SvB #12: Mord auf Iskavar-1019 II©1990 by Shavana & Stayka
Was in Mord auf Iskavar-1019 I geschah...Duc Yngwayn von Süd-Ayryana, der 'Vater' von Sir Cayvyn, veranstaltet auf Iskavar-1019, einer Raumbasis im Iskadrion-System das erste Treffen von Delegationen der Planeten Allirion IV/Naravina und Asgerian II/Eleandelor (wg. Wirtschaftskontakte). Unter den geladenen Gästen sind unter anderem Cay, dessen Gefährtin Alycia Blade, deren Halbschwester Nardia, Sir Alayn von Fayn-Devrayn, sowie der junge ISPC-Agent Coryn Arvhayn. (ISPC ist die Interstellar Society of Protection and Crime-fighting. In 3742GZ von Jeremy Blade und einigen anderen Industriellen gegründete Gesellschaft zur Verbrechensbekämpfung, die immer dann in Erscheinung tritt, wenn die lokalen planetarischen Polizeitruppen der FGS hilflos sind.) Einigen Parteien scheint die Verhandlungsrunde gar nicht zu gefallen, und diese versuchen mit allen Mitteln, das Meeting zu sabotieren. Coryn wird ein Gift verabreicht, was er aber gar nicht mitbekommt, und zudem wird Sir Ewayn, ein älterer naravinischer Adliger vergiftet (letzterer bekommt es durchaus mit und segnet unerwartet das Zeitliche). Cayvyn ernennt sich selbst zum Detektiv und beschließt, den Fall aufzuklären, ehe noch weiteren Personen unzeitig der Garaus gemacht wird. 3763/04/16 GZ "Auf geht's!" rief Sir Cayvyn zu nachtschlafener Zeit, wie Alycia befand. Sie knurrte etwas Unverständliches und zog sich die Bettdecke über den Kopf. "Raus aus den Federn, oder es gibt keinen Kaffee", drohte Cay, und dies wirkte. Acy schoß aus dem Bett und blickte sich panisch um. Ohne ein adäquates Quantum Kaffee wäre sie den ganzen Tag tot, und das wollte sie weder sich, noch ihrer Umgebung antun. Nach 50 Minuten intensiver Bearbeitung im Bad ihres Quartiers beschloß sie, daß sie sich langsam wieder unter die Leute wagen konnte. Sie überprüfte noch rasch, daß ihr Raumer Lightning tatsächlich eingetroffen war, ehe sie sich in ihre Klamottage warf. Ausgerüstet mit einer halblangen goldenen Perücke und einem goldenen Coverall ging sie gemeinsam mit ihrem herzallerliebsten Lebensgefährten in den Speisesaal. Nardia saß bereits gutgelaunt, wenn auch etwas übermüdet, an einem Tisch. Bei ihrer Pokerrunde gestern Nacht hatte sie Coryn immerhin drei Monatsgehälter abgenommen. Demzufolge wirkte der weißblonde junge Mann etwas mürrisch, auch wenn er beschlossen hatte, nun doch endlich einmal jemanden zu bitten, ihm das Kartenspielen beizubringen. Es mußte irgendetwas geben, das über die simplen Regeln hinausging - oder Nardia hatte geschummelt. "Wo ist der Kaffee?" fragte Acy, als sie an ihrem Tisch aufkreuzte. Nad wies auf eine große Kanne. "Aaaaah!" Alycia kippte sich eine gewaltige Tasse randvoll und leerte diese schweigend. Anschließend meinte sie: "Danke. Übrigens - Guten Morgen." "Guten Morgen!" sagte Nardia fröhlich. Coryn grummelte nur vor sich hin. Endlich kam auch Cayvyn an. Acy hatte ihn unterwegs am Buffet verloren, da er wie stets erst einmal seine Energiereserven auffüllen wollte. Ebenfalls in bester Stimmung, wünschte er allen einen wunderschönen guten Morgen. "Ebenfalls einen wundervollen guten Morgen", verkündete Nardia und stürzte sich auf das nächste Brötchen. Cayvyn guckte fasziniert von ihr zu Coryn hinüber und weiter zu Acy. Letztere beiden schienen in verhältnismäßig ähnlicher Laune zu sein. Allerdings war es bei Coryn weniger Morgenmuffeligkeit, als die bange Frage, wie er nun drei Monate ohne jedwedes Geld auskommen sollte. Mit Nardia würde er jedenfalls nie wieder Karten spielen. Nachdem ihr Kaffeepegel die Normalmarke erreicht hatte, kam Acy allmählich wieder richtig zu sich. Jetzt konnte sie sich langsam an dem Fall versuchen! Während sie mit diesem Gedanken spielte, erschien auch Sir Alayn bei der kleinen Gruppe. Er hatte sich die ganze Nacht schrecklich gelangweilt, und vor allem hatte er viel zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt; ergo befand auch er sich in einem ultimaten Stimmungstief. Sir Cayvyn war fasziniert. War er denn nebst Nardia Blade der einzige, der heute früh in guter Laune befindlich war? Hm, aber das deutete wieder darauf hin, daß seinem 'Bruder' Nardia offenbar wirklich fehlte. Er mußte unbedingt zur nächsten Phase übergehen. Nach der dritten Tasse Kaffee sah Alycia unternehmungslustig von ihrem Trinkbehältnis auf. "Also, jetzt werden wir daran gehen, den Mordfall eingehendst zu untersuchen", beschloß sie. Alayn ignorierte sie dezent, während Coryn gar nicht wußte, wovon sie sprach, und Nardia dachte gefrustet daran, daß sie garantiert nicht mitmachen durfte, weil sie doch nur im Weg herumstehen würde. "Gut", sagte Acy nach einem Blick in die Runde. "Da mein Vorschlag allgmeine Zustimmung gefunden hat, werde ich mich nun daran machen, den Wein zu untersuchen, den Sir Ewayn getrunken hat." Unvermittelt ertönte Coryns Incom-Gerät. Er sah das Armbandfunkgerät überrascht an. Im Gegensatz zu seinen sonstigen getürkten Piepsern, um unangenehmen Situationen zu entkommen, schien dieser Ruf echt zu sein, denn die ISPC ließ die Suchmeldung über alle Kanäle laufen. "Ich muß nach Tarishaan zurück", sagte er hastig, nachdem er sich die Meldung angehört hatte und machte sich sogleich mit Nardias Privatyacht Sunbeam auf den Weg, da das nächste Linienschiff erst wieder in ein paar Tagen fällig wäre. In der Zwischenzeit war Alycia kurz zur Lightning transmittiert und hatte im Labor des Raumers festgestellt, daß es sich bei dem Wein in ihrem Taschentuch um einen erstklassigen Xaypon-Blauwein gehandelt hatte, der mit einem sehr interessanten, weil ebenso seltenen wie tödlichen Gift versehen war. Der Bordcomputer hatte die Substanz Erelevicaorin (Alkaloid in den Blättern und Wurzeln des Drusija-Strauches von Iridaan VI/Dunnlorn. Bewirkt raschen Herzstillstand und Atemlähmung) erkannt. Sofort funkte Acy das Ergebnis zu Cayvyn herüber. Dieser war absolut begeistert, weil es den Kreis der Verdächtigen beträchtlich einengte. Da er aber Coryn bedauerlicherweise als Täter ausschließen konnte (immerhin war dieser zwar offiziell von Iridaan VI/Dunnlorn, hatte den Planeten jedoch tatsächlich noch nie betreten), mußte er einen neuen potentiellen Mörder finden. Alycia kehrte nun auch zur Raumstation zurück, da sie sich ebenfalls erst einmal am Buffet laben wollte. Hoffentlich hatten Cayvyn, Coryn und Alan noch etwas übrig gelassen. Nardia war inzwischen gesättigt und hörte fasziniert der Musikberieselung zu. Womit die hier die Leute beim Essen quälten... Endlich kam Acy zurück. Ob sie schon etwas herausgefunden hatte? Nad beobachtete sie, wie sie das Buffet stürmte. Demzufolge konnte es wohl noch etwas dauern, bis sie etwas erfuhr. Mit einem Teller, zwei Brötchen, einem 4er-Pack Honig, sowie einem Messer trabte Alycia zum Tisch. Cayvyn guckte bereits ahnungsvoll, als sie sich zunächst auf seinem Schoß plazierte und dann auf die harmlosen, unschuldigen Brötchen stürzte. Die anderen ließen sie zunächst einmal futtern, da sie ja sonst doch nur Unverständliches von sich gegeben hätte. Endlich war sie fertig und honigverkleistert; Cay natürlich ebenfalls. Er sah sie fatalistisch an, während Nardia unverschämt grinste. Cayvyn tat ihr richtig leid. Immer dieses klebrige Zeugs... Ob ihre Schwester jetzt etwas erzählte? Tatsächlich! Acy wischte ihre Finger an ihrem Coverall ab. "Also - hier ist meine Entdeckung!" Sie machte eine Kunstpause, denn sie liebte es, Alan und Nardia zu quälen. Letztere bemühte sich jedoch, nicht allzu neugierig auszusehen, und Sir Alayn hörte wie üblich überhaupt nicht zu. Alycia war gefrustet. Dann eben nicht. "Es war Gift im Wein." Sie betrachtete ihre Tasse mißtrauisch, ehe sie vorsichtig einen Schluck nahm. Demnächst würde sie nichts mehr ohne Multiscanner-Überprüfung zu sich nehmen! "Aha. Und was für ein Gift?" fragte Nardia. "Erelevicaorin." "Schön." Nad hatte keine Ahnung, was das war, doch Alan sah Alycia überrascht an. "Wirklich?" "Ich war auch höchst irritiert", meinte sie. "Sonst gibt es das Zeug doch nirgendwo, und es war auf keinen Fall synthetisch." "Stimmt. Dann gibt es nur eine Möglichkeit, wo es herstammt", überlegte Alan. Nardia staunte nur. Warum hatte sie bloß schon wieder von nichts eine Ahnung? "Und dieser Ort ist für Normalbürger eigentlich nicht zugänglich", spann Acy den Gedanken weiter. "Das kann nur eines bedeuten!" "Stimmt. - Aber auf der anderen Seite verlassen die Typen in der Regel auch nicht freiwillig ihren Planeten." Nad verstand immer noch nichts. "Wir sollten mal die Liste der Stationsbesucher prüfen", beschloß Alycia und legte den Kopf schief, um Cayvyn einen auffordernden Blick zuzuwerfen. "Dann tut das mal", schlug Alan vor. "Obwohl ich nicht verstehe, was so ein Typ mit dem bedauernswerten Sir Ewayn zu tun gehabt haben könnte." "Tja, manchmal haben die etwas gegen alle, die nicht von ihrem Planeten kommen - und dann wieder sind sie ausgesprochen freundlich zu allen. Es scheint nur diese Extreme zu geben." "Hm. Aber daß einer extra nach 'Außenwelt' fliegt, um einen alten Mann zu ermorden?" "Vielleicht hat er sich bedroht gefühlt? Dann reagieren die sehr merkwürdig." "Ich habe Nachforschungen über Sir Ewayn angestellt. Er hatte Naravina bis zu diesem Ausflug noch nie verlassen." "Das ist wirklich merkwürdig. Vielleicht war das Gift für jemand anderen bestimmt, und es war Zufall, daß es ausgerechnet Sir Ewayn erwischt hat?" "Zufall? Explizit in Sir Ewayns Quartier?" "Kannst du das ausschließen?" fragte Alan. Nardia war inzwischen ausgesprochen empört darüber, daß ihr niemand sagte, worum es eigentlich ging. "Sicherlich. Aber die Wahrscheinlichkeit..." "Mylady Alycia - bin ich der Detektiv oder Ihr?" erkundigte sich Cayvyn irritiert. "Na, bis jetzt warst du es jedenfalls nicht", stellte Alan grinsend fest. Sir Cayvyn maß ihn mit einem mehr als nur indignierten Blick. "Nun gut", erklärte er dann. "Ich lobe Eure Schlußfolgerungen, Mylady. Ihr scheint mittlerweile recht gut bei mir gelernt zu haben." Acy prustete los, und Alan lachte ebenfalls. Nur Nad machte ein miesepetriges Gesicht, da sie immer noch nicht wußte, was los war. "So, großer Detektiv", sagte Alycia zu Cay und verwuschelte seine Haare. "Würdet Ihr Euch dann einmal um die Gäste-, Besucher- und Besatzungslisten kümmern? Das übersteigt mein bescheidenes Geschick." Alan sah Cayvyn amüsiert an. Immer durfte der so etwas machen! Daß jener ebensolches dachte, war nicht zu übersehen. "Hey, Cay - Wer ist hier unser Computerspezi? Du betonst doch immer wieder, daß du so einen guten Draht zu ihnen hast." Acy lächelte ihren Gefährten süß an. "Ja ja." Cayvyn machte sich also auf den Weg. Alan grinste Acy an. Sie hatte ihn mit Sicherheit gut erzogen. Alycia guckte höchst unschuldig in ihre Kaffeetasse, und Alan richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Tisch. Inzwischen war Nardia ein Licht aufgegangen. Aha, es ging um das Mordmotiv! Allerdings half ihr das immer noch nicht weiter, da sie keine Ahnung hatte, von welchem Planeten das Gift nun stammen sollte. "Ich brauche unbedingt noch ein Brötchen. Mmmmh. Hoffentlich kommt mein herzallerliebster Sir Cayvyn gleich zurück." Acy lümmelte sich auf ihrem Sitzplatz herum. "Soll ich Euch noch etwas holen?" erkundigte sich Alan galant. "Aber bitte, edler Sir Alayn!" Alycia warf ihm einen huldvollen Blick zu. "Solange Cayvyn nicht da ist..." meinte Alan leise, ehe er sich auf den Weg machte. "Was wahrlich sorgsamst zu beachten ist", kicherte Acy. "Warum?" beteiligte sich nun Nardia an dem Gespräch. "Nun. Ich habe festgestellt, daß Cay in letzter Zeit überaus eifersüchtig auf sämtliche männlichen Wesen reagiert, die mir über den Weg laufen. Insbesondere natürlich auf die, die es gar wagen, ein Wort mit mir zu wechseln", bemerkte Alycia seufzend. "So?" meinte Nardia fasziniert. "Davon habe ich noch gar nichts bemerkt." "Wirklich nicht?" "Nö." "Sobald sich mir ein männliches Wesen nähert, stürzt er sich förmlich auf mich, um sölbigem klarzumachen, daß keine Chance besteht - bzw. nur über seine Einzelteile..." "Aha, und seit wann ist er so?" erkundigte sich Nad nachdenklich. "Seit bestimmt einem Jahr. Ich frage mich, was diese Wandlung bewirkt hat. Früher war es ihm, glaube ich, ziemlich egal. Aber andererseits muß ich zugeben, daß es mir eigentlich sogar gefällt, wenn er sich derart um mich sorgt." "Soso." "Was heißt das schon wieder?" "Nichts Besonderes." Nardia hatte lediglich befürchtet, Cayvyns Besitzanspruchsdenken hätte etwas mit ihrem Gespräch mit diesem zu tun gehabt. "Wie 'nichts Besonderes'?" hakte Alycia nach. "Na, eben 'nichts Besonderes'." "Püh! Du willst mir etwas verschweigen." "Ich? Aber nicht doch!" "Aber doch!" "Ganz bestimmt nicht", beteuerte Nad. Mittlerweile war Alan mit einem Teller Brötchen zurückgekehrt. "Bitte sehr." Acy stand auf und machte einen formvollendeten Hofknicks. "Dank Euch, Sir Alayn!" Sie stopfte sich die Hälfte der ersten Brötchenhälfte in den Mund. "Ihr wißt doch, für Euch tue ich alles!" "Mampf, brummel, kau..." Nardia sah verwirrt von einem zum anderen, als Cayvyn wieder zurückkehrte. "Der Verdacht scheint nicht unbegründet zu sein", verkündete er und sandte Alan die Listen per Funk. "Hm, das ist wirklich zu auffällig." Alycia guckte irritiert. "Heißt das, da ist wirklich so ein Freak auf Iskavar-1019?" "Ja", antwortete Alan. "Wo? Wir müssen ihn sofort eindosen, ehe er noch mehr Leute umbringt!" "Nicht so schnell", winkte Alan ab. "Diese Typen sind gefährlich! "Hm. Stimmt schon", überlegte Acy. "Wie heißt er überhaupt?" "Ryel", antwortete Cayvyn. "Nach seinen Angaben ist er ein Jäger." "Oh-oh", kam es von Acy. "Das klingt nach einem echten Problem." Sie runzelte die Stirn. "Sie haben gebannte Talente." "Es stimmt nicht alles, was man sich so erzählt", winkte Alan ab. "Dunnlorn wurde von meinem Heimatplaneten aus besiedelt", erläuterte Alycia. "Es heißt, daß viele der Kolonisten ausgestoßene Mitglieder der alt-enaryshanischen PSI-Kasten waren. Dunkle Mutter, ich hoffe nur, daß kein Telianna dort überlebt hat!" "Hm", machte Alan, während Nardia endlich klar wurde, was sie vorhin gemeint hatten. Iridaan VI/Dunnlorn... Dieser Planet war ein Mythos. Aber was waren Telianna? "Wer weiß, welche Fähigkeiten dieser Ryel hat", sagte Acy. Sie selbst als Tochter der Rhianna-Kaste verfügte ebenfalls über eines der 'verbotenen' Talente, und es hatte ihr entsetzliche Angst gemacht, was in der Schule über die verwerflichen Taten berichtet wurde, die die Alten mit den gebannten Gaben begangen hatten. Wenn ihre Mutter ihr nicht stets erzählt hätte, daß diese Fähigkeiten eine natürliche Begabung einiger Gruppen auf dem Planeten waren und nicht böse, dann hätte sie ebenfalls das Vorurteil komplett übernommen, das allen enaryshanischen Kindern von klein auf eingeprägt wurde. Und selbst mit ihrem Background war es Alycia manchmal nicht möglich, sich dem Abscheu zu entziehen, der den PSI-Begabungen entgegengebracht wurde. Aus diesem Grund hatte sie sich nach dem Tod ihrer Mutter immer weniger im Gebrauch ihrer Fähigkeit geübt, und nun konnte sie ihr Talent kaum noch wirklich gezielt einsetzen. Aber vielleicht war es auch gut so, denn auch die Teletransfer-Fähigkeit konnte dazu verwendet werden, um Tod und Verderben zu bringen. (Die Teletransfer-Fähigkeit ist ein Talent der Mitglieder der alten Priesterkaste aus Emrhiann in Kancia: die Fähigkeit, Gegenstände in Sichtweite ohne Berührung zu einem anderen Ort in Sichtweite zu transferieren - oder von und zu einem Ort, den sie bis ins letzte Detail kennen.) Acy schloß kurz die Augen, als sie daran dachte, wie sich Marycia das Leben genommen hatte, weil sie von diesem verfluchten Verbrecher Ondavall entehrt worden war - sie hatte sich der Dunklen Mutter anheimgegeben, indem sie sich das Herz aus ihrem Körper herausteletransferierte. Irgendwie fühlte Acy sich immer noch schuldig am Tod Marycias. Wenn nicht sie, Alycia, sich ebenfalls in der Hand Ondavalls befunden hätte, dann hätte Mari ihn umgebracht und nicht sich - doch als der Verbrecher drohte, ihre Tochter ermorden zu lassen, wenn ihm etwas zustieße, mußte sich Marycia seinem Willen beugen. Es war nur ein schwacher Trost für Acy, daß es ihr schlußendlich gelungen war, furchtbare Rache an Ondavall zu nehmen, denn sein Tod hatte Marycia auch nicht wieder lebendig gemacht. "Da Ryel ein Jäger ist, kommen längst nicht alle der Fähigkeiten in Frage", überlegte Alan. Alycia riß sich aus ihren Gedanken. "Aber einige der gefährlicheren Gaben sind darunter", gab sie zu bedenken. "Das stimmt leider", mußte er zugeben. "Ich weiß nicht, ob ich mich gerne mit ihm anlegen möchte", bemerkte Acy. "Ich möchte es jedenfalls nicht", stellte Alan fest. "Warum nicht?" wollte Nad wissen. "Auf Dunnlorn könnten sogar noch 'gebannte Gaben' existieren, die auf Enaryshavell längst ausgelöscht sind", meinte Alycia. "Und die wären?" "Hm. Jedenfalls höchst ungesund", wich Acy aus. Mit Entsetzen dachte sie an die Telianna, jene geschlossene alt-enaryshanische PSI-Kaste mentaler Vampire, die sich mit der Lebensenergie ihrer Opfer verjüngt hatten. Oder die Semmira, eine weitere geschlossene PSI-Kaste, die die Gabe hatten, lebende Zellstrukturen komplett aufzulösen. Zum Glück waren sie im enaryshanischen Mittelalter völlig ausgerottet worden. "Ich will auch wissen, worum es geht", maulte Nardia. "Darüber spricht man nicht", meinte Alycia abweisend. "Warum denn nicht?" "Es ist tabu", sagte Acy heftig. "Es ist ein sehr dunkles Kapitel in unserer Geschichte!" "Und? Warum erzählst du es mir nicht? Das ist doch schon lange vorbei, wenn es Geschichte ist." "Du bist eine Tarishaanerin!" Alycia konnte sich gerade noch bremsen und verkniff sich die Äußerung, daß es Nad überhaupt nichts anginge. "Dann eben nicht!" meinte diese genervt. "Gut!" Ihre Halbschwester atmete auf. Über dieses Thema sprach man selbst auf Enaryshavell mehr als nur ungerne, und schon gar nicht zu Außenweltlern. Es war eigentlich seltsam, reflektierte Alycia, obwohl sie doch mittlerweile die Hälfte ihres Lebens fort von Enaryshavell verbracht hatte, fühlte sie sich dennoch als Kind dieser Welt. "Was unternehmen wir nun?" wollte Alan wissen. "Ich esse erst einmal zu Ende", bestimmte Acy. "Wie Ihr wünscht." Die junge Frau stopfte die mittlerweile dritte Brötchen-Hälfte in den Mund, und auch Cayvyn holte sich ein paar Brötchen. Alan verfolgte amüsiert, wie diese zielstrebig verschwanden. Nardia grummelte immer noch, da Alycia ihr nicht geantwortet hatte. "Cay, du bist total verfressen", stellte Acy mit vollem Mund fest, als Cayvyn sich sechs weitere Brötchen zurechtlegte. Sie hatte gerade mal zwei Stück geschafft. "Die braucht er doch auch", bemerkte Alan belustigt. "Naja, stimmt. Ohne Treibstoff geht es mit seiner Leistungsfähigkeit rapide bergab." "Du! drohte Cay seiner Gefährtin, widmete sich aber zunächst einmal der Futterage. Alan grinste unverschämt. "Wie lange wollt Ihr denn noch frühstücken?" "Also, ich bin fertig", stellte Acy fest. "Bei meinem herzallerliebsten Lebensgefährten scheint der Countdown bei vier angelangt zu sein." Nardia sah ihn fragend an. Wollte der das wirklich noch alles essen? Seufz. Sir Cayvyn würde sich garantiert auch noch massig Zeit damit lassen. "Was machen wir denn dann?" Alycia stand auf und baute sich hinter Cayvyn auf, um die Arme um ihn zu legen. Noch drei... "Du bist doch die Planerin", machte Nad sie aufmerksam. "Na gut. Aber ihr werdet es nicht gerne hören." "Wieso?" "Nun, mein Plan sieht vor, daß wir diesen Ryel verfolgen und stellen." "Äh, das gefällt mir gar nicht", äußerte Nardia unbehaglich. "Sagte ich doch." "Seufz." "Aber wir müssen etwas unternehmen, um diesen ruchlosen Verbrecher zu stoppen, ehe er noch mehr Leute umbringt! - Minus vier..." meinte Acy dann mit Blick auf Cayvyns Mahlzeit. "Schon, aber es ist mir trotzdem nicht geheuer", zögerte Nad. "Glaubst du, mir?" Alycia kniff die Augen zusammen. "Er ist ein Abkömmling alt-enaryshanischer Kolonisten!" "Igitt, diese Typen sind doch allesamt gemeingefährlich." "Nicht alle", widersprach Acy ihrer Schwester, "aber einige bestimmte." "Das reicht mir schon." "Aber wir müssen etwas unternehmen! Willst du, daß er vielleicht einen von uns ermordet?" "Natürlich nicht. Aber jagen will ich ihn auch nicht." "Was dann?" "Wenn ich etwas wüßte, würde ich es euch bestimmt mitteilen." "Habt Ihr Euch endlich entschieden, oder kann ich mir noch ein, zwei Brötchen holen?" erkundigte sich Cayvyn. Acy vergrub ihr Gesicht in seinen Haaren. "Trinkt lieber einen Special-Cocktail, mein Herz", nuschelte sie. "Sonst werden wir hier nie fertig", stimmte Alan zu. "Nun gut", verkündete Cay. Der Cocktail hatte noch etwas Zeit. "Was also jetzt?" Nardia seufzte tief, und Alan schien sich über irgendetwas zu amüsieren. "Wenn also alle einverstanden sind, gehen wir!" bestimmte Alycia und löste sich widerstrebend von Cayvyn. "Ich folge Euch", meinte Alan, und auch Nardia beugte sich mangels besserer Ideen dem Mehrheitsentscheid. "Wir müssen erst einmal herausfinden, wo Ryel sich gerade aufhält", übernahm Acy wie stets die Führung. Sie schaute erwartungsavoll zu ihrem Partner herüber. "Na, wo ist er?" fragte Nardia. "Ich analysiere gerade die mir zur Verfügung stehenden Daten, um Ryels möglichen Aufenthaltsort zu ermitteln", erläuterte Cayvyn. "Wahrscheinliche Position des Verdächtigen: der botanische Garten in Deck 25 der Raumstation." "Worauf warten wir dann?" drängelte Nad. "Im Zweifelsfall auf dich." Acy war schon in die - hoffentlich korrekte - Richtung gestürmt. Nardia brummelte etwas und beeilte sich, ihr zu folgen. Kurze Zeit, sieben Gangbiegungen und vier Lifte später, befanden sie sich an der richtigen Stelle im Deck 25 von Iskavar-1019. "Da ist es." Alycia deutete auf das Schott, das mit entsprechenden Symbolen und dem Schriftzug Botanischer Garten - Erholungsbezirk versehen war. "Toll, und ist er da?" fragte Nad vorsichtig. "Guck doch nach!" schlug Acy vor und machte eine einladende Handbewegung. "Nein, danke!" "Hm. Wir können auch bis morgen früh hier stehen und warten, bis respektive ob er herauskommt." überlegte Alycia. "Du kannst ja mal nachsehen." "Naja, ich würde vorschlagen, wir gehen allesamt hinein. Dann sind wir zweckmäßigerweise normale Besucher der Station, die etwas durch den Garten wandern wollen." "Nun gut", lenkte Nardia ein. "Aber du gehst vor." "Seufz!" Alycia warf einen tragischen Blick zu Cayvyn herüber, ehe sie Kurs auf den Sensorschalter nahm, der den Öffnungsmechanismus der Tür aktivierte. Bevor sie ihn jedoch betätigen konnte, hielt ihr Partner sie zurück. "Laßt mich vorauseilen, Mylady!" Er marschierte kühn voran. "Mein Held!" seufzte Acy belustigt und wuschelte ihm zärtlich durch die Haare. Nad war das egal. Hauptsache, sie mußte nicht vorgehen. Vorsichtig passierten die vier den Eingang. Fünf Meter weiter standen sie in einem künstlich angelegten Dschungel, in dem keine Menschenseele zu sehen war. Nardia sah sich neugierig um. Niemand da... Aber wie wollte man bei dem ganzen Grünzeug hier auch etwas erkennen? "Hier befindet sich ein wundervoller Wasserfall, Mylady Alycia", verkündete Cay aus Tarnungsgründen. Nad sah kurz hinüber. Wirklich ganz nett, aber wo war dieser Typ? "Folgt mir!" Cayvyn legte einen Arm um seine Gefährtin und steuerte auf den besagten Wasserfall zu, wobei er unauffällig die Umgebung scannte. Nichts zu entdecken, stellte er fest, was ihn doch leicht verwunderte. Normalerweise müßte eine organische Person doch mindestens auf dem Infrarottaster zu sehen sein! Nardia und Alan wanderten hinter den zweien her; sie konnten jedoch genausowenig finden. "Außerdem steht im Plan der Station, daß es hier einen Rundgang gibt, auf dem man die wundervollen Pflanzen vieler Planeten bewundern kann", erzählte Cay. "Wie interessant", entgegnete Alan. Nad war immer noch zu sehr damit beschäftigt, die Umgebung abzusuchen, als das sie sich zu einer Antwort herabgelassen hätte. "Gehen wir doch dort entlang, Mylord", meinte Acy mit einem glutvollen Blick zu Cayvyn hinauf, und sie setzten sich entsprechend in Bewegung. Hey, Alan, meinte Cay per Funk. Das wäre doch eine passende Gelegenheit, sich etwas mehr um Nardia zu kümmern. Jetzt? fragte dieser irritiert. Sicher! Damit lenken wir Ryel davon ab, daß er verfolgt wird. Er soll glauben, wir hätten etwas anderes vor. Ach ja? Da bin ich lieber auffällig! Warum? Du magst sie doch - also... Aber ob sie mich mag? Das mußt du eben herausfinden. