sie wirklich richtig gehandelt hatte. 3762/04/01 GZ Alan war inzwischen auch nicht untätig gewesen. Er war zu dem Entschluß gekommen, daß er die ISPC am besten von innen heraus säubern konnte. Wenn er Angestellter der Organisation war, würde die Datenbeschaffung erheblich vereinfacht, also hatte er sich einfach dort beworben, für einen Bürojob. Leider war momentan nur eine Stelle in der Rechnungsabteilung frei, und das war nicht ganz das, was er erhofft hatte, aber er mußte sich damit zufrieden geben. Alan hatte sich eine Tarnidentität ausgearbeitet, die ohne Probleme alle üblichen Sicherheitsüberprüfungen überstand. Im Augenblick befand er sich auf der Fireflash, um die letzten Vorbereitungen für seine Rolle zu treffen. Nachdenklich musterte er sein Spiegelbild. Das war nun Eric Lavie. Mißmutig versuchte er, seinen dunkelblonden Schopf zu bändigen, aber das einzige, was er erreichte, war, daß sein Haar nun erst recht in alle Richtungen abstand. Alan seufzte tief, dieses Färbemittel würde er nicht noch einmal verwenden. Wenigstens hatte er mit der Augenfarbe keine Probleme, allerdings war das Grün ein ungewohnter Anblick. Aber nun mußte er sich wirklich beeilen. Es würde bestimmt keinen guten Eindruck machen, wenn er an seinem ersten Arbeitstag zu spät kommen würde. Alan zog sich schnell einen dunkelgrauen Overall über und transmittierte dann nach Ashteera. Er schaffte es soeben noch, die ISPC pünklich zu erreichen. Das Hauptquartier lag inmitten einer Grünfläche in einer Vorstadt Ashteeras. Alan betrachtete das riesige Bürogebäude fasziniert. Live hatte er das schwarze Haus mit den verspiegelten Fenstern noch nie gesehen. Bis jetzt hatte er es möglichst vermieden in dessen Nähe zu kommen. Auf dem Dach waren die silbernen Schwingen, das Abzeichen der ISPC zu sehen. Alan fragte sich, wie es dazu hatte kommen können, daß seine Anwesenheit hier erforderlich war. Er vermutete, daß die Anlagen einfach von der Zeit überholt worden waren. Nächsten Monat waren es zwanzig Jahre, die die ISPC nun bestand, und viel hatte sich seitdem nicht verändert. So fortschrittlich die gesamte Einrichtung damals war, so veraltet war sie heute - jedenfalls, was die Sicherheit betraf. Seufzend riß sich Alan vom Anblick des Hauses los, er wurde erwartet. In der Empfangshalle meldete er sich beim Pförtner. Zwar hätte er den Weg durchaus allein gefunden - immerhin kannte er sämtliche Pläne des Gebäudes - aber er mußte schließlich Eric Lavie spielen, und der war ja noch nie hier gewesen. Die Vorgespräche waren allesamt per Viphon erledigt worden. Alan betrachte die riesige Photowand, an der die Bilder aller CASS-Agenten hingen. Für jedes Jahr gab es eine Reihe mit den aktuellen Fahrern. Ganz oben befand sich ein großes Bild von Tyron Star mit Cass. Er entdeckte auch einige Photos von Jana, und in der untersten Reihe war auch eins von Coryn. Der Pförtner hatte inzwischen telefoniert, und nun erschien eine junge Frau, die Alan zum Büro des Department-Leiters Lasalle führte. Joël Lasalle saß an seinem Schreibtisch und studierte diverse Folien. Beim Eintritt Alans sah er auf. "Monsieur Lavie, nehme ich an. Bitte nehmen Sie doch Platz." Er wies auf den Sessel vor seinem Tisch. "Danke", meinte Alan und setzte sich. "Sie haben sich für eine Stelle in der Rechnungsabteilung beworben", meinte Lasalle nach einem Blick auf Erics Unterlagen. Dieser nickte zustimmend. "Warum haben Sie sich gerade dafür entschieden? Ihren Papieren entnehme ich, daß Sie bisher als Frachterpilot gearbeitet haben!" "Der Job bot mir keine Zukunft, also habe ich Kurse besucht, um mich weiterzubilden. Und mit Zahlen konnte ich schon immer gut umgehen, also habe ich mich für diese Stelle beworben", erläuterte Eric. "Gut. Wir werden es mit Ihnen versuchen. Wie bereits besprochen haben, arbeiten Sie erst einmal für eine Probezeit von 2 Wochen, danach wird entschieden, ob wir Sie fest einstellen." "Damit bin ich einverstanden." "Alles weitere entnehmen Sie bitte diesen Unterlagen." Lasalle reichte Eric eine Mappe. "Zudem habe ich hier noch einiges Material über unsere Organisation. Sie sollten sich das auch in Ruhe ansehen." "Vielen Dank." Alan nahm dieses ebenfalls entgegen. "Nun werde ich Sie erst einmal zu Ihrem Arbeitsplatz bringen," meinte Monsieur Lasalle und erhob sich. Er führte Alan in einen Raum mit diversen Terminalplätzen. Dort sollte er sich einarbeiten, bis er dann seinen endgültigen Wirkungskreis zugewiesen bekommen würde. Alan war damit durchaus zufrieden, denn an diesen Terminals herrschte Massenbetrieb. Hier würde bestimmt niemand darauf achten, ob er das tat, was er sollte. Eric machte sich also gleich daran, Anforderungsformulare für Büroartikel zu sichten und eine Gesamtliste zu erstellen, wie es ihm einer der Angestellten erklärt hatte. Der Typ war sofort verschwunden, als er sah, daß Eric mit dem Programm zurecht kam. Eine äußerst blöde Arbeit, fand Alan. Also brachte er das ganze möglichst schnell hinter sich, um sich dann intensiv mit anderen Sachen zu beschäftigen. 3762/04/02 GZ Ryko desaktivierte die ZIV-Verbindung und ging in die Bordküche, um sich einen Special-Cocktail zu mixen. Anya war ebenfalls dort und betrachtete das metallicviolette Gebräu mißtrauisch. (Zentrale Informations-Verwaltung, ein Archiv, aus dem man Daten für den persönlichen (u.ä.) Gebrauch anfordern kann, sofern diese frei zugänglich sind (Vergleichbar einer heutigen Bibliothek.) "Was ist denn das?!" erkundigte sie sich. Ryko überlegte. Hm, er hatte diesmal gar nicht daran gedacht, daß es nicht sehr vorteilhaft wäre, wenn Anya wüßte, was er da für eine Nährsubstanz zu sich nahm. Schließlich hatte sie keine Ahnung, daß er ein Androide war, und es lag ihm sehr daran, es ihr auch weiterhin nicht zu verraten. Leider war dieses Gebräu für Menschen äußerst giftig... Hm. Auf einmal kam Ryko eine Idee. "Das ist ein Longdrink, den ich sehr schätze. Ich vermute allerdings, daß er nichts für Sie ist, Madame Kheshaiell. Wenn Sie ihn dennoch einmal ausprobieren wollen, kann ich Ihnen das Getränk rasch programmieren." "Naja, es interessiert mich schon... Diese Farbe!" "Gut..." Ryko ging zum Nahrungsmittelsynthetisizer und programmierte ein Getränk ein, dessen Farbgebung mit seinem Special-Cocktail identisch war, die Ingredienzien aber für einen Menschen verträglich. Allerdings achtete er sehr darauf, daß der Geschmack des Gebräus derart furchtbar würde, daß Anya einmal einen Schluck probieren, von da an aber einen gewaltigen Bogen um alles machen würde, was diesem Cocktail auch nur entfernt ähnlich sah. "Bitte sehr", meinte er todernst. "Aber sagen Sie nachher nicht, ich hätte sie nicht gewarnt!" Neugierig nahm Anya einen Schluck und spuckte die Flüssigkeit angewidert wieder aus. "Igitt, das ist ja entsetzlich!" rief sie aus. "Wieso?!" Ryko setzte seinen besten Unschuldsblick auf, desaktivierte rasch seine Geschmackssensoren und nahm Anya das Glas ab, um es in einem Zug zu leeren. "Es ist genauso, wie es sein sollte", erklärte er dann. "Buäh!" Anya schüttelte sich. "Ich glaube, ich bleibe doch lieber bei meinen Gerichten", beschloß sie anschließend. Ryko zuckte mit den Achseln. "Wie es Ihnen beliebt." Damit hätte seine Strategie Erfolg gehabt, dachte er befriedigt. Anya würde kaum noch irgendetwas von ihm probieren wollen... Hm. Aber was sollte er nun unternehmen? Karylla hatte ihm in ihrem letzten Gespräch über Viphon mitgesteilt, daß sie im Augenblick einiges zu tun hatte. Über die ZIV gab es nichts Interessantes zu hören... Moment, überlegte er. Er hatte doch vor vier Tagen Geburtstag gehabt! Vielleicht sollte er mal einen kleinen Abstecher ins Suune-System machen und nachsehen, was man ihm alles an Geburtstagsgeschenken zugedacht hatte. Das würde ihn vielleicht auf andere Gedanken bringen... Er mußte nur weiter darauf achten, daß Anya nicht in den Leitstand kam, damit sie nicht sah, wo sich die Lightning gerade befand. Dann könnte er problemlos an der Villa Alycia andocken und dort nachschauen, was er bekommen hatte. Sogleich setzte er Kurs nach Tarishaan. Das Raumschiff nahm Fahrt auf und erreichte das Suune-System binnen weniger Stunden. Kaum daß die Lightning die System-Grenze passiert hatte, aktivierte Ryko den Tarnschild, der verhinderte, daß das Schiff auf irgendeinem Ortungsschirm zu sehen war. Unsichtbar schwebte die Lightning in ihren Hangar in der Villa ein. Infinity holte ein kleines Funkgerät, ging zur Gästekabine und betätigte den Türsummer. Anya ließ ihn sogleich ein. "Ja? Was ist?" fragte sie. "Ich habe eine dringende Angelegenheit zu erledigen. Falls Sie ein echtes Problem haben, können Sie mich mit diesem Gerät kontaktieren. Ich bin in einigen Stunden zurück." Ryko wartete nicht darauf, daß Anya sich erkundigte, wo er denn hinwollte oder bis sie sich von ihm verabschiedete, sondern betätigte den Auslöser seines TM-Gürtels. Er materialisierte in seiner Suite auf der Villa Alycia. Als er sich dort umsah, verzog er wieder einmal amüsiert das Gesicht. 