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SvB #11: Mord auf Iskavar-1019 I

©1990 by Shavana & Stayka


3763/03/49 GZ

Alycia Cherylla Blade war glücklich, daß die gestrige Geburtstagsfeier ihres herzallerliebsten Lebensgefährten Sir Cayvyn jetzt überstanden war. Nicht daß sie etwas gegen Cays selbstgewählte 'Eltern' hatte, nein, nur die Tatsache, daß Duchesse Aylanna sich möglichst bald als glückliche Großmutter sehen wollte, nervte Acy doch kolossal. Sie konnte Kinder nun einmal nicht ausstehen, und außerdem machte Cayvyns Konstruktion es diesem zum Glück ohnehin unmöglich, organischen Nachwuchs zu produzieren.

Sie warf einen Blick in die Ecke des Zimmers, wo ihr prunkvolles grüngoldenes Gewand unordentlich zusammengeknüllt auf dem Boden lag, zusammen mit der goldglitzernden Perücke und den sonstigen Accessoirs. Bis auf diesen kleinen Schönheitsfehler war der ganze Raum in peinlichster Ordnung gehalten. Sogar Cayvyns Klamottage war sorgsam zusammengefaltet, als hätte er die einzelnen Falten mit dem Zentimetermaß abgemessen.

Acy seufzte und kuschelte sich an ihren Gefährten.

"Na, wieder wach?" fragte Cayvyn belustigt und zupfte an ihren schulterlangen weißblonden Haaren herum, was Alycia mit einem Schmollmund quittierte.

"So gerade eben. Aber das nächste Mal fordere ich eine richtige Party!"

"War das etwa keine?" erkundigte sich Cay mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Naja."

"Wenn du immer deine Fêten veranstaltest, bist du anschließend gänzlichst fix und fertig", stellte Cayvyn grinsend fest und zog sie enger an sich. "Da ist es mir so entschieden lieber." Er küßte sie.

"Püh!" machte Acy, als sie wieder zu Atem gekommen war.

"Ach, wo du doch naravinische Parties so sehr liebst..."

"Mylord, Eure Äußerung läßt mich Fürchterliches ahnen."

"Aber - Mylady... Ihr erachtet doch eine formelle Einladung meines Vaters nicht als fürchterlich?"

"Eine formelle Einladung deines Vaters?" Alycia ließ sich in die Kissen zurücksinken, soweit das in ihrer derzeitigen Lage möglich war.

"So ist es. Er bittet uns nach Iskavar-1019, wo sich in drei Halbwochen (eine Halbwoche hat 5 Tage, eine Vollwoche 10 Tage.) eine naravinische Delegation und eine Diplomatengruppe von Asgerian II/Eleandelor zu gewissen Gesprächen trifft."

"Eleandelor?" Acy runzelte die Stirn. "Nö, hab ich noch nie was von gehört."

"Asgerian II/Eleandelor ist eine neue Welt, die erste Verbindungen mit fremden Welten sucht, und Naravina lag entfernungsmäßig am nächsten."

"Und was hat dein Vater damit zu tun? Er ist doch lediglich Herzog von Süd-Ayryana, und ich habe noch nie davon gehört, daß er im diplomatischen Dienst beschäftigt wäre."

"Ist er auch nicht." Dies trug Cayvyn einen leicht irritierten Blick von Seiten Alycias ein. "Eleandelor ist für Naravina reichlich uninteressant", fuhr er daher mit seiner Erklärung fort. "Das gilt sowohl für den wirtschaftlichen, als auch den strategischen, als auch für den generellen Standpunkt. Als bekannt wurde, daß ein Botschafter für eine erste intensivere Kontaktaufnahme mit den Eleandern gesucht wurde, waren alle Diplomaten des naravinischen Adels aus unerfindlichen Gründen verhindert. Aus diesem Grund verpflichtete das Adelskonzil in Caraydon den ersten Mann, dessen es habhaft werden konnte und der sich nicht sofort wehrte. Bedauerlicherweise handelte es sich bei diesem Opfer um Duc Yngwayn. Da auch mein Vater diese Angelegenheit nicht sonderlich erhebend findet, hat er offenbar beschlossen, das Unangenehme zumindest mit diversen ausgiebigen Dîners, Brunches, Buffets und anschließenden ausschweifenden Parties zu verbinden."

"Ausschweifende Parties?" fragte Acy ungläubig. Sie konnte sich so etwas bei Duc Yngwayn überhaupt nicht vorstellen. Cayvyn wehrte ab.

"Naja, nicht ganz so schlimm wie gestern bei mir", beschwichtigte er.

"Was sollte das gewesen sein?" Sie schüttelte den Kopf. Ihrer Einschätzung nach war die gestrige Fête steifer gewesen als ein Gala-Ball bei Râofée Vallieux, der aktuellen Regierungschefin von Tarishaan.

"Auf Naravina wäre alles viel gesitteter zugegangen."

"Oh-oh. - Wann soll denn die Sache stattfinden?"

"Wie ich schon sagte, in drei Halbwochen. Am 3763/04/15 GZ, um genau zu sein."

"Seufz!" Alycia sah ihren Lebensgefährten tragisch an, woraufhin dieser beschloß, sie die eine oder andere Runde darüber hinwegzutrösten.

* * *

Nardia Ashni Blade war ausnahmsweise einmal früh aufgestanden und saß nun im Frühstückszimmer. Ihr Bruder Anthony hatte sich heute auch einmal zu ihr gesellt.

"Hast du schon gelesen?" fragte er und hielt ihr die Zeitung entgegen.

REBECCA CRANE-JENISONS SOHN TAUCHT AUF PARTY VON SIR CAYVYN AUF!

Wird Alayn Crane-Jenison in die Fußstapfen seiner Mutter, der berühmten Pianistin, treten?

"Er spielt wundervoll", schwärmte Nardia.

"Klassik", äußerte Tony geringschätzig.

"Mir gefällt es."

"Tse, ich fand es nur bemerkenswert, daß er gerade auf dieser Party zum ersten Mal erscheint."

"Warum denn nicht?" gab Nardia scharf zurück.

"Was reagierst du denn so sauer?" wollte Anthony erstaunt wissen. "Ist es was persönliches?"

"Nein."

"Also, wenn du so ungenießbar bist, gehe ich lieber." Er verzog sich aus dem Frühstückszimmer.

Nardia runzelte die Stirn. Sie wunderte sich, warum sie sich so sehr darüber ärgerte, daß dieser Jung-Pianist es vorgezogen hatte, bei einer Festivität Sir Cayvyns erstmalig aufzukreuzen und nicht auf einem ihrer diversen Gala-Bälle. Egal, jetzt wollte sie erst einmal ihr Frühstück genießen. Sie war aber schon zu gespannt, ob dieser Alayn Crane-Jenison tatsächlich eine Künstlerkarriere starten würde, oder ob er es bei diesem gestrigen improvisierten Auftritt belassen würde. Sie jedenfalls hätte nichts dagegen, wenn er weitermachte; sie liebte Klassik, vor allem wenn sie so gut vorgetragen wurde.

* * *

Acy fluchte. Schon wieder hatte der Honig auf ihrem Brötchen Fluchttendenzen entwickelt. Sie leckte die klebrige Flüssigkeit von ihrem Handgelenk, ehe sie sich über Cayvyn hermachte. Dieser hatte schließlich ebenfalls etwas abgekriegt. Unvermittelt begann die junge Frau zu kichern.

"Glaubst du mir jetzt, daß du süß bist, Cay?"

"Hm." brummelte dieser. "Was steht heute eigentlich an?"

"Keine Ahnung! Du hast doch alle Infos abgespeichert."

"Aber auch ich muß erst auf meine Gedächtnisspeicher zugreifen."

"Du bist faul und verfressen!" Das konnte Cayvyn nicht auf sich sitzen lassen.

"Heute nachmittag wird eine Brauerei in Esderaan eröffnet, und wir sind geladen."

"Eine Brauerei? Seufz! Eine Schokoladenfabrik wäre mir lieber."

"Wer von uns ist hier verfressen?"

"Hmpf!"

Das Viphon summte. Alycia räkelte sich, ehe sie die neonpinke Bettdecke höher zog. Der Code, der auf dem Sichtschirm eingeblendet wurde, zeigte, daß es sich bei dem Anrufer um ihre Halbschwester handelte. Na gut, dann konnte sie auf die neongelbe Perücke und die neonblauen Kontaktlinsen verzichten. Seit der Sache auf Shanjir wußte Nad schließlich Bescheid über ihre diversen Identitäten - und sie auch über die ihrer Schwester.

"Viphon an!"

"Huhu, Acy!" rief Nardia fröhlich.

"Iiiih! - Äh, hallo, Nad." Alycia schleckte einen weiteren Honigklecks von ihrem Arm.

"Was machst du da?"

"Hm. Ich glaube, ich frühstücke gerade."

"Tse", machte Nardia kopfschüttelnd. "Geht ihr heute zu dieser Brauerei-Eröffnung?"

"Gezwungenermaßen. - Biiiiih! Cay, du klebst doch auch!" beschwerte sich Acy, als Cayvyn ihr über den Nacken streichelte.

"Ihr habt Probleme."

"Keine Probleme. Nur Brötchen mit Honig!"

"Hast du etwa gekleckert?" fragte Nad scheinheilig.

"Iiiich? Naja, wenigstens glaubt Cayvyn mir jetzt, daß er süß ist!"

"Ach, hat er das nicht geglaubt?"

"Nein."

"Kann ich nicht verstehen." Nardia musterte Sir Cayvyns kupferrotgoldenen und tatsächlich einmal leicht zerzausten Schopf. Zusammen mit seinen grüngoldenen Augen und dem elfenbeinernen Teint gab er eine überaus attraktive Erscheinung ab.

"Eben!"

"Hey, was soll das?" protestierte der junge naravinische Adlige. "Ich bin hier anwesend, also redet lieber mit mir und nicht über mich!"

"Ich habe Euch gar nicht bemerkt, Sir Cayvyn", meinte Nad treuherzig.

"Entschuldigt, daß ich vergaß, Euch zu begrüßen, Lady Nardia - aber ich hatte ein kleines Honig-Problem."

"Ihr könnt mit meinem Verständnis rechnen."

"Ich bin Euch zu allertiefstem Dank verpflichtet, Lady Nardia."

"Nad, wann fängt die Sache denn an?" mischte sich wieder Alycia ein. "Die Eröffnung der Brauerei, meine ich."

"Ich glaube, so um 14:00 Uhr", erwiderte ihre Schwester nachdenklich.

"Hm. Ich glaube, bis dahin bin ich auch den Honig wieder los." Acy quietschte auf, als Cayvyn sie erneut zärtlich streichelte. "Und du auch!"

"Na, dann will ich euch nicht weiter davon abhalten", meinte Nardia grinsend.

"Gut! Wir treffen uns also da. - So, Cay, und jetzt ab unter die Dusche! - Äh, ciao, Nad!"

"Adieu, Lady Nardia - Ihr hört, ich bin okkupiert."

Nardia grinste ihn noch breiter an, ehe sie abschaltete. Schließlich mußte sie sich auch noch fertig machen.

* * *

Gegen 15:00 Uhr trafen Alycia Blade und Sir Cayvyn bei der Brauerei ein. Acy war nun wieder in ihr obligatorisches Neon-Outfit gewandet, diesmal von Kopf bis Fuß ein Rausch in Neongelb. Cay trug wie meist die traditionellen Farben des Reiches seiner Mutter: Grün und Gold.

Nardia harrte bereits zwei Minuten auf ihrem Platz aus, als die zwei erschienen. Die Verantwortlichen der Eröffnungsfeier seufzten erleichtert und beschlossen, daß sie nun allmählich anfangen könnten. Nad wartete bereits auf das Ende der Zeremonie.

Acy seufzte, als sie die harten Sessel betrachtete, ehe sie beschloß, den ihren zu ignorieren und sich lieber auf Cayvyns Schoß niederzulassen. Sie war ziemlich geschafft und könnte doch eigentlich ein kleines Nickerchen halten, wenn er sie festhielt.

'Unheimlich interessant', dachte Nad genervt, als der Typ da vorne von den Plänen der Brauerei für das kommende Jahr erzählte. Sie versuchte, es sich auf dem Stuhl bequem zu machen, was gar nicht so einfach war.

Alycia war indes dazu übergegangen, an Cayvyns Ohrläppchen herumzuknabbern, woraufhin dieser gewaltsam ein Kichern unterdrücken mußte. Die Signale, die seine Tastsensoren ihm übermittelten, waren zu eigenartig.

Gerade als Acy ein Stoßgebet zur Dunklen Mutter abschickte, daß es nicht bereits Bier zum Testen geben möge, wurden den Besuchern diverse Biersorten angeboten. Nardia verzog angewidert das Gesicht. Igitt!

Jedem der Gäste wurde gnadenlos ein gut gefülltes Glas in die Hand gedrückt, und Nad suchte schon einmal nach einem Blumenkübel, um ihr Trinkgefäß dort auszuleeren. Acy stellte ihres mit dezentem Lächeln auf den Sitz neben sich, wo sie es, als gerade niemand explizit zu ihr hinsah, 'versehentlich' umwarf. Natürlich wurde ihr sogleich ein neues Glas überreicht.

"Ah, danke!" Das Lächeln gefror in Acys Gesicht. Hm. Ihre Schwester hatte offenbar eine Lösung gefunden. Alycia stürmte ebenfalls dorthin.

"Ich werde nie mehr zu so einer Eröffnung gehen!"

"Ich stimme dir zu. - Guckt gerade wer?"

"Nein, du kannst..."

"Guuut." Acys Bier floß ebenfalls in den Pflanzenkübel und sorgte für eine alkoholisierte Shinlen-Palme.

"Seufz. Warum nur?" gab Nardia von sich.

"Keine Ahnung."

"Ich auch nicht."

"Ich will sofort getröstet werden", forderte Acy, und Nardia sah sich suchend um. Cayvyn leerte gerade ein weiteres Glas Bier. "Seufz!" machte Alycia lautstark, in der Hoffnung, daß ihr Gefährte sie hörte, was er natürlich nicht tat. Stattdessen genehmigte er sich ein weiteres Bier.

"Ich bin frustriert", meinte Acy bei diesem Anblick und wandte sich erschüttert ab.

"Ich auch. Es ist grauenhaft."

