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SvB #13: Mord auf Iskavar-1019 III

©1990 by Shavana & Stayka


Was in Mord auf Iskavar-1019 I+II geschah...

Duc Yngwayn von Süd-Ayryana, der 'Vater' von Sir Cayvyn, veranstaltet auf Iskavar-1019, einer Raumbasis im Iskadrion-System das erste Treffen von Delegationen der Planeten Allirion IV/Naravina und Asgerian II/Eleandelor (wg. Wirtschaftskontakte).

Unter den geladenen Gästen sind unter anderem Cay, dessen Gefährtin Alycia Blade, deren Halbschwester Nardia, Sir Alayn von Fayn-Devrayn, sowie der junge ISPC-Agent Coryn Arvhayn.

(ISPC - Interstellar Society of Protection and Crime-fighting. In 3742GZ von Jeremy Blade und einigen anderen Industriellen gegründete Gesellschaft zur Verbrechensbekämpfung, die immer dann in Erscheinung tritt, wenn die lokalen planetarischen Polizeitruppen der FGS (Freien Galaktischen Sternenrepublik) hilflos sind.)

Einigen Parteien scheint die Verhandlungsrunde gar nicht zu gefallen, und diese versuchen mit allen Mitteln, das Meeting zu sabotieren. Coryn wird ein Gift verabreicht, was er aber gar nicht mitbekommt, und zudem wird Sir Ewayn, ein älterer naravinischer Adliger vergiftet (letzterer bekommt es durchaus mit und segnet unerwartet das Zeitliche).

Cayvyn ernennt sich selbst zum Detektiv und beschließt, den Fall aufzuklären, ehe noch weiteren Personen unzeitig der Garaus gemacht wird.

Da Acy das Gift als dunnlornisch erkennt, wird zunächst der einzige Dunnlorner auf der Station verfolgt. Dieser stellt sich allerdings als unschuldig heraus. Unterwegs wird ein Mordanschlag auf Alan, Nardia und Alycia verübt.

Zwei Killer werden ausgemacht und geben infolge ungünstiger Umstände des Löffel ab, bevor sie etwas über ihre Auftraggeber erzählen können. Drei weitere Killer werden lebend in Stasis versetzt. Nun führt die Spur zu einer naravinischen Clique, die einer kriegerischen politischen Vereinigung angehört, dem Bund der Bewahrer alter Sitten.

Alycia streitet sich mit Alayn und wirft diesem ein paar so unschöne Sachen an den Kopf, daß dieser für immer aus der Freien Galaktischen Sternenrepublik verschwinden will. Das wiederum erbost Cayvyn, und jener erpreßt Alycia, sich bei Alayn zu entschuldigen, indem nun er abhaut. Acy gibt zwar klein bei, ist aber mehr als nur wütend. Nardia beschließt, nach Suune III/Tarishaan zurückzufliegen.

* * *

3763/04/18 GZ

Alan hatte sich derweil ebenfalls dazu entschlossen, die Raumstation zu verlassen. Was sollte er noch hier? Er würde lieber nach Tarishaan zurückfliegen.

Als er in seinen Mietraumer stieg, stellte er fest, daß dieser nun offenbar vollends hinüber war. Irgendwie hegte er den Verdacht, daß Cayvyn damit zu tun hatte.

Also blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als auf die nächste Linienfähre zu warten.

* * *

Auch Alycia wartete. Eine Stunde und 85 Minuten...

Sie fragte sich, ob Cay vielleicht tatsächlich beabsichtigte, nicht mehr zurückzukommen. Was würde sie in diesem Fall machen?

Acy spürte, wie sie die Panik überkam. Sie konnte sich das Leben ohne Cayvyn gar nicht mehr vorstellen, ohne seine Nähe, seine Zärtlichkeiten... Vor allem wußte sie, daß sie sich in allen Dingen blind auf ihn verlassen konnte. Mit wem könnte sie sonst auf die verwegensten Raubzüge gehen, durch die FGS reisen, Abenteuer erleben oder einfach nur glücklich sein?

Sie schniefte. Wenn er nun tatsächlich nicht zurückkehrte?

* * *

Noch über drei Stunden, bis der Linienraumer kommen sollte, dachte Nardia seufzend. Warum hatte Coryn nur die Sunbeam mitnehmen müssen?

Sie haßte diese blöden Passagierfähren, die ewig zu spät kamen und an jedem Asteroidenkrümel einen Zwischenstop machten. Die Fahrt würde bestimmt mindestens drei Tage dauern!

* * *

Eine Stunde und 99 Minuten?

Alycia holte tief Luft, als die Starfire zur Landung ansetzte. Das hatte er absichtlich gemacht!

Sir Cayvyn stieg hoheitsvoll aus dem Schiff und sagte immer noch keinen Ton.

Acy kochte. Sie packte ihn an der Hand und zerrte ihn zum Speisesaal, wo sich Alan mit 96prozentiger Sicherheit befand.

Er war auch tatsächlich dort. Seine Meinung über öffentliche Verkehrsmittel wurde gerade erneut revidiert, als er hörte, daß der Raumer 'nur' 107 Minuten Verspätung haben würde. Seufz.

"Sir Alayn", knurrte Alycia widerwillig. Er sah fragend auf. Was wollte sie von ihm?

"Ich muß mich bei Euch entschuldigen. Ihr wißt schon..."

"Ich lege keinen Wert auf eine Entschuldigung", entgegnete er eisig.

"Prima." Sie lächelte ihn falsch an. "Nun, Cay, reichte das?"

"Na gut", sagte dieser. Im selben Augenblick hatte er eine Ohrfeige hängen, die einen normalen Mann mindestens zum nächsten Fixstern geschleudert hätte.

"So, Mylord, das war dafür, daß Ihr mich dazu gezwungen habt!"

Cayvyn sah sie mehr als nur verletzt an, doch der Ausdruck in Lishas Augen warnte ihn, etwas von sich zu geben. Sie war in einer Stimmung, daß sie ihn genüßlich hier und vor allen Leuten demontieren könnte. Das war auch genau der Grund gewesen, aus dem Alan keine Entschuldigung gewollt hatte. Freiwillig hätte Acy das nie getan.

"Ihr entschuldigt mich", meinte er steif. Er konnte auch woanders auf die Fähre warten.

"Nun? Bist du zufrieden?" Alycia war immer noch auf 180 und stürmte zum Buffet, um sich erneut ein ausreichendes Quantum der diverse Saluna-Schnäpse einzuverleiben, auf daß sie bewußtlos umfiel.

Allerdings blieb dies reine Absicht, da Cay ihr die Flasche aus der Hand nahm.

"Okay, Lisha, ich sehe ein, es war eine dumme Idee, aber ich hatte gehofft, daß du und..."

"Vergiß es!" Sie würde doch nicht vor Alan zu Kreuze kriechen!

"Hey!"

"M-mh." Acy schüttelte stumm den Kopf und griff nach einer Joulebombe von Süßspeise. Auch diese wurde ihr von Cayvyn entführt.

Nardia hatte inzwischen ebenfalls von der Verspätung erfahren. Frust. Sie begab sich also in den Speisesaal; noch einen Joghurt oder irgendwelches Grünzeug könnte sie sich ruhig genehmigen.

Alycia hatte immer noch nichts zu essen bekommen.

"Lisha, wie wäre es, wenn wir uns zur Abwechslung einmal wie zivilisierte Leute benehmen?"

"Du hast mich gezwungen, etwas Schreckliches zu tun!"

"Guten Abend zusammen", meinte Nad und fischte sich eine Gurke vom Buffet. "Wie ich sehe, seid Ihr von Eurem 'Ausflug' zurück, Sir Cayvyn?"

"In der Tat, obgleich es die Situation offenkundig nur unwesentlich verbessert hat."

"Das habe ich mir fast gedacht."

"Inwiefern?"

"Daß es keinen Sinn hat, sie zu einer Entschuldigung zu zwingen."

"Sie hat sich entschuldigt."

"Aber er hat es sicherlich nicht angenommen."

"Nein."

Acy stampfte wütend mit dem Fuß auf.

"Ich hasse es, wenn man sich über meinen Kopf hinweg über mich unterhält!"

"Das weiß ich inzwischen", seufzte Nardia.

"Und warum tun es trotzdem immer alle?"

"Es ergibt sich halt so." Nad zuckte mit den Schultern.

"Grummel."

"Nun, auf jeden Fall hat sie mich geschlagen", fuhr Cay anklagend fort und nahm Alycia erneut einen Blue Star aus der Hand. "Deine Diät!"

Nardia warf Cayvyn einen mitleidigen Blick zu.

"Warum?"

"Sie meinte, weil ich sie gezwungen habe, sich bei Sir Alayn zu entschuldigen."

"Graaaa!" machte Acy.

"Das war zwar nicht die optimale Lösung, aber trotzdem kein Grund, ihn zu schlagen!" tadelte Nad.

"Ich war sauer", verteidigte Alycia sich.

"Und dann schlägst du immer gleich zu?"

"Naja. Das passiert mir schon mal."

"Mir scheint, etwas zu oft!"

"Hm."

Nardia nahm sich noch ein Gürkchen. Alycia hingegen hatte den Versuch, etwas essen zu wollen, aufgegeben, da Cay ihr offenbar ebenfalls nur Gürkchen gestatten wollte, und die konnte sie langsam nicht mehr sehen. Also dann lieber gar nichts essen...

"Buäh, die haben auch schon mal besser geschmeckt", beschwerte sich Nad. Gurken waren eh nicht ganz ihr Fall.

"Keine Ahnung. Ich faste", kam es von ihrer Schwester.

"Aha."

"Es ist alles so frustrierend", seufzte diese.

"Allerdings. Darum fliege ich auch nach Hause."

"Die ganze Sache ist doch noch nicht aufgeklärt!" protestierte Acy.

"Ihr könnt Euch ja darum kümmern. Ich habe keine Lust mehr."

"Das müssen wir dann wohl." Alycia verzog das Gesicht.

"Lisha, mir scheint, du hast dich beruhigt?" fragte Cayvyn hoffnungsvoll.

"Nein, ich bin immer noch sauer", erwiderte sie wenig überzeugend.

"Hoffentlich kommt die Fähre bald", warf Nardia ein.

"Wann sollte sie denn angekommen sein?" So ein Linienraumer war doch nie pünktlich.

"Vor einer halben Stunde."

"Und was ist sie angesagt?"

"In einer halben Stunde. Aber ich glaube nicht daran, daß sie dann schon kommt."

"Wahrscheinlich nicht. Vielleicht sollten wir die Zeit bis dahin nützen und den Fall aufklären."

Nad guckte sie zweifelnd an.

"Also, auf!" Acy sah sie und Cayvyn auffordernd an.

"Na gut, aber ich werde diese Fähre nehmen."

"Dann müssen wir uns eben beeilen."

"Also, was tun wir?"

"Wir werden einfach alle Verdächtigen ins Kreuzverhör nehmen. Cay hat eine Liste aller hier anwesenden Anhänger des Bundes der Bewahrer Alter Sitten zusammengestellt. Ich finde, die sollten wir sämtlichst überprüfen."

(Der Bund ist eine Vereinigung einiger Leute auf Allirion IV/Naravina, die gerne das alte Naysyny-Imperium wiederherstellen würden. Sie leben nach der alten Kriegertradition und verachten alle Außenweltler, die sie für generell minderwertig halten.)

"Gut."

"Also - wer sind die Freaks?" Alycia blickte ihren Gefährten fragend an.

"Es sind vier bekannte Mitglieder des Bundes auf Iskavar-1019: Sir Aysaak von Temir-Selis, Lady Carolynne von Nidivar, Sir Loraynce von Temir-Edine und Lady Dayenna von Fayn-Shirell."

"Und wie gehen wir jetzt vor?"

"Am besten, Ihr verwickelt eine dieser Personen in ein Gespräch. Alycia und ich werden selbiges tun. Wir wollen sehen, ob sie sich irgendwo widersprechen oder auf andere Art verraten", schlug Cayvyn vor.

"Schön."

In diesem Augenblick kam eine Durchsage über die interne Kommunikationsanlage, daß sich die Ankunft der Raumfähre aufgrund eines technischen Defekts weiter verzögern würde. Nad seufzte.

"Seht Ihr, Lady Nardia. Jetzt könnt Ihr dir Wartezeit zumindest konstruktiv nutzen."

"Auf jeden Fall werde ich mir ein Schiff kommen lassen, denn mit diesen Schrottdingern fliege ich nicht mehr!"

"Weise", meinte Alycia grinsend. "Ich weiß schon, warum ich einen Pilotenschein gemacht habe, als ich alt genug dazu war und mir gleich ein Schiff gekauft habe."

"Ach?"

"Sicher. Keine Probleme mit Linienkreuzern, keine Wartezeiten auf öffentliche Flugkorridore, wenn gerade ein Räumjet hindurchschleicht."

(Die Sternenstraßen für Überlichtraumer sind in der Regel zweimal zwölfspurig (für den öffentlichen und für den privaten Verkehr) angelegt und werden, um Energie für Antrieb und Schilde zu sparen, regelmäßig von Ramjets (den sogenannten 'Räum-Rams' oder 'Räumjets') von interstellarem Wasserstoff und sonstigen Teilchen freigeräumt. Nur wenige Abenteurer fliegen auf nicht kartographierten und ungeräumten Wegen, da hierfür keine Versicherung bei einem Schiffsschaden durch etwaige Kollisionen mit interstellaren Partikeln aufkommen würde.)

"Als wenn ich das nicht wüßte."

"Wir sollten uns an die Aufklärung des Falles machen", mahnte Cayvyn die beiden Frauen. "Wer übernimmt Sir Aysaak?"

"Ich nicht", sagte Nardia.

"Und warum nicht?"

"Ähm." Sie wollte ja nicht gerade sagen, daß sie von Sirs die Nase voll hatte.

"Ich kann es verstehen", bekam sie unerwartet Schützenhilfe von Acy. "Der Typ ist ein Lustmolch und überhaupt..."

"Na gut. Dann kümmere ich mich darum, und ihr fragt die Ladies Dayenna und Carolynne aus."

"Fein", meinte Nad.

"Ihr kümmert Euch um Carolynne", sagte Cay zu ihr.

"Dann bleibt mir wohl nur Dayenna", seufzte Alycia. "Seit ich deine kleine Schwester kenne, habe ich etwas gegen diesen Namen!"

Dem konnte Nardia nur zustimmen. Sie fand Cayvyns 'Schwester' auch nur grauenhaft.

"Na, dann gehe ich mal", äußerte sie.

"Gut."

Die drei verteilten sich also, und Acy suchte Lady Dayenna von Fayn-Shirell heim. Diese entpuppte sich als Schreckschraube in mittleren Jahren (für eine Naravina), die sich permanent selbst bemitleidete, weil sie offenbar kein männliches Wesen abgekriegt hatte, und sie hatte sich dem Bund der Bewahrer Alter Sitten nur angeschlossen, weil es sowas in den 'guten alten Zeiten' wohl nicht gegeben hatte. Die konnte man also getrost aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen, befand Alycia und kehrte zum Treffpunkt im Speisesaal zurück.

Lady Carolynne dagegen war jung, hübsch und ausgesprochen militant eingestellt, ganz zu schweigen davon, daß sie felsenfest davon überzeugt war, daß alle Nicht-Naraviner bestenfalls Menschen 2. Klasse waren. Nad flüchtete sicherheitshalber nach kurzer Zeit, da die Naravina langsam ausfallend wurde.

Sir Cayvyn verkleidete sich und horchte Sir Aysaak vorsichtig aus, indem er vorgab, ein Sympathisant des Bundes zu sein, doch Sir Aysaak erwies sich nur als kleiner Mitläufer der Organisation. Cay beschloß, kurzerhand auch noch Sir Loraynce zu interviewen, da er für Aysaak weniger Zeit als angenommen benötigt hatte.

Bald darauf machte er sich wieder als Cayvyn zurecht und kehrte ebenfalls zum Treffpunkt zurück. Die beiden Damen waren schon da.

"Nun?" fragte Nardia.

"Sir Aysaak ist harmlos, aber Sir Loraynce könnte unser Mann sein", meinte Cay nachdenklich. "Wenn es nach ihm ginge, wäre Naravina noch Narasyn."

"Nach Lady Carolynnes Meinung gibt es keine menschlichen Wesen außerhalb Naravinas", gab Nad ihre Erkenntnisse preis.

"Aha", machte Acy. "Lady Dayenna war jedenfalls nur eine dumme Nuß und ist meines Erachtens nicht in der Lage, auch nur einen intelligenten Gedanken mit ihrem Saurierhirn zu fassen."

"Bleiben also nur zwei Verdächtige", kommentierte Nardia.

"Genau. Jetzt müssen wir also feststellen, ob sie - wenn sie die Gesuchten sind - alleine arbeiten, oder ob sie noch weitere Verbündete haben", überlegte Alycia. "Ob Carolynne mit Lady Maryana identisch sein könnte?"

Cayvyn winkte ab.

"Es ist noch nicht einmal erwiesen, ob Maryana überhaupt existiert, oder ob sie nicht nur eine Art Legende ist, deren Ruf sich der eine oder andere Killer aus Vertuschungsgründen zunutze gemacht hat."

"Seufz, immer diese Legenden", kam es von Nad.

"Jee." Acy schielte verzweifelt nach den Blue Stars, doch Cayvyn schüttelte den Kopf.

"Deine Diät!"

"Seufz!"

"Ebenfalls seufz", stimmte Nardia zu, denn sie hatte auch Hunger.

"Gibt es hier irgendwo eine Überwachungsanlage, wo alles aufgezeichnet wird, was sich hier in der Station bewegt?" erkundigte sich Acy.

"Nein, das wäre gegen den Datenschutz", erklärte Cay.

"Das ist frustrierend! Wie sollen wir dann herauskriegen, wer noch mit dabei ist?"

"Wahrscheinlich werden wir es gar nicht herausbekommen", unkte Nad.

"Doch. Wir werden Carolynne und Loraynce observieren", sagte Cayvyn.

"Ich finde sowas furchtbar", mäkelte Nardia.

"Da bist du nicht alleine", stimmte ihre Schwester zu. "Was hältst du davon, wenn wir beide der Lady auf den Zahn fühlen und Cay dem Typen?"

"Nun gut. So lange die Fähre nicht kommt, habe ich eh nichts besseres zu tun."

"Okay! Cay, dann stürzt du dich also auf diesen Loraynce."

"Aye, aye, Mylady."

Die zwei Frauen düsten in Richtung auf Carolynnes Quartier davon.

"Wie ich das hasse! Observieren ist so furchtbar langweilig", mopperte Nad.

"Abwarten." Die beiden lagen in einem Wartungsschacht und hatten einen exzellenten Blick auf Lady Carolynnes Tür. Acy hatte unauffällig eine Flasche besten naravinischen Blauweins mitgenommen und nahm einen Schluck. "Hier!" Sie hielt Nardia das Teil hin.

"Nein, danke, keinen Wein mehr", wehrte diese ab.

"Ay." Alycia nahm einen weiteren Schluck und bemerkte einen gutaussehenden Naravino in mittlerem Alter, der Carolynnes Quartier zu betreten beabsichtigte. Sie schoß sofort ein Holo von ihm.

"Tse, das wird ja vielleicht doch noch ganz lustig", stellte Nad fest.

Der Mann verschwand 45 Minuten später wieder aus Carolynnes Räumlichkeiten.

"Der könnte mir fast gefallen", kommentierte Acy und trank noch etwas. Ihre Schwester sah sie stirnrunzelnd an.

"So?"

"Vergiß es!"

"Na schön."

Das nächste Wesen erschien. Abermals männlich, durchaus stattlich und mit einer wilden schwarzgoldenen Mähne, sowie gleichfarbiger Klamottage versehen, was ihn Alycia entweder als Mitglied des Herzogtums Sayndra oder des Königreichs Dariella verriet - sie wußte nie, welches von diesen nun genau welche Kombination von Schwarz und Gold trug.

"Wenn das so weitergeht..." meinte Nardia.

"Sie scheint einen ziemlichen Verschleiß zu haben", kicherte Acy.

"Nur terminiert das leider den Plan, wenn hier annähernd der gesamte männliche Teil der naravinischen Delegation vorbeikommt - na gut, der Teil unter 60 Jahren."

"Hm. Schätz mal, wie alt Sir Yngwayn ist!"

"Anfang fünfzig?" Zumindest, wenn man das Alter seines Sohnes berücksichtigte, dachte Nad. Aussehen tat er bestenfalls wie Ende dreißig, Anfang vierzig.

"Einundsiebzig. Ich war selbst ziemlich perplex, als ich es erfuhr. Ich hatte ihn auf einen äußerst guterhaltenen Anfangsfünfziger gehalten - anbetracht der Tatsache, daß sein Sohn von 3734GZ war und Naraviner sich in der Regel erst relativ spät Kinder anschaffen. - Aber er war da schon vierundsechzig Jahre alt gewesen!"

"Naja."

"Die halten sich echt gut! Ich habe es bis dahin nie so recht glauben wollen, daß die Lebenserwartung der Naraviner gut doppelt, wenn nicht sogar dreimal so hoch ist wie die der Tarishaan- und Enaryshavell-Abkömmlinge."

"Ach?"

"Allerdings."

"Tse."

"Ich hatte im Tyron Star Memorial Internat einen total niedlichen Naysyny-Lehrer, der sah auch weit jünger aus als er war." Acy seufzte. Zu der Zeit war sie - ebenso wie ungefähr 80 Prozent der übrigen Schülerinnen - hoffnungslos in Sir Parshayn verschossen gewesen, diesen vollendeten naravinischen Gentleman mit seinen kupferroten Haaren und silbriggrünen Augen. Unwillkürlich mußte sie grinsen, Cay war ja genau so ein Typ, auch wenn seine Augen einen Goldschimmer besaßen.

"Hm", machte Nardia. Sie konnte sich auch lebhaft an Sir Parshayn erinnern. Allerdings konnte sie das schlecht erwähnen, da sie offiziell nie das TSMI besucht hatte. Aber er war niedlich gewesen.

Da sich weiter nichts Relevantes tat, kehrten die beiden wieder zum Speisesaal zurück, wo Cay sich ebenfalls nach erfolgloser Observation stärkte. Für Alycia blieben wie so oft in letzter Zeit die Gurkenwürfel.

"Sag mal, hat einer eine Ahnung, wie spät es ist?"

"19:87 Uhr", sagte Cayvyn.

"Seufz. Diese blöde Fähre ist immer noch nicht da!"

"Die kommt bestimmt erst morgen früh", meinte Alycia.

"Nochmehr seufz."

"Wir sind doch schon fast durch mit der Aufklärung des Falles", behauptete Cay.

"Schon, aber ich will nach Hause."

"Ich auch", bemerkte Acy. "Aber nur, wenn ich weiß, wer nun der Mörder ist und warum!"

"Hm. Ich finde das nicht so wichtig."

"Tsy, und wenn du erwischt worden wärst?"

"Damit muß man ja eh immer rechnen." Nardia zuckte mit den Achseln.

"Aber ich gedenke, etwas dagegen zu unternehmen."

"Wenn du meinst. Ich will trotzdem noch heute nach Hause."

"Kicher! Es ist gerade... - Cay?"

"19:89 Uhr."

"Frust!" kam es von Nad.

"Wir sollten jetzt mal sammeln, was wir haben. Also, da wären zunächst zwei Verdächtige und fünf auf Eis gelegte Killer", zählte Alycia an den Fingern ab.

"Und ich habe keine Lust", maulte Nardia.

"Gut. Mach du einen Vorschlag!"

"Ich will aber nicht."

"Na gut. Dann gehe ich schlafen. Mylord?" Acy hatte ganz entschieden vor, sich wieder ausgiebig mit diesem zu versöhnen.

"Keine schlechte Idee", stimmte Nad zu. "Da die Fähre eh nicht kommt..."

"Du kommst aber nicht mit!" Alycia schlang die Arme um Cayvyns Mitte und grinste ihre Schwester an.

"Hatte ich auch gar nicht vor."

"Fein. - Wieviel Verspätung hat die Fähre?"

"Angesagt sind jetzt nochmal 273 Minuten."

"Ts!"

"Ich rechne aber mit bestimmt der dreifachen Zeit."

"Aha. - Und warum unternehmen wir bis dahin nichts in Sachen Giftmorde?"

"Wer hindert dich daran?"

"Hm." Acy kuschelte sich an ihren Gefährten. "Die vorgerückte Stunde..."

"Tse!"

"Ich glaube, wir verdüsen uns dann. Ich denke, ich sehe dich morgen beim Frühstück."

"Vielleicht."

"Glaubst du etwa, die Kiste kommt pünktlich zu spät?"

"Nein, aber bis morgen früh ist mein Schiff hier."

"Aha."

Alycia und Cayvyn winkten Nardia kurz zu und düsten von hinnen. Auch diese begab sich in ihre Kabine, und morgen früh konnte sie wohl dann endlich heimfliegen.

* * *

3763/04/19 GZ

Alycia saß im Speisesaal und knabberte lustlos an einem Knäckebrot mit Magerquark herum. Diese Diät würde sie noch umbringen!

Alan, der natürlich auch noch keine Möglichkeit gefunden hatte, die Station zu verlassen, hatte sich ebenfalls dort eingefunden. Diese Grübelei hatte ihn ziemlich hungrig gemacht.

