Site hosted by Angelfire.com: Build your free website today!

SvB #5: Return of Firestar II

©1990 by Shavana & Stayka


Was in Return of Firestar I geschah...

3762/02/17 Firestar ist zurückgekehrt. Er nimmt seine 'Tätigkeit' wieder auf und bricht in diverse Institutionen ein.

3762/02/18 Blackfire und Stardust sind höchst ungehalten über das Auftauchen Firestars...

3762/02/47 Die Polizei bittet die ISPC um Hilfe, um Firestar dingfest zu machen.

3762/02/48 Stardust lehnt den Auftrag, Firestar zu fangen, ab und kündigt zusammen mit Coryn den Dienst.

3762/03/19 Das Konsortium D hat 47 weitere Kopfgeldjäger auf Blackfire angesetzt. Diese ist derart sauer darüber, daß sie beschließt, das KD endgültig hoppzunehmen, indem sie sich dort als Anya Kheshaiell einschmuggelt.

3762/03/32 Stardust startet einen neuen Versuch, an Geld zu kommen. Firestar ist schneller.

3762/03/36 Michael Anthony Bradley taucht erstmalig als Besitzer/Direktor von ElCoTech, einer tarishaanischen Computer-Firma auf und lernt Nardia Blade bei einer öffentlichen Veranstaltung kennen.

3762/03/48 Das KD nimmt Kontakt zu Anya/Karylla auf und erteilt ihr einen Auftrag, den sie wohl oder übel erledigen muß.

3762/04/01 Firestar tritt unter dem Decknamen Eric Lavie in die ISPC auf Tarishaan ein. Er wird Agent ohne CASS-Gleiter.

3762/04/07 Blackfire hat mittlerweile sämtliche KD-Kontaktleute in der enaryshanischen ISPC-Zentrale lokalisiert. Sie versucht, an weitere Infos zu gelangen.

3762/04/15 Eric beginnt durch dezente Drohungen, die kleinen KD-Leute, die er in der ISPC-Zentrale auf Tarishaan entlarvt hat, davon zu überzeugen, daß sie ihn mit höheren Figuren zusammenbringen sollten.

3762/04/17 Stardust und Coryn Arvhayn kehren zur ISPC zurück, da sie dort weitaus bessere Möglichkeiten zur Nachforschung haben.

3762/04/19 Stardust begegnet Eric Lavie und ist irritiert, da sie meint, ihn zu kennen. Logo, daß sie daraufhin beschließt, ihn genauestens zu überwachen...

3762/04/23 Wieder ein KD-Auftrag für Anya, den Blackfire wohl oder übel durchgehen lassen muß. Aber sie erfährt, daß sich die Zentrale des Konsortium D auf Suune III/Tarishaan befindet.

3762/04/25 Stardust kommt hinter Erics Machenschaften und hält ihn für einen Spion.

3762/04/33 Eric Lavie wird in das ISPC-Department Enaryshavell-Tamsaioll versetzt.

3762/04/35 Eric Lavie bekommt Kontakt zu einem höheren KD-Mitglied, nämlich Anya Kheshaiell (alias Karylla), und bietet ihr seine Dienste an. Nach einem Test wird er eingestellt.

3762/04/39 Anya Kheshaiell (die echte) entschließt sich, mit Blackfire zusammenzuarbeiten. Von ihr erfährt Karylla, daß die KD-Zentrale in Tarishaan; Ashteera nicht echt ist. Wo sich die richtige KD-Leitzentrale befindet, bleibt weiter im Dunkel, da Anyas Informationen nicht soweit reichen.

3762/04/41 Anya/Karylla macht Eric zu ihrem Adjutanten

3762/04/45 Blackfire raubt einen reichen Bankier auf Essara V/Aldrigis aus. Unter der Beute befinden sich auch Informationen über dessen Kontakte zum KD, wobei alles darauf hindeutet, daß er an der Beschaffung von Duplikaten der Originalchips der Credits beteiligt ist, die es dem KD ermöglichen, auch die angeblich unfälschbaren Credits zu reproduzieren. Die Spur führt nach Esharite VII/Osikka, wo sich eine Fälscherwerkstatt befinden soll.

* * *

3762/04/46 GZ

"Geldfälschung also auch noch", sagte Blackfire empört. Sie überprüfte sogleich die frisch gestohlenen Credits und stellte fest, daß sie gut ein Fünftel aussortieren konnte, wenn sie diese auf die Seriennummer abtestete, da jene des öfteren doppelt auftrat. "Unser guter Bankier war also an der Beschaffung von Duplikaten der Originalchips der Credits beteiligt, die es dem KD ermöglicht haben, auch die angeblich unfälschbaren Geldstücke zu reproduzieren", meinte Karylla stirnrunzelnd. "Verdammt, und ich komme zur Zeit nicht aus meiner Tarnidentität heraus..."

"Hey, Kary, ich bin doch auch noch da", machte Ryko seine Partnerin mit hochgezogenen Augenbrauen aufmerksam. Er legte seinen Kopf schief und betrachtete sie aus seinen riesigen, blauvioletten Augen. Blackfire seufzte. Ryko war einfach umwerfend süß...

"Stimmt auch wieder", gab sie zu. "Auf Esharite VII/Osikka soll sich die Fälscherwerkstatt befinden."

"Ich werde dorthin fliegen."

"Und mich fragt natürlich keiner, was ich will", bemerkte Anya Kheshaiell gefrustet. Natürlich hieß Infinitys Entschluß, daß sie wohl oder übel mitgeschleppt wurde.

"Madame Kheshaiell", begann Karylla. 'Komisch, sonst reden mich die ganzen Leute immer so an', schoß es ihr durch den Kopf. Es war richtig ungewohnt, wieder von Anya als Anya zu reden. "Sie wissen selbst am besten, daß Sie nicht auf Enaryshavell auftauchen dürfen, solange unsere Aktion läuft. Falls das Konsortium D in irgendeiner Weise von dem Austausch Wind bekommt, ist das unser beider Todesurteil!"

"Sie haben natürlich recht, Mademoiselle Blackfire", lenkte Anya ein. Immerhin hatte sie vor, später noch einige ungestörte Jahre mit ihren Kindern zu genießen, wenn alles sauber über die Bühne gebracht worden wäre.

Karylla seufzte. Das hieße, sie dürfte sich mindestens einen, wenn nicht sogar zwei Tage alleine um die Zwillinge von Anya kümmern, die beide noch in den Windeln lagen! Grausam... Wenn es etwas gab, mit dem Blackfire absolut nichts anfangen konnte, dann waren es Kinder - um so schlimmer zwei davon, die gerade mal 7 Monate alt waren... Nein, das würde sie nicht durchstehen, dachte sie gestreßt.

"Madame Kheshaiell - ich denke nicht daran, die ganze Zeit auf Ninya und Elycia aufzupassen! Die kommen wieder schön brav auf die Lightning! Und wenn jemand mich danach fragt, sind sie eben in einer Baby-Kur oder so... Hm. Gibt's sowas überhaupt?" überlegte sie. "Egal, dann gibt es das ab jetzt."

Anya schaute Blackfire nur kopfschüttelnd an.

"Okay, ich hole die ...Wesen rasch aus der Wohnung, und dann habe ich erst einmal Ferien von ihnen..."

Gesagt, getan. Zehn Minuten später hatte Anya ihre Babies wieder im Arm.

"Ryko", meinte Blackfire, schwer genervt von dem Geschrei der beiden, "wenn ich noch mal so einen idiotischen Plan habe, dann verhindere doch bitte, daß ich ihn ausführe..."

Ihr Partner grinste sie nur an.

"Wir starten gleich nach Osikka", meinte er dann. "Du solltest nach Tamsaioll zurückspringen. Ich gebe dir Bescheid, wenn ich zurück bin."

(Tamsaioll - Hauptmetropole von Solse IV/Enaryshavell)

"Aye aye..." Karylla verabschiedete sich mit einem hingebungsvollen Kuß von ihm, ehe sie wieder auf den Planeten transmittierte. Jetzt war sie bis auf weiteres ganz allein, dachte sie leidend.

* * *

Nach Dienstschluß wanderte Blackfire durch Tamsaioll. Es war einfach niederträchtig! Kaum hatte sie einmal früher aus und hätte etwas anderes unternehmen können, da war Ryko natürlich nicht da.

Also blieb ihr nichts anderes übrig, als einem Stadtbummel zu frönen. Naja, zumindest mußte sie nicht wieder Babysitter spielen...

Sie schlurfte lustlos über die Gleiterstraßen und setzte sich schließlich in eine Eisdiele, wo sie sich nacheinander zwei große Schoko-Eisbecher einverleibte.

Als sie am frühen Abend in Anyas Appartement zurückkehrte, ertönte ziemlich nachdrücklich der Summer des Viphons. Mit einem lautstarken Seufzer ging Karylla zum Monitor.

"Viphon ein!"

Der Bildschirm füllte sich mit dem 3D-Konterfei von 'Alycia Blade'.

"Myri?" fragte Blackfire.

"Mademoiselle Alycia!" begann diese und rupfte sich gestreßt die neongelbe Perücke vom Kopf.

"Was gibt es?" Karylla runzelte die Stirn, als Myriella kurz aus dem Erfassungsbereich der Kamera verschwand, um anschließend mit dem kurzen roten Fransenmop von 'Helice Anvarsin' zurückzukehren.

"Ich halte das nicht mehr aus! Ich bin doch auch nur eine arme, kleine Androidin", beschwerte diese sich. "Alycia hier, Helice da, und dann muß ich auch noch Ihren Job als Blackfire übernehmen, damit Ihre Abwesenheit nicht so sehr auffällt..."

"Aber - Myri..." Karylla schüttelte den Kopf ob der Tatsache, daß Myriella ständig darauf bestand, sie zu siezen, obwohl sie ihr schon so oft gesagt hatte, daß das völlig überflüssig wäre. Myri meinte, als ihr, Acys, Dienstmädchen gehörte es sich nicht, sie zu duzen. "Sonst hat es dir doch nichts ausgemacht..."

"Sonst mußte ich ja nur Alycia oder nur Blackfire neben meiner eigenen Rolle spielen!"

"Myri, wir müssen da durch! Ich kann hier nicht einfach verschwinden..."

"Ach, Mademoiselle Alycia..." Die Androidin sah aus, als wollte sie gleich in Tränen ausbrechen, und Karylla war mehr als nur fasziniert von der realistischen Darstellung...

"Hey, ich habe auch schon lange keine Lust mehr, hier die Anya Kheshaiell zu verkörpern! Aber ich nehme mich zusammen, und ich bin schließlich nur ein Mensch! Ich brauche zwischendurch auch mal meine paar Stunden Schlaf, und ich kann mich nicht mit einem Special-Cocktail für drei Tage unabhängig von aller Esserei und Trinkerei machen!"

"Nun..."

"Siehst du! Also sei ein braves Mädchen, Myri...!"

"Ich mag aber einfach nicht mehr!"

"Nach dieser Episode machen wir allesamt einfach Urlaub! Cay und ich werden wohl verreisen - allerdings weiß der Gute noch nichts von seinem Glück - und du kannst in der Villa Alycia tun und lassen, was du willst. Wenn du möchtest, kannst du dir auch die Dreamsong ausleihen..."

"Na gut."

"Okay, wäre das also geregelt?"

"Wie Sie es wünschen, Mademoiselle Alycia", meinte Myriella seufzend. Dann würde sie wohl oder übel weiter mitspielen müssen, bis die Aktion abgeschlossen war...

* * *

3762/04/48 GZ

Ryko transmittierte entnervt auf die Lightning zurück. Jetzt war er - abzüglich der Flugzeit - fast zwei geschlagene Tage auf Osikka unterwegs gewesen, und er hatte rein gar nichts erreicht.

Die bei dem Bankier entdeckte Adresse hatte zwar in Laker'andelo auf Esharite VII/Osikka existiert, sich jedoch als Abbruchhaus entpuppt. Gut, Ryko hatte einige Spuren einer hochentwickelten Fertigungswerkstatt ausmachen können, doch diese war offenkundig bereits vor geraumer Zeit verlegt worden.

Auch vorsichtiges Sondieren, ob irgendjemand in der Nähe des Hauses gesichtet worden sei, brachte keine Ergebnisse, da sich offenbar in diesem Bezirk der Stadt niemand in die Angelegenheiten anderer einmischte.

Und als sich dann auf einmal ein ziemlich verkommen aussehendes Individuum auf Ryko stürzte und offenbar versuchte, ihn mit einer Predigt über universellen Frieden, kosmische Brüderlichkeit und den Besuch irgendwelcher Extragalaktiker in irgendeine Sekte zu locken, da reichte es ihm endgültig, und er betätigte den Auslöser seines TM-Gürtels, um in Nullzeit auf seinem Schiff zurück zu sein.

Anya und die Babies erwarteten ihn gespannt, und Ryko drosselte erst einmal seine Akustiksensoren, da Ninya und Elycia sein Auftauchen zum willkommenen Grund für eine neuerliche Schrei-Orgie erhoben.

"Madame Kheshaiell, wäre es Ihnen unter Umständen möglich, die Lautstärke Ihrer Sprößlinge auf irgendeine Art und Weise zu reduzieren?"

"Scht!" machte Anya, an die Zwillinge gewandt. "Es tut mir leid, Monsieur Infinity, aber die Kleinen scheinen hungrig zu sein..."

"Dann würde ich es für ratsam erachten, wenn Sie sich um die Fütterung der beiden bemühten. Ich werde mich derweil um den Rückflug nach Enaryshavell kümmern."

"Haben Sie denn etwas erreicht?"

"Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, daß meine Anstrengungen auf Osikka von keinerlei Erfolg gekrönt waren. Offenbar ist jene Fälscherwerkstatt bereits vor einigen Wochen bis Monaten von dort weggezogen."

"Das ist bedauerlich", meinte Anya.

"Allerdings. - Aber würden Sie nun bitte versuchen, alle Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um die Lautstärke der beiden Kinder zu drosseln?"

"Ich bemühe mich, Monsieur Infinity", versicherte Anya ihm und verschwand in Richtung Gästequartier der Lightning, wo ihr eine Unterkunft zugewiesen worden war. Ryko steuerte den Raumer unterdessen ins Solse-System zurück.

* * *

3762/04/50 GZ

Zur Abwechslung befand sich Blackfire mal wieder in ihrem Quartier auf der Lightning und klagte Ryko ihr Leid. Sie fand es überhaupt nicht gut, daß sie in der letzten Zeit so häufig von ihm getrennt war und hatte beschlossen, daß sie heute mal wieder ein Weilchen miteinander verbringen sollten - Job hin oder her.

Auch Ryko war leicht irritiert, da er feststellen mußte, daß er sich so an Karyllas Anwesenheit gewöhnt hatte, daß ihm ihre augenblickliche dauernde Abwesenheit schmerzlich bewußt wurde.

'Eigentümlich', fand er, lehnte sich zurück und betrachtete seine Partnerin liebevoll.

"...und wir werden es nie schaffen!" meinte sie und ließ sich in seine Arme sinken. "Ich bin genervt, verärgert, frustriert und überhaupt am Ende! Das KD kommt mir vor wie diese achtköpfige tarishaanische Seeschlange, der für jeden abgeschlagenen Kopf sieben neue nachwachsen..."

"Vier neue", korrigierte Infinity belustigt und streichelte seine Partnerin zärtlich.

"Egal. Ich habe in Geschichte eh nie aufgepaßt... Mhh... Irgendwie glaube ich nicht, daß wir es jemals schaffen werden..."

"Es war dein Plan", machte Ryko sie dezent aufmerksam.

"Ja ja, das erzählst du mir jetzt schon seit längerem... Mach du doch mal einen konstruktiven Vorschlag!"

"Bleib weiter unauffällig und spiele Anya Kheshaiell", schlug er vor.

"Haha..." Blackfire seufzte. "Na gut..." Aber nun wollte sie erst einmal nicht mehr daran denken, sondern lieber ihr Zusammensein mit Ryko genießen.

* * *

3762/05/06 GZ

Auch Stardust war derweil nicht untätig. Sie fischte immer noch Spione. Soeben war Nummer 273 entlarvt, dafür waren jedoch Nummer 91 und Nummer 128 wieder untergetaucht. Es war zum Heulen! Zudem waren Nummer 120, 217 und 31 identisch, was aber erst Cass nach eingehender Überprüfung feststellen konnte.

Und dann war da noch dieser Eric Lavie, der offensichtlich nach Enaryshavell versetzt worden war. Seine Vergangenheit und alles andere waren einfach zu glatt! Vor allem kam es ihr suspekt vor, daß an allen Stellen, wo es irgendwelche Unterlagen von ihm geben sollte, Großbrände, Explosionen, Raubüberfälle etc. sämtliche Nachweise vernichtet hatten. Irgendetwas war entschieden faul hier. Sie beschloß, sich ebenfalls nach Enaryshavell zu begeben.

* * *

3762/05/10 GZ

Nardia Blade war soeben aus dem Garten zurückgekommen, wo sie sich der Pflege ihrer Rosen gewidmet hatte. Sie hatte sich einen uralten, ehemals wohl schwarzen Overall übergezogen, und dieser war nun so verdreckt, daß er eher braun-grau gescheckt war. Dazu trug sie kniehohe Gummistiefel, da es heftig geregnet hatte.

Sie stiefelte gerade durch die Vorhalle und hinterließ eine Matschspur, was James wie üblich mit einem mißbilligenden Blick quittierte. Nad war das egal, sie strich sich die Haare aus dem Gesicht, da sich ihr Zopf schon wieder halb gelöst hatte.

Der Butler schüttelte den Kopf. Eine Lady war immer korrekt gekleidet und ganz bestimmt nicht schmutzig, aber aus Nardia würde wohl nie eine solche werden. Er seufzte schwer, seine Aufgabe hier war gewiß nicht leicht...

Genau in diesem Augenblick läutete es an der Tür. Nardia, die schon halb die Treppe hinauf war, drehte sich neugierig um, während James öffnete.

Während sie noch überlegte, ob sie nach oben gehen und sich umziehen sollte, oder warten, um zu erfahren, wer da geklingelt hatte, hatte James den Besucher schon in die Halle gelassen...

Es war Michael Bradley, der nun mit einem irritierten Blick zu Nardia hoch sah. Im ersten Moment hatte er sie gar nicht erkannt...

Nad war nahe daran im Boden zu versinken, denn ihr war das ausgesprochen peinlich, weil sie doch Michael gegenüber immer ihre beste Seite zeigen wollte. Sie ergriff die Flucht und schoß die Treppe hinauf.

Michael sah nachdenklich auf die zurückgebliebenen Spuren. Anscheinend hatte sie nicht so sehnsüchtig auf ihn gewartet, wie er es sich erhofft hatte.

"Würden Sie bitte im Empfangssalon warten, Monsieur Bradley? Ich werde Mademoiselle Blade von Ihrer Ankunft unterrichten", meinte James würdevoll, als hätte er Nardia nicht gesehen.

"Vielen Dank, James", erwiderte Michael mit einem leichten Schmunzeln, aber der Butler verzog keine Miene.

Monsieur Bradley ließ sich von ihm die Tür zum Empfangssalon öffnen und machte es sich dort in einem Sessel bequem. Er hatte den Verdacht, daß es noch einige Zeit dauern würde, bis Nardia auftauchte, also ließ er sich von James eine Flasche Wein bringen...

Nardia war ins Bad gestürmt und warf die dreckigen Klamotten gleich in den Reiniger, bevor sie selbst unter der Dusche verschwand. Warum mußte Michael gerade jetzt auftauchen? Sie hatte nichts von ihm gehört, so daß sie angenommen hatte, er würde noch nicht von seiner Geschäftsreise zurück sein. Deshalb hatte sie sich am frühen Morgen entschlossen, den Rosengarten zu säubern. Zwar waren dafür eigens diverse Gärtnerroboter zuständig, aber die gingen ihr nicht vorsichtig genug mit den Rosen um. Zudem hatte eine ihrer neuen Züchtungen die erste Blüte geöffnet. Nardia war zufrieden mit dem Ergebnis. Sundown war eine wundervolle Rose, die alle Farben eines Sonnenuntergangs in sich vereinigte.

Eilig schrubbte sich Nad den ganzen Dreck herunter. Pfui, in ihren Haaren war Sand. Wie gut, daß sie noch genügend Ersatzperücken für ihr Rolle als Nardia Ashni Blade hatte.

Kurze Zeit später, sie hatte nicht mal eine Viertelstunde gebraucht, sprang Nardia die Stufen herunter. Nun war sie wieder die elegante Chefin der Blade Enterprises. Sie hatte sich ein ausgefallenes violett-kupfer changierendes Kleid übergezogen, das ihr ausgezeichnet stand. Kurz vor der Tür zum Empfangssalon blieb sie stehen, um erst mal Luft zu holen. Sie haßte es, wenn sie irgendwo atemlos ankam.

Gemächlich öffnete sie die Tür.

"Guten Morgen, Michael", begrüßte sie diesen. Am frühen Morgen Wein, dachte Nad erstaunt. Igitt...

"Einen wundervollen Morgen wünsche ich dir." Michael stellte sein Glas ab und stand auf, um ihr die Hand zu reichen.

Das klang aber verdächtig, fand Nardia. Was hatte er wieder vor?

"Wann bist du denn zurückgekommem?"

"Höre ich da einen leisen Vorwurf, daß ich mich nicht gemeldet habe?" meinte Michael amüsiert. Nad fühlte sich sichtlich ertappt.

"Naja..."

"Ich bin seit drei Stunden wieder hier", erläuterte er. "Es gab einige Verzögerungen auf der Reise."

"Trotzdem hättest du dich melden können", schmollte Nardia und setzte sich in einen Sessel.

Michael ließ sich auf der Lehne nieder. "Ich hatte zuviel zu tun."

Nad sah ihn vorwurfsvoll an. Was konnte auf einer Geschäftsreise schon so wichtig sein? Er strich ihr zärtlich über das Gesicht und rutschte in den Sessel, um sie auf seinen Schoß zu ziehen. Sie kuschelte sich behaglich an ihn.

"Ich bin immer noch ärgerlich."

Michael lachte leise. "Dann werde ich mich wohl anstrengen müssen, um dich zu versöhnen..."

Nardia grinste und fuhr mit den Fingern durch sein schwarzes Haar. Er schob sie energisch etwas zur Seite, damit er an seine Hosentasche kam. Mit einigen Mühen zog er ein flaches Päckchen hervor.

"Ist das für mich?" fragte Nad neugierig.

Michael nickte und hielt es ihr entgegen, aber als sie danach greifen wollte, zog er es fort. Nardia sah ihn so empört an, daß er es ihr doch lieber gab. In dieser Beziehung schien sie keinen Spaß zu verstehen...

Er schlang die Arme um sie, während Nardia eiligst das Einwickelpapier zu entfernen versuchte. Sie liebte Geschenke! Endlich hatte sie das Päckchen auf, und gespannt öffnete sie die Schachtel. Ein geflochtenes Goldarmband lag darin. Nardia fragte sich, wie jemand so feine Goldfäden zu einem derartigen Gebilde formen konnte.

"Ich danke dir", Sie strahlte Michael an und ließ sich das Armband gleich von ihm umlegen.

"Als ich das Teil sah, mußte ich es für dich mitnehmen."

Nad küßte ihn zärtlich. Ihr Ärger war verflogen...

"Was unternehmen wir denn heute?" fragte sie etwas atemlos. Sie war sich inzwischen sicher, daß Michael mit Alan identisch war. Jetzt brauchte sie nur noch einen geeigneten Zeitpunkt, um ihn darauf anzusprechen. Nardia war zwar ausgesprochen sauer, daß er sie derart hintergangen hatte, aber andererseits bewunderte sie seinen Einfallsreichtum, und er hatte sich ja wirklich angestrengt, ihr zu gefallen...

"Was immer du willst", erwiderte Michael. Warum musterte sie ihn so nachdenklich?

"Hm", machte Nad und schmiegte sich an ihn. "Eigentlich habe ich keine Lust herumzurennen..."

"Du möchtest also lieber hierbleiben?" Er grinste sie bedeutungsvoll an.

"Nicht unbedingt genau hier", kam es leise von ihr.

Michael sah sie überrascht an. Sollte das wirklich eine Aufforderung gewesen sein? Normalerweise überhörte sie seine dezenten Andeutungen immer - oder sie gab vor, sie nicht verstanden zu haben...

Nardia wollte es nun genau wissen. Sie warf ihm weiter herausfordernde Blicke zu. Michaels Hände waren inzwischen unter ihrem Kleid verschwunden und streichelten sie zärtlich.

Er hatte das Gefühl, sich irgendwie in eine Falle manövriert zu haben, aber er wußte beim besten Willen nicht, was er falsch gemacht haben könnte. Nardia lachte leise, als sie seinen nachdenklichen Blick bemerkte.

"Was ist?" fragte sie amüsiert.

"Nichts", wehrte Michael ab.

"Ach?" Nardia setzte sich auf, um ihn genau betrachten zu können. "Nichts? Ich dachte, mir wäre es endlich mal gelungen, dich von deinen Geschäften abzulenken." Sie konnte es fast spüren, wie sehr er erleichtert war, daß sie nichts anderes vermutet hatte.

Nad befreite sich aus Michaels Umarmung und stand auf. Sie hielt ihm die Hand hin. "Komm, ich möchte dir etwas zeigen..."

Da er nicht schnell genug reagierte, packte Nardia seinen Arm und schleifte ihn hinter sich her. Quer durch die Eingangshalle, die Treppe zum ersten Stock hinauf, in ihr Zimmer.

Michael war mehr als verwirrt. Hier ging etwas vor, das nicht seinen Plänen entsprach. Und sowas mochte er überhaupt nicht...

In ihrem Schlafzimmer schob Nardia ihn zu dem monumentalen Himmelbett hin. Sie war überaus amüsiert, da er ein äußerst dummes Gesicht machte. Plötzlich stieß er rückwärts gegen die Bettkante und plumpste ins Bett hinein. Nad folgte ihm, sie legte sich auf den Bauch und betrachtete ihn sehr nachdenklich.

"Nun, hast du mir nichts zu sagen?" fragte sie.

Michael sah sie irritiert an. Er hatte keine Ahnung, welche Beichte sie nun von ihm verlangte. Frauen...

"Ich möchte wissen, was du dir dabei gedacht hast - Alan!" meinte Nardia dann. Seine Reaktion war eine Bestätigung ihrer Vermutung.

"Es hat wohl keinen Sinn zu leugnen", erwiderte Alan resignierend. "Seit wann weißt du es?"

"Seit jetzt, ich habe es vorher nur vermutet." Nardia grinste ihn an. "Aber ich möchte immer noch wissen, warum?"

"Du hattest doch etwas gegen Firestar..."

"Das habe ich noch immer. Eine neue Identität räumt das Problem nicht beiseite."

"Verlangst du wirklich von mir, ich soll das aufgeben?"

"Nein, verlangen kann ich es gar nicht." Sie küßte ihn herausfordernd.

"Das ist Bestechung!" beschwerte sich Alan, bevor er gleiches mit gleichem vergalt.

"Und wie soll es nun weitergehen?" fragte Nad einige Zeit später.

"Das liegt ganz bei dir. Ich werde mich nach deinen Wünschen richten."

"Hm", überlegte Nardia. "Ich werde darüber nachdenken. Und jetzt machen wir einen kleinen Spaziergang durch den Park." Sie sprang auf und Alan folgte ihr ausgesprochen unzufrieden. Es hätte so schön werden können...

* * *

3762/05/21 GZ

Blackfire desaktivierte das Viphon und lehnte sich nachdenklich in ihrem Sessel zurück. Telery Aulla Revesholl wollte Anya Kheshaiell tot sehen, und sie selbst sollte dafür sorgen, daß es unverfänglich wirkte.