"Cayvyn säuft!" beschwerte Alycia sich.

"Ein Glück, daß das bei ihm weder wirkt noch ansetzt."

"Das ist aber auch seine einzige Entschuldigung!"

"Tse, ich wette, ihm fallen noch weitere ein."

"Seufz! Er sollte sich lieber etwas anderes einfallen lassen." Acy ließ ihren Blick begehrlich über seine schlanke, hochgewachsene Gestalt schweifen.

"Woran du schon wieder denkst."

"An ihn! - Nur an ihn." Sie verschlang ihn förmlich mit den Augen. Nardia schaute sie amüsiert an.

"Man sieht es."

"Seufz."

"Ich weiß was", meinte Nad und zog ihre Schwester hinter sich her.

"Hä? Was ist?" Alycia verdrehte sich fast den Hals, um noch einen weiteren Blick auf ihren Gefährten zu erhaschen.

"Nun komm schon, wenn wir verschwinden, müssen wir kein Bier trinken, und Cayvyn wird dich bestimmt suchen."

"Stimmt auch wieder", nickte Acy und folgte Nardia eilig. Sie verschwanden hinter einigen Kesseln.

"Hm." Nad schnüffelte. "Wonach riecht es hier?"

"Maische?" Alycia rümpfte die Nase. Auf jeden Fall roch es nicht sonderlich angenehm.

"Nein, nicht das!" Nardia folgte der Spur zu einem kleinen Raum. "Hier. Frisches Brot und Rotwein", verkündete sie nach einem Blick auf den Tisch. Wahrscheinlich hatten ein paar Arbeiter das Essen dort deponiert, doch sie beschloß, dies dezent zu ignorieren, indem sie sich etwas davon schnappte und sich sogleich aus dem Staub machte. Acy tat es ihr gleich. Die beiden Frauen versteckten sich hinter diversen Kisten und schmausten.

"Mampf! Ich liebe diesen Rotwein", meinte Alycia begeistert und setzte erneut die Flasche an die Lippen.

"Mhm", stimmte Nardia zu und trank ebenfalls einen weiteren Schluck.

"Wem das Zeug wohl gehört hat?"

"Ich nehme an, irgendwelchen Arbeitern. Die mögen bestimmt auch kein Bier."

"Wir sollten uns bei ihnen revanchieren."

"Einen Freßkorb?"

"Ja. Mit Rotwein, Käse, Wurst und Broten. Weil sie uns das Leben gerettet haben."

"Genau. Hoffentlich taucht Cayvyn bald auf, dann können wir abhauen."

"Er wird!" Acy schaute sehnsüchtig an den Kisten vorbei.

"Er tut aber noch nicht."

"Seufz!"

"Seufz."

"Lisha?" ertönte es halblaut, und Cayvyns Schopf lünkerte hinter einer Kiste hervor. "Äh, Mylady Alycia!" korrigierte er sich rasch, als er Nardias Gewahr wurde.

"Aha", kommentierte Nad. "Da sucht dich jemand."

"Endlich!"

"Dann können wir wohl abhauen."

"Moment!" Acy sprang auf ihren Gefährten zu und gab ihm einen Kuß. Anschließend verzog sie das Gesicht. "Bah, Cay, du schmeckst nach Bier!"

"Ich würde gerne diesem Gestank entfliehen." Nardia schüttelte sich.

Alycia sah Cayvyn bittend an, und dieser hob sie auf die Arme. "Gehen wir", meinte sie, während sie sich an ihn schmiegte.

"Fein." Nad stürmte nach draußen, und Acy wurde von Sir Cayvyn hinterhertransportiert.

'Püh, und ich muß wieder latschen', dachte Nardia. Und das, wo der Wein langsam einige Auswirkungen zeigte. Was war das bloß für eine Sorte gewesen? Seufz.

"Und was machen wir jetzt?" wollte Acy wissen. Am liebsten würde sie ja wieder mit ihrem Schatz in der Villa Alycia verschwinden. Nad zuckte mit den Schultern.

"Heute ist eigentlich noch die Party im Museum."

"Ist sie?"

"Ist sie!"

"Und? Ist da was los?"

"Natürlich nicht."

"Seufz! Muß ich da hin?"

"Ihr müßt, Mylady Alycia", sagte Cayvyn bestimmt.

"Finde ich auch", stimmte Nardia zu. "Ihr könnt mich doch nicht alleine lassen. Außerdem ist es dein Bild, das heute dort enthüllt wird."

"Ich wüßte aber was besseres."

"Meinst du, ich nicht?"

"Aber das, was ich wüßte ist noch besser." Acy warf Cayvyn einen nicht jugendfreien Blick zu.

"Acy, du kannst mich doch nicht so im Stich lassen", empörte sich ihre Schwester.

"Na gut. Aber du kommst auch mit", sagte Alycia kategorisch zu Cayvyn, und dieser nickte beruhigend.

"Schön", meinte Nad. "Also auf zum Museum."

Cayvyn, der seine Gefährtin die ganze Zeit getragen hatte, schleppte sie nun auch aus der Brauerei hinaus, und Nardia trottete hinterher. Draußen war es ziemlich frisch, schließlich begann übermorgen laut Kalender der Winter in dieser Hemisphäre von Tarishaan.

"Wo ist das Museum?" wollte Acy wissen. Sie wollte so bald wie möglich wieder in wärmere Gefilde.

"Na, da, wo es schon immer war, in der Rue D'Arcy!"

"Gut. Gehen wir."

"Zu Fuß?" fragte Nardia entsetzt.

"Solange mein Schatz mich trägt. Aber im Ernst - mein Gleiter steht vor der Tür."

"Wie schön. Ich bin nämlich mit dem Taxi gekommen, da mein Gleiter kaputt ist."

"Gut, dann komm mit."

"Tu ich."

Die drei verschwanden in Acys neonpinkfarbenem Aero-Shuttle (planetengebundener Gleiter, nicht raumtauglich), und Sir Cayvyn steuerte dieses zum Kunsthistorischen Museum von Ashteera. Nardia lehnte ziemlich müde im Sitz. Sie hätte doch nicht soviel von dem Wein trinken sollen.

"Sind wir bald da?" quengelte Alycia. Sie wollte das mit dem Museum so schnell wie möglich erledigen und dann endlich nach Hause, und dabei vornehmlich ins Bett. Nardia war verdächtig ruhig, da sie schon halb schlief.

"Mesdames, wir sind da", äußerte sich Cayvyn.

"Grummel", kam es von Nad, und sie rollte sich auf die andere Seite.

"Cay, geh du für mich", schlug Alycia vor, doch dieser hob sie aus dem Gleiter und stellte sie auf dem Fußweg ab. Nardia hatte nicht die geringste Lust aufzustehen, aber auch sie wurde nach draußen verfrachtet.

"Ich bin so müde", maulte Nad.

"Ich auch!"

Cayvyn seufzte und hob kurzerhand einfach beide Ladies auf die Arme. Das gefiel Nardia zwar auch nicht, aber immerhin war es besser als zu laufen, denn sie hegte die Befürchtung, daß sie sich augenblicklich nur im Zickzack-Kurs voranbewegen würde.

"Cay, was soll das?" beschwerte sich Acy. "Nad ist zwar meine Schwester, aber mußt du sie deshalb abschleppen?"

"Sie ist blau."

"Gar nicht wahr", maulte diese.

"Ist das ein Grund?" wollte Alycia wissen.

"Was ist ein Grund?" fragte Nardia verwirrt.

"Daß Cayvyn dich trägt!"

"Warum tut er das?" Nardia klang sehr irritiert.

"Das will ich auch wissen!"

"Ich habe heute meinen sozialen Tag", kam es von Sir Cayvyn.

"Fein. Aber ich habe den Verdacht, daß das da vorne Reporter sind." machte Nad ihn nach einem Blick in die Gegend aufmerksam.

"Zu spät!" stellte Acy seufzend fest, als einige der Reporter schon eifrig filmten. Nardia beschloß, sogleich das Bewußtsein zu verlieren, damit sie keine Fragen beantworten mußte.

"Sir Cayvyn!" rief der Reporter an der Spitze der Horde. "Was ist geschehen?"

"Die Damen scheinen müde zu sein."

"Mir scheint eher, als hätten sie einen über den Durst getrunken."

"So könnte man es auch formulieren."

"Wirklich? Das ist ja interessant." Der Typ zischte los, um diese Meldung sogleich weiterzugeben.

"Seufz", machte Alycia unvorsichtigerweise. Es rächte sich sofort.

"Mademoiselle Blade, was sagen Sie dazu?" Acy wurde ein Mikro unter die Nase gehalten, doch sie brachte nur ein neuerliches 'Seufz' heraus.

"Vielen Dank für dieses Interview!" Auch dieser Reporter machte sich auf und davon. Alycia guckte ihm indigniert hinterher. Nardia bemühte sich, völlig reglos zu bleiben, denn das war auf jeden Fall die ungefährlichste Methode.

"Ich hoffe, es kommen nicht noch mehr." Acy vergrub ihr Gesicht an Cayvyns Schulter. Aber anscheinend hatten die Reporter genügend anderweitiges Material, denn es kamen keine nach.

"Wo ist jetzt das Museum?" Vor lauter Menschen war gar nichts zu sehen.

"Buäh", machte Nad. "Da ist es aber voll!"

"Sir Cayvyn beschützt mich", erklärte Alycia.

"Ich glaube, ich will doch nicht da rein!" Nardia strampelte herum, um in die andere Richtung zu gelangen.

"Cayvyn wird es nicht daran hindern", prophezeite Acy.

"Ich will aber nicht!"

"Keine Chance", unkte ihre Schwester.

"Laßt mich sofort herunter, Sir Cayvyn!" Jener ignorierte sie dezent und steuerte durch die Massen.

"Sir Cayvyn, laßt mich auf der Stelle los!"

"Ihr könnt nicht stehen", war die Antwort.

"Das ist mein Problem."

"...daher trage ich Euch."

"Ich will aber nicht herumgeschleppt werden!"

"Und was tut Ihr, wo Ihr doch nicht stehen könnt, wenn ich Euch abstelle?"

"Ich kann es aber, und wenn ich es nicht könnte, würde ich mich eben setzen."

"Dann werde ich Euch zum nächsten Stuhl befördern."

"Ich brauche keinen Stuhl!"

"Eine Sitzbank oder eine Couch?"

"Auch nicht. Laßt mich einfach hinunter."

"Ihr sagtet doch, Ihr müßtet Euch setzen."

"Ich sagte, wenn ich nicht stehen könnte, müßte ich mich setzen!"

"Und davor sagtet Ihr, Ihr könntet nicht stehen."

"Habe ich das gesagt?"

"Indirekt. So, da sind wir." Cay legte Nardia auf einer Bank ab, von der sie sich sogleich hochstemmte. Na bitte, es ging doch! Sie konnte stehen - auch wenn sie sich festhalten mußte. Alycia beschloß, lieber da zu bleiben, wo sie war und zupfte hingebungsvoll an Cayvyns Haaren herum.

"Und wo ist nun die Party?" erkundigte sie sich bei ihrer Schwester.

"Keine Ahnung. Vielleicht da hinten." Nad deutete auf einen besonders großen Menschenknäuel.

"Und was wollen wir überhaupt hier?" fragte Acy gestreßt.

"Weiß ich nicht", kam es von Nardia. "Mir ist übel."

"Ich will lieber etwas essen. Vielleicht vertreibt das den Nebel aus meinem Kopf?"

"Hält mal jemand den Raum an? Er rotiert", beschwerte sich Nardia.

"Im oder gegen den Uhrzeigersinn?"

"Frag mich doch nicht sowas Schweres. - Ich glaube, es wechselt in periodischen Abständen von linksrum nach rechtsrum, und dann Salto!"

"Oh! Ich bin nur in so einer ...Stimmung." Acy kuschelte sich in absolut eineindeutiger Manier an Cayvyn.

"Tse!" Nardia schob sich an der Wand entlang.

"Cay... Duuu..." Alycia vergrub ihr Gesicht in Cayvyns Kupferschopf. "Ich habe unheimliche Lust, von hier zu verschwinden."

"Ich kann mir eher ein paar andere Dinge denken, zu denen du offensichtlich Lust hast." Cay verzog belustigt das Gesicht. "Und das, wo ich heute keine Anti-Rausch-Tabletten dabei habe", seufzte er.

"Dann sollten wir sofort gehen", meinte Nardia. Acy war inzwischen dazu übergegangen, Cayvyn zärtlich über Hals und Wange zu streicheln.

"Ich sehe ein paar Reporter nahen", warnte Nad.

"Lisha!" sagte Cayvyn mahnend und zupfte seinen Overall wieder zurecht. Nardia kicherte und umklammerte eine komische Säule, die unerwartet im Weg stand. Acy tat ähnliches, nur mit ihrem Gefährten, wobei dieser verzweifelt versuchte, wenigstens halbwegs die Form zu wahren.

"Huhu!" machte Nardia und winkte den Reportern.

"Oh-oh", stöhnte Cayvyn auf. "Lady Nardia - wie konntet Ihr nur..." Er zog abermals den Verschluß seines Anzuges zu. "Lisha!"

Nad versteckte sich hinter der Säule und kicherte vor sich hin.

"Cay... Ich liebe dich", seufzte Acy hingebungsvoll, und Cay schwor sich, nie wieder ohne Anti-Rausch-Tabletten aus dem Haus zu gehen. Alycia schien sehr determiniert, ihre Aussage auch praktisch untermauern zu wollen.

Nardia sah neugierig zu ihnen herüber. Die Reporter hatten eigentümlicherweise einen abrupten Schwenk nach rechts gemacht, da sich dort irgendeine andere Attraktion bot. Acy schmiegte sich weiterhin an Cay.

"Müssen wir noch hierbleiben?"

"Es ist dein neustes Kunstwerk, das hier enthüllt wird."

"Seufz!"

"Seufz", machte auch Nardia, denn sie konnte diese 'Kunstwerke' doch nicht ausstehen.

"Ich würde lieber ein anderes Kunstwerk enthüllen", bemerkte Acy und betrachtete Cayvyn eingehendst.

"Hm." Nardia sah diesen ebenfalls prüfend an.

"Hey! Der gehört mir!" protestierte Alycia und schlang besitzergreifend die Arme noch fester um ihn. Cayvyn konnte ein Lächeln ob dieses vehementen Besitzanspruchs nicht unterdrücken.