"Guten Morgen, Sir Alayn", sagte Acy, nur um höflich zu sein.

"Guten Morgen", war alles, was er dazu erwiderte. Gar nichts zu sagen, war ihm doch zu dumm gewesen.

Alycia musterte ihn verstohlen, guckte aber sofort wieder in ihre Tasse, als sie vermutete, daß er ihren Blick bemerkt haben könnte. Alan ignorierte sie einfach.

Wo war nur Cayvyn, fragte sie sich. Hm. Vielleicht hatte er sich schon wieder auf Gangster-Jagd begeben.

Alayn stopfte sich derweil mit diversen Leckereien voll. Irgendwo mußte er ja seine Energie hernehmen. Acy hingegen saß da und fühlte sich immer mehr von seiner bloßen Anwesenheit genervt. Auch er war nicht sonderlich davon angetan, mit ihr in einem Raum zu sein, aber es wäre wohl etwas eigentümlich, wenn er von hier verschwinden würde - und außerdem hatte er noch nicht genug gegessen.

Es krachte vernehmlich, und Alycia sah erschrocken auf das Knäckebrot, das sie gerade zerquetscht hatte. Sie sollte sich lieber etwas mehr Zurückhaltung auferlegen, wenn sie darüber meditierte, was sie gerne mit Alan anstellen würde.

Dieser musterte sie irritiert. Was machte Acy da? Er sollte sich lieber mal erkundigen, wo die Fähre blieb - aber das Buffet lockte.

Plötzlich kam Cayvyn hereingestürmt, stürzte sich zunächst auf die Fressalien und begab sich anschließend zu Alycia und Alan.

"Sie haben ein konspiratives Treffen veranstaltet!" verkündete er.

"Wer?" fragte Alan.

"Sir Loraynce, Lady Carolynne und zwei weitere Personen."

"Aha, und wer ist das?"

"Wenn ich das wüßte, wäre ich ein gutes Stück weiter. Sie waren in einfarbige Umhänge mit Kapuzen gehüllt."

"Schon wieder Kapuzis", stöhnte Acy.

"Hm", machte Alayn. "Und was gedenkt Ihr zu unternehmen?"

"Wir müssen herausfinden, wer die beiden Zusatzkapuzen sind und was die vier genau planen."

"Dann macht das mal!"

"Seufz! Immer ich", murrte Alycia, was ihr einen merkwürdigen Blick von Cayvyn einbrachte. Alan sagte dazu lieber nichts; er hatte ohnehin nicht vor, mehr als das notwendigste mit ihr zu reden.

"Okay." Sie stand auf und warf Cay einen auffordernden Blick zu. "Kommt Ihr, Mylord?"

"Sicherlich, mein Herz." Auch er erhob sich. "Und was macht Ihr jetzt?" wollte er von Alan wissen.

"Ich warte auf die Fähre."

"Aha." Die beiden zogen ab, und Alan wandte sich wieder dem Buffet zu. Noch war das Raumschiff ja nicht da, und er konnte sich einfach nicht überwinden, Cayvyn und Acy zu helfen.

* * *

"Cay!" sagte Alycia, als sie ein paar Gänge weiter alleine waren.

"Ja?" fragte dieser knapp.

"Wieso warst du letzte Nacht unterwegs? Du warst nicht da, als ich wach wurde - dabei dachte ich, wir hätten uns wieder vertragen."

"Du schienst nicht in geeigneter Stimmung zu sein, als daß ich dir Gesellschaft leisten sollte."

"Ach, verdammt!" Acy sah ihren Gefährten halb wütend, halb hilflos an. "Hättest du mich wirklich wegen Alan verlassen?"

"Nicht wegen Alan. Es wäre eine Frage des Prinzips gewesen. Ich bin es leid, daß ich ständig derjenige bin, der nachgeben muß."

"Wie bitte?"

"Immer, wenn etwas zu entscheiden ist, geht es nur nach deinem Willen!"

"Du hast dich bislang noch nie darüber beschwert. Warum denn jetzt?"

"Vorher habe ich es nie so betrachtet."

"Vorher? Vor was?"

"Kein Kommentar."

"Cayvyn!"

"Ich werde dazu nichts sagen." Das klang endgültig. "Laß uns lieber zusehen, daß wir die Informationen erhalten."

"Hmpf. Na gut."

* * *

Nardia war inzwischen auch im Speisesaal angekommen. Ihr eigenes Schiff war immer noch nicht eingetroffen, also konnte sie genauso gut dort warten wie in ihrer Kabine. Sie bemerkte Sir Alayn und trat zu ihm.

"Guten Morgen, Sir Alayn", meinte sie und angelte nach diversen Fressalien - natürlich sämtlichst im Sinne ihrer Diät, denn Acys Kommentar hatte sie doch ziemlich getroffen.

"Guten Morgen", erwiderte Alan.

"Wartet Ihr auch noch auf die Fähre?"

"Ja. Leider hat es den Mietraumer, mit dem ich gekommen bin, nun vollends erwischt, sonst hätte ich das Teil mit Sicherheit repariert, bevor diese Fähre ankommt."

"Seufz, dieser Linienverkehr ist eine Zumutung!"

"Dem kann ich nur zustimmen."

"Habt Ihr Acy und Sir Cayvyn heute schon gesehen?"

"Ja. Sie sind bereits wieder auf der Jagd nach diesen Mördern", antwortete Alan.

"Aha." Nad hoffte, daß sie bald hier wegkam. Eins war sicher, sie würde nie mehr zu so einem Diplomatenempfang gehen.

Langsam entwickelte sich ein durchaus angeregtes Gespräch zwischen den beiden. Sie unterhielten sich über Musik und die diversen aktuellen Gruppen. Nardia vermied aus Sicherheitsgründen alle Themen, die man irgendwie mit Alycia in Verbindung bringen konnte, da Alayn darauf immer mit merkwürdigen Kommentaren reagierte. Naja, irgendwie würde sie die Zeit schon herumkriegen, bis der Linienraumer kam.

* * *

Acy stürmte voran, ohne Cay eines Blickes zu würdigen. Sie mußte doch irgendwo ein ZIV-Terminal finden könnnen! Das wäre doch gelacht.

(Zentrale Informations-Verwaltung, ein Archiv, aus dem man Daten für den persönlichen (u.ä.) Gebrauch anfordern kann, sofern diese frei zugänglich sind (Vergleichbar einer heutigen Bibliothek).)

Sie würde sich eine Aufstellung aller naravinischen politischen Essays geben lassen, die sich mit Fremdenfeindlichkeit befaßten. Endlich hatte sie einen Anschluß entdeckt und rief die Daten ab. Interessanterweise befanden sich diesbezüglich drei weitere Naraviner auf der Raumstation.

'Seufz', dieser Planet war ein schlummernder Vulkan, der jederzeit ausbrechen konnte, dachte Alycia stirnrunzelnd, ehe sie sich an Cayvyn wandte. "Wir haben drei weitere Verdächtige."

"Nun gut. Gehen wir."

"Wie Ihr befehlt, Mylord. Aber wir sollten uns dennoch in eine unverfänglichere Gewandung werfen."

Sie verkleideten sich also zunächst als naravinisches Paar, was von dem Umstand begünstigt wurde, daß so viele Naraviner hier auf Iskavar-1019 herumsprangen, daß ohnehin jeder die Übersicht verlieren mußte.

Dann machten sie sich auf den Weg zu ihrem ersten Opfer, Sir Patryn von Fayn-Iduran. Der Computer gab als dessen Aufenthaltsort den Speisesaal an.

"Das heißt also, wir können uns bequem in seinen 'Gemächern' umsehen", bemerkte Acy. Sie stürmte voran, und Cayvyn folgte ihr.

Sie betätigte vorsichtshalber den Türsummer, und frustrierenderweise öffnete eine gutaussehende Naravina mittleren Alters.

"Ihr wünscht?"

"Äh... Wir sind Lady Taniri und Sir Bodrayn von Selay... Wir würden gerne mit Sir Patryn über dessen letzten Essay diskutieren", behauptete Acy rasch.

"Bedaure, mein Gemahl ist zum Speisen."

"Oh, dann kommen wir später noch mal vorbei."

"Ich hoffe, Ihr meldet Euch dann geziemend vorher an!" Die Lady sah sie vernichtend an und schloß die Tür.

"Sehr höflich", grumpfte Alycia und stürmte zum nächsten Terminal.

* * *

Die Fähre war immer noch nicht angekommen, und Nardia langweilte sich ziemlich. Zwar hatte sie zu ihrer Verwunderung festgestellt, daß Sir Alayn durchaus ein unterhaltsamer Gesprächspartner sein konnte, aber irgendwann wurde auch das öde.

Sie schlug daher einen kleinen Spaziergang durch die Raumstation vor, und Alan stimmte zu. Solange er sich nicht mit Alycia beschäftigen mußte, war er mit allem einverstanden, um die Zeit bis zur Ankunft des Linienschiffes herumzubekommen. Er fragte sich, warum noch niemand etwas gegen diese unzumutbaren Zustände unternommen hatte. Diese Fähren kamen doch immer zu spät, und außerdem verlangten die Fährgesellschaften absolut überhöhte Preise. Allerdings steckte der Privatraumverkehr auch nach 1300 Jahren FGS noch immer in den 'Kinderschuhen', da Raumschiffe und vor allem der Treibstoff für Privatpersonen in der Regel unerschwinglich waren.

Sie hatten bedauerlicherweise nicht das Glück, etwas Interessantes auf ihrem Rundgang zu entdecken. Auf der Raumstation war einfach nichts los, sah man von dieser Mordserie ab. Aber das konnte man ja kaum als 'Unterhaltung' bezeichnen.

'Vielleicht hätte ich mich doch an der Mördersuche beteiligen sollen', dachte Nardia. Nein, lieber nicht, sie würde sich doch nur überflüssig vorkommen. Da wartete sie lieber.

Obwohl... Nad hatte den Verdacht, daß zu Hause schon die Order für Stardust wartete, sich um den Fall zu kümmern. Vielleicht war es ja doch nicht so schlecht, daß die Fähre nicht kam.

Alan grübelte derweil darüber nach, wie er sein Leben in Zukunft gestalten sollte. Irgendetwas mußte er ja unternehmen, wo er dummerweise versprochen hatte, die FGS nicht zu verlassen. Aber das hieß ja nicht, daß er auf Tarishaan bleiben mußte. Es gab bestimmt andere schöne Orte, wo er Acy garantiert nicht mehr über den Weg laufen würde., zum Beispel Iridaan VI/Dunnlorn.

Sie würde bestimmt nicht auf den Gedanken kommen, diesen planeten zu besuchen, vor allem, weil sich dort überall Natur und keinerlei Technologie befand.

* * *

Alycia stieß die Luft geräuschvoll aus.

"Warum können die Typen nicht auch Essen sein oder sowas?" fragte sie frustriert, als sie feststellte, daß die beiden anderen Essayisten in ihren Quartieren waren, bzw. sogar noch dem Schlafe frönten.

"Viele Naraviner sind der Ansicht, daß der Tag erst ab 10:00 Uhr beginnt", dozierte Cayvyn belustigt. "Bei mir hast du dich jedenfalls noch nie beklagt, wenn ich dich nicht zu nachtschlafener Zeit aus dem Bett geworfen habe."

"Das ist doch auch etwas ganz anderes!" Sie schmiegte sich verliebt an ihn. "Cay, das mit der Ohrfeige tut mir leid."

"Ich erzähle dir lieber nicht, wie oft ich diesen Satz schon gehört habe. Du hast Glück, daß ich nicht zurückschlage."

"Cay!" Alycia sah ihn entgeistert an. War das etwa eine Drohung gewesen?

"Wir sollten uns wieder umziehen und zum Speisesaal zurückgehen", meinte Cayvyn und hakte sie unter, bevor sie nach kurzem Demaskier-Stop in ihrem Quartier ebendorthin flanierten.

"Verdfluxt!" schimpfte sie. "Wir stecken und stecken einfach fest! - Nebenbei, hast du eine Ahnung, was die Verhandlungen zwischen Eleandelor und Naravina machen? Bei unserem ewigen 'Such den Killer'-Spiel habe ich davon überhaupt nichts mehr mitbekommen."

"Ich habe mich gestern abend noch mit meinem 'Vater' unterhalten, als du dich schon in deine Schmollecke zurückgezogen hattest. Er sagte, die Morde belasten zwar das Verhandlungsklima, aber alles in allem geht es dennoch voran."

"Hm." Acy machte eine Pause, dann legte sie den Kopf an Cayvyns Schulter. "Halte mich einfach nur fest, mein Schatz", seufzte sie. "Ich fühle mich fix und fertig."

Cay leistete ihrer Aufforderung Folge und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.

"Sag mal, Cayvyn, was hältst du davon, wenn wir uns wieder richtig vertragen? Ich mag einfach nicht mehr mit dir streiten. Deine Aufmerksamkeiten fehlen mir..."

"Soso. Ich glaube, ich weiß, was dir jetzt gefallen würde." Er lächelte verheißungsvoll und streichelte ihren Nacken und ihre Brüste. "...aber erst kümmern wir uns um den Fall!"

"Hmpf!" machte Alycia. Er war wieder einmal elegant ausgewichen. Grummel.

* * *

Inzwischen hatten Nad und Alan erfahren, daß die planmäßige Fähre nun ganz ausfiel. Mit dem nächsten Schiff konnte man also frühestens in zwei Tagen rechnen. Es war zum Heulen.

Nardia hoffte, daß ihr Schiff allmählich eintraf, da Coryn ihr schließlich versprochen hatte, die Sunbeam so schnell wie möglich nach Iskavar-1019 zurückzuschicken. Seufz. Sie mußte sich unbedingt noch ein zweites Schiff kaufen, damit solcherart Probleme ein für alle Male beseitigt wären.

Alayn fand das ganze langsam überhaupt nicht mehr witzig. Das war ja nicht auszuhalten! Insgeheim dachte er sich, daß dies alles nur aus reiner Boshaftigkeit so ablief wie es lief. Wenn er nicht so eilig von der Raumstation weg wollte, würden die Fähren bestimmt alle pünktlich kommen.

Die beiden überlegten nun, was sie noch unternehmen konnten, um sich die Zeit zu vertreiben und verfielen auf eine Partie Samtar. Sie wanderten sogleich zu den dafür vorgesehenen Plätzen.

(Samtar ist ein in der gesamten FGS sehr beliebtes Ballspiel. Es wird in einem 25m langen, 15m breiten und 5m hohen Raum gespielt, der in der Mitte durch eine 1.20m hohe, durchsichtige Wand getrennt ist. Das Ziel des Spiels ist es, den Ball (ein ca. 10cm langes, 5cm durchmessendes 'Ei') zweimal hintereinander auf dem Boden des gegnerischen Feldes auftreffen zu lassen, ohne daß er wieder die Mauer überquert hat. Die dazu benutzen Schläger sehen aus wie langgestreckte Löffel; der Ball darf nicht mit dem Körper gespielt werden. Es werden 25 Punkte zum Sieg eines Satzes benötigt und darüber hinaus zwei Punkte Vorsprung (also 29:27 etc.). Ein Matchgewinn erfordert zwei Gewinnsätze.)

* * *

Gefrustet schob sich Alycia unter Cayvyns wachsamen Blicken ein halbes Dutzend Gurkenwürfel in den Mund.

"Meinst du, sie haben jetzt ihre Quartiere verlassen?"

"Der Computer sagt 'nein'", antwortete er, nachdem er sich über Funk bei diesem erkundigt hatte.

Acy fand das alles ausgesprochen ungerecht. Sie füllte einen großen Becher randvoll mit einem faszinierend schimmernden, silbernen Getränk.

"Hm. - Cay, hast du eine Ahnung, was das sein könnte?" Sie deutete auf ihr Glas. Er nahm es ihr aus der Hand und probierte einen Schluck.

"Dunnlornischer Silberwein", stellte er fasziniert fest, denn dieser war außerhalb Dunnlorns mehr als nur selten. "Ich würde dir übrigens davon abraten, jetzt davon zu trinken."

"Wieso das?" Mehr aus Trotz kippte Alycia den ganzen Becher herunter, bevor ihr Partner ihr erklären konnte, daß es sich bei diesem Wein unter anderem um ein hochwirksames und schnellwirkendes Aphrodisiakum handelte. Cayvyn zog eine gestreßte Grimasse.

'Auch das noch!' dachte er. "Lisha, du gehst jetzt augenblicklich in unser Quartier!" beschloß er für sie.

"Mmmmh. Gerne. Aber nur, wenn du mitkommst."

"Denk an unseren Fall!"

"Dann suche ich mir eben jemand anderen." Acy zog einen Schmollmund, ehe sie sich interessiert umsah, wer denn in Frage käme.

"Das kommt nun überhaupt nicht in Frage", seufzte Cay und sah sie tragisch an. "Warum mußtest du das Zeug auch herunterkippen?"

"Aber es war guuuut." Sie schmiegte sich in absolut eineindeutiger Manier an ihren Gefährten, woraufhin dieser sie kurzerhand über die Schulter warf und somit die übrigen Männer an Bord vor ihr in Sicherheit brachte. Nun, er würde es schon überstehen.

* * *

"Schluß!" rief Nardia erschöpft und lehnte sich an die Wand. "Ich kann nicht mehr!"

"Wie Ihr wünscht", meinte Alan.

"Ich wünsche gar nicht; ich kann bloß nicht mehr. Immerhin spielen wir schon fast zwei Stunden!"

Alayn sagte nichts dazu, sondern öffnete die Tür zum Gang. Nad wünschte sich im Augenblick hauptsächlich eine schöne warme Dusche und anschließend ihr Bett. Dabei war es ihr völlig egal, daß gerade erst Mittag vorbei war.

"Wenigstens habt Ihr nur mit drei Punkten Vorsprung gewonnen", stellte Nardia zufrieden fest.

"Ich habe mich auch nicht angestrengt", erwiderte Alan amüsiert.

"Püh, nehmt mir doch nicht alle meine Illusionen."

"Ihr solltet Euch lieber umziehen, bevor Ihr Euch erkältet."

"Werde ich tun", nickte sie und machte sich auf den Weg zu den Duschen, während Alan fand, daß er erst einmal etwas essen könnte.

* * *

Mittlerweile war es später Abend, und Alycia war endlich total k.o. eingeschlafen. Cayvyn betrachtete seine Gefährtin kopfschüttelnd und fuhr ihr zärtlich über die Wange.

Was für ein Glück, daß er kein Mensch war, dachte er belustigt. Ein solcher hätte bei Lishas Appetit bestimmt schon bald die Segel gestrichen. Seines Erachtens gehörte dunnlornischer Wein - vor allem der silberne - mindestens verboten. Wenigstens für Alycia.

Er stand auf, duschte sich und zog sich an, da er nach dem Streß eine ordentliche Mahlzeit zur Wiederauffrischung seiner Energiereserven benötigte. Seine Partnerin würde wahrscheinlich bis morgen früh durchschlafen und sich anschließend über einen fürchterlichen Muskelkater beschweren, dessen war er gewiß.

Grinsend betrat Cayvyn den Speisesaal. Das geschah ihr nur recht! Er hatte ihr ja davon abgeraten, den Wein zu trinken.

* * *

Nardia hatte es sich anders überlegt und war nicht zu Bett gegangen. Sie und Sir Alayn hatten sich stattdessen den langen Filmnachmittag im Bordholokino angetan. Von 'Die Mörderspinne kehrt zurück' über 'Das Schloß des Bösen' bis hin zu 'Return of Firestar' war alles vertreten. Besonders letzterer hatte Nad so ziemlich den Rest gegeben, da er sie wieder an Alan erinnerte und ihre gescheiterte Beziehung. Frust! Sie mußte jetzt unbedingt etwas trinken.

Auch Alan war nicht übermäßig begeistert. Er haßte diesen Film, und die anderen kannte er schon. Seufz.

Die zwei machten sich auf den Weg zum Speisesaal.

Cayvyn saß vor einem gewaltigen Berg Pralinen und arbeitete sich stetig nach unten vor, wobei er sich immer noch über die Vorstellung amüsierte, was Alycia wohl morgen früh sagen würde.

"Guten Abend, Sir Cayvyn", eröffnete Nardia das Gespräch und betrachtete nachdenklich die Pralinen.

"Einen wunderschönen guten Mo- äh, Abend..."

Nad sah ihn stirnrunzelnd an.

"Wo steckt denn Acy?"

"Sie schläft den Schlaf der Gerechten", deklamierte Cay.

"So?"

"Sie hatte wieder einmal ein Glas Wein zuviel. Silberwein", fügte er erklärend hinzu. Nardia warf ihm einen mißtrauischen Blick zu.

"Wie ist sie denn daran gekommen?"

"Er stand bedauerlicherweise am Buffet herum, und es gelang mir nicht, sie davon abzuhalten."

"Aha." Nad nahm sich ein paar Cräcker, Cayvyn verschlang eine weitere Handvoll Pralinen. Das grenzte an Sadismus, fand sie. Vor ihrer Nase mampfte der Süßigkeiten. Grumpf! Sir Alayn war wenigstens so diskret, dies in einiger Entfernung am Buffet zu tun.

"Und wie habt Ihr den Tag verbracht?" wollte Cay wissen.

"Naja, Sir Alayn und ich haben so dies und das unternommen."

"Aha. Ich bin leider in meinen Nachforschungen aus bezeichnendem Anlaß nicht weitergekommen."

"Wie bedauerlich", bemerkte Nardia.

"In der Tat. Ich werde vielleicht gleich noch einmal nachsehen, ob Sir Patryn, Lady Melyssa und/oder Sir Gewayn zur Zeit aushäusig sind."

"Laßt Euch nicht aufhalten", erwiderte Nad und genehmigte sich noch ein paar Gurken.

"Aber zunächst möchte ich mich noch etwas stärken."

Er lud sich erneut einen Teller am Buffet voll, ehe er zu Nardia zurückkehrte.

"Das muß auch sein."

"Eben." Mit beträchtlichem Appetit vertilgte Cay auch diese Ladung, ehe er einen dritten Teller in Angriff nahm.

Nardia betrachtete ihn amüsiert. Tse. Es erschien ihr immer noch unmöglich, daß jemand mit einer solch superschlanken Figur derartige Mengen in sich hineinstopfen konnte. Cayvyn blickte sie entschuldigend an, bevor er noch eine Ladung holte.

"Ich weiß, daß Ihr auf Diät seid, aber es ist nötig!"

"Das habe ich nicht bezweifelt. Außerdem werde ich es schon überleben."

"Beruhigend."

Nardia grinste und nahm sich noch etwas Obst. Cay verzog leicht das Gesicht und beschloß, nach dieser Fuhre nichts mehr zu futtern. Es fiel doch etwas auf... Vielleicht sollte er noch einen Special Cocktail als Dessert anschließen.

'Seufz', dachte Nad. Hoffentlich konnte sie bald nach Blade Manor zurückfliegen. Diese Raumstation ging ihr langsam auf die Nerven.

Endlich erhob sich Cayvyn, deutete eine Verbeugung an und machte sich auf den Weg zu Lady Melyssas Unterkunft, da der Computer ihm mitgeteilt hatte, daß sich diese derzeit im botanischen Garten aufhielt.

Nardia fand, daß es allmählich Zeit war, sich zurückzuziehen, denn sie war wirklich müde. Sie verabschiedete sich von Sir Alayn und ging ins Bett. Wo bloß die Sunbeam steckte?

* * *

Diesmal hatte Cayvyn Glück. Lady Melyssa von Temir-Selsay war nicht anwesend. Allerdings schien sie auch nichts mit Sir Loraynce und Lady Carolynne zu tun zu haben, denn er entdeckte keinerlei diesbezüglichen Hinweise in ihrem Quartier. Er verließ die Räumlichkeiten so lautlos, wie er sie betreten hatte.

Seine nächste Station war Sir Patryns Quartier, aber wieder war dessen Gemahlin anwesend. Blieb noch Sir Gewayn. Und hier wurde er tatsächlich fündig. Diesen Kapuzenmantel hatte er doch schon einmal gesehen! Unerwartet erklangen Schritte, und jemand betrat das Quartier. Cay verschwand aus Sicherheitsgründen im nächsten Schrank. Er drückte sich so weit es ging in die Kleidungsstücke, aber als Sir Gewayn seinen Kapuzenmantel herausholte, sah er ihm direkt in die Augen.

"Äh, hallo, ich bin der Garderobier", meinte Cayvyn, und während Gewayn noch entgeistert guckte, hatte er ihn schon mit einem gut gezielten Handkantenschlag schlafen gelegt. Das war doch die Gelegenheit, überlegte Cay, sprang zur Lightning und legte in Windeseile das passende Make-Up auf. Er transmittierte in Sir Gewayns Quartier zurück und betäubte diesen mit einem Narkotikum, ehe er dessen Overall und den Umhang überzog. So gerüstet begab er sich zu dem Treffpunkt, den er bereits gestern entdeckt hatte.

* * *

Alan hatte inzwischen auch genug gegessen und ging noch einmal ins Sportzentrum, um sich dort ein wenig die Zeit zu vertreiben.

Er ließ sich von Sir Loraynce überreden, mit diesem Dirigan zu spielen, die naravinische Variante des Samtar (ein echter Naravino würde doch niemals einer nicht-naravinischen Freizeitbeschäftigung frönen.).