'Sir Cayvyn' war doch ein ganz anderer Typ als 'Ryko Maiell', dachte er beim Anblick der verschwenderisch gestalteten Inneneinrichtung. "Shentay?" fragte er über sein eingebautes Funkaggregat. "Hallo Cayvyn", kam es zurück. "Wo steckst du?" "In meinen Gemächern, Shen. Na, wie war die Geburtstagsfeier?" "Wenn du nicht immer darauf bestündest, die Sache so furchtbar naravinisch abhalten zu wollen, wäre es sicherlich ganz nett geworden." "Ich bin nun einmal der Sohn von Duc Yngwayn und Erbe des Herzogtums von Süd-Ayryana", bemerkte Ryko-Cayvyn belustigt. "Ja ja, und ich darf das Ganze immer ausbaden!" "Tsy, sag nichts, wenn du NUR den Butler von Acy und mir spielen würdest, wärst du doch permanent unterfordert! Und sag nicht, daß du es nicht genießt, Infinity oder Sir Cayvyn darzustellen!" "Hm... Es hat auch seinen Reiz", gab Shentay zu. "Wo steckst DU eigentlich?" erkundigte sich Ryko. "In der Küche, wo sonst?" "Wo sonst..." Ryko grinste und machte sich auf den Weg dorthin. Als er am bezeichneten Ort erschien, erspähte er Shentay, wie dieser einiges an Verpackungsmaterial im Abfallkonverter verschwinden ließ. Es sah verdächtig nach Geburtstagsgeschenkeinwickelpapier aus. "Was war das?" fragte er mit Blick auf das glitzernde Papier. "Ähm..." Shentay sah sichtlich verlegen zu Boden. "Da war ein Teil deiner Geburtstagsgeschenke eingewickelt. - Ich mußte sie doch auspacken", rechtfertigte er sich. "Hm", machte Ryko. "Und weiter?" "Naja... Es waren eine ganze Menge Naschereien und sonstige Futterage dabei, und da diese Sachen leicht verderblich waren und ich ja auch nicht wissen konnte, wann du zurückkommst... Nun, da habe ich gedacht, es wäre wohl das beste, sie direkt ihrer eigentlichen Verwendung zuzuführen, solange sie noch frisch sind..." "Shentay...!" sagte Ryko erschüttert. "Du bist mir doch jetzt nicht böse?!" Der goldhaarige junge Mann setzte eine betont treuherzige Miene auf, und Ryko winkte ab. "Okay, okay... Aber das nächste mal versuchst du bitte, mich zu kontaktieren, bevor du wieder meine Geburtstagsgeschenke verspeist! Was würdest du den sagen, wenn ich mich unter anderem über deine Geburtstagstorte hermachen würde?!" "Ich?! Hm... - Aber ich denke, Myriella hätte einiges einzuwenden..." "Womit du dich wieder elegant aus der Affaire gezogen hättest... Na gut. Was habe ich denn sonst so bekommen?" "Deine verehrte 'Mutter', Duchesse Aylanna von Süd-Ayryana, ließ dir ein handgemaltes Exemplar deines Stammbaumes zukommen - vermutlich, um dich an deine Pflichten als Erbe des Herzogtums zu erinnern, dein 'Vater' hat..." "Okay, okay, vergiß es, ich fürchte, ich kann mir denken, was sich sonst so alles angehäuft hat", seufzte Ryko. "Na gut, ich denke, ich werde mich doch schon wieder zurück auf den Weg nach Enaryshavell machen. Halte du so lange hier die Stellung..." "Wie immer. Nun denn, guten Flug, Cay!" "Bis dann, Shen..." Ryko transmittierte auf die Lightning zurück und setzte den Kurs ins Solse-System. Gemeinheit, hatte Shentay doch wirklich alles an Kuchen und Süßigkeiten vernichtet! Gefrustet ging Ryko noch einmal zur Bordküche und verleibte sich einen weiteren Special-Cocktail ein... 3762/04/07 GZ Blackfire blickte von dem Computerterminal auf. Jetzt hatte sie wenigstens ein Erfolgserlebnis vorzuweisen - sie hatte nämlich immerhin 17 der etwa 800 Mitarbeiter der ISPC-Zentrale von Enaryshavell als Kontaktleute des Konsortium D enttarnt. Allerdings mußte man in der Retrospektive zugeben, daß dies für sie vor allem aus dem Grund nicht allzu schwierig gewesen war, da sie im Prinzip sämtliche untergeordneten KD-Leute im Tamincia-Bezirk des Konsortiums befehligte. Karylla seufzte. Und was brachten ihr diese Erkenntnisse? - Rein gar nichts! Schließlich hatte sie ja nicht vor, irgendwelche kleinen Fische zu versenken, sondern sie wollte an die ganz hohen Tiere heran. Und von diesen kannte sie lediglich ihren direkten 'Vorgesetzten', Monsieur Telery Aulla Revesholl... Es war absolut frustrierend, dachte Blackfire, denn natürlich war Telery weder ein korrekter Name, noch hatte die Person auf einen Stimmenverzerrer verzichtet. Dies hatte natürlich zur Folge, daß sie noch nicht einmal sicher sein konnte, ob 'Monsieur' Telery Revesholl tatsächlich ein Monsieur war. All das wäre vielleicht halb so schlimm, wäre da nicht immer noch das leidige Problem mit Anya Kheshaiell gewesen. Abgesehen davon, daß sie, Karylla Noir, sich ab und zu mit deren Kindern sehen lassen mußte, erschien es ihr, als würde Anya Ryko etwas zu offensichtliche Avancen machen. Hm, wenn sie wüßte, was Ryko wirklich davon hielt! Aber nein, er blieb so verschlossen wie eh und je. Aber vielleicht war das ja auch ein gutes Zeichen? Karylla stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. Es wäre alles so viel einfacher, wenn sie sich wirklich sicher sein konnte, was Ryko für sie empfand. Sie wünschte sich so sehr, daß er ihr einmal sagte, daß er sie liebte - aber was war? Nichts war! Jetzt lebten sie schon sechs Jahre lang zusammen (Karylla hob erstaunt die Augenbrauen, als sie es realisierte - tatsächlich, seit etwa einer Woche waren es volle sechs Jahre!) aber immer noch hatte Ryko nicht ein einziges Mal verbal geäußert, ob er sie liebte, oder was er ansonsten für sie fühlte. Hm. Aber vielleicht waren Androiden in dieser Beziehung insgesamt eher wortkarg, denn was die Taten betraf, so konnte Blackfire nicht anders, als sich einzugestehen, daß auch von Ryko eine ganze Menge Input für ihre Beziehung kam. Blackfire sehnte sich danach, ihn in ihrer Nähe zu wissen, seine sanfte Zärtlichkeit zu spüren... Sie riß sich gewaltsam aus diesen Tagträumereien heraus. Was sollte sie bloß im Augenblick unternehmen? Die KD-Kontaktleute waren hauptsächlich statistisch interessant, weiter brachten sie sie überhaupt nicht. Karylla war zu Tode frustriert. Sie sollte vielleicht mal wieder zur Lightning zurückspringen, um sich intensiv mit Ryko auszusprechen und sich anschließend gemeinsam mit ihm zu 'entspannen'... 3762/04/14 GZ Inzwischen arbeitete Eric Lavie in der Rechnungsabteilung. Lasalle hatte sein Talent im Umgang mit Zahlen bewundert und ihn dorthin versetzt. Eric hatte nun sein eigenes kleines Büro. Seine Aufgabe war es nun, sämtliche Aus- und Eingaben der ISPC zu überwachen und zu registrieren. Die Beträge waren zum Teil astronomisch. Kein Wunder, daß die Organisation stets Verluste machte. Gerade trug er die Spesenabrechnungen der CASS-Fahrer ein. Wenn sich die ISPC etwas mehr um derartige Sachen kümmern würde, könnte sie eine Menge Geld sparen, dachte Eric ärgerlich. Oder war es notwendig, daß ein Agent sich ein halbes Dutzend seidene Pyjamas bei dem teuersten Herrenausstatter kaufte und es als Spesen abschrieb? Oder eine Agentin besuchte auf Kosten der ISPC zwei Mal pro Woche einen exklusiven Schönheitssalon zu 1000 Credits pro Sitzung. Die Frau möchte ich mal sehen, dachte Alan. Wenn derart verschwenderisch mit dem Geld umgegangen wurde, wen wunderte es da, daß die ISPC niemals Geld für wichtige Neuanschaffungen hatte?! Eric hatte derweil auch die Konten sämtlicher Angestellter überprüft. Bei einigen waren ihm ungewöhnlich hohe Eingänge aufgefallen, die regelmäßig zur gleichen Zeit wie das Gehalt auftauchten. Mit einigen Mühen war es ihm dann doch gelungen, die Herkunft der Gelder zu ermitteln. Über ausgeklügelte Umwege durch die halbe Galaxis waren sie von KD-Konten abgesandt worden. Alan war sich absolut sicher, daß dies Bezahlungen für geleistete Spionagedienste waren. Aber sie waren nur kleine Fische im Netz des KD. Wenn er diese dingfest machte, so würde er die Großen nur warnen. Also wartete er erst einmal ab. Doch dann hatte er eine Idee... Er würde den Leuten ein bißchen auf die Füße treten. Wenn er ihnen nur energisch genug drohte, dann würden sie ihm bestimmt einen Kontakt mit dem KD ermöglichen. Und wenn er das erst mal geschafft hatte, dann würde er sich von dem Verein anwerben lassen... Von hier aus hatte er keine Chance, irgendetwas zu erreichen. 