"Das weiß ich ja", beschwichtigte Nardia.

"Gut." Cayvyn schüttelte nur den Kopf.

"Was ist das denn für ein Kunstwerk?" erkundigte sich Nad bei ihrer Schwester.

"Es ist ein Tryptichon in vier Teilen."

"Sowas gibt es?"

"Spätestens seit heute. Er heißt 'Meine Liebe'."

Nardia sah sie verwirrt an. Naja.

"Es sind Variationen über das Thema 'Sir Cayvyn'", erläuterte Alycia.

"Er tut mir leid."

"Püh!"

"Vielleicht sollten wir jetzt dahin gehen", schlug Nad vor.

"Na gut." Acy schmachtete Cay an, und dieser beförderte sie zu ihrem Ehrenplatz. Nardia erreichte ihre Sitzgelegenheit, indem sie an der Wand entlang wanderte. "Wer enthüllt das Gerät eigentlich?" wollte die Künstlerin wissen.

"Keine Ahnung", erwiderte Nardia.

"Ich will nach Hause!" Alycia kippte zur Seite und fiel in Cayvyns Arme.

"Ich auch!"

"Ich darf aber nicht", schmollte Acy.

"Was hält mich eigentlich davon ab, nach Hause zu gehen?" fragte sich Nad verwundert.

"Du bist der Ehrengast!"

"Ach ja? Ist mir neu."

"Ist aber so."

"Seufz!"

"Ich will raus!" Alycia sprang auf, rannte zu ihrem Bild und rupfte die Umhüllung herunter.

"Hi Leute, ich bin A.C. Blade, und das ist mein neustes Werk, das alleine meinem herzallerliebsten Sir Cayvyn gewidmet ist und daher den beziehungsreichen Titel 'Meine Liebe' trägt. So, und jetzt gehe ich nach Hause."

Nardia konnte dem Ganzen nicht so recht folgen, dazu war ihr Gehirn etwas zu benebelt.

"Okay, Cay, gehen wir!" Acy zog ihren Gefährten in die Höhe. "Nad, du kannst jetzt auch gehen. Wir sind hier fertig."

"Schön." Nardia stemmte sich erneut in die Höhe. Buäh, sie konnte immer noch nicht gerade gehen.

"Wartet, Lady Nardia." Prompt fand Nad sich neben Acy auf Sir Cayvyns Armen wieder.

"Humpf, was soll denn das schon wieder?"

"Wir gehen", verkündete Sir Cayvyn und schleppte 'seine' Ladies in den Gleiter zurück.

"Ich hasse das!"

"Was?" Cayvyn guckte amüsiert.

"Dieses Herumgeschleppe!"

"Ihr seid indisponiert."

"Grummel."

Cay legte die beiden Frauen in den Fond des Gleiters und fuhr los in Richtung Blade Manor. Nardia rollte sich zusammen und schlief gleich ein.

Cayvyn seufzte tragisch. Menschen! Insbesondere menschliche Frauen. Er lud Nardia Blade auf deren Wohnsitz ab, ehe er zur Villa Alycia durchstartete (via TM (Transmit)-Tor vom Garten aus, um genau zu sein.). Dort wollte er Acy eigentlich auch nur ablegen, mußte dann aber mit beträchtlichem Amüsement feststellen, daß sie offenbar noch über außerordentliche Energiereserven verfügte.

Irgendwann später beschloß Alycia aber doch noch, ihren Rausch auszuschlafen.

* * *

3763/03/50 GZ

Nardia schlug die Augen auf und schloß sie sogleich wieder. Ihr Kopf drohte zu zerspringen. Was war nur in dem Wein gewesen? Seufz.

Sie tastete sich zum Bad und schluckte erst einmal ein Mittel gegen diesen Kater, dann beschloß sie, Acy anzurufen, um sie zu fragen, ob ihr auch so schlecht war. Nad aktiviert das Viphon.

"Acy?"

"Ich wünsche Euch einen Guten Morgen, Lady Nardia", wurde sie von Sir Cayvyn begrüßt.

"Guten Morgen, Sir Cayvyn", erwiderte Nardia. Hoffentlich wirkte die Tablette bald.

"Was ist Euer Begehr?"

"Ist Acy da?"

"Moment. - Mein Herz, geruht Ihr, Euch zu erheben?"

"Ich bin tot!" kam es dumpf unter einem Haufen neonfarbenem Bettzeug hervor.

"Hast du auch das Gefühl, in dem Wein war etwas drin?"

"Mumpf." Endlich hatte Alycia sich aus den Kissen emporgewühlt. "Doch. Kleine Männchen mit Schmiedehämmern, die sich im Augenblick alle in meinem Kopf austoben. Aber sonst war er guuut!" Sie schlang die Arme um ihren Lebensgefährten. Nad musterte sie fragend.

"Ich werde nie wieder etwas trinken, das ich nicht kenne."

"Es wäre sinnig", stimmte Acy zu und ließ Cayvyn dabei nicht los. Sie legte den Kopf an seine Schulter.

"Hm", machte Nardia. "Was haben wir eigentlich heute vor?"

"Ich wüßte da schon was", überlegte Acy, denn dabei vergaß sie in der Regel alle Zipperlein und sonstigen Beschwerden.

"Und was?" fragte Nad scheinheilig.

"Seufz!" Alycia versuchte, Cay zu kitzeln, doch dieser ignorierte es geflissentlich.

"Aha! Und ist dir inzwischen eingefallen, was auf dem Terminkalender steht?"

"Mir? Schwerlich. Aber - Cay?"

"Wenn es denn sein muß. Heute veranstaltet Mademoiselle Nardia Blade eine Straßenparty in Warleen (Kleinstadt in der Nähe Ashteeras; ca. 10 Gleiterminuten von Blade Manor entfernt)."

"Huch", machte Nad entgeistert. "Davon weiß ich ja gar nichts!"

"Dem ist aber so", verkündete Cayvyn hoheitsvoll.

"Ich glaube Euch doch. Aber warum hat mir niemand was davon gesagt?"

"Ich habe es getan."

"Jetzt! Ich hätte es aber doch gerne etwas früher gewußt. Ich hasse es, wenn ich mich beeilen muß."

"Bin ich Euer Terminverwalter?" Cayvyn hob indigniert eine Augenbraue, ehe er sich an seine Gefährtin wandte. "Aber Mylady!" meinte er mit einem Tonfall zwischen Belustigung und Tadel, als diese nicht lockerließ und ihn weiterhin mit Streicheleinheiten verwöhnte.

"Natürlich nicht, aber Ihr hättet es besser gar nicht erwähnen sollen, dann hätte ich es einfach verpaßt."

"Ich nahm an, Ihr beabsichtigtet, die Fête auszurichten?"

"Ich glaube nicht, daß ich das wollte", bemerkte Nardia nachdenklich.

"Und was wolltet Ihr dann?" Cayvyn stellte fest, daß Alycia es nun doch geschafft hatte, seine Frisur völlig zu zerzausen. Er sah sie zärtlich an und fuhr ihr seinerseits durch die Haare.

"Das weiß ich eben nicht. Ich sollte mir doch einmal meine Verpflichtungen notieren."

"Dies wäre anzuraten, Lady Nardia", stellte Sir Cayvyn fest.

"Püh!" machte Nad. "Ich werde mich nun lieber darum kümmern, daß dieses Fest doch noch stattfindet. Tschüs, Acy!"

"Moment, wann fängt es denn an?" erkundigte sich diese.

"Frag doch Sir Cayvyn", maulte Nardia und schaltete ab.

"Nun, Cay, wann ist es?"

"Jetzt noch nicht", versicherte er und beschloß, sich bis auf weiteres bei ihr für die Zärtlichkeiten zu revanchieren.

* * *

Nardia schaffte es tatsächlich, die Straßenparty aus dem Stand zu organisieren, auch wenn sie dafür ihren ganzen Einfluß geltend machen mußte. Nun allerdings war sie völlig geschafft. Dieser blöde Wein, dachte sie genervt, während sie die letzten Anweisungen gab. Die Party konnte anfangen, und das mit nur einer halben Stunde Verspätung.

Etwa 250 Minuten nach Beginn der Fête fuhren Alycia und Sir Cayvyn mit Acys neonpinkem Gleiter vor.

Nardia hatte sich eine ruhige Ecke gesucht und wollte nur bis zum Ende der Party nicht mehr gestört werden. Leider war sie ja gezwungen, hierzubleiben. Seufz.

Cay und Acy waren derweil aus dem Aero-Shuttle gestiegen. Zur Abwechslung trug Cayvyn heute einmal Kupfer und Violett, die Farben von Süd-Ayryana, dem Herzogtum seines Vaters, während Alycia sich für ein neongelbes Thermo-Ensemble zu einer neon-bonbonfarbenen Perücke entschieden hatte. Sie hatte keine Lust, sich schon wieder einen abzufrieren.

"Hallo Nad!" rief sie fröhlich.

"Sprich mich nicht an", brummelte Nardia.

"Warum nicht?"

"Mir ist immer noch schlecht."

"Komisch. Mir ist von dem Wein nicht schlecht geworden - nur anders."

"Mir ist aber schlecht!"

"Wollt Ihr eine Anti-Rausch-Tablette?" erkundigte sich Sir Cayvyn hilfsbereit.

"Die helfen nicht."

"In der Tat?" Also, Lisha hatten sie kuriert.

"In der Tat!"

"Was habt Ihr bloß zu Euch genommen?" Er musterte sowohl Nardia als auch seine Gefährtin besorgt. Acy hatte das was-auch-immer-es-war doch ebenfalls inkorporiert! Aber irgendwie schien es bei ihr eine leicht differierende Wirkung gezeitigt zu haben. Beim Gedanken daran konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Ich weiß nicht, was es war", jammerte Nardia. "Aber ich werde es bestimmt nicht nochmal anrühren!"

"Ein weiser Entschluß, wenngleich es mir auch schleierhaft ist, wie Ihr einen Bogen darum machen wollt, wenn Ihr nicht wißt, was es war."

"Ich werde einfach nichts mehr trinken, was so aussieht", meinte Nad.

"Wie sah es denn aus?"

"Lecker!" kam es von Acy. Bei dem Gedanken an das Zeug wurde Nardia ganz grün im Gesicht.

"Entschuldigung", meinte sie nur, bevor sie davonsauste.

"Ihr ist schlecht", sagte Alycia erstaunt, ehe sie den Arm um Cayvyns Mitte schlang. "Mir aber nicht", bemerkte sie dann mit einem auffordernden Blick.

"Hast du immer noch nicht genug?" erkundigte sich Cayvyn belustigt. "Und nachher beschwerst du dich dann, daß du total kaputt bist, Muskelkater hast und was sonst."

"Püh!" Acy sah ihn schmollend an.

"Lady Alycia, Sir Cayvyn! Ich bin erfreut, Euch hier zu begegnen", ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen.

"Sir Alayn!" Cay drehte sich um und neigte grüßend den Kopf.

"Hi", sagte Alycia nur und schmiegte sich an ihren Gefährten.

"Habt Ihr bereits ein Buffet hier entdeckt?" wollte Cayvyn wissen.

"Ja, es ist dort hinten. Vorzügliche Häppchen sind darunter." Alayn Crane-Jenison wies auf einen sehr langen Tisch, der von gewaltigen Menschenmassen umlagert war.

"Sehr gut", kommentierte Sir Cayvyn und machte sich prompt auf den Weg. Acy blieb zurück, da sie auf Fressalien derzeit keinerlei Appetit hatte. Sie schaute Cay sehnsüchtig hinterher. Alan lächelte amüsiert.

"Ihr habt keinen Appetit?"

"Hmmmm", machte Alycia gedehnt und riß den Blick von Cayvyn los.

"Anscheinend doch - aber nicht auf die angebotenen Leckereien", konstatierte ihr Gegenüber daraufhin.

"Püh!"

"Soll ich mich aus Euerer Nähe entfernen?" fragte Alan vorsichtig.

"Warum denn das?"

"Ihr saht mich so komisch an."

"Glaubt Ihr, ich falle über arme, wehrlose Männer her, nur weil mein herzallerliebster Lebensgefährte gerade anderweitig beschäftigt ist?" Acy lächelte erheitert.

"Natürlich nicht. Außerdem habe ich da bestimmt nichts zu befürchten."

"Zweifellos." Nun grinste Alycia ihn breit an. "Abgesehen davon habe ich beschlossen, Cayvyn niemals mehr untreu zu werden."

Alan sah sie irritiert an. "Tatsächlich?"

"Wahrlich."

"Und - hat Cayvyn Ähnliches vor?"

"Ich habe ihn noch nicht gefragt."

"Gut", sagte Alan. Er mußte Ryko unbedingt diesbezüglich interviewen. Acy legte die Stirn in Falten.

"Was heißt das denn schon wieder?"

"Nichts besonderes."

"Hey! Was sollte das bedeuten?"

"Was?" fragte Alan mehr als nur scheinheilig.

"Daß du es gut findest, daß ich ihn nicht gefragt habe, ob er beabsichtigt, mir fortan treu zu bleiben!"

"Das habe ich nicht gemeint", wehrte er ab.

"Alan Dale", sagte Alycia leise und unüberhörbar drohend. "Ich weiß nicht wie, aber ich habe das untrügliche Gefühl, du hast einen fühlbar schlechten Einfluß auf meinen herzallerliebsten Sir Cayvyn!"

"Ich fühle mich überhaupt nicht angesprochen", meinte Alan. "Und außerdem weiß Cayvyn durchaus alleine, was er will."

"Das streite ich ihm auch nicht ab - aber diese ganzen seltsamen Ideen, die er in letzter Zeit hat, sind bestimmt nicht auf seinem Mist gewachsen!"

"Was für seltsame Ideen?"

"Kein Kommentar", knurrte Acy.

"Das hat er ganz bestimmt nicht von mir."

"Von wem sonst?"

"Was weiß ich, wo er sich herumtreibt."

"Cayvyn treibt sich nicht herum!"

"Nicht?"

"Nein. Dazu hat er gar keine Zeit."

Alan lachte. "Hat er nicht?"

"So lange er mit mir zusammen ist - garantiert nicht." Alycia grinste ihr Gegenüber an.

"Das wage ich nicht abzustreiten."