(Dirigan wird in einem 30.3m langen, 17.5m breiten und 6.75m hohen Raum gespielt, der in der Mitte durch eine 1.55m hohe, durchsichtige Wand getrennt ist. Das Ziel des Spiels ist es, den Ball (eine magnetische Kugel) zweimal hintereinander auf den Boden des gegnerischen Feldes auftreffen zu lassen, ohne daß er wieder die Mauer überquert hat. Die Wände des Dirigan-Raumes sind ebenfalls magnetisch, wobei die (farbig markierten) Magnetflächen in einem gleichmäßigen Rhythmus Stärke und Polung wechseln (dabei stellt jede Farbe ein bestimmtes Magnetfeld dar). Die dazu benutzen Schläger sehen aus wie langgestreckte Löffel; der Ball darf nicht mit dem Körper gespielt werden. Es werden 30 Punkte zum Sieg eines Satzes benötigt und darüber hinaus drei Punkte Vorsprung (also 39:36 etc.). Ein Matchgewinn erfordert drei Gewinnsätze.)

Der Adlige aus Temir-Edine schimpfte dabei derart permanent auf alle Außenweltler, daß Alan neugierig wurde und ihm nach dem Spiel unauffällig folgte.

Sir Loraynce begab sich zu dem Lagerraum, Alan war ihm dicht auf den Fersen. Kurz vor dem Raum zog der Naravino einen Kapuzenumhang aus seiner Sporttasche und streifte sich diesen über. Das war doch was, dachte Alan. Als Loraynce den Raum betrat, versteckte er sich hinter ein paar Kisten. Da waren ja noch zwei Kapuzentypen, stellte er erstaunt fest.

Kurze Zeit später tauchte ein vierter Vermummter auf. Alan lauschte interessiert den Plänen der Typen. Leider war er nicht in der Lage, die vier alleine zu erledigen, es blieb also nur die Möglichkeit, einen zu erwischen und diesem die Namen seiner Mitverschwörer zu entlocken.

Er wartete darauf, daß sich die Versammlung auflöste.

Aha, dachte er. Jetzt war es soweit! Leise schlich er hinter dem Typen her, der zuletzt den Raum verließ.

Endlich durchquerten sie einen leeren Gang, und Alan stürzte sich mit einem gewaltigen Satz auf sein Opfer.

* * *

Cayvyn versuchte, sich so weit wie möglich zurückzuhalten, da er diesmal mehr als schlecht vorbereitet war. Hoffentlich bemerkte niemand, daß sich 'Sir Gewayn' so überaus schweigsam verhielt.

Zu seinem persönlichen Glück fiel er nicht negativ auf, denn Sir Loraynce und Lady Carolynne schmiedeten derart angeregt neue Pläne, wie sie die Verhandlungen zwischen Eleandelor und Naravina torpedieren könnten, daß Sir Gewayn und Kapuze Nr. 4 nicht die Spur einer Chance hatten, irgendeine Anmerkung dazwischen zu bekommen.

Cay war überaus bestürzt, als er die teilweise ziemlich mörderischen Ideen der beiden vernahm. Er war erleichtert, als das Treffen auf morgen vertagt wurde, um dann den nächsten Anschlag in alle Einzelheiten zu besprechen. Hoffentlich gelang es ihm, den Mord zu verhindern; immerhin ging es diesmal um den naravinischen Protokollchef.

Er beschloß, den dritten Kapuzi im Bunde zu verfolgen, da dieser - diese, wie er im Verlauf des Treffens feststellen konnte - die einzige war, die er noch nicht identifiziert hatte.

Cayvyn schlich gerade in die Richtung, in die Kapuze Nr. 3 verschwunden war, als er von jemandem angesprungen und zu Boden gerissen wurde. Automatisch schüttelte er den Angreifer ab, um ihn dann seinerseits unter sich zu begraben.

Alan war ziemlich verwirrt. Da ging doch etwas nicht mit rechten Dingen zu - seit wann war ein Mensch seinen Kräften gewachsen? Er wehrte sich heftig, doch Cay saß hartnäckig auf seinem Bauch, ehe er gestreßt das Gesicht verzog.

"Alan!"

"Ryko?" fragte der irritiert. Wie kam sein Brüderchen denn nun schon wieder in diese Kutte?

"Ich war gerade hinter dem letzten Mitglied der Verschwörung her, das ich noch nicht identifiziert hatte", erklärte er und bequemte sich allmählich, von Alan aufzustehen.

"Ich wollte mir ebenfalls einen davon angeln."

"Dummerweise den falschen. Sir Gewayn habe ich nämlich schon auf Eis gelegt."

"Woher sollte ich das wissen?"

"Seufz! - Aber zu deiner Beruhigung, ich habe die Show hier eher unfreiwillig abgezogen, da Sir Gewayn mich beim Untersuchen seines Quartiers erwischte. Sonst hätte ich es beim Beschatten belassen."

"Tse."

"Jetzt ist mir die Nummer Vier entwischt", beklagte sich Cayvyn.

"Ich bin ganz geknickt."

"Wie war das - du hattest Lust auf ein Duell?"

"Lust? Nein."

"Na gut. Kehren wir zurück in den Speisesaal - nein, warte, ich muß Gewayn noch in eine Stasiskammer stecken. Bislang ist er nur betäubt."

"Wie du befiehlst."

Cayvyn düste zu Sir Gewayns Quartier und nahm die Aktion in Angriff. Zehn Minuten später lag auch dieser Verschwörer in einer Stasiskammer neben den diversen Killern und Opfern.

Alan wartete in der Nähe des Speisesaals auf Cay, und dieser kehrte binnen kürzester Zeit in seinem normalen Outfit zurück.

"Alles erledigt."

"Fein."

"Ich denke, ich werde mich nun zu meiner Gefährtin zurückziehen. Ich bin schon zu sehr auf ihre Kommentare morgen früh gespannt." Er grinste über alle vier Backen.

"Gute Nacht." Alan enthielt sich lieber einer Bemerkung über Acy.

"Dito." Cayvyn ging mit einem Blick davon, als könnte er kein Wässerchen trüben, und Alan überlegte, was er nun unternehmen könnte. Er hatte keine Lust, alleine in seiner Kabine herumzusitzen. Hm, aber ihm würde schon etwas einfallen.

* * *

3763/04/20 GZ

Alycia schlug die Augen auf und fühlte sich wie gerädert.

"Dunkle Mutter, bin ich kaputt", jammerte sie und angelte mit einer Hand nach Cayvyn. Zu ihrer Beruhigung (und auch ein wenig zu ihrem Erstaunen) war er tatsächlich anwesend. Er hatte ein impertinentes Grinsen aufgesetzt und zog sie an sich.

"Dabei bist du doch schon gestern mittag zu Bett gegangen", meinte er belustigt, ehe er sie hingebungsvoll küßte. Zumindest hatten sie sich nun wieder ausgiebig versöhnt.

"Bin ich? Hm." Acy runzelte die Stirn. Sie erinnerte sich noch an einen silberschimmernden Wein und dann... Alycia wurde knallrot. "Bei Rhia, ich habe vielleicht einen Muskelkater," stöhnte sie, als sie sich halb aufrichtete. Das war ja schlimmer als... Sie kicherte. "Ein Glück, daß du nicht so schnell zu schaffen bist, Cay." Sie rieb ihre Wange an seiner Brust und schloß genießerisch die Augen. "Warst du die ganze Zeit hier?" Irgendwie war es aussichtslos, längere Zeit auf Cayvyn sauer zu sein, stellte sie zum wiederholten Male fest. Er war immer ausgesprochen überzeugend.

"Nein, Lisha. Ich habe noch ein Mitglied dieser naravinischen Kriegstreibergruppe entlarvt, während du schliefest."

"Oh!" Acy sah ihn bewundernd an. Er war wirklich nicht kleinzukriegen. Sie schmiegte sich hingebungsvoll an ihn, ehe ihr etwas Wichtiges auffiel. "Ich habe vielleicht einen Kaffeedurst", meinte sie. "Kommst du mit?"

"Was dachtest du?"

"Auch vorher - unter die Dusche?"

"Was immer dir beliebt."

"Ich liebe dich!" Sie zog ihn mit sich in Richtung Bad.

Aber irgendwann begaben sich die beiden doch noch zum allgemeinen Treff- und Sammelpunkt, dem Speisesaal.

Alan befand sich bereits dort; er bediente sich ausgiebig am Buffet.

"Kaffee... Ich brauche unbedingt einen Kaffee", murmelte Alycia und stürzte sich auf den größten vorhandenen Becher. Cay hatte zärtlich einen Arm um ihre Schultern gelegt und bemühte sich, nicht ganz so schadenfroh zu gucken.

Alan beobachtete die Ankunft der zwei mit gemischten Gefühlen. Am liebsten würde er Acy ja überhaupt nicht mehr sehen, aber das ging wohl kaum. Seufz. Am besten ignorierte er sie weiterhin. Stattdessen begrüßte er Nardia, die gerade hereinkam.

Alycia bemerkte Alan Reaktion und hob die Augenbrauen. Der hatte offenbar ein Problem.

"Guten Morgen!" begrüßte Nardia sie fröhlich, als sie zu ihrer Schwester und deren Gefährten trat.

"Hallo Nad." Acy versuchte ein Lächeln, doch es fiel etwas gequält aus. Der Schicksalmeister sollte verdammt sein, ihr an solch blöder Stelle einen Muskelkater zu verabreichen. Sie stürzte sich lieber auf den Kaffee und genoß die Tatsache, daß die Unstimmigkeit zwischen ihr und Cay offenbar beigelegt war.

"Guten Morgen, Lady Nardia", sagte auch Sir Cayvyn. Nad musterte ihre Schwester interessiert. Das war doch nicht die übliche Morgenmuffligkeit?

"Sag mal, sollte deine Fähre nicht schon gestern da gewesen sein?" erkundigte sich Acy.

"Welche Fähre?"

"Na, die nach Tarishaan zurück?"

"Ach so, die! Die kommt gar nicht mehr."

"Wieso das?"

"Der Linienraumer hat die Abzweigung verpaßt."

(Alle Sternenstraßen sind in gewissen Abständen durch weitere, schmalere Flugkorridore (sogenannte 'Tunnel') miteinander verbunden, die ebenfalls periodisch von Räum-Ramjets gesäubert werden.)

"Oh, du meinst, er hängt jetzt hinter einem Räum-Ram und wartet darauf, daß er zum nächsten Tunnel zu einer Parallelstraße kommt?"

"Genau."

"Schicken die denn keinen Einsatzraumer? Bis der andere ankommt, das kann doch noch Tage bis Wochen dauern!"

"Sicher, aber die Einsatzfähre mußte wegen einem Defekt im Reaktor auf halbem Weg umkehren."

"Typisch öffentlicher Linienverkehr!"

"Die können sich einfach alles erlauben mit ihren Exklusiv-Sternenstraßen!"

"Tja, in der Hinsicht haben die FGS-Verkehrsbetriebe nun einmal fast so etwas wie ein Monopol, weil die Wenigsten die Benutzungsgebühren der privaten Flugkorridore bezahlen können."

"Das ist schon ein Problem", meinte Nardia seufzend. "Sir Alayn, hattet Ihr mir nicht eine Revanche versprochen?" wandte sie sich dann an diesen.

"Natürlich - wann immer Ihr wünscht", erwiderte er.

"Habt Ihr Euch duelliert?" fragte Cay neugierig.

"Aber Sir Cayvyn!" meinte Nad empört.

"Ich dachte nur..." Er sah sie mit einem hinreißenden Blick an.

"Ich bin doch nicht verrückt", wehrte Nardia ab. Cay grinste nur und stibitzte sich eine Praline aus der Dekoration, wobei es ihn nicht im Geringsten irritierte, daß das Teil aus Kunststoff war.

Nad sah ihn fasziniert an. 'Pfui', dachte sie. Wie konnte man nur Plastik essen?

"Wollen wir?" fragte sie Alan, und jener nickte zustimmend.

Alycia kuschelte sich wohlig an Cayvyn.

"Du solltest doch lieber davon Abstand nehmen, die Deko zu verspeisen", flüsterte sie ihm ins Ohr, wobei sie verspielt an seinem Ohrläppchen knabberte. Ob das immer noch Nachwirkungen von diesem Silberwein waren? Cay guckte betont unschuldig.

"Übrigens, Lisha, heute treffen sich Sir Loraynce & Co. wieder", wechselte er das Thema. "Ich werde noch einmal versuchen, die vierte im Bunde zu enttarnen."

"Gut."

"Wann mußt du denn weg?" wollte Acy wissen, nachdem sie ausgiebig gefrühstückt hatten. Sie fand es überaus ungewohnt, daß einmal Cayvyn derart die Initiative ergriff. Aber schlecht war es auch nicht, dachte sie. Sie setzte sich auf seinen Schoß und wuschelte zärtlich in seinen Haaren herum.

"Erst heute abend", entgegnete er.

"Hm."

"Diesen Blick kenne ich", meinte Cayvyn grinsend. "Wie war das mit dem Muskelkater?" fragte er neckend. Acy guckte gequält.

"Sadist! Aber du hast recht - gehen wir lieber in den botanischen Garten."

Dort ließen sie sich mitten auf der kleinen Wiese im Wald nieder. Alycia wollte erst einmal genauestens wissen, was Cayvyn in der Nacht alles angestellt hatte (neben seiner extensiven Beschäftigung mit ihr), und er berichtete von der Sache mit Sir Gewayn von Fayn-Delva.

Anschließend kuschelten sie noch etwas dort herum, wobei zum Glück diesmal keine weiteren Leute die botanische Abteilung heimsuchten.

"Mmmmh. Ich habe keine Lust aufzustehen", seufzte Acy, als Cay sie dezent darauf aufmerksam machte, daß seine Energiereserven immer noch nicht komplett wieder aufgeladen waren.

Cayvyn ließ ihren Einwand nicht gelten und lud sie auf seine Arme. Acy wollte zunächst herumstrampeln, unterließ das aber im Hinblick auf den bewußten Muskelkater. Das nächste Mal sollte sie sich doch etwas zurückhalten, dachte sie gestreßt.

* * *

Nardia und Alan hatten sich derweil auf den Weg zum Sportzentrum gemacht, wo sie eine Partie Samtar absolvierten, dann hatte Nad keine Lust mehr, da sie schon wieder verloren hatte. Er hätte sie ruhig gewinnen lassen können, dachte sie frustriert. Seufz.

Schließlich hatte sie sich doch noch zu einem weiteren Spiel überreden lassen.

Einen guten Zweck hatte das Ganze wenigstens - dadurch nahm sie effektiv ab. Auch wenn sie permanent verlor. Aber wenigstens war es für Alayn kein Zu-Null-Sieg.

Gegen Mittag kehrten die beiden in den Speisesaal zurück. Alan hatte schließlich mit 3:2 Spielen gewonnen, denn im 3. und 4. Match hatte Nardia das Blatt wenden können, da er offensichtlich an etwas anderes dachte.

Morgen würden ihr garantiert alle Knochen weh tun, dachte Nad. Seufz. Aber jetzt hatte sie erst einmal Hunger. Sie stürzte sich auf eine der Platten und begann, sie systematisch leerzufuttern, ehe sie zur nächsten überging. Es waren zwar alles kalorienarme Sachen, aber eine ganz schöne Menge davon, und so betrachtete Alan sie amüsiert, während er sich ebenfalls mit Fressalien vollstopfte.

Sir Cayvyn trug seine Gefährtin auf Händen in den Raum. Alycia fand das Ganze zwar etwas - naja, aber andererseits war es auch höchst bequem. Am Buffet setzte er sich ab.

'Aha', dachte Nad, die beiden waren auch wieder da. Es war überaus faszinierend zu beobachten, wie Sir Alayns Miene und Haltung sich veränderten, sobald Acy auftauchte. Er hatte wirklich ein Problem.

Alycia strahlte Cayvyn an und strafte Alan mit offener Nichtbeachtung, was wiederum von Alan ignoriert wurde - nun, zumindest bemühte er sich tapfer, dies zu tun, auch wenn es nicht hundertprozentig gelang.

Cayvyn schüttelte wieder einmal amüsiert den Kopf und stopfte Acy eine Gurke in den Mund, als sie gerade ansetzte, etwas zu sagen. Es wäre bestimmt nur erneut eine auf Alan gemünzte Beleidigung geworden. Alycia sah ihn empört an.

Nardia grinste dezent. Das Ganze war einfach zu albern. Warum vertrugen ihre Schwester und Sir Alayn sich nicht einfach wieder? So schlimm war die Sache nun auch nicht gewesen, als daß sie sich auf ewig spinnefeind bleiben müßten.

Cay sah seine Gefährtin liebevoll an und gab ihr einen Kuß auf die Nasenspitze.

"Kein Wort mehr gegen Alayn", flüsterte er, und Acy verzog das Gesicht, als hätte sie Zahnschmerzen. Alan wäre natürlich am liebsten verschwunden, aber solch eine Flucht war ihm zu dumm, also betrachtete er intensivst seinen Teller. So konnte er am besten alles um sich herum ignorieren.

Nad war der Appetit vergangen; dieser Streit torpedierte doch direkt sämtliche gute Laune! Wenn das so weiterging... Sie seufzte.

"Aber nur, weil du es bist, mein Schatz", flüsterte Alycia zurück. Sie nahm ihren Teller, sowie das Glas und setzte sich zu Nardia und Alan. "Einen guten Appetit wünsche ich", flötete sie.

"Ebenfalls", erwiderte Nad irritiert. Alan gab ebenfalls etwas in dieser Richtung von sich, sah aber niemanden an. Cayvyn setzte sich mit einem nachdenklichen Blick ebenfalls dazu. Was hatte Lisha vor? Hatte sie etwas vor? Nardia fragte sich ähnliches, während sie beobachtete, wie ihre Schwester sich über die enshayischen Schlangenfisch-Röllchen hermachte.

Unterdessen ging das gegenseitige Belauern weiter. Ungeachtet der Tatsache, daß er sie übersah, grinste Alycia Alan an. Sie liebte es, ihn zu quälen. Genußvoll biß sie in den Fisch und stellte sich vor, es wäre ihr Gegenüber.

Solange Acy ihn nicht ansprach, war Alan durchaus zufrieden. So kam er zumindest nicht in Versuchung, irgendwelche Kommentare abzugeben, die dann eventuell wieder Cayvyn verärgern könnten. Letzterer guckte höchst irritiert, war aber zufrieden darüber, daß seine Gefährtin sich jedweder verbalen Äußerung enthielt.

Nardia schaute verständnislos von einem zum anderen. Das wurde ja schon peinlich. Irgendwann holte Alycia sich kulinarischen Nachschub - naravinische Würzgurkenwürfel - setzte sich und fuhr fort, Alan anzugrinsen wie ein Honigkuchenpferd.

Cay schüttelte den Kopf und überlegte sich, ob er nicht vielleicht Nad in ein Gespräch verwickeln sollte, die immer mehr frustriert wirkte, da sie nicht verstand, worum es hier überhaupt ging.

"Lady Nardia, mundet Euch Euer Mahl?" erkundigte er sich höflich.

"Nein", entgegnete sie.

"Oh, das ist aber betrüblich. Soll ich Euch etwas anderes holen?" Auf diesen Vorschlag hin warf Alycia Cayvyn einen irritierten Blick zu.

"Je gerne", meinte Nad und lächelte ihn an.

"Was möchtet Ihr denn?" Er erwiderte ihr Lächeln, und Acy war versucht, ihm vor das Schienbein zu treten. Im Hinblick auf die Gesundheit ihrer Zehen unterließ sie es jedoch lieber. Stattdessen wandte sie sich wieder Alan zu.

"Hm. Ich weiß nicht", überlegte Nardia. "Irgendetwas mit viel Schokolade."

"Pralinen oder Torte?"

"Pralinen."

"Gerne." Sie Cayvyn verneigte sich leicht, verschwand und kehrte alsbald mit einer monumentalen Schokopralinen-Schüssel zurück.

"Ich danke Euch", rief Nad überschwenglich und stürzte sich sogleich auf die Süßigkeiten.

"Die darf, und ich natürlich nicht", schmollte Alycia.

"Du bist ja auch auf Diät!" mahnte Cay.

Das war Nardia zwar auch, aber im Augenblick hatte ihr Schokoladenbedürfnis über den Vorsatz, eine Diät zu betreiben, gesiegt.

"Seufz", machte Acy plötzlich. "Wie kommen wir nun an die Nummer 4 heran? Und vor allem - wie können wir die überführen? Wir brauchen doch Beweise!"

Nad beschäftigte sich intensiv mit ihren Pralinen, während Alan sich weiter ausschwieg.

"Hey! Ich habe etwas gefragt!" mokierte sich Alycia. Ihre Schwester kaute immer noch.

"Hab ich doch gehört!"

"Na und? Vorschläge?"

"Nö."

"S@|&+%*!"

Nardia musterte sie irrtiert.

"S@|&+%*8Z%?"

"Was würdest du sonst zu dieser Situation sagen? Wir müssen einen bis mehrere Mörder finden, einige Mitglieder einer kriegstreiberischen Organisation überführen und nebenbei noch einen mörderischen Krieg verhindern - und alles, was du dazu zu sagen hast, ist, daß du keinerlei Vorschläge zur Bereinigung der Situation hast!"

"Mir fällt nun mal nichts ein."

"Dann streng dich mal an!"

"Warum?"

"Weil du - na, du weißt schon!" Das 'weil du von der ISPC bist', sagte Acy tunlichst nicht laut, da außer einem ausgewählten Personenkreis niemand eine Ahnung davon hatte. "Du hast schließlich auch eine gewisse Verantwortung."

"Aber ich kann ohne Order sowieso nichts machen!"

"Hm. Aber überlegen kannst du doch schon mal."

"Seufz."

"Nun?" Alycia sah sie an, als erwarte sie im nächsten Moment die Gedanken blitzen zu sehen.

"Mir fällt immer noch nichts ein."

Acy seufzte gestreßt, und Cayvyn wechselte einen langen Blick mit Alan. Frauen!

Alan fand das Ganze auch ziemlich unverständlich, aber ihm war noch keine Idee gekommen, wie man das Problem lösen könnte.

"Wenn ich wieder eine Idee habe, seid ihr ja eh dagegen", meinte Alycia schmollend.

"Kann dir doch egal sein. Ich habe eh nichts damit zu tun", bemerkte Nad abweisend.

"Warum nicht? Mördersuche ist doch dein Metier!"

"Gar nicht wahr! Dafür bin ich nicht zuständig."

"Ach, und für was sonst?"

"Diebstähle und Entführungen, das müßtest du doch wissen!"

"Und wie war das mit dem KD?"

(Sowohl Stardust als auch Blackfire waren geraume Zeit hinter dem Verbrechersyndikat Konsortium D hergewesen, daß sich unter anderem mit Drogengeschäften, Morden etc. beschäftigte.)

"Das war ein Sonderauftrag. Aber er hat mit Entführung angefangen."

"Betrachte dies hier doch auch als Sonderauftrag. Es könnte immerhin das Schicksal der ganzen FGS davon abhängen!"

"Das weiß ich. Aber ich fühle mich nicht in der Lage, hier etwas zu tun."

"Und wer bitte soll etwas tun?"

"Du, die Weltraumpolizei..."

"Ich?"

"Warum nicht? Schließlich hast du immer die genialen Einfälle!"

"Habe ich?" Acy zog eine Grimasse, dann fuhr sie leiser und mit belustigtem Unterton fort: "Was die Polizei betrifft - die jagt doch lieber mich als andere."

"Dann brauchen sie sich schließlich nicht mit anderen zu beschäftigen, die vielleicht gefährlich sein könnten."

"Seufz. Das hat frau nun von ihrem Ruf." Als Blackfire verwendete sie als einzige Waffe den Pfeilwerfer oder (wenn es unbedingt sein mußte) ihre Fäuste, und Cayvyn als Infinity benutzte überhaupt keine Waffe, sondern er beließ es bei Computermanipulationen & technischen Tricks, und im Notfall verließ er sich auf seine enormen Androiden-Kräfte.

(Pfeilwerfer - eine alte enaryshanische Waffe, die ausschließlich Betäubungskristalle verschießt)

Nardia grinste nur. Auf einmal blitzten Alycias Augen auf.

"Also - ihr wollt einen Vorschlag? Na gut. Mir ist gerade die Idee gekommen. Wir arbeiten uns einfach an den Bund der Bewahrer Alter Sitten heran und schmuggeln uns dort ein."

Nad verzog das Gesicht.

"So einfach ist das nicht."

"Für uns nicht. Aber..." Sie deutete auf Alan und Cayvyn.

"Nein", erklärte Alan kategorisch.

"Warum nicht?" überlegte Cay. "Sir Alayn?"

"Ich will nicht."

"Aus welchem Grund?"

"Ich habe meine Gründe."

"Und die wären?"

"Darüber will ich nicht reden."

"Hm", brummte Cayvyn, aber per Funk fragte er: Wieso nicht?

Ich habe mich entschlossen, nichts mehr in dieser Richtung zu unternehmen.

EM>Warum nicht?

Weil ich ein neues 'Leben' beginnen werde.

Aha. Ich kann mich aber entsinnen, daß du dir recht nutzlos vorgekommen bist und dein neues Leben beinahe damit begonnen hast, auszuwandern und dich einzudosen.