3762/04/15 GZ Am nächsten Tag machte Eric sich daran, ein paar der KD-Leute unter Druck zu setzen. Er hatte sie sorgfältig ausgewählt. Die Personen hatten alle Familie, standen kurz vor der Pensionierung etc. Jedenfalls würden sie alle erpreßbar sein, denn sie würden sich nicht einfach aus dem Staub machen, um ihm zu entkommen. Aber das reichte allein noch nicht, damit er Erfolg hatte, er hatte zudem darauf geachtet, nur Leute auszuwählen, deren psychologisches Profil sie als anfällig auswiesen. Diesen drohte Alan nun mit hieb- und stichfesten Beweisen, die er den zuständigen Stellen vorlegen wollte, falls sie ihm nicht einen Kontakt zum KD ermöglichten. Er hoffte doch sehr, daß sein Plan Erfolg hatte. Es mußte einfach gelingen... 3762/04/17 GZ Stardust saß vor ihrem Terminal in der Starcave und schlürfte einen Kaffee. Eigentlich könnten sie jetzt zur ISPC zurückkehren, dachte Jana. Die Suche nach Firestar war praktisch abgeblasen, da dieser in letzter Zeit kaum noch in Erscheinung getreten war und die ISPC wichtigere Aufgaben zu erledigen hatte. Und langsam wurde die Finanzierung ihrer Unternehmungen wirklich schwierig, da sie vollständig pleite war. Momentan lebten Coryn und sie wirklich auf Nardias Kosten, und das konnte so nicht weiter gehen. Entschlossen nahm Stardust die Füße vom Terminal und stellte ihre Tasse ab. "Coryn?" fragte sie, nachdem sie die Sprechanlage aktiviert hatte, die die verschiedenen Räume der Starcave miteinander verband. "Ja." ertönte die Antwort aus dem Lautsprecher. "Was ist?" "Wo bist du gerade?" fragte Jana. "Ich bin im A-Labor. Hier mußte dringend mal aufgeräumt werden." "So? Seit wann räumst du denn auf?" "Was wolltest du von mir?" wich Coryn ihrer Frage aus. "Kannst du mal raufkommen? Ich wollte mit dir über unsere Rückkehr zur ISPC reden. Länger können wir es nicht mehr aufschieben." "Gut. Ich bin gleich da!" Stardust lehnte sich wieder im Sessel zurück und wartete auf Coryns Ankunft. Kurze Zeit später betrat er die große Halle. "So, da bin ich", meinte Coryn und plazierte sich auf eine Werkbank in Janas Nähe. "Wie begründen wir unseren Meinungsumschwung?" "Hm. Am besten, daß wir dort besser die Suche nach den KD-Typen fortsetzen können. Aber wir weigern uns weiterhin, Firestar zu fangen. Einverstanden?" "Mir fällt jedenfalls nichts besseres ein. Also machen wir es so. Wer ruft Lasalle an?" Jana seufzte tief. "Das mache ich schon." "Gut. Dann kann ich ja ins Labor zurück und..." Coryn war schon wieder verschwunden, bevor Jana fragen konnte, was denn da so interessant war. Na ja, war ja auch egal. Sie mußte erst mal zusehen, daß sie ihren Job in der ISPC wiederbekam. Wider erwarten war Monsieur Lasalle aber sofort bereit, Coryn und sie wieder einzustellen. Stardusts Kündigung hatte ihm eine ganze Menge Ärger bereitet, da dadurch weitere Agenten einen Widerstand anzettelten. Zwar gingen sie nicht so weit, die ISPC zu verlassen, aber auf sehr mysteriöse Weise verschwanden immer Befehle auf dem Weg zum Empfänger. Die Suche nach Firestar war so effektiv boykottiert worden. Stardust und Coryn Arvhayn kehrten also sofort zur ISPC zurück. Gleich am nächsten Tag nahmen sie den Dienst wieder auf. Jana war erleichtert, da ja nun alle Geldsorgen aus der Welt waren, und Lasalle war froh, daß sein Department endlich den Streik aufgab. Der Türsummer seines Quartiers ertönte nun schon zum dritten Mal. Seufzend blickte Ryko vom Viphon-Monitor auf. "Einen Augenblick, Kary", sagte er mit entschuldigendem Blick auf das 3D-Portrait seiner Partnerin. "Sie scheint wieder etwas zu wollen..." "Sie will anscheinend recht häufig etwas von dir!" meinte Blackfire verstimmt. "Ich kann doch auch nichts dafür - und außerdem war es deine Idee, Anya zu entführen. Abgesehen davon bin ich es auch, der sich mit diesen Kindern herumzuschlagen hat..." Es summte zum vierten Mal, diesmal erheblich nachdrücklicher. Nach Bordzeit war es mitten in der Nacht, und Ryko vermutete, daß Anya dies tat, um ihn mit dezentem Psychoterror soweit zu zermürben, damit er sie wieder freiließ Allerdings hatte sie nicht den Schimmer einer Ahnung, daß er keinen Schlaf benötigte und sich bestimmt auf so trivialem Weg nicht fertigmachen ließ. Um sie weiter in dem Glauben zu lassen, er sei ein ganz normaler - naja, bis auf sein extravagantes Outfit - Mensch, fuhr er sich rasch durch die Haare, bis sie verstrubbelt genug wirkten, daß man meinen könnte, er wäre gerade aus dem Bett gesprungen und hätte sich in seinen Overall geworfen. Karylla betrachtete seine Aktion amüsiert über Viphon, dann stellte Ryko das Visiosignal auf seiner Seite ab, so daß seine Gefährtin zwar noch sehen, aber nicht mehr selbst gesehen werden konnte. Sollte Karylla sich doch einmal persönlich von dem ganzen Streß überzeugen, dem er stets ausgesetzt war! Vielleicht wäre sie dann nicht immer so kurzangebunden, wie wenn sie in letzter Zeit mit ihm sprach. Ryko war ziemlich betrübt über ihre Reaktionen. Hieße daß vielleicht, daß sie sich ihm zu entfremden begann? Nein, das durfte einfach nicht sein, immerhin gehörte Kary doch zu ihm! Er lächelte kurz in Richtung des desaktivierten Viphon-Monitors, ehe er auf das siebte Summen reagierte. Ein Glück, daß er auf dem Schiff die Möglichkeit hatte, den Monitor wirklich abzuschalten, während bei den legalen Standard-Geräten stets ein Visio-Signal angezeigt wurde, wenn die Verbindung stand. Ryko öffnete die Tür und imitierte ein herzhaftes Gähnen hinter vorgehaltener Hand. "Madame Kheshaiell, warum sind Sie zu so vorgerückter Stunde noch wach?" erkundigte er sich. "Daran ist nur Ihr billiger Nahrungsmittelsynthetisizer schuld! Meine beiden Kleinen weigern sich, den Schokobrei zu essen, den dieses Gerät produziert. Sie müssen mir sofort eine Packung Schokobrei aus Tamsaioll besorgen. Und zwar den mit den 7 Zusatzvitaminen von Tamliss in der blauen Packung mit dem goldenen Band!" Mehr Wünsche hatte die Dame nicht? Ryko guckte sie sehr enerviert an, beschloß dann aber, ihrer Forderung Genüge zu tun, denn sonst würde sie sich wieder mit den lautstark schreienden Kindern vor seinem Quartier aufbauen. Es war zwar ein leichtes für Ryko, seine Akustiksensoren abzuschalten, aber er wagte dies nicht, um nicht vielleicht eine wichtige Nachricht von Blackfire zu verpassen. "Nun gut... Warten Sie einen Moment!" Ryko ging auf die Suche nach seinem TM-Gürtel, den er vor Frust über die letzte Besorgung (drei Riesenpackungen Girl-Windeln von Dunya - die Rosaroten mit den Prägeherzchen...) in die nächste Ecke geworfen hatte, und sprang in die enaryshanische Hauptstadt. 25 Minuten später kehrte er mit dem Gewünschten zurück, und Anya zog tiefbefriedigt von hinnen, aber nicht, ohne ihm noch einen sehr beunruhigenden verheißungsvollen Blick zugeworfen zu haben. "Seufz", machte Ryko und schaltete das Bild wieder ein. Karylla schüttelte gerade den Kopf. "Sie will was von dir!" sagte sie anklagend. "Kann ich etwas dazu?" Ryko blickte tragisch in das Aufnahmegerät. "Und ob! Du siehst viel zu gut aus!" meinte Blackfire mit einem doppelt so verbotenen Blick wie gerade Anya. "Wer ist denn daran schuld?" wollte Ryko grinsend wissen. Karylla hatte schließlich seine Modellierung in Angriff genommen. "Hm-hm..." brummelte sie. "Naja..." Sie betrachtete ihn nachdenklich. "Du fehlst mir sehr, Ryko..." "Hm. Also, auch ich muß sagen, daß mich deine Nicht-Anwesenheit unangenehm berührt." "So?!" Blackfire war nicht sicher, ob sie sich über diese Aussage freuen oder ärgern sollte. 'Nicht-Anwesenheit'! Tsayée, sie verging fast vor Sehnsucht nach ihrem Gefährten, und er fühlte sich lediglich durch ihre 'Nicht-Anwesenheit unangenehm berührt'... Aber wenigstens schien er sie zumindest ein bißchen zu vermissen... "Ryko, ist sonst etwas an Neuigkeiten eingetrudelt?" "Nichts von Relevanz. Beziehungsweise - Myriella gab durch, daß Stardust und Coryn Arvhayn wieder in die ISPC eingetreten sind. Außerdem geht die Vermutung um, daß die Zentrale des Konsortium D irgendwo auf Tarishaan liegt." "Hm. Das ist wirklich nicht die Welt... - Okay, ich muß hier Schluß machen, mir wird gerade gemeldet, daß ich eine Besucherin bekomme. Die Frau des naravinischen Botschafters... Sie will wissen, was wir noch unternehmen wollen, um ihre Tuzhanna einzufangen... Himmel, ich denke, das Kätzchen macht sich irgendwo einen schönen Lenz und wird bis auf weiteres nicht mehr auftauchen..." "Gut, dann will ich dich nicht weiter abhalten. Wann sehen wir uns mal wieder, Kary?" "Hm. Am besten in drei Tagen, am Suuntag. Dann habe ich hier frei, und wir können uns einen schönen Tag machen... Anya legen wir am besten vorher in eine Stasis-Kammer..." "Ich glaube, das wäre die optimale Lösung für sie", kommentierte Ryko. "Dann bis bald, Kary." "Bis zum Suuntag. Ich hab dich lieb, Ryko..." Ihr Partner erwiderte ihr Lächeln und desaktivierte die Verbindung. Noch drei Tage, dachte er schaudernd. Drei Tage allein mit dieser Furie... 