Na bitte!"

"Aber schließlich bist du nicht immer da", bemerkte Alan leise. Ehe Acy eine hitzige Entgegnung loswerden konnte, war Nad zurückgekehrt. "Lady Nardia, ich bin erfreut, Euch wiederzusehen", begrüßte Alan sie.

"Ganz meinerseits." Die junge Frau sah immer noch etwas bleich aus. Alycia holte tief Luft, um sich wieder abzuregen.

'Darüber sprechen wir noch, Alan', dachte sie. Zu ihrer Schwester gewandt, meinte sie besorgt: "Nun, geht es dir wieder besser?"

"Das sage ich dir, sobald ich es weiß."

Endlich kehrte Sir Cayvyn zurück. Er balancierte zwei Teller mit Hors d'Oevres vor sich her. Acy stürmte zu ihm hin und legte demonstrativ einen Arm um seine Mitte. Cay hob verwundert die Augenbrauen, und Alan betrachtete die beiden amüsiert.

"Fühlt Ihr Euch nicht wohl?" erkundigte er sich anschließend bei Nardia.

"Nein, wie kommt Ihr darauf!" fauchte diese ihn an, und Alan blickte sie verwirrt an. "Entschuldigt, Sir Alayn", mäßigte sie ihren Ton etwas, "aber es geht mir wirklich nicht besonders."

Unterdessen stibitzte Alycia ihrem Gefährten ein paar Häppchen.

"Cayvyn, ich möchte dich etwas fragen." Sie mußte es hier und sofort tun, bevor Alan ihm wieder dumme Ideen eingab.

"Dann tut es doch, Mylady", erwiderte Cay amüsiert.

"Es ist mir sehr wichtig!"

"Und was wäre das?"

"Würdet Ihr mir Euer Wort geben, daß Ihr mir niemals mehr untreu werdet?" Cayvyn sah sie sehr eigentümlich an.

"Warum fragt Ihr dieses?"

"Weil ich Euch in innigster Liebe verbunden bin." Alycia legte den Kopf an seine Brust.

Alan konnte es nicht fassen. Er mußte sich schwer zusammenreißen, um nicht laut zu lachen. Auch Nardia verfolgte das Geschehen mit einem mehr als nur nachdenklichen Blick. Wie konnte Acy mitten auf der Straße so eine Frage stellen? Naja, aber sie wäre nicht Alycia Cherylla Khyshisall-Blade, wenn sie nicht andauernd solch verrückte Einfälle hätte.

"Nun?" Acy sah erwartungsvoll zu ihrem Gefährten auf.

"Nun was?" meinte Cayvyn ausweichend. Völlig überraschend drehte sich Alycia um und funkelte Alan wütend an.

"Ich wußte es!" fauchte sie. "Du bist doch dran schuld!"

Dieser sah sie betont verständnislos an. Acy schaute von Alan zu Cayvyn und zurück, ehe sie zornbebend mit dem Fuß aufstampfte und schnurstracks zum Buffet düste.

Alan zuckte mit den Schultern und blickte Cayvyn fragend an.

Was ist denn los gewesen? erkundigte sich dieser für die Umstehenden unhörbar über Funk bei seinem 'Bruder'.

Sie hat mir die Schuld gegeben, daß du dich anders benimmst als vorher.

Das habe ich befürchtet, seufzte Cay gedanklich. Sie hat es doch bemerkt.

Warum weichst du auch plötzlich unangenehmen Fragen genau auf die gleiche Art aus wie ich?

Was hätte ich denn sonst darauf sagen sollen? Du weißt doch, daß ich a) nicht direkt lüge und b) mein Wort unter allen Umständen halte.

Weiß ich auch nicht. Mich hat noch niemand sowas gefragt.

Seufz.

Du hast ein wahrlich schweres Los zu tragen, meinte Alan amüsiert.

Nein - es geht um etwas anderes. Ich hätte ihr beinahe mein Wort gegeben.

Alan sah ihn entsetzt an. Du bist wohl verrückt!

Hm. Darüber bin ich mir zur Zeit nicht ganz im Klaren.

Das kannst du auch nicht ernst meinen! Nein. Das wäre das Falscheste, was du tun könntest.

Warum?

Wenn du etwas derartiges versprichst... Alan verstummte. Das war wirklich nicht leicht zu erklären. Es wäre eine völlige Abhängigkeit - war das das richtige Wort? Er wußte es auch nicht, aber so etwas zu tun, entsetzte ihn zutiefst.

Was ist dann? Cayvyn verstand nicht ganz.

Du wärst an dein Wort gebunden!

Und?

Und? Alan klang irgendwie genervt. Ich kann es einfach nicht erklären - es läßt sich nicht in Worte fassen!

Aber ich verstehe es nicht.

Seufz. Wie kann man Gefühle erklären? Ich jedenfalls würde sowas nie versprechen.

Und warum nicht?

Ryko, du bist nervtötend! Ich kann es nicht erklären.

Seufz. Cayvyn sah zum Buffet herüber, wo seine Gefährtin sich einen Berg Süßigkeiten auf einen Teller gehäuft hatte. Ich kann es nicht ertragen, wenn sie wütend oder unglücklich ist, meinte er nachdenklich.

Du bist schon ein schwerwiegender Fall, sagte Alan gestreßt. Ich glaube, ohne sie wärst du wirklich verloren.

Aber ich kann mir das Phänomen nicht erklären, und daher beunruhigt es mich, führte Cay seinen Gedankengang fort.

Ich kann es auch nicht, da ich nie etwas derartiges erlebt habe.

Wer weiß - vielleicht steht dir das noch bevor?

Bloß nicht! Ich kann darauf verzichten.

Warum?

Wenn ich deine Probleme sehe...

Habe ich Probleme? Cayvyn sah seinen 'Bruder' mit großen Augen an. Ich weiß nicht, ob es ein Problem ist.

Nicht? Was ist es dann?

Alles höchst kompliziert. Meinst du, ich liebe sie tatsächlich? Mir fehlen leider exakte Definitionen bezüglich dieser Empfindung.

Keine Ahnung. Ich habe nie jemanden geliebt.

Warum sind Menschen und ihre Gefühle nur so kompliziert? seufzte Cayvyn gefrustet.

Weil es Menschen sind, würde ich sagen.

Vermutlich hast du recht.

Seufz.

Nardia sah die beiden schon die ganze Zeit mißtrauisch an. Was machten die da? Sie schienen sich zu unterhalten, aber sie hörte kein Wort. Das hatte sie doch schon des öfteren gesehen, überlegte sie stirnrunzelnd. Sollte das heißen, daß dieser Sir Alayn auch ein Androide war? Sie kannte beileibe schon genug von dieser Sorte - ob das jemals ein Ende nahm?

"Ich bin gleich wieder da", verkündete Cayvyn nun wieder akustisch und düste zum Buffet, um mit Alycia auf den Armen zurückzukehren.

"Wie nett, daß Ihr Euch wieder zu uns gesellt", meinte Alan zu Acy, woraufhin diese ihn anknurrte. Cay sah seine Gefährtin zärtlich an, und sie runzelte die Stirn. Was sollte das schon wieder vorstellen?

"Mylady Alycia", meinte Sir Cayvyn aus einem unerwarteten, nicht-rationalen Impuls heraus. "Wenn ich wüßte, ob meine ...Gefühle tatsächlich der klassischen menschlichen Definition entsprächen, würde ich Euch zu gerne sagen, daß ich Euch liebte."

Acy guckte ihn sehr irritiert an. Sollte das tatsächlich eine Liebeserklärung gewesen sein? Sie unterdrückte gerade noch ein verwirrtes '?'

Nardia war ebenfalls sprachlos. Was war das? Eine Liebeserklärung? Sie konnte es einfach nicht fassen. Alan war ebenso irritiert, aber im Nachhinein betrachtet, konnte Rykos Aussage so ziemlich alles bedeuten.

Alycia war sich auch nicht ganz im Klaren darüber, was sie davon halten sollte. Es waren eindeutig zu viele Konjunktiv-Konstruktionen in seinem Satz gewesen - Aber es war nahe dran, sehr nahe.

Nad fragte sich indes, was eigentlich hier vorging. Irgendwie konnte sie dem nicht ganz folgen.

"Cay", meinte Acy plötzlich, denn nun war ihr klar, was die Aktion zu bedeuten hatte. "Was hast du ausgefressen?"

Nardia sah Sir Cayvyn verwundert an. Was sollte er getan haben? Alan fand, daß Alycia eindeutig zu mißtrauisch war, denn er war sich ziemlich sicher, daß Ryko seine Aussage sehr ernst gemeint hatte.

"Gar nichts!" Cayvyn guckte seine Partnerin zutiefst verletzt an, und am liebsten hätte er sie einfach zu Boden plumpsen lassen. Da rang er sich einmal dazu durch, seinen Gefühlen verbal Ausdruck zu verleihen - und was geschah? Lisha nahm ihn nicht ernst. Er sah sie tragisch an, und Alan hätte Acy am liebsten tüchtig durchgeschüttelt. Wie konnte sie Ryko so etwas unterstellen! So wenig er dessen Zuneigung zu Blackfire verstehen konnte, so wenig gefiel es ihm, wie diese Ryko behandelte.

"Hey, Cay... So habe ich das doch auch nicht gemeint. - Ach, verdammt!" Alycia sprang von seinen Armen und rannte von hinnen. Sie mußte entschieden nachdenken.

Was war denn nun schon wieder, fragte sich Nardia ärgerlich. Warum stand sie hier bloß noch herum? Sie verstand ja sowieso nicht, worum es ging. Alan bedachte Cayvyn mit einem mitleidigen Blick.

"Habe ich etwas Falsches gesagt?" fragte dieser, nun völlig verwirrt.

"Ich finde das nicht", meinte Alan. "Sie hat dich nur nicht verstanden. Vielleicht hat sie dich auch nicht verstehen wollen."

"Warum denn nur?" Cay schaute hilflos von Alan zu Nardia und zurück.

"Ich kann keine Gedanken lesen", bedauerte sein Bruder.

"Und was soll ich jetzt tun?"

"Ich würde ihr auf keinen Fall nachlaufen."

"Sie war gemein", mischte sich Nad ein.

"Aber ich kann doch auch nicht einfach hierbleiben." Cayvyn stand herum wie ein Stück Falschgeld. "Vielleicht sollte ich einen temporären Shutdown durchführen, und wenn ich dann wieder aktiviert bin, sieht vielleicht alles anders aus."

"Kommt überhaupt nicht in Frage!" erklärte Alan energisch. "Das kriegen wir auch so wieder hin."

"Wie denn?"

"Du bleibst hier schön brav stehen, und ich werde Acy mal ordentlich die Meinung sagen!" Alan machte sich gleich daran, seinen Vorsatz in die Tat umzusetzen und sie zu suchen.

"Seufz", machte Cayvyn geknickt. Für ihn war diese Situation wie ein Buch mit sieben Siegeln. Es kam ihm fast so vor, wie damals, vor mittlerweile sieben Jahren, als Alycia und er sich zum ersten Mal zusammengerauft hatten. Damals hatte er auch nicht das Geringste verstanden.

"Es wird schon wieder alles in Ordnung kommen", beruhigte Nardia ihn.

"Meint Ihr?" Cay sah sie aus seinen riesigen Smaragdaugen mit dem goldenen Glitzereffekt an, und Nardia nickte eifrig. Er sollte sie besser nicht so angucken, dachte Nad unbehaglich und blickte stur an ihm vorbei. "Hoffentlich."

"Ganz bestimmt!" meinte sie zuversichtlich.

* * *

Alycia hatte sich unterdessen zu einem halbwegs freien Fleckchen durchgeschlagen, einer kleinen Gartenanlage mit einem Teich in der Mitte. Sie setzte sich auf die Steinmauer am Rand und produzierte mit dem Finger Kringel im ansonsten völlig ruhigen Wasser. Es war etwas wärmer als man aufgrund der Umgebungstemperatur vermutet hätte, also wurde es offenbar etwas angeheizt, um den Zierfischen optimale Bedingungen zu schaffen.

Dort fand Alan sie dann auch.

"Ich muß unbedingt mit dir reden", meinte er.

"So?" Acy betrachtete interessiert einen schillernden Fisch, der offensichtlich Beute witterte, wo ihr Finger im Wasser steckte. Alan drehte sie ärgerlich zu sich herum.

"Wie konntest du das nur tun?"

"Faß mich nicht an!" Sie schüttelte seine Hand ab. "Was soll ich getan haben?"

"Du hast Ryko sehr verletzt."

"Habe ich das? Und was war mit ihm? Er hat mich auch verletzt! Du hast einen absolut miesen Einfluß auf ihn!"

"Ich habe so gut wie keinen Einfluß auf ihn, selbst wenn ich das wollte."

"Und von wem hat er dann diese idiotische Ausweichtaktik?"

"Nun gut, die hat er vielleicht von mir, aber ich habe sie ihm bestimmt nicht beigebracht!"

"Von alleine hätte er sich das nie angewöhnt!" Alycia kochte und baute sich drohend vor Alan auf, aber dieser war diesmal ebenfalls so wütend, daß ihn das gar nicht interessierte.

"Und selbst wenn... Das gibt dir noch lange kein Recht, ihn so zu behandeln!"

"Ach? Wie habe ich ihn denn ...behandelt?"

"Wenn er sich schon mal durchringt, dir etwas über seine Gefühle zu sagen, dann vermutest du gleich, daß er etwas angestellt hat."

"Stimmt das etwa nicht?"

"Was sollte er denn wohl getan haben?" fauchte Alan sie an.

"Was weiß ich? Du hast doch so einige Andeutungen gemacht, was offenbar alles los war, als ich nicht zugegen war."

"Es war überhaupt nichts los! - Und warum nimmst du überhaupt meine Andeutungen ernst, wo du mir doch sonst kein Wort glaubst?"

"Weil du zu detaillierte Andeutungen machst! Und du darfst mich nicht für so blöd halten, daß ich so etwas nicht mitkriege."

"Ich kann mir auch durchaus etwas ausgedacht haben."

"So?" Für diese Niedertracht verpaßte Acy ihm erst einmal eine schallende Ohrfeige. "Die ist für deine Gemeinheit Ryko gegenüber!" Blitzschnell klebte sie ihm noch eine. "Und die ist von mir!"