Das war dumm. Jedenfalls bin ich jetzt darüber hinweg.

Ach?

Was heißt hier 'Ach'? Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß mein Leben durchaus sinnvoll sein kann. Allerdings werde ich mich nicht mehr mit irgendwelchen Sachen beschäftigen, die Firestar gemacht hat.

Und womit wirst du dich beschäftigen?

Damit, womit sich auch andere beschäftigen.

Das wäre?

Nun, ich habe immer noch ElCoTech, da gibt es viel zu tun.

Wie lange?

Einige Jahre auf jeden Fall.

Und dann?

Dann werde ich mir eben was Neues suchen.

Wie lange hältst du das durch, bis dir die Decke auf den Kopf fällt? Du machst mir nichts vor - du bist mit deiner aktuellen Situation hoffnungslos unzufrieden.

Und selbst wenn es so wäre - das ist ein Problem, mit dem ich fertig werden kann.

So sehr, daß du am liebsten alles stehen und liegen lassen und dich in eine Abstellkammer verziehen würdest.

Wohl kaum, meinte Alan.

Du hast zwar mittlerweile eine neue Versionsnummer, aber das ändert nichts daran, daß du aufgrund der Firestar-Kristalle programmiert wurdest. Du bist nicht dazu geschaffen, den Rest deiner funktionsfähigen Zeit auf einem Fleck zu verbringen!

Ach? Und wozu dann?

Um neues kennenzulernen und auch, um Firestars Werk fortzuführen. Jetzt reagiere nicht gleich mit einem Schaltkreiskollaps bei Erwähnung des Namens Firestar! Auch ich bin ein 'Kind' Firestars und trotzdem ein eigenständiges Wesen!

Das habe ich nie bestritten. Aber ich bin nicht Firestar, und ich würde auch nicht behaupten, daß ich nicht eigenständig bin.

Nein. Aber dadurch, daß du verzweifelt versuchst, in keinster Weise mehr Firestar zu ähneln, unterdrückst du einen Teil deines Wesens.

Sicher tue ich das, aber es ist die einzige Möglichkeit für mich, damit klarzukommen.

Ist es? Warum?

Die Wesenszüge sind zu stark - sie würden mit Sicherheit die herausragenden Merkmale sein, und das könnte ich nicht ertragen.

Das bezweifle ich. Bei mir sind sie im Prinzip ebenso stark eingebaut. Nach deiner ...Programmrevision dürftest du im Prinzip eine ähnliche Persönlichkeitsstruktur haben wie ich. Und Firestar liegt - wie schon erwähnt - auch mir zugrunde.

Auml;hnlich schon.

Aber?

Ich bin mir sicher, daß es doch ziemliche Unterschiede gibt.

Inwiefern?

Unsere Verhaltensmuster sind unterschiedlich.

Aber der prinzipielle Aufbau ist sehr ähnlich.

Nun gut, du hast recht.

Also - wo liegt dann dein Problem?

Welches Problem? fragte Alan scheinheilig.

Daß du dich weigerst, dich so zu akzeptieren, wie du bist. Und daß du dementsprechend nicht die Dinge unternimmst, die dir entsprechen.

Ich verstehe einfach nicht, warum das so sein soll. Ich will einfach nicht.

Inwiefern verstehst du nicht, warum das so sein soll? Cay guckte ihn irritiert an.

Ich meine, warum du darauf bestehst, daß ich mich nicht akzeptiere.

Du sagtest selbst, daß du den Firestar-Teil deiner Programmierung unterdrücken wolltest, und das ist meines Erachtens durchaus ein deutliches Zeichen von Nicht-Akzeptanz.

Ich sehe das anders. Ich unterdrücke etwas, das nicht zu mir gehört.

Wie kommst du darauf, daß das nicht zu dir gehört?

Tut es das denn? Es ist ein Teil Firestars! Ich will nicht wieder nur eine Art Kopie sein!

Ich frage dich nochmal - hältst du mich für eine Firestar-Kopie?

Naja, zum Teil schon. Aber zumindest bedeutend weniger als ich.

Cayvyn verzog das Gesicht.

Ein 'Kind' wird stets von seinen 'Eltern' geprägt, dozierte er, und Acy fragte sich, was er schon wieder Wichtiges mit Alan besprach, das sie nicht hören durfte. Weißt du, Alan, nach deiner Argumentation müßte ich also eine Art 'Kopie' von Alycia und Firestar sein.

Ich würde sagen, das ist durchaus zutreffend.

Eine Kopie? wollte Cay wissen. Er hob eine Augenbraue.

Nun, eine Art von, meinte Alan. Du hast auch einiges von ihr.

Was denn?

Diese nervtötende Fragerei zum Beispiel!

Hm. Soll ich dir mal etwas verraten? Das hat sie von mir.

So?

In der Tat.

Tse!

Naja. Cayvyn grinste verlegen. Und was soll ich noch von Lisha haben?

Dazu äußere ich mich lieber nicht.

Cay sah ihn schmollend an.

Pah. Ich finde, du hast weit mehr mit ihr gemeinsam als ich.

Das ist doch nicht dein Ernst!

Doch. Es sei denn, du führst Gegenbeispiele an.

Wofür?

Daß a) du nicht so viel mit ihr gemeinsam hast und b) ich schon.

Kein Kommentar.

Gut, dann kannst du ja bei unserem Unternehmen mitmachen.

Werde ich aber nicht.

Deine Argumente konnten mich nicht überzeugen. Also, entweder du führst neue, stichhaltige Argumente auf, oder du machst mit.

Da überlege ich mir lieber was.

Ich höre.

Nicht jetzt.

Doch. Deine Entscheidung ist jetzt vonnöten. Und versuche nicht, mir auszuweichen, in dem du vorgibst, daß du Bedenkzeit brauchst. Deine Rechengeschwindigkeit ist mit meiner identisch, und ich habe bereits eine erkleckliche Anzahl von Argumenten dafür.

Ich habe eins dagegen, und das wiegt alles auf.

Das wäre?

Ich will nicht mitmachen.

Das ist eine Meinung und kein Argument.

Warum soll ich immer alles begründen?

Weil deine Äußerungen sonst kein Gewicht haben.

Seufz. Ich mag aber nicht jedesmal erläutern, warum ich dies und jenes will oder nicht. Ich habe einfach keine Lust, mit euch zusammenzuarbeiten, weil das sowieso wieder in einer Katastrophe enden wird.

Aus welchem Grund meinst du, alles 'wieder in einer Katastrophe enden' würde?

Aus dem Grund, daß es bis jetzt immer so ausgegangen ist.

Aber wir haben doch stets erreicht, was wir erreichen wollten!

Sicher. Aber für mich persönlich war es immer eine Katastrophe, weil ich stets mit jemandem Streit hatte.

Du meinst mit Alycia? - Ts, ich habe auch des öfteren Streit mit ihr.

Ich meine nicht nur sie. Ich hatte Ärger mit dir, mit Nardia und Coryn. Ich bin anscheinend vollkommen ungeeignet, mich mit irgendwem über längere Zeit zu vertragen.

Mit Nardia habe ich ebenfalls permanent Unstimmigkeiten. Und ich versichere dir, wenn du bei dieser Sache hier kneifst, dann bekommst du erst recht Ärger mit mir! Ich bezweifle, daß du es jemals irgendwann schaffen kannst, mit niemandem Ärger zu haben. Man muß sich lediglich nachher wieder mit den betreffenden Personen vertragen.

Das kann ich aber nicht.

Wo liegt das Problem?

Ich weiß es doch nicht. Aber ich würde eher vor einer Sache weglaufen als mich zu entschuldigen oder eine solche anzunehmen.

Wie kommt das?

Woher soll ich das wissen? Es ist so!

Lisha hat ein ähnliches Problem. Alan sah seinen Bruder zweifelnd an, und dieser nickte bekräftigend. Ehe sie sich entschuldigt, müssen schon wirklich entsetzliche Dinge passieren.

Dazu sagte Alan lieber nichts, denn die Sache war immer noch nicht vergessen.

Ich hoffe, Lisha tut es noch einmal richtig.

Ich lege keinen Wert darauf.

Warum denn nicht?

Was für einen Sinn soll das haben? - Außerdem neige ich langsam dazu, ihr recht zu geben.

Aber du hast doch die Fähigkeit dazuzulernen! Warum solltest du dich nicht zum Positiven verändern können?

Ich werde mich nicht ändern.

Und warum nicht?

Ich glaube nicht daran.

Aber du hast dich bereits einmal grundlegend geändert.

Aber nicht freiwillig!

EM>Willst du dich nicht ändern?

Ich wüßte nicht, warum ich das tun sollte.

Zunächst einmal wäre es sinnvoll, wenn du analysieren würdest, wie du auf andere Leute reagierst und wie diese wiederum auf deine Reaktionen reagieren. Anhand jener Reaktionen der anderen kannst du feststellen, wie deine Aktionen bei diesen angekommen sind. Wenn du nun deine Verhaltensmuster vorsichtig variierst, bis die Reaktionen der anderen dem entsprechen, was du erwartest, dann hast du es doch schon so gut wie geschafft.

Das habe ich doch schon versucht! Aber es wurde nur noch schlimmer, also habe ich es aufgegeben.

Dann hast du die Konsequenzen nicht richtig gezogen und die Variationen in die falsche Richtung vorgenommen.

Mit Sicherheit.

Dann war es aber nicht korrekt, einfach aufzugeben. Ich habe schon des öfteren festgestellt, daß das ganze Leben eigentlich eine Art Experiment ist. Cayvyn guckte melancholisch in die Ferne.

Vielleicht - aber eins, das ich nicht begreife.

Ich muß zugeben, ich arbeite auch weitgehend nach dem Trial-and-Error-Verfahren.

Hm, machte Alan.

Würdest du mir glauben, daß Lisha mich ganz zu Beginn meiner Existenz permanent demontieren wollte?

EM>Ihr traue ich prinzipiell alles zu.

Meinst du nicht, daß mich das nicht auch verletzt hätte?

Ich weiß nicht.

EM>Sicherlich hat es das! meinte Cay heftig. Ich glaube, ich habe sie von Anfang an ...geliebt - wenn das, was ich für sie empfinde, tatsächlich das ist, was man gemeinhin so nennt - und sie hat mich ständig heruntergeputzt.

Alan zuckte mit den Schultern.

Das kann ich ohnehin nicht begreifen.

Was?

Na, daß du sie schon immer geliebt hast.

Ich auch nicht. Aber ich wage nicht zu fragen, ob sie mir das einprogrammiert hat.

Das frage ich mich auch.

Meinst du wirklich, daß sie so etwas getan haben könnte? Cay guckte seinen Bruder fast ein wenig verzweifelt an. Aber vielleicht fühle ich mich ihr auch nur derart verbunden, weil sie mich konstruiert hat.

Vielleicht - vielleicht aber auch nicht.

Cayvyn runzelte nachdenklich die Stirn.

Alan, wie stehst du eigentlich zu Tyron Star?

Hm. Das ist nicht so einfach zu erklären. Aber ich glaube nicht, daß ich ihn besonders mag.

Warum nicht?

Er hat mich in die Rolle gezwungen, die ich nun spielen muß.

Aber er hat dir doch auch die Möglichkeit gegeben, dich weiterzuentwickeln.

Jetzt - nach zwanzig Jahren!

Hm. Mir hat Lisha zum Glück von Anfang an die Möglichkeit gegeben, mich zu entwickeln.

Ich habe das Gefühl, daß es für mich nun zu spät ist.

Es ist niemals zu spät.

Sagst du.

Das sage ich. Und das meine ich auch.

Ich aber nicht.

Warum hörst du nicht endlich mit deiner Selbstmitleidsmasche auf und wendest dich den echten Problemen zu?

Alan sah Cayvyn ärgerlich an. Das hatte er nun davon, daß er mit diesem sprach.

Verdammt, Alan, wie hast du es geschafft, zwanzig Jahre zu verbringen, ohne auch nur das kleinste bißchen Lebenserfahrung zu erlangen?

Ich hatte Tyrons.

War das Lebenserfahrung?

Es war zumindest darunter abgespeichert.

Auml;hm... Naja. Für mich wirkte das eher, als ob Tyron da seine Idealvorstellungen abgelegt hätte.

Kann sein. Ich weiß es nicht.

Das ist dann aber keine Lebenserfahrung, sondern ein Zustand!

Etwas anderes hatte ich nicht.

Dann solltest du das ändern.

Warum?

EM>Du mokierst dich doch darüber, daß du Probleme hast.

Tue ich das?

Ja.

Alan schwieg nachdenklich, und Cayvyn schwieg mit.

"Hey, Jungs, was treibt ihr hier eigentlich?" erkundigte sich Alycia endlich. Ihr Gefährte grinste sie nur dezent an, und Alan ignorierte sie wie üblich.

"Cayvyn!"

"Wir haben uns unterhalten", erklärte Cay diplomatisch. Alan zog es vor, keinen Kommentar abzugeben.

"Worüber?"

"Das geht dich wirklich nichts an."

Acys Kinnlade klappte herunter. Auch Nardia sah Cayvyn irritiert an. Was war denn das?

"Cayvyn?" fragte Alycia ungläubig.

"Es ist eine Sache zwischen Männern", erklärte er.

Das war ja ein völlig neuer Wesenszug an Sir Cayvyn, fand Nad. Aber sie betrachtete es durchaus als Fortschritt. Acy schüttelte perplex den Kopf.

"Was sage ich denn dazu?"

"Nichts", meinte Nardia amüsiert.

"Püh!"

Nad grinste Cayvyn an, der wie ein leibhaftiges Unschuldsengelchen guckte. Ihr Grinsen verbreiterte sich ob dieses Anblicks. Das nahm ihm doch niemand mehr ab.

Alan betrachtete das Ganze eher desinteressiert, schließlich hatte er beschlossen, daß ihm das alles ziemlich egal war. Außerdem mußte er noch über sein Gespräch mit Cay nachdenken. Irgendwie brachte ihm das alles nichts. Warum hatte Nardia ihn bloß zum Hierbleiben verpflichtet? Das machte alles nur noch schwerer.

"Seufz!" kam es von Acy.

Cay schaute unterdessen zu seinem Bruder herüber, der guckte, als ginge ihn die Angelegenheit überhaupt nicht an.

Alan? funkte er. Was ist denn nun schon wieder mit dir los?

Was soll sein?

Woran denkst du?

Ich denke immer noch über unser Gespräch nach.

Und mit welchem Ergebnis?

Noch keins.

Aha.

Alan schwieg wieder.

Und jetzt? hakte Cayvyn nach.

Immer noch dasselbe.

Ist dein Hauptprozessor defekt?

Alan sah Cay verwirrt an und überprüfte das schnell.

Nein, stellte er fest.

Wieso läßt dann das Ergebnis so lange auf sich warten?

Alles was herauskommt, gefällt mir nicht.

Was ist dir denn bis jetzt eingefallen?

Das kennst du schon alles.

Und was?

Die beste Möglichkeit scheint mir immer noch, die FGS zu verlassen, aber das kann ich nicht mehr, da ich es Nardia versprochen habe.

Warum willst du dich denn nicht einfach der Sache stellen?

Welchen Vorteil hätte das für mich?

Daß du deine Selbstachtung wahrst.

Wozu?

Seufz!

Vielleicht sollte ich das neue Programm löschen, meinte Alan plötzlich.

Warum das?

Dann muß ich nicht darüber nachdenken.

Meinst du wirklich, daß du dann glücklich wärst?

Aber auch nicht unglücklich.

Alan. Wie kann man dich nur aus dieser Stimmung holen?

Alan sah seinen Bruder nur groß an.

Hey, es muß doch irgendetwas geben, das dich aufmuntern kann!

Alan zuckte hilflos mit den Schultern.

Was würdest du denn gerne machen - außer abhauen, versteht sich.

Hm, überlegte Alan.

Nun?

Am liebsten würde ich ins Sportzentrum gehen.

Und was tun?

Das weiß ich noch nicht. Aber jedenfalls hilft mir das meistens.

Gut. Ich komme mit, meinte Cayvyn. Zu seiner Gefährtin gewandt, sagte er dann akustisch: "Entschuldigt, mein Herz, ich habe etwas zu tun."

Er stand auf, und Alycia verstand langsam gar nichts mehr.

"Cay? Wohin willst du?"

"Ich habe etwas mit Sir Alayn zu besprechen."

Dieser folgte Cay, als der aus dem Speisesaal schritt. Nardia sah den beiden Männern irritiert hinterher. Das konnte ja noch heiter werden.

"Das ist eine Frechheit!" hauchte Acy ungläubig. "Er läßt mich doch tatsächlich einfach hier sitzen!"

"Er hat halt zu tun."

"Cay? Mit dem?" Alycia deutete mit dem Kinn in Richtung Alan, der gerade die Tür passierte.

"Na und?"

"Ich fasse es nicht!" Acy griff schmollend in die Schüssel und verleibte sich eine Ladung Pralinen ein.

Nardia schüttelte nur den Kopf. Ihre Schwester hatte anscheinend wirklich ein Problem mit Sir Alayn. Naja, hoffentlich wurde die Sache bald geklärt, sonst rasteten Alycia und Cayvyn wahrscheinlich auch noch aus.

"Seufz!" Acy spähte in die Schüssel. Leer!

"Soll ich noch eine Portion organisieren?"

"Ja!" Sie guckte ein weiteres Mal in Richtung Tür. Es war frustrierend! Nad machte sich auf den Weg, um eine neue Schüssel zu holen.

"Danke", sagte Alycia, als Nardia den Nachschub ablieferte. Sie legte die Unterarme auf den Tisch, darauf dann ihren Kopf und spähte in das wohlgefüllte Gefäß.

Nad grinste bei dem Anblick. Sie war wirklich zu neugierig, was Cayvyn und Alayn jetzt machten.

"Ich frage mich echt, was in meinen herzallerliebsten Schatz gefahren ist", murmelte Acy.

"Was soll denn in ihn gefahren sein?"

"Ich habe mich noch nie derart permanent mit ihm gestritten. Muß wohl das 'verflixte siebte Jahr' sein."

Nardia lachte.

"Muß wohl so sein", stimmte sie zu.

"Mach dich auch noch über mein Unglück lustig", schmollte Alycia. Leider brachte dies Nad nur noch mehr um die Fassung.

"Püh! - Seufz, er soll augenblicklich wieder hier sein!"

"Wird er aber nicht."

"Er ist ein Sadist!"

"Ganz bestimmt nicht."

"Hm?"

"Warum sollte er ein Sadist sein?"

"Er quält mich!"

"Ich würde eher sagen, du quälst dich selbst."

"Wieso das?" Acy blickte von den Pralinen auf.

"Weil du nicht mal fünf Minuten an was anderes denken kannst."

"Nicht, wo er mich letztlich sogar einfach verlassen wollte!"

"Woran du aber nicht ganz unschuldig warst."

"Ich bin mir keiner Schuld bewußt. Es war ganz alleine Sir Alayns!"

"Aha, darauf läuft es also wieder hinaus."

"Sicher! Ich wünschte, er wäre nicht mitgekommen!"

"Du kannst ihm das nicht verbieten."

"Leider!"

"Also wirst du damit leben müssen."

"Hm." Alycia betrachtete zweifelnd eine besonders große, stachelige Praline, die sie auch gleich vernichtete. Nardia seufzte gestreßt. Waren das Probleme!

"Am liebsten würde ich ihn demontieren", überlegte Acy niederträchtig, wobei sie genußvoll eine andere Praline in Ober- und Unterteil zerlegte.

"Wen?"

"Sir Alayn..." Fast hätte sie 'Alan' gesagt. Hm. Vielleicht sollte sie es ja tun. Dann gäbe es bestimmt noch eine Person, die ihn liebend gerne vom funktionsfähigen zum schrottreifen Zustand befördern würde.

"Ich glaube, Cayvyn wäre aber dagegen."

"Leider!"

Nad schüttelte nur den Kopf.

* * *

Alan und Cayvyn waren inzwischen im Sportzentrum der Raumstation angekommen. Alan sah sich suchend um, wußte aber nicht, für welches Sportgerät er sich entscheiden sollte.

"Nun?" erkundigte sich Cay und guckte neugierig in die Gegend. Er war bislang noch nicht dazu gekommen, die hiesigen Sportanlagen zu inspizieren, und sie faszinierten ihn ungemein.

"Ich habe mich noch nicht entschieden."

"Gut. Ich warte."

"Seufz."

"Welches Problem bearbeitest du jetzt?"

"Ich überlege nur."

"Aha."

Alan beguckte sich das Interieur des Sportzentrum. Vielleicht fiel ihm dadurch etwas ein. Im Prinzip würde er ja am liebsten etwas zu kleinen Stückchen verarbeiten, aber das ging nicht so einfach, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Aber er brauchte entschieden etwas, um sich abzureagieren.

Cayvyn stand weiter in der Ecke und beobachtete amüsiert, wie Alans Blick unschlüssig über die diversen Gerätschaften wanderte. Doch sein Bruder mußte sich selbst entscheiden.

Irgendwie sagte ihm das alles nicht hundertprozentig zu, befand Alan, denn das meiste davon würde ihn nicht im mindesten anstrengen, geschweige denn auf andere Gedanken bringen. Er betrachtete sehr nachdenklich einen Mann, der keuchend Gewichte stemmte.

Cayvyn folgte den Blick und lachte leise. Die interessanteste Frage dabei wäre wohl, ob er einen oder zwei Finger bräuchte, um das Teil möglichst elegant zu balancieren.

Der Typ wurde durch Alans Blick noch hektischer und bemühte sich, eine gute Figur zu machen, was bei seiner monumentalen Wampe ohnehin schon im Ansatz scheiterte. Dies erheiterte Cay nur noch mehr. Zum Glück war das Gewicht derart abgesichert, daß jedwede Verletzungsgefahr ausgeschlossen war, selbst, wenn das Gerät herunterfiel, wie es dem Mann gerade passierte.

Das war Alan nun ein wenig peinlich, da es ja gewissermaßen seine Schuld war, und er befreite den Hobbysportler mühelos von der Hantel, wobei er erstaunt feststellte, daß das Teil gerade mal 45kg wog.

Cayvyn kriegte sich nicht mehr ein, vor allem ob Alans verdutztem und des Typen peinlich berührten Gesichtsausdrucks.

Der unglückliche Gewichtheber suchte sein Glück in der Flucht, bevor er sich noch mehr blamierte - immerhin hielt dieser Naravino die Hantel lässig mit einer Hand fest.

"Sir Alayn, wollt Ihr Gewichtheben?" erkindigte sich Cay todernst.

"Das ist doch kein Gewicht", bemerkte Alan würdevoll. Cayvyn grinste. Einer der Fitneßberater hatte gerade interessiert Kurs auf Alan genommen, was dieser natürlich noch nicht bemerkt hatte. Dennoch ließ er endlich mit einer nonchalanten Bewegung die Hantel los.

"Monsieur, Sie scheinen bemerkenswert gut trainiert zu sein", begann der athletische Fitneßberater auf einmal. "Sie sind nicht zufällig Mitglied des naravinischen Schwerathletenverbands?"

"Nein", erwiderte Alan irritiert. Ihm war gar nicht der Gedanke gekommen, daß er durch das einfache Heben dieser läppischen Hantel auffallen könnte.

"Das ist bedauerlich. - Soll ich Ihnen ein schwereres Gewicht auflegen?"

"Wieviel könntet Ihr denn auflegen?"

"Bis zu 290kg. Das ist aber nur für Superschwergewichtler von Seraion VI/Alenje interessant."

"Hm", machte Alan. Das klang nicht nach einer Herausforderung.

"Nun? Wieviel soll ich Euch auflegen?"

"Ich weiß nicht. Ich habe mich schon länger nicht mehr damit beschäftigt."

"Bedauerlich. Wie wäre es dann mit 100kg?"

Alan warf Cayvyn einen tragischen Blick zu.

Der naravinische Planetenrekord liegt zur Zeit bei 241.7kg meinte Cayvyn per Funk.

Ich weiß, aber das wäre doch etwas auffällig.

Stimmt. Du hast nicht ganz die Statur eines Superschwergewichtlers.

Nicht ganz, stimmt.

"Monsieur?" fragte der Fitneßberater.

"Gut. Versuchen kann ich es ja", entgegnete Alan zögernd. Sofort wurde die Hantel um 70kg beschwert.

'Worauf habe ich mich da nur eingelassen?' dachte Alan gestreßt.

"Bitte!" Der Fitneßberater machte eine einladende Handbewegung, und Cayvyn beobachtete die Aktion interessiert. Alan überreichte ihm sein Cape und die Handschuhe und plazierte sich anschließend auf der Liege. Vielleicht hätte er sich doch lieber vorher in die passende Sportbekleidung werfen sollen. Cay grinste ihn an wie ein Honigkuchenpferd. Alan grinste zurück und stemmte die Hantel mit Leichtigkeit in die Höhe.

Der Betreuer staunte. Bis jetzt hatte er hier erst ein halbes Dutzend Gäste gehabt, die in der Lage waren, eine dreistellige Kilozahl zu stemmen. Er sah Alan fragend an und deutete auf einige Zusatzgewichte.

"Warum nicht?" überlegte dieser. 10kg kamen dazu. "Könnten wir nicht noch ein bißchen mehr draufpacken?"

"Wieviel denn?" fragte der Fitneßbetreuer entgeistert.