Nun gut, es ging dabei nicht tatsächlich um ihr Leben, sondern um die Person der Anya Kheshaiell, aber immerhin.

Einen positiven Aspekt hatte die Angelegenheit allerdings. Monsieur Revesholl hatte ihr mitgeteilt, daß die ganze Aktion lediglich dazu diente, um ihre Beförderung in die nächsthöhere Ebene des Konsortium D in die Wege zu leiten. Der Aufwand sei deshalb vonnöten, da Anya Kheshaiell zu vielen KD-Mitgliedern bekannt war, und die höheren Ebenen sollten aus Gründen der Sicherheit so anonym wie möglich bleiben.

Sie, Anya, hatte nun die Aufgabe, sich a) verschwinden zu lassen und b) die neue Identität anzunehmen, die die Syndikatsleitung für sie erschaffen hatte. Entsprechende Anweisungen lägen in dem Paket, das der Planetarische Paket-Dienst in einer halben Stunde mit einer Sondersendung bei ihr anliefern würde.

Exakt 50 Minuten später ertönte der Türsummer, und als Karylla zum Fenster herausschaute, stand dort ein orangefarbener Transportgleiter mit der dezent schwarzen Aufschrift PPD-Enaryshavell. Neugierig ging sie an die Tür und nahm ihr Paket in Empfang.

Als sie sich wieder im Wohnzimmer befand, packte sie es vorsichtig aus. Zum Vorschein kam ein kompletter Satz falscher Papiere, eine dunkelblaue Kutte - oha, sie war tatsächlich in die zweite Ebene befördert worden! - sowie eine umfangreiche Akte über eine Nanette de l'Avouette, die sie fortan zu verkörpern hatte, wobei sie für ihre KD-Untergebenen den Codenamen 'Telura Ybaeau' führen sollte.

Seufzend machte Blackfire sich daran, die Akte zu studieren, ehe sie begann, sich eine passende Todesart für Anya zu überlegen.

* * *

3762/05/30 GZ

Nardia stellte nach einem Blick in ihren Kalender erstaunt fest, daß sie Michael heute zum achten Mal traf. Ihr kam es vor, als würden sie sich schon eine Ewigkeit kennen. Nachdem sie nun wußte, daß Alan und Michael ein und dieselbe Person waren, konnte sie das Zusammensein richtig genießen. Seufz... Wo blieb er nur?

Er hatte ihr versprochen schon sehr früh zu erscheinen, damit sie noch vor dem großen Andrang ins Schwimmbad kamen. Es würde heute ein ausgesprochen heißer Tag werden...

Es läutete, und Nardia stürmte die Treppen hinunter zur Tür.

"Welch eine Ehre, du öffnest mir eigenhändig", meinte Michael grinsend.

"Es dauert mir halt zu lange, bis James es macht."

"Tse, so ungeduldig."

"Ich habe dich immerhin eine Woche lang nicht gesehen", schmollte Nad und schlang ihm die Arme um den Hals.

"Das ist ein Grund." Michael küßte sie sanft.

Plötzlich bemerkte Nardia, daß sie immer noch in der offenen Tür herumstanden. "Ich bin ausgesprochen unhöflich, komm doch bitte rein."

"Macht doch nichts. - Aber wir sollten uns doch etwas beeilen."

"Ich bin ja schon fertig." Nardia holte ihre Tasche und die beiden machten sich auf den Weg.

* * *

Im Freizeitbad herrschte wirklich Massenbetrieb, aber es gab wenigstens Einlaßbeschränkungen, so daß es nicht unangenehm voll wurde. Nardia und Michael hatten inzwischen genug von all den Attraktionen, die das Bad bot, zudem war die ständige Ansteherei nervig. Sie hatten sich also in eins der Sprudelbecken zurückgezogen, denn hier sprangen wenigstens keine Kinder herum...

"Ich bin tot", meinte Nardia seufzend.

Michael betrachtete sie amüsiert. "Auf mich wirkst du durchaus lebendig."

Nardia knuffte ihn ungehalten. "Morgen habe ich bestimmt Muskelkater."

"Och, tust du mir leid... "

"Püh... "

In diesem Augenblick sausten einige Kinder quer durch den Springbrunnen, der sich unmittelbar neben dem Becken befand. Der Brunnen bestand aus verschieden langen Rohren, die in diversen Metallicfarben schillerten, und das Wasser strömte an den Außenwänden der Röhren entlang.

Die ganze Konstruktion wurde durch ein Kraftfeld gehalten, das aber nun durch die Kinder gestört wurde. Die Röhren schwankten bedrohlich, und plötzlich gab das Kraftfeld vollständig nach, woraufhin die Rohre herabstürzten. Michael schubste Nardia aus der Gefahrenzone und lenkte das Teil, welches in das Becken zu fallen drohte, ab.

"Laß uns verschwinden", meinte Michael, als er wieder aufgetaucht war.

Nardia musterte ihn verwirrt. Sie hatte doch genau gesehen, wie er die bestimmt 5m lange Säule, die zudem noch aus Metall war, zur Seite geschubst hatte! Kein Mensch konnte ein solches Gewicht so abfangen.

"Bist du verletzt?" fragte sie besorgt.

"Nein, aber ich will hier schnellstens weg." Er hatte nämlich keine Lust, Fragen zu beantworten, da es nicht nur Nardia aufgefallen war, daß er das Rohr in die andere Richtung befördert hatte.

"Gut." Nad war verwirrt, aber sie folgte ihm zu den Umkleidekabinen.

Dort angekommen, betrachtete sie Michael sehr nachdenklich.

"Sieh mich nicht so an, beeil dich lieber", meinte er heftig. Er packte sie und rubbelte sie trocken, sonst standen sie noch morgen hier.

"Ich erkläre es dir später." Unerbittlich scheuchte Michael Nardia voran.

Sie schwieg den ganzen Rückweg. Irgendwas war da sehr merkwürdig. Warum hatte Michael das Ding so leicht auffangen können?

Der Gedanke, der ihr inzwischen gekommen war, gefiel ihr überhaupt nicht. Wenn Michael nun überhaupt kein Mensch war, sondern ein Androide? Im Nachhinein fiel ihr einiges ein, was für einen Menschen zumindest sehr ungewöhnlich war. Aber andererseits... Sie wollte es einfach nicht glauben.

Eine Maschine...

Als Team-Partner konnte sie einen Androiden akzeptieren - sie hatte Coryn sogar wirklich gern. Aber als Gefährten...? Wer konnte schon feststellen, was sie wirklich dachten oder fühlten? Nardia schüttelte sich. Hoffentlich sah sie nur Gespenster...

* * *

Wieder auf Blade Manor angekommen, führte Nardia Michael in den Garten. Sie wollte ungestört mit ihm reden. Im Haus waren ja andauernd Dienstboten zugegen, und das Thema ihres Gesprächs war nun wirklich nicht für fremde Ohren geeignet.

Sie gingen hinunter zum See, und Nad ließ sich dort auf der Wiese nieder. Michael war gleichfalls auffallend schweigsam; ihn schien etwas schwer zu beschäftigen. War ihr Verdacht doch begründet?

Seufzend setzte sich Michael ebenfalls ins Gras.

"Ich vermute, du willst mit mir reden..." meinte er plötzlich.

Nardia sah ihn fragend an. "Allerdings. Ich will die Wahrheit wissen."

"Ich glaube, du vermutest schon richtig." Michael mied ihren Blick. Er hatte schon damit gerechnet, daß er sich früher oder später verraten würde. Man konnte zwar Menschen täuschen, die ihn nur selten sahen, aber auf Dauer würde es jeder bemerken.

"Du bist also kein... " Nad zögerte. Sie hatte Angst, es auszusprechen.

"Ich bin ein Androide, falls du das meinst." Jetzt war das wenigstens geklärt.

"Aber warum...?"

"Warum ich das nicht gesagt habe? - Meine Existenz ist gesetzwidrig, also werde ich das bestimmt nicht jedem auf die Nase binden!"

"Aber warum hast du es mir nicht gesagt?"

"Weil du mich dann abgelehnt hättest."

Nad überging diese Feststellung.

"Wie alt bist du wirklich?" wechselte sie das Thema.

"Ich bin 19 Jahre, 7 Monate und 6 Tage alt."

Nardia lächelte. "So genau wollte ich es nicht wissen."

"Du möchtest mich jetzt garantiert nicht mehr wieder sehen." Michael wollte aufstehen und gehen, doch sie hielt ihn fest.

"Nicht so eilig, noch habe ich mich nicht entschieden." meinte Nad. "Sag mal, ist es möglich, daß ich dich früher schon mal gesehen habe? Ich muß so ungefähr sechs oder sieben Jahre gewesen sein..."

"Du kannst dich daran noch erinnern?" Michael sah sie erstaunt an.

"Schwach, und bis jetzt habe ich es immer als unmöglich abgetan, schließlich konntest du das ja nicht gewesen sein."

"Ich war drei Wochen in der Starcave, bevor ich die FGS verlassen habe."

"Dem kann ich wohl entnehmen, daß mein Vater dich ...konstruiert hat?"

"Stimmt. Ich bin wirklich eine Firestar-Kopie."

Der Ton, in dem er dies sagte, gefiel Nardia überhaupt nicht. Es war fast, als würde er das bedauern.

"Dementsprechend bist du wohl mit Coryn 'verwandt'?"

"Nein, Coryn ist schließlich von Cass entworfen worden. Da bin ich eher..." Michael brach ab, denn es wäre Ryko sicherlich nicht recht, wenn er das so herausposaunte. Es war besser, Nardia fand das selbst heraus.

"Und du bist dir sicher, daß ich nicht verschwinden soll?"

"Ja", meinte Nardia etwas ungehalten. Wie sollte sie denn nachdenken, wenn er sie permanent mit dieser Frage nervte?

"Nun gut, dann werde ich warten, bis du dich entschieden hast."

"Seufz..." machte Nardia gestreßt. So wie es momentan in ihr aussah, brachte sie es nicht über sich, Michael gehen zu lassen, egal ob er nun ein Androide war oder nicht...

"Also, ich habe mich jetzt entschlossen", begann sie einige Zeit später. "Wir werden einfach vergessen, was heute passiert ist, und alles bleibt beim alten. Das scheint mir die beste Lösung."

"Wie du willst."

"Nun sei doch nicht so trübsinnig... Erzähl mir lieber was Nettes... " Nardia sah ihn herausfordernd an.

So einem Blick hatte er noch nie widerstehen können...

* * *

3762/05/32 GZ

Nach dem fingierten Gleiterunfall, der angeblich Anya Ivhella Kheshaiell und ihren drei Kindern das Leben gekostet hatte, konnte Karylla gerade noch dem plastischen Chirurgen des KD entkommen, indem sie vorgab, lieber einen nach eigener Wahl zu konsultieren.

Eine Woche später wurde sie als Madame Nanette de l'Avouette bzw. Telura Ybaeau in die KD-Zentrale von Tarishaan beordert. Nun hatte sie leicht gebräunte Haut, lockige, kurze, schwarze Haare und dunkle Augen. Blackfire war zutiefst verärgert. Nicht alleine, daß sie vor zwei Monaten ihre etwas über schulterlangen, weißblonden Haare Anyas Igelschnitt zuliebe opfern mußte, jetzt durfte sie ihre übriggebliebene Haarpracht einfärben und in Ringellöckchen legen lassen. Igitt!

Als Ryko sie so gesehen hatte, war er fast mit einem Lachkrampf zusammengebrochen, was sie doch zutiefst getroffen hatte.

Außerdem war sie nicht die dummen Blagen los, wie sie es gehofft hätte nach solch einer dramatischen Umgestaltung ihrer Person, nein, natürlich hatte das Konsortium D Nanette de l'Avouette so angelegt, daß sie ihre Kinder behalten 'durfte'... Wie gerne hätte Blackfire diese an Anya zurückgegeben und das KD gebeten, es so zu arrangieren, daß die 'Kleinen' bei dem 'Gleiterunfall' mit draufgegangen wären...

Sie seufzte. Aber leider ließ sich das nicht mit der Anya-Rolle als 'glückliche Mutter' vereinbaren, und nun hatte sie die Bälger weiterhin am Hals...

Als sie sich in ihrer neuen Wohnung auf Tarishaan befand, brachte sie es auch endlich über sich, einmal probeweise in die dunkelblaue Kutte des KD zu steigen. Diese war furchtbar warm, aber einen Vorteil hatte der Kapuzenmantel doch: Unter dem Teil sah man die albernen Löckchen nicht... Jetzt tat sich aber ein anderes Problem auf: Da alle KD-Leute der zweiten Ebene solche Kutten trugen und natürlich ebenfalls einen Codenamen führten, war es absolut illusorisch, auf einfache Weise deren Identität zu ermitteln. Sie fluchte lästerlich. Wie sollte sie nun bloß weiterkommen?!

* * *

3762/05/41 GZ

Da Anya Kheshaiell offenbar einem bedauerlichen Unfall zum Opfer gefallen war, hatte sich in der Befehlsstruktur des KD eine Lücke aufgetan. Eric war höchst erfreut darüber, als ihm mitgeteilt wurde, daß er diese ausfüllen durfte und somit einen Rang in der KD-Hierarchie aufgestiegen war. Allerdings erwies sich diese Stellung als keineswegs so informativ, wie er anfangs gedacht hatte. Gut, nun hatte er ein paar Namen aus seiner jetzigen Ebene erfahren - aber um nach oben zu gelangen...

Seine Chefin war eine Madame Ybaeau, aber das brachte ihm rein gar nichts. Die Stimme, die er zu hören bekam, war derart verzerrt, daß es genausogut ein Mann oder wer weiß was sein konnte. Außerdem hatte man in dieser Position das unheimliche Glück, immer an allem Schuld zu sein, wenn etwas schief lief.

Zu allem anderen war ja nun der Posten des enaryshanischen ISPC-Departmentleiters offen, und zu Alans Überraschung bewogen seine ausgezeichneten Leistungen den ISPC-Chef Joël Lasalle, ihn zum kommissarischen Departmentleiter zu befördern, bis die Situation um Anya Kheshaiells Tod geklärt und ein offizieller neuer Leiter der enaryshanischen Zentrale bestimmt würde.

Das versprach, einiges an zusätzlicher Arbeit zu geben, und dabei war er doch jetzt schon mehr als überlastet mit seinen wöchentlichen Raubüberfällen, die er nicht vernachlässigen durfte, um sein Image nicht zu gefährden, den Auftritten als Michael Bradley in der ElCoTech und als derzeitiger Gefährte von Nardia Blade - und zu guter Letzt waren da noch all die widerwärtigen Aufträge des KD, die er geschickt umbasteln mußte, um so wenig Schaden wie möglich anzurichten...

Er seufzte gestreßt. Auch als Androide konnte man sich überfordern, so hatte er zumindest den Eindruck...

* * *

3762/05/48 GZ

Stardust hatte inzwischen die Nase voll. Die Spione Nummer 527-548 hatten ihr den Rest gegeben, da es sich um eineiige Drillinge gehandelt hatte, die jeder zig Identitäten hatten.

Es hatte doch keinen Sinn, hier endlos hinter den Typen herzujagen, was im Endeffekt sowieso nichts brachte, da das KD offenbar keinerlei Nachwuchsschwierigkeiten hatte. Für einen gefangenen Spion setzten die einfach wieder ein paar neue ein. So kam sie nie weiter.

Diesmal würde sie etwas anderes probieren. Da das Konsortium D momentan einen ziemlichen Bedarf an neuen Leuten hatte, konnte es doch nicht so schwer sein, sich anwerben zu lassen.

Durch diverse Informationen gelangte sie an Eric Lavie.

Dieser war erst vor kurzem vom Rechnungsprüfer zum kommissarischen ISPC-Departmentleiter aufgestiegen - und zwar innerhalb von nicht ganz zwei Monaten! Sehr eigentümlich... Vor allem, da es auch noch ein bedauerlicher tödlicher Unfall seiner ehemaligen Vorgesetzten gewesen war, der ihm den Weg zum Chefsessel freigeräumt hatte...

Zum Glück hatte sie Coryn schon vor geraumer Zeit gebeten, ihr eine zusätzliche Tarnidentität in der ISPC zu schaffen. Sie wußte allerdings noch nicht, wie sie am besten vorgehen sollte.

* * *

3762/05/49 GZ

Jana hatte sich als Irina Delaer zurecht gemacht. Ihre Haare waren nun rot, die Augen bernsteinfarben, und ihre Haut hatte einen rötlichbraunen Farbton. Stardust war sich sicher, daß sie niemand erkennen würde.

Einen Termin bei diesem Lavie zu bekommen, war relativ leicht gewesen; sie hatte ja inzwischen genügend Material gesammelt, um einige Personen zum Reden bringen zu können. Zudem war die Prozedur ziemlich einfach, man rief in einer gewissen Kneipe an, sagte seinen Satz auf, und kurze Zeit später traf eine Nachricht mit dem Zeitpunkt für ein Gespräch und diversen Instruktionen ein.

Jana, vielmehr Irina, betrat also Eric Lavies Büro im ISPC-Quartier auf Enaryshavell. Angeblich kam sie, damit ihr jemand half, ihren verschollenen Bruder zu finden.

"Mademoiselle Delaer, bitte nehmen Sie doch Platz." meinte Eric. Das hatte ihm noch gerade gefehlt, dachte er genervt. Nicht genug damit, daß sich eh schon viele Leute um eine Stelle beim KD bewarben, nein, jetzt mußte auch noch Stardust hier auftauchen!

Natürlich hatte Eric sie sofort erkannt. Er wunderte sich nur, daß bei der Überprüfung nichts festgestellt worden war. Das konnte nur heißen, daß Coryn diese Tarnidentität ausgearbeitet haben mußte.

"Vielen Dank", erwiderte Irina und begann sogleich, ihr Problem laut Anweisung zu schildern.

"Okay. Ich möchte Sie nun bitten, sich diese Papiere genau anzusehen", sagte Eric, nachden sie geendet hatte. Der Umschlag, den er nun Irina reichte, enthielt die 'Aufnahmeprüfung'. Eric hoffte, daß Stardust versagen würde, denn es würde äußerst schwierig werden, die KD-Leute zufriedenzustellen und Jana aus der Sache rauszuhalten. Langsam wurde es auch für ihn gefährlich, denn wenn sie ihn festnahm, waren seine Chancen, irgendetwas zu erreichen, dahin. Warum war sie bloß nicht da geblieben, wo sie hingehörte?

"Danke. Und wie sieht es mit der Bezahlung aus?"

"Diese Frage werden wir später klären, sobald wir festgestellt haben, ob wir Ihren Auftrag annehmen. Auf Wiedersehen, Mademoiselle."

So dezent rausgeworfen, machte sich Stardust auf den Rückweg. Unterwegs las sie die Anweisungen. Aha, dachte Jana gestreßt, sie sollte nur eine kleine Waffe von einem Militärstützpunkt holen, der als absolut einbruchssicher galt. Seufz... Wie sollte sie das nur schaffen? Wenigstens hatte man ihr eine Frist von 15 Tagen gesetzt. Andernfalls hätte sie die Sache gleich schmeißen können, schließlich hatte sie noch massenhaft andere Sachen zu tun.

* * *

3762/05/50 GZ

Heute fand die Halbjahresvollversammlung der Aktionäre von Blade Enterprises statt.

Karylla - nun ja wieder Alycia Cherylla Blade - hetzte die gewaltige Freitreppe des Hauptgebäudes der Blade Enterprises hinauf. Nachdem sie eine Woche unentwegt in der albernen, dicken Kutte gesteckt hatte, kam ihr das luftig-zerzauste Neon-Gewand richtig ungewohnt vor. Sie hoffte nur, daß es ihr gelungen war, sowohl die dunkle Farbe komplett von ihrer Haut abzuschrubben, als auch die schwarzen Ringellöckchen in Gänze unter ihrem neusten regenbogenfarbenen Neonmop zu verbergen. An der obersten Stufe blieb sie stehen. Wo steckte nur Ryko - äh, Sir Cayvyn? Er hatte doch gesagt, daß er Anya dazu bekommen hatte, sich vorerst wieder um ihre Kinder zu kümmern, obwohl diese eigentlich fand, daß sie ihn am liebsten gänzlich als Babysitter für die Zwillinge einstellen würde. Ryko fand das gar nicht witzig, aber Anya bestand darauf, daß er sich um die Babies kümmern sollte, während sie sich in aller Ruhe Holoramas ansah. Dafür arbeitete sie schließlich auch mit ihm und Blackfire zusammen, behauptete sie. Ryko hatte noch nicht viel davon gemerkt.

Endlich erschien er mit einem Gleitertaxi und gesellte sich zu seiner Gefährtin. Es war richtig erfrischend, ihn einmal wieder als Cayvyn zu sehen, mit seinen herrlich kupferrotgoldenen Haaren und diesen faszinierenden Smaragdaugen mit Goldschimmereffekt, fand Acy und schlang die Arme um ihn, um ihn erst einmal richtig zu begrüßen, bevor sie gemeinsam in die Versammlungshalle schritten.

Fast alle Aktionäre waren schon in dem monumentalen Saal versammelt, nur der Blade-Clan fehlte bis auf Anthony, der sich schon in seinem Sessel räkelte und Solidos von diversen einschlägigen Zeitschriften (Novo Erotico bis Young Yuppie) las.

Als erste der Fehlenden stürmte die neonfarbene Elfe Alycia in den Saal. Sie hatte sich kurz von Cayvyn gelöst, um stilvoll in Richtung ihres Stammplatzes zu schweben.

"Ich hoffe, Ihr habt noch nicht ohne mich begonnen", rief sie in die Menge hinein und drehte ein paar ätherische Pirouetten, bis Cayvyn ihren Stuhl zurechtgerückt und ihr galant Platz angeboten hatte.

Alles blickte auf den letzten leeren Stuhl am Kopf des Tisches, den Platz von Nardia Blade. Die Geduld der Anwesenden wurde noch eine weitere halbe Stunde auf die Probe gestellt, dann kam Nardia, leicht abgehetzt, in den Raum.

"Ich bin doch nicht zu spät?" meinte sie irritiert und ließ sich in den Sessel plumpsen.

"Nur 78 Minuten, liebste Schwester", verkündete Anthony nach einem Blick auf die Uhr. "Mir gingen schon die Hefte aus...

"Nun ja... Jetzt können wir anfangen." Sie suchte hektisch in den Papieren. "Worum geht es?"

"Die Halbjahreshauptversammlung der Aktionäre von Blade Enterprises, Lady Nardia", machte Sir Cayvyn sie dezent aufmerksam.

"Das war's! Ich wußte, mir würde es einfallen", meinte sie triumphierend. "Ihre Berichte!"

Drei Stunden lang zog sich die Anhörung hin. Alycia saß inzwischen auf dem Schoß ihres herzallerliebsten Sir Cayvyn, hatte den Kopf an seine Schulter gelegt und hielt ein kurzes Nickerchen.

Nardia sackte im Stuhl zusammen, als die Versammlung endlich aufgelöst wurde. So kaputt war sie noch nie gewesen, und trotzdem mußte sie wieder zurück nach Enaryshavell. Sie hatte da noch so ein kleines Problem zurückgelassen...

Schnell machte sie sich auf den Weg, bevor die Müdigkeit sie völlig übermannte.

Acy hingegen begab sich erst einmal zur Villa Alycia zurück, um sich dort wieder in die Maske der Nanette de l'Avouette zu werfen, und Ryko mußte sich wieder um die Gekidnappte kümmern. Blackfire fand diesen Gedanken einfach grauenhaft.

* * *

3762/06/03 GZ

Stardust war es leid, permanent zwischen Enaryshavell und Tarishaan hin und her zu sausen, zumal das Spionefischen in der ISPC eh kein Ergebnis brachte. Jana überzeugte also Lasalle, Irina offiziell nach Enaryshavell zu versetzen.

Monsieur Lasalle war ihrem Vorschlag nicht abgeneigt, da es momentan die einzige Spur war, die etwas zu bringen schien, und seine beste Agentin sollte möglichst an der Sache dran bleiben.

Außerdem bestand immerhin die Möglichkeit, daß sie die Aufnahmeprüfung bestand und ins KD aufgenommen wurde. Bisher hatte das noch kein anderer Agent geschafft... Das würde ihren Ruf als die Top-Agentin wieder enorm festigen.

Lasalle sorgte also für Irinas Versetzung nach Enaryshavell, angeblich aus Rationalisierungsgründen. Dann würde diese Hetzerei endlich ein Ende haben.

Das einzig Dumme daran war, daß Coryn nicht mitkommen konnte und sie somit auf sich selbst angewiesen war. Seufz... Aber wenn es ihr wirklich gelingen sollte, sich anwerben zu lassen, dann standen die Chancen für einen Erfolg bedeutend besser. Es lohnte sich also durchaus, dieses Risiko einzugehen.

* * *

3762/06/10 GZ

Wieder ein Suuntag, dachte Nardia erfreut. Leider mußte sie diesmal eine schlechte Neuigkeit loswerden. Sie würde es in der nächsten Zeit einfach nicht schaffen, am Wochenende nach Tarishaan zurückzukehren. Es lohnte sich einfach nicht. Sie würde die wenigen freien Stunden besser damit verbringen, sich auszuruhen. Fehler konnte sie sich in dieser Situation nun wirklich nicht leisten.

Sie würde Michael also eine ganze Weile nicht sehen können. Seufz... Aber es ging nun mal nicht, und das gerade, wo sie eben alle Probleme in bezug auf ihre Beziehung aus dem Weg geräumt hatten. Nochmal Seufz!

Auf jeden Fall würde sie den heutigen Tag gründlich ausnutzen, wer wußte schon, wann sie Michael wiedersehen konnte...

Kurze Zeit später traf dieser auf Blade Manor ein. Zur Begrüßung schwenkte er Nardia übermütig im Kreis herum. Die ganze Woche war der ultimate Streß gewesen. Selbst er war nahe an den Grenze seiner Belastbarkeit angekommen, und nun freute er sich auf einen ruhigen Tag...

Nad strampelte empört herum, sie wollte herunter, doch Michael fand es überaus amüsant, sie so festzuhalten, daß sie nicht auf den Boden kam.

"Nun laß mich doch herunter", bettelte sie.

"Was bekomme ich dafür?" Michael grinste unverschämt.

"Einen Tritt vor's Schienbein", meinte Nad, obwohl sie das natürlich nicht tun wollte, sie würde sich höchstens die Zehen brechen.

"Was haben wir denn heute vor?"

"Ich weiß ja nicht, was du vorhast..."

"Nun gut." Michael stellte sie wieder auf die Füße, ließ sie aber nicht aus seiner Umarmung. "Und jetzt?"

"Hm, schlag doch was vor."

"Ich glaube nicht, daß..."

"Was willst du machen?" unterbrach Nardia seine übliche Ausweichtaktik.

Michaels Blick war bedeutsam genug.

"Du bist unverbesserlich!" meinte Nad amüsiert.

"Natürlich", gab er zu. "Daran wird sich auch nichts ändern."

"Gehen wir nach oben. Hier in der Empfangshalle treffe ich keine Entscheidungen."

"Na, wenn das so ist..." Michael hob sie kurzerhand hoch und trug sie die Treppe hinauf, in die erste Etage.

"Hey, du sollst mich doch nicht immer herumschleppen!" Nad sah ihn empört an, sie fand das überaus peinlich...

"Wieso? Das macht mir nichts aus."

"Aber mir."

"So? - Ich dachte..." Er brach ab, und stellte Nardia vor der Tür zu ihren Räumen ab.

"Was?"

"Schon gut, war nicht so wichtig."