Das reichte nun aber wirklich! Alan schubste Acy in den Teich.

"Ich hoffe, das kühlt dich ab! Wenn Ryko dich nicht über alles stellen würde, kämst du mir nicht so glimpflich davon."

"Graaa!" Alycia sprang aus dem Wasser, rammte Alan frontal und beförderte ihn anschließend mit einer Nahkampfwurftechnik in die Fluten. Da er sie jedoch festhielt, fiel sie ebenfalls wieder hinein.

"Also, langsam reicht es mir wirklich!" fauchte Alan sie an, während er sie verzweifelt ruhig zu stellen versuchte. Acy wischte sich eine Wasserpflanze aus dem Gesicht, ehe sie ihre klatschnasse Perücke vom Kopf riß und Alan um die Ohren schlug.

"Mir reicht es schon länger! Deine ewigen Versuche, Ryko und mich auseinanderzubringen - dafür würde ich dich am liebsten demontieren!"

"Das kannst du gar nicht! Und außerdem versuche ich nicht, euch auseinanderzubringen."

"Und was sollte dann deine Story, daß du unwahre Andeutungen bezüglich Rykos Tätigkeiten während meiner Abwesenheit machtest?"

"Ich habe keine unwahren Andeutungen gemacht, ich habe sie lediglich ein wenig mißverständlich formuliert."

"Das ist genau dasselbe! brüllte Alycia ihn an und packte ihn am Kragen.

"Nein, ist es nicht!" Alan ergriff ihre Hände, um ihrem Würgegriff zu entkommen. Acy schubste ihn und zog ihm mit einem Fuß die Beine unter dem Körper weg. Prustend tauchte Alan wieder auf und fing Alycia ein. Er würde diese Sache wieder in Ordnung bringen, egal, was es kostete. Allerdings fragte er sich immer mehr, wie Ryko dieses explosive Frauenzimmer bis jetzt überstanden hatte.

"Ist es wohl!" keuchte Acy, nachdem sie ein ordentliches Quantum Wasser ausgespuckt hatte.

"Nein."

Blackfire holte zu einem ihrer fürchterlichen Kinnhaken aus, überlegte es sich aber doch lieber anders. Sie hatte zur Zeit nicht die speziell verstärkten Handschuhe ihres Einsatzcoveralls an, und sie brauchte ihre Hand noch.

"Wenn es irgendetwas brächte, würde ich dich zu gerne ertränken", zischte sie.

"Ganz meinerseits, aber leider würde das Ryko nicht die Spur helfen", knurrte Alan sie an.

"Ich glaube, Ryko und mir würde es am meisten helfen, wenn du dich desintegrieren würdest!"

"Das würde dir so passen! Damit du ihn wieder herumkommandieren kannst."

"Ah! Du gibst es also zu! Du hast ihn verdorben!"

"Ich habe ihn nicht verdorben. Das könnte ich überhaupt nicht, er tut ja doch nichts ohne dein Einverständnis. Du hast ihn daran gehindert, sich frei zu entwickeln! Sein Unwissen auf einigen Gebieten war schon richtig peinlich!"

"Unwissen? Inwiefern?" fragte Alycia lauernd. "Ich weiß genau, welche der Firestar-Kristalle ich bei seiner Programmierung weggelassen habe."

"Das weiß ich auch. Es war offensichtlich."

"In solcher Umgebung hat Ryko überhaupt nichts zu suchen!"

"Ach? In welcher Umgebung denn?"

"In solcherart Umgebung, für die die Verhaltensmaßregeln von #27, #28 und #29 der Info-Kristalle gedacht waren."

"Du hast ihn daran gehindert, sich selbst zu entscheiden, ob er das mag oder nicht, indem du ihm die Daten vorenthalten hast."

"Und? Hat er es gemocht?"

"Nein, hat er nicht. Er war schneller draußen, als ich gedacht hätte."

"Gut", machte Blackfire befriedigt. "Siehst du. Das liegt in seiner allgemeinen Programmgrundlage begründet, die ich zufällig gestaltet habe, und daher sah ich keine Notwendigkeit, ihm die Infos der bewußten Kristalle zu laden."

"Er ist keinesfalls so, wie du dir das ausgedacht hast!"

"Sicherlich nicht. Aber er kommt verdammt nahe dran."

"Vielleicht", gab Alan zu. "Aber trotzdem habe ich ihm gegeben, was er wissen wollte."

"Was er wissen wollte?" fragte Acy ungläubig.

"Meinst du, ich rücke freiwillig mit Daten aus meiner Programmierung heraus?"

"Hm. Unwahrscheinlich."

"Eben. Er hat mich solange gequält, bis ich ihm übertragen habe, was er wissen wollte."

"Hm." Alycia sah an sich herab. "Du, Alan, mir wird kalt."

"Darauf habe ich gewartet", seufzte er. "Aber wir verschwinden erst von hier, wenn du bereit bist, dich bei Ryko zu entschuldigen."

"Hm. Nein! - Du mußt mir versprechen, daß du keine mißverständlichen Andeutungen mehr über Ryko machst."

"Dir verspreche ich überhaupt nichts!"

"Dann verspreche ich dir auch nichts!"

"Dann bleibst du hier sitzen."

"Ist mir vollkommen egal."

"Schön. Mir auch."

Die beiden saßen im Teich und schwiegen sich an. Acy war es mittlerweile furchtbar kalt, aber sie beschloß, sich nichts anmerken zu lassen. Immerhin ging es hier ums Prinzip.

"Wie lange wollen wir hier noch herumhängen?" fragte Alan nach einer ganzen Weile. "Ich werde dir mit Sicherheit nichts versprechen; ich habe schon Ryko einiges schwören müssen, und das reicht mir."

"Ich werde mich erst von hier fortbewegen, wenn du mir versprochen hast, daß du keine mißverständlichen Andeutungen mehr bezüglich Ryko machst", beharrte Alycia stur.

"Überhaupt nicht oder nur dir gegenüber nicht?"

"Hauptsächlich mir gegenüber nicht."

"Muß es unbedingt ein Versprechen sein?"

"Du solltest es nur nie tun!"

"Hm. Das würde mir aber schwerfallen."

"Gut. Bleiben wir also hier sitzen, bis du zu rosten anfängst."

"Ich roste ganz bestimmt nicht. Aber du wirst bestimmt schrumpelig."

"Egal!"

"Was wird Ryko dazu sagen?"

"Er wird es verstehen. Wenn ich etwas sage, dann halte ich es auch, egal, welche Konsequenzen es nach sich zieht."

"Hm", machte Alan. Ryko mußte eine unendliche Geduld besitzen, wenn er es tatsächlich schaffte, mit Acy klarzukommen. "Wenn du darauf bestehst."

"Das tue ich. Also - was ist mit deinem Versprechen?"

"Wie schon erwähnt, habe ich keine Lust, dir irgendetwas zu versprechen."

"Ich habe Zeit."

"Ich auch."

Sie schwiegen sich weiter an.

Schließlich hatte Alan keine Lust, noch länger in dem blöden Teich zu sitzen, also verließ er das Gewässer, nur um direkt wieder von Acy hineinbefördert zu werden.

"Wir sind noch nicht miteinander fertig", erklärte sie.

"Ach nein?" fragte Alan wütend.

"Erst dein Versprechen!"

"Ich denke nicht daran! Mach doch, was du willst - mir soll es egal sein!"

"Auch wenn ich gleich damit anfange, dich auseinanderzunehmen?"

"Wage es, mich anzufassen, dann bekommst du wirklich Ärger mit mir!"

"Dann versprich, daß du nichts mehr an mißverständlichen Andeutungen über Ryko losläßt."

"Nein, das werde ich nicht tun!"

Völlig unerwartet sprang Blackfire ihn an und klammerte sich an seinem Rücken fest.

"Ich brauche nur deine Wartungsklappe zu öffnen, dann hast du ein Problem."

"Nein, habe ich nicht", meinte Alan amüsiert. Gut, falls sie es vollbrachte, diese zu öffnen, könnte eindringendes Wasser seine Schaltkreise beschädigen, aber dazu müßte sie es erst einmal schaffen.

"Wart's nur ab!" Alycia machte sich an seiner Klamottage zu schaffen.

"Eh, das kommt überhaupt nicht in Frage!" protestierte Alan und schob sie weg. "Sowas habe ich immerhin auch schon versprechen müssen."

"Was?" Acy runzelte irritiert die Stirn.

"Das geht dich überhaupt nichts an!"

"Was?"

"Wie?" fragte Alan unschuldig zurück.

"Graaa!" Blackfire verhalf ihm zu einem weiteren Tauchgang. Alan schüttelte sich angewidert. Pfui, das Wasser bestand langsam mehr aus Matsch als allem anderen. "Also? Versprichst du mir, daß du keine mißverständlichen Andeutungen bezüglich Ryko mehr machst?"

"Natürlich nicht!" Acy verabreichte ihm eine weitere Dusche. "Buäh", machte Alan. Das Zeug schmeckte scheußlich.

"Nun?"

"Ich denke gar nicht daran!"

PLATSCH.

"Jetzt reicht es mir aber", meinte Alan und tauchte Alycia unter. Diese strampelte wild und tauchte unterwegs nach dem Verschluß seines Overalls. Da Alan das frühzeitig bemerkte, landete Acy gleich in einem Seerosenknäuel. Sie kreischte auf und klammerte sich vehement an ihm fest. Er pflückte sie indigniert von sich ab. "Was sollte das?"

"Bah, da ist gerade ein dicker, glitschiger Fisch in meinen Ausschnitt geschwommen."

"Wie nett für den Fisch!"

Patsch! hatte Alan zur Abwechslung mal wieder eine Ohrfeige hängen, und zur Strafe wurde Acy zum wiederholten Male untergetaucht.

"Nun? Ergibst du dich endlich?" fragte Alycia, als sie wieder an die Oberfläche kam.

"Ganz bestimmt nicht!"

"Dann eben nicht." Eine weitere Attacke auf den Reißverschluß. Was für ein Genuß wäre es, Alan einfach kurzzuschließen, dachte Blackfire. Bedauerlicherweise wußte jener das zu verhindern, während er sich gerade vorstellte, was für eine Befriedigung es wäre, sie hier und jetzt ganz langsam zu ertränken. Aber leider konnte er das weder Ryko antun, noch mit seinem Gewissen vereinbaren.

"Und? Versprichst du es nun?"

"Warum sollte ich?"

"Weil sich dann Szenen wie diese nicht wiederholen würden."

"Wenn es dich langweilt, dann entschuldige dich bei Ryko, und wir können sofort diesen gemütlichen Platz verlassen."

"Wenn ich mich jetzt bei Ryko entschuldige, dann reicht das genau solange, bis du die nächste Andeutung machst."

"Das geht mich nichts an. Außerdem werde ich dir gegenüber sowieso keine mehr machen." 'da ich am besten überhaupt nicht mehr mit ihr rede', dachte Alan. Er sollte sich vielleicht gar nicht mehr in ihre Nähe begeben.

"Ist das ein Wort? Du machst mir gegenüber keine mißverständlichen Andeutungen bezüglich Ryko mehr?"

"Ich werde dir gegenüber keine mehr machen", seufzte Alan geschlagen.

"Sehr gut. Dann können wir ja gehen."

"Wie Ihr wünscht." Erleichtert zog Alan Alycia aus dem Teich.

"Danke." Sie sah an sich herab und musterte dann Alan, ehe sie begann, laut loszukichern. "Ich glaube, wir sind etwas vollgeschlammt."

"Unzweifelhaft." Alan verzog das Gesicht.

"Ähm. Und was erzählen wir den anderen?"

"Ihr seid in den Teich gestolpert."

"Hm. Aber ich stolpere doch nicht einfach so in einen Teich."

"So wütend, wie Ihr wart, könntet Ihr ihn ja übersehen haben."

"Bin ich ein Blindfisch?"

"Manchmal schon." Vor allem, wenn es um Rykos Gefühle ging, dachte Alan.

"Alan!" begann Acy drohend und baute sich vor ihm auf.

"Ist was?"

"Ich glaube, du brauchst noch ein kleines Bad."

"Ich warne dich!"

"Na gut. - Wir sollten besser gehen", lenkte Alycia ein.

"Wie schön."

"Nun komm schon!" Acy stürmte in die Rückrichtung.

"Was habt Ihr es auf einmal so eilig?" fragte Alan. Pfui, diese nassen Klamotten waren einfach ekelhaft.

"Ich muß sofort zu meinem wundervollen Schatz!"

"Aha." Alan schüttelte fasziniert den Kopf. Alycias Stimmungsumschwüngen konnte er partout nicht folgen. Die junge Frau düste im Laufschritt voran, mußte aber etwa auf Mitte des Weges pausieren, da sie Seitenstiche bekam. Sie rang nach Atem, aber wenigstens war ihr jetzt warm.

'Puh, auch keine Kondition mehr', dachte sie geschafft. Alan holte sie ein.

"Tse", machte er amüsiert.

"Was grinst du so dreckig?" fragte Acy schweratmend.

"Ich grinse nicht."

"Aber du hast geguckt, als ob du grinsen wolltest", beschwerte sie sich.

"Das läßt sich schwer leugnen."

"Pah!" Alycia wandte sich ab und stolzierte erhobenen Hauptes weiter, wobei Alan hinterher trottete.

* * *

"Sie wird nie wiederkommen", stellte Cayvyn betrübt fest.

"Natürlich wird sie das tun", beteuerte Nardia und hoffte, daß ihre Aussage auch stimmte.

"Es ist ihr völlig egal, was ich für sie empfinde. Sie nimmt mich nicht ernst."

"Sie nimmt Euch bestimmt ernst. Sie war nur zu überrascht", versuchte Nad ihn zu beruhigen und fragte sich dabei, wie sie Cayvyn wohl trösten könnte. Acy war aber auch zu dämlich.

"Wieso sollte sie zu überrascht sein?"

"Habt Ihr etwas derartiges schon vorher einmal erwähnt?"

"Einmal. Aber da hat sie es offenbar ebenfalls nicht ernst genommen."

"Hm. Ich glaube nicht, daß sie damit gerechnet hat, daß Ihr ihr mitten auf der Straße eine Liebeserklärung macht."

"Warum sollte ich es nicht dort erledigen? Der Zeitpunkt erschien mir angebracht."