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Nicht jetzt. Später. Warum nicht jetzt? Ich finde es nun einmal jetzt nicht passend. Du hast ganz einfach Angst vor ihr. Püh. Warum rennst du sonst permanent vor ihr davon? Ich renne vor niemandem davon! Doch. Vor Nardia. Ist ja gar nicht wahr! Und warum weichst du ihr dann ständig aus? Ich weiche ihr nicht aus! Was tust du dann? Nichts. Das ist genauso gut wie ausweichen. Finde ich nicht. Alan, ran an den Feind! Gib dir endlich einen Ruck! Du überzeugst mich nicht. Seufz. Cayvyn scannte weiter die Umgebung ab. "Und?" erkundigte sich Acy. "Nichts." Nardia hatte auch noch nichts entdeckt. Sie hockte sich gefrustet auf eine Bank. Seufz. Alycia kuschelte sich an Cayvyn. "Wahrscheinlich ist dieser Ryel gar nicht hier", vermutete sie. "Ich habe eine Wahrscheinlichkeit von 97 Prozent dafür ermittelt." Von ihnen unbemerkt, hielt sich Ryel in gar nicht so großer Entfernung auf. Als er hörte, wie jemand den Pfad entlang kam, war er auf einen Baum gestiegen, denn er wollte niemandem begegnen. Diese Außenweltler waren alle so komisch, wenn sie einen seiner Rasse trafen. "Hm", machte Alycia. "Dann wird er wohl hier sein. Nur wo?" Sie sah von einem zum anderen, wobei ihr Blick wieder einmal in Cayvyns traumhaft smaragd/goldenen Augen hängen blieb. Sie schimmerten wie die naravinischen Meere im Sonnenlicht. Acy konnte sicht widerstehen, ihren Gefährten hingebungsvoll zu küssen. "Dunnlorner sind sehr geschickt darin, sich in der Natur zu verstecken", bemerkte Cay anschließend. Inzwischen durchsuchte Nardia die umgebende Botanik, wobei sie hinter jeden Baum und Strauch sah. Ryel bemerkte dies mit Irritation und beschloß, sich diese Gruppe vielleicht doch einmal genauer anzusehen. Zunächst hatte er sich nichts bei diesen vier Spaziergängern gedacht, aber offenbar waren sie auf der Suche nach etwas und versuchten, diese Tatsache zu verbergen. Sehr verdächtig. "Verdammt, wo steckt dieser Knilch bloß?" fluchte Nad. Ryel horchte auf. Sie suchen nicht nach etwas, sondern nach jemandem! "Und Ihr?" fauchte Nardia Sir Alayn gereizt an, der einfach nur herumstand. "Warum sucht Ihr diesen Dunnlorner nicht?" "Das tue ich bereits", sagte Alan ruhig. Er hatte beschlossen, sich nicht andauernd über Nardia aufzuregen. Ryel zuckte zusammen und wäre fast von seinem Ast gefallen. Die suchten ihn! Immerhin war er der einzige Dunnlorner auf Iskavar-1019, seit dieser ISPC-Agent abgeflogen war. Es wäre also vermutlich mehr als nur sinnvoll, wenn er sich über ihre Absichten informierte, ehe er dann versuchte, ihnen so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Ryel verharrte weiter still auf seinem Baum. "Wenn ich ihn finde", brummelte Nardia. "Wir werden ihn der Polizei übergeben müssen", erwiderte Alan. "Immer noch nichts?" flüsterte Acy ihrem Partner zu. Sie knabberte an seinem Ohrläppchen herum, während sie unauffällig über seine Schulter spähte. Alan und Nardia fahndeten etwas abseits von ihnen, bedauerlicherweise mit deutlich weniger Diskretion. "Negativ, mein Schatz." Auch Cay tarnte die Übermittlung seiner Antwort mit dem Austausch diverser Zärtlichkeiten, die aber durchaus ernst gemeint waren. "Dunnlorner haben ein ungeheures Geschick, mit der Landschaft zu verschmelzen. Zudem tragen sie häufig Kleidung aus Stoffen, die eine Infrarot-Ortung verhindern, da es auf Dunnlorn einige Raubtiere gibt, die mit entsprechenden Sinnen ausgerüstet sind." Letzteres hatte eine Überprüfung seiner Datenbank gegeben, als er nach einer Ursache dafür gefahndet hatte, warum ihr 'Opfer' nicht per Infrarot-Scan auszumachen war. Ryel hatte genug gehört. Die wollten ihn der Polizei übergeben! - Aber warum? Er war sich keines Vergehens bewußt. Dennoch zog er es vor, kein Risiko einzugehen, vor allem, da Dunnlorner außerhalb ihres Planeten nicht gerade beliebt waren. Eiligst flüchtete Ryel aus dem botanischen Garten. "Da ist er", sagte Cayvyn halblaut, ließ Acy los und nahm die Verfolgung auf. Alan lief unmittelbar hinter ihm her, Nardia ebenfalls. Ryel bemerkte seine Verfolger sogleich und beschloß, sich unauffällig zu verdrücken. Er öffnete kurzerhand die Tür zu einem Wartungsschacht und verschwand rasch um die nächste Gangbiegung. Der offene Wartungsschacht sprach Bände, also kraxelten die vier zielstrebig hinein. "Schneller", drängte Cayvyn. "Seine Spuren sind bereits nicht mehr erkennbar!" "Ich kann aber nicht schneller", grumpfte Acy. "Das ist hier so eng." "Stimmt", meinte Nardia gefrustet. "Ich sollte doch endlich einmal meine Diät durchhalten." "Grummel", machte Nad. "Meine Damen, wenn ihr bitte etwas Geschwindigkeit zulegen würdet?" seufzte Cayvyn. "Sklaventreiber!" beschwerte sich Alycia. "Sadist", fügte Nardia hinzu. "Genau!" nickte ihre Schwester. "Äh", meinte Cay auf einmal. "Hier ist eine Sackgasse." "Und warum merkt Ihr das erst jetzt?" maulte Nad. "Weil sich die Sackgasse hinter einer Gangbiegung befand." "Seufz, und nicht mal wenden kann man hier", stöhnte Nardia. "Also alles im Rückwärtsgang", sagte Acy gestreßt, und sie krabbelten zum Hauptgang zurück. "Es ist offensichtlich eine Finte gewesen", stellte Sir Cayvyn fest. "Ach?" machte Nad sarkastisch. "Wo entlang jetzt?" wollte Alycia wissen. "Geradeaus weiter?" "Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, da keine andere Spur mehr vorhanden ist", stellte Alan fest. "Also los!" Acy deutete nach vorne, und sie liefen bis zu einer Gangkreuzung. Die Station wirkte ziemlich leer; wahrscheinlich arbeitete die Besatzung oder schlief, und von den Passagieren schienen ebenfalls keine herumzuwandern. "Und nun?" fragte Nardia. "Links!" kam es von Alycia, "Geradeaus!" von Cayvyn und "Rechts!" von Alan. "Wie wäre es mit 'den gleichen Weg zurück'?" erkundigte sich Nad ironisch. "Wir gehen nach links", bestimmte ihre Schwester. "Ich habe da so ein Gefühl." "Also dann lieber rechts", bemerkte Alan. Cayvyn hatte sich unterdessen geradeaus in Bewegung gesetzt. Nardia folgte ihm schon mal; wer wußte schon, wie lange der Rest noch weiterdiskutieren wollte. Acy warf Alan derweil einen ärgerlichen Blick zu und folgte schließlich ihrem Partner. Alan zuckte mit den Schultern und trabte hinterher. Mittlerweile hatte sich Ryel zum Bordobservatorium begeben. "Ich glaube nicht, daß wir den noch einholen", seufzte Nad. "Wir müssen es zumindest versuchen", trieb Alycia sie an. "Seufz!" "Für Ryels wahrscheinlichsten Aufenthaltsort, wenn er sich nicht im botanischen Garten aufhält, erhalte ich mit 82 Prozent das Bordobservation", sagte Cayvyn. "Und warum sind wir noch nicht auf dem Weg dahin?" "Weil mein herzallerliebster Schatz unbedingt geradeaus wollte!" "Typisch", murmelte Nardia vor sich hin. "Aber er spielt ja den großen Detektiv." "Er sollte es lieber Leuten überlassen, die davon Ahnung haben." "Ja. Mir zum Beispiel", stimmte Acy ihrer Schwester zu. "Das habe ich nicht gesagt!" "Was dachtest du denn?" "Brummel." "Nee, du kannst es jedenfalls erst recht nicht." "Habe ich ebenfalls nicht behauptet." "Cayvyn", wandte sich Alycia an ihn. "Jetzt düsen wir nach Deck 0! - Wo ist der nächste Lift?" "Zurück und dann rechts." "Ha! Habe ich doch recht gehabt", stellte Acy befriedigt fest. Die vier Helden wanderten also wieder zurück und fuhren mit dem Lift nach Deck 0. Zum Glück war dieser ausnahmsweise die durchgehende Axialverbindung zwischen 'Spitze' und 'Boden' von Iskavar-1019, so daß sie diesmal nicht umzusteigen brauchten. "So, und jetzt müssen wir uns unauffällig anschleichen", flüsterte Alycia. "Unauffällig", bestätigte Nad. "Cay!" Acy streckte ihm die Arme entgegen, und er hob sie auf die seinen. "Mein Herz, laßt uns die unendlichen Weiten des Universums betrachten", machte er dieses Spielchen sofort mit. "Gerne, Mylord, gerne." Cayvyn transportierte seine Partnerin ins Bordobservatorium der Raumstation. Nardia seufzte zum wiederholten Male, und Alan schüttelte nur den Kopf. "Oh, Mylord, ich liebe diesen Ausblick!" verkündete Alycia. "Ich könnte bis in alle Ewigkeit hier verharren!" Sie senkte ihre Stimme. "Ist er hier?" "Ja", flüsterte Cay ihr zu. "In einer Nische da hinten." Ryel war langsam entnervt. Die gaben einfach nicht auf! Wie wurde er sie bloß los? "Cay, wie sollen wir diesen Typen zur Strecke bringen?" wisperte Acy. "Ich habe meine Pfeilwerfer nicht dabei." (Pfeilwerfer - ein ca. 30cm langer, 1cm durchmessender, schwarzer Stab, mit dem Lähmkristalle verschossen werden können. Diese Lähmkristalle sind 2cm lang, durchmessen etwa 0.1 mm und durchdringen nachgiebige Materialien relativ gut. Sie lösen sich im Körper des Opfers komplett auf und führen zu einer 2-3 stündigen Bewußtlosigkeit. Blackfires obligatorische Waffe. Sie hat zwei Pfeilwerfer, an jedem Stiefel einen, die mit einer Magnethalterung versehen sind.) "Wir müssen es so schaffen." Ryel flüchtete abermals, ehe seine Verfolger zu aufdringlich werden konnten. Diesmal verschwand er in einer Transportkapsel des Inter-Stations-Güterverkehrs, die in der Nähe des Observatoriums über die Axialröhren verteilt wurden, die Iskavar-1019 längs durchzogen. Dort hatten sie einen kurzen Aufenthalt, bis ihre Röhre freigegeben wurde und schossen dann wieder davon. Ohne nachzudenken stürmte Alycia hinterher und sprang in die nächste Kapsel, die an dem Verteiler ankam. Als sie den Sensor der Türverriegelung betätigte und ohne zu Zögern hineinhechtete (das Teil würde ja gleich wieder durchstarten) fand sie sich in einem Berg schmutziger Wäsche wieder. Acy rümpfte die Nase (was für ein Mief!) und nahm sich vor, das nächste Mal zur Abwechslung vielleicht erst zu überlegen und dann zu handeln. Nardia war ebenfalls hinterhergerannt und eroberte eine Transportkapsel mit Frischobst. Grumpf, dachte sie, als sie einen Teil der Früchte plättete. Nun war es eher Kompott. Cayvyn wechselte einen gestreßten Blick mit Alan und manipulierte den Verteilercomputer, daß dieser eine leere Kapsel in dieselbe Richtung schickte, in die Ryel geflohen war. Alan beschloß, lieber zu Fuß zu gehen und unterwegs die beiden Frauen einzusammeln, nachdem er den Kurs ihrer Gefährte ermittelt hatte. Alycia rauschte in ihrer Transportkapsel durch die Röhren und wurde kräftig durchgeschüttelt, da die Dinger nicht zum Personentransport gedacht waren. Wenigstens war die Dreckwäsche weich und milderte die abrupten Richtungswechsel etwas ab. Das mit der Röhrenpost war eine äußerst dumme Idee gewesen, dachte Acy inzwischen. Auch Nardia fand, daß sie demnächst nicht mehr unbedingt einfach hinter ihrer Schwester herrennen sollte. Aber das Obst war exquisit. Plötzlich ploppte es, und Alycia wurde hart in die Wäsche gedrückt, als die Kapsel von einem Magnetfeld abgebremst wurde. Offenbar war sie nun endlich 'gelandet'. Es bildete sich eine Öffnung, und einige Dienstleistungsandroiden packten die Wäsche sortiert auf Transportbänder. Als die Reihe an Acy kam, guckten die Andros irritiert und verharrten. "Hi, ihr Blechies, tut mir leid, ich habe die falsche Kapsel erwischt." Alycia winkte ihnen zu und stürmte aus der Bordwäscherei. Alan wartete an der Tür auf sie. "Angenehme Fahrt gehabt?" "Graaaaaa!" fauchte sie. "Wie schön! Sammeln wir Lady Nardia ein." "Wo ist die denn gelandet?" fragte Acy neugierig, als ihr erster Frust über diese peinliche Panne verflogen war. "In der Bordküche." "Typisch!" Alan und Alycia machten sich auf den Weg. Inzwischen war Nardia ebenfalls aus der Transportkapsel geklettert. Buäh, sie war total voller Obstsaft und -flecken. Acy lehnte an der Gangwand und guckte gespannt auf das Schott, dessen Aufschritt besagte: Nur autorisiertes Personal. Wann (und wie) kam ihre Schwester aus dieser Tür? Nardia fluchte lautstark, als sie die Küche fluchtartig verließ. So eine Sauerei... Sie klebte von oben bis unten, und außerdem hatte ihr der Chefkoch eine Schadensersatzklage für das verdorbene Obst angedroht. "Hi Nad! Süß siehst du aus", wurde sie von Alycia begrüßt. Nardia warf ein großes Fruchtstück, das sie noch in der Hand gehalten hatte, nach ihr. Da Acy sich jedoch in weiser Voraussicht bereits geduckt hatte, traf das Teil Alan. "Wirklich freundlich", meinte dieser ironisch. Bah, ausgerechnet eine Hilindar. Das war doch so klebrig. Alycia kicherte nur, und er warf ihr einen tödlichen Blick zu. "Wo ist Cay?" erkundigte sie sich dann bei ihm. Ts, normalerweise wäre er doch herbeigestürmt, um sie in Empfang zu nehmen. "In der Freizeitlounge", antwortete Alan. Plötzlich horchte er auf und warf die beiden Frauen nach links und rechts an die Wand. Ein Typ war ihnen gefolgt und schoß nun auf Alan, der als einziger noch im Gang stand. Rücksichtslos warf dieser sich auf den Angreifer, der jedoch der ersten Attacke elegant auswich. Nardia fluchte lauthals, als sie an die Wand geklatscht wurde, und auch Acy gab einige beim besten Willen nicht druckreife Kommentare von sich, deroweil sie sich geschwind wie eine delvanische Eiskatze wieder auf den Beinen befand und sogleich ebenfalls auf den Attentäter zustürmte, um diesem eine wuchtige rechte Gerade zu verpassen. Wider Erwarten gelang dies sogar, da der Mann sich vollständig auf Alan konzentrierte. Anschließend hielt sie sich jedoch, noch lauter fluchend, die Hand. Sie sollte solche Attacken nickt ohne die speziell verstärkten Handschuhe ihres Einsatzcoveralls unternehmen, überlegte sie grumpfend. Alan hatte den Killer unterdessen gegen die nächste Wand geschleudert, als dieser einen Elektrodolch zückte, um seine Opfer vielleicht im Nahkampf zu erledigen. Der Angreifer sackte reglos zusammen. "Wer ist das?" meinte Nad, als sie sich nun auch wieder aufgerappelt hatte. "Egal! Er hat auf mich geschossen", beschwerte sich Alycia. "Auf mich", korrigierte Alan. "Und er hat auch noch getroffen", fügte er stirnrunzelnd hinzu. "Hat er?" fragte Acy besorgt. "Wo?" "Ist nicht so schlimm", wehrte Alan ab. "Das war doch ein Laser, und sowas wird auch dir gefährlich!" "Ich werde es überleben." "Offensichtlich. Entschuldige, daß ich gefragt habe!" "Gehen wir zu Cayvyn", meinte Alan nur. "Gut. - Und was machen wir mit dem?" "Ich glaube nicht, daß der nochmal aufwachen wird." "Oh." "Lassen wir ihn einfach liegen. Soll sich die Stationspolizei darum kümmern." "Okay. Nebenbei, ich glaube, ich werde besser meinen Einsatzcoverall aus der Lightning holen", überlegte Alycia. "Es wäre wohl besser", stimmte Alan zu. Nardia war immer noch irritiert. Das ging ihr alles zu schnell. Als Alan sich auf den Weg machte, folgte sie ihm kurzerhand. Acy seufzte und tat es ihrer Schwester gleich. Auf dem Weg zur Freizeitlounge in Deck 16 stoppte Nad kurz an ihrem Quartier und zog sich um, denn das ganze Obst war doch nicht das Wahre. Ohne weitere Probleme erreichten sie die Lounge, und Alan hielt nach Cayvyn Ausschau. Doch wie kaum anders zu erwarten, fand Alycia ihren Lebensgefährten zuerst. Sie sprintete zu ihm und schlang die Arme um ihn. "Huhu! - Wo ist er?" "Irgendwo in den Holoroma-Kammern." "Ich habe das Gefühl, wir verfolgen den Falschen", meinte Alan nachdenklich. "Ryel ist momentan die einzige Spur, die wir haben", machte Cayvyn ihn aufmerksam. "Nicht ganz. Der Typ, der unser gerade umnieten wollte, hatte definitiv etwas gegen unsere Nachforschungen gehabt. Und er hatte mit Sicherheit nichts mit Ryel zu tun, denn Dunnlorner sind nur in den allergrößten Ausnahmefällen bereit, mit Leuten von anderen Planeten zusammenzuarbeiten." "Es wollte Euch jemand umbringen?" fragte Cay besorgt und zog Acy enger an sich. Diese nickte nur. "Aber er hat es ja nicht geschafft", bemerkte Alan. "Zum Glück." Cayvyn ließ seine Partnerin nicht los. "Was machen wir dann mit Ryel?" "Beobachten, aber nicht zu sehr auf den Pelz rücken", schlug Alan vor. "In Ordnung. Wo befindet sich der Attentäter?" "Der liegt wahrscheinlich noch in dem Gang, in dem er uns überfiel." "K.o.?" "Er ist tot." "Pech für ihn." Cayvyn fuhr zärtlich durch Acys Haare. Wenn der seiner Gefährtin etwas zuleide getan hätte! "Pech für uns! Lebte er noch, könnten wir ihn befragen. Ich habe mich bedauerlicherweise nicht genug zurückgehalten." "Aber du hast dafür gesorgt, daß Alycia nichts passiert ist. - Danke." "Bitte", meinte Alan. Das nächste Mal würde er auf jeden Fall vorsichtiger sein. "Glaubst du, ich kann nicht auf mich aufpassen?" fragte Acy schmollend. "Püh!" "Ach?" machte Alan ironisch. "Wenn ich dich nicht aus der Schußlinie befördert hätte", begann er, winkte dann aber ab. "Ist ja egal." "Und - hatte der Typ eine Codekarte dabei?" wollte Cayvyn wissen. "Nein, gar nichts." "Hm. Irgendwelche Anhaltspunkte?" Alan schüttelte den Kopf. "Außer, daß es wahrscheinlich ein Tarishaaner war." "Das ist nicht viel. Wir sollten uns aber zunächst weiter um Ryel kümmern." "Okay, das könnt ihr machen", sagte Alan. Er wollte sich möglichst schnell verdrücken, um genau nachzusehen, wie es ihn erwischt hatte. Gut, daß der Umhang alles verdeckte. Ein oberflächlicher Systemcheck hatte ergeben, daß er noch weitgehend funktionsfähig war, aber er wollte sich möglichst bald an eine Reparatur machen. "Einverstanden. - Was ist mit dir?" erkundigte sich Cayvyn, da Alan sich etwas eigenwillig verhielt. "Nichts", wehrte Alan ab. "Er ist getroffen worden", korrigierte Alycia. 'Seufz', dachte Alan. Warum konnte sie auch nichts für sich behalten? "Laß mich mal nachsehen", meinte Cay besorgt. "So etwas kann übel kommen, wenn man sich nicht rasch darum kümmert." "Jetzt und hier kommt nicht in Frage!" "Sicherlich. Aber wir können auf die Lightning springen. Dort befindet sich ein voll ausgestattetes Engineering-Labor." "Das wäre wohl das beste", gab Alan zögernd zu. "Gut. - Lisha!" "Ay ay." Sie nahm ihren TM-Gürtel ab, den sie unter ihrer momentanen Gewandung trug und reichte ihn Alan, der ihn sogleich in Empfang nahm. Cayvyn nickte seinem 'Bruder' zu, ihm zu folgen, und sie machten sich auf den Weg zu einem abgelegenen Gang, von wo sie unbemerkt zum Raumschiff transmittierten. Sie materialisierten direkt im Bordlabor, das von Cay sogleich auf Engineering-Konfiguration umgestellt wurde. Alan sah ihm zu. "Okay. Wo hat es dich erwischt?" "An der linken Seite." Er drehte sich so, daß Cayvyn die Beschädigung begutachten konnte. "Das sieht nicht gut aus", stellte dieser stirnrunzelnd fest. "Du hast recht", mußte Alan zugeben, als er die Sache ebenfalls in Augenschein nahm. "Befreie dich von deinen Klamotten und leg dich auf den Labortisch. Ich kümmere mich darum." Seufzend gehorchte Alan. Warum passierte so etwas immer ihm? Cay suchte die entsprechenden Werkzeuge zusammen und behob rasch die Schäden, die durch den Laserbeschuß bei Alan entstanden waren. "Bist du fertig?" fragte Alan schließlich, als Cayvyn begann, eine neue Schicht Synthohaut an seiner Seite aufzutragen. "Ich denke schon. Du mußt nur später die Farbe der neuen Haut richtig angleichen. - Da hätte sich fast ein übler Kurzschluß entwickelt. Eine falsche Bewegung von dir, und du hättest ein echtes Problem gehabt." "Danke." Alan sah zu Cayvyn hoch. "Bitte sehr. Wir sollten jetzt nach Iskavar-1019 zurückspringen. Ich hole dir nur etwas zum Anziehen." Zum Glück hatten Alan und er dieselbe Statur, so daß Cay ihm problemlos eine seiner Monturen überlassen konnte. "Okay", meinte Alan und erhob sich, ehe er in den schwarzen Coverall stieg, den Cayvyn ihm vermacht hatte. Zunächst transmittierten die beiden in Cays und Acys Quartier zurück, da dort bestimmt niemand ihre Materialisation beobachtete und wanderten anschließend in die Freizeitlounge. Nardia und Alycia hingen immer noch dort herum und bemühten sich, alle Ausgänge der Holorama-Kammern im Auge zu behalten. "Na, ist schon etwas passiert?" erkundigte sich Cayvyn und gab seiner Gefährtin einen Kuß auf die Nasenspitze. Sie zog eine Schnute. "Nichts, aber auch gar nichts!" beschwerte sie sich. "Es ist tödlich langweilig hier", fügte Nardia hinzu. "Wir können schlecht die Holorama-Kammern durchsuchen", meinte Acy. "Aber langweilig ist es doch..." "Hm." Zum Glück war Cayvyn jetzt wieder da, dachte Alycia und schmiegte sich an ihn. "Ich hoffe, die Holorama-Kammern haben nicht irgendwelche Hinterausgänge." "Nein", entgegnete Cay und strich ihr sanft über den Rücken. "Keine Sorge, wenn er hier nicht herausgekommen ist, muß er noch drinstecken." "Dann sollte er auch irgendwann wieder auftauchen", stellte Nad fest. "Nur wann?" seufzte Alycia und legte gestreßt den Kopf an Cayvyns Schulter. Dieser warf einen aufmunternden Blick zu Alan herüber und funkte diesen an. Na, wäre das nicht ein passender Zeitpunkt, sich um Nardia zu kümmern? Ich habe diesen Satz nicht gehört. Sicher hast du. Sonst könntest du dich nicht darauf beziehen. Seufz. Nun? Nichts 'nun'. Ich mag einfach nicht. Warum nicht? Weil mir nicht danach ist. Du bist ein schwerer Fall. So? Oh ja! Nimm dir doch ein Beispiel an mir. Ganz bestimmt nicht! Ts! Was heißt hier 'tse'? Bin ich es in deinen Augen nicht wert, als Beispiel zu dienen? Was soll ich darauf antworten? Worin soll ich dir denn nacheifern? Du könntest versuchen, dich einmal als respektabler Gentleman aufzuführen. Das ist aber so schwer. Was ist denn daran schwer? Es widerspricht meinem Charakter. Auch deinem jetzigen? Naja, ich werde nie wie du werden. Das sollst du ja gar nicht. Aber du bist immerhin Sir Alayn! Schon, aber keiner reiner Naravino. Ich kann mich einfach nicht so benehmen. Ich falle permanent aus der Rolle. Versuche es doch einfach mal. Ich habe es schon die ganze Zeit versucht. Hm. Na gut. Ein bißchen. Aha. Und wie ist das nun mit Nardia? Was ist mit ihr? fragte Alan unschuldig. Du wolltest dich doch um sie kümmern. Davon weiß ich aber nichts. Hm. Dann solltest du es unter 'gute Vorsätze' ablegen. Wenn du meinst. Gute Vorsätze, die sofort in die Tat umgesetzt werden. Solche habe ich nicht. Solltest du aber. Seufz. Du verlangst eine ganze Menge von mir! Es ist nur zu deinem Besten. Immer ist alles zu meinem Besten! Sicherlich. Also, faß dir ein Herz - Lady Nardia wartet bestimmt nur darauf! Sie wartet mit Sicherheit darauf, mir irgendetwas um die Ohren zu schlagen. Sie weiß doch nicht, daß du Firestar warst! Nein, das weiß sie nicht. Aber sie hat etwas gegen Androiden. Hat sie? Ganz bestimmt. Wieso das? Weiß ich doch nicht. Und wie kommst du darauf? Sie hat es geäußert. Hm? Wann denn? Des öfteren. Hm. Und wieso war sie dann mit dir zusammen? Sie hat es danach gesagt. Ich vermute, das war hauptsächlich, um dir einen Denkzettel zu verpassen. Meinst du? Aber über Coryn und dich ist sie ähnlich hergezogen. Du weißt doch, daß sie mich nicht ausstehen kann. Sie ist schon über mich hergezogen, als sie noch nicht wußte, daß ich eine künstliche Lebensform bin. Na gut. Aber trotzdem... EM>Versuchen kannst du es doch einmal! Seufz. "Hey Cay, was ist?" Alycia strich zärtlich über seine Wange. "Du bist so schweigsam." "Ich warte darauf, daß Ryel wieder auftaucht", behauptete Sir Cayvyn. Nardia hatte sich inzwischen auf einen Stuhl plaziert. Das konnte ja noch dauern, bis dieser Dunnlorner sich wieder zeigte, und sie hatte nichts dabei, mit dem sie sich beschäftigen konnte. Alan, fuhr Cay über Funk fort. Jetzt tu endlich etwas! Was denn? fragte dieser. Du könntest sie in ein Gespräch verwickeln. Flirte mit ihr! Und worüber solll ich reden? Zum Beispiel deine Musik. Sie mag doch Musik. Wenn es denn sein muß. Ja! Es ist ja nicht auszuhalten, wie sowohl du als auch sie trübsinnig hier herumhängen. Ich bin nicht trübsinnig. Egal. Du verwickelst Nardia jetzt in ein Gespräch. Wie Ihr befehlt, meinte Alan genervt. Bitte! Als wenn ich eine andere Wahl hätte. Cayvyn guckte gespannt zu Nardia herüber. Alan seufzte ergeben und ging zu ihr herüber - sonst hätte er nie seine Ruhe. "Findet Ihr es ebenso langweilig hier, Lady Nardia?" fragte er. Die junge Frau nickte zustimmend und wunderte sich, daß Sir Alayn plötzlich mit ihr sprach. "Darf ich Euch nachher zum Essen begleiten?" wagte er einen heroischen Vorstoß. Nad betrachtete ihn irritiert, da er doch sicherlich ohnehin zum Essen mitkommen würde. Aus Höflichkeit nickte sie abermals. Siehst du, sie spricht nicht mit mir, beschwerte sich Alan bei seinem 'Bruder'. Wenn du nachher mit ihr ißt, wirst du sie bestimmt in ein Gespräch verwickeln können, beschwichtigte Cayvyn ihn. Du darfst nur nichts überstürzen. Alan war erleichtert, daß er sich nicht noch mehr Fragen ausdenken mußte. Nardia fand das alles sehr merkwürdig, denn die hilflosen Blicke, die Sir Alayn Cayvyn zuwarf, waren mehr als nur verdächtig. "Wie lange müssen wir noch hier herumhängen?" beschwerte Alycia sich. "Wir warten noch", meinte Cay. "Seufz!" machten Alan und Nardia gleichzeitig, und Cayvyn konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, ehe er sich wieder seiner Gefährtin widmete. Dann mußten Alan und Nardia sich miteinander beschäftigen - oder sie mopsten sich. Zu seinem Leidwesen übersahen sich die zwei jedoch einfach. Nad überlegte, ob sie nicht einfach abhauen sollte. Die anderen konnten ja auch allein warten. Leider wäre es in ihrer Kabine jedoch auch nicht interessanter. Acy war sehr fasziniert darüber, wie intensiv Cay sich zur Zeit mit ihr beschäftigte - nicht, daß es ihr mißfallen würde... Aber offenbar hatte ihn die Sache mit dem Anschlag doch mehr geschockt, als er zugeben wollte. Sie strahlte ihn verliebt an. Nun wurde es Nardia doch zu dumm, und immerhin hatte Sir Alayn versucht, ein Gespräch mit ihr anzufangen. Sie mußte zugeben, daß sie nicht allzu höflich gewesen war, also begann sie, ihn über sein Haus, seine Musik etc. auszufragen. Wider Erwarten antwortete er sogar. Siehst du! meinte Cayvyn per Funk. Sie spricht doch mit dir. Weil sie sich langweilt. Es ist ein Anfang. Du mußt sie nur von deinen Qualitäten überzeugen. Dazu muß ich mir erst welche anschaffen. Erfinde einfach etwas. Du bist doch nicht auf den Kopf gefallen! Aber im 'Einfallen lassen' bin ich auch nicht besonders gut. Naja. Als charmanten Plauderer kannst du dich wirklich schlecht verkaufen, stimmte Cayvyn zu. Was war nur aus der alten Firestar-Programmierung geworden? Er seufzte. So dämlich hatte nicht einmal er sich angestellt. Erzähle ihr einfach irgendetwas! Das sagst du so leicht! Mach ihr ein paar ehrliche Komplimente! Seit wann sind Komplimente ehrlich? Naja, ich glaube nicht, daß du bei einer Frau wie ihr etwas erreichst, wenn du sie mit irgendwelchen Plattheiten zusäuselst. Alycia zum Beispiel würde sich in einem solchen Fall krümelig lachen, und ich denke, daß ihre Schwester in dieser Hinsicht kaum anders reagiert. So? So! Seufz! Also - Attacke! Grummel. Cayvyn blinzelte ihm zu. Mach nicht so ein Gesicht! Was soll ich ihr denn sagen? Etwas über das extravagante Kleid, das sie trägt... Ayée, du findest doch etwas an ihr und nicht ich. Du mußt doch einen Grund haben, aus dem du sie magst. Hm. Aber du willst, daß ich mit ihr rede! Was gefällt dir denn an ihr? Muß mir da etwas Bestimmtes einfallen? Ich könnte dir hunderte von Gründen aufzählen, wegen denen mir Alycia gefällt. Cayvyn vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, obwohl es ihn etwas störte, daß es sich dabei nur um eine Prücke handelte. Ich höre. Sie ist immer so impulsiv, hat ständig neue Ideen, ist ausgesprochen anschmiegsam - du entschuldigst, wenn ich einen guten Teil Gründe hier auslasse - sie ist intelligent, bastelt ebenso gerne wie ich... Aha, machte Alan nur. Also? Welche Gründe kannst du liefern, aufgrund derer du Lady Nardia magst? Mir fallen nur schlechte Eigenschaften ein. Und trotzdem magst du sie? Cayvyn war mehr als nur irritiert. Ich verstehe es ja auch nicht! Und sie hat wirklich keine positiven Eigenschaften? Sie wird schon welche haben, nur mir gegenüber sind sie nie zum Vorschein gekommen. Das ist mir unbegreiflich. Seufz. Das ist ja auch der Grund, warum ich ihr aus dem Weg gehen will. Hm. Und andererseits willst du ihr ja auch nicht aus dem Weg gehen. Das sagst du. EM>Du auch! So? Hast du getan. Das war dann entschieden ein Fehler. Aber jetzt bist du an der Reihe, also erzähle ihr ein paar Nettigkeiten. - Nein, nicht solche Nettigkeiten! Richtige, meine ich. Ungern. Wie habe ich denn das zu verstehen? Mir fällt eh nichts ein, meinte Alan betrübt. Warum war das alles nur so kompliziert? Er grübelte immer noch darüber, warum er Nad eigentlich mochte. Ob es an den Erinnerungen lag, die er an sie hatte? Versuche es! beschwor Cayvyn ihn. Nun gut. Ich werde es versuchen. Seufz! Wie schön einfach war es gewesen, als Alan noch Firestar war, überlegte Cayvyn. Jener dachte gerade genau dasselbe. Alan, es fällt auf, wenn du so lange Kunstpausen machst. Erzähle irgendetwas, aber erzähle was! Ja, ja, maulte dieser und tat, wie ihm geheißen. Nardia war irritiert, daß Sir Alayn nach fünf Minuten Pause genau an der Stelle weiter machte, wo er gerade stehengeblieben war. "Seufz", machte Cayvyn und setzte sich auf eine in der Nähe befindliche Bank, wobei er Alycia mit sich zog. Diese war überaus angetan von so viel liebevoller Zuwendung, wie Cay sie ihr momentan angedeihen ließ. Nad sah derweil Sir Alayn ausgesprochen verwirrt an. Jetzt redete er wie ein Wasserfall auf sie ein, so daß sie gerade noch nicken oder den Kopf schütteln konnte. Sie hatte den unbestimmten Verdacht, daß er von Cayvyn irgendwelche Anweisungen erhielt, da er ihn immer so fragend ansah. Cay war kurz vor einem Schaltkreiskollaps, als er Alans jetzige Redeergüsse mitbekam. Alan, etwas weniger, meinte er per Funk. Lady Nardia bekommt ja nicht ein einziges Wort dazwischen! Alan verstummte plötzlich, was Nad noch mehr verwunderte. Seufz! Rede etwas, aber so, daß sie auch antworten kann, kam Cayvyns nächste Anweisung, die Alan natürlich sogleich befolgte. Nardia war inzwischen zu der Ansicht gekommen, daß alles, was sie bis jetzt über Firestar, Coryn oder Cayvyn gedacht hatte, falsch war. Es gab noch schlimmere Androiden! Dieser Typ hier war entweder verrückt, oder so verklemmt, daß er allein überhaupt nichts geregelt bekam. Komischerweise benahm er sich den anderen gegenüber anders. "Wenn nicht sofort dieser Ryel aus einem dieser Kabuffs kommt, dann gehe ich - und zwar essen!" verkündete Acy genervt. "Dunnlorner sind sehr geduldig", stellte Cay mit hochgezogenen Augenbrauen fest. "Hm. Dann gehe ich jetzt und komme bald wieder. Der Typ hängt dann sicherlich immer noch da drin." "Gut. Ich bleibe auf Beobachtungsposition", meinte Cayvyn. "Seufz!" Alycia sah betrübt zu ihm hin, als sie davonschwebte. "Ciao! Ich gehe etwas futtern." "Ich komme mit", erklärte Alan. Er hatte seines Erachtens genug Konversation betrieben, und zudem mußte er wirklich ein bißchen Essen. Acy guckte ihn verwundert an. Ts. - Aber was sollte es? Man konnte niemandem verbieten, seine Energievorräte aufzufüllen. Nur, warum schloß sich Alan in letzter Zeit so häufig ihr an? Hm. Vielleicht kümmerte sich Cayvyn deshalb so intensiv um sie. Nardia schaute den beiden hinterher. Hier war alles sehr eigentümlich. 