"Diesen Satz kann ich absolut nicht ausstehen."

"Vergiß es einfach."

"Ich will aber nicht, sag mir, was los ist."

"Ich bin nur ein wenig gestreßt."

Sie musterte ihn zweifelnd.

"Sieh mich doch nicht so an. Schließlich kann ich auch nicht immer in Hochform sein."

Nardia öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und ging hinein. "Nun komm schon, ich werde dich auch nicht länger mit Fragen quälen."

Michael ließ sich auf dem riesigen Himmelbett nieder und zog sie ebenfalls hinein. Eine ganze Weile lagen die beiden schweigend da; jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.

"Michael?" meinte Nardia plötzlich und richtete sich auf.

"Hm?" machte er und sah sie fragend an.

"Wir können uns eine Weile nicht sehen, ich muß auf eine Geschäftsreise."

"Wie lange?" Aha, dachte er, anscheinend wird es ihr doch zuviel, permanent hin und her zu sausen.

"Das kann ich noch nicht sagen, es kommt ganz darauf an, wie ich vorankomme."

"Kann das nicht jemand anders übernehmen?"

"Nein", meinte Nad bestimmt.

"Seufz! Ich hasse den Gedanken." Besonders, da sie ihre 'Aufnahmeprüfung' anscheinend bestanden hatte und nun einer Aufnahme ins KD nichts mehr im Wege stand. In den geheimen Berichten des Militärs war jedenfalls von einem Diebstahl die Rede. Michael war sicher, daß man ihm dies in den nächsten Tagen mitteilen würde.

Nardia kuschelte sich wieder an ihn. Ihr Entschluß stand fest, sie würde auf Enaryshavell bleiben, auch wenn es ihr nicht gerade leicht fiel.

Michael küßte sie zärtlich und begann, sie aus ihren Klamotten zu schälen. Nad sträubte sich spielerisch, so daß eine wilde Schlacht tobte, bis sie völlig außer Atem zugeben mußte, daß er gewonnen hatte.

"Habe ich doch gleich gesagt", meinte Michael grinsend.

"Püh. Du hast geschummelt."

Michael verneinte dies entschieden.

"Doch. Und zur Strafe..." Sie pellte ihn aus den restlichen Kleidungsstücken, die den Ringkampf überstanden hatten. Noch war es nicht morgen...

* * *

3762/06/13 GZ

Es war Stardust mit Hilfe von Cass und Coryn, der extra ebenfalls nach Enaryshavell gekommen war, tatsächlich gelungen, die Waffe für das KD zu besorgen. Monsieur Lavie hatte das anscheinend sehr überrascht. Jana war begeistert. Vor allem, da ihr gerade mitgeteilt worden war, daß sie nun endlich ins KD aufgenommen worden war. Das war ein großer Erfolg. Vielleicht gelang es ihr ja, noch einige der höheren KD-Leute zu entlarven.

* * *

3762/06/21 GZ

Eric Lavie saß an seinem Schreibtisch und konnte es eigentlich immer noch nicht fassen, daß er nun kommissarischer Leiter der enaryshanischen ISPC-Zentrale in Tamsaioll war.

Zuerst hatte ihn diese Madame Kheshaiell permanent mit dummen Aufträgen bedacht, und nun saß er auf einmal auf ihrem Stuhl. Eric vermutete schwer, daß das Konsortium D irgendwie seine Finger dabei im Spiel gehabt hatte, denn sein plötzlicher Aufstieg war doch ein bißchen zu kometenhaft gewesen, um ohne Manipulation zustandegekommen zu sein. Über die interne Kommunikationsanlage meldete sich seine Sekretärin.

"Monsieur Lavie, ich habe hier einen Anruf für sie - von einer Madame Ybaeau..."

"Stellen Sie ihn bitte durch, Lenya", erwiderte Eric.

"In Ordnung!"

Das Bild der jungen, rotblonden Sekretärin wurde von einem abstrakten Kunstwerk eines bekannten khemarrischen Malers ersetzt. Eric fand es frustrierend, daß er seine(n) Vorgesetzte(n) --- bei der neutralen Kunststimme, die er stets zu hören bekam, war das nicht genau zu bestimmen --- nicht zu Gesicht bekam, denn so nutzte ihm dieser Kontakt zur höheren Ebene rein gar nichts.

Er betrachtete das Kunstwerk, ein braun-gelbes Geschmiere, das heute mal wieder besonders furchtbar war. Was Madame Ybaeau wohl diesmal von ihm wollte?

"Bitte, Sie wünschen?" fragte er.

"Ach, haben Sie gerade fünf Minuten Zeit für einen kleinen Plausch, Monsieur Lavie? Da wären so ein paar Dinge, über die ich mich unbedingt mit Ihnen unterhalten muß, weil sie mich ungemein empörten..."

"Ich habe gerade nichts Wichtiges zu tun - also, worum geht es?"

"Oh, hören Sie! Minister Demvall - ja, der, der meint, immer eine völlig weiße Weste zu haben! - scheint doch in einige Dinge verwickelt zu sein... Es ist mir zwar noch nichts genaueres bekannt, aber es heißt, man stünde kurz davor, die entsprechenden Beweise zu finden. Eigentlich wollte ich Ihnen nur rasch den Tip geben, weil es doch wieder einmal ein schöner Erfolg für die ISPC wäre, solch einen Verbrecher noch vor der Polizei dingfest zu machen..."

"Ich danke Ihnen für den Hinweis, Madame", meinte Eric. Die Anweisung war deutlich, er sollte die Beweise erfinden, damit der enaryshanische Justizminister aus dem Weg geräumt werden konnte.

"Ich dachte es mir, daß Sie daran interessiert wären! Aber nun will ich Ihre kostbare Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen. Haben Sie noch einen schönen Tag, Monsieur Lavie."

"Guten Tag, Madame Ybaeau." Eric war gar nicht begeistert davon, falsche Beweise gegen Sunary Demvall zu konstruieren, aber es blieb ihm wohl kaum eine Wahl, wenn er nicht entlarvt werden wollte.

Also machte er sich lieber sofort an die Ausarbeitung, bevor er es ernstlich bereute.

* * *

3762/06/50 GZ

Nardia hatte Michael nun vier Wochen nicht gesehen. 40 Tage, 792 Stunden... Die Minuten auszurechnen unterließ Nardia lieber.

Aber sie hatte ihn eben vermißt. Auf Enaryshavell war auch nichts los gewesen - naja, es war schon eine Menge zu tun gewesen, aber in der KD-Sache war sie keinen Schritt weiter gekommen. Dieser Lavie war zu gerissen. Sie hatte ein paarmal versucht ihm zu folgen, aber keine Chance, er hatte sie schon nach wenigen Minuten abgeschüttelt. Es wunderte sie nur, daß er nichts sagte. Wahrscheinlich war sie zu unbedeutend für ihn, als daß sie eine Gefahr darstellte. Frust...

Gegen 08:00 Uhr traf Michael dann endlich ein. Eric war die ganze Nacht noch für das Konsortium D unterwegs gewesen. Seufz, langsam wurde die Sache wirklich stressig... Zudem hatte Telura Ybaeau ihm noch ein paar sehr arbeitsaufwendige Aufträge zugedacht. Anscheinend war die Führung durchaus mit ihm zufrieden, obwohl er manchmal den Verdacht hatte, daß ihn jemand nicht leiden konnte, und ihn deshalb immer mit diesen fast unlösbaren Arbeiten betraute. Leider konnte er sich keinen Fehlschlag leisten, da das KD ihn dann wahrscheinlich sofort fallen lassen würde.

Diesmal mußte er sich wohl mit einer Geschäftsreise entschuldigen, wenn er das ganze Pensum schaffen wollte. Vor allem mußte Firestar ja auch in regelmäßigen Abständen auftauchen. In letzer Zeit waren dessen Überfälle wirklich nur noch schnelle Aktionen, die der Presse nicht mal eine kleine Notiz wert waren.

Es hätte so schön sein können, wenn Nardia und er sich nicht mit jeweils drei Identitäten herumquälen müßten. Seufz, aber natürlich ging die KD-Sache vor... Das war er schließlich Tyron Star schuldig, auch wenn er momentan noch nicht das Geringste herausgefunden hatte, was ihn irgendwie weiterbringen würde.

Nardia begrüßte Michael stürmisch, die vier Wochen waren eine wirklich lange Zeit gewesen.

"Du hast mich wohl sehr vermißt?" meinte er grinsend.

"Wie kommst du darauf?" Nad sah mit einem Unschuldsblick zu ihm auf.

"Sonst wartest du wenigstens bis ich im Haus bin."

"Ähm..." Sie standen wirklich noch auf der Treppe zum Eingang. Diesmal hatte Nardia auch am Fenster gestanden und auf Michaels Ankunft gewartet, so daß sie ihm entgegen gegangen war, sobald sein Gleiter auf dem Weg auftauchte. "Was haben wir heute vor?"

"Warum fragst du mich eigentlich immer?" wollte er wissen.

"Du siehst so aus, als wüßtest du es", erwiderte Nardia grinsend.

"Seufz..."

"Nun?"

"Habe ich wenigstens noch eine Gnadenfrist?"

"Na schön. Da heute das Personal Ausgang hat, muß ich uns wohl selbst was zu essen machen. Es sei denn, wir machen heute Diät." Nad grinste, als sie seinen entsetzten Gesichtsausdruck sah. "Sag mal, kannst du eigentlich kochen?"

Michael überlegte. "Ich glaube schon, aber bis jetzt habe ich es noch nie getan."

"Dann ist das doch die optimale Gelegenheit", schlug Nardia vor. Sie machten sich auf den Weg in die Küche.

"Was kochen wir?" fragte sie.

"Was hältst du von..." Michael ging schnell die diversen Kochrezepte durch, die ihm zur Verfügung standen. "...Danazee mit Searta?"

(Danazee - geschnetzeltes Ambeat-Fleisch (so eine Art Schaf, nur größer) mit einer ganz bestimmten Gewürzmischung zubereitet.)

(Searta - Kornfrüchte einer grasartigen Getreidesorte)

"Das dauert wenigstens nicht so lange, und wir haben alles dafür da - glaube ich zumindest..." meinte Nad.

"Fein, dann laß uns mal nach den Zutaten suchen." Er sah in den nächsten Schrank, aber darin befand sich nur Geschirr.

"Die sind alle in der Speisekammer." Nardia öffnete die Tür und blickte sich in dem Raum um. Hm, sie war nicht mehr hier gewesen seit... Hm, das mußte mindestens schon ein Jahr her sein, als sie nachts der ultimate Hunger überfallen hatte, und sie die Speisekammer... "Ha, den Searta habe ich", meinte sie triumphierend und nahm einen Behälter aus dem Regal.

"Wo bewahrt ihr denn das Fleisch auf?"

"Im Tiefkühlraum, aber ich gehe da nicht rein."

"Nun gut, überredet. Wo ist er?"

Nardia deutete auf eine Tür im Hintergrund der Kammer. Michael machte sich daran, dort nach dem Ambeat-Fleisch zu suchen, während Nad nach den diversen Gewürzen fahndete, die er ihr genannt hatte.

Endlich hatte sie alles Nötige auf der Arbeitsplatte in der Küche zusammengetragen.

"War das jetzt alles?" fragte Nad.

"Hm, jetzt brauchen wir noch eine Pfanne, einen großen Topf..."

"Wie gut, daß ich nur höchst selten etwas zu essen machen muß."

Michael grinste, und wickelte sie in eine monumentale Schürze, die anscheinend der Köchin gehörte, da sie ein annähernd gleiches Format aufwiesen (die Schürze und die Köchin).

"Damit du auch zünftig aussiehst."

"Hm", machte Nardia zweifelnd. Das Gerät war mindestens 10 Nummern zu groß.

Es gelang ihnen wirklich, ein annehmbares Essen zuzubereiten, obwohl Nad natürlich den Searta anbrennen ließ und damit nochmal von vorne anfangen mußte.

Nach dem Mahl, das sie gleich in der Küche einnahmen, beschlossen sie, die veranstaltete Unordnung zu ignorieren - wozu hatte Blade Manor schließlich Dutzende von Reinigungsandroiden? Sie machten sich lieber einen gemütlichen Nachmittag im Park.

Nardia war keineswegs begeistert, als sie von Michaels neuer Geschäftsreise hörte. Er wußte ja nicht mal, wie lange sie dauern würde. Seufz... Irgendwie schien es ihnen nicht zu gelingen, sich öfter als ein-, zweimal im Monat zu sehen...

* * *

3762/07/23 GZ

So hatte sie sich diese Aktion eigentlich nicht vorgestellt!

Blackfire lümmelte sich frustriert und mutterseelenalleine im Bett herum. Die ganze Zeit verging quälend langsam, und nichts geschah, außer vielleicht Firestars allwöchentlichem Raub. Karylla hatte fast den Verdacht, diese Überfälle wurden von Alan auch nur deshalb verübt, weil eben sonst nichts anderes los war.

Aber mit der Zeit nutzte sich halt auch diese Schlagzeile ab, und mittlerweile brachte der Star darüber lediglich eine winzige Fünfzeilen-Notiz unter der Rubrik 'Was sonst noch geschah'... In FGS-Aktuell hatten sie den letzten Überfall überhaupt nicht einmal mehr eines Wortes gewürdigt.

Blackfire überlegte, ob sie mal wieder etwas unternehmen sollte - etwas wirklich Spektakuläres, das die Info-Gruppen mindestens für eine Halbwoche, wenn nicht noch länger, beschäftigte.

Am liebstens etwas so Freches wie ganz zu Anfang ihrer 'Karriere', als sie das verübte, was immer noch als der 'dreisteste Bankraub der FGS-Geschichte' bezeichnet wurde... Sie seufzte tragisch. Aber leider wäre auch ja heute auch keine Novität mehr, wenn sie eine ganze Bank mitgehen lassen würde. Das einzige, was man dazu sagen würde, wäre, daß Blackfire wohl auch langsam die Ideen ausgingen...

Es war schon tragisch.

Und im Augenblick war noch nicht einmal Ryko hier, um sie über den Frust und die Langeweile der folgenden Stunden hinwegzutrösten... Aber ihr herzallerliebster Schatz hatte zur Zeit auch ein schweres Los zu tragen. Anya Kheshaiell schien immer noch nicht locker zu lassen, was ihre Annäherungsversuche bei ihm betraf, und dann waren da immer noch die Kinder...

Karylla konnte sich glücklich schätzen, daß Hyko aus dem Windelalter heraus war, auch wenn er in letzter Zeit andauernd derart bockig war, daß sie ihm am liebsten ununterbrochen den Hintern versohlen würde... Blackfire seufzte. Laut der aktuellen Erkenntnisse über Erziehung u.ä. wäre das wohl nicht die ideale Methode, aber sie hatte nun einmal ein Problem mit Kindern.

Am liebsten waren diese ihr noch immer gefesselt, geknebelt und in einen Panzerschrank gesperrt. Wären sie in der Lage, daraus auszubrechen - nun, dann wäre ja vielleicht noch etwas mit ihnen anzufangen, aber sonst? Sie seufzte ein weiteres Mal.

Hyko hatte echtes Glück, daß er Anya Kheshaiells Sprößling war, denn die Tatsache, daß Karylla ihn in absehbarer Zeit nie wieder sehen würde, gab ihr die enorme Nervenstärke, es dabei zu belassen, ihn dezent zu ignorieren.

Warum nur gab es nicht den geringsten Erfolg, bemitleidete Blackfire sich selbst. Sie war nun schon volle vier Monate in Aktion, und rein gar nichts hatte sich ergeben.

Es gab nicht den geringsten Hinweis auf die Chef-Etage des KD, und selbst die 2. Ebene hielt sich absolut bedeckt. Außer sich selbst kannte sie nicht eine weitere Person aus diesem Kreis...

* * *

3762/07/50 GZ

Nardia starrte ärgerlich auf die aktuelle Zeitung. Das war einfach gemein! Für sie hatte Alan keine Zeit, aber auf so einem blöden Wohltätigkeitsball trat er auf. Dabei war es jetzt genau ein Monat her, seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten.

Seufz... Warum mußte sie sich auch in so einen Typen verlieben, der permanent unterwegs war? Wahrscheinlich flirtete er auf dem Ball mit sämtlichen hübschen Ladies, und mehr... Nardia traute Firestar alles zu.

Und dazu kam auch noch, daß Irina nicht ein bißchen vorangekommen war. Nicht mal eine weitere Spur hatte sie im letzten Monat finden können. Nad starrte aus dem Fenster, es wurde langsam Blütenzeit.

(Blütenzeit - die fünfte Jahreszeit auf Tarishaan. Liegt zwischen Frühling und Sommer.)

Seufz... Sie sollte sich wirklich nicht so gehen lassen. Aber das war einfach gesagt, sie vermißte Michael.

Es war nicht so schlimm, solange sie tun hatte, aber diese einsamen Wochenenden zu Hause zerrten doch an ihren Nerven. Nicht mal Acy war zu erreichen, und Coryn erledigte ja jetzt ihre Arbeit bei der ISPC. Nochmals Seufz. Und gesellschaftlich war auch nicht das Geringste los. Es war einfach frustrierend.

Nardia nahm sich ein Buch, eine große Schachtel Pralinen und kletterte in ihr Bett zurück. Wenn es eh nichts gab, wofür es sich lohnen würde aufzustehen, konnte sie auch gleich im Bett bleiben.

* * *

3762/08/05 GZ

Karylla hetzte aus dem 'Pseudo-Hauptquartier' des Konsortium D.

Heute abend sollte doch der alljährliche große Künstlerball auf der Villa Alycia stattfinden, den sie seit 3753GZ zu Ehren des berühmten Aktionskünstlers Jiriko Tamaer von Khemarra veranstaltete, der 3752GZ bei einem Fehlschlag seines letzten Kunstwerks ums Leben kam.

Beinahe hätte sie es nicht geschafft, sich für diese Zeit aus Ashteera zu entfernen, und das, wo ihr doch dieser Ball stets so sehr am Herzen lag! Letztes Jahr wollte sie als Krönung desselben die Mayflower-Brücke von Tarishaan entführen und sie als künstlerische Aktion mit dem Titel 'Brücke zu den Sternen' an der Villa anbringen, doch leider war das Unternehmen kläglich gescheitert.

Hoffentlich hatten Shentay und Myriella schon soweit alles vorbereitet!

* * *

Mittlerweile hatte sich die extra für den Ball neu dekorierte Spiegelhalle der Villa Alycia entschieden gefüllt. Passend zu dem Interieur des Saals hatte Acy beschlossen, diesmal ein Spiegelkleid anzuziehen, das aus lauter kleinen Spiegelplättchen auf einem ansonsten durchsichtigen Unterkleid bestand. Dazu hatte sie einen glitzernden Kopfschmuck aus demselben Material über ihre derzeit regenbogenfarbige Neon-Perücke gestülpt.

Coryn Arvhayn schüttelte nur den Kopf, als er den in irisierendes Licht getauchten Saal betrat. Da Wände, Boden und Decke verspiegelt waren, wurden die Gestalten der Gäste vielfach reflektiert, was ein höchst farbiges Spektakel bot, weil alle Besucher in prächtige Kostüme gewandet waren. Er schob sich durch die Menge, und als er Acy erblickte, verschlug es ihm beinahe die Sprache. Passend zur Einrichtung bestand ihr Kleid tatsächlich ebenfalls fast nur aus Spiegelstückchen!

Tse, die Künstler wurden heutzutage auch immer ausgeflippter! Coryn besuchte diese Bälle eigentlich nur, um sein Image zu wahren, ansonsten konnte er wenig mit dieser Art von Geselligkeit anfangen.

Alycia Cherylla Blade klatschte in die Hände. Da sie sich vorsichtshalber mit einer Mikro-Verstärkeranlage ausgerüstet hatte, die sie in ihrem gläsernen Halsband untergebracht hatte und die direkt an die Lautsprecheranlage de Ballsaals angeschlossen war, hallte das Geräusch durch den gesamten Raum, und es wurde prompt still.

"Meine Lieben", begann sie salbungsvoll. "Ich freue mich, daß ihr alle zum 10. Jiriko Tamaer Gedächtnisball gekommen seid. Mein herzallerliebster Lebensgefährte Sir Cayvyn läßt sich vielmals entschuldigen, da er sich unpäßlich fühlt. Das Buffet ist im Nebenraum. Und nun - möge die Festivität beginnen!"

Die Musik setzte ein, als Acy kurz mit den Fingerspitzen an ihr Halsband tippte, um das Mikro abzuschalten. Sie machte noch ein paar atemberaubend glitzernde Pirouetten, bevor sie in Richtung Buffet schwebte. Alycia war etwas gefrustet, daß ihr Gefährte wieder einmal anderweitig beschäftigt war und beschloß, diesen Kummer mit ein paar ausgesucht delikaten Häppchen zu besänftigen, auch, wenn sie sich danach wieder maßlos über die dadurch verursachten zusätzlichen Pfunde ärgern würde...

Unerwartet berührte eine hochgewachsene Frau mit metallicschwarzen, langen Haaren und leuchtend türkisfarbenen Augen sachte Coryns Arm.

"Wollen wir tanzen, Monsieur?" Sie machte eine Handbewegung zur Tanzfläche, und einige Glöckchen an ihrem metallisch türkisfarbenen, bodenlangen Kleid bimmelten dezent. Coryn fuhr herum; er hatte nur auf Alycia Blade geachtet. Deren Glas-und-Spiegel-Kleid war aber auch einfach zu faszinierend.

"Gerne", erwiderte Coryn lächelnd und reichte ihr seinen Arm.

"Ich habe Sie bislang noch auf keinem Künstlerball gesehen. Sind Sie neu auf Tarishaan? Ich meine, Sie scheinen von Dunnlorn zu sein, oder?"

"Ich bin erst seit acht Monaten hier und hatte bislang noch keine Gelegenheit, einen Künstlerball zu besuchen."

"Was machen Sie denn so? Ich bin übrigens Tjina Lvara Amris und gestalte holographische Plastiken..." Sie zuckte kurz die Schultern und bedachte Coryn mit einem gekonnt scheuen Lächeln. "Nun ja, eigentlich tue ich dies nur in meiner Freizeit. Ich bin hauptsächlich bei der tarishaanischen Niederlassung von Dvarisian Technologies (DT) beschäftigt..."

"Ich arbeite zur Zeit bei der ISPC. Mein Name ist Coryn Arvhayn."

"Ah, sicherlich habe ich von Ihnen gehört! Sie haben doch letztlich diese KD-Zentrale auf Sinhalon ausgehoben, nicht wahr?" Sie warf ihm einen Blick zu, der irgendwo auf der Grenze zwischen anhimmelnd und ziemlich eindeutig lag. "Ich bewundere Ihren Mut, sich gegen solche Leute einzusetzen...!"

Coryn grinste die Frau an.

"Vielen Dank für das Kompliment! Aber es bedarf eigentlich kaum des Mutes, um etwas gegen diese Typen zu unternehmen. Es ist vielmehr eine Frage der Routine und vor allem des Glücks."

"Aber nein! Das sind doch kaltblütige Killer... Routine und Glück... Also, selbst, wenn ich Ihre Routine hätte, solche Verbrecher zu bekämpfen - ich glaube nicht, daß ich es wagen würde..." Sie maß ihn dezent mit einem für Coryn leicht beunruhigenden Blick.

"Ach was", wehrte er ab. "Es gehört nun wirklich nicht viel dazu", versicherte er etwas verlegen; diese Situation war ihm überaus peinlich. Tjina Lvara Amris ließ sich nicht im geringsten beirren. Sie fand den hübschen jungen Mann ausnehmend anziehend, auch wenn er offenbar ein wenig schüchtern schien. Sie beschloß, kurzerhand ein wenig mehr auf Tuchfühlung zu gehen, was dadurch erleichtert wurde, daß nun ein langsameres Stück gespielt wurde. Coryn war irritiert, da Tjina sich ihm ziemlich aufdringlich näherte. Er versuchte, sie auf Distanz zu halten, was Tjina elegant unterlief, indem sie einige Varianten des gerade ausgeübten Tanzes austestete. Coryn gefiel das ganz und gar nicht, und er schob sie von sich.

"Aber Madame!" Tjina Amris sah ihn verwundert an.

"Aber Monsieur - sind Sie mit dieser Variante des Tvamjak nicht vertraut?" Sie lächelte Coryn entschuldigend an.

(Tvamjak - Tanz von Dvaris, ziemlich gewagt.)

"Nein." Coryn zuckte mit den Schultern.

"Aber das ist doch ganz einfach. Sehen Sie..." Sie führte ihm ein paar Schritte vor, wobei sie sich ihm wieder verdächtig näherte. Coryn war sich sicher, daß dies kein Tanz war, der normalerweise irgendwo öffentlich dargeboten wurde. Das Interesse der Dame an ihm war ihm ohnehin sehr suspekt.

Die Dvarisianerin fand Coryn mittlerweile leicht enervierend. Ts. Also, entweder er war wirklich sehr schüchtern - oder er hatte ein anderweitiges Problem. Auf jeden Fall hatte dieser niedliche Dunnlorner entschieden ihren Jagdinstinkt geweckt.

Irgendwie hatte Coryn den Verdacht, daß er etwas falsch machte, denn anstatt, daß sie endlich von ihm abließ, schien er nun erst recht ihren Ehrgeiz geweckt zu haben. Er seufzte schwer. Das fehlte ihm gerade noch!

"Sagen Sie, Monsieur, sind eigentlich alle Männer auf Dunnlorn so zurückhaltend?" hauchte Tjina ihm zu. "Oder sind Sie durch irgendwelche religiösen Tabus gebunden?"

"Was?!" fragte Coryn perplex. "Nein. Das gilt für beide Fragen."

"Warum sind Sie dann so furchtbar schüchtern? - Oder sind Sie bereits liiert?" Sie blickte ihn bestürzt an. "Stimmt! Heißt es nicht, Sie seien der Partner von Mademoiselle Stardust?"

Das verschlug Coryn die Sprache. Was die Leute immer von ihm dachten! Jana hatte bloß ständig etwas an ihm auszusetzen, und das war alles.

"Ich bin solo", meinte er. "Und schüchtern bin ich schon gar nicht", fügte er ärgerlich hinzu. 'Nur vorsichtig sein', dachte er.

"Oh! Jetzt weiß ich es..." Sie sah ihn betrübt und auch ein wenig verletzt an. "Ich bin Ihnen nicht attraktiv genug." Tjina seufzte tragisch. Tja, frau wurde älter...

Das war Coryn nun peinlich; daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Nun ja, sie mußte gut doppelt so alt sein wie er in seiner Persona als Coryn Arvhayn, und jetzt hatte er sie gekränkt.

"Aber nein", meinte er und lächelte etwas gezwungen. Er sah schon förmlich, wie sich der Strick um seinen Hals zuzog.

"Wirklich?" Tjina bedachte ihr Gegenüber mit einem koketten Augenaufschlag und schaute ihn schmachtend an. Sie war bislang noch nie mit einem Dunnlorner zusammengewesen und befand, daß sie diesem Umstand tunlichst abhelfen sollte.

Was konnte er bloß tun? Coryn überlegte angestrengt. Es gab da verschiedene Möglichkeiten... Im Moment fiel ihm jedoch nur die Flucht ein. Hm, aber wenn er dies tat, würde er sie sicherlich zutiefst verletzen.

Frauen waren immer so furchtbar kompliziert.

Er beschloß, sie anzulächeln und abzuwarten.

"Wissen Sie, daß Sie unglaublich faszinierende Augen haben?" säuselte Tjina und versank förmlich darinnen.

"Ähem..." Coryn blickte sie an. "Das hat man mir schon öfter gesagt."