3762/04/19 GZ Stardust betrat gut gelaunt die ISPC-Zentrale. Seitdem sie keine Geldsorgen mehr hatte, war ihre Stimmung deutlich besser geworden. Sie hatte bereits die Jagd auf das KD wieder aufgenommen, und Coryn hatte sich inzwischen die Datenbanken der ISPC vorgenommen. Firestar hatte ja erwähnt, er sei zurückgekehrt, um die Institution zu säubern, also mußten sich irgendwelche KD-Spione hier herumtreiben, und Stardust hatte vor, diese zu finden. Sie war gerade auf dem Weg zum Computerraum, um zu sehen, wie weit Coryn mit seiner Suche gekommen war. Plötzlich blieb sie irritiert stehen. Der Mann, der gerade diverse Folien in eine Mappe packte, kam ihr so bekannt vor. Allerdings war sie sicher, ihn noch nie gesehen zu haben. Jana hielt eine Büroangestellte an und fragte sie nach dem Namen des Mannes. Diese grinste Stardust vielsagend an, erteilte aber dann die gewünschte Auskunft, nicht ohne hinzuzufügen, daß dieser Eric Lavie anscheinend solo war. Stardust warf ihr einen ärgerlichen Blick zu, woraufhin sich die Lady schnellstens aus dem Staub machte. Jana riß sich endlich von Erics Anblick los, denn auch wenn sie ihn noch länger anstarrte, würde ihr bestimmt nicht einfallen, woher er ihr so bekannt vorkam. Sie machte sich eilig auf den Weg zu Coryn. Dieser saß vor einem Terminal und betrachtete nachdenklich den Bildschirm. Zahlenkolonnen, stellte Jana enttäuscht fest. Damit konnte sie nun rein gar nichts anfangen. "Nun?" fragte sie und hockte sich rittlings auf einen Stuhl. "Hm, hier ist einiges merkwürdig", meinte Coryn, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen. "Ich glaube, ich habe einige Spione des KD entdeckt, denn hier sind Zahlungen von KD-Konten an Mitarbeiter dieses Departments gegangen. Es war zwar nicht ganz einfach, die Wege des Geldes zu verfolgen, aber wenn man weiß, wonach man suchen muß..." "Schön", sagte Stardust erfreut. "Aber nun brauche ich alles, was du über einen Eric Lavie rausfinden kannst." Coryn sah sie irritiert an. "Wie kommst du denn auf den?" "Er kommt mir so bekannt vor, obwohl... Naja, ist auch egal. Such mir alles raus." Coryn machte sich gleich an die Arbeit. Jana wippte auf dem Stuhl herum und betrachtete das Treiben jenseits der Glaswand, die dieses Zimmer vom Hauptsaal trennte. "Viel habe ich nicht", meinte Coryn nach einiger Zeit. Jana wandte sich zu ihm um. "Dann laß mal hören." "Eric Lavie, geboren 3727/07/17 GZ, ledig, war Frachterpilot, bevor er am 3762/04/01 GZ hier als Rechnungsprüfer eingestellt wurde. Als Adresse ist eine Pension angegeben. Das war's." "Wirklich nicht gerade viel. Aber irgendwas an ihm scheint mir verdächtig." Jana war sich nicht sicher, woran es lag, aber sie hatte bei dem Typen ein merkwürdiges Gefühl. "Ich werde ihn weiter im Auge behalten", versprach Coryn. "Was machen wir nun?" "Was wir immer machen, unsere Arbeit." Stardust grinste ihn an. "Aber eigentlich kann die noch warten, bis ich mir ein Frühstück genehmigt habe. Kommst du mit?" "Essen? Da sage ich nie nein." Coryn war schon aus dem Zimmer gestürmt, und Jana mußte sich beeilen, ihm zu folgen. "Aber danach sehen wir uns an, was du sonst noch rausgefunden hast." "Klar." Coryn war mit den Gedanken schon bei dem Frühstück, daß er sich gleich einverleiben würde. 3762/04/22 GZ Seufzend legte Myriella die Alycia Blade-Verkleidung ab. Irgendwie schien im Augenblick nichts so zu laufen, wie es laufen sollte. Zum Glück war in der letzten Zeit keine große Veranstaltung mehr auf der Villa Alycia gewesen, sonst wäre sie wahrscheinlich mit ihren ganzen Rollen etwas in die Bredouille gekommen. Normalerweise sollte sie schließlich nur das Dienstmädchen von Mademoiselle Alycia spielen - nun gut, und sie ab und zu als Karylla Noir, Alycia Blade oder deren dritte Tarnidentität Helice Enarayn Anvarsin doubeln - aber was zur Zeit hier alles los war... Myriella hatte das Gefühl, sie kam gar nicht mehr nach mit all den Rollen, die sie im Augenblick verkörpern sollte - daran war nur Mademoiselle Alycias unglückselige Idee schuld, sich mit einem vierten alter ego in dieses Konsortium D einzuschmuggeln! Wenn sie als Androidin nicht ohne Schlaf auskäme, wäre es ein absolut aussichtsloses Unterfangen, mit all den verschiedenen Identitäten klarzukommen. Sie rief ihren Stundenplan ab. Jetzt war wieder Helice Anvarsin an der Reihe, ihres Zeichens freie Mitarbeiterin in der ISPC-Zentrale von Tarishaan; Ashteera. Mademoiselle Alycia hatte ihr letzthin eine Reihe von Personendaten übermittelt, die es zu überprüfen galt, und es war ihr sogar gelungen, genügend Beweise zu sammeln, um fünf zum Teil höherrangige ISPC-Mitarbeiter der Mitgliedschaft im KD zu überführen. Leider durfte sie im Augenblick noch nicht eingreifen, denn sie sollten schließlich nicht nur kleinere Nummern des Konsortiums erledigen, sondern es von ganz oben herab ausschalten. Wenige Minuten später hatte sich das eher unscheinbare Dienstmädchen, das unter der Alycia-Maskerade hervorgekommen war, in eine junge Frau mit einem frechen kurzen fransigen Rotschopf und strahlend grünen Augen verwandelt. Dazu einen hellgrauen Techniker-Coverall - fertig. So gerüstet sprang sie zunächst durch das TM-Tor in den Garten der Villa, wo sie einen schlichten anthrazitfarbenen Courier Nova Gleiter stieg, mit dem sie zu ihrer Arbeitsstelle fuhr. In der ISPC-Zentrale war nichts besonderes los. CASS XII Susi war mit einer dicken Beule von ihrem letzten Einsatz gekommen und beklagte sich bitterlich darüber. Sie verlangte, sofort eine neue Karosserie zu bekommen, während der leitende Techniker sie lediglich ausbeulen lassen wollte. Seither schmollte der Gleiter in seiner Garage. Tiger, Angel und Hunter hatten ihren diesjährigen Urlaub genommen, was dazu führte, daß das Kontingent an CASS-Fahrern derzeit etwas unterbesetzt war. Myriella plazierte sich an ihr Terminal, um die aktuellen und bis zu einer Woche alten Zugriffe auf den ISPC-Zentralcomputer einmal genauer in Augenschein zu nehmen. Interessant, Stardusts Partner Coryn Arvhayn hatte die hiesigen Datenbänke nach Informationen über verdächtige Kontenbewegungen und illegalen Datenbank-Zugriffen durchsucht. Es schien, als wäre er auf einer ähnlichen Spurensuche wie auch sie, Myriella. Sehr interessant. Aber - was war denn das? Coryn hatte immerhin zumindest eine Autorisation für seine Suche, doch da bewegte sich eine andere Person auf höchst illegalem Terrain. Eric Lavie? Moment, der war doch noch nicht lange bei der ISPC... Das konnte eigentlich nur bedeuten, daß das KD einen weiteren Spion eingeschmuggelt hatte! Oder schlimmer - vielleicht arbeitete er auf eigene Rechnung und verschacherte gefundene Geheiminformationen an den Meistbietenden? Myriella beschloß, diesem Eric Lavie auf der Spur zu bleiben und Mademoiselle Alycia die gefundenen Informationen zu übermitteln. 3762/04/23 GZ "Madame Kheshaiell", ertönte die Stimme ihres Sekretärs über die interne Kommunikationsanlage. "Ja, Elyko?" "Ich habe hier einen Anruf eines Monsieur Revesholl für Sie. Er sagte, es wäre dringend..." Karyllas Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Nicht schon wieder so ein Auftrag vom Konsortium D! Die Idee mit dem Infiltrieren des Syndikats hätte sie sich vielleicht doch besser vorher überlegen sollen, dachte sie mit mehr als nur gemischten Gefühlen. "Stellen Sie bitte ihn durch." "Sehr wohl, Madame." Auf dem Schirm des Viphon erstrahlte erneut das abstrakte Gemälde der Woche, das den abgeschalteten Visio-Kanal anzeigte. "Hier spricht Anya Ivhella Kheshaiell, Leiterin des ISPC-Departments Enaryshavell-Tamsaioll. Was wünschen Sie bitte?" "Madame Kheshaiell, hier spricht Telery Aulla Revesholl. Ich habe erfahren, daß einige Bescheinigungen, die eigentlich meinem Schwiegersohn gehören - Amary Suella Davizhall, wie sie sicherlich wissen - durch eine Fehlschaltung in der Datenleitung bei Ihnen gelandet sind. Ich möchte Sie daher bitten, mir diese unverzüglich zukommen zu lassen." "Äh, ja, ich denke, das läßt sich machen..." Revesholl schaltete ab, und Karylla saß gefrustet an ihrem Schreibtisch. Jetzt sollte sie auch noch das Beweismaterial gegen diesen miesen Typen Davizhall verschwinden lassen! Organhandel war sein schmutziges Geschäft, und es hatte Polizei und ISPC mehrere Monate gekostet, das Beweismaterial zu sammeln. Sie kämpfte schwer mit sich und beschloß, einfach eine Version zu fälschen, die sie Revesholl verabreichen würde. Dann könnte sie die Beweise später immer noch an die Polizei geben. Aber zumindest hatte sie gestern erfahren, daß sich die Zentrale des Konsortium D auf Suune III/Tarishaan befand, was wenigstens einen Lichtblick bedeutete. 