"Der Ort war es auf keinen Fall, und der Zeitpunkt war auch nicht optimal."

"Woran kann man so etwas erkennen?"

"Man fühlt es einfach", erklärte Nardia. "Hm. Ich fürchte, das wird Euch natürlich auch nicht weiterhelfen. Aber Liebeserklärungen auf offener Straße, im Beisein von anderen Personen, sind äußerst unpassend."

"Ich werde versuchen, Euren Ratschlag zu beherzigen. Welchen Ort und welche Zeit würdet Ihr denn als angemessen erachten?"

"Auf jeden Fall wenn Ihr alleine mit Euerer Auserwählten seid. Den genauen Zeitpunkt müßt Ihr einfach selbst herausfinden; dafür gibt es keine Regeln."

"Wenn es keine Regeln dafür gibt, hätte es doch auch zu meinem gewählten Zeitpunkt passend sein müssen."

"Wohl kaum. Ich bin mir sicher, jede Frau hätte vermutet, Ihr wolltet irgendetwas verbergen."

"Könnt Ihr mir die Ursache dafür erklären?"

"Ihr habt Euch in einem falschen Zusammenhang geäußert, daher war das Ganze leicht mißzuverstehen."

"War es das?" Cayvyn seufzte. "Warum sind Menschen - insbesondere menschliche Frauen - nur so schwer zu verstehen?"

Nad lachte. "Ich glaube nicht, daß irgendein Mann Frauen versteht!"

"Keiner?"

Nardia schüttelte den Kopf.

"Frauen wollen auch nicht verstanden werden - auch wenn das von mir jetzt etwas dumm klingt. Aber ich denke, alle Frauen lieben Geheimnisse."

"Hm. Ich glaube, über diese Aussage muß ich nachdenken. Also, habe ich das richtig interpretiert - Frauen wollen nicht verstanden werden, vertrauen aber implizit dennoch darauf, daß man(n) sie versteht?"

"Ich würde sagen, daß war äußerst treffend ausgedrückt."

"Dann sind Frauen in höchstem Maße unlogisch."

"Natürlich. Es gibt bestimmt nicht viele logisch handelnde Frauen."

"Eigentlich hatte ich immer angenommen, daß Alycia zu diesen zählte."

"Acy und logisch? Nie! Die weiß doch nicht einmal, was Logik ist!"

"Aber sie hat mich gebaut und programmiert."

"Na und? Dazu braucht man keine Logik."

"Aber wie kann jemand, der absolut unlogisch handelt und denkt, jemanden bauen, der über diese Qualitäten verfügt?"

"Zufall", vermutete Nardia. "Oder Glück."

"Hm." Ganz war Cayvyn nicht mit diesem Argument einverstanden.

"Vielleicht war es ja auch nur eine Frage der Intuition."

"Interessante Spekulation."

"Ich weiß doch nicht, was Acy denkt. Es könnte genauso gut möglich sein, daß sie bei technischen Fragen durchaus logisch ist - aber in Gefühlsdingen bestimmt nicht."

"Gefühle sind schließlich nicht logisch, und daher irritieren sie mich ungemein", äußerte Cayvyn nachdenklich. "Wenn ich meine gefühlsmäßigen Empfindungen exakt klassifizieren und mit den korrelierenden menschlichen Emotionen vergleichen könnte, wäre ich vermutlich einen gewaltigen Schritt weiter."

"Gefühle sind eben Gefühle. Selbst ein Mensch kann sie nicht 'klassifizieren'. Ich kann meine Empfindungen doch auch nicht nehmen und in Schubladen verstauen! Gefühle sind selten eindeutig; meisten bestehen sie aus einem Mischmasch diverser Empfindungen."

"Das ist alles viel zu kompliziert", beschwerte Cayvyn sich.

"Natürlich ist es kompliziert, aber das ist es für Menschen ebenso wie für Euch."

"Hm. Ich dachte immer, es wäre für Menschen ein Leichtes, damit zurecht zu kommen."

"Manche glauben es, aber ich bin mir sicher, es ist für niemanden so einfach."

"Irgendwie fühle ich mich durch diese Aussage ein wenig beruhigt."

"Schön. Es freut mich, wenn ich Euch weiterhelfen konnte."

"Vielleicht könnt Ihr mir dann auch bei einem weiteren Problem helfen."

"Und das wäre?"

"Was ist Liebe explizit?"

"Äääh", machte Nardia. "Könnt Ihr die Frage nicht anders stellen?"

"Warum?"

"So kann ich das nicht beantworten."

"Aus welchem Grund nicht?"

"Das ist eine Frage, die die Menschen wohl seit dem Anfang ihrer Existenz beschäftigt. Es gibt keine Definition und auch keine Erklärung für das Gefühl Liebe. Sie passiert einfach."

Cayvyn sah sie verwirrt an.

"Sie passiert?"

Nardia nickte. Wie sollte man das sonst sagen?

"Wann, wo und warum passiert sie?"

"Seufz", machte Nad. "Das weiß ich nicht."

"Ist sie Euch denn schon einmal 'passiert'?"

"Ähm." Nardia war sichtlich verlegen.

"Ihr wirkt - indisponiert."

"Eure Frage ist ziemlich persönlich."

"Und? Ist das ein Problem?"

"Es geht Euch nichts an."

"Hm. Es wäre informativ für mich, um meine Problematik eingehender zu analysieren."

"Na schön. Aber ich warne Euch, wenn Ihr irgendjemand anderem darüber erzählt, dann werdet Ihr das bereuen!"

"Ich werde niemandem etwas berichten", versicherte Cayvyn. "Es ist für mich lediglich von analytischer Relevanz."

"Schön. Also, was wollt Ihr noch mal genau wissen?"

"Es interessiert mich, ob Ihr schon einmal jemandem in Liebe zugetan wart und an welchen Merkmalen Ihr feststelltet, daß es sich um Liebe handelte."

"Also, zum ersten Teil der Frage: Ja. Der zweite Teil ist schon komplizierter zu erklären", meinte Nardia nachdenklich. "Es sind ziemlich viele Symptome, und sie sind nicht jedesmal gleich."

"Zum Beispiel?"

"Seufz!"

"Stimmt. Das äußert Alycia ebenfalls des öfteren."

"Das hatte überhaupt nichts damit zu tun!"

"Oh. Also fahrt fort."

"Als wenn das so einfach wäre."

"Worin liegt das Problem?"

"Ich kann es nicht in Worte fassen."

"Hm. Ich kann mich entsinnen, daß viele Autoren und Lyriker die verschiedenen Varianten in Worte faßten. Mich würde jedoch Eure persönliche Erfahrung interessieren, da die Liebe in der Dichtung wohl vielfach lyrisch verklärt wird und daher nicht den tatsächlichen Erfahrungswert darstellt."

"Dichtung ist tatsächlich in der Regel keine Realität", stimmte Nardia zu. Wie sollte sie einem Androiden erläutern, was Liebe war? "Es ist schwer zu formulieren, vor allem, da man sich in der Regel keine Gedanken darüber macht. Man fühlt es einfach."

"Hm." Cayvyn guckte sie nicht sehr zufriedengestellt an.

"Nun schaut mich nicht so an", maulte Nad.

"Es ist keine Erklärung", machte er sie dezent aufmerksam.

"Habe ich eine versprochen?"

"Nein, aber Ihr wolltet versuchen, mir zu erläutern, was Liebe beinhaltet."

"Ich habe es versucht. Wie wäre es, wenn Ihr mir erklärt, was Ihr darunter versteht?"

Cayvyn setzte an, verschiedene Lexikon-Varianten zu zitieren, doch Nardia winkte ab.

"Nein, ich möchte Eure Definition!"

"Meine entspricht exakt diesen, aber leider gelingt es mir nicht, sie auf die Praxis zu übertragen."

"So? Ich bin sicher, Ihr könnt eine andere Definition finden."

"Wie?"

"Indem Ihr darüber nachdenkt."

"Mir fehlen aber jegliche Anhaltspunkte."

"Seufz. Wie wäre es damit, wenn Ihr über Eure Empfindungen bezüglich Alycia nachdenkt?"

"Hm. Meint Ihr, daß ich sie tatsächlich liebe?"

"Das kann ich so nicht beurteilen. Ich weiß ja nicht, was Ihr für sie empfindet."

"Das ist wahrlich ein Problem. Hm. Meine Empfindungen setzen sich aus verschiedenen Teilbereichen zusammen. Zunächst bin ich um Alycias Wohlergehen besorgt." Er machte eine nachdenkliche Pause.

"Das ist etwas wenig für eine Interpretation."

"Weiterhin habe ich festgestellt, daß es mein physisches und psychisches Wohlbefinden steigert, wenn sie sich in meiner Gegenwart befindet, obgleich ich diese Tatsache nicht rational erklären kann."

"Das ist doch schon mal was. Und weiter?"

"Was 'weiter'?"

"Ist das alles?"

"Nun - diese Punkte sind im Prinzip die Ursache dafür, daß ich ihre Anwesenheit entschieden ihrer Nicht-Anwesenheit vorziehe. Hättet Ihr denn noch weitere Vorschläge, welche Empfindungen für eine genaue Beschreibung von 'Liebe' notwendig wären?"

"Hm", machte Nardia nachdenklich.

"Oder habt Ihr keine weiteren Vorschläge? Wenn nein, möchte ich gerne Eure Analyse bezüglich meiner Empfindungen für Acy hören.

"Nun, ich halte es durchaus für möglich, daß es Liebe ist, nur Eure Beschreibung ist ungewöhnlich."

"Wie würdet Ihr es denn nun beschreiben?"

"Liebe ist für mich mit diversen Reaktionen verbunden. Es ist zwar auch das, was Ihr meintet, aber nicht nur das."

"Was ist es denn noch?"

"Ich glaube kaum, daß Euch das etwas sagen würde."

"Warum nicht?"

"Weil Ihr das eh nicht empfinden könntet."

"Aus welchem Grund seid Ihr Euch da so sicher?"

"Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute es."

"Und was soll das nun sein?"

"Hm. Das gewisse Kribbeln eben!"

"Kribbeln?" Cayvyn überlegte angestrengt.

"Das ist unbedingt erforderlich, jedenfalls bei mir."

"Sehr interessant. Und wo 'kribbelt' es?"

"Kommt darauf an. Meist im Magen - oder jedenfalls in dieser Gegend."

Cayvyn betrachtete nachdenklich seine Vorderfront in etwa der passenden Höhe und setzte eine leicht tragische Miene auf.

"Bei mir befindet sich dort lediglich mein Nahrungskonverter, und zu meinem Bedauern muß ich zugeben, daß es in diesem sicherlich nicht 'kribbelt'. Heißt das nun, daß ich Alycia nicht liebe?"

"Nein, ich habe ja nicht gesagt, daß jeder so empfindet. Außerdem seid Ihr doch kein Mensch!"

"Das ist wahr." Cay horchte in sich hinein, um irgendein faßbares Indiz zu entdecken.

"Was macht Ihr?" fragte Nad neugierig.

"Ich fahre einen Selbstcheck, um ein Anzeichen zu ermitteln, das mit Euerer Angabe korrelieren könnte."

"Ich glaube, Euer Problem liegt einfach darin, daß Ihr schon immer mit Acy zusammen wart und einfach keine Vergleichsmöglichkeiten habt."

"Ihr meint, es ist praktisch ...eingebaut?" Cayvyn sah Nardia überaus irritiert an.

"Das weiß ich nun wirklich nicht, aber es könnte sein. Ihr habt ja eigentlich kaum eine Möglichkeit gehabt, um überprüfen zu können, ob es stimmt."

"Hm." Cay dachte abermals eine Weile nach, und Nardia wartete ab, was er dazu zu sagen hatte.

"Das ist wirklich interessant!" meinte er auf einmal. "Vielleicht hätte ich das schon früher einmal eingehend analysieren sollen."

"Was meint Ihr damit?"

"Als ich mit Euch zusammen war, 'fühlte' es sich effektiv anders an als mit Alycia."

Dazu sagte Nardia lieber nichts.

"Ich würde Alycia Euch in jedem Fall vorziehen", meinte er schließlich.

"Schön!" kommentierte Nad.

"Worauf bezieht sich Eure Aussage?"

"Darauf, daß Ihr anscheinend doch zu einer Erkenntnis gekommen seid."

"Inwiefern?" Cayvyn guckte sie verwirrt an.

"Was weiß ich?" entgegnete Nardia. Seine Fragen waren manchmal ziemlich schwierig zu beantworten.

"Welche Erkenntnis meint Ihr?"

"Daß es durchaus Unterschiede bei Euren Gefühlen bezüglich verschiedener Personen gibt."

"Und Ihr meint, dieser Unterschied macht die 'Liebe' aus?"

"Es ist eine Vermutung."

"Seid Ihr Euch allgemein nicht sicher oder lediglich auf mich bezogen?"

"Wie kann ich sicher sein? Es ist ausgesprochen schwierig zu erkunden, was andere fühlen."

"Seufz", machte Sir Cayvyn tragisch.

In diesem Augenblick kamen zwei schlammtriefende Gestalten zurück. Nardia sah die beiden irritiert an. Was hatte Acy nun schon wieder angestellt?"

Alycia stürmte voran und schlang stumm die Arme um ihren Lebensgefährten. Dieser musterte sie leicht indigniert. Welchen Morast hatte sie diesmal aus der Froschperspektive begutachtet?

Nad kam das Ganze mehr als merkwürdig vor. Sie war gespannt, was jetzt noch kam. Alan hingegen stand abwartend da. Hoffentlich passierte jetzt nicht wieder ein Unglück.

Cayvyn entschloß sich, Alycia doch endlich in die Arme zu nehmen. Sein Anzug war ohnehin ruiniert.

"Cay." Acy legte den Kopf an seine Brust. "Ich wollte dir nicht wehtun. - Hast du das wirklich ernst gemeint?" Sie sah unsicher zu ihm auf, doch Cayvyn nickte zustimmend.

Soweit war die Sache wohl ausgestanden, dachte Alan. Er hoffte nur, daß Ryko jetzt nichts Dummes sagte.

"Wo hast du dich bloß herumgetrieben?" wollte Cay mit hochgezogenen Augenbrauen wissen. Acy sah mit einem Gesichtsausdruck zu Alan herüber, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Dieser sah seinen Bruder mit dem besten Unschuldsblick an.