"So?!" Tjina Amris runzelte die Stirn. Dieser Coryn Arvhayn war eine harte Nuß. Sie meditierte intensivst darüber nach, wie es ihr gelingen könnte, ihn doch noch herumzukriegen. Immerhin ging es hier auch ums Prinzip. "Aber es stimmt ja auch..."

"Was?!" fragte Coryn, der mit den Gedanken ganz woanders war.

"Ihre wundervollen Augen!"

Just in diesem Augenblick kam Alycia Cherylla Blade vorbeigeglitzert. Die Gastgeberin hielt kurz inne und meinte:

"Amüsiert ihr euch auch, meine Lieben?" Bevor irgendjemand antworten konnte, schwebte sie schon weiter. Coryn blickte ihr sehnsüchtig nach. Er wünschte sich weit fort von hier.

Jana hatte ihn einfach zu Hause gelassen, die ISPC brauchte ihn ebenfalls nicht, und dann hatte Cass ihn auch noch vor die Tür gesetzt, weil er angeblich 'unerträglich' sei. Hm. Warum sollte er eigentlich nicht nachgeben? Es würde ja sowieso niemanden stören...

Von all diesen schwerwiegenden Gedankengängen Coryns bekam Tjina Amris nicht viel mit, da sie sich während des Tanzes weiterhin dezent an ihn schmiegte und dabei überlegte, was sie noch anstellen könnte, um ihn für sich zu gewinnen.

Unterdessen fragte sich Coryn, warum dieses Lied so lange dauerte. Irgendwie machte sich in ihm langsam eine gewisse Unruhe breit. Endlich verklangen die letzten Takte von 'Romancing under the Skies of Shanjir', doch bevor Coryn flüchten konnte, wurde er von seiner hartnäckigen Verehrerin in Richtung Buffet geschleift. Tjina griff sich zwei Champagnerkelche und drückte Coryn einen in die Hand. Vielleicht würde er ja dadurch etwas lockerer werden...

'Pfui', dachte Coryn. Er mochte keinen Champagner. Besser, er brachte es gleich hinter sich, und so trank er das Glas in einem Zug aus. Tjina guckte ihn erstaunt an. Hatte der einen Durst! Kurzerhand drückte sie ihm einen weiteren Kelch in die Hand.

Graaa... Wie er das haßte! Coryn kippte auch den zweiten Champagner in Nullzeit herunter. Hoffentlich nicht noch mehr...

"Monsieur Arvhayn, Sie sind ja anscheinend ganz ausgetrocknet..." Fürsorglich organisierte Tjina ihm auch noch ein drittes Glas. Hm. Vielleicht hatte er ja nun langsam genug Alkohol intus. Diese Trinkgefäße waren immerhin ziemlich voluminös.

Coryn sah sein Gegenüber mit hochgezogenen Augenbrauen an. Was meinte sie damit? Er nahm auch Champagner Nr.3 entgegen, aber diesmal stellte er den Kelch auf dem Tisch ab, um sich lieber den Häppchen zuzuwenden, denn die sagten ihm entschieden mehr zu. Coryn steckte sich erst einmal eins in den Mund, bevor er einen Teller randvoll mit weiteren Hors d'OEvres belud.

"Meine Güte - essen Sie immer so viel?" wollte Tjina wissen. "Wie schaffen Sie es dann bloß, so schlank zu bleiben?" Sie seufzte. "Also, ich nehme schon vom Zusehen zu..."

Coryn sah zunächst an sich herunter und dann an ihr.

"Ich werde nicht dick. Liegt irgendwie in der Familie."

"Seufz..." Tjina genehmigte sich nun ebenfalls ein Häppchen, aber nur eins mit magerem Quark, wegen der Joule, während Coryn noch immer alles Eßbare in sich hineinschaufelte. Warum hatte das Zeug bloß so wenig Nährwerte für ihn...? Tjina fuhr unterdessen fort, ihn anzuschmachten. Sie fand, daß Coryn wirklich eine Bereicherung für ihre Sammlung wäre, vor allem, weil er nun einmal von Dunnlorn war.

Coryn musterte dezent die Spiegeldecke. Tjina sah ihn immer noch so komisch an. Warum mußte er auch von diesem dusseligen Planeten stammen? Dessen Bewohner waren dummerweise überaus sagenumwittert und hatten unter anderem den Ruf von romantischen, geheimnisvollen Menschen... Hin und wieder war es ja ganz nützlich, da sich die meisten Leute nicht trauten, ihm zu tief in die Augen zu blicken (Dunnlorner hatten angeblich hypnotische Kräfte) - aber Tjina Lvara Amris?! Seufz. Coryn beschloß, sie intensiv anzustarren. Vielleicht wirkte das, um sie zu vertreiben.

Die Dvarisianerin war entzückt. Anscheinend war dieser Coryn Arvhayn doch herumzukriegen, denn dieser Blick war ja wohl nicht anders zu deuten. Sie erwiderte ihn glutvoll und schlang kurzerhand die Arme um Coryn.

Hm, die Sache war anscheinend nach hinten losgegangen, stellte dieser fest. Was nun? Er fühlte sich sichtlich unbehaglich, aber er wehrte sich nicht, da schließlich seine Neugierde die Oberhand gewann.

Ts, dachte Tjina. Dieser Typ war offenbar ein echter Spätzünder. Aber vielleicht brauchte er auch nur ein wenig Aufmunterung, und so schmiegte sie sich entschieden an ihn.

"Ich finde dich überaus attraktiv", hauchte sie ihm verführisch ins Ohr.

Das war nicht zu übersehen, dachte Coryn schmunzelnd. Langsam begann ihm die Sache wirklich Spaß zu machen, und er erwiderte ihre Umarmung vorsichtig. Jana brüllte ihn ja immer an, er würde zu fest zudrücken, wenn er sie festhielt.

Aha, jetzt hatte er endlich angebissen, dachte Tjina befriedigt.

"Wollen wir noch eine Runde tanzen?"

"Wie Sie möchten", sagte Coryn. Es lief gerade wieder so ein langsames Lied. Höchst erfreut begab sich Tjina Amris mit ihrer neusten Eroberung (wie sie Coryn mittlerweile klassifizierte) in den Spiegelsaal und ließ ihm diesmal keinen Millimeter Spielraum, als sie die Arme um ihn legte. Inzwischen hatte sich Coryn damit abgefunden. Er war derweil nur noch froh, daß kaum jemand genaueres über Musik und Tänze auf Dunnlorn wußte.

Einige Stunden später neigte sich der Jiriko Tamaer Gedächtnisball dem verdienten Ende zu. Alycia war ziemlich froh darüber, denn sie mußte ja wieder in die Pseudo-Zentrale des Konsortium D zurück. Sie setzte ein fröhliches Gesicht auf, als sie die letzten Gäste verabschiedete, obwohl ihr überhaupt nicht danach zumute war. Sie war gefrustet, daß es einfach kein Fortkommen bei der Eliminierung des KD zu geben schien, und außerdem fehlte ihr Cayvyn. Sie fragte sich, was er wohl im Augenblick anstellte. Diese Anya Kheshaiell warf ihm andauernd so höchst eindeutige Blicke zu. Grumpf.

Endlich hatten sich auch die letzten Gäste durch das TM-Tor nach Tarishaan zu ihren Gleitern zurückbegeben. Todmüde wankte Acy in ihr Schlafgemach. Sie machte sich nicht einmal die Mühe sich auszuziehen, sondern fiel sofort in ihr Bett und war eingeschlafen, obwohl das Spiegelkleid mehr als nur unbequem war.

Als sie aus dem TM-Tor getreten waren, sah Tjina Coryn erwartungsvoll an.

"Gehen wir zu dir oder zu mir?" wollte sie wissen.

"Hm", machte Coryn. Das war ja wohl keine Frage. Jana hatte mit Sicherheit etwas gegen Besuch in ihrem Hauptquartier, und eine andere Bleibe besaß er nicht.

"Zu dir", beschloß er also.

"Sehr gut..." Tjina Amris zog in bester Siegerlaune mit Coryn ab.

* * *

3762/08/10 GZ

Wieder ein Wochenende ohne Michael. Langsam wurde es Nardia zu bunt. Fünf Wochen, und er hatte sich nicht einmal gemeldet. Nicht mal eine Postkarte... Das war zum Heulen. Und nun hatte sich Coryn auch noch eine Freundin angeschafft. Tjina Amris, die bestimmt doppelt so alt war wie er... Naja im Prinzip eigentlich nicht ganz, verbesserte Nardia sich. Coryn zählte schließlich gerade mal acht Monate.

Es war ja nicht so, daß sie es ihm nicht gönnte, aber die Lady paßte nicht zu ihm. Nardia war sich sicher, daß Coryn sich bald langweilen würde. Aber bis dahin konnte es noch dauern, und sie mußte warten. Darauf, daß er genug hatte und zur Starcave zurückkehrte, darauf, daß Michael endlich von seiner 'Geschäftsreise' zurückkam... Und das, wo sie doch eh keine Geduld hatte. Wenn sie sich wenigstens in Arbeit hätte stürzen können, aber nein, es gab einfach nichts zu tun...

* * *

3762/08/13 GZ

Karylla Noir saß in ihrem Arbeitszimmer auf Tarishaan. Jetzt war sie bereits seit fünf Monaten - wirklich, es war schon ein halbes Jahr! - in den Reihen des Konsortium D, und sie hatte nichts erreicht außer der Tatsache, daß sie nun die Leute in dem ihr untergeordneten Zweig der Organisation katalogisiert hatte. Sie hatte unbändige Lust, etwas zu zerschlagen, in die Luft zu sprengen oder sonstwie mutwillig zu vernichten.

In dieser Stimmung überlegte sie, daß es doch nichts schaden könnte, ihre Wut an einem ihrer direkten Untergebenen auszulassen, denn immerhin waren diese Mitglieder des KD und hatten es somit verdient. Wen könnte sie denn am besten leiden lassen? Sie ging die Reihe in Gedanken durch und verweilte mit einem heimtückischen Grinsen bei Eric Lavie. Dieser war ihr besonders unsympathisch, weil er so betont dienstbeflissen alle Anweisungen ausführte. Sie sollte ihm am besten etwas geben, bei dem die Chance groß war, daß man ihn erwischte und auf diese Art aus dem Verkehr zog.

Blackfire überlegte einen Moment, dann hellte sich ihre Miene auf. Sie hatte eine Mission Impossible für ihn gefunden! Höchst angetan von der Idee rief sie den Code seines Büros ab, nachdem sie die Visio-Verbindung des Viphons desaktiviert hatte.

Eric Lavie meldete sich unverzüglich.

"Guten Tag, Madame Ybaeau." Schon wieder, dachte er gestreßt. Was würde sie wohl diesmal verlangen?

"Ich habe mich vergewissert, daß die Leitung völlig sicher ist", begann Telura Ybaeau anstelle einer Begrüßung. "Da ich keine Lust habe, lange drumherum zu reden - hier ist Ihr neuer Job: Ich will eine Kopie des Paßwort-Generators und alle User-IDs des Hauptcomputers des enaryshanischen Verteidigungssystems!"

"Hm", machte Eric. "Das ist aber eine ziemlich gewaltige Aufgabe."

"Sie haben sich bislang hervorragend bewährt - Sie wollen doch wohl nicht etwa sagen, daß Ihnen die Aufgabe zu schwierig ist?" Karylla hoffte, daß dieser Typ schon beim Versuch, an den Basis-Sicherungen vorbeizukommen, vom Sicherheitsdienst erwischt wurde. Sie hatte nicht das geringste Interesse an dem Paßwort-Generator und hatte den Job nur gewählt, weil er so dramatisch agentenmäßig klang. Sie liebte doch Agenten-Stories...

"Das habe ich nicht gesagt. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß es vielleicht ein wenig dauern könnte." Eric war sich zwar ziemlich sicher, daß er die Sache schaffen konnte, aber das brauchte er ja nicht allen auf die Nase binden.

"Wunderbar! Ich erwarte Ihre Erfolgsmeldung."

"Ich werde mich sofort melden, wenn ich das Teil habe." Eric schaltete ab und machte sich seufzend an die Arbeit. Die Aufträge des KD wurden langsam wirklich kompliziert, aber wenn er die Sache nicht durchzog, würde man ihn abservieren. Er mußte also dem Konsortium D die Daten geben - und wenn es noch so gefährlich war.

Er hoffte immer noch, irgendwie voranzukommen, damit er nicht noch mehr Informationen an diese Verbrecherorganisation übermitteln mußte. Wenn er es jedoch recht überlegte, bewegte er sich seit Wochen auf der Stelle. Außer Madame Ybaeau waren ihm nur ein paar Leute der unteren Ebene bekannt, und das reichte keineswegs, um das KD zu vernichten.

Also würde er nun die Daten aus dem Computer des Verteidigungssystems besorgen, dann aber den Leuten einen Hinweis geben, daß sie sich tunlichst etwas anderes für ihre Paßwörter überlegen sollten...

* * *

3762/08/16 GZ

Inzwischen fühlte sich Coryn in seiner neuen Rolle sehr wohl. Tjina tat alles, um ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen, und nun wußte er endlich, was damit gemeint war, jemanden um den Finger wickeln zu können. Und außerdem nörgelte hier nicht pausenlos einer an ihm herum. Coryn seufzte zufrieden.

Unerwartet ertönte ein Piepser an Tjinas Handgelenk. Dieses Armband - ein schmaler Platinreifen mit einem türkisfarbenen Stein darin - nahm sie generell nie ab, und nun stellte Coryn fest, daß es offenbar einen Sender enthielt.

"Entschuldige mich einen Moment. Ich bin gleich wieder zurück, mein Liebling", hauchte sie, gab ihm einen Kuß, der mehr verhieß und verschwand in Richtung Arbeitszimmer.

Coryn lehnte sich entspannt zurück. Bestimmt wieder Geschäfte. Auf einmal horchte er auf. Hatte sich da nicht eine Tür geöffnet? Er runzelte die Stirn. Die einzige Tür des Arbeitszimmers war noch geschlossen. Merkwürdig...

Etwa eine Viertelstunde später kehrte Tjina zu ihm zurück.

"Ich muß morgen nachmittag zu einer Vorstandssitzung meiner Firma. Du kannst ja währenddessen eine kleine Spritztour mit meinen neuen Sportgleiter machen." Sie kletterte in die Federn und kuschelte sich an ihn.

"Hm. Wie du meinst." Diese Idee gefiel ihm eigentlich nicht so sehr, es interessierte ihn weit mehr, was Tjina in ihrem Arbeitszimmer hatte.

"Schön. Ich werde sicherlich nicht länger als vier oder fünf Stunden fortbleiben. Du kannst ja morgen auch einen Tisch in einem Restaurant deiner Wahl bestellen. Ich werde mich überraschen lassen." Aber das hatte noch Zeit, beschloß sie und fand, daß sie sich vorerst lieber wieder Coryn widmen sollte...

"Mh. Ich mag es aber gar nicht, wenn du mich alleine läßt", sagte er, während er sich immer noch mit dem merkwürdigen Geräusch beschäftigte. Es konnte nur eine Tür gewesen sein.

"Ich verlasse dich doch nicht für alle Ewigkeit", beruhigte Tjina ihren jugendlichen Liebhaber mit einem Lächeln.

"Doch! Für mich ist das eine Ewigkeit", schmollte er.

"Oooch!" Sie strich liebevoll durch Coryns weißblonde Haare. Dafür, daß er sich anfangs so gesträubt hatte, erwies er sich nun als ziemlich anhänglich. Nicht, daß dies unerwünscht wäre... Coryn schmiegte sich hingebungsvoll an sie. Er würde es schaffen, in diesen geheimnisvollen Raum zu kommen, beschloß er. Tjina fand Coryn mit zunehmender Zeit immer niedlicher. Vor allem schien er über eine ziemliche Ausdauer zu verfügen. Sie sah rasch auf die Uhr; es war mittlerweile 18:00 Uhr. Das Treffen morgen war auf 13:00 Uhr anberaumt. Sie mußte nur zusehen, daß sie es nicht verschlief, ansonsten hatte sie heute noch massig Zeit.

Coryn war ungeduldig, da er das Arbeitszimmer durchsuchen wollte, doch das war ihm erst möglich, wenn Tjina schlief. Noch wirkte sie äußerst wach. Er beschloß, sich voll auf sie zu konzentrieren. Auf diese Art würde er schon dafür sorgen, daß sie müde wurde.

Unglücklicherweise erwies sich die Dvarisianerin jedoch als reichlich standfest, und so war es bereits gut zwei Stunden im folgenden Tag, bis sie allmählich aufgab.

Coryn schob Tjina sanft zur Seite und kletterte aus dem Bett. Ein Schlafmittel hätte schneller gewirkt. Er zog sich einen Hausmantel über und schlich leise in ihr Arbeitszimmer. Hm, auf den ersten Blick war nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Bei einer eingehenderen Überprüfung entdeckte er schließlich, daß ein Teil der Wand anders war. Eine nähere Untersuchung der betreffenden Stelle ergab, daß es sich um eine Holoprojektion vor einer weiteren Türe handelte.

Nach einigem Suchen fand er die Sensorplatte, und es gelang ihm in kurzer Zeit, die richtige Kombination zu ermitteln. Lautlos glitt die Geheimtür zur Seite, doch die Projektion blieb bestehen, er mußte also im wahrsten Sinne des Wortes 'durch die Wand' gehen.

Auf der anderen Seite stand er in einem bestens ausgestatteten Kommunikationszentrum, das eher wie eine Leitzentrale eines Raumfahrtprojektes wirkte, denn eine simple Funkanlage irgendeiner Firma. Coryn sah sich interessiert um, verschwand aber rasch wieder, da er nicht sicher sein konnte, wann Tjina wieder aufwachte. Sorgfältig verschloß er den Raum, verwischte jegliche seiner Spuren und kehrte zu ihr zurück.

* * *

3762/08/17 GZ

Bevor Tjina Amris das Haus verließ, verabschiedete sie sich mit einem ausdauernden Kuß von Coryn und drückte ihm die Codekarte ihres schnittigen, sonnengelben TMW-Rallye in die Hand.

"Nicht vergessen - um 17:00 Uhr bin ich wieder zurück." Sie kletterte in ihre anthrazitfarbene CB13000-Limousine und flog davon.

Coryn mußte sich beeilen, wenn er ihr folgen wollte. Er hatte ihren CB13000 zwar mit einem Peilsender versehen, doch dieser hatte keine allzugroße Reichweite. Um unauffällig zu bleiben, konnte er schlecht Tjinas TMW nehmen, also 'lieh' er sich kurzerhand den rasanten roten Blade Dragon Nova-2 GTI des Nachbarn aus und jagte hinter ihr her.

* * *

Die Vorstandsvorsitzende von DT parkte ihr Aero-Shuttle zunächst in einem Naturschutzgebiet, wo sie unterhalb eines Wasserfalls einen kleinen Unterschlupf eingerichtet hatte. Dort schlüpfte sie in ihre 'Dienstkleidung' und stieg in einen schlichten, moosgrünen Courier Comet mit verdunkelten Scheiben, bevor sie sich auf den Weg zu ihrem eigentlichen Ziel machte, das abgelegen in den Slums von Seshtoon lag, einer ehemals blühenden Stadt, die aber immer mehr verarmte, nachdem die Industriezweige Maschinen- und Gleiterbau von hier auf den Hauptkontinent verlagert wurden und der Stadt Ashteera zu einem wahrhaft kometenhaften Aufstieg verhalfen.

Coryn war Tjina bis in das Naturschutzgebiet gefolgt, doch dann veränderte sich das Signal nicht mehr. Vorsichtig schlich er näher, aber er fand nur den abgestellten CB13000 in einer Art Garage, das war alles.

Zwar waren auch noch Spuren eines anderen Gleiters vorhanden, er war jedoch nicht in der Lage, diesen zu folgen. Coryn kehrte schleunigst zu Tjinas Appartement zurück, er mußte schließlich noch einen Tisch bestellen.

Coryn überlegte. Hm, am besten im Noble House, er mochte die Atmosphäre des Restaurants. Zudem sollte er vorher noch einige Schnellimbisse besuchen. Er hatte sich das letzte Mal mit seinem unverschämten Appetit ziemlich blamiert. Ach ja, und außerdem sollte er den gestohlenen Gleiter unauffällig wieder loswerden...

* * *

Tjina betrat ihre Wohnung und setzte ein strahlendes Lächeln auf. Das, was sie während des Treffens erfahren hatte, trug zwar nicht viel dazu bei, ihre Stimmung zu heben, aber was sollte es? Job war Job, und zur Zeit hatte sie für ihre Freizeit mit Coryn Arvhayn ja ein nettes Spielzeug, um sich über solche Unbill hinwegtrösten zu lassen.

"Hallo Liebling, ich bin wieder da", flötete sie.

"Wurde aber auch Zeit", schmollte er. "Ich habe mich zu Tode gelangweilt."

"Dem läßt sich abhelfen..." Tjina steuerte auf ihn zu und sprang ihm förmlich in die Arme.

"Hast du mich vermißt?" fragte Coryn, während er versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Das nächste Mal würde er sie nicht entwischen lassen!

"Oh ja!" Sie bedeckte ihn mit stürmischen Küssen. Doch, dieser hübsche, kleine Gigolo war genau das Richtige, um sich von dem Frust der Sitzung abzulenken.

"Ich habe einen Tisch für 18:00 Uhr bestellt." Coryn sah sie fragend an.

"Fein! Dann haben wir noch über eine halbe Stunde Zeit, bis wir los müssen!"

"Stimmt."

"Die sollten wir nicht ungenutzt lassen..." Sie warf ihm einige mehr als eindeutige Blicke zu. Coryn seufzte ergeben. Tjina war einfach nicht klein zu kriegen...

* * *

3762/08/19 GZ

Es war schon ziemlich spät, als Stardust von Enaryshavell zurückkehrte. Die Starcave kam ihr so verlassen vor. Coryn war immer noch nicht wieder da. Und Cass war einfach kein Ersatz... Von Michael hatte sie ebenfalls noch nichts gehört... Wie lange sollte das noch dauern?

Sie würde wohl wieder den ganzen Suuntag auf Blade Manor herumhängen und sich nach Michael sehnen. Sie könnte natürlich auch die Einladung von Damsie Enary annehmen, aber die Musikabende der Witwe des Postdirektors waren wahrlich grauenhaft. Sie fand jedesmal neue Talente, die die vorherigen noch um einiges an Unmusikalität übertrafen. Zudem hatte Damsie den unbezwingbaren Wunsch, sämtliche Damen der Gesellschaft zu verkuppeln, und Nardia war eins ihrer liebsten Opfer. Nein, dann doch lieber zu Hause bleiben, dachte Nad. Sie hatte keine Lust, sich die Vorzüge der diversen Herren anzuhören. Seufz...

* * *

3762/08/21 GZ

Karylla Noir nahm die Speicherkristalle in Empfang, die ihr ein Kurier am Siridaan-Brunnen im Stadtzentrum von Ashteera überreichte. Sie waren in den Karton eines beliebten Computer-Abenteuer-Simulationsprogramms gepackt, doch Blackfire wußte, daß es sich hierbei um die Kopie des Paßwort-Generators und der User-IDs des Hauptcomputers des enaryshanischen Verteidigungssystems handelte.

Karylla bedankte sich bei dem Mann und warf ihre wallende goldblonde Lockenpracht nach hinten, um gleich darauf mit elegantem Hüftschwung davon zu stolzieren. Allerdings mußte sie höllisch dabei aufpassen, daß sie sich mit den Stöckelsandalen und ihrem bodenlangen, wallenden, mit bunten Blumen bedruckten Kleid nicht äußerst unelegant langlegte. Sicherheitshalber flüchtete sie in die nächste Eisdiele, wo sie sich gefrusteter Weise erst einmal ein großes Schoko-Kokos-Eis reinzog.

Wie hatte dieser Eric Lavie das nur geschafft? Der Kerl war ja gefährlich! Sie mußte zusehen, daß er so schnell wie möglich in einem absolut ausbruchssicheren Gefängnis landete - obwohl, wenn sie recht überlegte, fiel ihr in dieser Hinsicht nicht das Geringste ein - zumindest nichts, das jemanden mit solch krimineller Genialität wie Eric Lavie festhalten könnte.

Hm. Oder sie sollte sich für das nächste Mal etwas wirklich Unmögliches für ihn ausdenken. Hm. Wie wäre es, wenn sie irgendetwas irgendwo versteckte und mit einer Falle versah, die diesen Eric schön langsam röstete oder so etwas? Hm. Sie verzog das Gesicht zu einer niederträchtigen Grimasse. Das wäre genau das, was ihr im Augenblick die größte Genugtuung bereiten würde... Karylla seufzte. Leider war sie in dieser Hinsicht viel zu sehr mit Skrupeln belastet, als daß sie sowas in die Wege leiten könnte. Obwohl, der Gedanke reizte sie ungemein...

* * *

3762/08/28 GZ

Das Spielchen mit dem Piepser wiederholte sich. Tjina erklärte Coryn, daß sie erneut zu irgendeiner Vorstandssitzung müsse, die ebenfalls den folgenden Tag von 13:00 - 17:00 Uhr anberaumt war, und er schmollte abermals.

"Schon wieder?" fragte er und überlegte dabei, wie er ihr am besten folgen könnte. Das Sinnvollste wäre, wenn er an jenem Platz im Naturschutzgebiet auf sie warten würde, dann könnte sie ihm hoffentlich nicht ein zweites Mal entkommen.

"Aber, aber, mein kleiner Liebling, ich komme doch wieder zurück!" Sie schmiegte sich tröstend an ihn. Coryn fand das ganze Getue mittlerweile furchtbar. Der Reiz des Neuen war geschwunden, und es interessierte ihn eigentlich nur noch, was Tjina auf diesen Sitzungen tat. Aber bis dahin mußte er sie wohl oder übel noch bei Laune halten...

* * *

3762/08/29 GZ

Am Nachmittag spielte sich das Gleiche ab wie vor 12 Tagen, nur wartete Coryn diesmal in der Nähe der Garage. Er beobachtete, wie Tjinas Gleiter darin verschwand.

Sicherheitshalber hatte er sich diesmal schon früher von ihr verabschiedet, mit der Begründung, daß er heute mal ein paar Freunde besuchen wolle, wo sie doch eh nicht da war.

Schließlich kam ein grüner Courier mit verdunkelten Scheiben aus der Garage geschossen. Coryn folgte ihm vorsichtig mit seinem frisch organisierten Gefährt, denn er war sich ziemlich sicher, daß Tjina in demselben saß.

* * *

Tjinas Gleiter verschwand in einer Tiefgarage in den Slums von Seshtoon. Coryn flog unauffällig hinterher, doch plötzlich war der Courier verschwunden. Er suchte sämtliche Decks nach unten ab, konnte Tjinas Aero-Shuttle aber nicht finden. Schließlich arbeitete er sich wieder in die Höhe.

Nach 37 Stockwerken war er nahe daran aufzugeben. Noch acht Decks, und er war wieder oben. Plötzlich stutzte er. War da nicht eine ähnliche Tarnvorrichtung wie in Tjinas Arbeitszimmer? Eine Holoprojektion verdeckte eine Geheimtür... Er stieg aus seinem Fahrzeug und näherte sich vorsichtig. Ein kurzer Scan mit einem vorsorglich mitgebrachten Miniscanner zeigte keine zusätzlichen Abtaster an, vermutlich, weil es sonst dauernd Fehlalarme geben würde, wenn irgendwelche Benutzer dieser Tiefgarage zu nahe vorbeikämen. Und ein normaler Besucher würde hier ohnehin nichts Ungewöhnliches bemerken, dazu war diese Tarneinrichtung zu gut.