'Ts', dachte Cayvyn. Wollte Alan nicht mit Nardia essen gehen? Jene hatte sich nun entschlossen, Cayvyn nach Sir Alayns komischen Verhalten zu fragen. Sie ging zu ihm herüber. "Ich möchte Euch etwas fragen." "Bitte!" Cay machte eine einladende Handbewegung. "Wollt Ihr Euch nicht setzen, Lady Nardia?" Sie ließ sich nieder. "Ich möchte wissen, was mit Sir Alayn los ist. Sein ganzes Verhalten mir gegenüber ist schon richtiggehend peinlich." "Hm. Ich weiß nicht, ob ich es Euch anvertrauen darf. Ach was, versprecht mir lediglich, ihm gegenüber nichts von dieser Konversation zu erwähnen!" "Natürlich nicht", meinte Nad empört. Als wenn sie so etwas tun würde. "Gut. Es ist folgendermaßen: Sir Alayn sah Euch damals auf Shanjir und war Euch sogleich überaus zugetan. Er hat lediglich ein Problem - er befürchtet, daß er von Euch zurückgewiesen wird, wenn er Euch seine Zuneigung gesteht. Daher ist er höchst reserviert, obgleich er Euch doch gerne näher kommen möchte." "Ach?" machte Nardia. "Ich habe eher den Verdacht, daß Ihr ihn zu etwas zwingen wollt." "Er hat Angst vor Euch, und ich versuchte bloß, ihm klarzumachen, daß er etwas wagen muß, wenn er nicht vor sich selbst und der Welt als Bild des Jammers verenden will." "Bin ich so furchtbar?" fragte Nad ironisch. "Ihr seid häufig sehr ...gnadenlos, wenn Ihr anderen Personen gegenübertretet, und das schreckte ihn doch ziemlich ab." "So? Ich weiß halt nichts mit Leuten anzufangen, die nicht wissen, was sie wollen." "Alayn weiß sehr wohl, was er will, aber er fürchtet Eure Reaktion." "Ich werde niemanden deswegen umbringen." "Das weiß er aber nicht. Wie steht Ihr ihm denn gegenüber? Hat er überhaupt eine Chance, Eure Zuneigung zu gewinnen?" "Naja, ich weiß nicht. Ich habe Androiden gegenüber keine gute Meinung." "Wegen Firestar?" "Unter anderem." "Wieso denn noch?" "Nun. Es klingt zwar dumm, aber ich bin wohl zu oft enttäuscht worden." "Von Androiden?" Sir Cayvyn sah sie mit großen Augen an. "Hm", machte Nardia zustimmend. Cay war sehr fasziniert. Das warf ein völlig neues Licht auf Nardia Ashni Blade. "Was heißt 'zu oft'?" wollte er wissen. "Einmal hätte durchaus gereicht!" "Inwiefern?" "Tja, weil ich eben zweimal reingefallen bin." "Auf Firestar - und auf wen denn noch? So viele sich selbst bewußte Androiden laufen doch auch nicht herum." Cayvyn fielen auf Anhieb nur sechs ein: Alan, Shentay, Arikano, Myriella, Coryn und er. Myriella fiel weg, weil sie ein weibliches Wesen war, Arikano war bislang nicht von der Villa Alycia weggekommen, Shentay hatte sich noch nichts aus amourösen Abenteuern gemacht - blieb nur... "Coryn etwa?" Er sah Nardia höchst eigentümlich an. "Wohl kaum. Coryn ist doch..." Sie konnte sich gerade das 'nur ein Kind' noch verkneifen. "Oder heißt das... Meint Ihr vielleicht jene ...Episode auf der Couronne de l'Espace?" fragte Cayvyn bestürzt. "Dann nehmt bitte hiermit meine Entschuldigung entgegen." "Natürlich nicht! Das war doch genauso gut meine Schuld." "Dann bin ich beruhigt." "Gut." "Wer war es dann?" "Da Ihr sowieso wieder keine Ruhe gebt... Ich bin zweimal auf Alan hereingefallen, und das reicht mir wirklich." "Oh!" 'Uuml;bel, übel', dachte Cay. Wenn sie jemals erfuhr, daß Sir Alayn Alan Dale war... "Was tat er Euch eigentlich an, daß er sich Euren unversöhnlichen Haß zuzog?" "Er hat mich belogen!" "Inwiefern?" "Er hat mir eben etwas vorgemacht, das nicht wahr war." "Das ist betrüblich. Aber ich kann Euch versichern, daß dies nicht der Regelfall ist." "So? Ich glaube bestimmt nichts mehr ohne Überprüfung!" "Wie wollt Ihr solches denn überprüfen?" "Ich rede Unsinn, nicht wahr?" meinte Nardia. "Seufz." "Wie wollte jemand zum Beispiel überprüfen, was ich für Lisha empfinde?" sinnierte Cayvyn. "Ich wünschte gar, es wäre möglich!" "Das ist natürlich nicht möglich. Aber ich glaube kaum, daß Ihr Eure Meinung ändert." "Welche Meinung?" "Daß Ihr Alycia mögt." "Sicherlich nicht! - Und warum sollte es nicht einen anderen geben, der Euch gleiches entgegenbringt?" "Ich glaube es eben nicht. Nachher behauptet der dann womöglich auch, das Ganze sei nicht ernst gemeint gewesen." "Hat Alan das behauptet?" "Allerdings!" "Wenn ich Firestar noch einmal in die Finger bekäme, würde ich ihm etwas erzählen", murmelte Cay. "Zum Glück ist er verschwunden!" "Er wird auch nie wieder in Erscheinung treten." "Das soll er auch nicht wagen!" "Fürchtet Euch nicht, Lady Nardia", meinte Cayvyn ernst. "Ich habe seinen Tod miterlebt." "Ich fürchte mich n-" begann Nad, dann erstarrte sie. "Wirklich?" "Ja." "Sein Glück!" Cayvyn enthielt sich eines Kommentars. Die ganze Angelegenheit komplizierte sich zusehends. Allerdings war Alan durch seinen Programmabsturz und die nachfolgende Rekonfiguration tatsächlich ein anderer geworden - Firestar war tot, und Sir Alayn von Fayn-Devrayn lebte. Nardia schniefte, aber sie wollte auf keinen Fall losheulen. Obwohl es ihr jetzt erst richtig bewußt wurde, daß sie doch irgendwie an diesem Alan Dale gehangen hatte. "Aber - Lady Nardia." Cayvyn fühlte sich hilflos. Sie wirkte sehr unglücklich, obwohl ihre verbalen Äußerungen ihre Genugtuung über Firestars Tod ausdrückten. "Was ist mit Euch?" "Nichts!" Nad setzte ein unverbindliches Gesicht auf. Da machte sich das jahrelange Training bezahlt. "Die unregelmäßigen Schwankungen Eurer Stimme lassen die Antwort 'Nichts' etwas unglaubwürdig erscheinen." "Unterlaßt diese Analysen einfach!" "Es tut mir leid, aber das ist nun einmal meine Art", sagte Cayvyn zerknirscht. "Es tut mir leid. Ich wollte Euch nicht anfahren." "Es betrübt mich stets zutiefst, eine hübsche Lady unglücklich zu sehen", meinte Cay tragisch. "Ich wünschte, ich könnte Euer Leid mildern." "Ihr übertreibt. Außerdem kann mir niemand helfen. Damit muß ich schon alleine fertig werden." "Warum redet Ihr Euch nicht Euren Schmerz von der Seele? Ich bin sicher, das würde Euch helfen." "Warum sollte es das? Es ändert doch nichts." "Mir scheint eher, Ihr wollt gar nicht, daß sich einige Dinge ändern." "Wieso?" Cayvyn runzelte die Stirn, dann lieferte er eine sachliche Analyse dessen ab, was ihm bei Alycias Schwester aufgefallen war. "Nun, Ihr scheint Euch einerseits in Selbstmitleid zu ergehen, und andererseits lehnt Ihr sowohl Hilfe ab, als auch alle Versuche, sich Euch auf freundschaftlicher Basis zu nähern. Ich halte diese Einstellung für relativ unproduktiv." "Ach?" fauchte Nardia. "Weil ich Angst habe, das alles nochmal zu erleben?" "Was noch einmal zu erleben?" fragte Cayvyn ruhig. Nad sprühte förmlich vor Zorn, doch er ignorierte es geflissentlich. "Als eine Art Spielzeug betrachtet zu werden, das man nach Belieben herumschubsen kann!" "Aber wenn Ihr Euch nicht auf ein neuerliches Abenteuer einlaßt, dann werdet Ihr nur mit jenen schlechten Erinnerungen den Rest Eures Lebens fristen. Ihr müßt Mut haben, Euch noch einmal der Herausforderung zu stellen, um vielleicht diesmal das zu gewinnen, was Euch gebührt." "Das sagt Ihr! - Vielleicht sollte ich wirklich auf Blade Manor bleiben und mir einen dieser Yuppies angeln. Dann ist wenigstens alles schön geregelt." "Und dann seid Ihr glücklich?" Cayvyn legte den Kopf schief und musterte Nardia aus seinen unglaublich grüngoldenen Augen. "Wer weiß. Aber dann würde ich wohl meine Ruhe haben." "Oder auch nicht, weil Ihr wüßtet, daß Ihr hättet mehr erreichen können." "Hätte ich?" "Sicherlich." "Und was?" "Auf jeden Fall nicht, daß Ihr auf Blade Manor bleibt, eine Familie gründet, pro Woche einen rauschenden Ball gebt und sonst nichts." "Das habe ich auf jeden Fall noch nicht probiert. Bis jetzt war mein Leben eher eine Aneinanderreihung von Abenteuern." "Ich bin sicher, Ihr würdet Euch zu Tode langweilen, wenn Ihr nur einen Monat keine Abenteuer erlebt." "Vielleicht, vielleicht auch nicht. Jedenfalls haben mir schon viele dazu geraten, endlich eine Familie zu gründen." "Tut Ihr immer das, was andere Euch raten?" "Nein, das habe ich noch nie getan. Aber gerade deshalb..." "Was wollt Ihr denn tun?" "Hm. Eigentlich den ganzen Krempel vergessen." "Was 'den ganzen Krempel'?" "Na, eben alles! Die ewigen Verpflichtungen, von einem Ball zum nächsten, dazwischen ewig Aufträge der ISPC. Vielleicht war das alles einfach zuviel!" "Dann steigt doch einfach aus! Übergebt einem Vertreter die Firma, laßt Euren kleinen Bruder repräsentieren, quittiert den Dienst bei der ISPC - und dann?" "...habe ich nichts zu tun", meinte Nardia leise. "Und was unternehmt Ihr ...dann?" "Na, jedenfalls könnte dann keiner mehr sagen, ich hätte sowieso keine Ahnung." "Wer sagt dieses - und in welchem Zusammenhang?" "Ich weiß genau, daß mich eine Menge Leute in allen Belangen für unfähig halten." "Wer und in welchem Gebiet?" "Fast überall. In der Gesellschaft, bei der ISPC, in technischen Fragen..." "Also, was 'die Gesellschaft' betrifft, so halte auch ich mich nicht für sonderlich fähig. Geht einfach dazu über, daß Ihr sie geflissentlich ignoriert. Was die technischen Fragen betrifft - nun, so etwas kann man doch lernen." "Und warum sollte ich das tun? Ich finde, daß ich für meine Bedürfnisse genug weiß, aber alle verlangen einfach zuviel von mir. Ich kann einfach nicht allen Anforderungen gerecht werden!" Nardia schniefte erneut. "Und ich will es auch gar nicht." "Was wollt Ihr denn?" "Endlich Ruhe haben - und vielleicht mal einfach glücklich sein." "Und wie wollt Ihr glücklich werden, wenn Ihr es nicht einmal versucht?" "Ich weiß nicht. Tue ich das denn nicht?" "Allerdings." "Wieso?" "Wenn Ihr zum Beispiel nur aus Furcht vor einem etwaigen neuerlichen Reinfall jede neue Beziehung von vorneherein ausschließt..." "Das könnt Ihr doch gar nicht beurteilen!" "Ihr sagtet es vorhin." "Natürlich. Aber woher wollt Ihr wissen, ob das richtig oder falsch ist?" "Ihr habt natürlich recht, daß ich schwerlich andere Menschen korrekt beurteilen kann. Aber aus meiner persönlichen Erfahrung ist mir ein ähnlicher Fall bekannt. Lisha hat mir nämlich erzählt, daß sie aufgrund diverser Pleiten nie wieder etwas mit Männern zu tun haben wollte - bis sie dann auf mich traf." "Aha, und was besagt das?" "Daß Ihr vielleicht momentan Eurer Ansicht seid, Eure Meinung aber sicherlich nicht ad infinitum beibehalten werdet. Nur könntet Ihr bereits früher mit einem neuen Ansatz beginnen, wenn Ihr Euch darüber klar werdet." "So?" meinte Nardia. "Ich denke aber nicht, daß für alle das gleiche gilt!" "Wer wollte hier glücklich sein?" "Hm." "Seufz." "Wieso 'seufz'?" Nad sah Cayvyn irritiert an. "Nun, ich glaube, ich bin froh, daß ich ein Androide bin. Menschen haben immer so irrationale Probleme und Schwierigkeiten, einen rationalen Lösungsansatz zu sehen und zu verwirklichen." "Vielleicht ist das wirklich der Unterschied." "Was aber nicht heißt, daß Androiden-Probleme, die den Ursprung in irrationalen und daher für mich nicht verständlichen Reaktionen haben, weniger kompliziert wären." Cay sah tragisch in weite Fernen. "Ach ja?" machte Nardia. "Wirklich. Auch wir haben Gefühle - wenn auch sicherlich ...anders als Menschen." "Das glaube ich durchaus. - Ich muß über all das nachdenken", meinte Nardia schließlich und erhob sich von der Bank. "Ich werde mich jetzt zurückziehen. Ihr könnt sicherlich auch alleine darauf achten, ob dieser Typ wieder herauskommt." Sie verschwand in Richtung ihrer Kabine. Sir Cayvyn blieb alleine zurück. Vielleicht sollte er von seiner Absicht, Detektiv zu werden absehen und auf Psychologe umsatteln? Er seufzte schwer. Aber leider hatte ihm noch niemand helfen können. Dabei wollte er lediglich wissen, ob das, was er für Lisha empfand, tatsächlich das war, was Menschen als 'Liebe' bezeichneten. Irgendwann kamen Alycia und Alan vom Essen zurück. Mit Erleichterung bemerkte Alan, daß Nardia nicht mehr da war. Acy setzte sich sogleich wieder bei Cayvyn auf den Schoß. "Der Typ ist wohl immer noch da drin. Dann habe ich ja nichts verpaßt - Nebenbei, wo steckt denn Nad?" "Sie fühlte sich nicht wohl und beschloß, sich in ihre Kabine zurückzuziehen." Alan hatte das unbestimmte Gefühl, daß dies nur ein Teil der Wahrheit war. "Oh", machte Alycia und legte den Kopf an Cayvyns Schulter. Sie war total vollgefressen und wollte nur von ihm festgehalten werden. "Hoffentlich bleibt dieser Ryel noch eine Weile in seiner Holorama-Kammer", seufzte sie, denn im Augenblick war sie zu einer Verfolgungsjagd außerstande. Nardia war in ihrer Kabine angekommen und hatte sich auf das Bett gelegt. Sie mußte dringend über das Gespräch mit Sir Cayvyn nachdenken. Zwar konnte sie nicht abstreiten, daß er in gewisser Weise recht hatte, aber trotzdem war es nicht leicht, das einzusehen. Bis jetzt war jede ihrer Beziehungen in einem Fiasko geendet, warum sollte es bei einem neuen Versuch anders sein? Seufz, warum war das alles so kompliziert? Nad grübelte weiter, aber schließlich machte sich der fehlende Schlaf bemerkbar, und sie versank in tiefem Schlummer. Die anderen hockten immer noch in der Freizeitlounge, was im Laufe der Zeit doch eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich zog, da die drei an keiner der angebotenen Aktivitäten teilnamen, sondern stillschweigend vor den Holorama-Kammertüren saßen. Nach einer weiteren Stunde hatte Alan keine Lust mehr, noch länger hier herumzuhängen. Ryel würde eh nicht herauskommen, solange sie hier warteten. Er beschloß, sich in seine Kabine zurückzuziehen. "Ich gehe jetzt", meinte er zu Cay und Acy. "Das wird mir zu dumm." "Er hat recht", bestätigte Alycia. "Außerdem wüßte ich eine weit sinnvollere Beschäftigung als hier herumzuhängen." "Dieser Vorschlag entbehrt nicht einer gewissen Überzeugungskraft." Cayvyn hob seine Gefährtin hoch und transportierte sie in Richtung auf sein Quartier. Ryel hatte ebenfalls keine Lust weiter zu warten. Da er keinen seiner Verfolger mehr entdecken konnte, machte er sich auf den Weg zu einem neuen Versteck. Cay bog mit seiner süßen Last um die nächste Biegung - und erblickte ihn! Fast hätte er Acy fallengelassen, um hinter Ryel herzustürmen, doch er entschied sich gerade noch, sie vorsichtig abzustellen. Dummerweise gab dies dem Dunnlorner wieder einen gewissen Vorsprung. Ryel jagte durch die Gänge; noch konnte er seinen Vorsprung halten. Er bog scharf nach links ab, wo er beinahe Alan in die Arme lief. Doch auch diesem konnte er entkommen, indem er wendete und zurück in den Hauptgang rannte, dem er ein Stück folgte. Alan sprintete hinterher, aber in der Kurve prallte er heftig mit jemandem zusammen. Cayvyn kollidierte mit einem beweglichen Hindernis und fand sich auf seinem Hinterteil wieder. Die Stärke und Ursache der Kollision ließen nur eine Vermutung zu: "Alan!" "Hmpf", machte dieser, der sich sich ebenfalls auf dem Boden befand. "Ich hatte ihn fast erwischt!" "Ich auch. Aber plötzlich standest du im Weg." "Beziehungsweise du im meinem!" "Ist auch egal. Jedenfalls ist er weg." "Seufz! - Ich glaube, er ist da lang!" Cay deutete auf einen Seitengang. "Nein, da!" Alan zeigte den Hauptgang entlang. "Da?" Alan nickte und rappelte sich wieder auf. "Seufz!" Mit einem eleganten Satz war Cayvyn wieder auf den Beinen. "Dann los!" Alan rannte hinter ihm her. Nach 150 Metern drehte sein Bruder sich um. "Du bist dir sicher?" "Hups", meinte Alan, als er eine Vollbremsung machen mußte, um nicht schon wieder mit Cay zu kollidieren. "Naja, ziemlich." "Wie ziemlich?" Cayvyn stemmte die Arme in die Hüften. "Er war da hinunter, bevor ich in dich gerempelt bin. Wohin er danach ist? - Keine Ahnung!" "Seufz", machte Cay. "Ich habe gesehen, wohin er verschwunden ist, aber du hast mich total irritiert!" "Ich?" meinte Alan mit seinem besten Unschuldsblick. "Nein, dein Geist", machte Cayvyn ironisch. "Also Kommando retour!" Er düste den Gang zurück, und Alan trabte wie üblich hinterher. Cay bog in seinen Nebengang ein, aber natürlich war niemand mehr zu sehen. - außer zwei Mitgliedern der Stationspolizei, die ihnen mit gezückten Paralyzern gegenüberstanden. "Deine Idee war aber auch nicht besser", stellte Alan fest. "Er!" rief der Polizist seiner Kollegin zu. "Das ist der Mann, der laut Zeugenaussagen vom Tatort verschwunden ist! - Halt! Im Namen des Gesetzes, Sie sind verhaftet!" Wie Alan diesen Spruch liebte. Wie kamen sie nur am besten weg? Hm, ein Frontalangriff? Spring zur Lightning, Alan! funkte Cayvyn diesen an. Ich regele das hier! Okay. Zum Glück hatte er Blackfire den TM-Gürtel noch nicht zurückgegeben, dachte Alan. Mit zweimal Violett war er auf dem Raumschiff. Cayvyn stürzte panisch auf die Polizisten zu. "Ich bin ja so froh, daß Sie mich gerettet haben!" sagte er den Polizisten. "Der Mann hat mich verfolgt und bedroht." "So?" fragte die Polizistin ungläubig. "Aber Sie sind des öfteren mit ihm zusammen gesehen worden." "Ich bin Sir Cayvyn von Süd-Ayryana und Ost-Sdayinisa, meines Zeichens freiberuflicher Detektiv und ermittle in der Sache des Mordes an Sir Ewayn von Fayn-Eldryn. Offenbar habe ich eine zu heiße Spur entdeckt." Er sah sich hektisch um. "Sie müssen wissen, ich weiß, wer der Mörder ist!" "Ach ja? Und wer?" Die Stimme der Polizistin triefte vor Ironie. Diese Möchtegern-Detektive waren doch meist nur in einer Sache erfolgreich, nämlich darin, die Arbeit der Polizei zu erschweren. Cayvyn blickte sich abermals gehetzt um. "Es ist gefährlich", verkündete er dann verschwörerisch. "Seit ich den Namen weiß, ist offenbar ein Syndikat hinter mir her!" "Oh, wirklich? Dann wollen wir Sie nicht weiter bei Ihren Ermittlungen stören." Die Polizisten ließen ihn stehen und gingen kopfschüttelnd weiter. Diese Naraviner waren schon ein bißchen paranoid. Als sie verschwunden waren, lachte Cay leise und sprang ebenfalls zur Lightning, wo Alan bereits ungeduldig auf sein Auftauchen wartete. "Hi Alan. Alles geregelt!" "Schön", meinte dieser. "Ich kann mich da wohl nicht mehr sehen lassen." "Es sei denn, du düst wieder nach unten, und ich schminke mich als Sir Alayn und stelle etwas an." "Was willst du anstellen?" fragte Alan mißtrauisch. "Hm. Zum Beispiel den Polizeicomputer filzen, was die herausgefunden haben." "Aha. Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, wie ich aus dieser Sache wieder rauskommen kann." "Vermutlich. Also, los nach unten! Du solltest dich am besten verhaften lassen, dann können die von der Polizei auch nicht sagen, du hättest irgendwelche Zeugen bestochen, um dich zu entlasten. - Ach ja, und gib den TM-Gürtel besser vorher wieder Kary zurück." "Ja, werde ich machen. Hoffentlich komme ich da wieder heraus." Alan machte sich gleich auf den Weg. "Kommst du", versicherte ihm Cayvyn, ehe er das passende Make-Up heraussuchte, um sich in Sir Alayn von Fayn-Devrayn zu verwandeln. Anschließend sprang er in sein Quartier, von wo er sich in Richting Stationspolizei-HQ schlich. Alan? funkte er, als er in Reichweite war. Ja? antwortete dieser. Ich stecke mittlerweile in einem Verhörzimmer. Gut. Du bist da. Ich starte nun meine Aktion. Cayvyn wanderte durch einen Wartungsschacht bis zur Polizei-Computerzentrale. Dort warf er eine Betäubungsgranate, und als alle Polizisten k.o. am Boden lagen, machte er sich am Computer zu schaffen. Als er endlich alles gefunden hatte, was er finden konnte, löste er den Alarm aus, woraufhin einige Polizisten von nebenan den Computerraum stürmten. Zum Glück hatte sich das Betäubungsgas bereits verflüchtigt. Die Polizisten waren total verwirrt, als sie Cayvyn erblickten. Dieser Typ wurde doch gerade im Nebenraum verhört?! "Oh, hallo", meinte Cay grinsend. "Entschuldigen Sie die Störung. Ich hätte mich auch gerne noch etwas mit Ihnen beschäftigt, aber ich muß wieder gehen." Er transmittierte sogleich auf die Lightning zurück, um wieder Sir Cayvyn von Süd-Ayryana zu werden. Nach diesem dreisten Auftritt Cays wurde Alan noch einmal verhört. Ob er einen Zwillingsbruder hätte? Alan verneinte wahrheitsgemäß, denn Cayvyn war nicht sein Zwilling. Kurze Zeit später durfte Alan nach vielen wortreichen Entschuldigungen des Polizeichefs wieder gehen. Er atmete auf. "Hallo Sir Alayn", begrüßte Cay diesen im Speisesaal, der wie meist zum ständigen Treffpunkt auserkoren worden war. "Guten Abend, Sir Cayvyn", erwiderte er. "Ich hörte von Euerer Inhaftierung. Was geschah, daß es die Polizisten veranlaßte, Euch in den Karzer zu sperren?" fragte Cay amüsiert. "Es lag nur eine Verwechslung vor." "In der Tat? Gibt es jemanden hier auf Iskavar-1019, der Euch derart ähnelt, daß eine Verwechslung möglich wäre?" "Es besteht die Vermutung, daß es sich bei dem Gangster um Infinity handelte." "Das ist ja entsetzlich!" rief Cayvyn aus und mußte schwer an sich halten, um sich nicht durch ein Kichern zu verraten. Offenbar eilte ihm sein Ruf als der geheimnisvolle Ryko Infinity Maiell überall voraus. "Nicht wahr? - Aber was sucht dieser Ganove auf der Raumstation?" "Wer weiß das schon? Aber hat er dann nicht jenen anderen Verbrecher ausgeschaltet? Man munkelt da so dies und das." "Ich habe auch etwas darüber gehört." "Und warum wählte er gerade Euer Erscheinungsbild?" "Das weiß wohl nur er selbst." "Es ist alles überaus mysteriös! Wer weiß, vielleicht wird er ja auch einmal als meine bescheidene Person auftauchen?" "Wahrlich, wer weiß schon, was Infinity als nächstes tun wird." "Wir sind ja gar nicht mehr sicher auf Iskavar-1019!" "Das sind wir schon länger nicht mehr", meinte Alan. Womit du nicht ganz unrecht hast, bestätigte Cay über Funk. "Da bist du! Das ist ja wieder mal absolut typisch", zeterte Alycia. Sie hatte es überhaupt nicht gut gefunden, daß ihr Gefährte sie wie ein altes Möbelstück abgestellt hatte, um Ryel hinterherzujagen. Mit Mühen hatte sie zunächst ihr Quartier und nach einer gefrusteten Kleiderwechselorgie (sie trug nun einen metallicschwarzen Schuhanzieher-Overall der Marke Wilma), hatte sie beschlossen, Cayvyn im Speisesaal zu suchen - wo sonst? "Guten Abend, Lady Alycia", wurde sie von Alan begrüßt. "Einen wunderschönen guten Abend!" "Aber, Mylady..." Sir Cayvyn nahm sie kurzerhand in die Arme, wobei er peinlich darauf achtete, daß sie sich nicht losreißen konnte, um ihm eine Ohrfeige oder Schlimmeres zu verpassen. Er gab ihr einen Kuß auf die Nasenspitze, und sie funkelte ihn zornbebend an. "Laß mich sofort los!" zischte sie ihm zu. "Nur, wenn du dich zivilisiert benimmst", meinte Cay amüsiert. Alan enthielt sich lieber eines Kommentars; es ging ihn ja schließlich nichts an, wenn die beiden sich stritten. Aber es war doch irgendwie ausgesprochen erheiternd. "Ich denke aber nicht daran!" Acy trat ihrem Partner kraftvoll auf die Zehen, was jedoch wie üblich leider keine Wirkung zeitigte. "Dann lasse ich dich auch nicht los." Alan betrachtete die beiden interessiert, wie auch diverse andere Leute, die sich gerade in der Nähe befanden. "Seufz!" machte Alycia nach bestimmt einer Viertelstunde. "Na gut." Es war zu frustrierend, daß Cay nicht über einige bestimmte menschliche Bedürfnisse verfügte. Sie jedenfalls mußte dringend auf die Toilette. "In Ordnung. Ich werde dir keine runterhauen", flüsterte sie. 'Jetzt nicht', setzte sie in Gedanken hinzu. "Bitte sehr!" Cayvyn ließ sie los, und Acy stürmte von hinnen. Alan sah ihr verwirrt hinterher. Was war nun wieder? Sein 'Bruder' grinste ihm zu. "Frauen!" Zu dem Thema erwiderte Alan doch besser nichts. 25 Minuten darauf war Alycia retour, diesmal in einem tiefschwarzen Abendkleid mit gleichfarbigen langen Handschuhen und Stiefeletten. Das entsprach genau ihrer Stimmung. Auch Nardia kreuzte unerwartet auf, sie war endlich einmal ausgeschlafen. Acy futterte sich derweil durch das Buffet. Plötzlich sah sie fasziniert auf, schien einen Moment zu überlegen und wetzte dann davon. Als sie - abermals eine Viertelstunde später - zurückkehrte, war sie ganz in Neonpink gewandet. Alan fragte sich, wie lange das wohl noch so weitergehen würde. Nad hatte sich unterdessen ebenfalls am Buffet bedient; sie hatte einen Riesenhunger. Acy hing schon wieder halb in der Schüssel, von der sie sich gerade fortbewegt hatte und knabberte einen platten, kleinen, blauen fünfzackigen Stern nach dem anderen. "Wie schmeckt das?" wollte Nardia wissen. "Mampf, knabber... Einzigartig!" "Ich auch!" Nad griff gleichfalls in die Schüssel. "Das ist etwas neues von Enaryshavell: gröstete, gefärbte und pikant gewürzte Fareak-Sternchen", erläuterte Alycia begeistert. (Fareaks sind ein ein nahrhaftes Knollengemüse von Enaryshavell.) "Dafür schmecken sie aber gut!" "Eben! Ich hasse Fareaks - aber diese Blue Stars..." "Naja, Fareaks sind eben Fareaks. Aber das Zeug ist echt lecker." "Knurps, knabber, kau", war von Acy zu hören, und Nad mampfte ebenfalls genüßlich. Erstere betrachtete sorgenvoll, wie der Blue Star-Stand der Schüssel bedrohlich abnahm. Ein Glück, daß sie gerade den halben Duty Free-Shop der Raumstation bezüglich dieser Teile leergekauft hatte! Hm. Diese Dinger waren eine echte Bedrohung für ihre Figur. 