3762/04/25 GZ Stardust sauste gerade durch die ISPC-Zentrale. Sie war sowieso schon zu spät von der Starcave losgefahren und dann auch noch im Verkehr steckengeblieben. Coryn würde ausgesprochen sauer sein, da sie versprochen hatte, heute die Daten mit ihm durchzugehen, die er bisher hatte sammeln können. Jana stürmte in den Computerraum. "Wie schön, daß du heute noch kommst", meinte Coryn sarkastisch. "Ich hatte schon nicht mehr mit dir gerechnet." "Nun stell dich nicht so an, ich bin doch nur eine Stunde zu spät", maulte Jana und kockte sich auf einen Stuhl. "Wir sollten lieber anfangen." "Tse. Also ich habe noch einiges an interessantem Material entdeckt. Vor allem über diesem Eric Lavie..." begann Coryn. "Und?" fragte Jana neugierig. "Er hat sich Zutritt zu diversen Datenbänken verschafft, in denen er nun überhaupt nichts zu suchen hatte. Zwar kann ich nicht mehr herausfinden, was er genau abgefragt hat, aber auf jeden Fall hatte er keine Erlaubnis dazu." "So? Das ist ja interessant. Meinst du, er ist ein Spion?" "Ich bin mir auf jeden Fall sicher, daß er keine reine Weste hat." "Hast du sonst noch was herausgefunden?" "Ja, ich habe einige Leute entdeckt, die verdächtig nach KD aussehen. Aber da ist noch was... Gerade habe ich eine Notiz gelesen, nach der Eric Lavie um eine Versetzung nach Enaryshavell ersucht hat. Ich finde das sehr verdächtig, da er doch gerade befördert worden ist. Nun will er dort eine viel schlechtere Stelle annehmen..." "Wirklich komisch. Es scheint nur eine Möglichkeit zu geben: Dieser Lavie ist ein Spion des KD!" "Ich bin auch dieser Meinung. Wir sollten ihn auf jeden Fall weiter beobachten!" "Hm, mal eine andere Frage...", begann Stardust nun. "Hast du schon gefrühstückt?" "Sicher", erwiderte Coryn grinsend. Ihr enttäuschtes Gesicht war herrlich. "Aber eigentlich könnte ein zweites ja nicht schaden..." Jana strahlte ihn an. "Dann laß uns gehen. Und beim Essen kannst du mir dann von den anderen KD-Typen erzählen." 3762/04/30 GZ Nardia war, wie auch an den letzten drei Suuntagen, total aufgedreht. Soeben zog sie sich zum zehnten Mal um. Genug, dachte sie und ließ sich auf ihr Bett fallen. Warum war sie bloß immer dermaßen hektisch, wenn sie sich mit Michael traf? Heute war es ihr fünftes Rendevous... Nad rief sich diese in Erinnerung... Schon bei ihrem ersten Essen hatte Michael sie ja zu einem weiteren Treffen überredet, und so waren sie am Suuntag darauf ins Grüne gefahren. Auf einer Wiese hatten sie ein Picknick veranstaltet - unter anderem..., dachte Nardia belustigt. Sie hatte Michaels Annäherungsversuchen nicht lange standgehalten. Irgendwie hatte sie das Gefühl, daß er nur zu genau wußte, wie man sie in die richtige Stimmung brachte... Am nächsten Suuntag hatte dann eine Segeltour auf dem Programm gestanden, und eine Woche danach waren sie in den Bergen gewesen. Michael war allerdings immer bemüht, daß sie ganz allein waren. Er schien sich nicht in der Öffentlichkeit mit ihr zeigen zu wollen. Auch wenn Nardia kaum einen vernünftigen Gedanken fassen konnte, wenn sie mit Michael zusammen war, im Nachhinein fiel ihr doch einiges auf, was an ihm merkwürdig war. Zum Beispiel hatte er auf der Bergtour etwas erwähnt, was er gar nicht wissen konnte, und da war Nardia plötzlich ein Verdacht gekommen... Sie vermutete, daß Michael mit Alan identisch war. Aber da sie sich nicht sicher war, behielt sie dies lieber vorerst für sich. Auch sehr eigenartig waren Firestars Raubzüge, die dieser in letzter Zeit jeweils mitten in der Woche durchführte. Am 4. ein Juwelier in Ashteera, am 11. eine Bank kaum 100 km von der Hauptstadt entfernt, und am 21. wieder ein Juwelier, diesmal in Andaara. Diese Überfälle waren dermaßen einfallslos, daß sie nur in großer Eile geplant worden sein konnten. Und hinzu kam, daß Firestar offenbar Tarishaan nicht verließ. Am 26. war er sogar auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Ashteera aufgetaucht. Er schien zuviel anderes zu tun zu haben, und dies paßte hervorragend dazu, daß Michael Bradley so häufig in der Stadt erschien... Nardia nahm sich vor, der Sache auf den Grund zu gehen. Vielleicht sollte sie Michael zur Rede stellen - aber wenn sich das Ganze als Irrtum herausstellte, dann stünde sie ziemlich dumm da. Leider hatte sie auch nur am Wochenende Zeit, um sich damit zu beschäftigen... Zufällig fiel Nardias Blick nun auf die Uhr. Verdammt, es war schon fast 8 Uhr, und sie war immer noch nicht fertig. Sie sprang auf und warf sich zum elften Mal in andere Klamotten, bevor sie die Treppe hinunter in die Empfangshalle sprintete, was ihr einen vorwurfvollen Blick ihres Butlers James eintrug, der gerade auf dem Weg nach oben war, um ihr Michaels Ankunft mitzuteilen. Vor der Tür zum Salon bremste Nad ab, um dann ganz gemächlich in den Raum zu schlendern. "Guten Morgen, Nardia!" meinte Michael fröhlich und zog sie in seine Arme. Nad sah in seine dunkelgrünen Augen und hatte erst mal alle Fragen vergessen. "Was machen wir heute?" fragte sie neugierig. "Hm. Was hältst du davon, wenn wir ausnahmsweise mal hierbleiben?" meinte Michael. Er hatte ihr etwas zu sagen, von dem sie bestimmt nicht angetan wäre... "Wie du möchtest." Nardia schmiegte sich enger an ihn. "Wir könnten in den Garten gehen." "Das würde mir gefallen, da ich bis jetzt noch keine Gelegenheit hatte, ihn mir genauer anzusehen. Dabei schwärmen doch alle von den wundervollen Anlagen Blade Manors." "Ich werde dir alles genau zeigen", versprach Nardia eifrig und zog Michael durch Vorhalle und Ballsaal zur Terrasse. Von dort hatte man einen hervorragenden Blick über den See und die diversen Bepflanzungen. Zu dieser Jahreszeit war der Anblick besonders farbenprächtig. "Einfach atemberaubend", meinte Michael. Nardia strahlte ihn erfreut an. Sie mochte den Garten, er war zwar etwas altmodisch, da er seit vielen Jahren nach dem gleichen Schema in Ordnung gehalten wurde, aber gerade deshalb war er auch etwas besonderes. Sie verließen die Terrasse und gingen zum See hinunter. Nardia zeigte ihm die Regenbogen-Seerosen, die ihr Vater mal von einer Reise mitgebracht und in einem Teil des Teiches eingepflanzt hatte. Jeder der Blades hatte irgendwas zum Garten beigesteuert, und so war er inzwischen mehr eine Sammlung von exotischen Gewächsen, als ein Park, wie er es zur Zeit der Erbauung Blade Manors gewesen war. Zum Abschluß der Besichtigung führte Nardia Michael in den Rosengarten. Die hier wachsenden Züchtungen hatten den Vorteil, daß sie fast das ganze Jahr blühten. Die Rosenzucht war eine Passion ihrer Urgroßmutter gewesen, und diese hatte jenen Teil des Gartens angelegt. Auch den kleinen Pavillon inmitten der Blütenpracht hatte Ariana Blade erbauen lassen. Im Laufe der Zeit hatte sich immer ein Blade gefunden, der sich der Rosen annahm. Nardia liebte diese Blumen, und sie verbrachte ziemlich viel Zeit mit ihnen - das hieß, soviel Zeit, wie sie irgendwie dafür freimachen konnte. Stolz blickte sie über die Beete. Michael war überwältigt von dem Anblick. Neugierig sah er sich um, jede Pflanze war mit einem Schildchen versehen, auf dem Name und Züchtungsjahr vermerkt waren. In Gedanken stellte er eine kleine Tabelle auf...