(Miniscanner - Mini-Ausgabe des Multiscanners (ein Universalsensorgerät). Im Gegensatz zu diesem arbeitet der Miniscanner nur eingeschränkt, d.h. es gibt unterschiedliche Varianten, um z.B. Strahlungen anzumessen, chemische Substanzen zu analysieren u.ä.)

Coryn hingegen war kein normaler Besucher, und so gelang es ihm ziemlich schnell, auch diese Geheimtür zu öffnen. Dahinter lag ein düsterer, verlassener Gang. Der junge ISPC-Agent folgte dem Korridor und gelangte zu einem weiteren Schott, doch dieses war anscheinend bestens gesichert. In den Wänden waren mehrere Blastermündungen versteckt, und zudem versperrte eine Infrarot-Lichtschranke den Weg. Es erschien Coryn, als habe er hier etwas Wichtiges entdeckt. Wer traf sonst solche tödlichen Sicherheitsvorkehrungen?!

Nun wünschte er sich Cass herbei. Seine eigene Ortung reichte nicht sehr weit, es genügte allerdings, um ihm zu zeigen, daß sich niemand direkt hinter diesem Schott befand. Vorsichtig kletterte Coryn an der Lichtschranke vorbei und untersuchte das Schloß des Schotts. Verdammt, die hatten doch an alles gedacht! Nebst einer Codekarte und Handabdruck-Sensor waren auch noch Stimmerkennungs- und Retina-Scan vorgesehen.

Endstation für heute, dachte er verstimmt. Hier kam er so ohne weiteres nicht durch.

* * *

3762/08/29 GZ

Es war noch eine Woche vergangen und Nardia stand wieder ein einsames Wochenende auf Blade Manor bevor.

Michael hatte sich immer noch nicht gemeldet... Bestimmt hatte er schon eine andere Freundin, vermutete Nardia. Schließlich war er Firestar. Er hatte sie garantiert schon vergessen...

'Warum habe ich nur immer so ein Pech?' fragte sich Nardia. Sie hatte doch alles, was sie sich wünschte, nur mit ihren Partnern hatte sie permanent Probleme. Vielleicht sollte sie wirklich einen dieser Typen in Betracht ziehen, die ihr andauernd vorgestellt wurden. Aber allein der Gedanke... Diese Kerle waren doch alle strohdumm und langweilig. Seufz...

Coryn war auch immer noch nicht zurück von seinem Abenteuer. Dabei brauchte sie im Augenblick dringend jemanden, der sie vom Grübeln abhielt.

'Ich muß mich wirklich zusammennehmen. Wäre ja noch schöner, wenn ich heulen würde, weil ich mich so allein fühle...'

Aber das war nicht so leicht. Nardia brauchte ihre ganze Selbstbeherrschung, um eine gleichgültige Miene zur Schau zu stellen, obwohl sie darin ja genügend Übung hatte, denn Nardia Blade war schließlich niemals schlecht gelaunt oder unhöflich.

* * *

3762/08/34 GZ

'Schon wieder so ein Kapuzen-Meeting', dachte Blackfire gestreßt, als das vereinbarte Rufzeichen ertönte. Es war einfach schlimm, was diese KD-Verbrecher andauernd planten. Zum Glück war sie aber durch ihre Anwesenheit bei allen Planungstreffen immer wieder in der Lage, ganz besonders unangenehme Ideen der Organisation bereits im Keim zu ersticken, in dem sie anonym der Polizei den einen oder anderen Tip gab, ihre Fahndungen möglichst unauffällig in Bereiche zu verlegen, in denen die neuen Aktivitäten stattfinden sollten.

Mehr als einmal mußte so ein perfekt geplantes Verbrechen wegen widriger Schicksalsfälle bis auf weiteres storniert werden, um nicht versehentlich der Polizei in die Arme zu laufen. Bei jedem Erfolg in dieser Richtung freute sich Karylla wie eine Schneeprinzessin...

Was mochten die Chefs des Konsortium D diesmal für sie vorhaben, überlegte Blackfire. Bei den letzten zwei Treffen war gar nicht soviel los wie sonst, und sie vermutete, dies lag an der Tatsache, daß das KD eine kurze schöpferische Pause einlegte, ehe es nachher mit verdoppeltem Elan an neue Greueltaten ging. Irgendwoher hatte Karylla zum Beispiel gehört, daß in den Labors eine Psycho-Kontroll-Droge entwickelt würde, mit der man höhergestellte Persönlichkeiten, die nicht dem Lockruf des Geldes folgten, in die Fänge des Syndikats treiben wollte.

Es wurde allmählich Zeit, daß sie Zutritt zur obersten Ebene bekam, dachte Blackfire, denn dann wäre es ihr vergönnt, mit einem Schlag das komplette Konsortium D mit Stumpf und Stiel auszurotten.

Sie machte sich auf die Fahrt zum 'Pseudo-HQ' des KD, einem Kloster des Ordens der Neuen Lichtträger, das sich deshalb ideal als Konferenzstätte eignete, weil es niemandem verdächtig war, wenn dick vermummte Gestalten in dem Gebäude verschwanden.

Schweigend saß Karylla bei ihren 'Kollegen' an einem ovalen Tisch und lauschte den verwerflichen Plänen. Sie überlegte, daß es doch vielleicht eine Aktion wäre, das Kloster einfach in die Luft zu sprengen, wenn die Typen das nächste Mal vollzählig hier versammelt waren. Aber nein, sie wollte ja alles erwischen, und die Führungsspitze des KD hielt sich immer noch erfolgreich bedeckt.

* * *

3762/08/37 GZ

Die folgende Woche verging wie die beiden vorigen. Coryn war nahe daran sich zu verraten. Janas Genörgele ging ihm nicht so sehr auf die Nerven wie Tjinas pausenloses Anschmachten. Außerdem haßte er es, wie ein Haustier herumgeschleppt und präsentiert zu werden.

Zusätzlich war er gerade Thema Nr.1 in den Klatschspalten der Regenbogenpresse... Selbst seine Hochzeit mit Tjina Lvara Amris war schon prophezeit worden. Dabei war er doch noch nicht mal volljährig! Hoffentlich gelang es ihm, die Sache bald zuende zu bringen. Er wollte zur Starcave zurück, da hatte er wenigstens nachts seine Ruhe.

Als das nächste Mal der Piepser an Tjinas Armband erklang, atmete Coryn erleichtert auf. Diesmal hatte er seine komplette Ausrüstung vorbereitet. Er seufzte gestreßt. Diese 32 Tage waren die längsten seines bisherigen Lebens gewesen.

Alles lief ab wie gehabt. Coryn folgte Tjina in sicherem Abstand, und es gelang ihm diesmal auch ohne größere Probleme, das schwergesicherte Schott zu überwinden. Es führten weitere Gänge in die Tiefe, aber niemand war zu sehen. Coryn kam an einer Kommunikationszentrale vorbei, die große Ähnlichkeiten mit der in Tjinas Appartement aufwies, fand eine Sackgasse in einer Toilette, die er mit gezogenem Blaster erstürmt hatte und entdeckte eine Art Kantine mit einem Nahrungsmittelsynthetisizer von McSnack (Oh Wunder! Aber das Zeug schmeckte auch nicht besser als das von MacGalax).

Schließlich hörte er Stimmen und folgte dem Geräusch. Er nahm eine Lähmgranate in die Hand, riß die Tür auf und warf das Gerät blitzschnell in den Raum, als er eine Horde purpurfarbener Kapuzenträger sah, sieben an der Zahl.

Die vermummten Gestalten sackten zusammen, und Coryn konnte es nicht fassen. Das war doch das Führungsgremium des Konsortium D! Sorgfältig verschnürte er die Sieben, bevor er sich zurück zu der Kommunikationszentrale begab, um die ISPC unverzüglich zu informieren.

"Monsieur Lasalle, ich habe hier etwas gefunden", meinte er fröhlich.

"Monsieur Arvhayn, wir haben hier Wichtigeres zu tun. Bitte schonen Sie unsere Nerven! - Außerdem müssen wir sowieso noch ein paar Dinge klären, so zum Beispiel Ihr überaus ungebührliches Erscheinen in sämtlichen Klatschspalten auf Tarishaan und Dvaris", sagte Joël Lasalle ungehalten.

"Aber... Das war alles im Dienste der ISPC", erwiderte Coryn schmollend. "Ich habe die Führungsclique des Konsortium D gefangen."

"Was?" Lasalle starrte ungläubig auf den Bildschirm.

"Sie haben schon richtig verstanden. Schicken Sie mir ein paar Leute zum Abtransport." Coryn erklärte dem ISPC-Departmentleiter noch detailliert, wo er zu finden wäre und schaltete dann ab.

Bei seiner Wanderung durch die Leitzentrale hatte er doch auch so etwas wie eine Computerzentrale erspäht. Dort sollten eigentlich alle Mitglieder des KD erfaßt sein... Als er sich an ein Terminal setzte, stellte er fest, daß er tatsächlich sämtliche entsprechenden Daten hier vorfand. So könnte er auch endlich die gesamte ISPC von allen KD-Leuten säubern. Er kopierte kurzerhand die relevanten Daten, bevor er sich auf den Weg zu seinen Gefangenen machte, um dort auf die Truppen von ISPC und Weltraumpolizei zu warten. Zudem interessierte es ihn doch, wer sich unter den Kapuzen verbarg. Was er entdeckte, entlockte ihm einen erstaunten Pfiff:

  • Aimée-Evesse Roquevert, Polizeichefin von Suune III/Tarishaan
  • Andri Herris Alaer, ISPC-Departmentleiter von Endjas V/Khemarra
  • Andeluardo, Präsident der Gleiterfirma Corda von Esharite VII/Osikka
  • Senja-Tamis Leïrasse, ISPC-Departmentleiterin von Kenlusha VII/Enkarion
  • Carolus Toshiran, Minister von Tallwyn V/Tallwyn
  • Andy Ley, PMC-Chef aus dem Saluna-System - und natürlich
  • Tjina Lvara Amris, Vorstandsvorsitzende von Dvarisian Technologies.

* * *

3762/08/38 GZ

Blackfire hatte sich gerade in ihre Kutte geworfen, um rechtzeitig zum KD-Treffpunkt im Kloster des Ordens der Neuen Lichtträger zu gelangen. Als sie auf die Uhr schaute, stellte sie fest, daß sie noch etwas Zeit hatte und rief die neusten Nachrichten per Viphon ab.

Die erste Schlagzeile, die sie las, ließ sie fassungslos in den nächsten Sessel plumpsen.

KD-FÜHRUNG VERHAFTET!
ISPC-Agent Coryn Arvhayn hob Gangsternest im Alleingang aus

'WAS?!' dachte Blackfire entgeistert. Starlight hatte im Alleingang das geschafft, was ihr in halbjähriger mühevoller Kleinarbeit nicht gelungen war?! Das war nicht nur frustrierend, das war auch in höchstem Maße peinlich, dachte sie.

"Viphon ein!" rief sie und nannte den Code, der eine Verbindung zur Villa Alycia und von dort zur Lightning schaltete. "Ryko!"

"Ja, mein Schatz?"

"Hast du es auch gelesen?"

"Meinst du die Verhaftung der KD-Spitze?"

"Genau die! Frechheit! Ich war so dicht dran..."

"Wo dran?"

"Ähm, naja... Nicht ganz, aber trotzdem! - Ryko, es ist frustrierend! Ein halbes Jahr, ganz umsonst..."

"Sch, Kary... Du kannst immer noch die zweite Ebene einkassieren. Ich denke nämlich, daß die jetzt direkt versuchen werden, sich abzusetzen, wo die Führung nicht mehr existiert."

"Stimmt auch wieder. Ich glaube, dann sollte ich erstmal Schluß machen und versuchen, meinen Kontaktmann zu erwischen. Tschüs, Ryko. - Ich hab dich lieb!"

"Paß auf dich auf!"

Die Verbindung brach zusammen, und prompt summte das Viphon erneut.

"Ja?"

"Madame Ybaeau, Sie haben sicherlich die Nachrichten gehört." erklang anstelle einer Begrüßung. Blackfire betrachtete das Standbild, das keinen 'Künstler der Woche' zeigte, sondern ein einfaches Symbol, welches von der Viphon-Anlage des Gegenübers eingeblendet wurde. Karylla erkannte das Zeichen als das ihres 'Kollegen' Eduin LaVerne.

"In der Tat, Monsieur LaVerne. Haben Sie diesbezüglich einen Vorschlag zu unterbreiten?"

"Wir müssen uns an anderer Stelle treffen. Ich schlage die Ruinen von Elderaan von. Diese befinden sich im Moment auf der Nachtseite von Tarishaan und sollten daher verlassen sein."

"Eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme", stimmte Blackfire zu und frohlockte. '...die euch leider nichts nutzen wird', dachte sie fröhlich. Endlich war sie an ihrem Ziel. Egal, auch wenn Coryn Arvhayn die Chefetage erledigt hatte, sie würde den Rest mit Stumpf und Stiel erledigen. "Geben Sie die Information weiter, daß alle Mitglieder dieser Ebene unverzüglich ihre Tarnidentitäten fallen lassen und sich verstecken müssen", sagte sie. "Alle Tarn-Adressen waren der Führung bekannt und sind daher gefährdet."

"Korrekt. Ich werde mich darum kümmern. Wir treffen uns alle in drei Stunden in den Ruinen von Elderaan."

"Ich werde dort sein." Blackfire desaktivierte die Verbindung. 'Und nicht nur ich, sondern eine gewaltige Ladung Paralyse-Gas...' Sie sprang rasch zur Villa Alycia und holte aus den dortigen Vorräten einen Kanister eines K.O.-Gases, das auch in geringster Konzentration eine durchschlagende Wirkung hatte. Sie selbst besorgte sich eine gehörige Dosis des dazu passenden Antidots. Im Prinzip war Coryns Idee einfach genial gewesen, dachte sie im Nachhinein anerkennend.

Fertig ausgerüstet stieg sie in ihren Gleiter und machte sich auf den Weg nach Elderaan.

Zwei Stunden später parkte ihr Fahrzeug in einem Wäldchen in der Nähe der Burgruinen. Das Betäubungsgas hatte sie aus dem Kanister in einen speziell für solche Anwendungen konstruierten und völlig unverfänglich wirkenden Gürtel umgefüllt, und nun schluckte sie eine angemessene Portion des Gegenmittels.

Wie erwartet, wurden alle Personen zunächst gründlich gescannt, aber wer rechnete schon damit, daß ein ganz normaler Plastikgürtel sich als derart verhängnisvoll entpuppen konnte? Vor allem, wo dieser nicht einmal einen Mechanismus enthielt, sondern nur eine Art Reißleine gezogen werden mußte, um das Gas freizusetzen...

Als alle KD-Leute in einem Kellergewölbe versammelt waren, trat Blackfire in Aktion. Eine Minute später schliefen die Gangster friedlich. Karylla joggte zu ihrem Gleiter und holte zehn Paar Handschellen heraus, mit denen sie ihre Gefangenen kunstgerecht fesselte. Anschließend erhielten sie noch jeder eine Dosis eines Betäubungsmittels, das sie für vier bis fünf Stunden sicher ausschaltete, ehe sie an einem der Kapuzis einen silbernen Zettel mit schwarzer Aufschrift anbrachte.

Hallo Leute!
Ich habe mir gedacht, es erleichtert Ihnen die Arbeit etwas, wenn Sie diese Typen nicht alle einzeln einfangen müssen. Das ist die zweite Garnitur des KD, die gerade dazu ansetzen wollte, nun die Führung zu übernehmen. MfG - Blackfire

Vom Gleiter aus verständigte sie die Polizei von Elderaan, welchen Fund diese in ihren Burgruinen machen könnte und flog anschließend zu ihrem Garten in Ashteera, von wo sie über das TM-Tor zur Villa Alycia sprang. Von dort aus war es ihr möglich, nach Nightfall Station zu transmittieren, wo Ryko die Lightning parkte, während sie auf Tarishaan steckte. Dann konnte sie auch endlich dieses dumme Make-Up loswerden...

* * *

"Wie lange habe ich darauf gewartet!" seufzte Karylla, als sie ein letztes Mal alle Überreste ihres Nanette de l'Avouette-Make-Ups beseitigte. Langsam wich die leicht braune Farbe des Wassers auf dem Boden der Dusche der normalen klaren Färbung.

Ryko stand in der Tür und sah ihr belustigt zu. Erst als er sicher war, daß seine Partnerin nicht mehr abfärben würde, schaltete er die Wasserzufuhr ab und wickelte sie in ein monumentales weißes Badetuch. So verpackt hob er sie hoch und legte sie auf ihrer Liegestatt ab.

"Hey!" protestierte Blackfire "Wie wäre es, wenn du mich erstmal wieder auspackst?!" Sie versuchte, sich zu befreien, lag aber relativ unglücklich auf den Enden des Handtuchs. Ryko konnte sich ein Kichern nicht verkneifen, ehe er ihr einen Kuß gab.

"Nur wenn du mir versprichst, nicht noch einmal eine Aktion zu starten, bei der du permanent alleine unterwegs bist."

Karylla seufzte und zappelte herum, um sich von dem Badetuch zu befreien, was aber von Ryko elegant verhindert wurde.

"Das nennt man wohl 'jemanden kunstgerecht einwickeln'", meinte Karylla mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Versprichst du es mir?"

"Das würde ich ja gerne - aber du weißt doch selbst, wie schnell wieder eine neue Aktion ein solches Versprechen unterminieren könnte..."

"Hm..." Ryko mußte zugeben, daß sie nicht ganz unrecht hatte. Aber trotzdem...

"Dann versprich mir wenigstens, daß du in einem solchen Fall die Zeitdauer deiner Abwesenheit tunlichst minimierst!"

"Das verspreche ich dir auf jeden Fall... Aber dafür hättest du doch nicht solch unlautere Methoden wie die der Erpressung anwenden brauchen..."

"Dann ringst du dich aber in der Regel schneller zu einem Entschluß durch." Er strich ihr zärtlich über Hals und Wange.

"Ryko! Befreie Er mich von diesem Badetuch!"

"Euer Wunsch ist mein Plaisir, Mylady..." Er zupfte die Enden unter ihr hervor und erhob es beinahe zu einer Kunst, sie aus der Textilie zu wickeln. Karylla kicherte und schlang die Arme um ihm, als sie sich wieder bewegen konnte.

"Jee... Ich liebe dich!" sagte sie. Ryko verzichtete wie meist auf eine verbale Entgegnung.

* * *

3763/08/39 GZ

"Mmmh, Ryko..."

"Was hast du?"

"Jetzt können wir auch endlich diese dumme Nuß loswerden!" meinte Blackfire begeistert. "Keine Anya Kheshaiell mehr, keine dummen Blagen, die andauernd herumkreischen... Was für eine herrliche Vorstellung!"

"In der Tat. Was soll aber nun mit Anya geschehen? Immerhin war sie am Konsortium D beteiligt."

"Ich denke, das muß die Weltraumpolizei entscheiden. Aber da sie immerhin mit uns zusammengearbeitet hat und es mir ermöglichte, die zweite Ebene des KD hoppzunehmen, denke ich doch, daß sie ein sehr mildes Strafmaß erwarten wird. Vor allem, wenn sie sich entschließt, als Kronzeugin auszusagen."

"Ich glaube, sie sagte mir einmal, daß sie etwas in dieser Richtung unternehmen wollte", meinte Ryko.

"Wir sollten sie nach Enaryshavell zurückbringen. Nur - dort ist sie im Prinzip offiziell tot... Hm. Das könnte ein Problem geben. Am besten, wir besprechen es mit ihr."

Karylla sprang aus dem Bett, und Ryko entschloß sich, ihr zu folgen. Nachdem sie sich ausführlich mit Anya über die jetzige Situation unterhalten hatten, beschloß diese, sich zunächst einmal der Weltraumpolizei zu stellen und dort die ganze Geschichte zu erzählen, wie sie sich zugetragen hatte.

Als Ergebnis kam man zu der Übereinkunft, daß Anya Kheshaiell als Kronzeugin aussagen würde und damit straffrei ausginge. Lediglich ihren Job in der ISPC konnte sie natürlich nicht mehr behalten. Aber auch das traf Anya nur minder, da sie direkt einen Vertrag mit der Info-Gruppe Star abschloß - für die Exklusiv-Rechte an Aktion KD, einem Tatsachenbericht über die Zerschlagung des Syndikats und ihre Zeit in den Händen von Blackfire und Infinity...

Und last but not least verschwanden auch noch Eric Lavie und Irina Delaer von der Bildfläche. Dies fiel allerdings außer den Leuten von der ISPC niemandem auf...

* * *

3762/08/40 GZ

Gutgelaunt saß Nardia am Frühstückstisch. Da Coryn ja nun die Führungsclique des KD entlarvt hatte, und Blackfire die zweite Ebene ausgehoben hatte, war ihre Rolle als Irina nun überflüssig. Zwar ärgerte es sie doch, daß sie die ganzen Strapazen so ziemlich umsonst auf sich genommen hatte, aber es war trotzdem toll, daß jetzt alles vorbei war. Endlich hatte sie wieder Zeit...

Coryn war vorgestern zurückgekommen, was auch zu Nardias guter Laune beitrug. Er hatte ihr gestern abend einige Stories über Tjina erzählt... Nardia grinste bei dem Gedanken daran. Coryn schien keinerlei 'seelischen' Schaden davongetragen zu haben.

Jetzt fehlte ihr nur noch... Nein, dachte Nardia energisch, sie würde nicht an ihn denken. Das war der doch gar nicht wert. Sie starrte gedankenverloren in ihre Kaffeetasse.

Plötzlich läutete es. Nardia sah irritiert hoch. Wer wollte denn um diese Zeit zu ihr? Am Suuntagmorgen schliefen doch alle länger. Sie blickte gespannt auf die Tür. Wo blieb James?

Dieser trat soeben ein.

"Mademoiselle Blade, Monsieur Bradley möchte Sie sprechen", verkündete er mit einem leicht ärgerlichen Unterton. Er fand, daß dieser Typ es nicht verdient hatte, daß sie ihn auch nur empfing, so wie er sie behandelt hatte.

"Führen Sie ihn herein", meinte Nardia. Sie würde ihm ihre Meinung schon deutlich machen. Was hatte der sich dabei gedacht, sich einfach nicht mehr zu melden? Und jetzt kam er einfach wieder an und dachte wahrscheinlich, sie würde das alles einfach vergessen. Aber da hatte er falsch gedacht!

James ging wieder hinaus, und kurz darauf betrat Michael den Raum.

"Hallo, Nad", meinte er fröhlich, zum einen, da er nicht mehr Eric Lavie spielen mußte, und zum anderen, da er nun endlich genügend Zeit hatte, sich Nardia zu widmen.

"Für Euch Mademoiselle Blade", meinte Nardia eisig.

Michael sah sie verwirrt an, er war sich keiner Schuld bewußt. "Wieso das?"

"Ich wollte Euch nur mitteilen, daß ich keinen Wert mehr auf Eure Besuche lege, und Ihr darum davon Abstand nehmen solltet", erwiderte Nardia, seine Frage ignorierend.

"Was habe ich dir denn getan?" fragte Michael. Er verstand einfach nicht, was passiert war.

"Das fragst du noch!" fauchte Nardia ihn an.

"Ich weiß wirklich nicht, was ich getan haben soll, daß du so sauer bist."

"Nein?" meinte sie betont freundlich. "Um so schlimmer."

"Nun sag schon was."

"Wie konntest du dich einfach nicht melden..." meinte Nardia empört.

"Ich habe nicht daran gedacht", erwiderte Michael wahrheitsgemäß, was zur Folge hatte, daß Nardia eine Vase nach ihm warf. Das Ding knallte neben seiner Schulter an die Wand, und zerbarst in tausend Scherben.

Nardia fand, daß ihre Treffsicherheit unbedingt einer Verbesserung bedurfte.

"Du hast nicht daran gedacht?!"

Entschlossen griff sie nach dem nächsten Gegenstand, einer Bronzefigur... Michael beeilte sich, ihr das Ding zu entwinden, da sie beim nächsten Versuch vielleicht treffen würde, und darauf legte er keinerlei Wert.

Nardia wehrte sich heftig gegen seinen Griff, aber er hielt ihre Hände ungerührt fest.

"Laß mich auf der Stelle los", fauchte sie ihn an.

"Ich denke ja nicht daran. Beruhige dich erst mal."

"Ich rege mich nicht auf!"

Michael zog sie in seine Arme, was Nardia trotz kräftiger Gegenwehr nicht verhindern konnte.

"Was hätte es dir gebracht, wenn ich mich gemeldet hätte?" fragte Michael.

Nardia schwieg und bemühte sich, ihn einfach zu ignorieren.

"Du vertraust mir nicht!" stellte Michael fest.

"Nein, daß tue ich allerdings nicht."

"Warum nicht?"

"Warum wohl nicht?" fragte Nardia zurück. Er war viel zu sehr Firestar, und dessen Vorlieben waren ihr nur zu gut bekannt.

Michael konnte ihrem Gesichtsausdruck entnehmen, woran sie dachte.

"Diesmal tust du mir aber wirklich unrecht."

"Ach? Und das soll ich dir abnehmen?"

"Wie kann ich dir beweisen..."

"Laß diese Sprüche, selbst die klingen falsch." Das hätte sie nicht sagen sollen, dachte Nardia, denn Michael war nun wirklich wütend.

"Du gehst nun wirklich zu weit", fauchte er sie an.

"Tatsächlich? Ich bin dir doch eh gleichgültig."

"Wie kommst du darauf?"

"Sonst hättest du mich nicht solange allein gelassen."

"Ich konnte nicht kommen. Es war zuviel zu tun."

"Ach ja? Und was?"

"Das kann ich dir nicht sagen." Sie durfte auf keinen Fall erfahren, daß er Eric Lavie gewesen war.

"So? Wenn du es mir nicht sagen kannst, dann kann das ja nur was sein, was ich nicht wissen soll."

'Weibliche Logik', dachte Michael gestreßt.

Nardia sah zweifelnd zu ihm hoch. Sie war keineswegs von seiner Unschuld überzeugt.

"Und wenn ich dir verspreche, mich zu bessern?" Er sah sie mit einem bettelnden Blick an.

Sowas gehörte verboten, dachte Nardia. Da konnte doch keiner nein sagen. Warum war sie eigentlich so wütend? Schließlich meldete sie sich auch nie... Seufz! Also entschloß sie sich dazu, ihm doch zu verzeihen. Sie hatte nämlich keine Lust, noch ein Wochenende allein zu verbringen...

* * *

3762/08/42 GZ

Coryn hatte derweil alle Daten, die er aus der KD-Zentrale mitgenommen hatte, durchgesehen. Es war ihm gelungen, alle Spione in der ISPC zu finden. Naja, jedenfalls alle, die in den Files auftauchten. Es würde auf jeden Fall eine Verbesserung zu vorher sein.

Er brachte die Liste der Leute zu Lasalle, und daraufhin wurden die Personen festgenommen - zumindest diejenigen, die es nicht geschafft hatten, sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen...

* * *

3762/08/44 GZ

Zwei Tage später hatte Coryn ein neues Problem. Lasalle hatte ihn für eine Beförderung vorgeschlagen, und er sollte nun einen CASS-Gleiter übernehmen. Aber das wollte er nun gar nicht.

Erstmal war er sowieso nur für begrenzte Zeit in der ISPC, jedenfalls soweit es nach ihm ging, denn die Arbeit war ihm viel zu langweilig, und zum zweiten wollte er sich weder von Stardust noch von Cass trennen - auch wenn sie permanent an ihm herum meckerten.