'Schluß jetzt!' dachte Nardia, gleichfalls um Pfunde und Zentimeter besorgt. Eine derartige Völlerei würde ihr Kleid nicht mehr lange mitmachen. Sicherheitshalber begab sie sich außer Reichweite der blauen Sterne. 'Seufz! Leer!' dachte Alycia betrübt, denn auch andere Leute hatten die Delikatesse ausgemacht. "Ist inzwischen was Neues passiert?" wollte Nardia wissen. "Ja! Ich habe die Blue Stars entdeckt!" "Graaa", machte Nad. "Ich meine in bezug auf den Mordfall." "Eigentlich nicht - nur, daß Sir Alayn bei der Verfolgung Ryels verhaftet worden ist, dann ein Doppelgänger von ihm erschien, der den Polizeicomputer hackte und ihn somit entlastete, wobei mittlerweile alle an Bord der festen Überzeugung sind, daß Blackfire und Infinity hier herumhängen und etwas damit zu tun haben. Nein, sonst ist nichts weiter los gewesen." Nardia sah sie erstaunt an. Anscheinend hatte sie die ganze Action wieder einmal verschlafen. "Naja, das war's halt. Wir haben immer noch keine Spur, da Ryel erneut untergetaucht ist." "Seufz", machte Nad. Immer wenn sie auf dem Plan erschien, wurde es ätzend langweilig. "Wir sollten uns weiter auf die Suche nach Ryel machen", schlug Acy vor. "Die Raumstation ist groß!" "Aber er wird sich nicht überall verstecken können. Die Maschinensektion ist gesperrt wegen der Unfallgefahr, und wenn man nicht lebensmüde ist, geht man auch nicht in die Nähe eines laufenden Ultraraumtriebwerks. Die ultradimensionalen Verzerrungen haben doch stets einen seltsamen Effekt auf die Psyche von lebenden Wesen." "Trotzdem gibt es noch genügend Möglichkeiten." "Mir fiel gerade etwas Übles ein. Vermutlich weiß Ryel ebenfalls, was ich gerade erwähnte - auch, wenn er von einem ultimaten Hinterwäldlerplaneten stammt - und versteckt sich erst recht bei der Triebwerkssektion." "Du willst wirklich dahin?" "Nein." Auch wenn sie bei der Lightning bereits diverse Justierungen bei laufendem Triebwerk vorgenommen hatte, riß sich Alycia nicht um den Job. "Gut", meinte Nad erleichtert. "Aber wir sollten es trotzdem tun." "Wirklich?" "Ja." "Seufz!" "Ziehen wir uns um!" "Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig." Die beiden Frauen düsten zu ihren Quartieren und trafen sich zehn Minuten später in sinnvolleren Klamotten wieder: Nardia in einem einfachen, dunklen Arbeitsoverall und Acy in ihrem silbernen Blackfire-Einsatzcoverall, direkt mit passender schwarzer Perücke und Kontaktlinsen. "Also dann!" meinte Blackfire und stürmte voran. Auf halbem Weg wurden die Ladies von Cayvyn und Alan abgefangen. "Wohin des Weges, meine Damen?" wollte Cay wissen. "Wir machen ein bißchen Sport", behauptete Nad. "In dem Aufzug?" Cayvyn betrachtete seine Partnerin stirnrunzelnd. "Naja, wir sind auf der Jagd", meinte Karylla. Alan sah sie zweifelnd an. "Nach was oder wem? "Ryel." "Ich habe es mir gedacht", stöhnte er. "Ich bin gleich wieder da!" sagte Cay, transmittierte fort und erschien drei Minuten später ganz in silber, weiß und schwarz von der Lightning retour. Als Sir Cayvyn sollte er sich sinnvollerweise nicht mit Blackfire sehen lassen. "Tse, das wird die Gerüchteküche zum Brodeln bringen", stellte Alan fest. "Ich werde besser hierbleiben. - Lady Nardia, wolltet Ihr nicht mit mir essen gehen?" fragte er und ergriff ihren Arm. "Okay!" Infinity war sehr angetan von dem Faktum, daß Alan sich nun wohl tatsächlich um Nardia zu kümmern gedachte. Mit Kary zusammen joggte er zum Maschinenraum, obwohl Ryel sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 89 Prozent nicht dort befand. Dunnlorner mochten schließlich keine Technologie. Gut eine Stunde später gaben Blackfire und Infinity - verdreckt bis zum geht-nicht-mehr, da sich offenbar noch nie ein Reinigungsrobot in die hiesigen Wartungsschächte verirrt hatte - die Suche auf und mußten sich gut 1 1/2 Stunden schrubben, ehe sie wieder zivilisiert aussahen. Als Sir Cayvyn und Alycia Cherylla Blade kehrten sie in den Speisesaal zurück. Nardia und Alan saßen immer noch bei Tisch. Alan hatte sich sichtlich einmal zusammengenommen, so daß man durchaus davon sprechen konnte, daß die beiden sich gut unterhielten. Cayvyn sah zufrieden zu den zweien hinüber und setzte sich nebst Acy an einen Nebentisch, was ihm einen leicht verwunderten Blick von ihr eintrug. Alan und Nardia bemerkten dies ebenfalls mit Irritation. Was hatte Cayvyn nun wieder vor? "Cay?" fragte Acy leiste. Sie zog ihn zu sich herüber, hauchte ihm einen Kuß auf die Lippen und flüsterte: "Was soll das denn vorstellen?" "Stören wir die beiden lieber nicht", gab er ebenso leise zurück. Unvermittelt kicherte Alycia los. "Du willst sie tatsächlich nochmal verkuppeln! Du bist mir ein süßer kleiner Cupido." Sie kletterte bei ihm auf den Schoß und schlang die Arme um ihn. "Aber ich bezweifle irgendwie, daß Nad ein drittes Mal auf Alan hereinfällt", wisperte sie ihm weiter ins Ohr. Alan maß sie mit mißtrauischen Blicken, und auch Nardia fand das sehr merkwürdig. Irgendetwas schien Cay damit zu bezwecken, daß er sich nicht zu ihnen setzte. Es hatte sicherlich nichts mit seinem Herumgeschmuse mit Acy zu tun, das tat er ja auch sonst an jedem möglichen und unmöglichen Ort. Sie hatte da so einen unbestimmten Verdacht, der ihr überhaupt nicht gefiel, und außerdem schien es ihr, daß die beiden über sie sprachen. "Was gibt es denn um diese Zeit noch zu futtern?" erkundigte sich Acy neugierig. "Nach meinen Informationen wird um 19:00 Uhr das Spätbuffet eröffnet. - Aber du willst doch nicht schon wieder essen?" Cayvyn piekste prüfend leicht in ihren Bauch. "Ihr werdet dick, meine Liebste!" "Püh!" Sie gingen Richtung Buffet. Unterdessen hatte Nad beschlossen, daß sie Cayvyns potentioneller Planung präventiv einen Strich durch die Rechnung machen würde, in dem sie erst einmal verschwand. "Aber ein paar Gürkchen darf ich doch?" Alycia sah ihren Gefährten bettelnd an. "Na gut. Aber nur ein paar Gürkchen!" Alan hatte sich derweil gleichfalls zum Buffet begeben, denn er hatte immer noch Hunger, und außerdem gefiel ihm der Blick nicht, den sein Bruder ihm und Nardia zugeworfen hatte. Das würde dem so passen. Acy schaute zu Cay herüber. Mist, er guckte die ganze Zeit! Also gab es diesmal wirklich nur Gurken, dabei lächelten ihr die Blue Stars so verlockend zu. Alan betrachtete die junge Frau ebenfalls. 'Schon wieder Diät?' fragte er sich. Alycia stocherte lustlos in den Würzgurken herum. "Seufz!" "So betrübt, Lady Alycia?" erkundigte sich Alan. "Ja! Da drüben ist eine wahre Köstlichkeit, und ich muß mich mit Gürkchen begnügen!" "Muß?" "Zwangsdiät." "Das ist wahrlich ein Grund für Euren traurigen Blick." "Eben. Mein Lord Cayvyn sagt, ich werde dick." "So?" Alan maß Acy mit einem abschätzenden Blick. "Sagt er!" schmollte sie. "Aber das stimmt doch gar nicht." "Nein?" Sie sah ihn hoffnungsvoll an. "Hm. Dann kann ich ja doch..." Ihre Hand wanderte zu der Blue Star Schüssel, doch eine andere Hand fing sie ca. 5cm davor ab. "M-mh", machte Cay kategorisch. "Gürkchen!" "Ziemlich gnadenlos", befand Alan. "Allerdings", stimmte Acy diesem zu und lehnte sich zurück, da Cayvyn sie sowieso festhielt. Er spiekste einen Würzgurkenwürfel auf und begann, seine Gefährtin zu füttern. 'Das ist doch wenigstens etwas', dachte diese belustigt und ließ es geschehen. Alan schüttelte den Kopf. Cayvyn setzte doch stets seinen Willen bei ihr durch - jedenfalls, wenn sie nicht Blackfire und Infinity spielten. In diesem Fall war ja stets Blackfire die 'führende' Persönlichkeit. "Wohin hat sich denn mein Schwesterherz verzogen?" erkundigte sich Alycia. "Kauft sie auch Blue Stars im Duty Free-Shop?" "Lisha", meinte Cayvyn tadelnd. "Auch? - Heißt das, du hast dir diese Dickmacher bereits zugelegt?" "Ooch, Cay!" "Tse! Warum sind nur alle so verrückt nach diesem Zeug?" wunderte sich Alan. "Es ist lecker", seufzte Acy. "Und hat pro 100 Gramm bestimmt 2500 Joule!" warf Cayvyn ein. Alan fand die Teile viel zu klein; davon mußte er viel zu viele essen, um seinen Bedarf zu erfüllen. "Seufz", machte Alycia. "Wo hast du sie versteckt?" fragte ihr Gefährte streng. "Grummel", machte sie, denn Cay würde bestimmt ihr ganzes Quartier umpflügen, bis er die Dinger hatte. Wenn es um Diäten ging, war er immer überaus gründlich. "Auf jeden Fall da, wo du nicht suchst", meinte Alan amüsiert und wandte sich wieder den Fressalien zu. "Hm, hoffentlich kriegt Nad noch welche von den Teilen", überlegte Acy halblaut. Ihre Schwester tauchte soeben wieder im Speisesaal auf und steuerte sogleich auf das Buffet zu, da sie den Rest der Truppe dort erspäht hatte. "Hast du noch welche gekriegt?" wurde sie von Alycia in Empfang genommen. Nad sah sie verwirrt an. "Was? "Blue Stars!" "Was soll ich damit?" "Essen!" "Die sind viel zu ungesund." "Alle sind gegen mich", jammerte Acy. "Warum?" wollte Nardia wissen. "Hier darf ich nur Gürkchen essen, zu Hause wird mein Schatz gleich meine Blue Stars konfiszieren - weil sie angeblich dick machen! - und du hast nicht mal eine Reserve davon." "Du willst doch nicht genauso breit wie hoch werden." "Püh!" machte Alycia schmollend. "Mir scheint, Sir Alayn ist der einzige, der nichts an meiner Figur auszusetzen hat!" Das brachte diesem einen sehr gefährlichen Blick von Cayvyn ein. "Tse", machte Nardia. Das war ja interessant. "Ich habe doch auch nichts daran auszusetzen", bemerkte Cay mit hochgezogenen Augenbrauen. "Noch nicht! Und ich will nicht, daß sich das ändert." Nad war sehr nachdenklich. Jetzt war ihr gerade klargeworden, warum Sir Cayvyn so entschlossen war, sie mit Sir Alayn zu verkuppeln: Er wollte diesen anscheinend als Rivalen ausschalten! "Hm. Wenigstens etwas", meinte Acy, immer noch schmollend. Cay stopfte ihr ein weiteres Gurkenstückchen in den Mund. "Ob eine solche Diät das verhindern wird?" fragte Nardia. "Dann nascht sie bestimmt heimlich." "Nicht, wenn sie komplett mit Gürkchen abgefüllt ist", erklärte Cayvyn grinsend, und Alycia seufzte fatalistisch. Er pflegte solcherart Drohungen in der Regel auch wahr zu machen. "Pfui", meinte Nad nur. "Aber es hilft", versicherte Cay. "Naja", zweifelte Nardia. "Danke", grummelte Acy. "Und du hast wirklich keine?" Ihre Schwester grinste sie nur an. "Seufz!" Alycia wandte sich zu Cayvyn um. "Es reicht! Ich kann nicht mehr! - Sonst platze ich hier und jetzt und verteile Gürkchen überall im Speisesaal." "Nun gut." Er beendete die Fütterung und hielt sie lediglich weiter fest. Dabei hätte Nardia es doch zu gerne gesehen. "Wo mag Ryel jetzt stecken?" überlegte Acy laut. "Keine Ahnung", entgegnete Nad. "Wir müssen ihn aber finden! Vor allem, wo mittlerweile die Stationspolizei überall herumdüst und nach Blackfire und Infinity fahndet", meinte Alycia. "Vielleicht sollten wir einfach alle wahrscheinlichen Aufenthaltsorte des Dunnlorners durchsuchen", schlug Alan vor. "Gut. Fang an!" "So war das nicht gemeint." "Welche Orte hältst du denn für wahrscheinlich?" "Hm, alles mit Grünzeug, diverse Kabinen, Lagerräume, alle Orte, an denen sich nicht viele Leute befinden", zählte Alan auf. "Nun gut. Fangen wir mit dem Grünzeug an. Wie wäre es mit der hydroponischen Anlage, nachdem er wohl kaum mehr in den botanischen Garten gehen dürfte?" "Dann mach dich schon mal auf den Weg!" grinste Alan. "Nach dir, mein Bester." "Warum?" "Warum muß immer ich die Führung übernehmen?" "Du bist der Boß!" Alans Grinsen verbreiterte sich. "Hm." Brummelnd machte sich Alycia auf den Weg zu Hydroponik, während Alan sich nochmals am Buffet bediente und keinerlei Anstalten machte, ihr zu folgen. Cayvyn sah nachdenklich zu seinem Bruder herüber, ehe er hinter Acy herspurtete. Er wollte sie lieber nicht alleine losziehen lassen, wo doch immer noch andere Attentäter herumspringen konnten - und außerdem war Ryel von Dunnlorn. Nardia zuckte mit den Schultern. Sie würde warten, bis die beiden zurückkamen, denn sie war ja eh nur im Weg. Seufz. Alan zog derweil los, um wenigstens einen Teil der anderen Orte zu abzusuchen. Natürlich war Ryel weder in der hydroponischen Anlage, noch an einem der anderen 'wahrscheinlichen' Aufenthaltsorte, die Acy & Cay, sowie Alan aufsuchten. Ziemlich gefrustet kehrten sie zum Speisesaal zurück, doch Alan und Nardia waren offenbar bereits in ihre Quartiere gegangen. "Keiner mehr da", stellte Alycia fest und gähnte herzergreifend. "Ich will auch endlich ins Bett." Cayvyn nickte nur, und sie zogen sich ebenfalls zurück. Morgen war auch noch ein Tag. 3763/04/17 GZ Alan war schon ziemlich zeitig am Frühstücksbuffet erschienen. Was sollte er auch sonst unternehmen? Er hatte zwar noch die ganze Nacht nach Ryel gesucht, doch dieser war einfach unauffindbar. Gefrustet genehmigte er sich ein ausgiebiges Morgenmahl. "Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich Euch, Sir Alayn", sagte Cayvyn. "Ich sehe, ach Ihr hattet keinen Erfolg bei der Jagd?" "Nein, nicht mal eine Spur!" erwiderte Alan. "Bei uns auch nicht. Es ist wie verhext!" beschwerte sich Alycia, nachdem sie Sir Alayn ebenfalls begrüßt hatte. "Allerdings." Alan verspeiste noch ein Brötchen. Cayvyn hatte unterdessen unter den seltsamen Blicken der anderen Gäste eine ganze Kalte Platte vom Buffet entführt und vernichtete ein Stück nach dem anderen. "Und die Polizei hat nicht eine Spur im Fall Sir Ewayn", stellte er fest. "Ich frage mich, ob sie überhaupt das Gift klassifizieren konnten. Es ist mehr als unüblich." "Ich glaube nicht, cdenn sonst hätten sie sich auch auf die Suche nach Ryel gemacht. Und sie hätten eine Fahndung nach Coryn einleiten müssen, da dieser ebenfalls ein Dunnlorner ist und sich sogar kurz nach der Tat von der Raumstation entfernte." "Vielleicht versucht uns jemand glauben zu machen, daß ein Dunnlorner der Täter ist", überlegte Acy. "Das sieht doch aus, als wollte man gezielt den Verdacht erwecken." "Stimmt", nickte Alan. "Es gibt schließlich genügend Gifte, die man überhaupt nicht nachweisen kann - und wer nimmt schon so ein auffälliges Gift, wenn er nicht will, daß man eine Spur verfolgen kann." "Hm. Das ist alles so undurchsichtig", beschwerte sich Alycia. "Aber mitnichten!" Cayvyn sah aus, als habe er den ultimaten Geistesblitz. "Ich als Meister der Detektivkunst finde mittlerweile alles völlig klar. Wir haben zwei Gruppen, die einen Vertrag schließen wollen und offenbar eine dritte, die das zu verhindern sucht. Daher wird jemand von einer Gruppe umgebracht, um den Vertrag zu verhindern." 'Meister der Detektivkunst', dachte Alan belustigt. Aber Cays Idee war nicht ganz von der Hand zu weisen. "Seufz, du hast zu viele Agentenholos geguckt", meinte Acy amüsiert. "Wir sollten uns liieber um die Fakten kümmern, und die scheinen noch etwas anders zu liegen, denn immerhin wurde auf uns ein Anschlag verübt, als wir Ryel verfolgten. Irgendwie muß dieser also auch mit da drin hängen." "Hm, ich sehe da momentan aber keinen Zusammenhang", warf Alan ein. "Ich sehe dummerweise überhaupt keine Zusammenhänge", seufzte die junge Frau. "Es hat doch niemand einen Vorteil davon, wenn der Vertrag zwischen Eleandelor und Naravina scheitert!" "Ich kann es mir auch nicht vorstellen", sagte Alan nachdenklich. "Eleandelor hat eher Nachteile davon, und Naravina wäre es ziemlich egal", fügte Cayvyn hinzu. "Eben. Das bringt uns also keinen Schritt weiter." Alan biß ungehalten in sein Brötchen, als wäre dieses an der Misere schuld. "Hat Eleandelor irgendwelche Feinde?" wollte Alycia wissen. "Unmöglich", wehrte Cay ab. "Naravina ist nachgewiesenermaßen deren erster außenweltlerischer Kontakt." "Seufz", machte Alan. "Ich verstehe es immer weniger." Acy leerte die mittlerweile zweite Kaffeetasse, vielleicht kurbelte das ihre Denkprozesse an. "Oder hat Dunnlorn explizit Feinde? Okay, die Enaryshaner sind nicht unbedingt gut auf die Dunnlorner zu sprechen, aber auf Enaryshavell hätte man viel zu viel Angst vor ihnen, um eine Konfrontation zu provozieren." "Sonst ist in der FGS viel zu wenig über den Planeten und seine Bewohner bekannt", bemerkte Alan. "Man ignoriert zumeist einfach seine Existenz." "Und auf Naravina würde niemand freiwillig etwas gegen Dunnlorn unternehmen", fügte Cayvyn hinzu. "Es gibt eine alte Legende aus der Zeit vor der legendären Hochkönigin Ysadora, als ein narasynisches Eroberungskommando, wie es damals üblich war, einen neuentdeckten Planeten zu besetzen versuchte. Dessen Bewohner waren offenbar technisch ziemlich zurückgeblieben, so daß man sie als einfache Haussklaven abzurichten gedachte, doch plötzlich wandten sie ungeheure Gedankenkräfte an und fegten die Eroberer hinweg. Nur ein Mann überlebte, um das furchtbare Geschehen nach Hause zurückzutragen. Er berichtete von Humanoiden mit riesigen dunklen Augen, aus denen Tod und Verderben sprühten. Naja, es gibt viele Leute auf Naravina, die halten Dunnlorn für eine Reinkarnation jenes Planeten." (In der Zeit der Alten Kriege vor mehreren tausend Jahren hieß Naravina noch Narasyn und herrschte über ein gewaltiges Sternenreich.) "Ich würde sowas auch unter keinen Umständen tun", meinte Alan. "Dunnlorner auf ihrem Planeten anzugreifen, ist so ziemlich das Blödeste, was man tun kann." "Das würde ich auch sagen", bestätigte Alycia düster. "Wart Ihr denn schon mal da?" fragte Alan. "Nein. Aber ich weiß, daß sie Abkömmlinge der alt-enaryshanischen PSI-Kasten sind." "Durchaus, aber sie sind trotzdem nicht so wie ihr Ruf - es sei denn, man greift sie an." "Ich kenne die Gaben jener Kasten, und wenn nur die eine oder andere überlebt habt, dann ist man auf Dunnlorn seines Lebens nicht sicher!" "Eure Mutter war anderer Meinung." "In der Tat?" "Ja. Sie hat mal Urlaub auf Dunnlorn gemacht, und es hat ihr gefallen." "Sie hat mir nie davon erzählt", sagte Acy verwundert. "In der Schule lernten wir nur von den Schiffen der Ausgestoßenen." "Sie sind anders, aber durchaus nicht furchtbar." "Und was ist mit den Kindern der alten Geisteskrieger? Der Telianna, Semmira und wie sie alle hießen?" "Die Gaben existieren durchaus noch, aber sie werden nicht mehr eingesetzt." "Man hat sie nicht ausgelöscht?" fragte Alycia empört. "Nein, warum auch? Können sie etwas dafür, mit diesen Talenten versehen zu sein?" Alan dachte über den Urlaub von Marycia und Tyron auf Dunnlorn nach. Den Daten nach, die er in seinen Speicher hatte, waren die Dunnlorner überaus freundlich, was auch mit seinen eigenen Erfahrungen übereinstimmte. Acy schwieg. Das Thema der verbotenen Gaben war heikel für eine Enaryshanerin. Auf dem alten Enaryshavell war man entsetzt über die Verbrechen der Vorväter, aus ehemals natürlichen, 'harmlosen' PSI-Fähigkeiten verschiedene Killer-Talente zu züchten, die ursprünglich im Kampf gegen das Naysyny-Imperium eingesetzt werden sollten, sich aber später auch gegen das eigene Volk richteten. Daher wurde vom damaligen Geisteskonzil beschlossen, alle dieser 'tödlichen Fähigkeiten' auszulöschen, um die restlichen Menschen zu schützen. Zu oft hatte es Clanherren und -meisterinnen aus jenen Kasten gegeben, die mit Hilfe ihrer Begabungen alle Personen in ihrem Einflußbereich unterdrückten. Jedes enaryshanische Kind lernte heutzutage in den Schulen, daß jene Jagden der Vergangenheit gut gewesen waren und nur dem Wohle der übrigen Menschen gedient hatten, die in ständiger Furcht vor den mentalen Vampiren der Telianna gelebt hatten, den Bewußtseinstransferatoren der Endrienna, die ihr Bewußtsein im Augenblick des Todes auf einen jungen Körper übertragen konnten und dessen Geist damit auslöschten, und den übrigen PSI-Kasten mit den 'tödlichen Gaben'. Alycia beschloß jedoch, diese unguten Gedankengänge abzuschütteln. Alan hatte vermutlich recht, aber die andere Überzeugung war ihr fast ihre ganze Jugend hindurch auf Enaryshavell eingeimpft worden, und so etwas zu überwinden war extrem schwierig. Es war ja beinahe eine Welt für sie zusammengebrochen, als sie von ihrer Mutter erfahren hatte, daß sie eine Rhianna war und somit ebenfalls zu den in der Antike verfolgten Kasten gehörte. Zum Glück war die Rhianna-Kaste heutzutage so gut wie bedeutungslos, so daß sich kaum noch jemand an ihre Gaben erinnerte. Acy verfügte zwar noch über die Rhianna-Fähigkeit, hatte sie aber mangels ständigem Training so gut wie verlernt. Nun erschien Nardia im Speisesaal. 'Schon alle da', dachte sie überrascht. Sonst war ihre Schwester doch eine ausgesprochene Langschläferin "Guten Morgen!" "Hallo", sagte Alycia einsilbig. "Hast du noch keinen Kaffee gehabt?" fragte Nad vorsichtig. "Doch." Nardia sah sie irritiert an. Warum war sie dann so schlecht gelaunt? Am besten übersehen... Sie lud sich einen Teller voll. Acy holte sich einen weiteren Kaffee. Sie haßte es, an die ganzen alten Geschichten erinnert zu werden. Warum war sie nur keine Tarishaanerin? Die hatten diese Probleme nicht. Nad kaute genüßlich an ihrem Brötchen. Wie gut, daß ihr niemand das Essen verbot. Alycia ging zu Cayvyn herüber, der ihre trübe Stimmung verwundert bemerkte und sie in die Arme nahm. Irgendwie mußte sie ein schwerwiegendes Gespräch verpaßt haben, dachte Nardia. Jedenfalls war die Atmosphäre danach. Cay sah Alan gestreßt an, und dieser guckte verwirrt zurück. Was denn jetzt? Du solltest besser nicht auf dieses Thema zurückkommen, meinte Cayvyn per Funk. Sie hat ein Problem damit. Das habe ich jetzt auch gemerkt. Du hättest mich auch früher warnen können. Nicht so rasch, seufzte Cay und streichelte seine Gefährtin zärtlich. Ich werde es nicht wieder erwähnen, versprach Alan und wandte sich erneut dem Buffet zu. Gut. "Wir sollten uns weiter um den Mord kümmern", schlug Cayvyn vor, um sowohl Alycia abzulenken als auch sich selbst etwas Abwechslung zu verschaffen. "Und was sollen wir tun?" fragte Alan. "Wir haben immer noch nichts neues." "Wir könnten uns mal um deinen Attentäter kümmern. Wer war er? Wo kam er her?" "Versuchen können wir es ja mal." "Na los, Lisha", sagte Cay aufmunternd, ehe er leise fortfuhr: "Du wolltest dich doch sicherlich schon immer einmal an einer Obduktion versuchen." "Igitt! Seit wann bin ich auch noch Pathologin? Ich dachte, Androidenkonstrukteurin, Raumerpilotin, Erfinderin etc. reicht." "Man muß sich immer mal verändern, und die Biolab-Konfiguration der Lightning ist bislang kaum genutzt worden." "Seufz, und was soll ich tun?" "Erst einmal herausfinden, woher der Typ kommt, also Blut und Knochen untersuchen." "Viel Spaß!" wünschte Nad und schüttelte sich. "Ich liebe es! Nur weil ich in Bio eine 10 hatte, meint mein herzallerliebster Schatz, ich müßte sowas können!" Nardia lächelte sie an. "Ach ja?" "Grummel!" "Es ist doch ein Vorteil, daß ich auf dem Internat für Höhere Töchter war." "Ich war ja auf einem wissenschaftlichen Internat", seufzte Acy. "Aber außer Würmern mußte ich noch nie etwas sezieren." "Pfui", meinte Nardia angeekelt. "Sei froh, daß dir das erspart geblieben ist. Große, glibberige rosa Würmer, und mir ist beinahe das Skalpell wegen diesem ganzen Schleim aus der Hand gerutscht. Und nachher gab es Wurm in Scheiben", erläuterte Alycia grinsend. Nad fragte sich, ob sich nicht etwas finden ließ, um Acy zum Schweigen zu bringen. "Hier essen Leute", machte Cayvyn sie dezent aufmerksam. "Oh", sagte Alycia und blickte sich um. "Nicht mehr", kicherte sie. Alan grinste sie an. Wenigstens war das Buffet so besser zu erreichen. Acy setzte eine schuldbewußte Miene auf. "Okay, okay, ich sag schon nichts mehr. Obwohl - mir könnte man nur das Essen verderben, wenn man von Spinnenragoût oder ähnlichem erzählte." "Ach ja?" fragte Nardia scheinheilig. "Hm. Du hast recht. Eigentlich auch dann nicht." "Das kommt auf den Versuch an. Vielleicht sollte ich mir in der Küche etwas besorgen." "Was?" "Na, die Spinnen aus dem hübschen Terrarium, die hier zu Schnitzeln verarbeitet werden." "Buäh, mir wird schlecht!" stieß Alycia hervor und wandte sich ab. "Fein", meinte Nad befriedigt. "So, und jetzt, wo auch die restlichen Leute das Buffet geräumt haben, kann ich endlich in Ruhe essen", meinte Cay begeistert. "Wahrlich, endlich mal kein Gedränge", stellte Alan fest. "Hm", machte Acy und fischte nach den Blue Stars. Doch als sie gerade den Mund aufmachte, um das eben eroberte Teil zu verspeisen, hatte sie schon wieder eine Gurke verabreicht bekommen. "Denk an deine Diät", empfahl Cayvyn ihr. "Seufz!" Nardia grinste ausgesprochen niederträchtig und genehmigte sich gleich ein paar der Blue Stars. Acy sah sehnsüchtig zu, wie diese in Nads Mund verschwanden. Das geschah ihr nur recht, dachte diese, warum mußte sie auch groß und breit von diesen Würmern erzählen? "So, jetzt hast du genug gegessen!" stellte Cay fest. "Eine Gurke?" "Eben. - Also, auf zu sölbigem Attentäter!" "Seufz!" Cayvyn schob sie aus dem Speisesaal. Alan blickte den beiden nach, und Nardia beschloß, daß sie nun genügend gefuttert hatte. Da sie eh nichts besseres zu tun hatte, machte sie sich auf den Weg zur Freizeitlounge. Alan hingegen ging auf eine erneute Runde durch die Station, um zu sehen, ob sich nicht etwas neues ergeben hatte. "Okay, wo sind hier die Stasis-Kammern?" fragte Acy fatalistisch. "Folge mir!" Cay führte sie über einige Umwege dorthin. Der Attentäter lag reglos und ziemlich tot in seinem gläsernen Sarg, und Cayvyn desaktivierte das Stasisfeld. "Wir brauchen nur ein paar Gewebeproben", meinte er, und Alycia verzog das Gesicht, ehe sie an einer verdeckten Stelle etwas aus der Leiche herausschnipselte. "Bah", meinte sie angeekelt, als sie das Gewebestück in ein steriles Behältnis fallen ließ. "Und ein Stück Knochen, um sicher zu gehen." "Mehr Wünsche haben der Herr nicht?" Acy nahm einen Mikrolaser und sägte etwas vom Schädelknochen ab. "Nein, mir wird nicht schlecht", murmelte sie und verstaute auch dieses Teil. Danach aktivierte ihr Partner das Stasisfeld wieder, bevor sie zurückschlichen. Nardia war inzwischen in der Freizeitlounge angekommen. Sie wollte sich gerade in eine Holorama-Kammer begeben, als sie gepackt und in eine Gebüschgruppe gezerrt wurde. Sie strampelte herum, kam aber nicht los. Schließlich konnte sie ihren Entführer sehen. Das war doch dieser Dunnlorner Ryel! Wie alle Bewohner dieses Planeten hatte er sehr helle Haut, helle Haare und riesige, dunkle Augen. Nach einem Blick in Ryels schwarzgrüne Augen wurde Nardia ganz ruhig. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, obwohl sie sich bemühte, dem hypnotischen Einfluß zu entkommen. "Warum verfolgt ihr mich?" wollte Ryel wissen. Willenlos beantwortete ihm Nad alle Fragen. Inzwischen hatte Alycia die Gewebeproben präpariert und in das Rasterelektronenmikroskop des Lightning-Biolabors gesteckt, aber bedauerlicherweise konnte sie wenig mit den Bildern anfangen. "Okay, Ryko, was sagst du dazu?" Er hatte sich an den Speicher des Bordcomputers angekoppelt und ging die dort abgelegten Daten durch. "Tallwyn V/Tallwyn, gemäß der Zellstruktur seiner Knochen", eröffnete Ryko. "Blutgruppe und Genfaktoren bestätigen dies." "Seufz! Aber das bringt uns auch kaum weiter. Was für einen Sinn hatte das Attentat für einen Tallwyner?" Ryko zuckte mit den Achseln. "Kehren wir zur Station zurück." Alan widerfuhr auf seiner Suche (er war mittlerweile wieder im botanischen Garten angelangt) etwas Eigentümliches. Zunächst huschte jemand an ihm vorbei, und dann fiel er beinahe über die Leiche eines Mannes, der augenscheinlich mit einer Liane erdrosselt worden war. In dem ganzen Grünzeug konnte er allerdings keine Spur des Mörders entdecken. Alan verschwand unauffällig von der Stelle, bevor ihn die Polizei abermals erwischte. Er mußte den anderen unbedingt von dem neuen Mordfall berichten. Cayvyn und Alycia hingen schon wieder zum Buffet, wobei sie sich schon den zweiten doppelstöckigen Asteroidenkiller einverleibte. An Leichen herumzuschnipseln, zerrte auch an ihren Nerven. Dort wurden sie von Alan entdeckt. "Es gibt schon wieder einen Toten", eröffnete er ihnen. "Nein!" erklärte Acy kategorisch und kippte den Schnaps herunter. "Das würde eh nicht viel bringen, oder?" "Gut", meinte sie. Noch einmal schnipseln - nein, danke! Sie schüttelte sich. "Aber irgendwie wird es immer merkwürdiger", fuhr Alan fort. "Der Mann ist mit einer Liane erdrosselt worden." "Das klingt doch wieder nach Ryel, oder?" meinte Acy. "Überhaupt nicht. Sowas ist viel zu phantasielos für einen Dunnlorner." "Hm. Phantasielos? Was würde ein Dunnlorner denn als 'phantasievolle' Todesart bezeichnen?" fragte Alycia mißtrauisch. "Du willst es nicht wissen." "Wahrscheinlich nicht." In diesem Augenblick kam Nardia zum Buffet. "Ich habe eine Botschaft für euch", erklärte sie ärgerlich. "Eine Botschaft? Von wem? Und was?" erkundigte sich ihre Schwester neugierig. "Ryel will mit euch reden. Er ist ziemlich sauer wegen dieser Jagd auf ihn." "Oh-oh", machte Acy. "Hat er dir das erzählt?" "Sicher. Woher sollte ich das sonst wissen?" "Naja, per Brief oder so." "Nein, ich hatte das persönliche Vergnügen." "Und? Hat er dir was angetan?" "Ist das von solcher Wichtigkeit?" "Naja, wer weiß, was er dann mit uns vorhat." "Er kann bestimmt nicht mit mehreren fertig werden." "Hoffentlich!" "Ryel wartet in der hydroponischen Anlage." "Hm. Na gut. Wann?" "Jetzt." "Sollen wir hingehen?" Alycia sah mit gemischten Gefühlen zu Cayvyn hinauf, und er zuckte mit den Schultern. "Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig." "Es muß ja irgendwas zu sagen haben, daß er mit uns reden will", meinte Alan. "Allerdings könnte es auch eine Falle sein." "Nad? Was meinst du - ist es eine Falle? Du hast doch mit ihm geredet." "Ich glaube nicht. Aber ich kann mich nicht richtig an das Gespräch erinnern." "Er hat sie sicherlich unter seinen Willen gezwungen", bemerkte Acy mit zusammengekniffenen Augen. "Ich weiß es nicht", sagte Nardia hilflos. "Wir werden ihn zur Rede stellen!" erklärte Alycia. "Gehen wir", meinte Alan. "Schon unterwegs!" Die vier düsten zur hydroponischen Anlage. "Wo ist er?" Alycia sah sich zwischen den Kulturen um. "Ich bin hier." Wie von Geisterhand tauchte Ryel vor ihnen auf. "Also - kommen wir zur Sache!" Acy trat vor, um ihn ins Kreuzverhör zu nehmen. Der Typ wirkte ziemlich harmlos, aber sie war gewarnt. Sie bemühte sich, alles einzusetzen, was ihre Mutter ihr beigebracht hatte, so auch ihren geistigen Schild, obwohl sie nicht wußte, wie weit dieser reichte. Sie hätte sich doch etwas mehr darum kümmern sollen, mit ihren Talenten zu arbeiten. "Warum wollt Ihr mir diese Morde anhängen?" fragte Ryel, wobei er es vermied, sie anzusehen. "Wer sonst ist in der Lage, ein seltenes dunnlornisches Gift zu besorgen?" "Jeder, der weiß, wie man es herstellt." "Und wer, außer einem Dunnlorner, weiß das?" "Jeder, der mal auf unserem Planeten war." "Seid Ihr so freigiebig mit Eurem Wissen über die einheimischen Gifte?" "Sicher, denn wir wollen nicht, daß jemand aus Unwissenheit an giftigen Pflanzen stirbt." "Hm." Alycia überlegte. Da hatte Ryel einen Punkt. "Aber warum wurde ein Mordanschlag auf uns verübt, als wir gerade dabei waren, Euch zu stellen?" "Das nun wirklich nicht meine Schuld", bemerkte Ryel, der seinen Blick immer noch starr auf den Boden gerichtet hielt. "Warum seht Ihr mich nicht an?" wollte Acy wissen. Sie konnte es nicht haben, wenn jemand so etwas Relevantes von sich gab und dabei sonstwohin guckte. "Es ist besser so", sagte Ryel. "Ach?" "Ich weiß, wovon ich rede." "Und wovon redet Ihr?" "Daß Außenweltler es nicht mögen, wenn man sie ansieht." "Hä?" "Naja, bis jetzt haben es alle furchtbar gefunden, sind in Ohnmacht gefallen und so weiter." "Ich besitzt also tatsächlich eine der Gaben", stellte Alycia fest und ging noch mehr in Abwehrposition. "Fast jeder Dunnlorner hat eine oder mehrere davon." "Ich wußte es", meinte sie kühl. "Was?" wollte Ryel wissen. "Daß die verbotenen Gaben über ganz Dunnlorn verbreitet sind!" "Verbotene Gaben?" "Die, die unsere Vorväter auf Enaryshavell ausgelöscht haben." Ryel war entsetzt. "Wie konnte man das tun? Die Gaben sind heilig!" "Nicht wenn sie nur Tod und Unheil bringen." "Keine der Gaben wird dazu benutzt", entgegnete Ryel verwirrt. "Nein? Als Eure Vorväter verbannt wurden, waren sie die Kriegswaffen der Kasten." "Es gibt keinen Krieg, also brauchen wir auch keine 'Waffen.'" "Keinen Krieg? Man lehrt uns anderes!" "Auf Dunnlorn hat es niemals einen Krieg gegeben." "Naja", machte Acy, ziemlich irritiert. "Es war doch bei den Ausgestoßenen nicht nur eine Gruppe von denen dabei, die erbitterte Kämpfe gegen meine Vorväter ausfocht - sonst wären sie nicht verbannt worden." "Das ist wahr, aber es ist lange her. Und wir haben uns verhändert." "Vielleicht ist es so", meinte Alycia, sehr nachdenklich geworden. "Aber jedem Kind auf Enaryshavell wird von klein auf die Geschichte von den großen Geisteskriegen und der Verbannung der PSI-Kasten beigebracht." 'Denk dran, daß du eine Rhianna bist', ermahnte sie sich. 'Wie kannst du jemand anderem vorwerfen, eines der verbotenen Talente zu besitzen?' "Wir müssen mit dieser Vergangenheit leben", sagte Ryel. "Trotzdem ist es falsch, mich zu beschuldigen." "Würdet Ihr uns eventuell helfen zu versuchen, den wahren Mörder zu finden?" fragte Cayvyn, da seine Gefährtin immer noch grübelte. "Ja, das würde ich tun." "Das wäre sehr gut. Ich möchte mich hiermit bei Euch entschuldigen, Euch fälschlich verdächtigt zu haben, Monsieur Ryel", erklärte Cayvyn förmlich. "Ich danke Euch." Ryel war sichtlich erleichtert. Er hatte eigentlich nicht damit gerechnet, daß sie ihre Meinung änderten. Außenweltler waren doch sehr merkwürdig. "Gut. Dann sollten wir versuchen herauszufinden, wer diesen neuen Mord verübt hat und wer das Opfer ist", ging Cay wieder zu ihrem Hauptproblem über. "Ich habe noch nichts herausfinden können", sagte Alan. "Seufz", machte Cayvyn. Acy sagte nichts, sondern musterte nur Ryel. Dieser betrachtete immer noch den Fußboden, da er es nicht wagte, einen Außenweltler ohne Aufforderung anzusehen. "Kopf hoch, Monsieur Ryel", meinte Cay und hob eine Augenbraue. "Meine herzallerliebste Gefährtin wird Euch denselben sicherlich nicht abreißen." Der junge Dunnlorner schüttelte jedoch nur den Kopf. "Nun gut. Beschwert Euch dann aber nicht, wenn Ihr vor eine Mauer rennt, da Ihr es vorzieht, lediglich den Boden zu begutachten", stellte Cayvyn amüsiert fest. "Ich laufe nirgendwo vor", beteuerte Ryel. Cayvyn lachte belustigt. "Was ist daran so lustig?" fragte der Dunnlorner leicht beleidigt. "Wenn Ihr fürchtet, Ihr könntet zum Beispiel mich hypnotisieren, so kann ich Euch beruhigen, denn das ist nicht möglich." "Ich weiß, daß mir das nicht möglich ist. Ich werde es auch nicht versuchen." "Na bitte. Was ist dann so interessant an Euren Stiefelspitzen?" "Weil es überaus unhöflich und aufdringlich ist, andere anzustarren. Jedenfalls hat man mir das bereits des öfteren zu verstehen gegeben." "Hm. Ich finde es unhöflicher, wenn Ihr dauernd wegseht", knurrte Alycia. "Warum wißt Ihr bloß nicht, was Ihr wollt", maulte Ryel. Außenweltler waren mehr als nur komisch. "Ich weiß, was ich will", grumpfte sie zurück. "Nun, wenn Ihr darauf besteht." "Seufz", machte Cayvyn. Ryel hatte sich nun doch entschlossen, alles zu ignorieren, was irgendeiner dieser komischen Typen sagte und schaute die Gruppe also an. "Ts", bemerkte Acy interessiert, als sie in seine schwarzgrüne Augen blickte. "Coryn hat Silberglitzer in den Augen. Der nicht." 'Coryn?' überlegte Ryel. Das war wohl dieser dunnlornische ISPC-Agent, der sich häufiger in der Nähe der vier aufgehalten hatte. "Solch eine Farbe gibt es aber nicht auf Dunnlorn", stellte Ryel fest. "Nein? Bei Coryn schon." 'Sehr eigentümlich', dachte Ryel. Dieser Coryn mußte ja ein merkwürdiger Typ sein. Hoffentlich würde er ihn noch kennenlernen. "Sag mal, Cay", wechselte Acy das Thema. "Wie viele Stasis-Kammern hat eigentlich diese Raumstation? Ich meine, wenn das mit den Morden so weitergeht..." "Keine Sorge, bis zu fünfzig Opfer könnte man hier unterbringen", meinte Cayvyn mit einem schiefen Grinsen. "Hoffen wir, daß es nicht so weit kommt", warf Nardia ein. "Die drei reichen doch wirklich!" "Wir müssen eben schnell herausfinden, was Sache ist. Gehen wir also in den Stasis-Raum." Alycia setzte sich in Bewegung und winkte den anderen, ihr zu folgen. "Meint ihr nicht, es wäre etwas auffällig, wenn wir alle dahin rennen?" erkundigte sich Alan. "Hm. Gut. Ihr geht, und wir warten hier", bestimmte Acy und hielt an. "Wen meinst du mit 'ihr'?" fragte Nad mißtrauisch. "Sir Alayn. Er hat es doch vorgeschlagen." "Gut, dann soll er gehen", bestätigte sie, zufrieden, daß sie nicht mit angesprochen war. Alan seufzte tief, machte sich dann aber doch auf den Weg. Alycia übernahm unterdessen beim Rest der Truppe das Regiment. "So, und wir sollten einmal sehen, ob wir etwas über diesen Attentäter herausfinden können. Arbeitete er allein, gehörte er einer Organisation an, war er ein gemieteter Killer..." "Und wie finden wir das raus?" wollte Nardia wissen. "Hm." Auf Acys Stirn entstand eine nachdenkliche Falte. "Am besten, wir spielen Lockvögel und warten auf ein neues Attentat. Dann fangen wir den Killer und quetschen ihn aus. Voraussetzung dabei ist, daß eine Organisation hinter allem steht und die Lianen-Leiche ebenfalls von denen erledigt wurde." "Und dann ist einer von uns herüber, und wir sind immer noch nicht weiter", prophezeite Nad düster. "Ich habe nicht gesagt, daß der Lockvogel sich umbringen lassen soll!" "Schön." Ihre Schwester wirkte nicht sehr überzeugt. "Außerdem können wir ohnehin so vorgehen, daß die restlichen Mitglieder unserer Truppe ständig im Hinterhalt liegen. Ich empfehle einige Gänge, die durchwandert werden, während der Rest in den zugehörigen Wartungsschächten mitwandert und alles überwacht." "Büah! Wartungsschächte." Nardia schnitt eine Grimasse. "Ich dachte, du wolltest nicht den Lockvogel spielen." Alycia grinste sie an. "Will ich auch nicht. - Aber in den Schacht will ich auch nicht!" "Willst du dann, daß wir abwarten, bis noch mehr Morde geschehen? Du bist schließlich bei uns diejenige, die am meisten auf der Seite des Gesetzes steht!" "Das scheint nur so", behauptete Nad. "Aha." "Momentan bin ich nicht mehr bei dem Verein", wich sie aus. Sie konnte sich ja nicht direkt äußern, da Ryel dabei war, denn in der Öffentlichkeit hatte niemand eine Ahnung, daß die ISPC-Top-Agentin Jana Stardust Star mit Nardia Blade identisch war - ebenso wenig, wie man wußte, daß Karylla Blackfire Noir das Alter Ego der exzentrischen Malerin (etc.) Alycia Cherylla Blade war. "Bist du etwa schon wieder rausgeflogen?" fragte Acy irritiert. "Naja, so halbe halbe. Das Team existiert ja nicht mehr in der alten Form, und eine neue Aufgabe habe ich noch nicht." "Ich weiß schon, warum ich freiberuflich arbeite." "Ich bin auch nahe daran, die Sache aufzugeben." "Und was würdest du dann unternehmen? Auch in die Fußstapfen unseres Daddys steigen?" (Sölbiger ist Tyron Firestar Star, der berühmt-berüchtigte 'Robin Hood' der FGS - Anm.d.Verf.) Ryel hörte fasziniert dem Gespräch der beiden Frauen zu, bekam aber nur mit, daß er offensichtlich nichts mitbekam. "Nein, das werde ich wohl nicht tun", beantwortete Nardia die letzte Frage. "Sowas liegt mir nicht." "Ts ts. Naja, alles davon liegt mir ja auch nicht", bemerkte Alycia mit einem breiten Grinsen. Im Gegensatz zu Firestars Ambitionen, jedes interessante weibliche Wesen in seiner Umgebung zu erobern, war sie ziemlich genügsam. "Dein Glück!" warf Cayvyn ein und gab ihr einen Kuß. "Soso", meinte Nad belustigt. "Ts!" machte Acy kopfschüttelnd. "Was jetzt?" versuchte sie, zum eigentlichen Thema zurückzukehren. "Ich dachte, du wolltest Lockvogel spielen." "Seufz!" "War das nun ein Ja der ein Nein?" "Da ich Wartungsschächte hasse..." "Aha." "Gehen wir. Ihr kraucht neben mir her." "Wenn es denn sein muß." "Ich will schließlich ein lebendiger Lockvogel bleiben. Aber ich möchte mich vorher noch kurz umziehen." Alycia verschwand kurz in einer Toilette hinter der nächsten Gangbiegung und sprang von dort zur Lightning. Als sie zurückkehrte, trug sie einen wallenden Neonrausch und darunter versteckt ihren Einsatzcoverall. "Du übertriffst dich doch immer wieder", meinte Nardia kopfschüttelnd. "Naja, ich will eben als Lockvogel nicht übersehen werden. Ich werde mich jetzt zunächst zum Stasis-Raum begeben und den Attentäter auffällig unauffällig untersuchen. Das sollte doch wohl ausreichen, oder?" "Doch, eigentlich schon", stimmte Nad zu. "Wo ist also der nächste Schacht?" "Am besten durch den Waschraum der Toilette. Da fällt es am wenigsten auf", schlug Acy vor. "Nun gut." Mit fatalistischen Gesichtsausdruck machte Nardia sich auf den Weg, während Alycia langsam und betont verstohlen in Richtung Stasis-Raum schlich. Unterdessen war ihre Schwester schon in den Wartungsschacht gekletter und folgte ihr durch die Eingeweide der Raumstation. Zumindest hoffte sie, daß dem so war. Acy sah sich suchend um, ob ihr jemand folgte. Sicherheitshalber hatte sie einen ihrer Pfeilwerfer in den linken Ärmel ihres Gewandes gesteckt, so daß eine Bewegung ausreichte, und sie hielt ihn in der Hand. Waren die anderen schon auf ihren Posten? Zu ihrer eigenen Überraschung war Nad tatsächlich bei den Stasis-Kammern angelangt. Durch ein Gitter des Schachts konnte sie den Raum einsehen. Nun huschte Alycia hinein; dieser Rausch in Neon war beim besten Willen nicht zu übersehen. Ein Glück, dachte sie, Alan war schon wieder verschwunden. Sie hoffte nur, daß es niemandem auffiel, daß sie absichtlich so auffällig herumschlich. Aber anbetracht ihres Rufes als neurotische Exzentrikerin konnte sie sich so ziemlich alles erlauben, ohne Verdacht zu erwecken. Sie ging also zu der Stasis-Kammer des immer noch namenlosen Killers. Er lag so da, wie er vom Stationsarzt hineingelegt worden war - naja, allerdings ohne die Stückchen, die sie aus ihm herausgeschnippelt hatte. Acy würgte diskret bei dem Gedanken. Nardia beobachtete ihre Schwester. Hm, noch war nichts besonderes zu entdecken. Alycia öffnete die Stasis-Kammer und durchsuchte den Killer demonstrativ, wobei sie es sorgsamst vermied, eines der ausgeschnipselten Löcher zu erwischen. Immer noch nichts, dachte Nad. Die Attentäter oder wer-auch-immer ließen sich Zeit. Acy war derweil leicht bis mittelschwer genervt. Sie konnte schlecht noch länger hierbleiben, ohne jedem auf die Nase zu binden, daß sie hier herumhing, um gefunden zu werden. Also machte sie sich gefrustet auf den Rückweg. Da Alycia verschwand, verließ auch Nardia ihren Spähposten. Acy marschierte zum Speisesaal zurück. Wenn weiter nichts passierte, wäre vermutlich zumindest Alan mit den Infos über den dritten Toten am Buffet. Nad kletterte im Waschraum aus dem Wartungsschacht, und nachdem sie sich kurz gesäubert hatte, machte sie sich ebenfalls auf zum allgemeinen Treffpunkt Buffet. Als Alycia bei der Futterage aufkreuzte, war noch niemand zu sehen. Frust. Sie lud sich grummelnd einen Haufen Häppchen auf einen Teller und verschlang direkt die ersten, ehe Cayvyn eintrudelte und wieder auf ihre Diät pochte. Kurze Zeit später tauchte Nardia auf, und wenig später kam Alan hinterher. "Hi!" machte Acy. "Grumpf!" "Was ist los?" wollte Alan wissen, da auch Nad nicht gerade begeistert aussah. "Unsere Falle wurde ignoriert!" beschwerte sich Alycia. "Welche Falle?" "Na, die, die wir der Organisation gestellt haben, zu der der Attentäter gehörte!" "Und wie sah diese Falle aus?" "Naja, ich bin als Lockvogel herumgehüpft und wollte die Typen stellen", erklärte Acy. "Und es hat keiner angebissen?" Alan grinste sie anzüglich an. "Keiner!" "Tse." "Püh." Alycia warf Alan einen sehr verbotenen Blick zu, den dieser ähnlich erwiderte. Nardia verstand überhaupt nichts mehr. Was sollte das? Mit einem weiteren Seitenblick in Richtung Alan stürzte sich Acy auf die Blue Star Schüssel. "Ob das nicht Ärger gibt?" fragte Alan grinsend. "Hm. Du hast recht." Sie nahm sich lieber ein Glas Bowle. Alan war überaus amüsiert, aber da er das Spiel nicht aufzugeben gedachte. "Mund auf!" kommandierte er. Alycia warf ihm einen belustigten Blick zu und leistete seiner Aufforderung artig Folge. Der begann also, sie mit Blue Stars zu füttern. Das ging nun wirklich zu weit, fand Nardia. Wenn Cayvyn hier auftauchte, würde es Mord und Totschlag geben. Naja, fast jedenfalls. "Puh! Jetzt reicht es", streikte Acy nach dem 24. Blue Star. "Schon?" meinte Alan betrübt. "Aber Sir Alayn! Schaut doch nicht so tragisch." Alycia pflückte ihrerseits einen Blue Star aus der Schüssel und hielt ihn Alan vor die Nase. Dieses Angebot konnte er natürlich nicht ablehnen. Acy hoffte nur, daß Cayvyn nicht so rasch zurückkehrte. Alan ebenfalls, denn auf einen erneuten Streit mit diesem wollte er sich nun wirklich nicht einlassen - aber es machte ihm einfach zuviel Spaß, mit Alycia zu flirten. Auch diese fragte sich, warum sie eigentlich so gerne mit Alan herumflirtete. Sie hatte doch wirklich keine ernsthaften Absichten, die ihn betrafen, aber trotzdem fand sie es überaus anregend. Obwohl, Nardias Blicke dabei... Wo blieben eigentlich Cayvyn und Ryel, fragte sich Nad. Die waren mittlerweile schon ziemlich lange weg. Außerdem war dieses 'Spielchen' zwischen Acy und Sir Alayn ziemlich peinlich. Die beiden zogen die Blicke sämtlicher Anwesenden auf sich. Cayvyn und Ryel hatten sich ebenfalls gerade auf den Rückweg zum Speisesaal machen wollen, als plötzlich Cay einen Mann ausmachte, der sich auffällig unauffällig in die Ecken des Stasis-Raums drückte. Der Androide nickte Ryel zu. "Da! Den sollten wir zumindest interviewen", flüsterte er. "Gut", bestätigte Ryel. Sie schlichen sich über den Wartungsschacht zu der Position, an der sich der Verdächtige befand. "Ryel, hier ist nur eine Wartungsluke, aber wärst du trotzdem in der Lage, den Mann zu hypnotisieren?" "Nur, wenn er mich direkt ansieht. Wenn ich es aus der Ferne versuche, sind die Erfolgsaussichten ziemlich gering." "Dann müssen wir näher heran!" "Wo lang?" wollte Ryel wissen. "Durch den Seiteneingang. Dann können wir uns in der Deckung der Stasis-Kammern anschleichen." "Okay." Ryel machte sich auf den Weg, und Cayvyn schlich neben ihm her. Bald darauf hatten sie eine ideale Beobachtungsposition erreicht. Der Verdächtige machte sich an der Stasis-Kammer des erdrosselten Opfers zu schaffen und durchsuchte die Kleidung der Leiche, wobei er ein Schmuckstück vom Kragen des Coveralls entfernte. "Hm. Und wie erwischen wir ihn jetzt? Mir ist hier zu wenig Deckung." "Ich denke, ich sollte ihn einfach überrumpeln", beschloß Cay. Auch wenn er es mit gemischten Gefühlen tat, setzte er seine volle Androiden-Geschwindigkeit ein, als er sich auf den Mann stürzte. Dieser hatte nicht den Hauch einer Chance und fand sich sogleich in einem unlösbaren Haltegriff wieder. Der Dunnlorner musterte Cayvyn nachdenklich, als er zu ihm trat. "Bitte Ryel, geht an Euer Werk", sagte Cay steif. Der Verdächtige guckte die beiden Männer angstschlotternd an. Ryel sah ihr Opfer fest an, und als er erst einmal dessen Blick eingefangen hatte, war das weitere kein Problem mehr. Der Mann war ziemlich leicht zu hypnotisieren, stellte er erleichtert fest. "Fragt ihn nach seinem Namen, warum er hier ist, ob er etwas mit den Morden zu tun hat", zählte Cayvyn auf. Ryel tat, wie ihm geheißen, und der Typ beantwortete brav alle Fragen. Er war demnach Paul-Davide Brosset von Suune III/Tarishaan und gab seinen Beruf als 'freier Unternehmer für die Beseitigung von Problemen' an, übersetzt 'käuflicher Killer'. Er erzählte, daß er von einer naravinischen Gruppe angeheuert worden sei, um das eine oder andere ausgewählte Opfer zu beseitigen. Neben ihm befanden sich noch vier - jetzt nur noch zwei - weitere 'freie Unternehmer' an Bord. Ryel fragte weiter nach den Gründen, warum man versucht hatte, den Verdacht auf ihn zu lenken, doch anscheinend gab es kein Motiv dafür, denn nach Aussage Brossets mußte es einer der anderen Killer getan haben, der Dunnlorner nicht ausstehen konnte und Ryel so eins auswischen wollte. Auf Cayvyns Frage, warum diese naravinische Gruppe diversen Leuten den Garaus machen wollte, wußte Brosset ebensowenig eine Antwort, wie auf die nach der Identität seiner Auftraggeber. Was das Schmuckstück betraf, so gab er an, daß es das Erkennungssymbol der Killer für ihren Einsatz war, und wenn er auch die Namen seiner Kollegen nicht kannte, war es nun doch möglich, die Attentäter daran zu erkennen. "Noch weitere Fragen?" wollte Ryel wissen. Langsam wurde das Ganze doch etwas anstrengend. "Mir fällt nichts - halt! Soll es weitere Opfer geben, und wenn ja: Wer soll es sein?" Als der Dunnlorner dies wiederholte, nannte Paul-Davide Brosset folgende Namen: Sir Cayvyn von Süd-Ayryana, Alycia Blade, Sir Alayn von Fayn-Devrayn, Nardia Blade, Sir Yngwayn von Süd-Ayryana und Vandrea dire-Eldrua. "Sonst noch was?" erkundigte sich Ryel. "Nein. Er darf sich lediglich unter gar keinen Umständen an uns erinnern. Hm, könnt Ihr es so einrichten, daß er seinen Auftrag vergißt und glaubt, er sei hier auf einer Urlaubsreise?" "Das erste geht ohne weiteres, aber das andere übersteigt meine Kräfte. Ich müßte zu weit in seine Erinnerungen eingreifen, und ich bin kein guter Hypnotiseur." "Schade. Nun, dann müssen wir ihn eben in eine der Stasis-Kammern packen." Gesagt, getan. Kurz darauf lag Paul-Davide Brosset versteckt in einer der hinteren unteren Kammern, und nun mußten sie nur die restlichen beiden Killer und deren Auftraggeber finden. Sie kehrten also mit einiger Verspätung zum Speisesaal zurück. Dort waren Alan und Alycia immer noch miteinander beschäftigt, während Nardia sich den Anschein gab, die beiden überhaupt nicht zu kennen. "Habt Ihr eigentlich in letzter Zeit eine neue Komposition verfaßt, Sir Alayn?" erkundigte sich Acy mit einem schmelzendem Lächeln. "Ja", kam es zögernd von ihm. "Und?" "Sie ist aber noch nicht fertig." "Wie bedauerlich. Ich bewundere Eure Kunst!" "Wirklich? Ich fühle mich geschmeichelt." Alan lächelte sie an. "Oh." Alycia schlug dezent die Augen nieder. "Ich habe meine neuste Komposition alleine Euch gewidmet", meinte Alan plötzlich. "Habt Ihr? Ich fühle mich geehrt." 'Hatte er wirklich?' überlegte Acy. 