Als sie genug von den Blumen hatten, ließen sie sich in den kleinen Pavillon nieder. Michael nahm Nardia in die Arme, und sie schmiegte sich hingebungsvoll an ihn. "Ich muß morgen auf eine Geschäftsreise", meinte Michael plötzlich. Nardia sah ihn überrascht an. "Und wie lange?" fragte sie. "Nur zwei Wochen." "Seufz", machte Nardia und warf Michael einen tragischen Blick zu. Obwohl es ihr merkwürdig vorkam, daß er gerade, wo sie in ihm Alan vermutete, auf eine Reise gehen wollte. "Wirst du mich vermissen?" "Natürlich! Wie kannst du nur fragen?" "Ich möchte es gerne hören." "Ich werde dich wahnsinnig vermissen. Wo ich dich eh nur einmal in der Woche sehe", schmollte Nardia. Michael enthielt sich lieber einer Antwort, da dies ihr übliches Streitthema war. 'Deine Arbeit ist dir wichtiger als ich etc...' Und er wollte sich nicht den Tag verderben. Statt dessen küßte er Nardia lieber. Viel später riß sie Nardia Magen aus der Versunkenheit. Das laute Knurren war nicht zu überhören. "Ich glaube, wir sollten was essen", meinte Nad verlegen. "Gehen wir ins Haus zurück", schlug Michael amüsiert vor. Den Rest des Tages verbrachten sie im Kaminzimmer. Nardia fand diesen Raum überaus gemütlich, auch wenn zu dieser Jahreszeit natürlich kein Feuer brannte. Sie saßen schweigend auf dem weichen Sofa, da Nardia nicht reden wollte, sondern lieber an Michael geschmiegt vor sich hinträumte. Und dieser war in Gedanken schon bei seiner 'Geschäftsreise'... Es war schon ziemlich spät, als er sich von Nardia verabschiedete. Diese sah im traurig nach. Seufz! Aber sie nahm sich fest vor, Michael das nächste Mal zur Rede zu stellen. Wenn er wirklich Firestar war, dann... Nad war sich noch nicht sicher, was sie dann tun wollte, aber wahrscheinlich würden alle Rachegedanken nach einem Blick in seine Augen sowieso wieder verschwinden. 3762/04/35 GZ Blackfire saß wie meist seit einem Monat in Anya Kheshaiells Büro und runzelte die Stirn. Sie hatte eine Nachricht von ihrem Chef Monsieur Revesholl aus der zweiten Ebene des Konsortium D erhalten, die besagte, daß eine Person aus der tarishaanischen ISPC-Zentrale in hartnäckigster Weise versucht hatte, Kontakt zu von seiner Warte aus gesehen 'höheren' KD-Leuten zu bekommen. Nun sollte sie diesen Eric Lavie den normalen Tauglichkeitstest absolvieren lassen. Er war erst vor zwei Tagen in das hiesige ISPC-Department versetzt worden. Eine Überprüfung seiner Person war bereits von höherer Stelle abgewickelt worden und hatte keinen negativen Befund geliefert. Er wäre also durchaus geeignet, sofern er diese Prüfung bestand. Fiel er durch, so wäre es ihre, Anya Kheshaiells, Aufgabe, Lavie zu liquidieren. Blackfire war begeistert... Da wollte sie eigentlich das KD zerschlagen, und welches Aufgabengebiet hatte man ihr übertragen? Das Testen und Einstellen neuer Mitglieder! 'Toller Job', dachte sie genervt. Hm. Eric Lavie... Dieser Name war ihr nicht unbekannt. Erst vor einer Woche hatte sie von Myriella, die an ihrer Statt als Helice Anvarsin in der tarishaanischen ISPC-Zentrale Dienst tat, von den Umtrieben dieses Gangsters erfahren. Myri hatte ihr berichtet, daß der Mann Geheimdaten des ISPC-Zentralcomputers gestohlen hatte. Na, dann sollte er wohl ins KD passen... "Gut, Monsieur Savionall", wies sie ihren Sekretär an. "Schicken Sie den Mann herein." Eric betrat das Zimmer. Er war überaus gespannt, wen er hier vorfinden würde. Interessiert musterte er die etwa 35jährige Frau mit kurzen, weißblonden Haaren und blaugrauen Augen. Sie trug einen metallicdunkelblauen Hosenanzug und sah ihn geschäftsmäßig an. "Guten Tag, Madame", begrüßte er sie. Sie rief ein paar Daten aus einem Memocorder ab. "Hm-hm. Sie sind Monsieur Eric Lavie?" "Warum sollte ich es nicht sein?" fragte er zurück. "Sie sollten sich bemühen, nicht ganz so vorlaut zu sein", erklärte Anya beiläufig. "Wer zuviel redet, ist ungeeignet für das Geschäft." "Ach ja?! Ich verstehe mein Geschäft", bemerkte Eric und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Anya bedachte ihn mit einem Blick wie ein Insektensammler eine eher unbedeutende Spezies und zuckte herablassend die Achseln. "Das wird sich zeigen", sagte sie und überlegte, wo sie diesen Typen schon mal gesehen hatte. Leicht irritiert holte sie einen versiegelten Umschlag aus einer Schublade und reichte ihn ihrem Gegenüber. "Lesen Sie das. Sie sollten sich beeilen und sich den Inhalt rasch einprägen, da die Folie unter Sauerstoffeinfluß innerhalb von 10 Minuten zerfällt. Ich sehe Sie dann spätestens in einer Halbwoche wieder. Auf Wiedersehen, Monsieur Lavie." Eric dachte angestrengt nach, woher ihm diese Person so bekannt vorkam. Naja, hauptsache, er kam endlich voran. Er schnappte sich den Umschlag, tippte grüßend an seine Stirn und verzog sich. Anya/Karylla lehnte sich nachdenklich zurück, bevor sie die Einsatzpläne der auf Enaryshavell stationierten Agenten so abänderte, daß sie die aktuelle KD-Drogenlieferung nicht behindern würden. Irgendwie haßte sie ihre Idee, sich hier einzuschmuggeln, von Tag zu Tag mehr, aber jetzt nervte Ryko sie andauernd damit, daß sie die Sache nun auch zu Ende führen mußte. Apropos 'die Sache'... Sie aktivierte das Viphon und verständigte den Polizeichef, daß sich ein Spion bei ihm einzuschleichen gedachte, der einige Daten mit einer bestimmten Kennung stehlen wollte. Eric hatte den Umschlag geöffnet und las die Anweisungen. 'Hm, und das nannte sie dann Probe', dachte er. Ein paar Daten aus dem Polizeicomputer organisieren. Sowas Banales! Eigentlich war es ja schon fast peinlich, das zu tun. Allerdings konnte er Polizisten überhaupt nicht ausstehen, freiwillig würde er eine Wache nie betreten, vor allem nicht, da sie ihn schon ein paar Mal beinahe abgeschossen hatten. Aber was würde er nicht alles für das Wohl der Menschheit auf sich nehmen! Zunächst kehrte er erst einmal zur Fireflash zurück. Kurze Zeit später betrat er die enaryshanische Polizeizentrale. Hier herrschte mehr Betrieb als auf einem Gleiterbahnhof. Jetzt brauchte er 'nur noch' ein freies Terminal. Nur - wo eins finden...? Endlich entdeckte er einen ruhigen Nebenraum mit Computeranschluß. In den Rechner hineinzukommen erwies sich als Trivialität, da sein Vorgänger es offenbar vergessen hatte, sich wieder auszuloggen, und nun mußte er lediglich die Daten finden. Er tippte einen Suchbefehl ein und steckte einen leeren Speicherkristall in die dafür vorgesehene Halterung. Der erste Datensatz war gerade abgespeichert, als das Büro gestürmt wurde. "Halt! Im Namen des Gesetzes - Sie sind verhaftet!" brüllte ein Polizist. Eric zuckte zusammen. Er haßte diesen Spruch. Unauffällig schnappte er sich den Speicherkristall und mußte leider feststellen, daß der Raum nur eine Türe hatte. Na gut, dann ab durch die Mitte. Er konnte diese gewalttätigen Ausschreitungen nicht leiden. Rücksichtslos bahnte er sich einen Weg durch die Polizisten, um danach schnellstens aus der Meute zu verschwinden. Da die Polizei nicht mit einem Frontalangriff gerechnet hatte, gelang es Eric tatsächlich, sich durchzuwühlen, bevor sie eine neue Strategie entwickelt hatten. Und schießen konnte man in dem engen Raum zum Glück ohnehin nicht. Eiligst verdrückte sich Eric auf die Toilette, um von dort zur Fireflash zu springen. Auf dem Schiff ließ er seinem Ärger erst einmal freien Lauf. Das Ganze war doch nicht so einfach, wie er gedacht hatte. Die waren ja gemein! 'Nun aber erst recht', dachte er sich verärgert und startete sogleich einen zweiten Versuch. Schnell änderte er noch sein Aussehen, indem er sich in einen riesigen, neongelben Kapuzenumhang hüllte und dazu eine Sonnenbrille aufsetzte. Ohne Probleme gelangte er ein zweites Mal in die Polizeizentrale, obwohl ihm alle Blicke folgten. Er begab sich zur Anzeigenaufnahme und bemühte sich aufgeregt, der Dame hinter dem Schreibtisch zu erläutern, daß sein Haus-Saurier von Blackfire und Firestar entführt worden war und sie 100 Millionen Credits Lösegeld verlangten. Als die Dame nach seinem Namen fragte, lehnte er sich diskret über den Tisch, um ihr den Namen eines bekannten enaryshanischen Pop-Idols zu nennen, wobei er sie aber darauf hinwies, daß er es bevorzugen würde, inkognito zu bleiben. Die Bitte nach einem Autogramm erfüllte er sogleich mit einem gnädigen Lächeln, woraufhin die Lady fast zerschmolz. "Dürfte ich bitte einmal kurz Ihren Computer benutzen?" fragte er und sah sie verheißungsvoll über die Brille an. "Aber natürlich!" schmachtete sie. Innerhalb weniger Sekunden hatte er die fehlenden Daten. Als die Polizisten das Terminal erreichten, fanden sie nur eine verträumt dreinschauende Beamtin, deren Blick beharrlich auf die Ausgangstür gerichtet war. 3762/04/36 GZ Wie jeden Tag saß Karylla als Anya Kheshaiell in deren Büro und blätterte durch die Solidos der aktuelle Presse. BLACKFIRE & FIRESTAR ERPRESSEN SCHLAGERSTAR HILYKO!