Es gelang Coryn schließlich, die Beförderung abzulehnen. Sein Erfolg sei schließlich nur Zufall gewesen (was ja auch stimmte) und zudem war er nocht viel zu jung für einen eigenen CASS-Gleiter. Er zog es vor, noch zu lernen. Lasalle gab schließlich nach, aber er überredete Coryn dazu, endlich zur Gleiter-Fahrschule zu gehen; schließlich hatte er noch keinen Führerschein. Zudem wollte er ihm die Erlaubnis besorgen, einen Pilotenschein zu machen.

Das interessierte Coryn zwar nicht, da er das eh schon alles konnte, aber da er ja seine Tarnung aufrecht erhalten mußte, war es auch nicht schlecht. Und so ließ Lasalle wenigstens von der Beförderung ab.

* * *

Außer der Sache mit Coryns Beförderung gab es noch eine Neuigkeit in der ISPC: Die Jagd auf Firestar wurde eingestellt! Es war zwar eine nicht ganz freiwillige Entscheidung gewesen, da sich die Veranwortlichen der Meinung der Bevölkerung beugen mußten, aber keiner von ihnen wollte schließlich in der Öffentlichkeit als Buh-Mann dastehen. Und andererseits würde man Firestar ohnehin nie fangen.

Eine Legende konnte man nicht zur Strecke bringen...

Alan war begeistert, und nachdem er nun erneut Zeit hatte, ließ er sich auch wieder öfter sehen. Er liebte die Bewunderung der Leute und sonnte sich regelrecht darin. Leichtsinnig durfte er trotzdem nicht werden, denn die Polizei war weiterhin hinter ihm her und die diversen Verbrecherorganisationen sowieso. Aber ohne das wäre es auch langweilig...

* * *

3762/09/10 GZ

Es war wieder Suunetag. Nardia und Michael hatten es sich im Garten bequem gemacht. Nad hatte stundenlang versucht, Michael zum Besuch einer öffentlichen Veranstaltung zu überreden, aber er wollte einfach nicht... Nardia fragte sich, warum er sich so heftig wehrte.

Seitdem sie zusammen waren, brauchte er sich doch nicht mehr vor den heiratswütigen Ladies zu verstecken! Oder wollte er vielleicht nur nicht mit ihr in der Öffentlichkeit gesehen werden? Nardia sah ihn nachdenklich an.

"Ist was?" fragte Michael irritiert.

"Nein, ich überlege bloß, warum du nirgendwo mit mir hingehst."

"Ich mag keine Massenveranstaltungen."

"Ich denke, du fürchtest dich vor irgendwas."

"So ein Quatsch", empörte sich Michael.

"Warum gehst du dann nicht hin?"

"Ich habe keine Lust."

"Feigling!" meinte Nardia amüsiert.

"Na warte, daß mag ich aber gar nicht." Michael wollte sie packen, doch sie entwischte ihm, so daß es eine wilde Verfolgungsjagd durch den Park gab. Schließlich mußte Nardia sich doch wieder geschlagen geben. Wie üblich... Sie beschloß, das Thema für heute erst mal ruhen zu lassen. Aber bei nächster Gelegenheit würde sie darauf zurückkommen...

* * *

3762/09/18 GZ

Nardia öffnete verschlafen die Augen, als sie etwas an der Nase kitzelte.

"Guten Morgen!" meinte Michael fröhlich.

"Brummel." Sie war doch noch so müde...

"Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag."

Ach ja, sie hatte ja heute Geburtstag. Nardia geruhte, nun doch endlich aufzuwachen. "Danke."

"Raus aus den Federn!"

"Sei doch nicht so schrecklich munter", meinte Nad und kuschelte sich wieder tiefer in die Kissen.

"Bist du gar nicht neugierig, was du bekommen hast?"

"Nein, ist ja doch immer dasselbe."

"Tse, mit so einer Einstellung, wirst du nie was anderes kriegen."

"Wo warst du?" fragte Nad, als sie bemerkte, daß Michael einen Arbeitsoverall trug.

"Ich habe schon mal einiges für deine Party erledigt."

"Schön. Dann brauche ich ja noch nicht aufstehen." Sie rollte sich wieder zusammen.

Michael grinste und beugte sich über Nardia, um sie zu küssen. Wie erwartet war sie doch nicht so müde, wie sie vorgab zu sein...

Nad schlang die Arme um seinen Hals. "Was schenkst du mir denn?"

"Das wird noch nicht verraten..."

"Pfui, wie gemein von dir."

Michael lachte und zog sie aus dem Bett.

"Wenn du mir mein Geschenk vorenthältst... Zur Strafe kommst du dann auf die Party", verkündete Nardia.

"Muß das sein?"

"Ja, oder ich rede kein Wort mehr mit dir."

"Seufz. Das ist Erpressung!"

"Aber sicher."

"Nun gut, aber nicht als Monsieur Bradley."

"Warum nicht?"

"Firestar ist aufregender."

"Für dich."

"Naja... Aber ich verspreche dir, dafür auf der nächsten öffentlichen Veranstaltung aufzutauchen."

"Immerhin etwas. Wie spät ist es?"

"Halb acht."

"Schon?" Nardia sprang aus dem Bett, schließlich gab es noch massenhaft zu erledigen, bevor die Gäste eintrafen...

* * *

3762/09/18 GZ

Wie üblich scheuchte Nardia ihre Dienstboten umher. Die Verzauberter See-Party war in vollem Gang. Viele der Gäste waren bereits eingetrudelt, und Nardia beglückwünschte sich zu der Idee, niemanden eingeladen zu haben. Bis jetzt waren erst circa 500 Leute erschienen.

Sie brachte schnell noch ihr zartgrünes Flattergewand in Façon; es trafen schon wieder neue Gäste ein. Irritiert bemerkte sie, daß sich unter diesen eine regenbogenschillernde Lichtgestalt nebst schwarzgekleidetem Herrn näherte. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich die leuchtende Erscheinung als Alycia, ihr Begleiter war demnach unzweifelhaft Sir Cayvyn.

Alycia zog ein Päckchen hinter sich her, das etwa 50cm über dem Boden schwebte und verdächtig die Ausmaße eines oder mehrerer ihrer Machwerke hatte. Acy ließ das Schwebepaket los und stürmte wie stets auf ihre Halbschwester zu, nur um sie ein paar Runden mit sich herumzuwirbeln.

"Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Nad!" rief sie enthusiastisch.

Nardia hatte das Gefühl, in einen Lichtwirbel geraten zu sein, sie konnte kaum etwas sehen.

"Vielen Dank, Acy", meinte sie und versuchte, etwas genaueres innerhalb des Lichtscheins zu erkennen. Keine Chance.

"Ich habe hier ein klitzekleines Geschenk für dich!" Alycia drückte ihr das ebenfalls regenbogenfarben leuchtende Paket in die Hand. Nardia bemühte sich, das Gerät auszuwickeln, ohne dabei die Augen allzuweit öffnen zu müssen. Logisch - es enthielt ein Triptychon von Acy... Verzweifelt überlegte Nardia, ob auf dem Speicher noch Platz war.

"Ich danke dir für das wundervolle Gemälde!"

"Schön, daß es dir gefällt. Es ist der gestern vollendete Triptychon 'Rauschende Zeiten der Freude'..."

Nun trat Sir Cayvyn hervor. Ganz entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten war er diesmal a) in uni und b) in schwarz gekleidet. Er hatte festgestellt, daß jede andere Farbe zu stark das Licht von Acys aktuellem Gewand reflektierte und somit gänzlich verfälscht wurde. Auf den auf Naravina üblichen kurzen Umhang, die hohen Stulpenstiefel und Handschuhe hatte er allerdings nicht verzichtet. Nardia war dennoch irritiert, daß Cayvyn einmal so dezent gekleidet war.

"Sir Cayvyn, habt Ihr einen neuen Schneider? Ich muß sagen, er versteht sein Handwerk", meinte sie lächelnd. Sie mußte zugeben, daß er in diesen Klamotten sogar ziemlich gut aussah.

"Ähm..." Sir Cayvyn blickte ein wenig unbehaglich aus der Wäsche. "Nun, dieses mein Outfit, welches ja eigentlich nicht unbedingt der Würde eines naravinischen Adligen entspricht, ward mir von äußeren Umständen aufoktroyiert..." Er sah kurz zu Alycias Lichtgestalt herüber. "Allerdings erfreut es mich, daß es Euren Augen offenbar nicht allzusehr zuwider ist." Er verneigte sich nun galant, ergriff Nardias Hand und deutete einen formvollendeten Handkuß an. "Jetzt laßt mich Euch zu Eurem Geburtstage gratulieren - und als Geschenk mögt Ihr eine Einladung auf das Herzogtum von Süd-Ayryana des Sdayinisischen Kontinents von Naravina akzeptieren. Es deucht mir, daß Ihr nie zuvor auf Naravina wart, und Ihr solltet diesen Umstand tunlichst korrigieren. Wisset, niemand hat wahrhaft gelebt, der nicht einmal die smaragdenen Himmel und Jade-Seen von Naravina gesehen hat..."

Nardia war begeistert... Nicht nur, daß sie niemals Zeit dazu finden würde, sie konnte den Planeten Allirion IV/Naravina nicht ausstehen. Entgegen Sir Cayvyns Annahme war sie schon einmal dort gewesen, und sie hatte es einfach grauenhaft gefunden. Sowas von albern und kitschig...!

"Vielen Dank, Sir Cayvyn. Eure Güte entzückt mich zutiefst! Ich werde bestimmt kommen. Vielleicht könntet Ihr mir dann den Himmel und die Seen zeigen", meinte sie honigsüß und wünschte diesen Typen in die Hölle.

"Was hast du denn sonst so an Geschenken bekommen?" Acy war wie üblich überhaupt nicht neugierig.

"Na, 213 geschmackvolle Vasen, 172 Zinnteller mit Jagdmotiven, 47 Sätze Gästehandtücher, 23 Services, 11 Kunstwerke..." 'Zwölf, mit dem von Acy', korrigierte Nardia sich gedanklich. "2 Essensgutscheine, einen gebrauchten Gleiter, ein ätzgrünes Badetuch, einen Obstkorb, einen Ohrensessel..." Sie überlegte kurz. "Ach ja, ein Dutzend Gänseküken und einen kleinen Hund. Ich glaube, das war es", stellte sie schließlich fest.

"Huch. Also, ich bekomme auch immer so seltsame Sachen. Ich weiß gar nicht warum..."

Unerwartet machte Sir Cayvyn eine dezente Bewegung in Richtung Tanzfläche. Er hoffte, daß Shentay gleich erschien und Nardia Blade ein kleines Geschenk im Auftrag von Infinity überreichte. Er war ja immer noch nicht darüber hinweggekommen, daß die Presse ihm gewisse Heiratsabsichten bezüglich Nardia Blades unterstellt hatte. Naja, vielleicht half das endlich...

Acy schaute ihren Lebensgefährten erstaunt an. Sie wußte ja gar nicht, daß er tanzen konnte! Jee, gerade wurde ein altes, enaryshanisches Schmusestück gespielt, da konnte man nicht allzuviel falsch machen.

Auf einmal erschien ein hochgewachsener Mann mit schneeweißer Haut und silbernen Haaren aus dem Nichts. Er gratulierte Nardia zum Geburtstag und überreichte ihr eine schwarze Rose.

Nardia blieb fast der Mund offen stehen. Das war Infinity, und er schenkte ihr was?! Sie hatte mit Sicherheit gedacht, daß er sich nie wieder hier blicken lassen würde. Sie nahm die Karte entgegen.

"Vielen Dank", sagte sie und machte sich daran, den Text zu lesen.

"Es hat nicht sollen sein - R.M." stand dort in silbernen Lettern. Ryko Maiell grinste sie an und war verschwunden. Nardia hingegen war so verdattert, daß sie erstmal gar nichts wahrnahm.

Cayvyn hoffte, daß sich jetzt die üblichen Reporter auf Nardia stürzten. Die Karte sollte doch wohl allen klarmachen, daß es da nichts zu spekulieren gab! Dann wäre die Sache hoffentlich ein für alle Mal geklärt. Alycia sah ihren Gefährten mit hochgezogenen Augenbrauen an. Was sollte dieser Auftritt von Shentay als Infinity? War da vielleicht doch mehr an der Sache mit ihm und Nardia dran gewesen, als er zugegeben hatte? Wie war das - er sollte ihr die smaragdenen Himmel und Jade-Seen von Naravina zeigen...?!

'Na warte, Cay, wir sprechen uns noch', dachte sie bei sich. Im Augenblick jedoch waren ihr diesbezügliche Überlegungen nicht so wichtig, denn sie fand es äußerst angenehm, in Cayvyns Armen derart über das Parkett zu schweben, wo er doch sonst Parties eher als Entschuldigung dafür betrachtete, daß er sich mit irgendwelchen Häppchen vollstopfen konnte.

Natürlich war der silberhaarige Mann, der sich spurlos in Luft auflöste, den Reportern nicht verborgen geblieben. Prompt stürzten sich vier der in nächster Nähe befindlichen Zeitungsfritzen auf Nardia Ashni Blade.

"Mademoiselle Blade - war das eben nicht...?"

"Nein!" entgegnete sie energisch. Ein anderer Reporter hatte die Karte erspäht, die Nardia immer noch halb vergessen in der Hand hielt.

"'Es hat nicht sollen sein - R.M.'", las er vor. "Wollen Sie immer noch bestreiten, daß das gerade Ryko Infinity Maiell war?!"

"Wozu?!" wollte sie schulterzuckend wissen.

"Er war es also!"

"Ja - sind Sie jetzt zufrieden?"

"Und was wollte Infinity von Ihnen?"

"Mir zum Geburtstag gratulieren, was sonst?"

"Interessant! Ryko Maiell kommt extra hier vorbei, um Ihnen zum Geburtstag zu gratulieren... Und was hatte dann diese Karte zu bedeuten?"

"Das werden Sie sich doch denken können, oder?"

"Ah, wird es also doch nichts mehr mit Ihrer Liaison mit ihm?"

"Wer weiß?" meine Nardia mit einem geheimnisvollen Lächeln. Sie würde es diesem Knilch heimzahlen!

"Sehr interessant!"

Cayvyn entnahm Nardias höchst ärgerlichem Gesichtsausdruck, daß sein Plan mit Shentay ein voller Erfolg gewesen war. Er wußte zwar selbst nicht, warum, aber er liebte es, Nardia Blade zu quälen. Die Reporter zogen tiefbefriedigt ab. Hoffentlich schrieben sie endlich, daß er wirklich nichts mit dieser zu tun hatte. Auch Nardia war zufrieden, das hieße, sie würde morgen wieder auf der Titelseite stehen.

Cayvyn nutzte das Ende des gerade gespielten Liedes, um sich endlich zum Buffet vorzuarbeiten. Er hoffte, Coryn Arvhayn dort vorzufinden. Schließlich hatte dieser in der letzten Zeit auch ziemlich von sich reden gemacht, und Cay wollte ihn doch noch ein wenig darauf ansprechen...

Alycia folgte ihrem Lebensgefährten schulterzuckend. Heute waren die Wege Cayvyns besonders rätselhaft.

Coryn Arvhayn stand tatsächlich am Buffet. Er trug den kleinen grauen Hund auf dem Arm, den er Nardia zum Geburtstag geschenkt hatte und fischte eifrig Häppchen, die er abwechselnd sich und dem niedlichen Tierchen verabreichte.

"Seid mir begrüßt, Monsieur Arvhayn", meinte Cayvyn hoheitsvoll, und sein dezentes Lächeln hatte eine eindeutig niederträchtige Qualität. Er schien heute seinen sadistischen Tag zu haben, stellte Acy kopfschüttelnd fest. "Ich las, daß Ihr in der letzten Zeit sehr ...beschäftigt gewesen wart..."

Coryn blickte auf und ließ beinahe den Teller fallen. Ryko - äh...

"Sir Cayvyn!" rief er perplex. Das hätte er wirklich nicht von ihm gedacht.

"In der Tat", stimmte Cayvyn ihm belustigt zu. "Einen wunderschönen guten Abend wünsche ich Euch, Monsieur Arvhayn..."

Alycia ließ eine steile Falte auf ihrer Stirn entstehen. Starlight schien Ryko stets zu durchschauen, auch wenn dieser hier in seinem normalen Outfit als Sir Cayvyn unterwegs war. Wie machte der das bloß? Zudem bedeutete das, daß ihre ganze Tarnung aufgeflogen war! In Gedanken stieß sie ein paar fürchterliche Flüche aus. Jetzt mußte sie sich etwas einfallen lassen. Hm. Vielleicht konnte ja Myriellas Auftritt in 1 1/2 Stunden die Sache wieder etwas geradebiegen...

"'N Abend", äußerte Coryn kurz. Er hatte nicht die geringste Lust, sich schon wieder aufziehen zu lassen.

"Betrübt es Euch nicht gar sehr, daß Eure große Liebe nun im Gefängnis weilt?" Sir Cayvyn sah Coryn todernst an.

"Wie? Ich habe keine große Liebe gehabt!" stellte Coryn klar.

"Die Presse berichtete anders darüber..." Nun konnte sich Cay das Grinsen nicht mehr verkneifen und senkte seine Stimme, bevor er fortfuhr. "Ich kann mich daran erinnern, wie du letzthin meintest, du fändest es durchaus 'ganz nett', wenn dich eine Dame der Schöpfung 'süß' findet... Wolltest du nun auch die weiteren Implikationen austesten?"

"Hm. 'Ganz nett' stimmt - aber sonst nichts!"

"Aha", machte Cayvyn anzüglich. Acy runzelte verwundert die Stirn. Offensichtlich gedachte Coryn Arvhayn nicht, seine Entdeckung auszuplaudern. Höchst eigentümlich...!

"Genau." Coryn fütterte den Hund mit weiteren Häppchen. Cay fand diese Idee nicht schlecht und begann ebenfalls damit, Hors d'OEvres zu vernichten. Acy, die immer noch dabei stand, schüttelte nur den Kopf, während sie darüber meditierte, was Cayvyn und Coryn so offensichtlich verband. Egal. Sie sah auf ihre Uhr. 16:65 Uhr. In 135 Minuten wäre es soweit...

Inzwischen hatte auch Nardia das Buffet erreicht. Sie betrachtete Coryn und Cayvyn beim Essen, während die Lichtgestalt Acy versuchte, den kleinen Hund zu streicheln, der aber anscheinend Angst vor ihr hatte, da er panisch jaulte. Nardia nahm sich einen Teller, sie hatte Hunger. Nun gab Alycia ihre Versuche auf, sich dem Tierchen zu nähern und suchte sich ein paar Gurken und ähnliche joulearme Fressalien aus. Sie hatte in der letzten Zeit definitiv zugenommen, weil Cay doch dauernd weg war und sie immer zu viele Süßigkeiten futterte, wenn sie sich so alleingelassen vorkam. Grummel. Sie sollte ihm mal eine Lektion erteilen, damit er es sich überlegte, sie derart zu vernachlässigen!

Nardia hatte den Verdacht, daß Acy mal wieder auf Diät war. Keine schlechte Idee, sie wäre auch mal wieder reif dafür. Aber heute würde sie noch einmal zuschlagen. Sie grinste Alycia an. Diese blickte tragisch an sich herab.

"Seufz, ich habe in der letzten Zeit vier Kilo zugenommen!" klagte sie und sah an ihrem Gewand aus Neonlicht herunter. "Was meinst du, warum ich mich diesmal so schamhaft verhülle...?"

Nardia schüttelte nur den Kopf. Typisch Acy... Bevor sie jedoch zu einer Erwiderung ansetzen konnte, tauchte Firestar in Nardias Nähe auf. Er hatte den ganzen Arm voller Blumen, die er ihr feierlich überreichte.

"Herzlichen Glückwunsch", meinte er grinsend. Nardia war wieder einmal sprachlos. Wer würde wohl noch alles hier erscheinen?

Nun erblickte Acy Firestar. Sie warf Cayvyn einen nachdenklichen Blick zu, bevor sie zu Alan stürmte, schmachtend zu diesem hoch blickte und von irgendwoher einen Block und Stift zückte.

"Monsieur Firestar - könnte ich bitte ein Autogramm von Ihnen haben? Ich bin doch schon soooo lange Ihr größter Fan!"

Alan hatte Schwierigkeiten, ernst zu bleiben.

"So, mein größter Fan? Für wen soll ich denn das Autogramm schreiben?" meinte er und grinste sie vielsagend an. Acy schlug die Augen nieder und schaffte es, dezent zu erröten.

"Alycia Cherylla Blade, Monsieur Firestar..."

"Fein!" Alan hatte Mühe, seine Überraschung zu verbergen. Das war also Alycia. Langsam konnte er verstehen, warum Blackfire so erfolgreich war... "Für Alycia", schrieb er dann auf den Block. "In Verehrung - A. Firestar D."

"Danke!" hauchte Acy und konnte einfach nicht widerstehen, ihm einen Kuß auf die Wange zu drücken. Sie mußte sich anstrengen, ein Kichern zu unterdrücken. Auch Alan war zutiefst amüsiert.

'Wenn schon, dann richtig', dachte er, während er Acy einfing und richtig küßte, wobei er Cayvyn nicht aus den Augen ließ.

Dieser war natürlich absolut nicht davon angetan, vor allem, weil Acy offensichtlich keine Anstalten machte, sich zu wehren - im Gegenteil! Nun gut. Er zog einen seiner Handschuhe aus und warf ihn Alan vor die Füße.

"Monsieur! Ich fordere Euch hiermit zum Duell! Nennt Zeit, Ort und Waffen!" - 'Na warte, Acy!' dachte er insgeheim. Firestar konnte sich kaum noch beherrschen.

"Jetzt, hier und die Vetah!" bestimmte er und schob Acy von sich, die Cayvyns Reaktion interessiert beobachtete. Sie fand die Situation überaus amüsant. Das gäbe morgen eine Schlagzeile!

"Coryn Arvhayn wird mir sekundieren", verkündete Sir Cayvyn kurzerhand. Coryn wußte zwar nicht, was das bedeutete, aber er wollte auf jeden Fall dabei sein. Firestar bestimmte einen der umstehenden Reporter zu seinem Sekundanten. Er liebte doch Publicity! Nardia Blade warf sich entschieden dazwischen.

"Ich bestehe darauf, daß Sie sich in den Waffensaal begeben", meinte sie ernst.

"Ich weiß Eure Sorge zu würdigen", erklärte Sir Cayvyn würdevoll und sammelte seinen Handschuh wieder ein, bevor er der Hausherrin folgte.

* * *

Im Waffensaal, der zugleich eine ausgedehnte Übungshalle war, wurden die Duellanten und Zuschauer bereits von Nardias kleinem Bruder Tony erwartet, der schon vorausgeeilt war. Er händigte den beiden Sekundanten die Ausrüstung aus, die aus einem kleinen Armschild und der Vetah bestand. Letztere war ein etwa 1.10m langer, elastischer Metallstab, der nicht dazu angetan war, den Gegner zu töten, sondern lediglich so lange schmerzhafte blaue Flecke u.ä. erzeugte, bis einer der Kombattanten entnervt aufgab.

Alan und Cayvyn stellten sich in etwa zwei Metern Entfernung voneinander auf und bekamen Schild und Stock von ihren Sekundanten in die Hände gedrückt. Sir Cayvyn verneigte sich hoheitsvoll, bevor er in Angriffsposition ging.

Firestar machte sich ebenfalls bereit. Er fand die ganze Angelegenheit sehr witzig. Blackfire war ihm doch völlig egal! Na, er würde Cayvyn jedenfalls den bestmöglichen Kampf liefern.

Endlich gab einer der Sekundanten das Zeichen. Sicherlich wußte Cay, daß Acy eigentlich bestimmt nichts mit Alan anfangen würde, aber hier ging es ums Prinzip. Wie stünde er denn da, wenn sich jeder dahergelaufene Typ seiner Gefährtin ungestraft unsittlich nähern dürfte?!

Alycia fand Cayvyns Reaktion einfach süß. Außerdem gönnte sie es dem falschen Firestar, einmal so richtig von Cay vertrimmt zu werden. Allerdings hatte Alan keineswegs vor, sich schlagen zu lassen. Er würde es wohl zu verhindern wissen.

'Die beiden würden doch tatsächlich ernst machen', dachte Nardia. 'Tse, hoffentlich wurde niemand verletzt!' - Aber sie gönnte es diesem Sir Cayvyn, einmal tüchtig verprügelt zu werden.

Cayvyn begann mit einer Finte und sprang auf Alan zu. Bedauerlicherweise war dieser ebenso schnell und wich mit einer eleganten Wendung aus. Bald hatten sich die beiden in ein blitzschnelles Gefecht aus Angriff und Verteidigung verwickelt, dem die Zuschauer kaum folgen konnten. Es war beinahe unheimlich, mit welcher Geschwindigkeit die zwei komplizierte Schlagfolgen austauschten. Alycia stand in einer Ecke des Saals und konnte es nicht fassen. Sie kniff die Augen zusammen und verfolgte jede Bewegung des falschen Firestar. Unmöglich. Kein Mensch war in der Lage, gegen Cay zu bestehen!

Nardia fand es sehr erstaunlich, wie schnell sich Sir Cayvyn bewegen konnte, um Firestar zu entkommen. Sie hatte stets gedacht, er wäre nur zu diesem Schneckentempo in der Lage, das er sonst immer vorlegte. Irgendetwas war da sehr merkwürdig...

* * *

Der Fight zwischen Firestar und Sir Cayvyn dauerte nun schon etwas über eine Stunde an, ohne daß einer der Duellanten die Oberhand gewann oder ermüdete. Alycia fand das höchst suspekt, und da sie Cays Leistungsdaten kannte, konnte das eigentlich nur bedeuten, daß Alan Dale ebensowenig ein menschliches Wesen war wie dieser. Hm.

Nardia Blade betrachtete das Duell mittlerweile ausgesprochen gelangweilt. Sie war sich inzwischen sicher, daß auch Sir Cayvyn nicht das war, wofür er sich ausgab. Wenn er es nämlich schaffte, sich gegen Alan zu behaupten, dann konnte das nur eins heißen... Bis wann wollten die wohl noch weitermachen? Es hatte doch sowieso keinen Sinn, da im Prinzip keiner die Oberhand gewinnen konnte.

Coryn berechnete derweil, wie lange Cay und Alan noch durchhalten konnten. Anbetracht der Tatsache, daß Cayvyn vorhin einiges vertilgt hatte, war dieser wohl ein wenig im Vorteil.

Unterdessen waren die Reporter zu 65 Prozent telefonieren, während der Rest auf den Ausgang des Duells wettete. Die Quoten lagen exakt bei 50:50.

Auf einmal zischte, donnerte und krachte es draußen gewaltig. Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf den Garten, den man von den gewaltigen Fenstertüren bestens einsehen konnte. Auch Firestar wurde von dem Spektakel draußen soweit abgelenkt, daß Cayvyn ihm die Vetah aus der Hand schlagen konnte, bevor er ihn zu Boden warf.

"Das war ausgesprochen unfair", beschwerte sich Alan.

"Ich dachte, du wärst ebenfalls multitasking-fähig", bemerkte Cayvyn belustigt, bevor er die Vetah wie einen Degen auf Firestars Brust richtete und lautstark deklamierte: "Nun, da ich den Sieg über Euch davon getragen habe, Monsieur, betrachte ich die Ehre meiner Gefährtin als verteidigt. Steht nun auf und entschuldigt Euch bei ihr!"

"Ich denke nicht daran", meinte Alan, schob den Stab beiseite und erhob sich erst einmal.

"Dann sehe ich mich gezwungen, Euch ein zweites Mal eine Lektion zu erteilen, Monsieur!"

"Wie es Euch beliebt", bemerkte Firestar achselzuckend.