'Sehr faszinierend.' "Naja, vielleicht findet Ihr dies sehr vermessen..." "Ich denke, jede Dame dürfte sich geschmeichelt fühlen, wenn sie einem Künstler zur Inspiration gedient hat." "Wirklich?" Alan strahlte sie an. "Wann werdet Ihr mir dieses Euer neustes Werk vorstellen?" "Sobald wir Zeit dafür finden." "Wie wundervoll!" Nardia fand das Verhalten der beiden inzwischen nur noch peinlich. Und zu allem Überfluß betraten gerade Cayvyn und Ryel den Speisesaal. "Oh-oh", dachte Acy ahnungsvoll, ehe sie sicherheitshalber sofort zu ihrem Gefährten herüberschwebte. "Seid mir begrüßt, Mylord, Ihr fehltet mir gar sehr." Sie küßte ihn hingebungsvoll. "Obgleich ich mich ausgezeichnet mit Eurem Verwandten Sir Alayn unterhielt." Cay sah sie sehr mißtrauisch an. "So?" Alan hatte sich wieder dem Essen zugewandt, da er Cayvyn nicht unbedingt herausfordern wollte. Sehr merkwürdig, fand Nardia, nun taten die beiden, als wäre nichts gewesen. Sie fragte sich, wie lange es dauern würde, bis jemand Cay dezent darauf aufmerksam machte, was Alycia während seiner Abwesenheit so trieb. Ryel hatte sich in eine ruhige Ecke geflüchtet. Er haßte es, wenn man ihn anstarrte. Zudem hatte ihn die Sache mit Brosset doch ziemlich geschafft, und er mußte sich erst einmal erholen. Acy kuschelte sich eng an ihren Partner. "Nun? Was habt Ihr herausgefunden, Mylord?" Cayvyn teilte es ihr mit. "Nebenbei", fuhr er fort. "Was hast du wieder angestellt? Die Leute gucken irgendwie komisch." Die mitleidigen Blicke, die ihm galten, waren nicht zu übersehen. Alan amüsierte das ungemein. "Ich? Nichts! Ich sagte doch, ich habe mich lediglich blendend mit Sir Alayn unterhalten." Nardia tat Cay leid. Wie konnte Acy ihm so etwas antun? "Lisha", meinte Cayvyn drohend. "Ich habe das Gefühl, du verschweigst mir etwas!" "Ich?" "Ja, du!" "Moment", begann Cay. "Jetzt werde ich einmal deine Schwester zu diesem Thema befragen." Peinlich berührt entwickelte Alycia gewisse Fluchttendenzen, doch ein energisches "Du bleibst hier!" und die Tatsache, daß ihr Gefährte sie sich über die Schulter geworfen hatte, verhinderten ihren eleganten Abgang. "Was hat sie angestellt, Lady Nardia?" wollte Cayvyn von dieser wissen. Das fand Nad nun überaus unangenehm, denn auch wenn sie Acys Verhalten nicht berauschend fand, wollte sie ihre Schwester nun auch wieder nicht verraten. "Nun?" fragte Cay, während Alycia verzweifelt mit den Beinen strampelte. "Ich möchte mich lieber nicht dazu äußern." "Warum nicht?" Da Acy immer noch um sich trat, erhielt sie von ihrem Partner einen dezenten Klaps auf den Po. "Püh!" machte sie daraufhin empört. "Hm, es ist mir unangenehm", zögerte Nardia. "Mir ist es unangenehm, wie die Leute hier mich betrachten", stellte Cayvyn fest. "Trotzdem werde ich nichts dazu sagen." "Hm. - Sir Alayn?" fragte Cay. "Ja?" kam es gedehnt von diesem. "Was war los?" "Nichts besonderes." "Besteht Ihr darauf, daß wir uns abermals duellieren?" "Natürlich nicht." "Dann äußert Euch! - Was habt Ihr meiner Gefährtin angetan?" "Ich will runter!" ertönte ein Zwischenruf von dieser, der natürlich geflissentlich ignoriert wurde. "Wieso sollte ich ihr etwas getan haben?" erkundigte sich Alan. "Euer Ruf als Herzensbrecher eilt Euch überall voraus!" "Das ist mir aber neu!" "Wieso? Seit Eurem Auftritt auf meinem Geburtstag seid Ihr doch der Schwarm aller Mädchen und Frauen." "Daran bin ich völlig unschuldig!" "Ach?" "Nichts 'ach'! - Außerdem, was hat das mit Acy zu tun?" "Das will ich ja wissen!" "Was willst du wissen?" fragte Alan verwirrt. "Was habt Ihr während meiner Abwesenheit mit Lady Alycia getrieben?" "Getrieben habe ich schon mal gar nichts!" "Und was dann?" "Wir haben nur gegessen", kam es von Acy. "Und jetzt laß mich endlich runter! Mein Magen..." "Warum unterstellt Ihr mir immer irgendwelche Untaten?" wollte Alan wissen. "Ich kenne Euch, und ich kenne meine herzallerliebste Gefährtin. Und wenn Ihr mich fragt, seid ihr beiden euch für meinen Geschmack in einiger Hinsicht entschieden zu ähnlich!" Alan sah Cayvyn betont verständnislos an. "So?" "Oh ja! - Lisha!" Da diese immer noch zappelte, bekam sie einen weiteren Klaps auf das Hinterteil. "Grummel." Nardia fragte sich, worum es eigentlich ging. Anscheinend war da mehr dahinter, als sie gedacht hatte. "Lisha", meinte Cay. "Eigentlich würde ich zu gerne ein paar Sachen mit dir ...privat besprechen, aber leider haben wir noch einige andere wichtige Dinge zu erledigen." "Hmpf!" Cayvyn setzte seine Partnerin sanft ab, nahm sie aber fest in die Arme, damit sie nicht entkommen konnte. "Was hast du denn herausgefunden?" erkundigte sich Alan. "Es laufen noch zwei Killer frei herum", erwiderte Cay so leise, daß es kein Außenstehender mitbekam. "Und vermutlich weißt du nicht, wer es ist?" "Korrekt. Mir ist lediglich bekannt, daß jeder von ihnen ein solches Symbol trägt." Er übermittelte Alan per Funk das entsprechende Bild. "Hm. Es dürfte nicht so einfach sein, sie zu finden. Es sind zu viele Leute hier." "Ich habe außerdem eine Liste von potentiellen Todeskandidaten erhalten", meinte Cayvyn und übersandte Alan diese ebenfalls. "Seufz", meinte jener, als er seinen Namen und die der anderen hörte. "Damit habe ich irgendwie gerechnet." "Nicht nur du. Aber das heißt, wir müssen die Typen erwischen, bevor sie einen von uns erwischen." "Da hast du allerdings recht." "Wir müssen uns etwas einfallen lassen, damit die sowohl die potentiellen Opfer außer uns schützen können und trotzdem die Killer erwischen." "Und das Ganze auch noch möglichst unauffällig." "Richtig. Ich erwarte Vorschläge", sagte Cayvyn und sah in die Runde. "Von mir?" "Wäre doch mal etwas, wenn du dich zur Abwechslung mal produktiv betätigen würdest." "Das ist nun mal etwas, was ich möglichst vermeide." "Ach!" Cays Blick wanderte von Alycia zu Alan und wieder zurück. "Was soll das nun wieder heißen?" "Du solltest dich besser um diese Mörder als um meine Partnerin kümmern!" "Ich kann mich nicht erinnern, in dieser Beziehung 'produktiv' gewesen zu sein." "Ich hasse es, wenn man sich über meinen Kopf hinweg über mich unterhält", beschwerte sich Acy. "Das würde ich doch nie tun", meinte Alan treuherzig. "Seufz", machte die junge Frau, was ihr einen sehr gefährlichen Blick von Cay einbrachte. Alan enthielt sich lieber eines weiteren Kommentars. Mittlerweile konnte Cayvyn sich ausrechnen, was sich hier im Speisesaal abgespielt hatte, und er funkelte seinen Bruder stumm an. Dieser erwiderte den Blick vollkommen unschuldig. Er hatte doch gar nichts getan. "Wir sollten langsam etwas tun", warf Alycia ein, um die Lage etwas zu entspannen. "Dein Vorschlag?" fragte Alan. "Laß mich überlegen." "Aber sicher doch", meinte Alan fatalistisch. Warum fragte er sie bloß immer? "Wir sollten uns geschickt aufteilen", überlegte Alycia. "Ich werde mit Cay auf Tour gehen, du mit Nad. Grund: Cayvyn und du, ihr seid bestens geeignet, um uns vor einem Attentat zu schützen. Eine Gruppe bleibt hier und bewacht Sir Yngwayn, Vandrea dire-Eldrua und wer auch immer sonst dran glauben soll. Die andere Gruppe durchsucht die Station." Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dachte Alan. Mit Nardia zusammenzuarbeiten... Das würde heiter werden, denn garantiert würde sie ihm permanent Vorhaltungen wegen seinem Benehmen gegenüber Acy machen. Seufz! Nardia spielte tatsächlich genau mit diesem Gedanken. Sie hatte vor, Sir Alayn gründlich die Meinung zu sagen. "Gut", sagte Alycia. "Also, frisch ans Werk! Wer bleibt hier?" "Ich", meinte Nad. Alan zuckte resignierend mit den Schultern. "Okay. Dann machen Cay und ich uns auf. - Wenn du mich freundlicherweise mal loslassen würdest, mein Schatz, heißt das!" Widerstrebend gab er sie wieder frei. "Paßt auf Euch auf", sagte Nardia. "Werden wir! - Danke trotzdem, Schwesterherz. Aber ihr solltet euch ebenfalls vorsehen, schließlich seid ihr auch zu Freiwild erklärt worden." "Hier sind wir verhältnismäßig sicher, würde ich sagen." "Außer gegen Attacken mit Gift oder einem Pfeilwerfer... Hm, letzteres kannst du wohl streichen, wenn es nicht einen enaryshanischen Attentäter gibt. Ein Naravino würde niemals ein enaryshanisches Gerät in die Hand nehmen. Auch auch da gibt es unangenehme lautlose Fernwaffen wie Schockdarts." "Seufz", machte Nad. "Da hast du nicht unrecht." Plötzlich gab es einen Aufruhr im Speisesaal, als eine Eleanderin in mittlerem Alter hereingestürzt kam. "Ich habe einen Toten gefunden!" kreischte sie, zunächst in ihrer Muttersprache, als sie aber merkte, daß sie niemand verstand, wechselt sie in Starlingua über, die sie extra für dieses Treffen erlernt hatte. Sie beschrieb umständlich den Fundort und fiel anschließend dramatisch in Ohnmacht. "Wer es wohl diesmal ist?" fragte sie Nardia. "Sehen wir nach", schlug Acy besorgt vor. Sie hoffte, daß es nicht Duc Yngwayn war, denn irgendwie mochte sie Cayvyns selbstgewählten 'Vater'. Nad folgte ihr, ebenso wie die beiden Männer. Als sie den Tatort erreichten, fotografierten einige Stationspolizisten gerade Leiche und Umgebung. Als Alycia den Toten - anhand der Kleidung ein Mitglied der eleandrischen Delegation - erblickte, wurde ihr übel. "Mit einer Sutyr!" meinte sie erschüttert und wandte sich ab. Auch Nardia genügte ein Blick auf die Leiche vollkommen. Sie mußten diese Killer unbedingt finden. "Ich tippe auf einen Naravino als Mörder", sagte Acy schaudernd. "Außerhalb Naravinas ist die Sutyr mehr als ungewöhnlich." "Ich habe die Datenbänke der Lightning durchsucht", eröffnete Cayvyn. "Es gibt demnach eine naravinische Mörderin, deren Markenzeichen antike naravinische Waffen sind, eine Lady Maryana aus dem Bund der Bewahrer Alter Sitten." (Der Bund ist eine Vereinigung einiger Leute auf Allirion IV/Naravina, die gerne das alte Naysyny-Imperium wiederherstellen würden. Sie leben nach der alten Kriegertradition und verachten alle Außenweltler, die sie für generell minderwertig halten.) Nad verzog das Gesicht. Diese Vereine waren das Allerletzte, vor allem wurden sie immer gewalttätiger. "Ich hege die Vermutung, daß diese Maryana eingriff, weil wir die drei gemieteten Killer einkassiert haben. Sie hat den Gerüchten nach ganz entschieden etwas gegen Außenweltler", erzählte Cay. "Immerhin haben wir jetzt eine Spur", stellte Nardia fest. "Allerdings. Wahrscheinlich dachte Lady Maryana - so sie es tatsächlich war! - nicht, daß hier jemand anwesend ist, der stets die Organet-News hört", überlegte Cayvyn nachdenklich. Polizei oder ISPC hatten gewiß kein Dossier über Lady Maryana, alleine in Verbrecherkreisen wurde von ihr gemunkelt, obwohl noch niemand sie leibhaftig gesehen hatte. Zumindest hatte es niemand überlebt. "Allerdings wäre es mir lieber, diese Lady Maryana hätte nichts damit zu tun, wenn die Gerüchte über sie stimmen." (Das Organet ist ein Funknetz, dessen Frequenz nach einem bestimmten Schlüssel permanent verändert wird; dient zur Kommunikation des organisierten Verbrechens untereinander. Ein ähnliches Funknetz des freien Verbrechertums ist das sogenannte Freenet.) "Was unternehmen wir also?" wollte Nad wissen. "Bedauerlicherweise hat niemand auch nur eine Idee, wie Maryana aussieht, da man stets nur die Ergebnisse ihrer Taten sehen konnte." "Diesmal spiele ich aber nicht den Lockvogel", erklärte Alycia. Die Idee, daß ihr jemand die Eingeweide aus dem Leib reißen könnte, behagte ihr gar nicht. "Ich aber garantiert auch nicht!" meinte Nardia. "Wir müssen einfach alle Naravinas genauestens überprüfen", schlug Acy vor. "Das ist allerdings eine gewaltige Aufgabe", seufzte Nad. "Vor allem, wo ich keine Ahnung habe, wo man ansetzen könnte", bestätigte ihre Schwester. "Es ist alles viel zu vage." "Korrekt", stimmte Cayvyn zu. "Es gibt eben nur Gerüchte über Maryana - und das meiste auch noch lediglich aus zweiter Hand." "Seufz", machte Nardia. "Warum ist das alles immer nur so kompliziert?" "Eine gute Frage", nickte Alycia. "Aber das, was Cay da angedeutet hat, läßt mich ein ziemliches Unwohlsein empfinden. Ich kenne mich ein bißchen mit den Waffen der naravinischen Antike aus." Sie schüttelte sich. "Ich kann dir nur zustimmen!" "Cayvyn, könntest du bitte eine Überprüfung anstarten?" Acy strich ihm zärtlich über die Wange. "Schon getan. - Aber es ist nichts herauszufinden." "Seufz." "Es ist frustrierend!" äußerte sich auch Nad. "Wir müssen wohl wieder zu unserem eigentlichen Plan zurückkommen", meinte Alycia. "Seufz!" Diesmal von Nardia. "Also, Sir Alayn und du, ihr geht wieder in den Speisesaal. Guckt euch besonders die diversen 'Ladies' an. Cay und ich wandern so durch die Station." Alan nickte nur und machte sich mit Nad auf den Weg. "Okay, Cay, dann wollen wir mal. - Wenn ich nur wüßte, wo wir ansetzen sollen." "Wir könnten wieder die Wartungsschächte unsicher machen." "Das wäre wohl am sichersten", meinte Acy zustimmend. "Und von dort aus durchsuchen wir die Kabinen der Naraviner." "Genau das." "Fangen wir an!" Die beiden sprangen zunächst zur Lightning und machten sich als Blackfire und Infinity zurecht, um so in aller Ruhe durch Iskavar-1019 zu ziehen. Nardia hatte sich inzwischen überlegt, Alayn doch nicht wegen seines Verhaltens zur Rede zu stellen, sondern lieber dafür zu sorgen, daß er keine Zeit mehr für weitere Aktivitäten hinsichtlich Alycia hatte. So konnte sie Cayvyn und dieser am besten helfen, befand sie. Nad begann also direkt damit, Sir Alayn hin und her zu jagen, um hier etwas zu überprüfen, dort etwas zu holen etc. Sie beobachtete derweil die anwesenden Ladies, aber keine davon schien ihr passend zu sein. Alan fluchte leise vor sich hin. Warum scheuchte Nardia ihn permanent durch die Gegend? Leider konnte er sich nicht weigern, da es sehr unhöflich wäre, ihre 'Bitten' nicht zu erfüllen. Blackfire und Infinity krabbelten munter weiter durch die Wartungsschächte. Plötzlich hielt Ryko inne. "Da ist noch jemand", flüsterte er und machte eine Kopfbewegung zu einem Nebengang. Lautlos zogen sie sich dorthin zurück. Die Geräusche aus dem Hauptgang kamen näher, und schließlich versuchte eine weibliche Gestalt, an ihnen vorbeizukrauchen, wurde jedoch von Ryko erbarmungslos festgehalten. Karylla bemühte sich, um die zwei herumzukommen und war froh, daß sie nun wieder in einem der Hauptwartungsgänge waren, der etwas mehr Platz bot. Sie entwaffnete die Lady, und Ryko entdeckte das kleine Symbol an ihrem Kragen. "Die gehört also auch zu den Mietmördern", stellte er fest und betrachtete die sich windende Frau, die ob seiner Hand auf dem Mund auch nur gedämpfte Geräusche von sich gab (vor allem, wo sie bestürzt feststellen mußte, daß Zubeißen wirkungslos war.). "Stimmt", meinte Blackfire. "Ich habe nur drei kleine Laserpistolen bei ihr gefunden. Wie primitiv!" "Wie heißen Sie?" wollte Ryko wissen und nahm die Hand vom Mund seiner Gefangenen. Als sie nicht antworten wollte, nahm er die Frau etwas fester in den Clinch. "Ich kann Ihnen gerne beide Arme brechen", erklärte er freundlich. Sein Opfer erbleichte. "Ich bin Surrelin." "Ach, eine von diesen billigen ansikkanischen Killern, die dauernd im Freenet inserieren", meinte Karylla geringschätzig und winkte ihrem Partner zu. "Packen wir sie zu den anderen." Blackfire zückte einen ihrer Pfeilwerfer, und die Killerin zuckte zusammen, als ein Lähmkristall sie am Hals traf. Sekunden darauf versank sie in tiefe Bewußtlosigkeit. Ryko packte die reglose Gestalt und beförderte sie in den Stasis-Raum, wo er sie in die Stasis-Kammer neben Paul-Davide Brosset steckte. Anschließend setzten Blackfire und Infinity ihren Weg fort. Nardia hatte immer noch keine verdächtige Naravina entdeckt. Aber wonach sollte sie auch suchen? Sie hatte doch keinerlei Ahnung, wie diese Lady aussah. Alan war es langsam leid, immer nur hin und her rennen zu müssen. War er denn ein Laufbursche? Schließlich weigerte er sich einfach. "Aber Sir Alayn", meinte Nad. "Diesen winzigen Gefallen werdet Ihr mir doch tun." Sie blickte ihn treuherzig an. Alan fand das gar nicht mehr witzig. Nardia hatte irgendetwas vor, nur was, das war ihm noch schleierhaft. "Schatz, wie viele müssen wir denn noch?" Blackfire atmete tief durch und lehnte sich an ihren Gefährten. Er strich ihr sanft über die Wange. "Wir haben jetzt fünfzehn Gästequartiere durchsucht, aber es befinden sich alleine dreihunder Naraviner auf der Station." "Du baust mich so richtig auf." Karylla sah ihn leidend an, und Ryko küßte sie zärtlich. "Komm schon!" "Seufz." Nardia beschloß, daß sie Sir Alayn nun genug getreßt hatte und entließ ihn nun aus ihren Diensten. Alan begrüßte diese Entscheidung und ließ sich erleichtert auf einen Stuhl fallen. Nad lächelte ihn liebenswürdig an und begann ein belangloses Gespräch, während sie weiter die im Speisesaal befindlichen naravinischen Damen begutachtete. "Ich streike!" stöhnte Blackfire nach dem 47. Quartier. "Wir finden hier doch nichts - oder glaubst du, daß die Typen so blöd sind, irgendwelche verräterischen Indizien zurückzulassen? Also, ich werde mich jetzt umziehen und in den Speisesaal zurückgehen. Ich habe nämlich Hunger!" "Wenn du meinst." Ryko hätte lieber die übrigen Suiten auch noch durchsucht, aber er mußte zugeben, daß sie nicht ganz unrecht hatte. Kurz darauf kehrten die beiden, nun wieder als Sir Cayvyn und Alycia Blade, zu Alan und Nardia zurück. Alan grübelte immer noch, was Nardia bezweckt haben mochte. Ob da eine Verschwörung gegen ihn im Gange war? "Hi!" winkte Acy fröhlich. Sie hatte ein neonviolettes Fransengewand mit kupfernen Accessoirs an, und auch Cay war in Kupfer und Violett (aber nicht Neon) gewandet. "Wir haben Nummer vier geschafft", verkündete sie. "Immer diese Gastarbeiter", grinste Cayvyn. "Fein", meinte Nad, während Alan mißmutig vor sich herstarrte. "Jetzt ist noch ein Mietmörder unterwegs - und natürlich die Auftraggeber", seufzte Alycia. "Hoffen wir, daß wir die Typen erwischen, bevor es noch einen Toten gibt", äußerte sich Nardia. "Allerdings. Ich glaube, ich werde lieber auf meinem Schiff nächtigen", sagte Acy unbehaglich. "Ich habe keine Lust, morgens als Leiche aufzuwachen." "Seufz", machte Nad. Ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als hier zu bleiben, wo doch Coryn mit der Sunbeam abgeflogen war. "Wenn ihr wollt, könnt ihr auch mit auf die Lightning kommen. Wir haben genug Platz", schlug Alycia leise vor. "Das werde ich liebend gerne annehmen", stimmt Alan zu. "Okay. Hat irgendjemand Appetit auf ein Abendessen?" Acy sah in die Runde. "Immer!" rief Nad. Alan schwieg sich wieder aus. "Gut. Dann holen wir etwas. Ich habe einen Miniscanner mitgebracht, der eigentlich alle bekannten Gifte aufspüren kann." Sie deutete auf ihr breites Kupferarmband. "Schön, dann bist du soeben zur Vorkosterin ernannt worden", bestimmte Nardia. "Wie mich das freut..." Alycia verdrehte die Augen, und ihre Schwester grinste sie an, als sie an ihr vorbeimarschierte, um einmal am Buffet entlang zu flanieren. Zu ihrer Verwunderung war alles in Ordnung, aber sie dachte im Nachhinein, daß es ausgesprochen leichtsinnig gewesen war, die ganze Zeit das Essen ohne chemische Analyse zu sich zu nehmen. Zu ihrer aller Glück hatte es keine Giftanschläge via Buffet gegeben. Acy gab den anderen ein entsprechendes Zeichen. "Dann kann ich ja zuschlagen", meinte Nad und stürzte sich auf die Leckereien. "Denkt daran, mein Herz, Ihr müßt noch etwas abnehmen", sagte Cayvyn dezent zu seiner Gefährtin, und diese seufzte. Aber da Alan sie ja ausgiebig gefüttert hatte, beließ sie es wieder bei den Gurken. Sir Alayn hatte sich derweil bereits seinen Teller vollgeladen, da ihm etwaige Gifte ohnehin nicht geschadet hätten. Wenn sich schon alle gegen ihn verschworen hatten, könnte er wenigstens das Essen genießen. Mit jedem naravinischen Würzgurkenwürfel warf Alycia ihrem Schatz einen tragischen und überaus gequälten Blick zu. Der haute sich die Delikatessen rein - und sie... Aha, dachte Nad. Acy war wieder auf Diät gesetzt worden. Naja, sie hatte ja vorhin eine ganze Menge genascht. "Seufz", machte Alycia, als sie mit einem gewaltigen Gurkenarrangement auf dem Teller zu ihrem Tisch zurückging. "Tust du mir leid", meinte Nardia und ließ sich ebenfalls mit einem vollbeladenen Teller nieder. "Ich mir erst mal!" Sie stibitzte ein belegtes Brötchen vom Teller ihrer Schwester. "Eh!" meinte diese empört. "Du hast keinen Diätwächter!" "Natürlich nicht." "Dann kannst du dir auch Nachschub holen." "Seufz. Ich gehe ja schon." Sie holte sich einen weiteren Teller voller Köstlichkeiten. "Lisha!" ertönte es tadelnd von hinten, und die Leckereien von Nardias Teller verschwanden in Cayvyns Nahrungskonverter. "Sir Cayvyn, Ihr seid unverschämt!" beschwerte sich Nad. "Nein, ich bin lediglich um das Wohlergehen meiner Lebensgefährtin besorgt." "Das war aber mein Teller." "Aber Alycia machte sich darüber her." "Ich hasse es, wenn sich alle Leute über meinen Kopf hinweg über mich unterhalten!" "Wer tut das?" fragte Nardia. "Er hat meinen Teller leergefuttert! Ich bin ja bereit, mein Essen mit meiner Schwester zu teilen, aber nicht mit ihm!" Sie deutete auf Cayvyn. "Vergebt mir, Lady Nardia", meinte dieser betrübt, düste davon, packte einen Teller in exakt derselben Zusammenstellung voll, wie Nad es getan hatte und überreichte ihn dieser. Unterdessen hatte Acy bereits ein weiteres Brötchen vertilgt. "Nehmt dies und meine Entschuldigung, Lady Nardia", sagte Cay zerknirscht. "Diesmal werde ich Euch noch verzeihen", meinte Nad gnädig. "Seid meines tiefstempfundenen Dankes gewiß." "Schön. Und nun kann ich wohl endlich auch was essen." Nardia schob sich eine Leckerei nach der anderen in den Mund. "Seufz!" Alycia setzte sich bei ihrem Partner auf den Schoß und klaute kurzerhand ihm diverse Häppchen. "Sonst vernasche ich dich hier und jetzt", drohte sie und rückte ihm noch etwas intensiver auf die Pelle. Nad betrachtete die beiden amüsiert. Acy machte sich schon wieder zum Gesprächsthema Nr.1. Sir Cayvyn bemerkte dies natürlich auch und beschloß, Alycia doch lieber etwas futtern zu lassen und schob ihr einige Hors d'Oevres in den Mund. "So lasse ich es mir gefallen", erklärte sie zufrieden. Nardia grinste sie an. "Bei Cay gefällt es mir immer besser", seufzte Acy mit halbgeschlossenen Augen. "Aha", machte Nad nur. "Tatsache!" "Wie meinst du das?" fragte Cayvyn mißtrauisch. "Nun, du bist - fast! - perfekt." Sie küßte ihn überaus leidenschaftlich, und im Film wäre es wahrscheinlich nicht durch die FSK gekommen. Nardia mußte kichern. Ihr Schwesterherz war einfach unmöglich. "Mmmmh, Cay", flüsterte Acy ihm ins Ohr, und es sah so aus, als ob sie lediglich mit ihm herumturteln würde. "Guck dir doch mal den Typen da hinten an. - Hat der nicht so ein Abzeichen wie die anderen Killer?" "Hat er." "Dann müssen wir den auch noch auf Eis legen." Sie knabberte verliebt an Cayvyns Ohrläppchen herum und ließ ihren Pfeilwerfer aus dem Ärmel in ihre Hand gleiten. Da er intensivst die Anwesenden beobachtete, hatte Alan den letzten der Killer inzwischen auch entdeckt. Aber er wollte erst einmal abwarten, was dieser tat. "Sag mal... Der hat irgendein Teil in der Hand", stellte Alycia fest und zielte unauffällig über Cays Schulter hinweg, während sie mit der anderen Hand zärtlich in seinen Haaren herumwuschelte. Urplötzlich sank Killer Nr.5 betäubt zusammen. Alan hatte das Geschehen fasziniert verfolgt. Das hatte Blackfire ausgesprochen geschickt gemacht. Nardia hingegen war ziemlich überrascht. Warum war dieser Typ da nur zusammengeklappt? Acy kuschelte sich weiter an Cayvyn. "Wenn der Typ in der Krankenstation steckt, können wir ihn bequem auf Eis legen", bemerkte sie. Was ging da vor? Nad hätte es doch zu gerne gewußt. Alan widmete sich schon wieder seinem Essen. Alycia grinste Nardia zu. "Der Freak schläft erst einmal für zwei, drei Stunden", bemerkte sie. "Warum?" wollte Nad wissen. "Naja, ich glaube, ich habe ihn schwer getroffen." "Wer war das denn?" "Killer Nr.5." "Aha." Warum bekam sie immer alles als letzte mit, fragte sich Nardia frustriert. "Jetzt sind nur noch die Drahtzieher unterwegs", stellte Acy fest. "Und die sind am gefährlichsten." "Richtig. Vor allem, wenn ich an diese Lady Maryana denke." Alycia runzelte die Stirn. "Nur zu dumm, daß wir nicht wissen, wie sie aussieht." "Mhm. - Cay, ich möchte noch ein Häppchen!" "Seufz." Er fuhr fort, sie zu füttern, und Nad grinste sie an. "Tse, du läßt dich wohl nur noch füttern?" "Sicherlich. Es ist doch eine überaus angenehme Art und Weise, mit Leckereien versorgt zu werden." Sie strahlte ihren Lebensgefährten an. "Was heißt hier 'du läßt dich nur noch füttern'?" wollte Cayvyn wissen. Peinlich, jetzt war ihr das doch rausgerutscht, dachte Nardia. Alan fand das ebenfalls ausgesprochen dumm. "Hey!" meinte Cay empört. "Jetzt rede endlich einer!" Nad sah in die andere Richtung, und Alan starrte auf seinen Teller. "Naja... Cay..." Alycia wuschelte durch seine Haare. "Alan war mir beim Anreichen einiger Häppchen behilflich." "Wie bitte?" Nardia bemühte sich, nichts zu hören und musterte fasziniert die anderen Gäste, und Alan fand weiterhin seinen Teller als Betrachtungsobjekt am geeignetsten, da er Cayvyn möglichst keine Erwiderung geben wollte. "Ich fordere eine Antwort!" Cay durchbohrte Alan mit einem Blick. "Was habt Ihr mit meiner Gefährtin angestellt?" "Ich habe gar nichts angestellt", verteidigte sich dieser, hob aber immer noch nicht den Blick. "Das glaube ich Euch nicht. Sonst würdet Ihr Euch nicht so schuldbewußt verhalten." "Du würdest mir auch nicht glauben, wenn ich mich anders benehmen würde." "Das stimmt allerdings. - Also?" "Also verweigere ich die Aussage." "Das macht Euch noch verdächtiger." Cayvyn wandte sich zu Tode betrübt an Nardia. "Sicherlich hat er es wieder geschafft, sie zu verführen!" Er ging mit hängendem Kopf aus dem Speisesaal. Alan sah verwirrt hinter ihm her. Er hatte doch nun wirklich nichts getan, außer ein bißchen mit Acy herumzualbern! Seufz. Wie bekam er das nur wieder hin? Nardia war fasziniert. Wieder? Das gab ja gänzlich neue Aspekte. Hm, irgendetwas war hier sehr merkwürdig. Alycia sah ihrem herzallerliebsten Lebensgefährten bestürzt hinterher und stürmte dann ebenfalls aus dem Raum. Draußen fing sie ihn ab. Sie packte ihn an den Oberarben und funkelte ihn wütend an. "Jetzt hör mir mal genau zu, mein Schatz! Es ist mir egal, ob du mir glaubst oder nicht, weil ich weiß, daß es stimmt: Ich habe nur ein bißchen mit Alan geflirtet, weil es mir Spaß gemacht hat. Das war ohne irgendwelche Hintergedanken - denk dran, ich habe es dir versprochen, daß ich mich nicht noch einmal mit ihm einlasse!" "Wirklich?" Cay wirkte nicht sehr überzeugt. "Cayvyn, ich fand es ja ganz lustig, als du anfingst, ein bißchen eifersüchtig auf andere Männer zu sein, aber langsam ist das echt nicht mehr witzig!" "Ich finde es eher nicht witzig, wie du dich mir gegenüber verhältst." "Ach? Und wie war das mit Shanjir?" Das war zwar ein Schuß ins Blaue, aber offensichtlich hatte er voll getroffen. Cay sah peinlich berührt zu Boden. "Da war nichts", behauptete er. "Ach?" Sehr interessant, dachte Acy. Das bedurfte wirklich einiger Nachforschung. Alan grübelte derweil darüber nach, warum er immer solch ein Chaos anrichtete, obwohl er das doch gar nicht wollte. Seufz. Anscheinend war er wirklich so furchtbar, wie viele behaupteten. Nad sah ihn äußerst strafend an. Wie konnte man nur so gefühllos sein? Als er ihren Blick bemerkte, wünschte er sich ein Loch, in das er verschwinden konnte. Warum passierte ihm bloß immer sowas? Sicherheitshalber machte er sich aus dem Staub, denn Nardia wirkte, als wolle sie ihm eine gehörige Standpauke halten, und auf die konnte er nun wirklich verzichten. Daher saß Nad nun alleine am Tisch und fragte sich zum wiederholten Mal, warum sie eigentlich immer verlassen wurde. Seufz. Na, wenn eh keiner da war, konnte sie ja nochmal das Buffet stürmen. Sie versorgte sich mit einem Dessert und ging zu ihrem Sitzplatz zurück. "Cay", begann Alycia irgendwann. "Was hältst du davon, wenn du dich erst einmal beruhigst? Ich habe nämlich immer noch Hunger und würde gerne etwas essen." "Na gut." Die beiden kehrten in den Speisesaal zurück und suchten die mit Leckereien überladene Tafel heim, ehe sie sich mit vollbeladenen Tellern zu Nardia begaben. Diesmal verzichtete Cayvyn darauf, seine Gefährtin zu füttern, denn er wußte nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Lisha hatte ja nicht ganz unrecht, er hatte sich auf Shanjir so einiges geleistet. Aber das war noch lange kein Grund, daß Alycia es ihm gleich tat! Nad musterte die beiden fragend. Anscheinend hatten sie sich so halbwegs wieder vertragen. "Guten Appetit, Lady Nardia", sagte Cayvyn. "Vielen Dank." 'Mir wünscht er keinen guten Appetit', dachte Acy verstimmt und schaufelte ihr Essen in sich hinein. 'Warum war das alles nur so kompliziert', fragte sich Nad. Überall Probleme. 