"Noch 90kg", sagte Alan leichthin, und dem Mann fielen fast die Augen aus dem Kopf.

"Zweihundert? - Zu welcher Gewichtsklasse gehören Sie?"

"Mittelgewicht."

"Das ist planetarischer Rekord von Naravina!" Offenbar war der Fitneßberater bestens informiert.

"Versuchen kann ich es doch", meinte Alan treuherzig.

"Sie haben natürlich recht." Die Hantel wurde auf 200kg gebracht, und Alan sah Cayvyn fragend an.

Es ist kein offizieller Wettkampf, also würde das nicht als Rekord anerkannt, stellte Cay über Funk fest.

Na dann... Alan hob auch dieses Gewicht, ließ es allerdings so aussehen, als ob ihm das doch erheblich schwerer fallen würde. Dem Betreuer rutschte fast der Unterkiefer aus dem Gelenk. Alan erhob sich von der Liege und nahm Handschuhe und Umhang von Cayvyn entgegen.

"Mein Gott, warum waren Sie noch bei keinem Wettkampf dabei, Monsieur?" fragte der Fitneßberater perplex.

"Keine Zeit", behauptete Alan. "Außerdem würde ich mir sowieso nur die Hände ruinieren, und das kann ich mir nicht leisten."

"Warum das nicht?"

"Ich bin schließlich Pianist!"

Der nunmehrige Blick des Betreuers war derart malerisch, daß Cayvyn kichern mußte. Alan sah Cay amüsiert an.

"Was hältst du davon, mit mir zu ringen?" erkundigte er sich bei ihm. Dann hätte er wenigstens einen ebenbürtigen Gegner.

"Hm. Warum nicht? War da nicht noch ein Duell zwischen uns offen?" fragte Cayvyn zurück. Alan blickte ihn betont unschuldig an. "Gut", stimmte Cay zu. "Aber wir sollten uns umziehen, da ich nicht gedenke, meine Gewandung zu zerknittern."

"Ist auch ein wenig unpraktisch."

Die beiden verschwanden rasch in den Umkleidekabinen und kehrten in ziemlich frivolen Trikots zurück. Cayvyn war froh, daß Alycia jetzt nicht hier war, denn auf ihre Kommentare konnte er verzichten.

Alan betrachtete seinen Bruder amüsiert. Irgendwie sahen an diesem derartige Kleidungsstücke immer besonders neckisch aus. Cay seufzte innerlich. Egal was, man mußte es mit Würde tragen! Er verneigte sich leicht in seinem strahlend goldenen Trikot. Alans Grinsen wurde immer breiter.

"Was ist denn so komisch?" erkundigte sich Cayvyn irritiert.

"Du siehst entzückend aus!"

"Wie bitte?" Cay versteifte sich und blickte Alan indigniert an.

"Du hast ganz richtig gehört."

"Wie kommt Ihr zu dieser ...Ansicht?"

"Ich bin sicher, die Ladies dort sind auch dieser Meinung." Alan deutete auf einige interessierte Zuschauerinnen, die Cayvyn mit diversen Blicken bedachten.

"Ich sollte mich wohl doch lieber wieder standesgemäß kleiden", stellte Cay unbehaglich fest.

"Jetzt ist es eh zu spät."

Cayvyn blickte vorsichtig in die Runde. Oh-oh! Alan grinste nur.

"Nun gut. Bringen wir es hinter uns", seufzte Cay.

"Mir scheint, sämtliche anwesenden Ladies haben dich zum Helden ihrer Träume erkoren."

"Was wird Lisha dazu sagen?" meinte Cayvyn mit gemischten Gefühlen. Das gäbe sicherlich wieder ein Donnerwetter.

"Das ist doch nun wirklich nicht deine Schuld! Sie wird mich höchstens wieder für schuldig befinden, weil ich das vorgeschlagen habe."

"Wahrscheinlich." Cay guckte entschuldigend. "Tut mir leid."

"Warum? Das braucht es nicht. Abgesehen davon werde ich es überleben."

"Trotzdem. Es ist nicht leicht für mich, daß sich zwei Personen, die mir beide sehr nahe stehen, ständig streiten."

Alan zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Fangen wir an!"

Cay verbeugte sich ein zweites Mal. "Freistil?"

"Okay."

Die beiden Androiden-Männer begannen mit dem Versuch, den jeweils anderen kunstvoll auf die Matte zu befördern. Die umstehenden Ladies guckten, als wollten sie sich gerne daran beteiligen. Inzwischen hatte sich schon ein ziemlich umfangreiches Publikum um die Matte herum versammelt.

Cayvyn überlegte angestrengt, wie er Alan austricksen konnte, aber leider kannte dieser exakt dieselben Tricks wie er. Alan gelang es ebenfalls nicht, irgendeine Schwäche bei seinem 'kleinen' Bruder zu finden. Das konnte wahrlich noch ein längerer Kampf werden.

Cay rechnete gerade aus, wieviel er gegessen hatte. Hm. Und Alan? Naja, vielleicht reichte es aus. Alan hatte sich vorgenommen, sich diesmal nicht ablenken zu lassen, und so knufften, zerrten und schubsten sie sich bestimmt 80 Minuten herum, ohne daß es einem gelungen wäre, auch nur einen Wurf anzusetzen.

"Mir reicht's", meinte Alan schließlich. "Das ist ja langweilig!"

"Stimmt. Diesmal hast du zu gut aufgepaßt. - Aber was werden unsere 'Fans' sagen? fügte er amüsiert über Funk hinzu.

Sie werden frustriert sein. Aber ich sehe keine Chance, daß einer von uns gewinnt. Wir sind einfach zu gleich.

Stimmt. Aber wie wollen wir es ihnen klarmachen? Und wenn jemand anders nun gegen einen von uns antreten will?

Das wird demjenigen leid tun.

Nun gut. Beenden wir das Spielchen. Cayvyn blieb stehen und neigte den Kopf. "Werter Verwandter, wir sollten unseren Händel an dieser Stelle beenden", sagte er höflich.

Ein enttäuschtes "Ooooooh!" erklang von den umstehenden Damen.

"Dem stimme ich zu", meinte Alan.

Plötzlich trat ein Halbstarker von Tarishaan vor. Der Junge war vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt und sah erwartungsvoll von Alan zu Cayvyn. Alan blickte ihn fragend an.

"Äh, Monsieur. Ich würde gerne..."

"Nun?"

"Naja, könnte ich einen Kampf mit einem von Ihnen austragen? Ich bin im Ringerverein von Tarishaan; Teroon."

"Mit mir?" erkundigte sich Alan.

"Naja. Oder mit ihm." Er deutete auf Cay, der abwartend dabeistand.

"Ihr seid doch höchstens in der A-Jugend."

"Aber ich komme bald in die Regional-Liga!" erklärte der Junge stolz.

"Habt Ihr Euch das auch gut überlegt?" Alan schaute ihn amüsiert an, während der Junge zu ihm aufsah. Alan war ihm um einen Kopf an Länge, wenn auch in keinster Weise an Breite überlegen.

"Ja!"

"Nun, wenn Ihr darauf besteht."

"Darf ich wirklich? Super!"

"Welchen Stil bevorzugt Ihr?"

"Auch Freistil."

"Dann fangt an."

Der Junge stürmte voran, nur um sich postwendend auf der Matte wiederzufinden.

"Nun?" fragte Alan.

"Ich fordere Revanche", meinte der Jungringer atemlos. So etwas war ihm noch nicht passiert, seit er in die A-Jugend gekommen war.

"Gut."

Wieder dauerte es gerade 15 Sekunden bis zur niederschmetternden Niederlage.

"Noch ein Versuch?" wollte Alan wissen.

"Äh. Ich glaube... Ich fürchte... Nun gut!" Er rappelte sich wieder auf. "Ihr seid mir wohl überlegen", gab er dann zu und warf Cayvyn einen verstohlenen Blick zu. Der mußte demnach auch verdammt gut sein. "Sir Cayvyn hat mich schon einmal geschlagen", meinte Alan zu dem Jungen,

als er dessen Blick bemerkte.

"Ooooh!" Wahre Heldenverehrung trat in dessen Augen. Genau das hatte Alan damit bezweckt.

Cay lächelte gezwungen, vor allem, da mittlerweile 75 Prozent der anwesenden Damen ihn anhimmelten und der Rest Alan - bis auf ein tarishaanisches Mädchen, das offenbar die Freundin des Herausforderers war und dessen Mut bewunderte. Alan grinste amüsiert.

"Was stellen wir jetzt an?" fragte er Cayvyn. Seine Laune hatte sich schon deutlich gebessert.

"Wie wäre es, wenn wir uns einmal im Dirigan versuchten?" schlug Cayvyn vor.

"Muß ich dich dabei auch gewinnen lassen?"

"Du mich?" fragte Cay entrüstet. "Soll ich dir wie üblich einen Bonus geben?"

"Nicht nötig."

"Gut." Die beiden begaben sich zum Spielfeld, wobei ihnen ihre Zuschauerschaft dichtauf folgte und sich hinter der Klarsichtscheibe aufbaute, die Tribüne und Spielfeld trennte.

Alan reichte seinem Bruder einen der löffelförmigen Schläger.

"Du fängst an", bestimmte er.

"Okay." Cay schmetterte den Ball mit Effet auf die andere Seite. Alan schlug das Teil ebenso kraftvoll zurück. Die Magnetkugel prallte völlig irregulär von der Wand ab und krachte mitten auf die Mauer. Cayvyn erwischte den Ball mit einem Hechtsprung knapp über dem Boden.

Da er so fasziniert von Cays Hechtsprung war, mußte Alan sich beeilen, den Return noch zu bekommen. Mit einer rasanten Rolle war Cayvyn auch schon wieder auf den Beinen, als Alans Gegenschlag eintrudelte. Die Zuschauer applaudierten stehend (vor allem die Ladies, welche etwa 91 Prozent der Anwesenden ausmachten). Alan war wirklich amüsiert. Cays Fangemeinde wuchs beständig. Jener lächelte zaghaft, was Alan zu einem unverschämten Grinsen verleitete.

Sag mal, sieht es so schlimm aus? fragte Cayvyn über Funk.

Noch schlimmer.

Oh-oh. Cay blickte sich suchend um. Nein, Lisha war zum Glück nicht dabei.

"Wie ich gerade bemerke, wirst du soeben abgelichtet", stellte Alan fest.

"Ähm. Du aber auch..."

"Mir ist es egal."

"Mir auch. Nur ihr bestimmt nicht."

"Sehr wahrscheinlich."

"Hast du ein Glück, daß du solo bist!"

"Naja."

"Stimmt auch wieder. - Jetzt ist dein guter Ruf hin, bevor du überhaupt einen kriegen konntest."

"Das hätte ich eh nie geschafft."

"Aber du hättest es versuchen können.

"Wäre mir sowieso mißlungen."

"Naja. Aber ich fürchte, hier geht auch mein guter Ruf."

Alan lachte amüsiert. "Stimmt."

"Was wird nur mein Vater von mir denken?"

"Es wird schon nicht so schlimm sein."

"Duc Yngwayn ist doch so auf seine Würde bedacht. Er fühlt sich doch schon wegen meiner lieben kleinen Schwester mehr als nur gestraft."

"Hm", machte Alan. Diese Lady Dayenna war wahrlich eine Katastrophe.

"Du hast sie wohl auch schon kennengelernt?" Wieder hatte Cayvyn Mühe, die irreguläre Flugbahn des Magnetballes durch einen raschen Rückschlag zu Alan umzulenken. Dieser konnte das Teil auch nur mit einem kräftigen Volley abfangen, so daß es hinter Cay an die Wand knallte und direkt wieder über die Mauer zurückflog. Er war also direkt wieder am Zug.

"Allerdings!"

"Und?" fragte Cayvyn neugierig.

"Was 'und?'?"

"Hat sie es diesmal geschafft?"

"Was hältst du von mir?"

"Naja, Dayenna versucht seit bestimmt zwei oder drei Jahren, sich irgendein männliches Wesen zu angeln. Aber die meisten haben eine gewisse Panik vor ihr, da sie ausgesprochen ...schlagfertig ist."

"Ich würde eher sagen, es liegt an ihrer Methode."

"Naja, sie ist etwas direkt."

"Kaum."

"Aber, um ehrlich zu sein - bei mir würde sie auf diese Art auch nicht landen können. - Höchstens auf der Nase."

"Bei dir hat doch eh keine eine Chance!"

"Hm."

Alan mußte gerade wieder einem Ball hinterherrennen, so daß er nichts erwiderte. Cay war im Prinzip ganz froh darüber, denn schließlich hatte er sich vorgenommen, wenn es nicht anders ging, nicht direkt die Unwahrheit zu sagen - und außerdem war ihm die Sache irgendwie peinlich.

Anscheinend wollte Cay das Thema fallen lassen, also konzentrierte sich Alan mehr auf das Spiel. Man brauchte schließlich drei Punkte Vorsprung, um beim Dirigan einen Satz zu gewinnen.

Dummerweise waren jedoch auch hier die Voraussetzungen identisch, und statistisch betrachtet machten beide etwa gleich viele Fehler, die aus der Unmöglichkeit der Berechnung der genauen Flugbahn des Balles resultierten, wenn jener gerade von einem eben umgeschalteten Magnetfeld abprallte.

Cayvyn war froh, daß Alan nicht nachfragte. Zum Glück hatte er seine Reaktionen perfekt unter Kontrolle, so daß er sich nichts anmerken ließ.

Alan war inzwischen mit seinen Gedanken auch wieder ganz woanders. Er überlegte, was er eigentlich machen sollte, wenn er wieder auf Tarishaan war. Eigentlich gefiel ihm keine der Möglichkeiten, die ihm einfielen. Hm. Vielleicht sollte er er einmal etwas ganz neues probieren.

Cay seufzte. Wenn das so weiterging, würden sie heute nacht noch Dirigan spielen, also beschloß er einfach, Alan zwei Punkte gewinnen zu lassen. Das fiel diesem natürlich auf.

"Was soll das?"

"Ich habe eigentlich heute Abend noch etwas anderes vor, als ausschließlich Dirigan zu spielen", meinte Cay und setzte einen Blick auf, als könne er kein Wässerchen trüben.

Alan schlug einen weiteren Volley.

"Wir können das Spiel abbrechen, wenn du möchtest", meinte er.

"Sagen wir mal so - siehst du eine Chance, daß wir in redlicher Zeit einen echten Gewinner ermitteln?"

"Natürlich nicht - aber das wußte ich schon vorher. Ich spiele eh nicht, um zu gewinnen."

"Nur, langsam wird es auffällig", bemerkte Cayvyn. "Immerhin sind wir schon drei Stunden ohne Pause mit dem gleichen Tempo dabei."

"Naja, vielleicht ist es wirklich genug."

"Außerdem möchte ich doch langsam wieder etwas anderes anziehen." Cay sah an sich herunter. Er trug immer noch das neckische goldene Ringertrikot. Alan grinste ihn an.

"Das werden die Damen aber bedauern!"

"Wir könnten ja schwimmen gehen", schlug Cayvyn belustigt vor. Sein Bruder verzog das Gesicht.

"Willst du hier Massen-Ohnmachtsanfälle produzieren?"

"Ich kann doch nichts für mein Exterieur!"

"Das nicht - aber du provozierst diese Ereignisse."

"Willst du mir Exhibitionismus unterstellen?" Cay zog eine Augenbraue in die Höhe.

"Nein."

"Gut."

"Also - was nun?"

"Deine Entscheidung!"

"Das habe ich erwartet. Ich glaube, zuerst werde ich mal unter der Dusche verschwinden."

Stimmt. Alles andere wäre wohl zu auffällig, bestätigte Cayvyn. Sie düsten also dorthin, auch wenn es bei ihnen im Prinzip völlig unnötig war. Androiden kamen schließlich nicht ins Schwitzen.

Während Alan sich unter der Dusche befanden, summte er vergnügt vor sich hin. Ihm war gerade eine neue Melodie eingefallen.

'Komisch', dachte er, seitdem er Tarishaan verlassen hatte, war ihm sonst keine Idee gekommen.

"Neue Komposition?" wollte Cay wissen.

"Was?" Alan sah um die Ecke.

"Das, was du da vor dir hersummst."

"Es wird wohl eine werden."

"Aha. Hast du vor, dich richtig als Komponist und Musiker zu etablieren?"

"Vielleicht."

"Das wird Alycia umhauen."

"Warum?"

"Sie ist doch ein großer Fan von dir!"

"Naja."

"Glaubst du, mir paßt das?"

"Wieso das?"

"Hm. Muß ich dich daran erinnern, was geschah, als du im letzten Jahr als Firestar auf Nardias Geburtstag erschienst?"

"Nein. Ich würde das auch nicht wiederholen."

"Gut", meinte Cayvyn befriedigt.

"Warum bist du eigentlich so mißtrauisch?"

"Das hat nichts mit Mißtrauen zu tun - es gefällt mir lediglich nicht, wenn Alycia mit anderen Männern herummacht."

Alan sah Cayvyn nachdenklich an. "Aha."

"Was soll das heißen?"

"Nichts besonderes. Ich habe deine Aussage zur Kenntnis genommen."

"Was würdest du denn sagen, wenn ich mich intensiver um Nardia kümmerte?"

"Nichts."

"Hm. Aber das heißt doch, daß sie dir nichts bedeutet!"

"Nein. Es heißt nur, daß ich weder ihr noch dir etwas vorschreiben kann."

"Hm. Aber was würde es dir ausmachen?"

Alan zuckte mit den Schultern.

"Hm", machte Cay stirnrunzelnd.

Alan grübelte darüber nach, aber irgendwie waren da keine präzisen Daten vorhanden. Er zog sich wieder in die Duschkabine zurück.

"Wäre es dir wirklich egal?"

"Ich glaube nicht", kam es von nebenan.

"Das klingt aber nicht sehr überzeugt."

"Woher soll ich das auch wissen?"

"Du mußt doch extrapolieren können, wie deine Reaktionen auf den Fall hin ausfallen, daß Nardia sich einem anderen männlichen Wesen zuwendet!"

"Hm, schon. Aber was bedeutet das?"

"Was bedeutet was?"

"Ich kann zwar bestimmen, was ich tun würde, aber wenn es Wirklichkeit wäre, würde ich etwas anderes tun."

"Was würdest du denn deines Erachtens nach tun?"

"Das kann ich im Voraus nie sagen."

"Aber du sagtest gerade, du könntest bestimmen, was du tun würdest."

"Sagen wir besser, was ich tun sollte."

"Und was wäre das?"

"In dem Fall, den du vorhin erwähntest - ich glaube, ich würde mich zwar aufregen, aber nichts unternehmen."

"Und warum nicht?"

"Aus welchem Grund sollte ich denn etwas tun?"

"Nun, wenn es dir nicht egal ist, dann gehe ich davon aus, daß dir die Situation wohl mißfällt. In diesem Fall wäre es doch nur logisch, wenn du dich bemühtest, diesen dir unliebsamen Zustand zu ändern, und das wäre nur möglich, in dem du etwas unternimmst."

"Aber habe ich das Recht dazu?"

"Sicherlich. Du bist doch darauf programmiert, daß es eine deiner Direktiven ist, dich selbst zu erhalten. Wenn du dich aber niemals selbst verwirklichst, wirst du feststellen daß du deine Existenz als sinnlos empfindest - wie du es ja schon getan hast. Nebenbei, ich stelle gerade fest, daß in deiner Programmierung noch weitere Fehler sein müssen." Cayvyn überlegte.

"Kann sein", meinte Alan schulterzuckend.

"Sag mal, war das etwa nur Show?"

"Was?"

"Daß du für immer abhauen wolltest, etc."

"Wie meinst du das?"

"Ganz einfach: deine Grundprogrammierung dürfte ein solches Verhalten eigentlich nicht zulassen."

"Hm."

"Alan!"

"Ja?"

"War es nur Show?"

"Was?"

Cayvyn stürmte um die Ecke und sah seinen Bruder empört an.

"Du weißt genau, was ich meine!"

"Nö."

"Hm", machte Cay zweifelnd. "Dann bist du also defekt?"

"Warum?"

Im nächsten Augenblick klatschte Alan ein Waschlappen ins Gesicht.

"Was soll das?"

"Du weichst mir permanent aus!"

Alan sah ihn betont verständnislos an, und Cay ergriff dessen Waschlappen.

"Noch mal?"

"Wenn es dir Spaß macht."

"Und wie!" - Klatsch!

Alan nahm die neuerliche Attacke mit Gelassenheit hin. Er hatte keine Lust, sich zu wehren.

"Sag mal, bist du funktionsunfähig?"

"Durchaus nicht."

"Seufz." Alan enthielt sich lieber eines Kommentars, sonst würde Cayvyn noch wirklich handgreiflich.

"Also war es Show!" Cay stand wie ein Racheengel vor ihm. Alan sah über Cayvyns Schulter hinweg. Er würde sich doch nicht zu einem Geständnis zwingen lassen.

"Dein Schweigen ist beredter denn alle Worte! - Und deswegen hätte ich beinahe Alycia verloren." Cay warf Alan den Waschlappen vor die Füße. Alan blickte irritiert auf das Teil herunter.

"Wo? Wann? Und womit?" wollte Sir Cayvyn wissen. Diese Niedertracht forderte unmittelbare Genugtuung.

"Was?" erkundigte sich Alan.

"Ich fodere Genugtuung ob Eures grausamen Spieles!"

Alan sah seinen Bruder mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"So? Ich denke aber nicht daran, da ich mir keiner Schuld bewußt bin."

"Um so schlimmer!"

"Ach? Trotzdem werde ich kein Duell mit dir austragen."

"Hast du Angst?"

"Vor dir? Bestimmt nicht."

"Hm." Cayvyn setzte seinen tragischen Blick Nummer 4 auf. "Aber deine schmähliche Handlungsweise verletzte meine Gefühle und die meiner herzallerliebsten Gefährtin zutiefst."

"Ach? Warum sollte es das?"

"Weil du Ansammlung von gekippten Bits es beinahe geschafft hättest, uns auseinanderzubringen", fauchte Cay. Alan überhörte die Beleidigung.

"Wieso sollte ich das getan haben?"

"Weil du eine Show abgezogen hast und mich damit dazu gebracht hast, Lisha derart unter Druck zu setzen, daß sie sich bei dir entschuldigt!"

"Das ist eine Unterstellung!"

"Du hast doch gesagt, daß du nicht defekt bist! Also war es nur eine Show, die du abgezogen hast."

"Das ist nicht wahr!"

"Und wie erklärst du dann, daß es für dich gemäß deiner Basisprogrammierung eigentlich unmöglich wäre, so zu handeln, wie du es getan hast?"

"Naja, aber auf keinen Fall habe ich euch nur etwas vorgespielt."

"Was dann?"

"Ich habe ein bißchen übertrieben."

"Aha! Und dafür hast du mein Glück aufs Spiel gesetzt!" Cayvyn war zutiefst getroffen. "Und sowas ist mein Bruder!"

"Ich hatte nicht damit gerechnet, daß du dich auf meine Seite stellen würdest."

"Oh!" Cay guckte Alan mit großen Augen an. "Was hattest du denn erwartet? Daß ich dich einfach abhauen lasse?"

"Ehrlich gesagt, ja."

"Wäre dir das denn lieber gewesen?"

"Es hätte einen Schlußstrich gezogen."

"Worunter?"

"Meinen Kontakt mit euch."

"Weshalb?"

"Ich habe durchaus gemeint, was ich gesagt habe. Ich wollte euch nicht mehr sehen, und deshalb habe ich Acy ja auch so herausgefordert."

"Aber warum wolltest du uns nicht mehr sehen?" Cayvyn guckte seinen Bruder gekränkt an.

"Weil wir uns eh nicht vertragen."

"Du bist schon wieder dabei, einfach davonzurennen. Hast du es jemals versucht? Als Alayn, meine ich."

"Ich finde schon, daß ich es versucht habe."

"Daß du mit Alycia nicht auskommst, sollte dich nicht weiter stören. Ihr seid euch einfach zu ähnlich."

"Das stimmt überhaupt nicht!" protestierte Alan. Was für eine Unterstellung.

"Was?" erkundigte sich Cay scheinheilig.

"Das weißt du ganz genau! - Wir sind uns nicht ein bißchen ähnlich!"

"Ach! Dann nenne mir mal ein paar Gegensätze - abgesehen natürlich von den rein konstitutionellen."

"Nenne mir doch ein paar Gemeinsamkeiten!"

"Willst du es wirklich wissen? Also, ihr geht beide generell mit dem Kopf durch die Wand, habt immer recht, gebt nie nach, seid impulsiv, denkt nur in den seltensten Fällen vor dem Handeln nach."

Alan sah Cayvyn irritiert an. Er hatte nicht das Gefühl, über diese Eigenschaften zu verfügen.

"Was guckst du so? Soll ich dir noch einige Dinge aufzählen?"

"Ich kann dich doch nicht vom Gegenteil überzeugen."

"Willst du etwa behaupten, meine Charakterisierung trifft auf dich nicht zu?"

"Was hätte das für einen Sinn?"

Cayvyn grinste breit.

"Wie ...würdest du dich denn charakterisieren?"

"Ich bin auf keinen Fall das, was du von mir behauptest!"

"Was dann?"

"Du würdest mich eh auslachen, also lassen wir das."

"Komm schon, Alan, wie siehst du dich?"