"Kommt überhaupt nicht in Frage", fuhr Nardia dazwischen. "Nicht in meinem Haus! Es reicht!"

"Genau." Alycia trat zu Cayvyn und legte ihm die Hände auf die Schultern. "Mylord, mich deucht, Euer Kampf um meine Ehre hat durchaus genügt, um alle diesbezüglichen Unklarheiten zu bereinigen..." Sie schmiegte sich an ihn. "Ay jéesha, Cay", flüsterte sie. "Du solltest doch am besten wissen, daß ihr euch wahrscheinlich kloppen könnt, bis euch die Energie ausgeht, ohne daß einer auch nur den Hauch eines Vorteils hätte! Laß es sein, mein Schatz. - Außerdem liebe ich dich." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und unterstrich ihr Statement mit einem hingebungsvollen Kuß.

"Na gut." Cayvyn wandte sich wieder an Alan. "Dann laßt uns die Angelegenheit vergessen, Monsieur."

"Okay", stimmte dieser zu. Ihn interessierte zur Zeit ohnehin mehr, was da so ein Getöse veranstaltet hatte. Nardia stand bereits am Fenster und betrachtete staunend die gewaltige, silbern gespritzte Brücke mit einem dekorativen schwarzen Blitz an den Seiten, die sich an der Westseite ihres Gartenteichs niedergelassen hatte und nun Nord- und Südufer elegant miteinander verband. Mitten darauf stand eine silbern gekleidete Frau mit schwarzen Haaren und winkte, bevor sie verschwand. Blackfire, wer sonst? An einem Ende der Brücke hing ein mehr als plakatgroßer Briefumschlag.

"Die Mayflower-Brücke!" meinte Nardia ehrfürchtig und machte sich auf den Weg, um das monumentale Kuvert zu holen. Alan sah Acy sehr nachdenklich an, und diese grinste zurück. Ätsch, sie hatte es geschafft, und das auch ohne seine Hilfe!

Mittlerweile hatte Nardia den 'Umschlag' von der Brücke entfernt und zog ihn nun durch den Park. Ganz schön schwer, das Teil. Endlich hatte sie die Terrasse erreicht.

"Vielleicht könnte mir mal jemand helfen", rief sie und versuchte, das Monster-Kuvert zu öffnen. Cayvyn, Coryn und Alan beschlossen, ihr gemeinsam beizustehen, und es gelang ihnen tatsächlich, den - natürlich zugeklebten - Umschlag aufzureißen und ein zusammengefaltetes 'Stück' Folie daraus zu entfernen. Auseinandergeklappt hatte es die vierfache Größe.

Da jeder der Buchstaben fast einen Meter hoch war, konnte Nardia immer noch nichts lesen.

"Hm. Und was nun? Ich muß die Buchstaben wohl einzeln lesen", meinte sie schließlich.

"H - E - R - Z - L - I - C - H - E - - G - L - Ü - C - K - W - Ü - N - S - C - H - E - - Z - U - M - - G - E - B - U - R - T - S - T - A - G, - - M - A - D - E - M - O - I - S - E - L - L - E - - B - L - A - D - E, - - S - E - N - D - E - N - - I - H - N - E - N - - B - L - A - C - K - F - I - R - E - - U - N - D - - I - N - F - I - N - I - T - Y.
A - N - B - E - I - - E - I - N - - K - L - E - I - N - E - S - - P - R - Ä - S - E - N - T, - - D - A - S - - A - U - C - H - - J - E - M - A - N - D - E - M, - - D - E - R - - A - N - S - O - N - S - T - E - N - - A - L - L - E - S - - H - A - T, - - N - O - C - H - - E - I - N - E - - Ü - B - E - R - R - A - S - C - H - U - N - G - - B - I - E - T - E - N - - S - O - L - L - T - E . . .
K - A - R - Y - L - L - A - - N - O - I - R
U - N - D
R - Y - K - O - - M - A - I - E - L - L"

las sie mit einigen Mühen. "Wie schön! Alle denken an mich. Nur werde ich das gute Stück wohl zurückgeben müssen", sagte sie schließlich bedauernd. "Aber wie?"

"Ich sehe da keine Chance", bemerkte Firestar.

"Genau. Das Ding ist doch viel zu groß", fügte Acy hinzu. "Seufz, so ein Teil hätte mir auch gefallen können..."

"Es gibt ja noch mehr Geburtstage", stellte Alan grinsend fest.

"Ach - würdest du mir die Starway-Brücke schenken...?" Sie schaute ihn eindeutig mehrdeutig an.

"Ich würde dir alles schenken", meinte er, aber mit einem vorsichtigen Blick in Richtung Cayvyn.

'Soso', dachte dieser. Und er würde in der Tat ein ernstes Wörtchen mit seiner Gefährtin wechseln müssen.

"Wirklich?!" hauchte Alycia. Ha, sie fand es überaus befriedigend, Cayvyn mal ein bißchen eifersüchtig zu machen.

"Natürlich. Ich meine immer, was ich sage!"

"Seufz", gab Acy verträumt von sich. Das ging Cay aber nun doch entschieden zu weit, und er zog sie dezent in seine Arme. Firestar grinste vor sich hin. Offenbar schien sich Cayvyn seiner Alycia nicht so ganz sicher zu sein. Nardia sah dem Ganzen höchst ärgerlich zu. Langsam ging Alan eindeutig zu weit!

Allmählich beschloß Alycia, daß sie Cay genug geärgert hatte; sie schmiegte sich an ihn und meinte leise:

"Ich finde es einfach drollig, wie sich ausgewachsene männliche Wesen immer wieder wegen einer Dame in die Haare kriegen können... Aber ich muß zugeben, es stärkt das Ego ungemein, wenn sich zwei Männer sogar wegen meiner einer duellieren..." Acy legte den Kopf schief und schaute Cay belustigt von unten herauf an.

"Grummel", machte dieser. Also, das hatte auf alle Fälle noch ein Nachspiel... Nardia hegte ähnliche Gedanken - und ob das Ganze noch ein Nachspiel haben würde! Sie würde Alan gehörig die Meinung sagen - obwohl er schlußendlich wie üblich weder darauf hören, noch seine Handlungsweise ändern würde...

Sir Cayvyn blickte noch einmal hoheitsvoll in die Runde, bevor er mit einer Handbewegung seinen Umhang nach hinten warf und anschließend Acy kurzerhand auf seine Arme beförderte. Er dachte nicht daran, ihr auch nur die kleinste Chance für eine Flucht zu lassen.

"Wir gehen! Ich habe noch etwas dringendes zu erledigen!" Acy strampelte wild, aber höchst uneffektiv mit den Beinen. Es war frustrierend! Wenn Cay es nicht zuließ, war es völlig aussichtslos, sich aus seinem Griff befreien zu wollen. Graa, es war einfach albern, so abtransportiert zu werden, fand sie. Schließlich gab sie entnervt auf und fügte sich in ihr Schicksal. Cayvyn lächelte sie höchst amüsiert an und gab ihr einen Kuß auf die Nasenspitze, bevor er mit seiner Gefährtin davonzog.

Nach all diesen Happenings hatte Nardia genug von der Party und überhaupt allem. 'Nie mehr Parties ohne Einladungen!' beschloß sie gestreßt, obwohl das wohl kaum etwas bringen würde. Naja. Jetzt wollte sie sich erst einmal die Brücke genauer ansehen. Alan folgte ihr. Schließlich hatte er noch gar keine Zeit gefunden, sein Geschenk abzuliefern. Vielleicht konnte er auch noch die Gardinenpredigt abwenden, wenn er sich etwas Mühe gab...

* * *

3762/09/19 GZ

Nardia stand staunend auf der Brücke, sie konnte immer noch nicht fassen, daß das Teil wirklich da war.

"Ein tolles Geschenk", meinte Alan plötzlich hinter ihr. Nardia wandte sich zu ihm um.

"Was willst du noch?"

"Ich wollte dir mein Präsent überreichen."

"Nachdem Acy nun weg ist, hast du dich wohl darauf besonnen, daß ich auch noch existiere?!"

"Bist du etwa eifersüchtig?" wollte Alan wissen.

"Nein, überhaupt nicht. Ich bin wütend." Nardia sah in das glitzernde Wasser hinunter. Wie konnte ihr Alan das antun? Und gerade nachdem sie sich wieder vertragen hatten...

"Das gehörte doch alles zum Spiel."

"Auch, daß du mit meiner Schwester herumknutschst und dich mit Cayvyn schlägst?"

"Natürlich, das bin ich meinem Ruf schuldig. Ich verstehe nicht, warum du dich so aufregst, schließlich habe ich das nicht ernst gemeint."

"Ich meine es aber ernst!"

"Du bist doch eifersüchtig."

"Ich würde meine Gefühle eher mit Mordlust bezeichnen."

"Huch", machte Alan amüsiert.

"Mach dich nur lustig über mich. Ich habe genug, ich will dich nie mehr wiedersehen." Nardia wandte sich ab und schlenderte über die Brücke.

Alan sah ihr verdutzt hinterher. Daß sie aber auch alles so persönlich nahm! Schließlich konnte er gar nicht anders, als so reagieren, das gehörte nun mal zu seinem Programm - aber Nardia schien das nicht zu verstehen. Alan beschloß, sich erst mal umzuziehen, denn Firestar hatte bei ihr sicherlich keinerlei Chancen.

* * *

Nardia befand sich immer noch im Park. Ob ihre Entscheidung richtig war? Mit Sicherheit, sie ließ sich doch nicht lächerlich machen...

"Nardia?"

Sie wandte sich um. Der schon wieder...

Michael ließ sich neben ihr auf der Bank nieder. "Ich möchte mit dir reden."

"Ich nicht."

"Bitte."

"Nun gut, bringen wir es hinter uns."

"Warum kannst du nicht verstehen, daß Firestar so handeln muß?"

"Ich kann einfach nicht. Warum sollte es richtig sein, wenn ich zusehen muß..." Nardia verstummte, sie wollte gar nicht darüber nachdenken.

"Kannst du es nicht so sehen, daß Firestar und Michael Bradley zwei verschiedene Personen sind?"

"Ich weiß schließlich, daß es nicht stimmt."

"Ich wünschte, man konnte das bei dir löschen", seufzte Michael.

Darüber mußte Nardia nun doch lachen. "Manchmal wäre das gar nicht so übel."

"Hier, das schleppe ich schon die ganze Zeit mit mir herum." Michael überreichte ihr ein kleines Päckchen.

Neugierig wickelte Nardia das Geschenk aus. "Was ist es denn?"

"Sieh doch nach."

Endlich war das Teil aus seiner Verpackung befreit. Staunend blickte Nardia auf das glitzernde Collier. Das war eine Arbeit von Enrie Nargile (einem berühmten Goldschmied aus dem 33. Jahrhundert), da war sie sich sicher, vor allem da sie die Schmuckstücke schon auf Photos bewundert hatte. Sie sah Michael fragend an.

"Es ist ein Nargile, und ich habe es sogar ehrlich erworben."

"Es ist wundervoll." Sie betrachte das filigrane Schmuckstück. Die zahlreichen Rubine und Diamanten waren mit hauchdünnen Goldfäden verbunden; die Zeit hatte das Collier dunkler werden lassen, wodurch es noch schöner war. Über 400 Jahre war es alt, dachte Nardia fasziniert. Michael mußte eine ungeheure Summe dafür bezahlt haben, immerhin gab es nur noch 17 Nargiles. "Ich danke dir."

Michael schwieg, er wartete auf Nardias Entscheidung.

Nardia bettete das Collier wieder in die Schachtel. Vielleicht sollte sie die Sache wirklich so sehen, wie Michael es vorgeschlagen hatte. Er würde sich niemals ändern, und sie war nicht bereit, ihn einfach aufzugeben...

"Nun, was hast du beschlossen?"

"Daß du Strafe verdienst", meinte Nardia grinsend.

Er sah sie fragend an.

"Du wirst dich weiter mit mir rumquälen müssen."

Michael legte die Arme um sie. "Wenn es sein muß."

Daraufhin schubste Nardia ihn von der Bank. Da er sie aber nicht losließ, rutschte sie ebenfalls herunter.

"Au! Jetzt habe ich bestimmt einen blauen Fleck." meinte Nardia empört.

"Wo?" Michael grinste sie an.

"Püh! Und naß ist es auch hier."

"Das ist nätürlich nicht akzeptabel." Michael hob Nardia auf seine Arme und trug sie zum Haus zurück...

* * *

Es war zwar mühsam gewesen, aber Acy hatte es tatsächlich geschafft, Cayvyn davon zu überzeugen, daß sie eigentlich gar keine unlauteren Absichten gehabt hatte, was Firestar betraf. Es gehörte nun mal zu ihrer Rolle als Alycia Cherylla Blade, daß sie absoluter Fan von diesem war... Sie schüttelte insgeheim den Kopf. Ts, normalerweise war es immer Cayvyn, der sich bei ihr entschuldigen mußte, weil er wieder etwas angerichtet hatte. Tja, da hatte er nun mal selbst am eigenen Leibe erfahren, wie es war, wenn der andere einen frustete. Das geschah ihm einmal ganz recht!

Neugierig blätterte sie in den Solidos der aktuellen Zeitungen, die Myriella ihr mitsamt dem morgendlichen Kaffee vorbeigebracht hatte. 'Es geht doch nichts über ein Frühstück im Bett mit dem Mann, den frau liebt', dachte Acy und sah zu Cay herüber, der beschlossen hatte, diesmal dazubleiben und ihr Gesellschaft zu leisten. Er hatte wohl vor, sie vorerst nicht so rasch aus den Augen zu lassen... Überaus angetan von diesem Faktum lehnte sich Acy an ihn und ließ ihn mit in die Solidos gucken, obwohl er ja mit einem Blick immer schon die kompletten Informationen aufnehmen konnte und so eigentlich permanent auf sie warten mußte.

* * *

Auch Nardia hatte soeben die Morgenzeitungen erhalten. Tse, ihr Name war ebenso wie der von Acy überall auf der ersten Seite. Sie mußte diese sofort anrufen. Graa, wo war die Fernbedienung? Nun gut, dann würde sie eben aufstehen. Schnell tappte sie zum Viphon und wählte Alycias Code.

"Acy?"

Der Summer des Viphons ertönte, und Alycia streckte die Hand nach der Fernsteuerung aus, die mitten in ihrem Frühstück lag. Tsy, jetzt war schon wieder der halbe Honig auf den Sensortasten. Ungeachtet dessen tippte sie auf die Connect-Taste.

"Hi Nardia!"

"Huhu. Hast du schon die Zeitungen?" erkundigte sie sich und hüpfte ins warme Bett zurück.

"Klar!" Alycia wedelte mit den Solidos harum und erwischte natürlich Cayvyn, der demonstrativ und ziemlich besitzergreifend die Arme um sie gelegt hatte. Ts.

"Diesmal teilen wir uns den Ruhm", bemerkte Nardia und deutete auf:

ALYCIA BLADE HEIRATET FIRESTAR!
Wie hat der berühmt-berüchtigte Gangster es geschafft, das Herz der Milliardenerbin zu erobern?

"Komisch", befand jene. "Kommt mir bekannt vor. Gab es da nicht mal so eine Schlagzeile mit dir und Infinity?!"

Cayvyn konnte nur mit Mühe ein Kichern unterdrücken und vergrub sein Gesicht sicherheitshalber in Alycias Neon-Mop, damit er sich nicht durch überaus indezente Grimassen verriet.

"Außerdem", fuhr Acy fort, "steht hier:

INFINITY ÜBERREICHT NARDIA BLADE ROSEN

Wann ist es endlich soweit?"

"Hm. Irgendwie verstehen die immer alles total falsch", beschwerte sich Nardia. "Wie hier:

BLACKFIRE ENTFÜHRT MAYFLOWER-BRÜCKE$!
Gerüchte besagen, daß das Bauwerk auf Blade Manor gesichtet wurde...

Gerüchte! Pah, das Ding steht schließlich hier bei mir im Garten!"

"Tsayée, wenn die bei unseren ewigen angeblichen Heiratsabsichten doch auch wenigstens nur von 'Gerüchten' sprächen... Aber nein, das wird als hieb- und stichfeste Tatsache verkündet." Sie seufzte schwer. "Dabei bin ich doch schon seit sechseinhalb Jahren mit meinem herzallerliebsten Sir Cayvyn zusammen - da hätte doch ein anderer Mann gar keinen Platz in meinem Leben...!"

"Ach!" meinte Nardia grinsend. "Und was sollte das dann gestern?"

"Oooooch... Gestern - das war doch nichts!"

"Ach ja?!" knurrte Nardia.

"Könnte es sein, daß du eifersüchtig bist?" erkundigte sich Alycia scheinheilig.

"Nein, überhaupt nicht!"

'Höchst interessant', stellte Acy für sich fest und dachte sich ihren Teil. "Weißt du, ich war eben einfach neugierig. Und außerdem bin ich nunmal ein Fan von ihm, seit ich soooo klein war..."

"So?!"

"Na klar!" Alycia grinste versteckt. Sie hatte Cay diesen Sachverhalt ja eindeutig auseinandergenommen, so daß er nicht wieder alles völlig mißverstand.

"Ich dachte, du wärst ein Fan von Tyron Star?"

"Naja, ich wollte doch mal wissen, was der neue Firestar so drauf hat..."

"Und?" fragte Nardia neugierig.

"Cayvyn ist besser."

"Ach?" meinte Nad zweifelnd.

"Mmmmh...!" machte Acy gedehnt und kuschelte sich in Cays Arme. Offenbar hatte ihn diese Aussage ausnehmend beruhigt.

"Du beziehst dich wohl auf

SIR CAYVYN SCHLÄGT FIRESTAR!
Sensationeller Ausgang des Duells um Alycia Blades Gunst!"

"Das sowieso...!"

"Hm...", äußerte sich Nardia nachdenklich. Wenn ihre Schwester so dachte, gab es wenigstens keine Streitereien.

"Hast du etwa vor, sölbigen Firestar für dich zu erobern?" wollte Alycia wissen.

"Nö, dazu ist es zu spät."

"Aha? Bist du etwa schon anderweitig vergeben?"

"Genau!"

"Also ist doch etwas dran an der Sache mit dir und Infinity!"

"Um Himmelswillen, nein!"

'Dein Glück, mein Schatz', dachte Alycia mit Seitenblick auf Cay. "Und wer ist dann der Glückliche?"

"Michael Anthony Bradley."

"Aha. - Und wer ist das?" Acy hatte den Namen schon mal irgendwo gelesen, konnte sich aber beim besten Willen nicht an den Zusammenhang erinnern.

"Michael!" rief Nardia. Sie war leicht irritiert, daß ihre Schwester noch nie von diesem gehört hatte.

"Ja?" ertönte es aus dem Bad.

"Komm doch bitte mal her." Zu Acy meinte sie dann: "Da er eh schon hier ist, kann ich ihn dir ja gleich vorstellen."

"Schön." Alycia griff nach ihrem Kaffeebecher und zupfte ihr neonpinkes Nachtgewand glatt. Als Myriella mit den Solidos kam, war es ihr klar gewesen, daß Nardias Anruf nicht lange auf sich warten lassen würde, und so hatte sie sich sicherheitshalber in halbwegs dezente Klamotten geworfen, Cayvyn ebenfalls. Auf der anderen Seite kam Michael Bradley aus dem Bad und setzte sich zu Nardia auf das Bett.

"Ich wollte dir meine Schwester Alycia vorstellen", meinte Nad.

"Einen wunderschönen guten Morgen, Monsieur Michael", begrüßte diese ihn. "Übrigens - das ist mein Lebensgefährte, Sir Cayvyn!" meinte sie, mit der Fernbedienung auf diesen deutend.

"Sehr erfreut", erwiderte Michael und versuchte, seinen nassen, schwarzen Haare aus den Augen zu bekommen.

"Ebenfalls einen wunderschönen guten Morgen", wünschte Cayvyn ihm. Cay wirkte wie üblich perfekt gestylt, und das trotz aller Versuche Acys, dies zu unterminieren.

"Guten Morgen!"

"Tja - was haben wir heute eigentlich vor?" überlegte Alycia. "War da nicht schon wieder so eine Grundsteinlegung auf dem Plan, Nad?"

"Oh, die habe ich total vergessen! Graa, wo ist...?" Nardia flitzte los, um diverse Kleidungsstücke einzusammeln.

"Wir sehen uns also um 11:00 Uhr!" beschloß Acy. "Wird Michael dich begleiten?"

"Ich werde mitkommen", bestätigte dieser, da Nardia schon im Bad verschwunden war.

"Schön. Ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen."

"Das Vergnügen ist ganz beiderseits. Ich glaube, ich sollte zusehen, daß es endlich etwas zu essen gibt... Also, bis nachher."

"Bis dann!" Die Viphon-Verbindung wurde unterbrochen, und Cay warf seiner Gefährtin einen nachdenklichen Blick zu, woraufhin sie wieder einmal in seinen grandiosen Augen versank, die diesmal wie die Jade-Seen von Naravina wirkten, auf denen das goldene Sonnenlicht glitzerte. Seufz.

"Alycia...!" meinte er dezent und küßte sie präventiv, und Acy grinste ihn an.

"Komm, mein Schatz, wir machen uns fertig!" Wenn sie sich jetzt nicht sofort von ihm losriß, würde das bedeuten, daß sie heute gar nicht mehr wegkommen würden.

* * *

3762/09/19 GZ

'Schon wieder so eine dumme Grundsteinlegung', dachte Nardia Blade, während sie in Gedanken noch einmal die vorbereitete Rede durchging. Diesmal ging es um die Eröffnung eines neuen Forschungszentrums, des Henry Blade Instituts für zweckfreie Forschung, welches nach ihrem Großvater benannt worden war, der ein neues Antriebsprinzip für Raumgleiter gefunden hatte, obwohl er eigentlich eine Zeitmaschine erfinden wollte.

Nardia fragte sich zum wiederholten Male, was so wichtig an einem blöden Stein auf einer öden Baustelle sein sollte. Nun ja, hoffentlich war es schnell vorbei. Hm, in wenigen Minuten sollte es losgegehen; es schienen fast alle Gäste eingetroffen zu sein. Nur Alycia und Sir Cayvyn fehlten noch. Michael lehnte an einem Gerüst und grinste sie an. Er fand die ganze Sache ausgesprochen langweilig. Sie betrachtete ihn liebevoll. Er war etwas über 1.90m groß, hatte leicht verstrubbeltes, tiefschwarzes Haar und grüne Augen. Noch während sie so in diversen Gedanken schwelgte, tauchte Acy mit Sir Cayvyn im Schlepptau auf. Jene hatte sich in ein wallendes, neonpinkes Gewand gehüllt, während ihr Gefährte in Weiß und Gold gekleidet war. Er trug diesmal sogar einen Energiedegen an der Seite. Tse, was das nun wieder sollte...?

"Hi, Acy!" meinte Nardia.

"Hiya, Nad! - Bin ich zu spät?" Alycia versuchte, ihre erneut neongelbe, hochgetürmte Haarpracht etwas in Façon zu bringen. Sie fand es überaus frustrierend, daß sie derzeit vier Kilo zuviel auf die Waage brachte, deshalb mußte sie sich jetzt in so einem dummen Wallewalle-Kleid verstecken! Tsayée, Cay hatte ja nie Figurprobleme... Sie verschlang ihren Lebensgefährten wieder einmal mit ihren Blicken.

"Nein, du bist genau pünktlich", bemerkte Nardia gerade und begab sich zum Rednerpult, wo sie mit ihrem Vortrag begann.

Unterdessen hatte Cayvyn eine überaus faszinierende Entdeckung gemacht. Er hob eine Augenbraue und ging zu Nardias aktuellem Freund herüber.

"Seid mir gegrüßt, Monsieur Bradley", meinte er und neigte dezent den Kopf. "Ich bin überrascht, Euch hier zu sehen..." Acy sah zu Cayvyn hinauf. Was meinte er damit?!

"Ich begrüße Euch ebenfalls. Und auch Euch, Mademoiselle Blade. - Wieso seid Ihr überrascht, mich zu sehen? Ich kündigte mein Kommen doch heute morgen an", bemerkte Michael und grinste die beiden an.

"Sicherlich..." Cayvyn grinste zurück. Alycia verstand nur Raumhafen und Fehlstarts. Die zwei kannten sich, soviel war ihr klar. Nur woher und wieso? Sie beschloß, erst einmal abzuwarten.

"Guten Morgen, Monsieur Michael", begrüßte sie diesen. "Sehr erfreut, Sie kennenzulernen..."

"Ganz meinerseits, Mademoiselle Blade. Ich habe schon so viel von Ihnen gehört!"

"In der Tat?!" Acy senkte dezent die neonpink geschminkten Augenlider. Michael Bradley grinste sie an.

"Ja, Nardia spricht viel von Ihnen."

"So, tut sie das? Hoffentlich erzählt sie nichts allzu Schlimmes...?" Sie schaute ihn intensiv von unten herauf an. Irgendwie kam ihr dieser Gesichtsausdruck überaus bekannt vor.

"Aber nein!" Michael unterließ sein Grinsen lieber, da Alycia ihn so nachdenklich musterte.

"Beruhigend", stellte diese fest, während Cayvyn mißtrauisch von Michael zu Alycia und zurück blickte. Sie sollte es wagen... - Oder besser, er sollte es wagen...!

Michael schaute Cayvyn an, denn dieser warf ihm einen äußerst angriffslustigen Blick zu und hatte sogar seine Hand auf den Degen gestützt.

'Versuch's nur', dachte Michael.

"Wie lange kennen Sie meine Schwester eigentlich?" wollte Alycia wissen. Sie fragte sich, wieso sie das Gefühl hatte, diesen Michael zu kennen, obwohl sie genau wußte, daß sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Und dann guckte da noch Cayvyn, als ob ihm Duelle mittlerweile Spaß bereiten würden...

"Hm, ungefähr sechs Monate." Michael hatte den Verdacht, daß Acy irgendetwas vermutete.

'Erstaunlich', dachte Alycia, 'daß Nad es geschafft hatte, den Typen so lange unter Verschluß zu halten...'

"Und da hat sie uns Ihre werte Person so lange unterschlagen!"

Michael lachte.

"Sie wird schon ihre Gründe haben."

'Ich kann mir schon denken, welche', dachte Cayvyn grimmig, da er bemerkte, wie seine Gefährtin Michael Bradley intensivst betrachtete.

Sir Cayvyn war anscheinend sehr verärgert, bemerkte Michael amüsiert. Dabei hatte er (diesmal) doch gar nichts getan! Nardia hatte unterdessen endlich ihre Rede beendet und gesellte sich zu den drei Personen.

"Puh, geschafft!" meinte sie.

"Ach, ist die Rede zu Ende?" erkundigte sich Acy, die natürlich gar nicht darauf geachtet hatte, was am Rednerpult vor sich ging.

"Ja! Zum Glück hatte niemand Fragen oder so..."

"Was hast du denn diesmal erzählt?" fragte Alycia völlig unschuldig.

"Na, genau dasselbe wie sonst..."

"Tsy, und sowas ist Bestsellerautorin!"

"Hm, ja... Aber das hat doch nichts mit diesen komischen Reden zu tun!"

"Tsayée..." Acy lehnte sich an Cayvyn. Diese Herumsteherei machte sie immer ganz fertig.

"Lady Nardia", bemerkte Sir Cayvyn plötzlich. "Dafür muß ich Euch ein Kompliment machen, wie souverän Ihr wieder Euren Vortrag gemeistert habt!"

"Vielen Dank", erwiderte Nardia verwundert. Wie kam Sir Cayvyn plötzlich dazu, ihr Komplimente zu machen?