Alan! meinte Cayvyn über Funk. Was hast du ihr angetan?

Ich ihr? Sie hat mich in den blöden Teich geschmissen!

Das klingt plausibel. Sie war wütend.

Kaum.

Verstehst du nun, warum ich es vorziehe, mir nicht ihren Zorn zuzuziehen?

Durchaus. Aber das wußte ich schon vorher.

Warum hast du dann diese dummen Bemerkungen von wegen Shanjir fallen lassen?

Ich hatte nicht mit diesem Effekt gerechnet!

Ich hatte dir doch gesagt, daß sie eifersüchtig ist.

Sicher, aber nicht, daß sie so eifersüchtig ist.

"Seufz", machte Cayvyn nun wieder akustisch, was von Acy natürlich etwas anders interpretiert wurde. Sie küßte ihren Gefährten hingebungsvoll.

Alan dachte währenddessen, daß es die ganze Sache doch wert gewesen war, obwohl es ausgesprochen unangenehm war, so schmutzig herumzulaufen. Nardia fragte sich, was da wohl passiert war. Acy und dieser Sir Alayn hatten sich offenbar im Schlamm gesuhlt. Sehr merkwürdig. Was hatte sie überhaupt mit ihm zu tun?

"Und du hast es wirklich ernst gemeint?" wollte Alycia noch einmal wissen.

"Habe ich jemals über so etwas Witze gemacht?" fragte Cay leicht schmollend zurück.

"Hm. Du machst tatsächlich insgesamt recht wenig Witze. Aber weißt du... Es war so total ...unerwartet! Ich habe bestimmt schon sieben Jahre darauf gewartet. Seufz! Ich habe dich jedenfalls absolut lieb", meinte Alycia abschließend und kuschelte sich an ihn, was den Verschmutzungsgrad Cayvyns noch weiter erhöhte.

Anscheinend war nun alles wieder in bester Ordnung, befand Nardia, also konnte sie sich eigentlich mal wieder um die Party kümmern. Merkwürdigerweise war ihr auch überhaupt nicht mehr übel.

"Ich glaube, wir sollten uns rasch umziehen", kicherte Acy mit einem Seitenblick auf Cayvyn. "Wir sind gleich wieder zurück."

"Das bezweifle ich", grinste Alan.

"Na gut. Vielleicht sind wir auch erst morgen wieder zurück. Hm." Alycia betrachtete ihren Gefährten nachdenklich. Oder übermorgen...

"Nun, ich werde ebenfalls besser verschwinden, ehe mich ein Reporter so erwischt." Alan sah angewidert an sich herunter.

"Ein weiser Entschluß", meinte Acy grinsend beim Gedanken an ihren Aufzug.

"Also wünsche ich Euch allen noch einen wundervollen Tag", sagte Alan und machte sich auf den Weg. Nad hatte sich mittlerweile ebenfalls aus dem Staub gemacht.

Alycia und Sir Cayvyn machten sich gleichfalls auf und waren für die nächsten Tage nicht mehr gesehen.

+ + +

3763/04/09 GZ

Alan ließ sich genervt in einen Sessel fallen. Seit Tagen werkelten nun schon die Handwerker in seinem Bungalow. Er hatte das Haus vor kurzem erstanden und es nun umgestalten lassen.

Das weitläufige einstöckige Gebäude war ganz in Weiß gehalten. Zahlreiche Fenster verliehen den Räumen einen herrlichen Ausblick auf den Garten.

Alan sah auf den Innenhof, der inmitten des Hauses lag. Einige Arbeiter demontierten gerade den alten Springbrunnen. Er bezweifelte, daß sie überhaupt je fertig wurden, geschweige den bis morgen, wo er eigentlich eine Einweihungsparty geben wollte. In Gedanken sah er schon seine Gäste zwischen Farbtöpfen, Baugerüsten und Arbeitern stehen. Seufz. Aber der Termin war ihm vertraglich zugesichert worden; vielleicht klappte es ja doch noch.

Soeben schepperte es laut. Ein Transporter hatte die Kieselsteine für die Gartenwege vor der Tür abgeladen. Nochmal Seufz. Entnervt flüchtete Alan in sein Schlafzimmer, da war wenigstens schon alles fertig.

Er beschloß, Ryko anzurufen, um diesen einzuladen, egal, ob das Haus nun fertig wurde oder nicht. Er gab dessen Rufcode an. Sogleich erschien Rykos Konterfei auf den Monitor. Er trug zu Zeit immer noch sein Sir Cayvyn-Make-Up.

"Ja?" fragte er.

"Guten Morgen, Sir Cayvyn", begrüßte Alan ihn und zuckte zusammen, da draußen anscheinend jemand versuchte, das lauteste Scheppern des Jahres zu erzeugen.

"Einen wunderschönen Morgen auch Euch, Sir Alayn. Habt Ihr die Handwerker im Haus?"

"Das ist wohl nicht zu überhören", sagte Alan.

"Schwerlich. - Und was gibt es Neues? Soll ich beim Umbau mithelfen?"

"Um Himmelswillen, nein! Ich wollte Euch nur zur Einweihung einladen. Falls sie hier jemals fertig werden." Alan warf einem Arbeiter einen wütenden Blick zu, als jener gerade das Schlafzimmer betreten wollte. Der Mann floh sicherheitshalber.

"Wann?" erkundigte sich Cay.

"Morgen." Alan seufzte.

"Hm. Also, ich werde bestimmt da sein. Was Alycia betrifft... - Sie ist meines Erachtend dringendst erholungsbedürftig." Er sah grinsend über die Schulter, woraufhin ihm ein neonblaues Kopfkissen im Gesicht hing.

"Sie scheint mir durchaus munter", bemerkte Alan trocken.

"Das sind die letzten Zuckungen." Ein zweites Kopfkissen (neonviolett) flog und traf.

"Tse", machte Alan. "Ich hoffe, daß Ihr beide kommen könnt."

"Auf jeden Fall!" kam es aus dem Hintergrund. "Obwohl ich Cay noch eine eingehende Wartung angedeihen lassen muß. - Der Streß, der Streß."

Nun nahm Cayvyn die beiden Kopfkissen, die ihn erwischt hatten und warf sie zurück. Alan hielt sich da lieber heraus. Wer wußte schon, wie Acy wieder auf den Kommentar reagieren würde, der ihm auf der Zunge lag?

"Ich erwarte Euch also morgen, gegen 13:00 Uhr. Habt Ihr eigentlich schon meine neue Adresse?"

"Nein. Die wäre?"

"Rue Fontana 187 in Ashteera-Lanjeer."

"Gut. Bis morgen dann. Ich muß hier gerade ein äußerst vorwitziges weibliches Wesen zur Raison bringen."

Alan schaltete ab, gerade als Cayvyn von einem weiteren Kissen erwischt wurde.

* * *

3763/04/10 GZ

Der Gleiter von Sir Cayvyn und Alycia Blade parkte auf dem kleinen Parkplatz direkt neben dem Haus. Als Acy ausgestiegen war, bewunderte sie erst einmal das schimmernd weiße Gebäude, welches sich hinter einem transparenten Energiegatterzaun befand.

"Wirklich hübsch", befand sie und rückte das Paket zurecht, das sie sich unter den Arm geklemmt hatte. Heute war sie ganz in Metallicviolett gewandet, während Cay aus Etikette-Gründen das Kupfer und Violett seiner Familie (diesmal väterlicherseits) trug. Alycia betätigte den Sensor am Tor. Hinter jenem befand sich erst einmal ein ausgedehnter Vorgarten, der auf einem Kiesweg zu durchqueren war.

"Ja bitte?" erklang Alans Stimme über die Gegensprechanlage.

"Sir Cayvyn von Süd-Ayryana und Ost-Sdayinisa, sowie Lady Alycia Cherylla Khyshisall-Blade", kündigte ersterer sie beide an.

"Bitte tretet doch ein", erwiderte Alan und öffnete das Tor. Die beiden flanierten den Weg entlang bis zum Bungalow, wo Alan sie bereits an der Haustür erwartete.

"Herzlich willkommen, Lady Alycia, Sir Cayvyn!"

"Ich danke Euch für Eure Einladung", entgegnete Acy huldvoll und überreichte ihm das Paket. "Für Euer neues Heim!"

"Vielen Dank. - Bitte kommt doch herein!" Alan trat zur Seite, um die zwei einzulassen.

Neugierig sah Alycia sich um. Alles war in Weiß gehalten, und im Hintergrund sah man auf ein rundes Atrium, dessen Zentrum von einem pyramidenförmigen Springbrunnen geziert wurde.

"Wenn Ihr mir nun bitte folgen würdet?" Alan ging voraus und führte sie in die Lounge. Diese war ein gleichschenkliges, rechtwinkliges Dreieck, dessen identische Seiten immerhin 35m maßen. Das bedeutete, daß die Hypotenuse gar 49.50m lang war, wie Cayvyn rasch berechnete. Es war eine sehr eigenwillige Bauweise, befand er.

Eine Seite des Raumes bestand ganz aus Glas und gab den Ausblick auf den Garten frei. Das ganze Zimmer war überaus sparsam möbliert, was dem Ganzen aber einen gewissen Reiz gab. Die Farben der Einrichtung beschränkten sich vollständig auf Schwarz, Weiß und Metallicblau, welche gleichzeitig die traditionellen Farben der naravinischen Grafschaft Fayn-Devrayn darstellten, deren Abkömmling Alan gemäß seiner neuen Tarnidentität war. er führte seine Gäste zu einer Sitzgruppe, die in der Nähe der konkaven Einbuchtung stand, welche das Atrium erzeugte.

"Euren Architekten gebührt großes Lob", meinte Acy und dachte, daß ihr aktuelles Kunstwerk - ein seltsames Wellenmuster in Schwarz und Metallicblau mit dem beziehungsreichen Namen 'Zeitwellen' - ausnahmsweise nicht ganz aus dem Rahmen fiel.

"Vielen Dank", meinte Alan und wickelte das Paket aus dem metallicvioletten Geschenkpapier. Es war eins ihrer 'Kunstwerke', aber wenigstens waren die Farben diesmal dezent. "Ich danke Euch für das wundervolle Bild!"

"Es freut mich, daß es Euch gefällt." Acy schlug die Augen nieder und errötete zart. "Wer kommt denn noch alles zu Euerer Fête?"

"Ich habe eine ganze Menge Leute eingeladen, aber erst für 15:00 Uhr, da ich nicht wußte, wann die Handwerker fertig würden."

"Oh!" machte Alycia, während sie sich fragte, was ihn dazu veranlaßt haben könnte, sie schon beträchtlich früher einzuladen.

"Ich dachte, Ihr würdet Euch gerne das Haus ansehen, ehe der Massenansturm beginnt", beantwortete Alan die unausgesprochene Frage.

"Das ist aber lieb von Euch! Selbst das wenige, was ich bis jetzt gesehen habe, ist einzigartig!" rief Acy begeistert.

"Das finde ich auch. Als ich dieses Haus sah, konnte ich nicht widerstehen."

"Wer hat es denn entworfen? Gyrdiana vielleicht?"

"Stimmt genau! Ich bewundere Eure Sachkenntnis", bemerkte Alan. "Sie hat es für Cale Ymene (Schauspieler, ein berühmter Charakterdarsteller von Suune III/Tarishaan) kreiert, aber dieser ist ja vor zwei Monaten bedauerlicherweise verschieden. Daher stand das Haus nun zum Verkauf. - Hier ist ein Grundriß des Baus." Alan zog eine Folie hervor und breitete sie auf dem flachen Tisch aus. Die Anordnung der Räumlichkeiten war wahrlich extraordinär.

Spätestens jetzt wäre auch dem Letzten aufgefallen, daß es sich hier um ein Werk Gyrdianas handeln mußte, stellte Alycia fest. Gyrdiana war unter den Architekten ungefähr das, was sie, Acy, unter den abstrakten Künstlern war - enfant terrible, Exzentrikerin, als leicht (?) verrückt verschrien, kurzum: das totale Chaos.

"Soll ich Euch herumführen?" erkundigte sich der frischgebackene Hausherr. "Oder möchtet Ihr zuerst eine Erfrischung?"

"Nein, ich würde mir Euer Haus gerne sofort ansehen!" Alycia wollte zu gerne eins von Gyrdianas Werken live erleben.

"Bitte." Alan erhob sich. "Was möchtet Ihr zuerst sehen?"

"Dieses wunderschöne Gärtchen dort inmitten des Gebäudes!"

Alan ließ die trennende Glaswand zwischen Lounge und Atrium im Boden versinken. Cayvyn erhob sich und reichte seiner Gefährtin den Arm, woraufhin diese ihn anstrahlte und ihm rasch einen sanften Kuß auf die Lippen gab, ehe sie hinter Alan herdüsten. Dieser steuerte durch die diversen Anpflanzungen auf den Springbrunnen zu, und seine beiden Gäste folgten dicht auf. Alycia schaute fasziniert gen Himmel. Kein Dach! Das war ein Haus, in das es einfach hineinregnen konnte.

"Bei Regen kann ich das Haus durch ein Energiefeld schützen", meinte Alan auf ihren Blick hin.

"Aha." Acy fragte sich, ob er sich letzthin in Telepathie übte. "Und das da ist wohl der Wintergarten." Sie deutete auf die gegenüberliegende Glaswand.

"Ja, auch dort läßt sich die gesamte Wand versenken, so daß man direkt hineingehen kann."

"Super! Mit welchen 'Überraschungen' hat Euer Domizil denn noch aufzuwarten?"

"In welcher Beziehung?"

"Insgesamt. Der ganze Bau ist einfach ...extravagant!"

"Das stimmt durchaus. Vor allem haben die Zimmer die ungewöhnlichsten Formen."

"Das konnte man dem Grundriß entnehmen", stimmte Acy zu. "Fünfeckige Räume... Gibt das keine Möblierungsprobleme? Naja, wenigstens ist dieser Bungalow nicht kugelrund wie das Ozeanhaus, das Gyrdiana vor sieben Jahren entwarf."

"In der Tat. Aber was die Inneneinrichtung hier betrifft, so hatte ich keine Schwierigkeiten."

"Na, dann geht es ja. Könnt Ihr mir vielleicht einmal eins dieser fünfeckigen Zimmer vorführen?"