prangte als Schlagzeile auf dem Daily Review von Enaryshavell. Tsy, davon wußte sie ja gar nichts! - Und mit Firestar... Sie legte die Solidos beiseite, als ihr Sekretär die Ankunft Eric Lavies ankündigte. Anerkennend sah sie auf den Kalender. Er hatte die Sache in Rekordzeit geschafft. "Herein!" "Guten Morgen, Madame." Eric placierte sich sofort in einen Sessel, er war fürs erste genug gerannt. "Guten Morgen, Monsieur Lavie. Ich hörte von einem Kollegen, daß Sie erfolgreich gewesen seien. Würden Sie mir bitte den Speicherkristall geben?" "Bitte." Eric ließ das Teil über den Tisch schlittern. "Danke." Karylla/Anya warf den Kristall in das Lesegerät und überprüfte die entsprechenden Daten. "Sehr gut. Ich darf Sie zu Ihrem Durchsetzungsvermögen und Ihrer Findigkeit beglückwünschen." Sie tippte auf einen verborgenen Sensor und stellte so die Sprechverbindung zu ihrem Vorgesetzten her. "Er hat den Test bestanden, Monsieur Revesholl", erklärte sie. "Gut", erklang eine elektronisch verzerrte Stimme. Seit Ryko Maiell zwei der Anführer des Konsortium D mittels eines Stimmerkennungsprogramms überführt hatte, gingen die höheren Ebenen kein Risiko mehr ein. "Er ist fortan Ihnen unterstellt, Madame Kheshaiell. Wir werden es Sie wissen lassen, wenn wir einen Auftrag für ihn haben." Der Kontakt wurde unterbrochen. "Sie haben es gehört, Monsieur Lavie. Ich werde mich bei Ihnen melden. Wo kann ich Sie erreichen?" "Ich gebe Ihnen die Nummer eines Postfaches. Da ich aus verständlichen Gründen keinen festen Wohnsitz habe, ist es wohl das Sinnvollste." "In Ordnung. Sie werden von mir hören. Auf Wiedersehen, Monsieur Lavie." Es faszinierte sie, daß Eric Lavie sich noch nicht erkundigt hatte, wie es mit der Bezahlung u.ä. bestellt war. Bis jetzt war dies stets eine der ersten Sorgen gewesen, die sonstige Bewerber hatten. Eigentümlich. "Okay", meinte Eric und verließ das Büro. Draußen fiel ihm ein, daß er die Geldfrage völlig vergessen hatte. Grrrr... Manchmal war es wirklich eine Plage. Er sollte sich mal überholen lassen... 3762/04/39 GZ Anya Ivhella Kheshaiell (die Echte!) saß im Aufenthaltsraum auf der Lightning und sah sich Holoramas an, während Ninya und Elycia selig schliefen. Sie fragte sich, was dieser Ryko Maiell im Augenblick tat. Anya nippte an einem Longdrink und meditierte über die vergangenen sechs Wochen nach. Es war eigenartig - sie hatte schon soviel in den Nachrichten über Blackfire und Infinity gehört und sie sich dementsprechend als skrupellose Diebe und Verbrecher vorgestellt. Gut, die beiden hatten sie entführt, aber sie konnte nicht sagen, daß es ihr hier schlecht erging. Im Gegenteil, so interessante 'Ferien' (als das betrachtete sie die Episode inzwischen) hatte sie selten erlebt. Blackfire erledigte die Arbeit für sie, und Infinity... Nun, dieser kümmerte sich derart aufopfernd um sie, daß es ihr wahrlich an nichts fehlte. Erst letztlich hatte sie darauf bestanden, daß sie eine Luftveränderung brauchte, und er hatte sie auf einer herrlichen Sonneninsel im khariolischen Ozean abgesetzt. Sie hatte dort eine herrliche Halbwoche mit den Zwillingen verlebt, und Infinity hatte sie stets mit allem Notwendigen versorgt. Leider hatte er sich jedoch nicht entschließen können, ihr für die Zeit permanent Gesellschaft zu leisten. Anya seufzte. Sie konnte nicht umhin, sich einzugestehen, daß sie dieser ungewöhnliche Mann immer mehr interessierte. Er war ihr ein Rätsel. Diese schneeweiße Haut und die silbernen Haare schienen echt zu sein, denn wann immer sie ihn überfiel, ertappte sie ihn nicht dabei, daß sein Outfit Mängel aufwies. Außerdem benahm er sich manchmal mehr als eigentümlich, vor allem, wenn es um Dinge ging, von denen er sichtlich keine Ahnung hatte. Aber insgesamt schien er ein wahres Prachtstück von männlichem Wesen zu sein, und Anya wurde mehr und mehr neidisch auf Blackfire, die ihn ja wohl mit Beschlag belegte. Vielleicht sollte sie einfach beschließen, mit den beiden zusammenzuarbeiten. Wer wußte, ob das ihr nicht ein paar Pluspunkte bei ihm einbrachte? Sie erhob sich von dem bequemen Sessel, stellte ihr Getränk ab und ging zunächst zu Infinitys Quartier. Dummerweise war er nicht dort. Der Leitstand war wie stets verschlossen, aber dort reagierte auch niemand auf ihr Begehr, ihr Einlaß zu verschaffen. Blieb also noch das Labor des Raumers, wo er häufig die Zeit mit Anya völlig unverständlichen Basteleien verbrachte. "Hallo?" machte sie zaghaft, nachdem sie den Türsummer aktiviert hatte. Auf der anderen Seite seufzte Ryko tragisch auf. Was mochte sie jetzt schon wieder von ihm wollen? In letzter Zeit machte Anya ständig mehr oder minder versteckte Annäherungsversuche, und er bemühte sich, diesen so gut es ging zu entkommen. "Ja?" Er tippte auf die Entriegelung der Tür, und diese fuhr sogleich auf, da Anya vor dem Sensor stand. "Haben Sie einen Wunsch, Madame Kheshaiell?" "Sagen Sie doch bitte 'Anya'!" "Nun gut." Ryko schluckte dezent. Sie wollte wohl langsam die schwereren Geschütze auffahren. "Was möchten Sie also - Anya?" "Ich habe mich entschlossen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten." "Woher dieser Stimmungswandel?" erkundigte sich Ryko mißtrauisch. "Ich war lange genug an Bord Ihres Raumers, um einiges mitzubekommen und über einiges nachzudenken... Langsam erkenne ich, was für eine entsetzliche Dummheit ich begangen haben, als ich mich dem Konsortium D anschloß. Schön und gut, die Honorare, die das KD seinen Mitgliedern bezahlt, sind um einiges höher als die höchsten Spitzengehälter in Weltraumpolizei oder ISPC, aber ich überlege mir langsam, ob es das aufwiegt, was dadurch an Schlechtem geschieht. Wenn ich bedenke, daß selbst Sie, die Sie ja nicht unbedingt auf der Seite des Gesetzes stehen, das Syndikat bekämpfen, läßt es mich wirklich fragen, was ich tun soll..." "Und?" Ryko war nicht überzeugt, daß Anya es ehrlich meinte. "Sie glauben mir wohl nicht?" Die Frau sah ihn verletzt an. "Sehen Sie, ich habe drei Kinder, und eigentlich wollte ich nur genug Geld haben, damit es Ihnen so gut ginge, wie es nur möglich wäre. Aber langsam kommen mir Zweifel, ob das das einzig Sinnvolle ist - sie mit viel Geld glücklich zu machen... Monsieur Infinity merken Sie nicht, daß meine beiden Kleinen Sie mögen? Und das nicht, weil Sie ihnen Geschenke machen oder so - nein, Sie kümmern sich einfach um sie!" Ryko sah Anya verzeifelt an. Das einzige, was er versuchte, war, die Zwillinge so ruhig wie möglich zu halten, damit sie ihm nicht mit permanentem Geschrei auf die Schaltkreise gingen - er war ja auch nur ein Androide! - und nun meinte Anya, daß die Kinder ihn mochten! Wohin sollte das noch führen, dachte er zum wiederholten Male. "Gut. Ich gehe einmal davon aus, daß Sie die Wahrheit sagen - wie wollen sie Karylla und mir helfen?" "Ich habe zum Beispiel herausgefunden, daß es auf Tarishaan eine Scheinzentrale des KD gibt, die dann vorgeschoben werden soll, wenn die Polizei der KD-Führung zu nahe auf den Leib rückt..." "Interessant." Wenn das stimmte, dann war schon wieder eine Spur - und wenn sie noch so vage war - im Sande verlaufen. "Und wissen Sie vielleicht zufällig, wo sich die tatsächliche KD-Zentrale befindet?" Bedauernd breitete Anya die Arme aus. "Tut mir leid, aber so hoch war ich in der Hierarchie nicht, als daß man mir solch eine relevante Information enthüllte..." Dies glaubte Ryko ihr sogar, denn sonst wäre seine Partnerin bestimmt schon weitergekommen. "Nun gut", meinte er schließlich. "Ich danke Ihnen für diese Informationenen. - Haben Sie sonst noch etwas? Ich habe hier noch etwas zu erledigen..." Ryko deutete auf ein Antistatik-Tuch auf dem Labortisch, auf dem Unmengen elektronischer Bauteile verstreut waren. Anya setzte eine Schmollmiene auf und zog wieder ab. Offenbar war Infinity eine härtere Nuß, als sie gedacht hatte. 3762/04/40 GZ Wieder ein Suuntag, dachte Nardia. Sie hatte überhaupt keine Lust aufzustehen. Michael war ja eh nicht da, und was sollte sie denn sonst mit dem Tag anfangen...? Aber dann wurde ihr die Faulenzerei doch zu langweilig. Sie beschloß, einmal in der Starcave nach dem rechten zu sehen. Vielleicht gab es ja dort für sie etwas zu tun, das sie von Michael ablenkte... Leider hatte dies keinen Erfolg. Nardia fand nichts, womit sie sich beschäftigen konnte. Coryn hatte keine neuen Daten über das KD, oder diesen Eric Lavie, und zudem beschwerte er sich, daß er zusätzlich an Suuntagen arbeiten sollte. Er hätte schließlich auch ein Recht auf Freizeit. Bevor Nardia etwas sagen konnte, war er an ihr vorbeigeschossen und verschwunden. So schmählich allein gelassen, machte sich Nardia auf den Weg in den Park. Sie setzte sich an den See und beobachtete die Fische darin. War sie wirklich schon so von Michael abhängig, daß sie ohne ihn nichts anzufangen wußte? Nardia überlegte, wie sie reagieren sollte, wenn sich herausstellte, daß Michael doch Alan war. Er würde sich mit Sicherheit diebisch über ihren Reinfall amüsieren. Auf jeden Fall würde sie Michael nicht vertrauen, bis sie sich völlig sicher war. Und sie würde sich von Michael zu nichts überreden lassen, das sie dann hinterher bereuen würde... 