"Wahrlich - es war ergreifend", verkündete er. Alycia runzelte höchst irritiert die Stirn. Hm? Auch Michael sah Cayvyn verwundert an. Was hatte dieser vor? Nardia war sprachlos. Normalerweise sprach Sir Cayvyn doch nur das Allernotwendigste mit ihr!?

"Gibt es nicht gleich wieder ein Buffet?" versuchte Acy abzulenken. Sie sollte Cay am besten auf andere Gedanken bringen. Was fiel dem eigentlich ein, sich an ihre Schwester heranmachen zu wollen? Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn sie auch einmal Kurse im Energie-Degen-Fechten nehmen würde!

"Nein, wieso? - Doch nicht hier!", bemerkte Nardia erstaunt.

"Tsy. Na gut. Wenn ihr wollt, organisiere ich eben gleich ein ansprechendes Mittagsmahl."

"Wie nett von dir." Nardia knurrte auch schon der Magen. Alycia Cherylla Blade ging zu einer nahegelegenen Viphon-Zelle und mietete ein sinhalonisches Spezialitäten-Restaurant. Obwohl sie sich garantiert weigern würde, ein sinhalonisches Riesentarantel-Filet zu essen.

Alycia winkte den anderen zu, in ihr Aero-Shuttle zu steigen, und diese folgten ihrer Aufforderung. Cayvyn setzte sich an das Kontrollpult und startete das Fahrzeug.

"Ich habe das Malashina gemietet. Ihr mögt doch hoffentlich sinhalonische Spezialitäten?!" Bei sich dachte Acy belustigt, daß zumindest Cayvyn eh alles mochte, was irgendwie eßbar war und auch einen Gutteil Dinge, die für einen Menschen eigentlich nicht unbedingt genießbar waren. Das war also schon mal keine Frage.

"Natürlich", antwortete Michael, und auch Nardia nickte zustimmend.

"Gut." Der Gleiter setzte auf den Landedeck auf, und die vier Leute betraten den Lift, der in das eigentliche Lokal führte. Dieses war ausnehmend futuristisch eingerichtet. Lauter Holo- und Solido-Projektionen bildeten das Interieur, und dazwischen waren überall sinhalonische Dschungelpflanzen als Dekoration arrangiert. Alycia deutete auf einen milchigweiß schimmernden Tisch aus Solido-Energie, woraufhin ihre Begleiter sich dort niederließen und gleich die Speisekarten in der Tischplatte aktivierten.

"Hm", gab Nardia von sich. "Ich nehme einen Obstsalat à la Malashina." Michael lächelte sie an. Nardia war mal wieder auf Diät.

"Ich bevorzuge Menü 3", gab er seine Bestellung auf.

"Menü 1 bis 3", bestellte Cayvyn nach kurzer Überlegung, während Alycia ebenfalls mit einem sinhalonischen Talashin-Salat diätete.

Nardia war gefrustet. Es war so gemein, daß die Herren immer solche Mengen vertilgen konnten ohne dick zu werden! Auch Acy blickte sehnsüchtig auf die Grillplatte, die Cayvyn als Menü 1 zuerst vernichtete. Ihr blieben nur winzige, violette Salatblätter in joulereduzierter Süßsauer-Sauce. Nardia blickte ebenso traurig auf ihre kleine Schale mit farbenprächtigen Obstwürfelchen.

"Guten Appetit", wünschte Cayvyn und verschlang ein monumentales Matlos-Steak.

'Grummel', dachte Acy. Vielleicht war das mit dem Essengehen doch keine so gute Idee gewesen... Unterdessen nahm sich Nardia vor, keine Einladung zum Essen mehr anzunehmen. Das grenzte ja an Sadismus! Alycia wechselte einen zutiefst leidenden Blick mit ihrer Halb-Schwester.

"Sag mal, wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?" fragte sie Nad, um sich von ihrem kargen Mahl abzulenken.

"Ich habe Michael auf einer Eröffnungsfeier getroffen", antwortete Nardia. "Es war die vom City-Center."

"Aha." Alycia überlegte angestrengt. Nein, sie konnte sich nicht entsinnen, bei dieser zugegen gewesen zu sein. "Aber daß du den Guten so lange versteckt hast..."

Mittlerweile war Sir Cayvyn bei Menü 2 angekommen. Sumpfechsen-Gulasch mit Tangkra-Knollen-Knödeln.

"Naja", meinte Nardia etwas verlegen. "Es gab halt keine passende Gelegenheit."

"So?" bemerkte Alycia leicht zweifelnd. Insgesamt gab es da so einige Dinge, die sie etwas merkwürdig fand.

Inzwischen überlegte Michael, ob er nicht noch ein zweites Menü ordern sollte. Nein, entschloß er sich. Oder doch? Nun, nach einigen Gewissensqualen entschied er sich für Menü 1. Nardia seufzte schwer.

"Eine gute Wahl", bemerkte Cayvyn. "Der Grillteller war höchst delikat."

"Er sah sehr appetitlich aus", stimmte Michael zu.

"In der Tat", bestätigte Cayvyn. Er sah sehnsüchtig zu dem Servierobot herüber, der gerade seinen zweiten Teller abtransportierte. Endlich erschien Menü 3, eine Matlos-Haxe mit Beilagen für zwei Personen.

Hoffentlich waren die beiden bald mit dem Essen fertig, dachte Nardia, oder ihr Magen würde sie verraten.

"Jetzt reicht's", beschloß Acy. "Noch einmal Menü 1 - diesmal für mich! - Cay, wenn ich langsam auseinandergehe wie ein Hefeteig, dann bist ganz alleine du daran schuld!" Cayvyn blickte seine Gefährtin irritiert an.

'Warum immer ich?!' dachte er schmollend.

Nardia hingegen beschloß, standhaft zu bleiben. Sie haßte dumme Witze über ihre Figur. Endlich hatte Cayvyn auch die Matlos-Haxe vertilgt. Er überlegte kurz. Doch, anbetracht der Tatsache, daß er letzthin eine ganze Menge Energie verbraucht hatte, wäre es nicht unangebracht, wenn er seine Reserven sicherheitshalber erhöhte. Acy mampfte Matlos-Medaillons in Weinsauce, während Sir Cayvyn Menü 11 bestellte. Es war faszinierend. Wo ließ der bloß das ganze Zeug?! Bei seinen fast zwei Metern Länge war er mehr als nur superschlank - und das trotz dieser Portionen! Michael löffelte unterdessen an einem ausgesprochen riesigen Nachtisch mit Unmengen Sahne. Gemeinheit!

Endlich hatte Acy den Grillteller geschafft. Sie ärgerte sich zwar wieder maßlos darüber, daß ihre Diät erneut den Bach herunter gegangen war, aber daran war alleine Cayvyn schuld. Michael hatte inzwischen seine Mahlzeit bewältigt und lehnte sich zurück. Zwar hatte er noch immer Hunger, aber er konnte ja nachher noch einmal zuschlagen...

"Übrigens, wie wäre es - kommt ihr nachher noch zu unserer kleinen Gartenparty?" erkundigte sich Acy und beglückwünschte sich zu ihrem weiten, wallenden Gewand, das alle überflüssigen Pfunde dezent tarnte.

"Gerne", erwiderte Michael. Vielleicht gab es da ja noch etwas zu essen.

"Wir hatten heute eh noch nichts geplant."

"Schön. Es ist ohnehin nur ein kleines Fest mit ein paar Künstlerkollegen von mir."

"Fein. Ich mag Massenveranstaltungen nämlich nicht besonders", erklärte Michael.

"Gut. Die Party beginnt in gut einer Stunde", stellte Acy nach einem Blick auf Nardias Uhr fest.

"Wir werden dort sein." Nardia stand auf. Sie mußte noch schnell nach Hause, um sich umzuziehen.

"Bis dann." Michael winkte.

"Ciao!" Auch Alycia und Cayvyn kehrten kurz nach Hause zurück, um sich für das bevorstehende Fest bereitzumachen.

* * *

Als Alycia durch das TM-Tor aus der Villa in ihren Garten auf Tarishaan trat, hatte sie zu ihrer regenbogenfarbenen Neon-Perücke ein extravagantes Kleid gewählt, das aus einem dünnen, schwarzen Minikleid bestand, über dem sich ungezählte glitzernde Kristallschnüre an strategisch sinnvollen Positionen befanden. Cayvyn war diesmal von Kopf bis Fuß in Schneeweiß gewandet.

Der Garten war für den aktuellen Künstlerball als Schlaraffenland dekoriert, mit Früchte- und Süßigkeiten-Körben, die von den Bäumen hingen, Braten, die über elektronisch kontrollierten Feuern rösteten, und auf den vielen kleinen Teichen schwammen neben einigen Gästen auch Schiffchen mit allerlei Leckereien.

Nardia hatte sich diesmal in ein feuerrotes Taftkleid gehüllt, während Michael Bradley ganz in Schwarz gekleidet war.

"Ich freue mich, euch hier begrüßen zu können!" rief Alycia überschwenglich und umarmte ihre Schwester.

"Wir danken dir für deine überaus großzügige Einladung", antwortete diese.

"Ach, das war doch selbstverständlich! - Nad, du hast deinen Stil geändert?! Dein neues Kleid ist ja richtig frivol!"

"Ach ja?" Nardia blickte an sich herunter.

"Ich finde, es steht Euch ausgezeichnet, Lady Nardia", bemerkte Sir Cayvyn galant und verabreichte ihr einen seiner stilvollen Handküsse.

"Ihr seid überaus charmant", sagte sie daraufhin.

"Ihr ehrt mich, Mylady", entgegnete Cayvyn, woraufhin Alycia, die mittlerweile bestens mit naravinischer Etikette vertraut war, ihm einen nahezu tödlichen Blick zuwarf. Was fiel ihm ein, Nardia 'Mylady' zu nennen?! Auch Michael war ausgesprochen angesäuert. Was dachte sich Cayvyn dabei, eine derart vertrauliche Anrede zu benutzen? Cay warf Michael einen unauffälligen Seitenblick zu. Jener wirkte ziemlich ungehalten.

'Tja, eigene Schuld', dachte Cayvyn. Was war diesem auch eingefallen, sich Acy indezent zu nähern? Und die verdiente ohnehin noch eine kleine Lektion.

Nardia hatte das unbestimmte Gefühl, daß sich etwas zwischen Sir Cayvyn und Michael abspielte, was sie nicht mitbekam. Die beiden warfen sich unentwegt so merkwürdige Blicke zu. Alycia dachte sich gleichsam ihren Teil. Das machte Cay doch nur, um sich für die Sache mit Firestar zu revanchieren, dessen war sie sich sicher. Aber warum er es zusätzlich darauf anlegte, Michael zu ärgern, war ihr doch schleierhaft. Und daß er dies beabsichtigte, war so offenkundig wie irgendetwas.

Verloren blickte Nardia von einem zum anderen. Was hatten die nur vor? Warum erklärte ihr niemand, worum es ging?

Ein neues Musikstück begann, und Cayvyn verbeugte sich hoheitsvoll vor Nardia.

"Darf ich Euch um diesen Tanz bitten?" Nardia sah ihn irritiert an.

"Aber gerne", erwiderte sie, schließlich wollte sie nicht unhöflich sein. Cayvyn zog also mit Nardia Blade auf die Tanzfläche, ein großes Stück kurzgemähter Wiese neben einem der kleinen, flachen Teiche.

Michael kochte vor Wut. Wenn dieser Cayvyn noch weiter ging, dann würde er ihm mal die Meinung sagen, und auch Acy stampfte wütend mit dem Fuß auf, daß ihr Kristallkleid klirrte.

"Dieser Schuft!" stieß sie hervor und griff nach einem der Körbe mit Süßigkeiten in einem Busch, um sich eine Handvoll Schokoladenkekse einzuverleiben. "Ich werde ihn demontieren, wenn er so weitermacht", drohte sie. Michael blickte Alycia erstaunt an.

'Die hat Mut', dachte er anerkennend. Er ließ Nardia und Cayvyn zwischenzeitlich nicht aus den Augen. Eine falsche Bewegung, und Cayvyn hätte ein Problem.

Verstohlen guckte Cay zu seiner Gefährtin und Michael Bradley herüber. Doch, es schien zu wirken... Derweil fuhr er fort, Nardia dezente Komplimente zu machen. Diese schaute verwundert zu Cayvyn auf. Wenn sie nur wüßte, was er damit bezweckte! Aber auf jeden Fall schien es Michael zu frusten, und das geschah ihm nur recht. Sie war immer noch verärgert wegen seines Benehmens auf ihrem Geburtstag.

Als das Lied vorbei war, hielt Sir Cayvyn Nardia fest.

"Schenkt Ihr mir auch noch den nächsten Tanz, Mylady?" fragte er laut genug, daß die beiden anderen es hören konnten.

"Wer kann Euch etwas abschlagen?" bemerkte Nardia mit einem Lächeln. Sie würde dieses Spiel weitermachen, denn sie gönnte es Michael von Herzen. Acy sah von Cayvyn zu Michael, und plötzlich setzte sie eine zutiefst niederträchtige Miene auf.

"Nun, Michael - was halten Sie davon... Darf ich bitten?" Sie deutete auf die Tanzfläche.

"Es ist mir eine Ehre." Er führte Alycia auf die Wiese. Acy sah noch einmal kurz zu Cay herüber, bevor sie sich dezent an Michael schmiegte.

'Faszinierend', dachte sie auf einmal. Michael war ihrem werten Lebensgefährten ziemlich ähnlich, was Größe, Statur und Aussehen betraf. Er hatte sogar grüne Augen, wenngleich Michaels aber weitaus dunkler waren und auch nicht über den Goldschimmereffekt von Cays Augen verfügten.

Als Nardia bemerkte, daß Acy bei Michael doch ziemlich auf Tuchfühlung gegangen war, konterte sie, indem sie näher zu Cayvyn rückte.

Mittlerweile waren auch einige Reporter auf das Spielchen aufmerksam geworden. Sie bauten sich am Westrand der Wiese neben einer vollbehängten Baumgruppe auf, kauten Süßigkeiten, sprachen einige Notizen in ihre Aufnahmegeräte und warteten ansonsten die weiteren Ereignisse ab.

Michael hatte es sich überlegt. Was nützte es, sich mit Cayvyn zu schlagen? Er würde lieber gleiches mit gleichem vergelten. Da passenderweise gerade ein langsames Lied lief, nahm er Alycia fest in die Arme. Diese fand ebenfalls, daß Cay in Sachen Nardia viel zu weit ging und tat so, als ob sie sich in Michaels Armen mehr als nur wohl fühlte. Es war noch nicht einmal ganz gelogen.

Cayvyn war derweil auf 180. Was fiel Acy und Michael ein?! Als Antwort zog er Nardia behutsam an sich, und diese himmelte ihn hingebungsvoll an. Sie würde diesmal nicht klein beigeben!

Acy erhaschte einen der Blicke, die Nad ihrem Tanzpartner zuwarf.

'Na warte, du treulose Tomate!' Sie schmachtete kurzerhand Michael an.

Nardia stellte gerade mit Erstaunen fest, wie ähnlich sich Cayvyn und Michael waren. Tse, man könnte sie sogar leicht für Brüder halten! Unterdessen überlegte Alycia immer noch, warum ihr Michael so bekannt vorkam. Sie legte den Kopf an seine Schulter und meditierte erst einmal darüber nach. Michael beobachtete Nardia verstohlen. Humpf, sie trieben es langsam wirklich zu weit. Aber Acy war eigentlich auch nur zu bedauern, Cayvyn benahm sich nicht gerade nett. Alycia war ganz und gar Michaels Meinung. Sie befand, daß er sie doch eigentlich auch mal trösten könnte. Sie warf ihm einen mehr als nur eindeutigen Blick zu.

Diesem wurde es langsam unbehaglich. Er hatte zwar prinzipiell nichts dagegen, sich noch intensiver um Alycia zu kümmern, aber dann würde er sich leider verraten. Es war aber auch zu dumm!

Nardia war nicht abgeneigt, Michael noch etwas mehr zu ärgern, und deshalb schlang sie Cayvyn die Arme um den Hals. Dieser sah sie zunächst erstaunt an, beschloß aber, die Gunst der Situation zu nutzen und gab Nardia einen zärtlichen Kuß, den sie stürmisch erwiderte.

Nun schob Michael Alycia von sich, um dem ein Ende zu bereiten. Er zerrte Nardia und Cayvyn auseinander.

"Jetzt reicht es mir!" meinte er wütend und baute sich vor Cayvyn auf.

"Tja, das habe ich gestern auch gedacht, mein Lieber", gab Cayvyn gefährlich leise zurück. Nardia war irritiert. Wie konnte Sir Cayvyn das wissen?

"Ach?" bemerkte Michael. "Das war ja etwas ganz anderes!"

"So? War es das?" fragte Cayvyn ironisch.

"Ja!" beharrte Michael.

"Das bezweifle ich, mein Lieber..." Cay lächelte maliziös. "Es war genau dasselbe!"

"War es nicht!"

Cayvyn sah von Michael zu Alycia, die nun auch dazugetreten war und zurück.

"Was bitte war denn daran ...anders?!"

"Es war eine Frage des Images."

"Glaubst du etwa, es war meinem Image förderlich, daß du dich an Alycia vergriffen hast?" Acy verstand derzeit nur Raumhafen und Fehlstarts. Michael sollte sich an ihr vergriffen haben? Irgendwie gelang es ihr noch nicht, den logischen Schluß zu ziehen.

"Pah! Was hast du da schon zu verlieren?" wollte Michael verächtlich wissen.

"Wie bitte?!" kam es nun von Alycia. Also, sie ließ sich so einiges gefallen, aber wenn jemand Cayvyn beleidigte, dann mußte sie eingreifen. Wie ein Torpedo schoß sie auf Michael zu und versetzte ihm einen Stoß in Richtung Teich. Da sie ihm zusätzlich ein Bein stellte, gelang es ihm nicht, sich zu halten, und er fiel mit lautem Platschen in den kleinen See. Wütend tauchte er wieder auf, um sich Acy zu schnappen und diese ebenfalls in den Teich zu befördern. Prustend erschien sie wieder an der Oberfläche. Ihr dünnes Unterkleid klebte ihr am Körper, die Kristallschnüre waren verflucht schwer, und außerdem war ihre Perücke ruiniert. Wutbebend verpaßte sie Michael eine Ohrfeige, die einen Ochsen umgehauen hätte, was ihn aber offenbar wenig störte. Er zögerte nicht lange und drückte sie unter Wasser.

"Ich hoffe, das kühlt Euch ab!"

Mit einem zornigen Aufschrei befreite sich Acy aus seinem Griff (er wollte sie schließlich nicht ertränken - obwohl, die Versuchung war groß...) und warf Michael kurzerhand abermals um. Michael prustete empört und hielt Alycia fest, wobei er überlegte, wie er ihr am besten eine ordentliche Tracht Prügel verabreichen könnte.

Mittlerweile war Acy so verärgert, daß Cayvyn nicht eingriff, daß sie wild um sich trat, und als das nichts half, biß sie Michael kräftig in die Hand. Umpf?! - Was war denn das?

Michael ließ Acy sofort fallen. Peinlich, daran hatte er nicht gedacht.

Alycia sah ihn sehr irritiert an. Das sollte doch... Noch einer von der Sorte?! Sie runzelte die Stirn. Langsam begann sie einige Dinge klarer zu sehen...

Michael beschloß, Acy lieber aus dem Weg zu gehen. Er hatte schon genug Probleme. Bedauerlicherweise hatte er jedoch ihre Neugierde geweckt, und sie hechtete auf ihn zu. Das wollte sie jetzt genau wissen. Michael versuchte verzweifelt, Alycia auf Distanz zu halten, was in dem Wasser gar nicht so einfach war. Endlich erwischte Acy eins seiner Beine und klammerte sich hartnäckig fest.

Graaaa... Michael hatte nun entschieden genug von dieser Alycia Blade. Er versuchte, sie abzuschütteln. Nardia beobachtete das Ganze sehr irritiert. Was trieben die da? Wenn es nicht so scheußlich naß wäre, würde sie dazwischengehen.

Alycia hing immer noch an Michaels Bein. Sie wollte ganz sichergehen, ob sie mit ihrer Vermutung richtig lag und biß ihm kurzerhand ein zweites Mal. Tatsache, sie hatte doch recht gehabt! Und jetzt war es ihr auch sonnenklar, warum Cayvyn Michael a) kannte und b) die Gelegenheit nutzen wollte, um doch noch einmal ein Hühnchen mit diesem zu rupfen.

Jetzt war er es aber leid. Michael tauchte in das tiefe Stück des Teiches, und Acy mußte loslassen, als ihr die Luft ausging. Sie schwamm ans Ufer zurück, um wieder sicheren Boden unter die Füße zu bekommen. Dieses Kleid war so verflucht unpraktisch!

Michael ärgerte sich maßlos über sich selbst. Er hatte Alycia Blade einfach unterschätzt! Er tauchte in der Nähe des Ufers auf und kletterte aus dem Teich. Verdammt, er haßte es, in nassen Klamotten herumzulaufen. Acy stand ebenfalls triefend und fluchend auf der Wiese. Sie sah zu Cay herüber. Was genau wußte er eigentlich?

Auch Michael war derweil erneut bei Nardia und Cayvyn angekommen, die die Wasserschlacht interessiert beobachtet hatten. Er schwor, daß er sich niemals wieder in irgendeiner Weise mit Alycia einlassen würde. Das war ihm eindeutig zu gefährlich. Sie war viel zu unberechenbar und außerdem noch bissig.

Unterdessen ging Acy zu Cayvyn herüber und packte ihn am Kragen.

"Was hast du dir dabei gedacht, meine Schwester zu küssen?!"

"Nichts..."

"Ach, nichts?!" Alycia war immer noch stinksauer, was dazu führte, daß nun auch noch Cayvyn im Wasser landete.

"Ich möchte wissen, warum du mir das antust?" wollte Michael von Nardia wissen.

"Ach?" machte diese. "Warum wohl?"

"Ich will es wissen!" drohte er.

"Vielleicht gefällt er mir besser!" warf Nardia ein. Michael hielt sie fest.

"So?!" fragte er drohend. Nardia fühlte sich ziemlich gequetscht, zudem war er ganz gräßlich feucht.

Derweil plantschten Acy und Cayvyn immer noch im Teich herum, wobei Cay sich anstrengen mußte, seiner wütenden Lebensgefährtin zu entkommen.

Nardia versuchte verzweifelt loszukommen. Sie trat wild um sich, woraufhin er beschloß, daß sie eine Abkühlung verdiente und sie auch in das Gewässer beförderte.

Alycia jagte weiter hinter Cayvyn her. Sie wußte zwar genau, daß sie keine Chance gegen ihn hatte, aber hier ging es ums Prinzip!

Nardia hatte einige Probleme mit ihrem langen Kleid, sie konnte sich damit nicht bewegen. Buäh, ein Glück, daß das Wasser nicht so tief war.

'Na warte', dachte sie und stapfte auf das Ufer zu. 'Das soll dir noch leid tun!'

Inzwischen hatte Cayvyn beschlossen, sich einfangen zu lassen. Das war für ihn die einzige Chance, Acy richtig in die Finger zu bekommen. Er schloß sie in die Arme, und Alycia fühlte sich irgendwie von ihm gefesselt.

Nardia hatte Schwierigkeiten mit ihrem Kleid, es war durch die Nässe ein gutes Stück zu lang. Keine Chance, Michael einzuholen, der vor ihr flüchtete.

Cayvyn löste einen Arm von Acy und strich ihr zärtlich über die Wange.

"Frieden?"

"Nein!" fauchte diese, wobei sie allerdings befürchtete, gleich wieder unter Cays Blick dahinzuschmelzen.

Nardia hatte sich inzwischen langgelegt. Dieses verdammte Kleid! Sie war nahe daran, einen Schreikrampf zu kriegen. Michael hatte Erbarmen und zog sie wieder auf die Füße. Er legte die Arme um sie und sah sie zärtlich an.

"Keine Chance", meinte Nardia. "Ich bin sauer!" Obwohl sie merkte, daß sie schon wieder schwach wurde und sich dafür selbst verfluchte.

Alycia war gefrustet, sie konnte sich einfach nicht gegen Cayvyn wehren. Weder in dem einen noch in dem anderen Sinn. Und wie wütend sie auch war, seine Zärtlichkeit war einfach zuviel für sie. Grumpf. Sie legte den Kopf an seine Schulter.

"Ich bin aber immer noch sauer", stellte sie wenig überzeugend fest. Cayvyn lächelte sie nur an und fuhr fort, sie liebevoll zu streicheln.

Auch Nardias Vorsatz war stark im Schwimmen. Michaels Nähe war meist ein Hinderungsgrund für klares Denken. Sie ertappte sich dabei, daß sie ihm nicht böse sein konnte. Es war zum Heulen, fand sie. Ihr wurde langsam kalt in den feuchten Sachen. Sie würde sich bestimmt eine Erkältung holen.

"Ich glaube dir nicht", meinte Cayvyn und gab seiner Gefährtin wie so häufig einen neckenden Kuß auf die Nasenspitze. Alycia stampfte gefrustet mit dem Fuß auf.

"Was hältst du davon, wenn wir langsam aus dem Wasser gehen? Mir ist kalt!"

Cayvyn küßte sie hingebungsvoll.

"Immer noch?"

"Mhm!" Cay versuchte ein zweites Mal, dem abzuhelfen.

Michael bemühte sich immer noch, Nardia zu versöhnen, doch diese gab nicht nach. Sie bibberte inzwischen vor sich hin.

"Ich friere!" sagte sie ärgerlich. Sie wollte aus den nassen Klamotten, doch Michael hatte nicht vor, sie gehen zu lassen, bevor sie ihm verziehen hatte.

Mittlerweile hatte Cayvyn Acy auf seine Arme befördert und trug sie aus dem Teich. Sie war inzwischen soweit besänftigt, daß sie sich an ihn schmiegte, ohne sich etwaige Gegenmaßnahmen zu überlegen.

"Nun?" fragte Cay. "Immer noch böse?"

"Mhm..." machte Alycia nur. "Mir ist kalt."

"Das hatten wir doch schon mal?!" Er setzte sie ab und schloß sie in die Arme, was ein recht amüsantes Bild bot. Acy wirkte wie eine glitzernde Mischung aus gerupftem Huhn und nassem Pudel, während Cayvyn trotz aller Planscherei immer noch die Würde und Eleganz par excellence verkörperte. Alycia störte dies nicht im Geringsten. Wenn Cayvyn sich derart intensiv mit ihr beschäftigte, vergaß sie ohnehin meist die gesamte Umgebung und kuschelte sich nur an ihn.

Derweil hatte auch Nardia nachgegeben. Was sollte es? Sie konnte Michael sowieso nicht widerstehen. Sie schmiegte sich an ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

"Hm, dem kann ich nicht widersprechen", meinte er und küßte sie zärtlich. "Wir sollten uns verabschieden." Er hob Nardia kurzerhand auf seine Arme, bevor sie sich wieder langlegte. Mit einem Blick auf Acy und Cayvyn beschloß er, daß die Verabschiedung entfallen könnte. Die beiden waren bestimmt nicht böse, wenn sie sie nicht störten.

Unabhängig von Nad und Michael waren Alycia und Sir Cayvyn zu dem Entschluß gekommen, daß sie sich von der Party entfernen sollten. Sie fanden, daß sich die Gäste sicherlich bis auf weiteres alleine beschäftigen konnten und gingen durch das TM-Tor zur Villa Alycia zurück, wo sie sich etwas eingehender ihrer Versöhnung widmen wollten.

- BYE -

Back to SvB Index

Last modified: 13.04.2002

This site is part of Shangtu: City of Imagination
 designed and maintained by Anandi (anandi@shangtu.de)