'Wo mochte Alan wohl stecken?' überlegte Alycia, beschloß aber, lieber nicht zu fragen, denn das würde bestimmt wieder von allen Beteiligten falsch ausgelegt. Cay hatte sich unterdessen eine zweite Portion geholt. Dieses Schweigen war ausgesprochen unangenehm, befand Nardia. Aber ihr fiel auch nichts ein, was sie sagen könnte, und über das Wetter etc. zu reden, war ihr dann doch zu dumm. "Wir sollten langsam Killer Nr.5 auf Eis legen", sagte Acy unvermittelt. Ihre Schwester sah sie verwirrt an, dieser Themenwechsel kam etwas plötzlich. "Sollten wir tun", stimmte sie zu. "Er dürfte sich immer noch bewußtlos auf der Krankenstation befinden", erläuterte Alycia. "Wir sollten ihm ebenfalls eine Stasiskammer zuordnen." "Gut", meinte Nad. "Dann macht das mal!" "Und was wirst du tun?" "Hm. Vielleicht noch was essen..." "Du hast schon zugenommen", stellte Alycia nach eingehender Musterung Nardias fest. "Wo?" fragte diese und sah an sich herunter. "Am Bauch, den Beinen, dem Po..." "Pöh!" machte Nad. "Das Kleid spannt schon bedenklich." "Tut es nicht! - Schließlich ist es neu." "Dann hättest du es eine Nummer größer anfertigen lassen sollen." Darauf sagte Nardia lieber nichts, denn immerhin hatte sie genau das getan. Acy sah auf ihren Teller. Na gut, sie hätte ja eigentlich auch diäten sollen, aber immerhin war es bei ihr ja noch nicht ganz so schlimm - und außerdem hatte sie ihren Einsatzcoverall extra in mehreren Größen gebastelt. Nad war der Appetit vergangenen. Seufz. Sie erhob sich. "Entschuldigt mich." Sie verließ gefrustet den Saal. Püh. Am liebsten wäre sie jetzt sofort nach Hause geflogen, aber wenn sie sich dort vergrub, würde es ihr auch nicht besser gehen. Ergo konnte sie auch auf der Raumstation bleiben. "Was hat sie nur? - Naja, dann können wir uns ja jetzt um Nr.5 kümmern." Alycia stand auf und nahm Kurs auf die Medostation "Sie wünschen?" fragte der Dienstleistungsandroide am Empfang der Krankenstation. "Ooooh. Ich fühle mich allerübelst", jammerte Acy. "Man muß mich untersuchen. Ich bin sicher das Essen war vergiftet!" "Aha." Der Androide überprüfte seine Daten. Die Frau sah völlig gesund aus. Vorabdiagnose: Das 'gelangweilte reiche Lady-Syndrom'. Sie wollte Aufmerksamkeit erregen, indem sie eine Krankheit vortäuschte. Aber zunächst mußte sie aus Sicherheitsgründen untersucht werden. Er ließ die Dame von einer Androiden-Krankenschwester zur Untersuchung führen. Cayvyn begleitete sie auf Schritt und Tritt, wobei er alle Details der Medosektion abspeicherte. Nardia hatte sich derweil in ein anderes Gewand geworfen und war in den botanischen Garten gegangen. Sie wollte ihre Ruhe haben. Seufz, wäre sie doch nur zu Hause geblieben. Es war einfach frustrierend, hier herumhängen zu müssen. Nachdem sie die Lage in der Krankenstation analysiert hatten und aufgrund fehlenden Befunds hinauskomplimentiert wurden, machten sich Acy und Cay wieder per Wartungsschacht auf den Weg. Der Killer lag in einem Einzelzimmer, was die Aktion erheblich vereinfachte. Cayvyn packte den Bewußtlosen und zerrte ihn durch die Luke in das verborgene Gangsystem. Nicht lange, und er lag neben seinen Kollegen in einer der hinten befindlichen Stasis-Kammern. Sofort machten die beiden sich auf den Rückweg zum Speisesaal, auf das sie wieder von allen gesehen wurden. Es war immer gut, sich um ein Alibi zu kümmern. Nad hatte es sich auf einer Bank bequem gemacht. Hier konnte sie ungestört nachdenken. Vermissen würde sie ja ohnehin niemand. Irgendwie mußte sie doch einmal zu einem Ergebnis kommen, was ihr weiteres Leben betraf. Aber so einfach war das eben nicht. Momentan war sie gerade in einer Laune, in der sie am liebsten alles hinschmeißen würde - aber eine Lösung war das auch nicht. "Sag mal, Cay, warum bist du eigentlich in letzter Zeit andauernd so eifersüchtig?" erkundigte sich Alycia. "Hm. Es schien mir angeraten, dieses Verhaltensmuster meinen übrigen hinzuzufügen, damit ich dich nicht irgendwann aus mangelnder Achtsamkeit verliere." "Hm." Acy runzelte die Stirn. "Du solltest es zumindest etwas reduzieren, sonst läufst du Gefahr, mich aus dem gegenteiligen Grund zu vergraulen." "Oh." Cayvyn hob irritiert die Augenbrauen. Das mußte er erst einmal analysieren. Alan war nach ziemlich unergiebigem Herumlaufen ebenfalls im botanischen Garten gelandet. Er verstand es einfach nicht. Warum ging Cayvyn immer gleich auf ihn los und ließ ihm keine Chance zur Verteidigung? Dabei hatte er ihm doch versprochen, nie mehr etwas mit Acy anzufangen. Glaubte er ihm nicht? Seufz, das war alles so kompliziert - und bevor er nicht Ordnung in seine Gedanken gebracht hatte, würde er nicht zu den anderen zurückgehen. Er ließ sich auf einer Bank nieder. "Cay." Alycia legte ihm die Hand auf den Unterarm. "Ich weiß, daß du stets Angst hast, daß ich dich vielleicht doch nicht richtig akzeptiere, weil du kein Mensch bist, aber das ist einfach nicht wahr! Im Gegenteil, ich glaube, ich könnte niemals einen menschlichen Mann als Partner akzeptieren. Du bist einfach in jeder Hinsicht besser! Also beruhige dich." "Alan ist auch kein menschlicher Mann", machte Cayvyn sie aufmerksam. "Aber was Alan betrifft, so hast du mein Versprechen, daß ich mich nicht mehr mit ihm einlasse." Sie seufzte. Ihr Gefährte nahm alles immer so furchtbar ernst. Nardia hatte inzwischen Sir Alayn bemerkt. Der fehlte ihr gerade noch. Allein sein Anblick reichte noch, um ihren Ärger erneut zu verstärken, also schlich sie sich möglichst unauffällig fort. Da sie natürlich dabei nach hinten sah, stieß sie mit Ryel zusammen, der sich schon vor längerer Zeit wieder hierhin zurückgezogen hatte, da es ihm im überfüllten Speisesaal nicht gefiel. "Hups", machte Nad erschrocken. "Hallo! Wohin so eilig?" fragte der junge Dunnlorner. "Äh... Ich wollte Sir Alayn nicht begegnen." "So?" Er sah sie fragend an. "Genau!" Sie hatte nicht vor, eine Erklärung abzugeben. "Und was habt Ihr jetzt vor?" Seufz, jetzt hatte sie wohl Ryel am Hals. "Eigentlich nichts besonderes." In den Speisesaal wollte sie auch nicht zurück. "Cay", meinte Alycia schließlich. "Was hältst du davon, wenn wir uns langsam zurückziehen? Es ist zwar erst 17:00 Uhr, aber..." "Hm. Was würdest du zu einem kleinen romantischen Spaziergang sagen, bei dem wir unsere Probleme explizit ausdiskutieren können?" "Ein romantischer Spaziergang? Cay, du bist süß!" Sie strahlte ihm an. Er schien wirklich ein paar Sachen an seiner Programmierung umgestellt zu haben. "Wie wäre es mit dem Beobachtungsdeck?" "Gut." Die beiden spazierten also zum Beobachtungsdeck. Nardia war Ryel immer noch nicht losgeworden. Er hatte ihre dezenten Aufforderungen in dieser Richtung einfach überhört. Seufz. Momentan erzählte er ihr von Dunnlorn und wie er seine Heimat vermißte. Aber was ging sie das an? Sie war nicht in der Stimmung für sowas. Trotzdem war es noch besser, ihm zuzuhören als weiter trübsinnig herumzuhängen, beschloß sie. Als Alycia und Cayvyn das Beobachtungsdeck erreichten, machten sie sofort wieder kehrt. Statt romantischer Einsamkeit unter den Sternen gab es dort so etwas wie einen Massenansturm. "Ich hätte daran denken sollen, daß heute wieder eine Sonnenfinsternis ansteht", seufzte Cayvyn. "Tja. Aber nun?" Alan war immer noch zu keinem Entschluß gekommen. Das beste wäre wohl, er entschuldigte sich für sein Benehmen und flog nach Tarishaan zurück. Und in Zukunft sollte er dann jede Begegnung mit Acy oder Cayvyn vermeiden. Vielleicht brachte das ja etwas. "Es muß doch auf dieser Raumstation ein Eckchen geben, wo man ungestört entlangflanieren kann", grummelte Alycia. "Versuchen wir es mal mit dem botanischen Garten." "Na gut." Die beiden wanderten also dorthin. Nardia hörte Ryel inzwischen fasziniert zu. Es war doch interessant, etwas über das Leben auf Dunnlorn zu hören, schließlich kam man an diese Infos normalerweise nicht so leicht heran. Außerdem lenkte es sie von ihren Problemen ab. "Doch, hier könnte es mir gefallen", stellte Acy fest und schlang ihrem Gefährten einen Arm um die Mitte. Dieser legte ihr seinerseits einen Arm um die Schulter, und so spazierten sie durch das Miniwäldchen. Cayvyn fragte sich, ob er sich nicht vielleicht noch einmal reprogrammieren sollte. "Cay, warum glaubst du mir eigentlich nie, wenn ich dir sage, daß ich nichts von Alan will?" "Er ist in dieser Hinsicht zu gefährlich." "Ich dachte, er hätte sich geändert." "Das dachte ich auch." Schließlich hatten sie ein nettes Plätzchen gefunden, eine kleine Wiese, wo sie sich auf dem kurzen Gras niederließen. Cayvyn legte den Kopf in Alycias Schoß und ließ sich von dieser in den Haaren herumwuscheln und streicheln. "Cay, versprichst du mir, daß du dafür sorgst, daß du nicht mehr so eifersüchtig bist?" "Nur wenn du versprichst, keine Seitensprünge zu begehen." "Nur wenn du versprichst, dich mit keiner anderen Frau als mir einzulassen." "Hm." "Hm?" Acy guckte ihn schockiert an. "was soll denn das heißen?" "Lisha, bleiben wir doch dabei, daß ich versuche, nicht mehr so eifersüchtig zu sein." "Hast du etwa vor, mich in absehbarer Zeit mit anderen Frauen zu hintergehen?" "Nein, im Prinzip nicht. Aber..." "Cayvyn!" Blitzschnell hatte Alycia ihren Gefährten auf dem Gras abgelegt und sich rittlings auf seinen Bauch gesetzt. Nardia und Ryel hatten es sich unterdessen auf einer Bank bequem gemacht, denn die Herumsteherei war ihnen zu dumm geworden. Nad fragte ihren Gesprächspartner gerade über die diversen Bräuche auf Dunnlorn aus, von denen sie gehört hatte. Ryel amüsierte sich über ihre Vorstellungen, die dermaßen übertrieben waren, daß er sich darüber wunderte, wie irgendjemand solchen Behauptungen Glauben schenken konnte. Alan war derweil zu einem Entschluß gekommen. Er würde seinen Plan in die Tat umsetzen und machte sich daher auf die Suche nach Acy und Cay. Allerdings entdeckte er statt diesen Nardia und Ryel, die sich immer noch unterhielten. Das paßte ihm ja nun gar nicht, und wütend machte er kehrt, damit sie ihn nicht bemerkten. Ziemlich geladen stürmte er quer durch den Garten. Gerade als es sich Alycia mit einem rabiaten Glitzern in den Augen auf ihrem Partner bequem gemacht hatte, betrat Alan die Wiese und blieb irritiert stehen. Sollte er nun wieder kehrt machen, oder einfach so tun, als sähe er sie nicht? Zu seinem Pech hatte Cayvyn Alans Ankunft bereits bemerkt. Er versuchte, sich aus der etwas peinlichen Lage zu befreien, doch Acy hielt sich hartnäckig fest, und er wollte sie auch nicht verletzen. "Das war er!" fauchte sie ungehalten und hielt ihn an seinem Kragen gepackt. "Er hat dich total verdorben!" Alan beschloß, sie einfach zu ignorieren und überquerte die Wiese. "Ha!" machte Alycia plötzlich, als sie Alan erspähte. Sie war sofort wieder auf den Beinen und stellte sich ihm in den Weg. "Langsam beginne ich, klarer zu sehen!" Seufzend rappelte sich auch Cayvyn wieder auf. Alan bemühte sich, sie weiter zu übersehen und ging um sie herum. Wie ein Blitz stand sie wieder vor ihm. "Rechtfertige dich!" fauchte sie. "Warum sollte ich?" "Du hast meinen Lebensgefährten total verdorben!" "So? Selbst wenn es stimmen würde, wäre mir das völlig egal." "Wie bitte?" Alycia klatschte ihm eine. "Du bist an unserem momentanen Unglück schuld!" "Das interessiert mich nicht. - Und wenn du das noch einmal machst", er bezog sich auf die Ohrfeige, "dann werde ich die das Hinterteil versohlen!" "Wie bitte? Das interessiert dich nicht?" Man hörte Acy gut im ganzen botanischen Garten. "Nein, überhaupt nicht", fauchte Alan zurück. Nardia und Ryel sahen erstaunt in die Richtung, aus der die Stimme zu hören gewesen war. "Das war Acy", stellte Nad fest und machte sich auf den Weg, diese zu suchen. Der Dunnlorner folgte ihr. "Natürlich interessiert es dich nicht. Du bist ja auch nur ein gefühlloser grober Klotz, der offenbar nichts als seinen eigenen Egoismus kennt!" "Wenn du meinst", erwiderte Alan. "Und ob ich meine! Du solltest dich einmal gründlich überholen lassen und gucken, wieso bei dir unterwegs offenbar das Gewissen verlorengehen konnte. Mir scheint, es macht dir auch noch Spaß, anderen Leuten das Leben zu vermiesen!" "Ach?" machte Alan. "Sei froh - du hast erreicht, was du wolltest. Ich werde verschwinden!" "Ich freue mich! Hoffentlich kommst du nie wieder zurück!" "Ganz bestimmt nicht. Ich werde dahin gehen, wo ich herkam." "Das beruhigt mich ungemein! Dann kommst du mir und Cayvyn auch nicht mehr in die Quere!" "Ich bereue zutiefst, dich jemals kennengelernt zu haben!" Nun betraten Nardia und Ryel die Wiese, wobei Nad nicht im geringsten verstand, worum es ging. Na klar, es hatte mit der Flirterei zwischen Acy und Sir Alayn zu tun, aber da war definitiv auch noch etwas anderes dahinter. "Ich auch - aber ich glaube, da bin ich nicht alleine! Du schaffst es doch, jeden zu verletzen, mit dem du jemals in Kontakt gekommen bist. Ich werde den Tag rot im Kalender anstreichen, wenn du dich endgültig verzogen hast!" "Ha, das werde ich auch tun, denn dann werde ich dich ja nicht mehr sehen müssen." "Schluß jetzt!" rief Nardia und schob sich zwischen die beiden. "Ganz davon abgesehen, daß diese Streiterei nichts bringt, kann man euch meilenweit hören." "Äh... Wirklich?" Alycia verzog das Gesicht und trollte sich zu Cayvyn, in dessen Arme sie sich schmiegte. Alan drehte sich um und verschwand einfach. Er war viel zu wütend, um jetzt mit irgendjemandem vernünftig zu reden, und außerdem hatten ihn Acys Anschuldigungen doch ziemlich getroffen. Alycia ignorierte Alans Verschwinden. Sie war froh, daß er endlich fort war. Nur Cayvyn sah sie sehr eigentümlich an. "Das hättest du nicht tun sollen", meinte er leise, ließ sie los und ging hinter seinem Bruder her. Acy sah ihm verständnislos nach. "Was war eigentlich los?" wollte Nardia wissen. "Ich habe Sir Alayn zur Rede gestellt, und dann haben wir uns gestritten. "Wieso zur Rede gestellt?" "Er war mit Cay auf Shanjir, und ich bin sicher, die beiden haben dort jede Lasterhöhle heimgesucht, die sie finden konnte. Alleine wäre Cayvyn nie auf so eine Idee gekommen." Alycia ließ sich ins Gras fallen und brach in TRänen aus. "Ich hasse ihn!" 'Seufz, auch das noch', dachte Nad. "Und was ist so schlimm daran?" "Ich habe das Gefühl, Cay hängt mehr an ihm als an mir! Wenn der etwas vorschlägt, macht Cay sofort mit." "Das ist Quatsch!" sagte Nad. "Cayvyn liebt dich doch." "Aber jetzt hat er sich auf Alayns Seite gestellt und ist mit ihm davongezogen!" "Von 'davongezogen' kann ja keine Rede sein. Er ist ihm nachgegangen. Kein Wunder, nach dem, was du Sir Alayn alles vorgehalten hast." "Aber es stimmte doch!" "So? Und da bist du dir sicher?" "Oh ja!" "Na und? Ist das ein Verbrechen, daß sie in diesen 'Lasterhöhlen' - wie du es bezeichnest - waren?" "Ja! Cay gehört zu mir!" "Ist er etwa dein Eigentum?" "Naja. Aber mein Lebensgefährte. Und ich habe etwas dagegen, wenn er sich so einfach mir nichts, dir nichts mit wildfremden Frauen einläßt." "Ach? Er soll also nur für dich da sein?" "Genau!" "Du bist ausgesprochen egoistisch." "Was würdest du sagen, wenn sich dein Lebensgefährte mit anderen Frauen vergnügt?" "Ich würde auf jeden Fall nicht jemand anderem die Schuld zuschieben. Frag dich doch lieber, warum er das getan hat!" "Warum? Nun, ich war zufällig von der Organisation Xi gefangen und daher lediglich nicht anwesend, wenn ich dich daran erinnern muß. Außerdem wäre ihm von alleine niemals die Idee gekommen, so etwas zu tun!" "Das bezweifle ich. Cayvyn ist viel zu neugierig, um nicht früher oder später auf so etwas zu kommen." "Aber ich habe ihn doch mit gewissen ethischen Grundqualitäten ausgestattet, und Fremdgehen gehörte effiektiv nicht dazu. Man muß ihn schon massiv dazu überredet haben." "Hm. Aber gezwungen hat ihn bestimmt auch keiner." "Das ging auch nicht. Aber wenn Alayn nicht als schlechtes Beispiel gedient hätte, dann hätte sich Cay niemals auf so etwas eingelassen." "So? Irgendwie glaube ich nicht, daß er das nur getan hat, weil Sir Alayn es vorgeschlagen hat." "Ich schon. Auf sowas war er nämlich nicht programmiert." "Ich dachte, er ist lernfähig." "Das wäre ein Fall, wo ich dies bedauere." "Wenn er es nicht wäre, würdest du es auch bedauern." "Hm. Stimmt schon. Hoffentlich kommt er bald zurück." Acy wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, schniefte noch einmal lautstark und schlang dann die Arme um ihre Knie. "Bestimmt. Er würde dich doch nie allein lassen." "Da bin ich mir nicht so sicher." "Ich bin mir aber sicher", behauptete Nad. "Hm. Wenn du meinst." Alycia schaute hoffnungsvoll zu ihrer Schwester auf. "Natürlich!" "Seufz." Naja, wenigstens weinte Acy nicht mehr, dachte Nad beruhigt. Aber ob damit wirklich alles wieder gut würde? Alan war derweil durch die halbe Raumstation gerannt, und schließlich hatte er sich im Hangar wiedergefunden. Auf jeden Fall mußte er sich erst einmal beruhigen, bevor er abhauen konnte. Zum Glück war es ihm gelungen, Cayvyn abzuhängen. Alan! kam es per Funk. Ja, erwiderte er zögernd. Am liebsten wäre es ihm ja, wenn ihn alle in Ruhe lassen würden, aber wenn er nicht antwortete, fände Cay sicherlich eine andere Möglichkeit. Was hast du vor? Cayvyn war nun endlich in der Lage, seinen Bruder einzupeilen und stürmte in Richtung Hangar. Genau das, was ich gesagt habe. Ich werde gehen. Nur wegen Alycia? Nicht nur. Warum denn sonst noch? Wegen dir, wegen Nardia, wegen mir... Wieso wegen mir? Du bist auch nicht besser als die anderen. "Inwiefern?" Nun war Cayvyn bei Alan angekommen und sah ihn stirnrunzelnd an. "Weil du mir auch nicht vertraust", wechselte dieser nun ebenfalls wieder auf Akustik. "Vertraust du mir?" "Sicherlich. Aber ich will nicht darüber reden. Laß mich einfach zufrieden, und morgen bin ich dann wieder außerhalb der FGS." "Quatsch! Erst wird das hier ausdikutiert, und wenn ich dich dafür anbinden müßte. Erst einmal würde es mich interessieren, seit wann du mir 'vertraust'. Immerhin erzählst du mir in der Regel höchstens die Hälfte von dem, was ich wissen möchte." "Ich will aber nicht diskutieren", beharrte Alan. "Wir werden diskutieren, und wenn ich deinen Raumer sabotieren müßte!" "An dem kannst du nichts mehr kaputt machen." "Na gut. Also - wie kannst du behaupten, daß du mir vertraust?" "Warum sollte ich das nicht tun?" "Weil du mir schon des öfteren gezeigt hast, daß du mir nicht vertraust. Zum Beispiel vorhin." "Was hätte ich denn sagen sollen?" "Die Wahrheit." "Die hatte Acy schon gesagt." "Aber ich hätte es trotzdem gerne noch einmal von dir gehört!" "Warum?" "Weil Lisha sie stets geschickt verbiegt." "Das tue ich doch auch." "Aber wenn zwei Leute sie etwas unterschiedlich verbiegen, kann man daraus meist den wahren Kern extrahieren." "Hm", machte Alan nur. "Nun? - Also, ich würde dir dann vertrauen, wenn du mir vertraust." "Ich vertraue dir immerhin weitaus mehr als anderen." "Das zum Thema, daß du mir vertraust. - Weiter: Was ist mit Lady Nardia?" "Was meinst du?" "Weshalb bestärkt sie deinen Schluß, die FGS zu verlassen?" "Weil es besser ist." "Warum?" "Darum. Ich will dazu nichts sagen." "Soviel zum Thema 'Vertrauen'! Aber mir vorwerfen, dann ich dir nicht vertraue." "Das hat nichts mit Vertrauen zu tun." "Womit dann?" "Warum läßt du mich nicht in Frieden?" fragte Alan gequält. "Weil du mein Bruder bist." "Es wäre besser gewesen, wenn du das niemals erfahren hättest. Es wäre überhaupt besser gewesen, ich wäre niemals hergekommen." "Nein. Also? Was hat Lady Nardia damit zu tun?" "Seufz." "Alan, jetzt werd' nicht albern! Nun?" "Sie mag mich sowieso nicht." "Wie kommst du darauf?" "Das ist wohl kaum zu übersehen." "Und woran, meinst du, könnte das liegen?" "An mir." "Meinst du nicht, daß du das eventuell ändern könntest?" "Nein." "Und warum nicht?" "Wie soll ich micht denn schon wieder ändern? Ich komme doch nicht einmal mit den bisherigen Änderungen klar! " "Dann solltest du vielleicht einmal versuchen, mit dir ins Reine zu kommen. Aber das heißt noch lange nicht, daß du aus der FGS flüchten mußt! Setz dich erst einmal in deinen Bungalow, behaupte, du komponierst irgendetwas und analysiere in aller Ruhe deine aktuellen Verhaltensmuster!" "Und das soll etwas nützen? Bisher hat das doch gar nichts gebracht, wenn ich mein Verhalten analysierte. Außerdem will ich nicht hierbleiben." "Du willst also wieder vor dir und allen anderen fliehen", stellte Cayvyn sachlich klar. "Aber denke daran, dich nimmst du überallhin mit!" "Sicher, aber wenn ich alleine bin, habe ich keine Schwierigkeiten mit anderen." "Und was ist mit dir?" "Damit komme ich zurecht." "Das bezweifle ich." "Wieso das?" "Ich behaupte, deine Probleme mit anderen Personen rühren hauptsächlich daher, daß du nicht im Einklang mit dir selbst bist." "Das verstehe ich nicht." "Wenn du selbst nicht weißt, was du willst, wie kannst du dann korrekt auf die Impulse reagieren, die du von anderen bekommst?" "Hm. Deshalb will ich ja weg. Solange keine anderen da sind, brauche ich ja nicht zu reagieren." "Aber wirst du damit glücklich sein?" "Wahrscheinlich nicht. Aber ich bin bestimmt nicht unglücklicher als hier." "Aber hier könntest du glücklicher werden." "Das glaube ich nicht mehr." "Ich sage es!" "Du kannst mich auch nicht mehr überzeugen." "Bitte - dann geh. Aber ich sage dir, du wirst diesen Entschluß verfluchen, weil dein Stolz dich daran hindern würde, jemals zurückzukehren, auch wenn du erkannt hast, daß du Mist gebaut hast. Wenn du jedoch bleibst und dich hier durchkämpfst, dann wirst du auch die Belohnung dafür erhalten." "Ich würde wirklich nie mehr zurückkommen", meinte Alan, denn er hatte den Plan, auch die DGK (Demokratische Galaktische Konföderation, 2781GZ von den Welten Farrid IV/Jassar, Ischla III/Inschai, Tum IV/Andir und Dor III/Perrsai gegründet) zu verlassen, um zu sehen, was es dahinter gab. Er wollte eine möglichst große Entfernung zwischen sich und die bekannten Sternenreiche legen. "Und das alles nur wegen zwei Frauen", stellte Cayvyn kopfschüttelnd fest. "Feigling! Anstatt dich hier den Gegebenheiten zu stellen..." Alan sagte nichts dazu. Selbst das 'Feigling' konnte ihn heute nicht mehr aufregen, dazu hatte man ihm schon zuviel an den Kopf geworfen. Er wollte sich nicht mehr stellen, und vielleicht war er tatsächlich ein Feigling. Aber wenn schon, das war nun auch egal. Cay betrachtete Alans gleichgültige Miene zunächst hilflos, dann wütend. "Gut, dann stehle dich aus deiner Verantwortung! Vielleicht hat Lisha ja recht, und du läßt stets nur einen Scherbenhaufen zurück, wo immer du hinkommst! Aber daß du auch einmal versuchen könntest, deine Mißgeschicke wieder gutzumachen, darauf kommst du natürlich nicht!" Alan sah Cayvyn sprachlos an, dann wandte er sich einfach um. "Warum auch, wo ich doch sowieso nur an mich denke?" Ohne einen weiteren Kommentar machte sich Alan auf und davon. Cay blickte ihm entgeistert hinterher. Wohin ging er eigentlich, dachte Alan plötzlich. Das war doch gar nicht der Weg zu seinem Schiff! Naja, auch egal. Dann holte er eben noch seine Sachen aus der Kabine, ehe er abflog. Ihm war jetzt alles egal; er hatte sämtliche Gefühle in den Hintergrund geschoben. Nichts und niemand würde ihn von seinem Vorhaben abhalten, denn er war überzeugt, das richtige zu tun. Er entfernte einfach das Problem, und dann wären alle wieder zufrieden. Cayvyn stürmte zum botanischen Garten zurück. "Lisha!" rief er. "Lisha!" Nardia zuckte zusammen. Warum schrien die alle immer so laut? "Cay?" Alycia blickte hoffnungsvoll auf. Ihr ganze Make-Up war verschmiert, aber das kümmerte sie nicht. "Er ist doch wiedergekommen." "Siehst du, habe ich doch gesagt", bestätigte ihre Schwester. "Cay!" Sie sah sehnsuchtsvoll zu ihm herüber. Cayvyn war völlig aufgelöst und stoppte am Rand der Lichtung. "Er will wirklich abhauen", sagte er bestürzt. "Er meint, es ist an der Zeit, uns von seiner Anwesenheit zu befreien." Nardia sah ihn perplex an. "Warum denn das? Was hast du Sir Alayn denn noch an den Kopf geworfen?" fragte sie Acy. "Er gibt mehrere Gründe an", warf Cay ein. "So, und welche?" fragte Nad. "Lisha, mich, Euch, sich..." "Das verstehe ich nicht, warum denn ich? Ich habe ihm doch wirklich nichts getan." "Er meint, Ihr lehnt ihn ab." "Ich mag ihn nicht, das stimmt. Aber ist das ein Grund?" "Ja, für ihn schon. Er mag Euch nämlich." "Deshalb braucht er doch nicht auszuwandern!" Nardia war ziemlich verwirrt. "Er behauptet, daß er zu nichts zu gebrauchen wäre, ständig alles falsch machte und daher von allen verachtet würde." "Mir scheint, er hat ein Problem." "Allerding", stimmte Cayvyn zu. "Was sollen wir - was können wir machen?" "Das ist überaus kompliziert. Ein falsches Wort, und wir machen alles noch schlimmer." "Eben!" Cay setzte sich ratlos auf die Wiese. Acy schwieg noch immer und wischte sich erneut über das Gesicht, welches immer mehr die Färbung eines ihrer abstrakten Kunstwerke annahm. "Ihr habt sicher schon versucht, mit ihm zu reden?" vermutete Nad. "Ich fürchte, ich habe es nur noch schlimmer gemacht." "So? Was habt Ihr denn gesagt?" "Zuviel, als daß ich es hier wiederholen möchte. - Aber vielleicht könntet Ihr versuchen, ihn umzustimmen?" "Das würde bestimmt nichts nutzen, da er mit Sicherheit vermuten würde, daß Ihr mich geschickt habt." "Versucht es doch bitte wenigstens!" "Warum? Ich habe doch nichts mit ihm zu tun." "Trotzdem! Ihr seid meine einzige Hoffnung, ihn doch noch umzustimmen." "Wenn Ihr mich derart bittet - nun gut. Aber ich bin sicher, daß ich keinen Erfolg haben werde." "Dennoch... Bitte!" "Also, wo ist er?" erkundigte sich Nardia seufzend. "Vermutlich auf dem Weg zwischen seinem Quartier und dem Hangar 02." "Hm, und wo ist das?" "In die Richtung, immer geradeaus." Cayvyn deutete in die Richtung, aus der er gekommen war. "Na schön." Nad machte sich auf den Weg. Als sie verschwunden war, sah Cay Acy ernst an. "Alycia, ich möchte, daß du dich bei Alan entschuldigst." "Warum?" "Weil du einen Großteil der Dinge nur gesagt hast, um ihn zu verletzen. Du hast ihn aber so sehr getroffen, daß er sich selbst für unfähig hält, unter Menschen zu leben. Er will den Rest seiner Tage ganz alleine verbringen." "Schön für ihn!" "Alycia, noch so ein Kommentar, und wir sind geschiedene Leute. Alan ist mein Bruder!" Acy wandte sich demonstrativ ab. Nardia erwischte Sir Alayn kurz vor dem Hangar. "Wollt Ihr uns verlassen?" fragte sie freundlich. "Cayvyn hat Euch geschickt", meinte Alan abweisend. "Aber nein, wie kommt Ihr darauf? Er hat überhaupt nicht das Recht, mich irgendwohin zu schicken." Er guckte sie zweifelnd an. "Und was wollt Ihr von mir?" "Nichts. Ich wollte mich bloß von Euch verabschieden." "Das habt Ihr ja jetzt getan. Also..." Alan war verwirrt. Wenn Cayvyn sie nicht geschickt hatte, was wollte sie dann? "Ihr seid überaus unhöflich", schmollte Nad. "Tut mir leid, Lady Nardia, aber ich bin nicht gerade guter Laune." Er riß sich zusammen. Die paar Minuten konnte er ja wohl auch noch aushalten. "Warum laßt Ihr das an mir aus? Ich habe Euch doch nichts getan, oder?" Sie schaute ihn treuherzig an. "Natürlich nicht." Was bezweckte Nardia nur? Alan verstand überhaupt nichts mehr. Sie konnte ihn doch nicht ausstehen, warum war sie nplötzlich so freundlich? "Dann werdet Ihr doch sicher mit mir Essen gehen!" Nad fand die Idee zwar selbst äußerst dumm, aber so schnell war ihr nichts besseres eingefallen. "Aber gerne", erwiderte Alan automatisch, während er immer noch über den Grund von Nardias Verhalten nachdachte. "Fein." Sie nahm seinen Arm und zog ihn in Richtung Speisesaal. Alan war immer noch so perplex, daß er mitkam, ohne sich zu sträuben. Was sollte das nur? Derweil warteten Alycia und Cayvyn im botanischen Garten und schwiegen sich an. Acy dachte nicht daran, sich bei Alan zu entschuldigen, und Cayvyn hatte ihr versichert, er würde nicht eher wieder mit ihr reden, als bis sie dieses getan hätte. Gefrustet sprang sie auf und rannte aus der Grünanlage. In einem nahegelegenen Waschraum spülte sie notdürftig die Make-Up-Katastrophe ab und düste zum Speisesaal, wo sie sich etwas Starkes zum Trinken organisierte. Nardia hatte sich ebendort mit Alan an einen Tisch gesetzt und redete nun auf ihn ein. Sorgsam vermied sie dabei alle gefährlichen Themen. Zunächst antwortete er nur zögernd, aber schließlich schaffte Nad es tatsächlich, Alan in ein richtiges Gespräch zu verwickeln. Als Acy erschien, verzog Nardia das Gesicht. Die konnte sie doch jetzt überhaupt nicht gebrauchen! Zum Glück war Sir Alayn nicht in der Lage, sie zu sehen, da er mit dem Rücken zum Buffet saß. Nad mußte sich möglichst schnell etwas einfallen lassen. Da ihr absolut nichts besseres einfiel, lud sie Alan kurzerhand auf einen Drink in ihre Kabine ein. Hauptsache, sie kamen rasch aus dem Speisesaal, bevor Sir Alayn Alycia erspähte. Resolut beförderte Nardia Alan hinaus. Dafür war ihr Cayvyn aber mindestens 10 Gefallen schuldig! Acy ging unterdessen zum Buffet und kippte zunächst einmal zwei dreifache Asteroidenkiller herunter. Jetzt ging es ihr schon etwas besser. Aber daß Cayvyn sie wegen diesem Nullbit von Alan mit Schweigen strafte, war wirklich das Hinterletzte, dachte sie gefrustet, und machte mit einem großen Novablast weiter. Cay hatte sich inzwischen zu Alayns Mietraumer aufgemacht und dort der Einfachheit halber den Hauptenergieverteiler entfernt. Die Mühle flog nirgendwo mehr hin. Ob Nad bereits Erfolg gehabt hatte? Diese war mittlerweile bei 20 Gefallen, die Cay ihr schuldete. Sie hatte Sir Alayn zwar bis zu ihrem Wohnzimmer gelockt, aber was machte sie jetzt? Irgendwie mußte sie ihn zum Bleiben bewegen - aber wie, wo sie doch kein Wort darüber sagen durfte, ohne daß er gleich wieder Reißaus nahm! Wenn er ein Mensch wäre, dann würde sie ihm einfach eine Menge Alkohol einflößen, aber leider klappte das hier nicht. Sie mußte sich etwas anderes ausdenken. Nach einigen weiteren Novablasts, Brainhammers und Green Stupors war Alycia blendender Laune und hatte eine mittelschwere Alkoholvergiftung. Sie ging dezent singend (bzw. grölend) auf die Suche nach ihrem Lebensgefährten. Da dieser jedoch auf der Suche nach Nad und Alan war, hatte sie wenig Glück bei ihrer Wanderung. Cayvyn war nunmehr leicht besorgt, da Alan und Nardia weder im botanischen Garten, noch im Speisesaal, noch im Bordobersavatorium anzutreffen waren. Auch Acy schien spurlos verschwunden zu sein. Nardia wurde allmählich panisch. Was sollte sie bloß tun? Ihr ging der Gesprächsstoff aus. Es war wirklich eine dumme Idee gewesen, Alayn zu sich zu schleppen. Alycia jodelte derweil lautstark die aktuellsten Songs von Explosive Symphony und Deafening Thunderstroke, bis sie die Stationspolizei aufgriff und erst einmal in eine Ausnüchterungszelle steckte. (Einige Sekten und religiöse Gruppen weigern sich, irgendwelche Medikamente verabreicht zu bekommen, einige andere haben etwas dagegen, wenn man bei ihnen den Zustand der Trunkenheit künstlich abbricht, da sie als Buße für ihre Ausschweifung auch unbedingt ihren Kater am nächsten Tag erleben wollen. Da man die Zugehörigkeit zu einer der obigen Gruppen in der Regel nicht so bald bestätigen oder ausschließen kann, befördern die Polizisten etwaige Trunkenboldene auch im 38. Jahrhundert noch in Ausnüchterungszellen und warten so ab, bis die Aufgegriffenen wieder zu sich kommen.) Nad war immer noch nichts eingefallen. Graaaa... 