"Ich sehe mich überhaupt nicht."

"Zugegeben, es ist kein Spiegel hier, aber mich würde dennoch interessieren, was du meinst, über welche Charakterzüge du verfügst."

"Welchen Nutzen hätte das?"

"Wenn du dich selbst erkennst und verstehst, kann dir das sehr viel weiterhelfen, dein Leben hier zu meistern."

"Ich verstehe mich durchaus!"

"Nun, dann sage mir, wie du dich siehst."

"Was hast du davon?"

"Es würde mir helfen, dir zu helfen, Alan. Ich habe nämlich den eklatanten Verdacht, es gibt eine gewisse Kluft zwischen dem, was du meinst zu sein und dem, was andere Leute in dir sehen. Ich weise auf unser Gespräch vom 3763/05/11 GZ hin."

"Ich brauche keine Hilfe!"

"Nein? Ich würde das etwas anders sehen. Schließlich bist du es, der Probleme mit allem und jedem hat und nicht einmal in der Lage ist, eine vernünftige Selbstanalyse durchzuführen."

"So? Und was gehst dich das an?" fauchte Alan, der sich, wie üblich, wenn er nicht mehr weiter wußte, in Aggressivität flüchtete. Er war durchaus in der Lage festzustellen, was nicht stimmte, aber er war einfach nicht bereit, das zuzugeben, da man es ihm eventuell als Schwäche auslegen könnte.

"Du bist mein Bruder", meinte Cayvyn sanft.

"Na und? Was heißt das schon?"

"Ich weiß nicht, ob Tyron vergessen hat, dir das einzuprogrammieren, aber von Lisha weiß ich, daß Verwandte einander helfen sollten, wenn sie in Schwierigkeiten sind - ebenso wie es Freunde tun sollten. Du hast noch nie einen Freund gehabt, oder?"

"Nein. Wozu auch?"

"Zum Beispiel, um dafür zu sorgen, daß du gar nicht erst in eine Situation kommst wie die, in der du dich jetzt gerade befindest."

"Was sollte ein Freund daran ändern können?"

"Einiges. Er kann dich vielleicht davon überzeugen, daß du dich in einigen Sachen geirrt hast, er kann dir eventuell sogar Lösunge anbieten."

"Warum sollte er so etwas tun?"

"Weil du ihm vielleicht etwas bedeutest."

"Wieso sollte ich für irgendwen eine Bedeutung haben?"

"Aus welchem Grund nicht?"

"Was hat er davon? Welchen Nutzen bringt es ihm, wenn er sich mit jemandem beschäftigt?"

"Nun, Freundschaft ist in der Regel eine bilaterale Beziehung. Wenn der eine dem anderen in einer schwierigen Lage hilft, so wird der andere dem einen ebenfalls einmal helfen." Cayvyn seufzte innerlich. Alan hatte offenbar einen gewaltigen Minderwertigkeitskomplex, und er war doch nicht auf Psychologie programmiert.

"Ich begreife den Sinn nicht."

"Es ist eine Art Handel."

"Aber er bringt keinen Gewinn."

"Doch. Er zeigt einem unter anderem, daß man nicht wertlos ist."

"Hm", machte Alan nur. Er verstand das einfach nicht.

"Warum fühlst du dich zu Stardust hingezogen?"

"Weil Tyron mich so programmiert hat, nehme ich an."

"Sicher?"

"Sag mir einen Grund, warum es nicht so sein sollte."

"Du hast hast eine neue Programmierung, und das alte Firestar-Programm ist nicht mehr aktiv. Du kannst selbst über dich bestimmen."

"Sicher. Aber wer sagt, daß das mitgelöscht wurde?"

"Hm. Ein anderer Vorschlag - glaubst du, daß Tyron wollte, daß so ein ...Tunichtgut", Cay grinste, "wie du sich um seine Tochter bemüht?"

"Sicher."

"Sicher?"

"Schließlich hat er es selbst gesagt."

"Wann?" fragte Cayvyn neugierig.

"Als ich noch in der Starcave war."

"Was hat er genau gesagt?"

"Seufz. Er hat gesagt, daß ich mich um seine Tochter kümmern sollte."

"Aber dabei war wohl kaum die Rede davon, daß du sie unbedingt als Gefährtin betrachten solltest." Außerdem hatte Tyron wohl vergessen zu erwähnen, um welche seiner Töchter sich Alan kümmern sollte, dachte Cayvyn leicht ironisch.

"Falls sie dem nicht abgeneigt wäre, war er durchaus dafür."

"Hm. Stell dir vor, er hätte es dir einprogrammiert, und sie wäre abgeneigt gewesen."

"Na und? Es hätte mir wohl kaum etwas ausgemacht."

"Warum nicht?"

"Es hätte überhaupt nichts mit meinen Empfindungen zu tun."

"Das verstehe ich nicht."

"Ich weiß es auch nicht genau. Das ist schwierig."

"Du widersprichst dir permanent", stellte Cay irritiert fest. "Du solltest deine Logikschaltkreise einmal durchchecken."

"Meine Logik war schon immer komisch", erwiderte Alan.

"Logik kann nicht komisch sein. Entweder sie funktioniert oder nicht."

"Meine ist es aber."

"Inwiefern?"

"Mal ist sie richtig und mal falsch."

"Das heißt, du bist doch defekt."

"Keine Ahnung. Ich kann jedenfalls nichts finden."

"Soll ich dich einmal auf Speicher und Schaltkreise überprüfen?"

"Ich bin sicher, du würdest auch nichts finden."

"Ich habe die entsprechende Ausrüstung auf der Villa."

"Weiß ich. Trotzdem möchte ich es nicht."

"Fürchtest du, daß ich etwas finde?"

"Vielleicht."

"Heißt das, es ist dir lieber, mit 'komischen' Logikschaltkreisen herumzulaufen als mit korrekt funktionsfähigen?"

"Ja."

"Das ist schon wieder unlogisch. Stell dir vor, du versagst einmal komplett."

"Wie meinst du das?"

"Wenn ein Teil von dir nicht in Ordnung ist, könnten auch andere Funktionen defekt sein. Stell dir vor, du erleidest alleine irgendwo einen Schaltkreiskollaps."

"Was macht das schon?"

"Seufz! Alan, ich hatte gehofft, du hättest mittlerweile verstanden, daß es Leute gibt, denen dein Wohlbefinden durchaus nicht egal ist."

"Habe ich eben nicht!"

"Nein?"

"Nein."

"Hm. Ich glaube, deine Korrelationsschaltkreise bedürfen dringendst der Überholung."

"Am besten schmeiße ich mich gleich ganz weg."

"Kommt gar nicht in die Tüte!"

"In welche Tüte?"

"Das bringt mich auf eine Idee, wie ich dich ins Engineering Labor der Villa Alycia bekomme", bemerkte Cayvyn grinsend. Alan sah diesen sehr irritiert an. "Was hältst du davon, wenn ich dich einfach in die bewußte Tüte stecke und in das Labor verschleppe?"

"Wage das ja nicht!"

"Also ist es dir doch nicht egal, was mit dir passiert."

"Das kommt darauf an."

"Erkläre dich!"

"Ich kann nicht zulassen, daß jemand an meine Speicher kommt."

"Alan, Alan", seufzte Cayvyn. "Abgesehen davon, daß ich dich eh schon mal unter dem Multiscanner hatte, kenne ich einen Großteil deiner Speicherdaten aus erster Hand selbst."

"Das hat auch nichts mit dir zu tun."

"Womit dann?"

"Es ist wie eine ...Warnung. Ich kann daran nicht vorbei."

"Und was ist mit den MAROs?"

(Mobile Arbeitsroboter, Wartungstechniker von CASS I, und auch sonst Servicerobots in der Starcave.)

"Das ist etwas anderes. Aber auch da hätte ich meine Bedenken."

"Bedenken im Sinne davon, daß Tyron dir eine Sperre eingebaut hat?"

"Ja."

"Welche Auswirkungen hat diese Sperre? Werden deine Speicher automatisch gelöscht, wenn ein unbefugter Zugriff droht?"

"So ähnlich?"

"Inwiefern 'so ähnlich'?"

"Ich würde mich selbst zerstören", meinte Alan leise.

"Warum wurde das nicht ausgelöst, nachdem du deinen Shutdown hattest?"

"Frag mich was einfacheres. Vielleicht war das eine Ausnahmesituation?"

"Das ist unlogisch. Schließlich warst du in diesem Zustand weitaus verwundbarer."

"Habe ich behauptet, es wäre logisch? Außerdem waren eh alle Daten zu jenem Zeitpunkt unbrauchbar."

"Inkorrekt. Ich hätte einen kompletten Speicherabzug machen können."

"Stimmt. Aber dieser Zusammenbruch war ja auch nicht eingeplant."

"Hat Tyron dir eine Fusionsladung eingebaut?"

Alan dachte darüber nach.

"Keine Ahnung", sagte er dann.

"Sollen Lisha und ich versuchen, deinen Selbstzerstörungsmechanismus zu desaktivieren?"

"Das ist zu gefährlich!" wehrte Alan ab.

"Wenn es jemand schafft, dann Alycia. Ich würde sagen, seit Tyrons Tod dürfte sie überhaupt die einzige Kapazität auf dem Gebiet des Androidenbaus sein."

"Sicher. Aber auch für sie wäre es zu gefährlich. Ich bin sicher, Tyron hat damit gerechnet, daß jemand sowas versuchen könnte."

"Aber er hat mit neugierigen 'normalen' Wissenschaftlern gerechnet, die nicht seine Unterlagen kennen."

Alan wirkte sehr nachdenklich. "Was hältst du davon, endlich von hier zu verschwinden? Ich bin sicher,

den Rekord im Dauerduschen haben wir schon gebrochen."

"Negativ. Der steht zur Zeit bei 96 Stunden, 67 Minuten und 32 Sekunden."

"Naja, aber ich habe trotzdem genug davon."

"Stimmt." Cayvyn sah sich nach seinem Handtuch um. Es hing an der Außenwand seines Duschabteils. Kurz darauf kam er in ein monumentales kupferfarbenes Badetuch gewickelt zurück. Alan hatte sich ebenfalls in sein Handtuch gerollt. Für die nächste Zeit hatte er eindeutig genug vom Duschen.

Cayvyn nahm ein weiteres Frottiertuch und rubbelte seine Haare trocken. Er sah immer aus wie ein begossener Pudel, wenn ihm die nassen Strähnen ins Gesicht hingen. Kurz darauf stand er geschniegelt und gestriegelt am Eingang des Fitneßcenters und wartete auf Alan, der kurz darauf auftauchte.

"Nun - wie ist es? Sollen wir uns um die Sache kümmern?"

"Um was?"

Deinen Autodestruct, erwiderte Cay über Funk. Hier waren zu viele Leute, die etwas aufschnappen könnten; in der Dusche waren sie glücklicherweise gänzlich allein gewesen.

Ich denke, ihr wolltet diese Mordserie aufklären?

Das auch. Aber mir ist es etwas unbehaglich, wenn ich weiß, daß hier eine potentielle Bombe herumläuft.

Solange niemand versucht, mich auseinanderzunehmen, wird nichts passieren.

So wie du dich in letzter Zeit benimmst, erregst du Aufmerksamkeit bei den unterschiedlichsten Personen. Es kann leicht auch jemand dabei sein, der dir auf den Zahn fühlen will.

So leicht bin ich nun auch nicht zu erwischen.

Aber es besteht immer die Möglichkeit. Wie stark ist die destruktive Kraft seines Autodestruct-Mechanismus?

Weiß ich nicht.

Umso schlimmer! Dann sollten wir das am besten sofort erledigen. Die Mörder laufen uns nicht weg.

Ich bin aber nicht einverstanden.

Seufz. Und warum nicht? Gefällt es dir, eine lebende Bombe zu spielen?

Nein, tut es nicht. Aber ich kann dem nicht zustimmen!

Warum nicht?

Aus dem gleichen Grund, warum ich niemanden an mich heranlassen kann.

Sagen wir mal so - wenn es mir gelänge, dich auszutricksen, wärst du mir dann böse, wenn ich dir das Teil ausbaute?

Nein.

Gut. Dann können wir uns ja an die Mordsache machen.

Wie du meinst.

"Mein Chronometer sagt mir, es ist jetzt 02:91 Uhr am 3763/04/21GZ", verkündete Cay nun wieder akustisch. Sie befanden sich mittlerweile in einem so gut wie gar nicht frequentierten Gang. "Wir sollten uns langsam dem vierten im Bunde der Kapuzen annehmen."

"Gut", meinte Alan nur.

"Gehen wir! Ich habe noch diesen Umhang von Sir Gewayn. Es ist wohl am besten, wenn sich einer von uns zu den drei anderen Typen schleicht."

"Ich glaube, es ist besser, du gehst."

"Gut. Dann wirst du sie der Reihe nach überfallen und verhören. Sie sollen in Panik ein Meeting einberufen."

"Ich werde mir Mühe geben."

"Sehr gut. Sie sollen nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht."

"Na, dann fangen wir an!"

"Moment, gib mir kurz mal den Fragenkatalog an, nach dem du die Typen verhörst, damit ich mich nicht verrate."

Alan listete diesen kurz auf.

"Okay. Und jetzt spute dich!"

"Ich beeile mich ja schon", brummelte Alan und machte sich auf den Weg.

* * *

Während Alan seine Tour machte, schlich Cayvyn zunächst einmal in sein und Alycias Quartier zurück. Dort legte er eine Intercom-Bypass-Leitung, so daß jeder, der Sir Gewayn anrief, automatisch hier landete. Zum Glück sahen diese Gästekabinen alle gleich aus.

Anschließend ging er zum Schlafzimmer. Seine Gefährtin lag in den Federn und schien zu schlafen. Er trat zu ihr hin und strich ihr sanft über die Wange, woraufhin sie die Augen aufschlug.

"Ach, du bist auch mal wieder da?"

"Scht, Lisha."

"Ich bin sauer!"

"Jetzt hör mir erst einmal zu."

"Grummel."

"Alan hat ein Problem."

"Alan! Ich kann den Namen langsam nicht mehr hören! Alan hier, Alan da..."

"Lisha!" meinte Cayvyn warnend. "Ich lasse es nicht zu, daß du dauernd so auf ihm herumhackst!"

"Ach! Und was macht er?"

"Alan hat ein Problem."

"Ich auch! Und du auch, wenn du mich weiter mit ihm nervst." Sie dreht sich um und wandte Cay den Rücken zu.

"Langsam reicht es mir!" Cayvyn kletterte kurzerhand zu ihr in die Federn und drehte sie um, daß sie ihn wieder ansehen mußte. "Tyron hat ihm eine Selbstzerstörungsanlage eingebaut!"

"Tyron hat was?" Acy riß schockiert die Augen auf.

"Genau das, was ich dir gerade gesagt habe."

"Ich fasse es nicht! Wie konnte er das tun?"

"Alycia, hast du eine Ahnung, wo die SV-Anlage liegen könnte?"

"Sicherlich. Es ist eine Schmelzbombe, die vom Hauptspeicher im Kopf durch den ganzen Rumpf hindurch läuft."

"Woher weißt du das?"

"Es war auch für dich vorgesehen", meinte Acy tonlos. Cayvyn sah sie entsetzt an. "Ich habe es bei dir nicht eingebaut, weil ich es unmenschlich fand."

"Kannst du das Teil entschärfen?"

"Wenn du in der Lage bist, Alan zu desaktivieren - ja. Ansonsten ist er hin."

"Das ist ja entsetzlich!"

Cay setzte sich auf die Bettkante. Alycia rappelte sich auf und schlang die Arme um ihn.

"Ich werde die SV bei Alan entschärfen", meinte sie dann. "Auch wenn ich ihn nicht mag und es noch so gefährlich ist. Also keine Sorge."

"Ich mache mir aber Sorgen!" Cayvyn blieb schweigend sitzen und wartete auf einen Viphonanruf der drei Verschwörer.

* * *

Alan hatte inzwischen die zwei bekannten Typen erwischt und ausgiebig befragt. Er hatte sich als Vertreter einer Gegenorganisation ausgegeben und den Leuten ziemlich drastisch gedroht.

Er hoffte, daß er diesmal alles richtig machte.

Nachdem er die Sache erledigt hatte, ging er in den botanischen Garten. Da war er wenigstens niemandem im Weg und konnte in Ruhe darüber nachdenken, was eigentlich an ihm nicht stimmte.

* * *

Der Summer des Viphons ertönte. Acy sah verwundert auf, als sich ihr Gefährte vorsichtig aus ihrer Umarmung löste.

"Ich habe noch etwas zu erledigen", erklärte er, gab ihr einen zärtlichen Kuß und ging in den angrenzenden Raum.

Wie erwartet besagte die hinterlegte Nachricht von Sir Loraynce, daß er sich unmittelbar im Laderaum einfand. Cayvyn bestätigte, warf sich in das Sir Gewayn-Make-Up und machte sich auf den Weg.

Alycia hatte von der Tür her zugehört und musterte Cay erstaunt.

"Aha. Du bist jetzt an dem Fall?"

"Ich habe eine Spur!" Cayvyn warf ihr eine Kußhand zu und düste los.

Acy schüttelte fasziniert den Kopf und war eigentlich recht angetan von der Tatsache, daß ihr herzallerliebster Schatz immer mehr Eigeninitiative entwickelte.

* * *

Sir Loraynce war in heller Aufregung und redete auf die beiden anderen ein. Interessanterweise schien Lady Ysabelle keinen Besuch von diesem impertinenten Typen bekommen zu haben.

Er war schon gespannt, was Sir Gewayn zu berichten hatte. Aber auch dieser war des Nachts offenbar von jenem Unbekannten heimgesucht worden, also war es nicht unwahrscheinlich, daß Lady Ysabelle der Gegenseite angehörte.

Loraynce beschloß, zunächst abzuwarten und Ysabelle genauestens zu überwachen. Mit diesem Gedanken löste er die Versammlung kurz darauf auf.

* * *

Alan wartete derweil darauf, daß etwas geschah. Bei seinen Nachforschungen bezüglich seiner Funktionsfähigkeit war er auch nicht weiter gekommen.

Seine Selbstanalyse zeigte keine Fehler an. Es war schon frustrierend! Außerdem hinderte ihn diese blöde Sperre, irgendetwas zu unternehmen.

Er fragte sich, wie Tyron bloß auf eine derartige Idee gekommen war. Stellte er wirklich solch eine Gefahr dar, fragte er sich. Cayvyn schien das jedenfalls zu befürchten.

Alan überlegte, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Tyron niemals auf die Idee gekommen wäre, einen Androiden zu entwerfen.

Er fand diese ganze Situation einfach unerträglich.

Wie hatte es nur dazu kommen können, daß diese Sperre selbst eine Wartung verhinderte?

Zum Glück konnte er wenigstens den Selbsttest laufen lassen - aber der zeigte ja nicht einen Fehler an. Das war einfach schlimm!

* * *

Cayvyn war auf der Suche nach Alan.

Genauer: er war auf der Suche nach einer Möglichkeit, diesen auf elegante Art und Weise zu desaktivieren.

Es mußte doch einen Weg geben.

Hm. Alan funktionsunfähig zu machen war einfach - nur, ihn funktionsunfähig zu machen, ohne ihn zu beschädigen...

Eine Möglichkeit wäre wohl, ihn per Funk abzuschalten, aber Alans Desaktivierungssequenz würde sich höchstwahrscheinlich von seiner unterscheiden.

Das war also auch nichts.

Das Simpelste wäre wohl, Alan so lange einzusperren, bis dieser aus Mangel an Energie einen Notshutdown durchführen mußte. Allerdings wagte Cayvyn sich lieber nicht vorzustellen, was Alan nachher mit ihm anstellen würde.

Vielleicht sollte er erst einmal Alycia um Rat fragen.

Cay stürmte in sein Quartier und wurde zunächst seine Maskerade los.

Alycia schlief schon wieder, stellte er gestreßt fest. Er schlich leise zu ihr und kroch in die Federn. Im Prinzip brauchte er ja keinen Schlaf, aber ob er nun herumrannte und über sein Problem meditierte oder die Zeit hier verbrachte...

Abgesehen davon konnte er sich so bestimmt wieder richtig mit Lisha versöhnen. Hm. Aber das mit Alan war schon ein Problem. Hoffentlich fiel ihr etwas ein.

* * *

3763/04/21 GZ

Alan hatte den Rest der Nacht gegrübelt und sich nun in den Speisesaal begeben, kaum daß das Frühstücksbuffet eröffnet wurde.

Es brachte ja nichts, wenn er wegen Energiemangel zusammenklappte. Vor allem befürchtete er, daß in seinem augenblicklichen labilen Zustand auch dadurch die Selbstzerstörungsanlage ausgelöst werden konnte. Seufz.

Cayvyn und Alycia kamen auch eingetrudelt. So wie sie ihn wieder anhimmelte, schien seine Versöhnungstaktik voll und ganz angeschlagen zu haben. Die beiden setzen sich zu Alan an den Tisch, Acy eng an Cay gekuschelt auf dessen Schoß. Sie verkniff sich sogar eine etwaige bissige Bemerkung bezüglich Alans, genauer gesagt, war sie dazu im Augenblick etwas zu geschafft. Sie wollte nur noch einen Kaffee.

"Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich Euch, lieber Verwandter", sagte Cayvyn.

"Guten Morgen", entgegnete Alan einsilbig.

Was hast du? erkundigte sich Cay über Funk, während er laut fragte: "Soll ich jemandem etwas vom Buffet mitbringen?"

Alan schüttelte den Kopf. Was soll schon sein? erwiderte er, ebenfalls über Funk. Soll ich mich auch noch wohlfühlen?

Ich dachte, du hättest vielleicht eine Idee zur Lösung.

"Mylord, ich möchte gerne einen Kaffee und ein Honigbrötchen", vermeldete Alycia. Cay nickte lächelnd, setzte seine Gefährtin vorsichtig auf dem Nebenstuhl ab und erhob sich.

Alan, kannst du deinen Shutdown-Code herausgeben?

Nein, das geht auch nicht.

Seufz. Cayvyn düste zum Buffet und kehrte gleich darauf zurück. "Bitte, mein Herz!" Er stellte Acy das Frühstück hin, und sie strahlte ihn verliebt an.

"Danke, Mylord Cayvyn!"

Und wenn du einen Notshutdown erzwingst? fragte er Alan.

Ich fürchte, das würde den Autodestruct aktivieren.

Aber es muß doch eine Möglichkeit geben! - Gibt es einen Kill für die Selbstvernichtung?

Theoretisch ja, aber praktisch ist die Zeit zu knapp.

Hm. Hast du nicht irgendeine Idee?

Ich glaube, es wäre möglich, die Sache zu umgehen, in dem du versuchst, den Code zu erraten. Ich kann ja sagen, ob es richtig oder falsch ist - ich bin nur nicht in der Lage, die exakte Sequenz zu nennen.

Das ist doch schon ein Ansatz! - Wie viele Stellen hat dein Shutdown-Code?

3742.

Durch geschicktes Fragen gelang es Cayvyn in kürzester Zeit, die Shutdown-Sequenz zu ermitteln.

"Wir sollten zum Raumschiff springen", schlug Cay vor. Seine Partnerin guckte gespannt, was er vorhatte, da sie natürlich wieder mal nichts von der Funk-Unterhaltung mitbekommen hatte.

"Hm?" fragte sie.

"Begleitest du uns, mein Schatz? Wir müssen etwas Dringendes erledigen."

"Gerne. Ich werde dich bestimmt nicht so schnell aus den Augen lassen - vor allem, wenn es um das geht, was ich vermute."

"Gut", meinte Alan nur. Er wollte das Ganze möglichst schnell hinter sich bringen.

Die drei machten sich auf den Weg zu Cayvyns Quartier, von wo aus sie mittels TM-Gürtel auf die Lightning sprangen.

Auf dem Raumschiff befreite sich Acy erst einmal von der wallenden Perücke und stieg in einen einfachen Arbeitscoverall. Währenddessen hatte ihr Partner das Bordlabor bereits auf Engineering umkonfiguriert.

"Sorry, Alan, ich würde das ja lieber auf der Villa machen, aber Cay meinte, du hast wenig Zeit", meinte Alycia ohne weitere Vorrede.

Alan schwieg. Er war nicht bereit, darüber zu sprechen. Alles in ihm sträubte sich gegen das, was jetzt geschehen sollte - aber was sein mußte, mußte sein. Wenigstens kostete Acy den Triumph nicht aus, ihn derart hilflos vor sich zu haben.

"Setz dich bitte."

Alan tat wie ihm geheißen, und im selben Moment sendete Cayvyn über Funk das Shutdown-Signal. Alan kippte reglos um.

"Dunkle Mutter, laß ihn bloß richtig desaktiviert sein", ließ Alycia einen Stoßseufzer an die Große Mutter der Rhianna los. "Cay, den Multiscanner!"

Er reichte ihr das Gewünschte, und sie scannte Alans Exterieur. Acy hob indigniert die Augenbrauen, als sie die Werte ablas.

"Bei Rhia, Dad hat an einigen Stellen schwer gepfuscht", empörte sie sich. "Ich glaube, ich sollte Alan Stück für Stück auseinandernehmen und die ganzen Verschleißteile ersetzen."

"Du solltest dich erst einmal um die Selbstzerstörungsanlage kümmern", sagte Cayvyn mahnend.