3762/04/41 GZ Eric seufzte tief, den soeben wurde ein neuer Stapel Rechnungsbelege auf seinem Tisch abgeladen. Also, was die Anforderungen in seinem Job betraf, so war die Versetzung nach Enaryshavell ganz bestimmt keine Verbesserung. Tief gefrustet nahm er den neuen Stapel in Angriff, als er zu Madame Kheshaiell beordert wurde. Was wollte die nun wieder? Wahrscheinlich hatte sie auch noch einen Packen Rechnungen für ihn... Resignierend machte er sich auf den Weg zu ihrem Büro. Im Vorzimmer meldete er sich erst einmal bei Madame Kheshaiells Sekretär, und dieser erkundigte sich nach seinem Begehr. Nachdem der Mann bei der Departmentleiterin nachgefragt hatte, war es Eric erlaubt, das Büro zu betreten. "Guten Tag, Monsieur Lavie", begann Blackfire und maß den Neuankömmling mit einem lange geübten prüfenden Blick. "Guten Tag." Eric sah sie fragend an. "Ich habe eine gute Nachricht für Sie, Monsieur Lavie. Es steht eine Beförderung für sie in Aussicht - was halten Sie davon, fortan als mein Adjutant zu fungieren?" "Ich fühle mich geehrt", meinte Eric. 'Grauenhaft', dachte er hingegen. Garantiert war dieser Job noch schlimmer! Als Adjutant durfte er bestimmt andauernd Kaffee kochen, Blumen gießen und was der Monstrositäten mehr waren. Er seufzte. Was sollte es? Wenn er nur mit der KD-Sache weiterkäme, würde er auch dieses Opfer bringen! "Wunderbar", sagte Anya-Karylla erfreut. "Mein derzeitiger Sekretär geht ab morgen früh in Fortbildungsurlaub und wird anschließend versetzt. Ich werde einmal sehen, ob Sie später auch in der Lage wären, seine Schreibtätigkeiten zu übernehmen... - Lassen Sie sich schon einmal kurz von ihm einweisen." "Sofort? Oder soll ich erst meine Arbeit beenden?" wollte Eric wissen. "Nun, ich denke, es wird sich schon ein Praktikant finden, der die Sachen tippen kann..." Dazu sagte Eric besser nichts... "Ach, können Sie Kaffee kochen?" fiel Anya ein. "Aber natürlich!" Eric war empört. "Sehr schön! Wären Sie dann bitte so lieb, mir rasch eine Kanne zu kochen? Aber bitte nicht diese Synthetisizer-Brühe, die kann ich nun wirklich nicht ausstehen. Da hinten stehen die benötigten Utensilien!" Sie deutete auf eine Ecke, wo eine anscheinend antike Kaffeemaschine stand. Resignierend machte sich Eric daran, Kaffee zu kochen. Irgendwie schien sein Abstieg unaufhörlich zu sein... Blackfire lehnte sich in ihrem Sessel zurück, legte die Beine auf den Schreibtisch und sah ihrem neuen Adjutanten bei der Arbeit zu. Sie fragte sich stirnrunzelnd, warum er ihr so bekannt vorkam, aber als sie endlich eine voluminöse Kaffeetasse in der Hand hielt, legte sie diese Gedanken vorerst beiseite und widmete sich dem Getränk. 3762/04/45 GZ Jetzt hatte sie sich entschieden genug gelangweilt, beschloß Blackfire, nachdem sie die siebte Runde durch Anyas Wohnzimmer getigert war. Himmel, war diese geschwätzige Freundin von Anya nervtötend gewesen! Sie war am frühen Nachmittag einfach bei ihr eingefallen und hatte ihr den aktuellen Nachbarschaftsklatsch erzählt: daß der neue Freund von Isanya Vinasall doch tatsächlich außer dieser noch zwei weitere Frauen aushielt, daß der Sohn der Loresholls sich in eine mindestens doppelt so alte Frau verliebt habe, daß bei den Seraiells jetzt schon wieder ein Kind unterwegs sei... Außerdem, ob sie schon gehört habe, daß Kenya Lovill von ihrem Mann ständig geschlagen wurde, und daß sie letztlich eine Jugendbande angeheuert habe, um ihn einmal Medo-Center-reif prügeln zu lassen... Karylla seufzte entnervt und dankte der Dunklen Mutter, als Leanya Thamioll endlich verschwunden war. Sie mußte unbedingt mal wieder etwas unternehmen. Es brauchte ja nichts Weltbewegendes zu sein, nur ein kleiner Raub- oder Banküberfall... Firestar, der vor etwa einem Monat offenbar wieder verstärkt in Erscheinung zu treten beabsichtigte, hatte sie darauf gebracht, und da dieser schon in der letzten Woche eine Kunstpause eingelegt hatte, dachte Karylla sich, daß sie ja zur Abwechslung mal dran wäre. Sie lehnte sich zurück und überlegte. Es sollte möglichst kein Objekt auf Enaryshavell sein, aber es durfte auch nicht so weit entfernt sein. Sie würde am besten Ryko nach einer geeigneten Gelegenheit fragen. Nur - was machten sie in der Zwischenzeit mit Anya? Es war frustrierend. Seit drei Wochen hatte sie ihren Gefährten immer nur per Viphon gesehen, weil ständig etwas dazwischen kam... Sie wollte endlich wieder einmal mit ihm zusammensein! Hm. Aber jetzt würde sie ihn erst mal anrufen. "Ryko!" Sein Konterfei erschien auf dem Monitor, und Blackfire spürte, wie sehr sie doch seine Nähe brauchte. Es war beinahe beängstigend, fand sie. "Karylla?" "Ryko, ich muß unbedingt mit dir reden." "Kary - was ist? Fühlst du dich nicht gut?" Infinity betrachtete seine Partnerin besorgt. "Ich muß einfach etwas tun, sonst raste ich hier aus", sprudelte es aus ihr hervor. "Ryko, kannst du nicht vorbeikommen? - Nein, ich komme... Ach, es ist einfach furchtbar hier..." Karylla wandte sich vom Viphon ab, um im Nebenzimmer nach ihrem TM-Gürtel zu suchen. Ryko runzelte höchst verwirrt die Stirn. Es ging Kary offenbar wirklich nicht besonders. Endlich kam sie zurück. "Ich bin sofort da", meinte sie und desaktivierte das Viphon. Hyko war zur Zeit zum Glück bei einer Klassenfahrt und würde erst in einer Woche wieder zurück sein; das gab schon mal keine Probleme. Im Nu befand sie sich auf der Lightning, stürmte zu ihrem Partner und schlang die Arme um ihn. "Ryko..." seufzte sie und ließ sich von ihm festhalten. "Sch, Kary", machte er und strich ihr durch die Haare. "Was ist, mein Schatz?" "Ach, es ist alles einfach unerträglich da unten... Die Leute, die Aufträge vom KD - und überhaupt... Du fehlst mir... Jee, die Dunkle Mutter allein weiß, wie sehr du mir fehlst..." Ryko sagte gar nichts, sondern hielt sie nur engumschlungen. Anya Kheshaiell, die sich ebenfalls im Aufenthaltsraum des Raumers befand, betrachtete die Szene eher irritiert. Seltsam, irgendwie paßte nichts von dem, was sie im Laufe der Zeit so mitbekommen hatte, mit dem zusammen, was immer wieder von Blackfire erzählt wurde... War das wirklich diese eiskalte Verbrecherin, die ständig Polizei und ISPC in Atem hielt? Hm. Vielleicht sollte sie irgendwann, wenn diese ganze Angelegenheit zu Ende war, ein Buch über ihre Erlebnisse schreiben. Das würde sich sicherlich nicht schlecht verkaufen... Nach einiger Zeit hatte Karylla sich wieder gefaßt. "Warum ich eigentlich hier bin, Ryko... Was hältst du davon, wenn wir mal wieder einen kleinen Raub starten? Ich möchte so gerne mal wieder etwas in dieser Richtung unternehmen..." "Einen Raub? Hast du schon etwas im Auge?" Ryko hielt sie immer noch im Arm und malte mit einem Finger Linien auf ihren Rücken. "Ay, das kitzelt!" protestierte Karylla, und Ryko lächelte sie an. "Nein", fuhr sie fort. "Ich habe noch nichts. Wüßtest du etwas? Möglichst nicht auf Enaryshavell." "Hm. Wie wäre es mit Essara V/Aldrigis?" "Doch, das ist nahe genug, um in ziviler Zeit hin und zurück zu kommen." "Da ist eine mittelgroße Bank, die offenbar ein Umschlagplatz für Blüten ist", erläuterte Ryko. "Ich hätte mich unter Umständen alleine darum gekümmert - aber so finde ich es natürlich um einiges besser..." "Mmmmh..." Blackfire schmiegte sich an ihn. "Du bist süß!" "Hm." Ryko war immer noch nicht ganz klar, wie sie ihm solch eine Geschmacksrichtung zuordnen konnte, aber er unterließ es diesmal, sie darauf hinzuweisen. "Dann also Aldrigis!" Sie starteten los, und Anya blieb nichts anderes übrig, als mitzufliegen. Geraume Zeit später war die Aktion über die Bühne gebracht. Die Bank war um ein erkleckliches Sümmchen erleichtert, und Blackfire und Infinity hatten zudem noch eine Spur entdeckt, die nach Esharite VII/Osikka führte, wo sich offenbar ein KD-Kontaktmann um die Beschaffung von Duplikaten der Originalchips der FGS-Zentralwährung bemühte, die es dem KD ermöglichten, auch die angeblich unfälschbaren Credits zu reproduzieren. Nun, da sie ihr seelisches Gleichgewicht halbwegs wiedererlangt hatte, kehrte Karylla erneut in ihre Rolle zurück, nicht ohne Ryko das Versprechen abgenommen zu haben, daß er sie fortan ab und zu besuchte. Warum sollte Anya keinen neuen Freund haben können? Aber zunächst mußte Ryko sich darum kümmern, der Spur nach Osikka zu folgen... Last modified: 13.04.2002 |
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