'Warum nur immer ich?' dachte sie. Jetzt wäre eigentlich genau der richtige Zeitpunkt für einen Helden, zu erscheinen und sie aus der Klemme zu holen! Aber bedauerlicherweise war weit und breit kein Held in Sicht. Alan fragte sich weiterhin, was Nardia vorhatte. Vielleicht war es ja doch nur ein Trick, um ihn von seinem Entschluß abzubringen. Es klopfte. "Herein", sagte Nad. Wer war das? Sir Cayvyn betrat Nardias Quartier. Fasziniert bemerkte er Alan auf einer Couch. "Oh - entschuldigt, wenn ich störe. Hat jemand von Euch meine Gefährtin gesehen?" "Nein", antwortete Nad. Endlich eine Pause, dachte sie erleichtert. Alan musterte Cayvyn mißtrauisch. "Sie ist plötzlich verschwunden", erzählte Cay besorgt. "Wir hatten eine kleine Unstimmigkeit, und nun ist sie fortgegangen." "So? Was ist denn passiert?" "Ich wollte, daß sie sich bei Euch entschuldigt", er nickte Sir Alayn zu, "aber sie weigerte sich." "Dann wird sie sich bestimmt etwas zu trinken geholt haben", vermutete Nardia, und Alan fragte sich, warum Cayvyn das von Acy verlangt hatte. "Sie war nicht am Buffet oder sonstwo im Speisesaal..." Cay guckte verzeifelt. "Habt Ihr schon bei der Polizei gefragt?" wollte Nad wissen. "Nein." Cayvyn blickte auf. "Es wäre mir peinlich. Immerhin ist sie meine Gefährtin!" "Dann müßt Ihr eben warten." "Und wenn sie mich nun aus Trotz verlassen hat? Ich habe Ihr gedroht, daß ich nicht mehr mit ihr rede, wenn sie sich nicht entschuldigt." "Das tut sie nicht. Aber so, wie sie sich aufgeführt hat, kommt sie bestimmt zurück." "Hoffentlich!" Cayvyn verbeugte sich. "Dann will ich Euch nicht länger mit meinen Sorgen belasten." Er verschwand wieder aus Nads Quartier. Und da war es wieder, ihr Problem, dachte Nardia. Was machte sie nur mit Sir Alayn? Vor allem, da er nach Cayvyns Besuch noch nicht ein Wort gesagt hatte. Es half alles nichts, jetzt mußte sie wirklich mit ihm reden. Seufz. Sir Cayvyn düste durch die Raumstation. Er hatte beschlossen, nun doch bei der Polizei vorbeizuschauen - und siehe da, Alycia lag in der Ausnüchterungszelle. Er seufzte und transportierte sie nach Hause. Dort verfrachtete er seine Partnerin ins Bett und betrachtete sie nachdenklich. Es hatte kaum Sinn, ihr jetzt ein paar Anti-Rausch-Tabletten zu verpassen, da sie tief und fest schlief. Er überlegte, wie es ihm doch noch gelingen konnte, sie zu einer Entschuldigung zu bewegen. Zugegeben, sie hatte nicht ganz unrecht gehabt, mit dem, was sie Alan an den Kopf geworfen hatte, aber sie hätte es ihm vielleicht doch nicht alles derart gesammelt ins Gesicht sagen sollen. Hm. Am besten wäre es wohl, sie einfach alleine in ihrem Quartier zurückzulassen, sozusagen als kleine Strafe. Cay beschloß, sich kurzerhand davonzumachen. Um diese Zeit war das Beobachtungsdeck hoffentlich relativ leer. Nardia hatte sich neben Alan auf das Sofa gesetzt. Was sein mußte, mußte sein, dachte sie zum wiederholten Male. "Ich muß mal ernsthaft mit Euch reden", sagte Nardia plötzlich, und Alayn sah sie fragend an. Jetzt kam wohl die Strafpredigt. "Also, warum wollt Ihr verschwinden?" "Das geht Euch nichts an", wehrte Alan ab. "So? Ich finde, das tut es aber doch, schließlich ist Acy sehr unfreundlich zu Euch gewesen." Alayn erwiderte darauf nichts, er war immer noch gekränkt über das, was was Alycia ihm vorgehalten hatte. "Also, warum wollt Ihr gehen?" wiederholte Nardia ihre Frage, doch ihr Gegenüber schwieg beharrlich. "Dann werde ich es Euch sagen. Ihr fühlt Euch unverstanden." Alayn betrachtete den Teppich, aber Nardia war durchaus zufrieden, da er ihr anscheinend doch zuhörte. Zumindest war er noch nicht abgehauen. "Nun, habt Ihr nichts dazu zu sagen?" Alayn schüttelte den Kopf. Seufz, das war ja noch weitaus schwieriger, als sie gedacht hatte. "Ich bin sicher, Ihr könntet die Situation ändern, wenn Ihr es nur versuchen würdet", behauptete Nad zuversichtlich. "Ich habe es doch schon versucht", entgegnete Alan ziemlich kläglich. "Aber nicht richtig. Ihr reagiert einfach falsch." "Das weiß ich doch - aber wie mache ich es richtig?" "Nur zum Beispiel, Ihr solltet Cayvyn ruhig die Wahrheit sagen. Das wäre auf jeden Fall besser als dieses Schweigen." Alan sah sie verwundert an. "Meint Ihr?" "Meine ich", bestätigte Nardia. Das konnte noch länger dauern. Geraume Zeit später hatte sie ihn mit viel Mühe davon überzeugen können, daß er doch vielleicht noch einen Versuch wagen sollte. Warum Alan dem zustimmte, war ihm selbst nicht so ganz klar - aber da Nardia anscheinend so viel daran lag. Außerdem schien er sich tatsächlich reichlich dumm verhalten zu haben, doch es war nun einmal ziemlich schwierig, mit diesem neuen Programm zu Rande zu kommen. Eventuell sollte er es etwas abändern. Das einzige größere Problem, das Nad noch zu bewältigen hatte, war, daß Sir Alayn sich hartnäckig weigerte, jemals wieder auch nur ein Wort mit Alycia zu wechseln. Nardia seufzte tief. Zu diesem Thema fiel ihr nun wirklich nichts mehr ein. Vielleicht sollte sie diese Sache erst einmal ruhen lassen; immerhin hatte Alayn ja nicht mehr vor zu verschwinden. "Was werdet Ihr nun tun?" fragte sie. "Ich glaube, ich packe meine Sachen wieder aus", sagte er. "Dann tut das! Ihr versprecht mir doch hierzubleiben?" "Ja, ich verspreche es", erwiderte Alan nachdenklich. Wenn alle so darauf drängten, daß er hierblieb, würde er es halt tun. Er verabschiedete sich und ließ eine äußerst nachdenkliche Nardia zurück. Diese fragte sich gerade, warum Sir Alayn sich andauernd mit Acy stritt, während sie sich ein anderes Mal offenbar mehr als nur gut verstanden. Anscheinend rastete Alycia immer aus, wenn es um Cay und Alayn ging. Sehr merkwürdig. Vor allem verstand Nad nicht so ganz, warum Alayn Cayvyn verderben konnte oder sollte. Naja, das war ja nicht ihr Problem, sie hatte ja nun erreicht, was sie erreichen sollte. nDafür war ihr Sir Cayvyn aber nun mindestens 30 Gefallen schuldig! Sie beschloß, ein wenig auf das Beobachtungsdeck zu gehen, denn da war hoffentlich nicht viel los, und sie konnte in Ruhe bei einem Glas (oder besser einer Flasche) Wein über alles nachdenken, denn das hatte sie verdient. Cayvyn saß an einem Tisch an einer Sichtscheibe und sah melancholisch in die sternübersäte Schwärze. Er seufzte tragisch. Daß er einmal derart Alans Partei ergreifen und sich deshalb mit Lisha verkrachen würde, hätte er nie gedacht. "Guten Abend, Sir Cayvyn", meinte Nardia, als sie ihn erspäht hatte. "?" Cay guckte verwirrt zur Quelle jener Begrüßung. "Ich wünsche Euch ebenfalls einen guten Abend. Was habt Ihr erreicht?" "Naja, auf jeden Fall habe ich Sir Alayn zum Bleiben überredet." "Ihr habt es wahrlich geschaft?" Cayvyn war baff. "Ihr müßt eine wahre Meisterin der Überredungskunst sein." "Ganz bestimmt nicht. Er konnte sich nur nicht länger herausreden." "Das ist doch ein Teil jener Kunst. - Darf ich Euch ein Getränk ordern, Lady Nardia?" "Ja, bitte. Ein großes Glas Wein." "Welchen?" "Irgendeinen Lieblichen, ich habe Durst." "Gerne." Cayvyn bestellte eine Flasche Fayn-Selis, einen tiefgrünen, naravinischen Wein. Er schenkte Nad und sich ein. "Vielen Dank", meinte sie und leerte das Glas in einem Zug. "Soll ich Euch nachschenken?" "Aber gerne." Sie hielt ihm das Glas hin. Cay hob eine Augenbraue und füllte ihr Trinkgefäß erneut. "War es so schlimm?" "Sagen wir es so: Ich habe das Ziel erreicht, auf das Wie kommt es ja nicht an." "Ich bedauere zutiefst, wenn Ihr Unannehmlichkeiten hattet. Ist mein ...Verwandter etwas ausfallend geworden?" "Nein. Es war nur sehr schwer, ihn zum Reden zu bewegen." "Wahrlich. Ich nehme an, Ihr seid deshalb so durstig. Möchtet Ihr noch ein Glas?" "Ja", entgegnete Nardia. Auch wenn der Wein langsam Wirkung zeigte; ihr war danach. "Bitte sehr." Cayvyns Glas war immer noch unberührt, aber die Flasche war mittlerweile leer. Das war Nad nun auch poeinlich, sie sollte nicht so gierig sein. Seufz, aber verdient hatte sie es doch... "Mögt Ihr noch einen anderen Wein?" "Nein", wehrte sie ab. Dann käme sie bestimmt nicht mehr zu ihrer Kabine. "Gut." Nun nahm Cay einen Schluck von seinem Glas. Ob es richtig war, Alycia derart unter Druck zu setzen, damit sie sich bei Alan entschuldigte? "Habt Ihr eigentlich Acy gefunden?" "Ja. Sie war völlig betrunken." "Das hatte ich mir gedacht." "Ts!" "Sicher. Acy war so wütend, und Ihr habt auch noch verlangt, daß sie sich bei Sir Alayn entschuldigt." "Hm. Auf jeden Fall schläft sie jetzt ihren Rausch aus. Ich bin gespannt, ob sie sich morgen entschuldigen wird." "Keine Ahnung", meinte Nardia mit etwas schwerer Zunge. Sie hätte den Wein wirklich nicht derart herunterstürzen sollen, jetzt war ihr ganz komisch zumute. "Ich werde jedenfalls erst wieder mit ihr reden, wenn sie es getan hat." Cayvyn sah nach draußen. Hoffentlich entschuldigte Lisha sich. "Dann ist das wohl eine Frage, wer zuerst nachgibt." "Das ist ja das Problem. Sie ist entsetzlich stur." "Das stimmt allerdings." "Es ist frustrierend. Warum ist es nur so kompliziert, ein Androide zu sein?" "Die Frage war wohl rhetorisch gemeint?" "Im Prinzip ja. Aber eine Antwort käme mir gleichfalls nicht unrecht." "Ich weiß jedenfalls keine." "Bedauerlich." Cayvyn kippte den Rest des Fayn-Selis herunter. "Aber wie es mir scheint, geht es Menschen kaum anders." "Das ist durchaus zutreffend." "Woran liegt das bloß? Wahrscheinlich müßte man ein Taschenrechner sein, um wunschlos glücklich zu sein." "Hm?" Nardia sah Cayvyn verwirrt an. "Das glaube ich nicht." "Weshalb nicht? "Taschenrechner haben doch keine Empfindungen", sagte sie nachdenklich. Sie hätte wirklich nicht soviel von dem Wein trinken sollen, ihr fiel schon das Denken schwer. "Na, die sind doch hauptsächlich der Grund dafür, daß alles so furchtbar kompliziert ist! "Aber ohne wäre es ziemlich langweilig. Das glaube ich zumindest." "Man müßte einen Taschenrechner dazu befragen." "Hm", machte Nad. "Ist gerade einer in der Nähe?" "Nicht daß ich wüßte." Er seufzte tragisch. Vielleicht sollte er es doch einmal damit versuchen, sich zu betrinken. "Was seufzt Ihr so tragisch?" erkundigte sich Nardia. "Wegen des Lebens, dem Universum und Lisha..." Nardia mußte kichern. Blöder Wein. "Ist das so lächerlich?" fragte Cayvyn gekränkt. "Nein, aber ich bin ziemlich beschwipst." "Offensichtlich. Soll ich Euch zu Eurem Quartier begleiten?" "Das wäre überaus freundlich von Euch." "Bitte!" Er bot ihr galant den Arm an. "Danke." Nad hielt sich an ihm fest, da die Raumstation bedrohlich schwankte, und Cay geleitete sie vorsichtig zu ihrer Kabine. Nardia hing schwer an ihm. Warum drehte sich bloß alles wie wild im Kreis? Nie mehr wieder Wein in einem Zug, schwor sie sich. 'Seufz', dachte Cayvyn. 'Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig.' Er öffnete die Tür zu Nads Quartier und brachte sie auch noch ins Bett. Nardia kuschelte sich in die Federn und schlief sogleich ein. Mucksmäuschenstill verzog Cayvyn sich wieder, wobei er inständig hoffte, daß kein Klatschreporter in der Nähe gewesen war. 3763/04/18 GZ Alan hatte seine Klamotten derweil wieder ausgepackt und war danach durch die Station gewandert. Irgendwie konnte er besser grübeln, wenn er herumlief. Schlußendlich hatte ihn seine Wanderung wieder in den botanischen Garten geführt. Es war bereits nach Mitternacht, und der Garten lag völlig verlassen da. Es war genau der richtige Ort, um seine Gedanken zu ordnen. Zweiter Versuch, dachte Alan amüsiert. Als Alycia gegen 09:60 Uhr aufwachte, hatte sie den fürchterlichsten Kater, den jemals irgendjemand zu irgendeiner Zeit im Universum gehabt hatte. Naja, zumindest fühlte es sich so an, dachte sie. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, daß es schon wieder fast Zeit fürs Mittagessen war, doch alleine der Gedanke an etwas Eßbares verursachte ihr eine derartige Übelkeit, daß sie beschloß, am besten den Rest ihres Lebens mit Fasten zu verbringen. Sie wand sich aus dem Bett und ging auf die Suche nach irgendwelchen Katerkillern, ehe sie sich in eine bequeme knallrote Kombi warf und sich zum Speisesaal schleppte. Essen wollte sie zwar nichts, aber dort würde sie hoffentlich ihre Schwester treffen. Nardia wachte ebenfalls gegen Mittag wieder auf. Wider Erwarten hatte sie keinen Kater, nicht die Spur. Sehr eigentümlich. Sie streifte sich einen Freizeitanzug über und machte sich auf den Weg zum Speisesaal. Acy hing über einem monumentalen Becher kohlrabenschwarzen Kaffees. "Guten Morgen", meinte Nad freundlich und balancierte eine Kaffeetasse und einen Joghurtbecher zum Tisch. Am besten fing sie gleich mit der Diät an. "Moin", grumpfte es unter einem zerzausten neongelben Mop hervor. "Ich nehme an, du bist nicht zum Reden aufgelegt." Nardia grinste und machte sich über den Joghurt her. "Grummel." "Tse", machte Nad nur. "Mußt du hier etwas essen?" jammerte Alycia. "Mir ist schlecht." "Mir nicht", stellte Nardia ungerührt fest. "Ich glaube, ich werde nie mehr in meinem Leben irgendetwas essen oder trinken." "Das wage ich zu bezweifeln." "Ganz sicher!" "Bitte, wenn du darauf bestehst." "Ich bin absolut tot." "Schön, soll ich schon mal den Sarg bestellen?" erkundigte sich Nad amüsiert. "Ja!" Acy schob die Kaffeetasse beiseite und ließ sich auf dem Tisch zusammensacken. "Du bist wirklich hinüber", stellte Nardia fest. "Ich sehe dich dann später. Ich muß zum Training." Sie stand auf und überließ ihre Schwesteren deren Katzenjammer. "Alle haben mich verlassen... Cayvyn hat mir nichts gegen den Kater gegeben, und da war er auch nicht... Und jetzt ist sogar Nad weg!" Alycia schleppte sich in ihr Quartier zurück und versank erneut in den Federn. Nardia joggte inzwischen durch die diversen Anlagen von Iskavar-1019, denn irgendwie mußte sie die überflüssigen Pfunde ja loswerden. Cayvyn hatte die Nacht im Bordobservatorium verbracht, da er über einige Dinge bezüglich seiner Beziehung zu Alycia nachdenken mußte. Da er aber zu keinem Ergebnis kam und langsam diverse andere Personen das Beobachtungsdeck stürmten, zog er sich in den botanischen Garten zurück. Alan befand sich ebenfalls noch dort. Er hatte keine Lust gehabt, in seine Kabine zurückzugehen, da ihm dort sowieso alles auf die Nerven gegangen wäre. Momentan lag er auf der Wiese und betrachtete den künstlichen Himmel. Cay wanderte durch den Wald und entdeckte Alan auf der kleinen Lichtung. Er verharrte. Ob er ihn ansprechen sollte? "Guten Morgen, Cayvyn", sagte Alan, ohne den Blick vom Himmel abzuwenden. "Hallo, Alan", erwiderte Cay zögernd. Jener dachte nicht daran, von sich aus ein Gespräch zu beginnen, da er nicht wußte, was er sagen sollte. Cayvyn setzte sich ebenfalls in das niedrige Gras, wobei er darauf achtete, möglichst wenige der winzigen bunten Blumen darin zu plätten. Alan starrte weiterhin Löcher in den Himmel. Er fühlte sich ausgesprochen dumm, vor allem, da er gestern wirklich etwas ausgerastet war. Cayvyn schwieg ebenfalls. Erst als das Schweigen langsam peinlich wurde, meinte er: "Und was gedenkst du nun zu unternehmen?" "Wie meinst du das?" "Willst du immer noch abhauen?" "Nein." "Mhm." Cay spielte mit einer rosafarbenen Blüte herum. Alan schwieg wieder. "Ich glaube, ich sollte auswandern", sagte Cayvyn unerwartet. Sein Bruder schaute ihn verwirrt an. "Warum?" "Alycia und ich haben ernsthafte Unstimmigkeiten." "Ach so." "Mhm." "Mich hat schon immer gewundert, wie du mit ihr auskommst." "Wieso das?" "Da sie sich doch permanent streitet." "Mit mir normalerweise nicht." Alan zuckte mit den Schultern. Er verspürte keinerlei Lust, sich über Acy zu unterhalten, da er immer noch nicht verwunden hatte, was sie ihm alles vorgeworfen hatte. "Aber jetzt besteht sie darauf, daß sie sich nicht bei dir entschuldigen will. Aber ich habe ihr gesagt, daß ich erst wieder mit ihr reden würde, wenn sie es getan hat." "Ich lege keinen Wert auf ihre Entschuldigung." "Hm. Aber hier geht es ums Prinzip!" "Wieso?" "Naja, wenn ich jetzt wieder nachgeben würde, wie sähe das denn aus?" "Als ob sie ihren Willen wieder einmal durchgesetzt hätte." "Eben. Und deshalb muß sie sich bei dir entschuldigen. Aber ich fürchte, daß sie es nicht tun wird." "Wahrscheinlich. Außerdem kann ich gut darauf verzichten, denn selbst wenn sie es täte, wäre es ja doch nicht ernst gemeint." "Seufz, aber das heißt nun wieder, daß ich nie wieder ein Wort mit ihr wechseln kann! Da ist es doch besser, ich haue ab und komme nie wieder zurück." "Es ist deine Entscheidung." "Hm." Cayvyn stand auf. "Das ist es. Leb wohl." Er ging davon. Alan sah ihm hinterher. Er würde sich da nicht einmischen - wie konnte er auch? Immerhin wollte er gestern selbst verschwinden, und seine Argumente würden nun alle irgendwie äußerst dumm wirken. Seufz. Was sollte er nur tun? Cayvyn steuerte zielstrebig auf den Hangar zu, in dem die Starfire stand. Er könnte es nicht ertragen, wenn er nie wieder ein Wort mit Alycia wechseln könnte und sie dennoch permanent sehen müßte. Und außerdem war es eine Frage des Prinzips. Am besten sollte er wohl nach Naravina fliegen und dort seine Pflichten als Erbe des Herzogtums von Süd-Ayryana wahrnehmen. Doch zunächst würde er noch seine Sachen auf der Villa Alycia zusammenpacken. Er stieg in die Starfire und machte sich auf den Weg. Nardia hatte langsam genug von der Joggerei. Sie duschte kurz und machte sich danach auf die Suche nach Acy. Ob diese inzwischen wieder ansprechbar war? Alycia war ebenfalls unter der Dusche gewesen, allerdings ausgiebig unter einer eiskalten. Sie hatte sich nun wieder zivil zurecht gemacht. Sie fragte sich, wo Cayvyn stecken mochte. Nad klingelte an Acys Kabinentür. "Ja?" rief diese. "Ich bin es!" erwiderte Nad. "Bist du jetzt wieder frisch?" "Soso lala. - Komm rein!" Nardia trat ein. "Du, Nad, hast du Cayvyn irgendwo gesehen?" "Nö. Gestern habe ich ihn zuletzt getroffen." "Er ist einfach weg! Ich habe einen Rundruf über die Intercom gejagt, aber er hat sich nicht gemeldet. Ob er wirklich beabsichtigt, nicht mehr mit mir zu reden, ehe ich mich bei Sir Alayn entschuldigt habe?" "Ich glaube, das ist ihm ausgesprochen ernst." "Aber ich kann mich nicht bei Sir Alayn entschuldigen!" "Dazu möchte ich nichts mehr sagen", meinte Nardia. Der Türsummer erklang. "Herein!" rief Acy. Das war bestimmt Cay! "Guten Tag, Lady Alycia", sagte Alan. "Kann ich Euch einen Moment sprechen?" wandte er sich dann an Nardia. "Hä?" machte Acy. Alan ignorierte sie einfach. "Aber natürlich", entgegnete Nad. "Was ist los?" "Ich möchte Euch lieber alleine sprechen." "Soll ich vor die Tür meines Quartiers gehen?" fragte Alycia zuckersüß. Pah, bei dem würde sie sich doch nicht entschuldigen! "Das wird nicht nötig sein", meinte Nardia. "Wir gehen raus." Die beiden verschwanden. Acy betrachtete die geschlossene Tür und schmetterte das erstbeste Teil, das ihr in die Hände fiel - eine Kunstoffvase - gegen die Wand. Sie fluchte lästerlich. Offenbar waren alle hier gegen sie, denn die Vase prallte ab und rollte unversehrt über den Boden, wo sich die darinnen befindlichen Plastikblumen gleichmäßig verteilten. Sie stampfte wütend mit dem Fuß auf. Vor der Türe hatte Alan Nardia nun darüber informiert, daß Cayvyn abgehauen war. "Meint Ihr nicht, daß Acy das erfahren sollte?" erkundigte sich Nad. "Ich sage es ihr nicht." "Nun gut, dann tue ich es eben." Sie klingelte wieder. "Ja?" "Ich bin es nur. Ich muß dir was sagen." "Mhm." Alycia stellte rasch die Vase an ihren Platz zurück und raffte auch die Blumen zusammen. "Nun laß mich schon rein!" "Äh ja." Acy öffnete die Tür. Nardia bemerkte ein paar Blumen auf dem Teppich. Anscheinend hatte ihre Schwester die Vase an die Wand geschmettert. Sie trat ein und schloß die Tür hinter sich. Alan hatte sich derweil verzogen, bevor Alycia ihm wieder für alles die Schuld zuschob. "Was war denn?" Acy hob eilig die beiden letzten Blumen auf und sah Nad mit zartem Rotstich auf den Wangen an. "Ich wollte dir bloß sagen, daß Cayvyn die Raumstation verlassen hat." "Er hat was?" Nardia sah Alycia an. "Du hast schon richtig gehört." "Warum denn das?" "Woher soll ich das wissen? Ich habe nicht mit ihm gestritten." "Ich habe nur gesagt, daß ich mich nicht bei Alayn entschuldigen werde, und er meinte, dann würde er kein Wort mehr mit mir wechseln. Aber warum sollte er dann abreisen?" "Weil er wohl diesmal nicht nachgeben will. Und wenn er schon kein Wort mehr mit dir reden kann, weil du ja auch nicht nachgibst, dann kann er doch auch gleich abhauen", vermutete Nad. "Wie bitte?" Acy guckte sie entsetzt an. "Du meinst, er könnte mich wegen der Sache mit diesem Vollidioten Alayn verlassen haben?" "Vielleicht. Er wollte jedenfalls nicht nachgeben." "Ich kann mich doch aber nicht für etwas entschuldigen, was ich mit jeder Silbe gemeint habe!" "Er besteht aber darauf, und mir scheint, daß ihm das durchaus ernst war." "Mir ist das aber auch ernst! - Und du meinst wirklich, er könnte mich wegen sowas verlassen?" "Du siehst doch, daß er es kann." "Verdammt, was soll ich denn tun?" Alycia ließ sich auf ihr Bett fallen. "Versuch ihn einzuholen und überrede ihn hierzubleiben", schlug Nardia vor. "Er wird aber nicht mit mir reden", meinte Acy verzweifelt. "Cay kann absolut stur sein." "Sicher. Also mußt du nachgeben." "Ich?" "Es sei denn, du willst lieber auf Cayvyn verzichten." "Ich glaube, das kann ich erst recht nicht." Alycia sah sich wild um. So ein Mist, es gab einfach nichts zerbrechliches in ihrer Reichweite, das bei einem Wurf gegen die Wand in viele kleine Einzelteile gehen würde. "Ich liebe ihn, verdammt noch mal, und wie ich ihn liebe..." "Dann würde ich lieber versuchen, ihn einzuholen", meinte Nad kopfschüttelnd. "Hm. Aber wie sieht das aus? Wer bin ich denn, daß ich einem Mann - noch dazu einem Androiden - nachfliege?" "Dann laß es eben." "Hmpf!" Alycia grübelte vor sich hin. "Ich werde jetzt gehen. Überleg dir gut, was du tust." Nardia verließ die Kabine. Acy blieb auf dem Bett sitzen und fragte sich, war nun stärker war - ihre Liebe zu Cayvyn oder ihr Stolz. Das war nicht einfach. Nardia fürchtete, daß die Lösung der Mordfälle nun letztendlich an ihr hängenbleiben würde, und dabei hatte sie dazu keinerlei Lust. Sie hatte sich doch bisher nicht darum gekümmert, warum also sollte sie es jetzt tun? Mochte sich doch die Polizei damit beschäftigen, sie jedenfalls würde heute abreisen. Sie hatte genug Streß gehabt, außerdem war sie ja nicht einmal damit beauftragt gewesen. Nad beschloß, den nächsten Linienraumer zu nehmen und nach Tarishaan zurückzukehren, denn sie war begierig, Iskavar-1019 so schnell wie möglich zu verlassen. Alycia hatte inzwischen einen Entschluß gefaßt. Na gut, dann würde sie sich eben bei Alan entschuldigen. Aber das hieß noch lange nicht, daß sie ihm nicht anschließend ein weiteres Mal die Meinung sagen könnte! Sie transmittierte zur Lightning und öffnete einen Funkkanal zur Starfire. Die Kontrolleuchten zeigten, daß der Empfänger auf der Starfire aktiviert war. "Okay, Cay. Ich weiß, daß du mich hörst. Wenn du jetzt zurückkommst, dann werde ich mich bei Alan entschuldigen. Aber wenn du in..." Sie guckte auf die Uhr. Er war jetzt eine Stunde weg und bestimmt nicht mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs gewesen. "...in zwei Stunden nicht wieder hier aufgetaucht bist, dann will ich dich nie mehr sehen. Hörst du: Nie mehr!" Sie unterbrach die Verbindung und überlegte, wie sie Alan und/oder Cayvyn diese Erniedrigung heimzahlen könnte. Last modified: 13.04.2002 |
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