"Okay. - Laser!"

Sie nahm das Gerät in Empfang und schnitt Alans Haut der Länge nach auf, um die Teile der SV aus dem Rumpf zu entfernen.

"Ich glaube, wir hatten Glück", meinte sie, als sie die Thermostränge in der Hand hielt. "Er ist voll desaktiviert."

Cayvyn suchte unterdessen ein Sortiment Ersatzteile aus dem Lager, die sie ihm unterwegs genannt hatte. Tyron hatte an einigen Stellen minderwertiges Material verwendet, das vielleicht noch ein, zwei Jahre ohne Verluste durchgehalten hätte. Auch wenn sie Alan nicht ausstehen konnte, eines konnte sie noch weniger ab, und das war Pfusch am Bau. Sie ersetzte also kurzerhand alle zweifelhaften Teile.

Zum Schluß wagte sie sich an das delikateste Problem: Alans zentrale Speichereinheit war in eine Art Kapsel eingebettet, in die ein starkes Magnetfeld induziert werden konntes. Acy fluchte und demontierte die Bestandteile der Kapsel, nachdem sie sämtliche Leitungen der SV gekappt hatte.

"Dafür würde ich Dad gerne in die Finger bekommen", knirschte sie wütend. "Das ist doch die blanke Niedertracht! Immerhin ist Alan ein lebendes Wesen!"

Cayvyn nickte nur und war insgeheim froh, daß er nicht von Tyron, sondern von dessen Tochter gebaut worden war.

Endlich war sie fertig. Sie schweißte noch rasch seine Haut zu, ehe sie Cay das Zeichen gab, seinen Bruder wieder zu aktivieren. Nachdem er den Impuls bekommen hatte, verharrte Alan zunächst regungslos auf der Liege und führte erst einmal einen neuerlichen Systemcheck durch.

Es war einiges anders, stellte er fest, obwohl er nicht alles genau bestimmen konnte. Seufz, er traute sich gar nicht, die Augen aufzumachen.

"Alan?" fragte Cayvyn besorgt.

"Hm", machte dieser. Der ganze Umbau war doch zu faszinierend. Er hatte gerade wieder etwas Neues gefunden.

"Was ist?"

"Nichts", meinte Alan und beschäftigte sich weiter mit der Erforschung seines Innenlebens.

"Wie fühlst du dich?"

"Das sagte ich dir, sobald ich es weiß."

"Aber sie hat alles richtig gemacht", versicherte Cayvyn ihm.

"Ryko, halt die Klappe", meinte Alan, sonst kam er bestimmt nicht weiter.

Cay klappte entgeistert seinen Mund zu. Alycia kicherte und schlang die Arme um seine Mitte, ehe sie Alan prüfend betrachtete. Er schien wieder bestens zu funktionieren.

Endlich war Alan der Meinung, daß er sich nun wieder auf das Geschehen um ihn herum konzentrieren konnte. Es schien tatsächlich alles so zu arbeiten, wie es sollte. Er entschloß sich, die Augen zu öffnen.

"Zufrieden?" fragte Acy.

"Das wird sich noch zeigen."

"Du warst stellenweise reichlich altersschwach."

Dazu sagte Alan nichts; er war sich der Tatsache nämlich durchaus bewußt gewesen.

"Dieser Autodestruct war übrigens äußerst fies", dozierte Alycia. "Zwei Thermostränge, die deine Schaltkreise und 'Organe' im Rumpf zerschmolzen hätten, sowie eine Kapsel, die deinen Hauptspeicher umschloß und in die man ein starkes Magnetfeld induzieren konnte, um deinen Zentralspeicher zu löschen. Ich habe die Kapsel durch ein anderes Behältnis ersetzt, das die Schutzfunktion für den Speicher ausübt, ohne andererseits gefährlich werden zu können. Außerdem habe ich alle beschädigten und verschlissenen Teile durch neue aus unserem Ersatzteillager ersetzt. Da kannst du dir ansehen, was nicht mehr brauchbar war." Acy deutete auf einen reichlichen Stapel Bauteile.

Alan wollte lieber gar nicht wissen, was sie ausgemustert hatte, also sah er in eine andere Richtung. Schließlich überwand er sich aufzustehen.

"Kanst du nochmal einen Selbsttest laufen lassen?" fragte Alycia und richtete den Multiscanner auf Alan.

"Sicher."

"Cay hat mir gesagt, daß dein Systemcheck nicht richtig funktionierte, und ich möchte sehen, ob er jetzt wieder klappt", erläuterte sie und betrachtete die Anzeige des Meßgeräts.

Alan sah sie fragend an.

"Hm. Es sieht eigentlich ganz gut aus - vorausgesetzt, deiner und der von Cay, auf den der Apparat geeicht ist, sind äquivalent. Aber da ich Tyrons Vorlagen größtenteils übernommen habe, sollte es wohl stimmen."

"Hoffen wir es."

"Am besten wäre es, wenn du mit Cayvyn kurz in den Trainingsraum gehst und einen physischen Belastungstest absolvierst. Ich möchte sehen, ob alle Ersatzteile reibungslos funktionieren."

"Aber gerne", meinte Alan und lächelte sie an. Alycia guckte irritiert und folgte den Männern mit dem Scanner.

'Was nun noch?' dachte Alan gestreßt. Naja, auf jeden Fall schien Acy alles wieder richtig zusammengesetzt zu haben. Überhaupt fühlte er sich bedeutend besser.

"Also dann. Cay, geh mit Alan den Belastungstest durch." Sie blieb wohlweislich in der Tür stehen, da Cayvyn die Schwerebeschleunigung auf 25g erhöhte.

Diesen Test mochte Alan nun überhaupt nicht, auch wenn es jetzt weitaus weniger 'knirschte' als zuvor.

"So, und jetzt mal eine Runde laufen!" bestimmte Acy. Cay deutete auf ein Laufband in der Mitte des Raumes.

"Pfui", machte Alan. "Ich hasse dieses Ding!"

"Ich will wissen, ob ich die Gelenke wirklich richtig montiert habe", erwähnte Alycia von der Tür. "Wenn alles unter voller Belastung läuft, dann sollte es auch im Normalbetrieb halten."

"Ich muß mich wohl fügen", seufzte Alan.

"Richtig. Nachher kommt noch der Vakuumtest, und dann werden wir sehen, wie es mit Temperatur- und Hochdruckstabilität aussieht."

"Seufz!"

"Ich kann keine Verantwortung für dich übernehmen, wenn du nicht voll getestet wurdest. Wegen der Garantie", erläuterte Acy grinsend.

Alan bemühte sich, keine Miene zu verziehen. Garantie. Unverschämtheit!

"So, ich glaube, das reicht hier. Ab in die Klimakammer!"

Alan grummelte etwas vor sich hin. Er war doch kein Toaster.

"Komm schon", meinte Cayvyn beruhigend. "Sie weiß was sie tut. Außerdem macht sie alles perfekt, wenn sie etwas macht."

"Habe ich was gesagt?"

"Aber gedacht."

Alan wurde in die Klimakammer gesetzt und verschiedenen Drücken, Temperaturen und Atmosphären ausgesetzt. Acy betrachtete aufmerksam die Anzeigen des Scanners, und Alan langweilte sich tödlich. Er hatte die Augen geschlossen und wartete darauf, endlich wieder hinaus zu dürfen. Allerdings würde er wohl kaum um den kompletten Satz Tests herumkommen.

"Hm-hm", machte Alycia. "Cay, stelle bitte wieder normalen Druck und Temperatur ein. - Alan, komm bitte nochmal mit ins Labor. Du hast ein paar winzige Lecks an deiner Oberfläche."

'Toll', dachte Alan. Das hatte sie mit Sicherheit absichtlich gemacht!

"Bitte nimm auf dem Labortisch Platz. Es sind offenbar Stellen, an denen deine 'Haut' im Laufe der Zeit gealtert ist. Da und da." Sie deutete auf Knie und Ellenbogen.

Alan ließ alles fatalistisch über sich ergehen. Wenigstens beseitigte Acy jetzt alle Fehler, und dann hatte er hoffentlich seine Ruhe. Sie ersetzte die entsprechenden Hautsegmente durch neue aus dem Lager und versiegelte sorgfältig die Schweißnähte. Wenn Alan wieder richtig coloriert war, würde man nichts mehr sehen.

"Okay, also noch mal in die Vakuumkammer!"

"Wie Ihr befehlt."

Dieser Test verlief reibungslos, ebenso wie die folgenden.

"Okay", meinte Alycia schließlich. "Du bist wieder in optimaler Verfassung. Allerdings kann ich nicht beurteilen, was mit deiner Programmierung los ist, tut mir leid."

"Ist schon gut. Ich danke dir jedenfalls für deine Bemühungen."

"Gern geschehen." Acy sah zu ihrem Partner herüber, der ebenfalls gutgelaunt erschien und lächelte ihn an. "Falls es noch irgendwelche Probleme geben sollte, komm einfach vorbei. Ich glaube, es gibt derzeit nicht sehr viele Spezialisten für Androiden in der FGS."

"Werde ich tun", versicherte Alan. Er war wirklich gespannt, wie es weitergehen würde und machte sich erst einmal als Sir Alayn zurecht.

Die drei sprangen nach Iskavar-1019 zurück. Dort war es mittlerweile früher Abend. Alayn hatte einen Riesenhunger von der ganzen Testerei, also stürzte er sich gleich auf das Buffet. Cay und Acy folgten engumschlungen.

"Was macht eigentlich Nardia?" fragte Alycia.

"Ach, du weißt noch, daß ich existiere?" kam es muffelig von der anderen Seite des Buffets.

"Oh! - Äh. Wir hatten ein technisches Problem."

"Das kann ja jeder sagen! Mich einfach so alleine zu lassen", schmollte Nad.

"Es betrübt mich zutiefst, Lady Nardia, doch Eure Schwester sprach wahr", verkündete Cayvyn.

"Ach?" Nad sah ihn zweifelnd an.

"Wir mußten eine Bombe entschärfen, die sich auf Iskavar-1019 befand", erklärte Cay.

"So? Ich wette, das ist nur ein Teil der Wahrheit."

"Wie kommt Ihr darauf?"

"Das kann doch nicht so lange gedauert haben!"

"Ach, und außerdem habe ich Sir Alayn gequält", meinte Acy belustigt.

"Typisch", sagte Nardia. "Was besseres fällt dir natürlich nicht ein. Dabei versuchst du bestimmt nur wieder zu vertuschen, daß du nicht aus dem Bett gekommen bist."

"Nun." Alycia sah verliebt zu ihrem Gefährten hoch. "Das ist noch ein ganz anderes Problem."

"Das ist immer das gleiche Problem!"

"Naja." Acy errötete zart.

"Das war so gut wie ein volles Geständnis", fand Nad. Cayvyn hob belustigt eine Augenbraue und zog Alycia enger an sich. Diesmal waren sie doch wirklich völlig unschuldig gewesen. Auch Alayn amüsierte sich darüber. Wo die zwei doch ausnahmsweise einmal gänzlichst brav gewesen waren.

Nardia glaubte ihnen natürlich rein gar nichts. Dazu war es schon zu häufig vorgekommen, daß Cay und Acy sich einfach verdrückt hatten.

"Wie spät ist es?" wollte Alycia wissen.

"15:76 Uhr", erwiderte ihr Partner.

"Was sollen wir denn jetzt unternehmen?" Sie schmachtete ihn an, und Nardia warf ihrer Schwester einen merkwürdigen Blick zu.

"Am besten gehst du gleich wieder ins Bett", schlug Nad vor. "Du siehst müde aus, und passieren tut hier zur Zeit eh nichts."

"Hm. Der Vorschlag hat etwas für sich." Acy hatte den Tag genug am Labortisch herumgestanden, und ihr taten die Füße weh. Außerdem behinderte Cayvyns Nähe irgendwie andere Gedanken. Zumindest im Augenblick. Sie kuschelte sich an ihn. Nardia grinste amüsiert. Ihr Schwesterchen wurde wahrlich immer schlimmer.

Cayvyn hatte ja gesagt, daß er wieder warten mußte, bis Sir Loraynce ihn erneut kontaktierte, überlegte Alycia. Irgendwie gab es partout keine Chance, diese Typen zu überführen. Es war frustrierend! Sie seufzte.

"Meinst du, heute ist schon wieder so ein Meeting, Cay?" erkundigte sie sich halblaut.

"Die Wahrscheinlichkeit ist gegeben."

"Seufz!"

'Was gibt es da zu seufzen?' fragte Nardia sich. Grummel, warum sagte ihr niemand, worum es ging?

"Aber du läßt mich nicht wieder so lange allein", meinte Acy schmollend. Cayvyn schüttelte beruhigend den Kopf.

Nun wurde es Nad zu dumm, und sie wandte sich wieder dem Buffet zu. Das war wenigstens verständlich und interessant.

Auch Alycia schlug zu. Heute wurde die Diät ausgesetzt, beschloß sie, immerhin hatte sie hart gearbeitet. Nardia bemerkte dies mit Staunen, vor allem, da Sir Cayvyn offenbar nichts dagegen hatte.

Völlig unerwartet schrie in einer Ecke jemand auf.

Wer kreischte denn da? Nad sah sich neugierig um.

Sogleich kamen zwei Stationspolizisten herbeigestürmt und riegelten die bewußte Ecke ab. Acy düste mit Cay hin und ließ sich von diesem hochheben. Als er sie wieder abgesetzt hatte, meinte sie:

"Da liegt eine Tote. Sie hat ein Messer oder sowas im Rücken."

"Igitt", meinte Nardia.

"Einen Stabdolch", wurde Alycia von dem vor ihr stehenden Naravino korrigiert.

(Ein Dolch mit rundem Querschnitt. Die 'Schneide' (eher eine Art Stift) ist zuweilen hohl und kann dann mit Gift oder Säure gefüllt werden, die dem Opfer über eine Düse verabreicht wird.)

"Auch nicht besser." Nad fand es einfach furchtbar.

"Wer ist es denn?" wollte Acy wissen, obwohl sie nach Cayvyns Erzählungen zu wissen glaubte, wer die Tote war.

"Es ist - war - die Lady Ysabelle von Tum", gab der Naravino neben ihr die Information weiter, die vom Brennpunkt des Geschehens durchgesickert war.

Alayn zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Tse, es schien, als würden die sich langsam selbst umbringen.

"Ist das nicht..." Alycia sah ihren Gefährten interessiert an, und dieser nickte.

"Wer ist was?" erkundigte sich Nardia.

"Lady Ysabelle gehörte dem Bund der Bewahrer alter Sitten an. Naja, sie stand ihm zumindest nahe", flüsterte ihre Schwester ihr zu.

"Aha. Und was bedeutet das?"

"Lasset mich noch einmal meine allererste Theorie vor Euch ausbreiten", verkündigte Cayvyn und winkte die beiden Frauen in Richtung Buffet, das sich ob des aktuellen Zwischenfalls ziemlich geleert hatte. "Mein kriminalistischer Spürsinn führte mich schon ganz zu Beginn auf die richtige Lösung - aber mir wollte ja niemand Glauben schenken! Es ist folgendes:

Der Bund der Bewahrer alter Sitten will die alte Kriegertradition von Naravina wieder aufleben lassen und versucht daher, einen Krieg zwischen Eleandelor und Naravina anzuzetteln, da jene noch ein junges Volk sind und nicht so kriegsmüde wie die Mitglieder der Freien Galaktischen Sternenrepublik. Aber jetzt scheinen die Leute des Bundes untereinander uneins zu sein."

Nad musterte Cay zweifelnd. Sie war der festen Überzeugung, daß er sich das alles gerade ausgedacht hatte.

"Ihr zweifelt, Lady Nardia? Bietet mir eine bessere Theorie!"

"Aber ich würde doch nie an Euren Worten zweifeln!"

"Gut." Cayvyn verspeiste ein paar Pralinen, die die letzten Attacken auf das Buffet überlebt hatten, und Nad war froh, die Sache so elegant abgewendet zu haben. Sie hatte nicht einmal eine entfernte Ahnung, was hier wirklich vorging und schon gar keine Theorie.

"Ja, aber was heißt das jetzt für uns?" fragte Acy. "Jetzt bleiben noch zwei dieser ...Verschwörer - Sir Loraynce und Lady Carolynne. Aber wie wollen wir die überführen? Sir Gewayn steckt doch schon seit einigen Tagen in der Stasiskammer, und wenn wir Pech haben, wird er aus Mangel an Beweisen gänzlich freigelassen."

Nardia wandte sich wieder den Fressalien zu, da ihr im Moment doch nichts Konstruktives einfiel.

"Die Gefahr besteht allerdings", entgegnete Cayvyn.

"Cay, wie lautet denn die Prognose dafür, daß die militante naravinische Fraktion die Macht übernimmt?"

"Zur Zeit ist alles höchst unbestimmt. Immerhin haben Loraynce und Carolynne noch nicht allzuviel erreicht, außer daß keiner mehr weiß, was hier eigentlich genau gespielt wird."

"Klingt toll", seufzte Alycia ironisch. "Hey, Nad, sag doch auch mal was!"

"Ich bin beschäftigt", nuschelte Nardia mit vollem Mund.

"Gut. Dann warte ich solange, bis du nicht mehr beschäftigt bist."

"Das kann aber noch lange dauern."

"Du kannst jedoch nicht eine unbegrenzte Menge an Fressalien inkorporieren", machte Acy sie aufmerksam.

"Unbegrenzt wohl kaum, aber wer sagt, daß ich mich nur mit Essen beschäftige?"

"Womit sonst? Sir Alayn vielleicht?" fragte Alycia sie neugierig.

"Du hast sie wohl nicht mehr alle!" empörte sich Nad.

"Hm. Mir ist gerade eine geniale Idee gekommen."

"Ach?" machte Nardia mißtrauisch.

"Hat jemand Ryel gesehen?" erkundigte sich ihre Schwester scheinbar übergangslos.

"Nö."

"Ich brauche ihn aber!"

"Dann such ihn doch."

"Warum ich? Du hast doch noch nichts Produktives getan."

"Warum sollte ich das auch? Und zudem, ich will den ja nicht haben."

"Aber zu dir hat er Vertrauen gefaßt."

Nardia verzog das Gesicht. "Gerade deshalb werde ich es nicht tun."

"Hm? Will er etwa was von dir? Oder gar du von ihm?"

"Ich will ganz bestimmt nichts von ihm."

"Aha. Aber anders herum?"

"Frag ihn doch."

"Dazu mußt du ihn finden. Ich muß mich schließlich um alles andere kümmern. Schon mal etwas von Arbeitsteilung gehört?"

"Nein. Was ist das?"

"Du machst die Arbeit, und ich teile sie ein."

"Nö, machen wir es lieber anders herum. Ich arbeite nämlich nie."

"Dann wird es aber langsam mal Zeit."

"Ich fange doch jetzt nicht mehr damit an! Es könnte mir schaden."

"Ah, du willst also auf dein Alter hin erschlaffen, verkalken und ob des Bewegungsmangels wie ein Hefeteig auseinandergehen?"

"Immerhin bin ich drei Jahre jünger als du, du bist also weit mehr gefährdet", machte Nad Acy amüsiert aufmerksam.

"Ich? Ich halte mich ausgiebig fit."

"Aber sehr einseitig."

"Pah! Das trainiert alle Muskeln. Ist medizinisch erwiesen." Alycia warf Cay einen verstohlenen Blick zu und errötete zart. Von ihrem Gefährten her ertönte ein dezentes Glucksen.

"Wenn du darauf bestehst. Aber trotzdem sehe ich keinen Grund dafür, Ryel zu suchen."

"Und warum nicht? Hast du eine andere Idee zur Lösung des Falles? Dann laß sie mich hören!"

"Wer will denn hier den Fall lösen?"

"Wir alle", bestimmte Acy und sah in die Runde. Alayn stand inzwischen auch am Buffet.

"Ist mir neu", stellte Nardia fest.

"Ach, du willst lieber nutzlos hier herumhängen, bis du vielleicht auch abgestochen wirst?"

"Warum sollte jemand das tun?" erkundigte sich Nad mit gerunzelter Stirn.

"Sieh dir die Opfer an. Ein Teil gehörte zu den Leuten vom Bund, ein Teil waren Killer, aber der Rest waren beliebige Besucher von Iskavar-1019. Oder siehst du einen direkten Zusammenhang?"

"Nein. Aber ich bin eh im Begriff abzureisen, und bis dahin wird wohl nichts passieren."

"Vielleicht."

"Innerhalb der nächsten Stunde bin ich weg."

"Wie denn?"

"Die Sunbeam ist vorhin angekommen."

"Aha. Wenn du meinst. Ich kann den Fall auch alleine lösen." Acy beschloß, kurzerhand abzudüsen, um ihren Vorsatz in die Tat umzusetzen und verließ den Saal.

Nardia zuckte mit den Schultern. Sie hatte einfach kein Interesse daran, die Sache zu bearbeiten.

Cayvyn sah irritiert zum Ausgang und eilte hinter seiner Gefährtin her. Ihm war zwar noch nicht klar, was sie vorhatte, aber er beabsichtigte, dies herauszufinden.

Alayn blickte ebenfalls hinter Alycia her. Wenn sie seiner Hilfe bedurften, würden sie sich sicherlich melden, und bis dahin blieb er an der Speisetafel.

Nardia machte sich auf, um ihre Klamotten zu packen.

* * *

Vor dem Saal blieb Acy stehen. Wenn sie wüßte, wo Ryel steckte... Aber in ihrem Ärger über Nardias permanente Motivationslosigkeit war sie einfach davongestürmt, ohne nachzudenken.

Gerade als sie beschloß, nicht wieder in den Ballsaal zurückzukehren, weil es ihr doch zu peinlich war, kam Cayvyn hinter ihr her. Sie ging zu ihm hin und schlang hilfesuchend die Arme um ihn. Cay zog sie an sich und strich ihr zärtlich über die Wange.

"Seufz." Seine Gegenwart war immer so tröstlich. "Wo kann dieser Ryel sein?" fragte sie schließlich.

"Wenn, dann im Botanischen Garten", antwortete Cay nach einer neuerlichen Analyse der gegebenen Fakten bezüglich des Dunnlorners.

"Na gut. Also auf!" Gewaltsam riß sie sich von ihm los, und sie nahmen Kurs auf Deck 25 der Raumstation.

* * *

Nardia hatte sich nun wirklich auf den Heimweg gemacht. Sie fragte sich, warum sie in letzter Zeit eigentlich so lustlos war. Vielleicht sollte sie einmal zu einem Arzt gehen.

Naja, jedenfalls würde sie jetzt erst einmal nach Hause fliegen.

Coryn hatte das Schiff mitsamt Chauffeur zur Raumstation geschickt, so daß sie sich den ganzen Flug ihren Gedanken hingeben konnte.

Es wurde wirklich langsam Zeit, daß sie einmal etwas gegen ihre Launen unternahm, beschloß sie.

* * *

Im Bordobservatorium (der vierten Station ihrer Suche - offenbar war ein Dunnlorner doch kein verläßliches Objekt einer stochastischen Untersuchung) entdeckten Alycia und Cayvyn Ryel.

Dieser hatte sich hierhin zurückgezogen, da der Botanische Garten momentan überdurchschnittlich stark besucht war. Wie lange mußte er wohl noch auf dieser Station herumhängen?

"Monsieur Ryel... Äh, Ryel", begann Cayvyn vorsichtig. Der Dunnlorner drehte sich um und sah den Naravino verwirrt an.

"Entschuldigt, daß wir Euch nochmals behelligen müssen."

"...aber wir brauchen Eure Hilfe", ergänzte Acy.

"Wozu?" fragte Ryel vorsichtig. Diese Typen kamen anscheinend immer nur an, wenn sie etwas von ihm wollten.

"Der Mörder geht immer noch auf der Station um. Gerade ist eine weitere Frau getötet worden. Wir sind uns mittlerweile relativ sicher, wer die Verantwortlichen sind, aber es gelingt uns nicht, sie zu überführen", erläuterte Alycia.

"Und was hat das mit mir zu tun?"

"Ihr seid unsere einzige Hoffnung", brachte sie widerwillig hervor. Sie konnte ihre Abneigung gegen die 'verbotenen Talente' des jungen Mannes nur mit ziemlicher Anstrengung im Zaum halten. Insgeheim schimpfte sie sich leicht bis mittelschwer schizophren deswegen; immerhin war sie doch eine Rhianna und benutzte ihre 'verbotenen Gaben' auch ohne sonderliche Gewissensbisse. Aber vielleicht lag es auch daran, daß die Vorfahren Ryels von Enaryshavell verbannt worden waren? Seufz!

"Warum das?"

"Auch wenn es nicht Eure hauptsächliche Begabung ist, so könnt Ihr dennoch jemanden hypnotisieren. Könntet Ihr dies eventuell mit unseren Hauptverdächtigen tun?" fragte Cayvyn, da Acy es sich offenbar schon wieder anders überlegen wollte.

"Das kommt ganz auf die Person an."

"Es handelt sich um Sir Loraynce von Temir-Edine."

"Tut mir leid, denn kenne ich nicht."

"Hm? Macht das einen Unterschied?" meldete Alycia sich wieder zu Wort.

"Nein, aber ich kann nicht sagen, ob es klappt. Ich bin hier nicht zu Hause, da fällt es mir ohnehin schwerer, und wenn er einen starken Charakter hat..."

"Es gelang Euch doch auch, jenen anderen Mann zu hypnotisieren."

"Der war äußerst labil."

"Hm. Faszinierend." Normalerweise waren die Killer doch alles andere als labil, überlegte Acy.

"Ich möchte nicht noch mehr Schwierigkeiten haben", wehrte Ryel ab.

"Welcherart Schwierigkeiten habt Ihr denn?" erkundigte sich Cayvyn interessiert. "Denkt doch daran, was es für eine positive Publicity für Dunnlorn geben wird, wenn ein Dunnlorner maßgeblich daran beteiligt ist, die geheimnisvollen Raumstationsmorde aufzuklären."

"Ich bin momentan kein Dunnlorner. Ich bin niemand."

"Inwiefern?" Cay betrachtete Ryel verwundert.

"Kein Dunnlorner würde freiwillig seine Heimat verlassen."

"Aber Ihr seid hier."

"Man hat mich rausgeworfen - was dachtet Ihr denn?" Ryel sah schamerfüllt zu Boden.

"Warum?" fragte Cayvyn bestürzt.

"Das geht Euch nichts an!"

"Heißt das, Ihr könnt niemals mehr zurück?"

"Doch. Aber bestimmt nicht, wenn ich hier in Schwierigkeiten gerate."

"Inwiefern Schwierigkeiten?"

"Indem ich Euch helfe. Ich hätte es überhaupt nicht tun sollen. Aber es schien mir die beste Möglichkeit, die Polizei von meiner Unschuld zu überzeugen."

"Warum bringt es Euch Schwierigkeiten, wenn Ihr uns helft?"

"Ihr gehört nicht zu meinem Volk."

"Dann hätten die Euch nicht rauswerfen dürfen", bemerkte Alycia lakonisch. "Wer immer das getan hat, war ausgesprochen unlogisch; immerhin impliziert Eure Anwesenheit hier, daß Ihr unweigerlich Kontakte mit 'Außenweltlern' aufnehmen müßt. Und was ist in diesem Zusammenhang eine vornehmere Tätigkeit als zu helfen? Es müßte doch eigentlich schlimmer sein, wenn ihr nur belanglose Kontakte mit 'Außenweltlern' habt. Falls Ihr jemals wieder nach Dunnlorn zurückkönnt, so könnt Ihr den Typen, die für Euren Rausschmiß verantwortlich waren einen schönen Gruß von mir bestellen und daß sie eine Düse abhaben."

"Eure Meinung zählt nicht", entgegnete Ryel. "Außenweltler sind gefährlich, und es ist meine Strafe hierbleiben zu müssen, bis meine Zeit um ist."

"Aber wer wacht darüber, wie Ihr Eure Strafzeit verbringt?"

"Das weiß ich nicht."

"Sagen wir mal so, wenn alle auf Dunnlorn so denken, wäre ein etwaiger Aufpasser doch schön blöd, wenn er, nur um auf Euch aufzupassen, Eure Strafe mitmacht!"

"Es ist auch kein Dunnlorner hier, der auf mich aufpaßt. Aber wenn ich zurückkehre, muß ich dem Tribunal gegenübertreten."

"Aha, und Ihr meint, die haben etwas dagegen, wenn Ihr hier ein gutes Werk tut?" Wo war sie eigentlich, dachte Acy leicht ärgerlich, daß sie jemand mit 'verbotenen Talenten' dazu überreden mußte, diese einzusetzen?

"Ist es denn ein gutes Werk?"

"Würdet Ihr sagen, daß es schlecht ist, jemanden zu überführen, der mindestens einen Mord persönlich begangen hat und für verschiedene weitere verantwortlich ist?"

"Ist es gut, jemandem zu helfen, der mein Volk haßt und verachtet?"

"Und wenn dieses hauptsächlich auf Fehlinformationen beruhte?" überwand Alycia sich zu sagen. "Beweist mir, daß ich Euch nicht zu hassen oder verachten brauche!"

"Warum soll ich das beweisen? Beweist Ihr mir das Gegenteil."

"Ich kann Euch zeigen was in unseren Büchern über Euch steht."

"Das habe ich schon gesehen. Ich bin trotzdem nicht bereit, den Feinden meines Volkes zu helfen. Warum ruft Ihr nicht Euren Dunnlorner her?"

"Weil ich keine Ahnung habe, wo er steckt!" fauchte Acy, die langsam mit ihrer Geduld am Ende war. "Dann eben nicht! Wißt Ihr, daß Ihr mit Eurem Handeln nur unterstrichen haben, was ich über Euer Volk gelernt habe? Erzählt das Eurem Tribunal!" Alycia stürmte wutentbrannt aus dem Bordobservatorium. Sie hatte es doch gewußt, daß Dunnlorner ein arrogantes Pack von Halbwilden waren, die sich nicht die Bohne um andere scherten!

Ryel wandte sich wieder dem Fenster zu. Er hatte doch recht gehabt. Allen Außenweltlern lag nur etwas daran, sein Volk auszunutzen.

Cayvyn seufzte und fragte sich, was seine Gefährtin nun schon wieder vorhatte. Sie war derart zielstrebig davongerast - nur wohin?

Er beschloß, zunächst in ihrem Quartier nachzusehen, aber sie war nicht anwesend.

* * *

Alayn befand sich immer noch im Speisesaal, denn es gab ohnehin nichts anderes zu tun.

Er war gespannt darauf, was Acy und Cay unternahmen. Aber bis sie wieder zurückkamen, konnte er sich eigentlich um den Schaden an seinem Mietraumer kümmern, sonst kam er wohl nie mehr hier weg - oder höchstens per Anhalter.

* * *

Plötzlich kam Cayvyn die Erleuchtung, und er sprang via Transmit auf die Lightning. Tatsächlich befand sich seine Partnerin dort - doch ob ihres aktuellen Aufzuges hob er entgeistert die Augenbrauen.

Alycia trug ein wallendes, weißgelbleuchtendes Gewand, eine gleichfarbige Perücke und war passend dazu geschminkt.

"Was hast du denn jetzt schon wieder vor?" fragte er fasziniert. "Oder sollte ich unwissentlich die Einladung zum heutigen Maskenball versäumt haben?"

"Nicht ganz. Weißt du, ich wollte nicht unbedingt den Hypnorator benutzen, weil ich das als Blackfire machen müßte, und leider wäre das mittlerweile viel zu auffällig hier, weil immerhin Alycia Blade wegen der Mordsache hier ermittelt. Also habe ich beschlossen, einfach etwas ganz neues zu entwerfen."

(Hypnorator - Kurz für Hypnose-Generator-Einheit. Ein geschlossener Helm, in dem eine Musik-Lichtreflex-Show abgespielt wird, die den Träger desselben im Nu zunächst in den Alpha-Zustand und anschließend in eine tiefe Voll-Trance entführt. Zunächst von Blackfire Anfang 3755GZ entworfen, um rasch komplizierte Inhalte via Hypnose zu erlernen, setzt sie das Gerät nunmehr hauptsächlich dazu ein, um widerspenstigen Leuten deren Wissen auf elegantem Wege zu entreißen.)

"So?"

"Genau so! - Aber du solltest möglichst unsichtbar dabei bleiben."

"Na gut."

"Dann hebe dich hinfort und begebe dich am besten zum Buffet!"

"Ganz wie Madame befehlen." Cayvyn entmaterialisierte folgsam.

* * *

Alayn fluchte unterdrückt, als er das Ausmaß des Schaden an dem Raumschiff festgestellt hatte. Daß dies ein Unfall gewesen sei, würde ihm niemand abnehmen!

Der Raumer war eher mutwillig zerstört worden. Wenn er seinen Bruder in die Finger bekam, konnte der etwas erleben.

* * *

Als Cayvyn im Speisesaal am Buffet stand, sah er, daß Sir Loraynce sich ebenfalls dorthin begeben hatte. Es würde ihn doch sehr interessieren, wie Lisha den da wegholen wollte.

Plötzlich erstrahlte ein blendendes weißgelbes Licht, und eine schemenhafte Gestalt stürzte sich auf den vor Schreck gelähmten Übeltäter.

"Ich bin die Stimme der Wahrheit", donnerte es durch den Saal, und auf einmal waren Licht und Loraynce weg. Bevor es jedoch zu einer Panik kommen konnte, erstrahlte zunächst die Notbeleuchtung, ehe die normale Energieversorgung wieder einsetzte und alles standardmäßig erhellt wurde.

Cay schüttelte nur den Kopf. Seine Gefährtin hatten einen Sinn für dramatische Auftritte.

Da die restlichen Leute im Saal restlos geschockt waren, beeilte Cayvyn sich, gleichfalls eine gebührend entsetzte Miene aufzuziehen, während er abwartete, was Alycia noch in petto hatte.

* * *

Alayn war es derweil gelungen, einen Teil der Zerstörung zu beseitigen. Sehr zu seinem Frust fehlten jedoch noch ganze Stücke des Schiffes.

Er mußte unbedingt ein paar Worte mit Cayvyn wechseln. Alayn machte sich auf den Weg zum Speisesaal, wo er diesen anzutreffen hoffte.

* * *

Dorten schnatterte mittlerweile alles wild durcheinander.

Die Stimme der Wahrheit... Einer alten Legende nach war dies die Oberste Richterin, die die Geister der gefallenen Krieger entweder zur nächsten Inkarantion zurückschickte, wenn sie nicht genug Ruhm im Kampf geerntet hatten oder sie in die nächste Ebene weiterschickte, wo es noch würdigere Gegner für sie geben würde. Einige wenige Male nur sollte sie in den Niederungen der stofflichen Welt erschienen sein, um entweder große Tapferkeit noch auf jener Ebene fürstlich zu belohnen oder Feigheit furchtbar zu bestrafen.

Als Alayn in den Ballsaal stürmte, war immer noch alles in Aufruhr. Er blieb irritiert stehen. Was ging da vor? Egal, dachte er dann. Er wollte noch sein Hühnchen mit Cayvyn rupfen, und dieser stand gerade in Sichtweite.

Cay bemühte sich angestrengt, möglichst verwirrt zu wirken, was ihm nicht leichtfiel, da er sich mittlerweile königlich über Lishas Streich amüsierte.

"Du!" stieß Alayn hervor und sah seinen kleinen Bruder verärgert an.

"Ich?" Jetzt guckte Cayvyn wirklich verwirrt.

"Wo hast du die Teile des Schiffs gelassen?"

"In deiner Kabine - wieso?"

"Gut", gab Alan von sich. "Aber wenn ich das nicht mehr zusammenbauen kann, dann bezahlst du die Kosten!"

"Wieso? Es waren ganz simple Steckverbindungen. Sag bloß, mit sowas hast du Probleme?"

"Wenn's nur das wäre! Aber anscheinend sind Großteile des Antriebs defekt."

"Daran bin ich unschuldig", beteuerte Cayvyn.

"Du hast mich aber hierhin eingeladen."

"Wußte ich, daß du ein Schiff mietest? Du hättest mit Nardia fliegen können."

Alan warf Cayvyn einen tödlichen Blick zu.

Ringsumher hatte sich die Aufregung immer noch nicht gelegt.

"Sag mal, was ist hier eigentlich los?"

"Oh. Die Stimme der Wahrheit ist erschienen und hat Sir Loraynce von Temir-Edine mitgenommen."

"Acy!" meinte Alan nur. "Ich werde mich jetzt weiter um das Schiff kümmern."

"Meinst du, das hat irgendeinen Sinn?"

"Nein, aber es lenkt von anderen Sachen ab."

"Aha." Auf Cays Gesicht erschien ein freches Grinsen. "Weißt du, ich habe mich gefragt, ob es überhaupt notwendig war, den Raumer zu sabotieren - so wie er schon von selbst auseinanderfiel." Er stutzte. "Wovon soll es dich ablenken?"

Alan grinste zweideutig.

"Was grinsest du?"

"Nur so. Mir war danach."

"Das war aber mindestens zweideutig - und wenn 'mir war danach' die erste Deutung ist, was ist die zweite?"

"Ich dachte nur gerade an Acy."

"Du dachtest an sie? In welchem Zusammenhang?"

"Geht dich das etwas an?"

"Oh ja! Sie ist immerhin meine Lebensgefährtin."

"Du kannst mir doch nicht vorschreiben, was ich denken soll und darf!"

"Aber es geht um Lisha."

"Du hast mich nur gefragt, wovon mich die Bastelei ablenken sollte."

"Wie kommt es, daß du dich überhaupt von Lisha hast ablenken müssen?" fragte Cayvyn lauernd.

"Na, du hast doch etwas dagegen."

Cay guckte seinen großen Bruder verdutzt an. "Natürlich."

"Eben."

"Aber du mußtest dich von ihr ablenken."

"Klar."

"Wieso beschäftigst du dich dauernd mit ihr?"

"Ich finde sie halt süß."

Der darauffolgende Blick von Cay war dazu geeignet, Alan in feine Scheibchen zu zerlegen.

"Und seitdem sie sich so nett um mich gekümmert hat", fuhr Alan süffisant fort.

"Wann?"

"Eh, du warst doch dabei!"

"Hä?" Cayvyn machte ein ausgesucht dämliches Gesicht.

"Jedenfalls meine ich, du wärst es gewesen", bemerkte Alan nachdenklich.

"Wobei?"

Alan sah Cay ausgesprochen unschuldig an.

"Na, als sie sich um mich gekümmert hat, natürlich."

"Und wann soll das gewesen sein?" Cayvyn ließ sich tragisch auf einen Stuhl in der Nähe fallen.

"Gestern."

"Ach, das meinst du!" Cay atmete sichtlich auf.

"Was denn sonst?"

"Keine Ahnung. Aber dir traue ich generell alles zu", kam es diplomatisch zurück.

"Das ist ausgesprochen unfair. Ich habe gar nichts gemacht."

"Ausnahmsweise."

"Ausnahmsweise? Typisch! Hast du immer noch etwas dagegen, daß ich sie süß finde?"

"Solange du es beim 'süß finden' beläßt. Hm. Darüber ließe sich notfalls reden."

"Gut, dann werde ich ihr das sagen, sobald ich sie sehe."

Cayvyn sah ihn schockiert an.

"Was guckst du so?"

"Sie wird es bestimmt so verstehen, daß du ihr Avancen machen willst."

"Das ist dann aber nicht meine Schuld."

"Aber du provozierst es!"

"Ich habe sie nun einmal gern, und ich werde ihr das auch mitteilen."

"Könntest du das nicht besser auf Nardia umlenken?"

"Nein."

"Aber Alycia gehört mir!"

"Das glaube ich nicht. Ich würde eher sagen, du gehörst ihr."

"Püh. Gleiches Recht für alle", schmollte Cayvyn.

"Genau das meine ich auch."

"Nicht für dich bezüglich Lisha."

"Das ist Diskriminierung!"

"Richtig."

"Das lasse ich mir aber nicht gefallen. Es steht mir zu, zu mögen, wen ich will."

"Gut. Du magst sie mögen, aber das heißt nicht, daß du versuchen sollst, sie zu verführen."

"Habe ich sowas erwähnt?"

"Es läuft darauf hinaus! Aus irgendeinem mir nicht geläufigen Grund reagiert sie immer sehr eigentümlich auf dich."

Alan lachte amüsiert.

"Das weiß ich nur zu gut! Aber seit dieser 'Reparatur' ist die Sache anders geworden."

"Inwiefern?"

"Nun, ich meine, meine Einstellung zu ihr."

"Und wie ist sie nun?"

"Süß."

"Das verstehe ich nicht", meinte Cay kläglich.

"Hm, mir fällt dazu einiges ein. Niedlich, hübsch, aufregend..."

Cayvyns Blick war erneut tödlich.

"Aber du denkst daran, daß sie meine Gefährtin ist!"

"Ich tue nichts anderes", meinte Alan völlig ernsthaft.

"Hm", brummte Cay.

"Wirklich!" beteuerte Alan.

"Hauptsache, du beherzigst es auch."

"Ich versuche es."

"Ich werde darüber wachen!"

"Seufz", machte Alan.

"Gut."

Alan sah seinen kleinen Bruder tragisch an und seufzte abermals.

Ich frage mich, wie weit sie mittlerweile ist, bemerkte Cayvyn über Funk.

Kann ich nicht sagen. Hoffentlich kommt sie bald zurück.

Grummel.

Alan grinste leicht. Er wollte Acy unbedingt etwas erzählen.

* * *

Unterdessen hatte Alycia Sir Loraynce tatsächlich eingeschüchtert und ihm ein Mittelchen verpaßt, das seinen Widerstand gegen Hypnose und sonstige Befragungen soweit reduzierte, daß sie ihn leicht ausquetschen konnte.

Er erzählte ihr wahrhaftig alles, und es hörte sich 100prozentig genauso an, wie die Story, die Cayvyn nur vermutet hatte. Ts.

Acy steckte den verbrecherischen Adligen in die nächste Stasiskammer, wurde ihre Verkleidung als Stimme der Wahrheit los und stieg anschließend in ein atemberaubendes, tiefrotes Gewand.

So kehrte sie nach Iskavar-1019 zurück.

* * *

Als Alan Alycia bemerkte, stürmte er ihr natürlich gleich entgegen. Sie guckte zunächst irritiert, dann warf sie ihre goldene Lockenpracht zurück und lächelte ihn an. Alan grinste zurück.

"Ich wollte Euch sagen, wie bezaubernd Ihr seid!"

"Danke." Sie senkte dezent den Blick und fragte sich, was Alan diesmal beabsichtigte. Aber es war auf jeden Fall schmeichelhaft, so komplimentiert zu werden.

"Ich bin Euch sehr zu Dank verbunden", meinte er und himmelte sie an.

"Falls Ihr meine 'Erste Hilfe' ob Euerer gestrigen 'Unpäßlichkeit' meint, so seid versichert, daß ich dies als Selbstverständlichkeit betrachte."

"Nicht nur", flüsterte Alan geheimnisvoll.

"Aus welchen Grund noch, Sir Alayn?" Alycia registrierte Cayvyns strafenden Blick und warf diesem eine Kußhand zu.

"Weil Ihr so nett zu mir seid."

"Bin ich das?" Prompt errötete Acy zart.

"Aber ja! Ich bin ganz hingerissen von Euerer Freundlichkeit."

"Ich danke Euch, Sir Alayn." Um ihren Gefährten nicht noch mehr zu verärgern, entschuldigte sich Alycia bei Alan, ging zu Cay und legte hingebungsvoll die Arme um seine Mitte.

Alan ließ es folglich auch erst einmal dabei bewenden, schließlich wollte er Cayvyn nicht zu sehr reizen.

"Cay..." Acy stellte sich auf die Zehenspitzen und tat so, als würde sie an seinem Ohrläppchen herumknabbern. "Ich habe die Beweise", flüsterte sie.

Alan grinste amüsiert, widmete sich dann aber dem Buffet.

"Gut", brummte Cayvyn. "Lisha, ich finde es nicht gut, wenn du andauernd mit Alan herumflirtest!"

"Mylord." Sie schmiegte sich verliebt an ihn. "Das ist doch nur ein harmloses Spielchen."

"Hm." Cay war noch weniger beruhigt, vor allem, da Alan Alycia andauernd heimliche Blicke zuwarf, die sie ebenso heimlich erwiderte. Natürlich versuchte Alan, die Aktion vor Cayvyns gestrengem Auge zu verbergen, was aber gar nicht so einfach war. Aber es machte wahnsinnigen Spaß, fand er.

"Ich habe den Speicherkristall mit Sir Loraynces Geständnis der Bordpolizei übergeben", wisperte Acy Cay zu.

Alan grinste Alycia an. Das war ja optimal! Er zwinkerte ihr zu. Acy gab ihm ein Handzeichen. Im Prinzip war der Fall hier nun erledigt.

"Was macht eigentlich die Konferenz?" erkundigte sie sich nun etwas lauter. Cayvyn runzelte die Stirn.

"Ich glaube, die läuft bestens."

Alan begann, Alycia Botschaften mit Hilfe von Cräckern zu signalisieren. Sie kicherte. Zweimal quadratisch, einmal rund, zweimal quadratisch...

[] O [] O [], O O O [] O, O [] O O [], [] O O [] [], [] O [] O O, [] O O [] [], ... waren die nächsten Zeichen.

"D-U B-I-S-T S-U-E-S-S", buchstabierte Acy und hob die Augenbrauen. Alan versuchte offenbar, wieder einmal den Originalitätspreis im Flirten zu erlangen.

Da sein Opfer anscheinend nicht abgeneigt war, schickte er weiter geheime Botschaften, diesmal mit Hilfe diverser Petits Fours.

Alycia sah gen Decke und versuchte angestrengt, ein Kichern zu unterdrücken. Cayvyn fragte sich unterdessen, warum sie so albern war. Alan war derweil beim vierten Kosenamen angelangt, der ihm für Acy einfiel.

Schließlich signalisierte sie Alan, daß sie es doch lieber sein lassen sollten, denn Cay wurde allmählich ärgerlich. Dies war jedoch genau das, was Alan bezweckte. Er begann, Cayvyns Namen zu buchstabieren.

"Was soll das?" Cay hatte mittlerweile die Kekssignale abgefangen. "Was ist mit mir?"

"Wie?" fragte Alan erstaunt.

"So!" Cayvyn futterte die Kekse in der Reihenfolge, die A-L-A-N ergab. Der tat, als würde er nichts bemerken. Alycia warf Alan einen flehentlichen Blick zu, und er zog fragend die Augenbrauen hoch.

"Ich glaube, es reicht", formte sie mit dem Mund. Alan zog eine Schmollschnute.

Acy spitzte die Lippen zu einem "Oooooh!" und daraufhin warf Alan ihr nun mitleidheischende Blicke zu. Das war endgültig zuviel für sie, und sie verfiel in haltloses Kichern. Cayvyn sah seine Gefährtin besorgt an und nahm sie in die Arme. Auch Alan hatte Schwierigkeiten, ernst zu bleiben.

Völlig unerwartet kamen zwei Bordpolizisten herangestürmt und verhafteten Lady Carolynne von Nidivar.

Naja, wenigstens waren sie jetzt einen Schritt weiter, dachte Alan und stapelte Bonbons zu der Botschaft "Gut gemacht!"

Alycia bekam einen neuerlichen und an dieser Stelle völlig unpassenden Kicheranfall. Alan legte den Finger an die Lippen und brachte die Botschaft in die Form "Pssst!"

Es hatte keinen Zweck. Acy klammerte sich verzeifelt an Cayvyn fest und prustete vor sich hin, was Alans Beherrschung nun auch den Bach herunter gehen ließ.

Cay blickte strafend von Alan zu seiner Gefährtin und wieder zurück. Sein einziger Trost war, daß er sie in den Armen hielt. Alan machte rasch ein ernstes Gesicht.

Die übrigen Anwesenden verstanden weder, worum es ging, noch konnten sie sich Alycia Blades Lachanfall ob einer Verhaftung erklären. Aber diese verrückte Künstlerin war ohnehin etwas merkwürdig.

"Wie lange wird die Konferenz eigentlich noch dauern?" wollte Alan wissen.

"Hm. Lange kann es eigentlich nicht mehr sein. Ich glaube, wir sollten uns bei Duc Yngwayn entschuldigen, so nach dem Motto 'es warten dringende Geschäfte auf Tarishaan auf uns, die uns zur Abreise zwingen'." meinte Acy.

"Dann dürft ihr mich nach Hause bringen", erklärte Alan. "Das Schiff gebe ich auf. Die Kosten werden mich schon nicht an den Bettelstab bringen."

"Okay", stimmte sie zu.

"'Wichtige Geschäfte'", überlegte Cayvyn. "Richtig! Ich werde mich offiziell um eine Lizenz als Privatdetektiv bemühen."

Alan konnte sich gerade noch einen dummen Kommentar verkneifen, aber er zwinkerte Acy vielsagend zu, was Cay natürlich bemerkte.

"Habe ich diesen Fall nicht glänzend gelöst?" fragte er mit einer elegant hochgezogenen Augenbraue.

"Doch, natürlich. Ich bewundere deine Kombinationsgabe", grinste Alan.

"Selbstverständlich hatte auch meine liebreizende Assistentin einen Anteil zur Klärung der Angelegenheit beigetragen."

"Natürlich gebührt auch ihr meine Bewunderung." Alan strahlte Alycia an.

"Danke." Sie musterte Cayvyn kopfschüttelnd. Er hatte also den Fall gelöst?

"Wann werden wir aufbrechen?"

"Sobald wir unsere Sachen zur Starfire gebracht und uns von Duc Yngwayn verabschiedet haben", erklärte Acy.

"Fein. Dann kann ich ja schon mal packen."

"Tu das."

Sie erledigten all jene Kleinigkeiten in knapp einer Stunde und flogen anschließend ins Suune-System zurück.

+ + + 

Nardia war derweil wieder auf Blade Manor angekommen. Sie hatte sich dazu entschlossen, daß Jana Star einmal ausgiebig Urlaub von der ISPC machen würde.

Vielleicht half das, ihren Gemütszustand wieder ins Lot zu bringen, wenn sie für einige Zeit nur noch eine Identität hatte und mal ausspannen konnte. In letzter Zeit war wohl zuviel auf sie eingestürmt.

Danach konnte sie immer noch entscheiden, ob Stardust die ISPC für immer verlassen würde.

- BYE -

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Last modified: 13.04.2002

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