"Aber natürlich. Was möchtet Ihr sehen? An fünfeckigen Räumen stehen folgende zur Auswahl: Meine Werkstatt, der Vorratsraum, zwei Abstellkammern und zwei Badezimmer. Das heißt, neben der Lounge und dem Wintergarten, die Ihr ja schon kennt." Letztere beide waren zwar eigentlich eher dreieckig, aber durch die runde Aussparung des Atriums wiesen sie schließlich zwei weitere Ecken auf, die sie bei korrekter Zählung also auch zu fünfeckigen Raumen machten.

"Mich würde die Werkstatt interessieren", meldete sich Cayvyn erstmalig zu Wort. Alan sah diesen amüsiert an. Irgendwie hatte er das erwartet. Nichtsdestotrotz machten die drei sich auf den Weg. Sie wanderten durch das Atrium zurück und gingen einen langen Gang entlang, von dem Cay ermittelte, daß er die Diagonale durch das gesamte Haus bilden mußte. Die hinterste Tür links entpuppte sich als Eingang zur Werkstatt.

"Sagt, Sir Alayn", begann Alycia, "was kann man tun, wenn man sich hier haltlos verläuft? Gibt es irgendwo Notrufsensoren?"

"In fast jedem Zimmer befindet sich eine Sprechanlage", beruhigte Alan sie.

"Wenigstens etwas."

"Können wir jetzt einmal die Werkstatt sehen?" erkundigte sich Cayvyn.

"Aber gerne." Alan betätigte das Schloß, denn er hatte den Raum vorhin aus Sicherheitsgründen abgeschlossen, weil er keine Besucher dort haben wollte. Nun glitt eine große Schiebetür zur Seite.

"Nicht schlecht", kommentierte Cay nach einem ersten Blick.

"Ich habe sie mit den neusten Geräten ausgerüstet", erläuterte Alayn und zeigte seinem Bruder einige Teile der Einrichtung.

"Durchaus brauchbar. Du solltest nur nicht allzu viele ...Nichteingeweihte hier hereinlassen, würde ich sagen", meinte Cayvyn grinsend.

"Ich glaube nicht, daß jemand an der Sicherung vorbeikommt, und der Raum ist immer abgeschlossen."

"Käme auf den Versuch an", kam es von Blackfire, die neugierig die Tür inspizierte.

"Keine Chance", versicherte Alan.

"Hm. Ich glaube, ich hätte da schon einen Plan." Ryko stöhnte gestreßt auf.

"Trotzdem gibt es keine Möglichkeit", erklärte Alan kategorisch.

"Hm." Karylla schwebte eine mittlere Demontage-Aktion des Hauses vor, aber dann sollte sie Alan besser nie wieder über den Weg laufen.

"Unterlaßt es, das zu versuchen! Ich glaube Euch ja, daß Ihr hineinkommt, aber ich brauche das Haus noch."

"Wie Ihr es wünscht." Alycia guckte bedauernd auf die Tür.

"Wie wäre es jetzt mit einer Erfrischung?" fragte Alan. Er wollte Blackfire so schnell wie möglich hier weg haben.

"Gerne", stimmte Cayvyn zu. Er mußte unbedingt seine Energievorräte ergänzen.

"Gehen wir in die Küche." Alan ließ Cay und Acy vorausgehen und schloß dann die Tür zur Werkstatt ab. Sicher war sicher. Sekundenbruchteile später hatte er sie eingeholt, um ihnen den Weg zu zeigen.

"Ich glaube, in diesem Bungalow würde ich mich permanent verlaufen", stöhnte Alycia. "Wo sind wir denn nun?"

"Auf dem Weg zurück", entgegnete Alan amüsiert.

"Seufz! Und wo ist das? Noch in Ashteera-Lanjeer?"

"Aber sicher. Außerdem sind wir schon da." Sie betraten die Küche.

"Mmmh. Bekomme ich einen Red Nova?"

"Selbstverständlich. Und was möchtet Ihr?" wandte sich der Hausherr an Cayvyn.

"Habt Ihr inzwischen auch diverse Special-Cocktails im Programm?"

"Ja, aber ich habe noch nicht alle ausprobiert."

"Dann laßt mich doch einmal Einblick in Eure Rezepturen nehme, und ich sage, welche gut sind."

"Bitte!" Alan ließ Cay an den Nahrungsmittelsynthetisizer. Dieser klinkte sich kurzerhand ein und checkte die Specials durch.

"Also, vier davon würde ich nur mit äußerster Vorsicht genießen", stellte Cay fest und nannte Alan die Programme. "Der Rest ist 100prozentig okay."

"Eins davon habe ich schon einmal ausprobiert und fand es delikat", bemerkte Alan.

"Oh. Version 7, hm?" Cayvyn spielte darauf an, daß Alan Programmierung erst vor wenigen Wochen einen eher ungewollten automatischen Upgrade von seiner Identität als reine Firestar-Kopie (ALAN Serien-Nr. 3742-14-3 Version 6) auf ein selbstbestimmtes Bewußtsein (eben ALAN Serien-Nr. 3742-14-3 Version 7) hin gemacht hatte.

"Ich glaube schon."

"Nicht mehr nur Wild u.ä."

"Ehrlich gesagt, ich finde Wild inzwischen furchtbar."

Cayvyn lachte. "Wohl früher zuviel davon gegessen, hm?"

"Unzweifelhaft", meinte Alan amüsiert. Alycia sah vom einen zum anderen. Wovon redeten die bloß? Schmoll!

Es klingelte an der Tür.

"Das muß der Party-Service sein", vermutete Alan und machte sich auf den Weg, um die Leute hereinzulassen.

"Ich bin schon gespannt, was es zu Essen gibt", bemerkte Cay und guckte sich suchend um.

"Vielfraß!" kommentierte Acy kopfschüttelnd und setzte ihr Glas auf dem Tisch ab. Anschließend stellte sie sich auf die Zehenspitzen, schlang ihrem Partner die Arme um den Hals und küßte ihn zärtlich.

Kurze Zeit später kam Alan zurück. Die Leute bauten inzwischen das Buffet in der Lounge auf.

"Wie spät ist es eigentlich?" wollte Alycia wissen.

"14:52 Uhr", antwortete Alan.

"Danke." Also noch eine halbe Stunde, bis es losging. Wie viele Personen mochten wohl in diese Lounge passen? An die 500 bestimmt.

Es läutete abermals. Anscheinend trafen nun die ersten Gäste ein. Alan hatte einen der Leute vom Party-Service an der Tür postiert, um die Besucher einzulassen.

"Wir sollten in die Lounge hinübergehen", schlug er vor.

"Gerne." Acy balancierte ihren Drink vorsichtig vor sich her, Cayvyn ebenso. Sie betraten erneut den gewaltigen Raum, in dem mittlerweile ein äußerst dekoratives Buffet aufgebaut worden war. Cay schlenderte unauffällig dorthin und stibitzte sich eine besonders verlockend aussehende Praline. Die Leute vom Party-Service musterten ihn mit vernichtenden Blicken. Sie hatten eine ganze Menge Arbeit in den Aufbau gesteckt, und dieser Typ zerstörte das Arrangement, bevor es die restlichen Gäste bewundern konnten!

Sir Cayvyn grinste sie an und nahm noch drei weitere Stücke, wodurch die Symmetrie wieder hergestellt wurde. Alan war neben seinen 'Bruder' getreten und schob diesen dezent vom Buffet fort. Wenn Ryko erst einmal richtig anfing, dann hörte er so schnell nicht mehr auf.

Inzwischen betraten die ersten Gäste die Lounge.

Als Alan Cay bei ihr abstellte und meinte, daß sie ihn doch bitte so lange vom Buffet fernhalten sollte, bis die Party offiziell anfing, konnte Alycia sich das Grinsen nicht verkneifen, ehe sie ihren Gefährten tadelnd anschaute und zu einer Sitzbank zog. Dort plazierte sie ihn auf die Polster und ließ sich kurzerhand auf seinem Schoß nieder.

Alan stand nun die Begrüßung der Gäste bevor. Leider hatte er aus gesellschaftlichen Gründen eine Menge Leute einladen müssen, die anerkannt tödlich langweilig waren.

Soeben erläuterte ihm die siebte ältere Lady, wie wundervoll seine 'Mutter' Rebecca Crane-Jenison doch Klavier gespielt hätte und daß sie es großartig fand, daß er nun in ihre Fußstapfen zu treten gedachte. Alan lächelte höflich.

Acy betrachtete die Gäste interessiert, während sie vorgab, ausschließlich mit Cayvyn beschäftigt zu sein. Seufz, Calris Cleiton war auch hier! Alycia kuschelte sich etwas ausdrücklicher an ihren Partner.

Gerade war Nardia Blade eingetroffen, und Alan nahm dies zur Gelegenheit, diese zu ihrer Schwester zu führen, um der Fan-Gemeinde seiner 'Mutter' zu entrinnen, die ihn partout zu einem Konzert überreden wollte.

"Hallo Acy! Guten Abend, Sir Cayvyn", begrüßte Nardia sie und sah sich neugierig um. Dieses Haus war einfach phänomenal!

"Oh! Hiya Nad!", meinte Alycia und blickte auf. Sie hatte schon wieder einmal nicht Cayvyns grüngolden schimmernden Augen widerstehen können.

"Seid begrüßt, Lady Nardia", sagte Cay huldvoll und neigte dezent den Kopf ohne Acy loszulassen.

"Seid Ihr schon länger hier?" fragte Nad verwundert. Sonst waren die beiden doch immer unter den letzten Gästen, die ankamen!

"Oh, Sir Alayn wollte mir sein neues Domizil vorstellen", erklärte Sir Cayvyn und pustete Acys zur Zeit metallicweißen Haare aus seinem Gesicht.

"Es ist wirklich einzigartig", stellte Nardia fest und sah hinaus auf das Atrium mit dem Springbrunnen. Faszinierend, ein Garten im Haus.

"Vielen Dank", erwiderte Alan. "Ihr entschuldigt mich, ich muß mich um meine Gäste kümmern."

"Verständlich." Acy lehnte sich wieder an ihren Gefährten. "Übrigens", wandte sie sich dann an ihre Schwester. "Cayvyn und ich haben uns wieder gänzlich vertragen."

"Wie schön! Das freut mich wirklich", sagte Nad. Sonst hätte sie sich ja ganz umsonst abgemüht.

"Wann fängt denn nun das Buffet an?" fragte Cay sehnsüchtig, und Nardia betrachtete ihn irritiert. Wie kam der denn jetzt darauf?

"Ich nehme an, wenn alle Gäste eingetroffen ist", vermutete sie.

"Seufz!"

"Cay, du bist unmöglich" bemerkte Alycia mit leicht schmollendem Unterton. "Egal, welch tiefschürfende Themen ich anschneide, immer redest du nur vom Essen!"

Dem konnte Nardia nicht so ganz zustimmen. Immer ganz gewiß nicht.

"Wenn ich aber doch Hunger habe?"

"Ich bin mir sicher, es wird nicht mehr lange dauern", versicherte Nad nach einem Blick auf die ziemlich überfüllte Lounge.

"Versuch's in der Zwischenzeit damit!" Acy gab ihm einen Kuß.

"Immerhin bist du nicht unschuldig daran, daß ich meine Energiereserven wieder auffüllen muß", meinte er daraufhin mit hochgezogenen Augenbrauen. Nardia sah ihre Schwester amüsiert an.

Genau in diesem Augenblick ertönte ein Gong, der die Eröffnung des Buffets ankündigigte. Mühelos hob Cayvyn Alycia hoch, stellte sie ab und bahnte sich einen Weg durch die Menge.

"Er scheint aber ausgesprochen hungrig zu sein", meinte Nardia irritiert. Alycia setzte eine halb schuldbewußte, halb belustigte Miene auf.

"Stimmt. Dabei hat er doch gerade schon einen Special-Cocktail getrunken."

"Tse", machte Nad. "Hast du schon mehr von dem Haus gesehen?"

"Ein bißchen. Es ist grandios! Gyrdiana hat es entworfen."

"Oh! - Dann muß es ja wahnsinnig teuer gewesen sein."

"Hm. Stimmt." Acy guckte entgeistert zu Cayvyn herüber, der mit zwei vollbepackten Tellern und drei Gläsern auf einem Tablett ankam. Wie hatte der das in dem Tempo geschafft?

"Hallo, Mesdames. Einen nord-ayryanischen Blauwein für Lady Nardia und einen für meine Liebste." Er lächelte Alycia an.

"Vielen Dank", meinte Nad und nahm sich ein Glas von Tablett. Acy tat es ihr gleich, aber nicht ohne Cay mit einem glutvollen Blick zu bedenken.

"Wie habt Ihr das geschafft, Mylord?"

"Ich war schneller", antwortete Cay mit höchstgradig zufriedenem Gesichtsausdruck. "Die übrigen Leute hatten noch gar nicht ganz realisiert, daß das Buffet bereits eröffnet war." Nardia sah zu den anderen Gästen, die jetzt das Buffet stürmten.

"Praktisch", kommentierte Acy und klaute ihm einige Häppchen. Da nun die Aufmerksamkeit der Gäste auf das Essen gerichtet war, gesellte sich Alan wieder zu ihnen. Er blickte amüsiert auf Cayvyns überladene Teller.

"Ich habe Hunger", verteidigte dieser sich.

"Habe ich etwas gesagt?"

"Du hast es gedacht!"

Acy konnte sich ein Kichern nicht verkneifen und wuschelte in Cayvyns Haaren herum.

"Woher willst du das wissen?"

"Man sah es dir auf 3 Parsec gegen den Sonnenwind an."

"Meint Ihr, Ihr werdet heute abend etwas spielen?" erkundigte sich Alycia.

"Vielleicht", wich Alan aus. 'Nur wenn es sich absolut nicht vermeiden läßt', dachte er. Er hatte keinerlei Lust, sich wieder stundenlang ans Klavier zu setzen.

"Vielleicht sollte ich mich auch einmal an einer kreativen Profession versuchen", überlegte Cay. "Wie wäre es mit Gesang oder Bildhauerei?" Nardia sah ihn irritiert an. Das konnte sie sich absolut nicht vorstellen. Alan amüsierte diese Idee. "Aber nein, Scherz beiseite", führte Cayvyn seinen Gedankengang fort. "Ich werde mich lieber einer anderen Sache widmen, der ich mich noch mehr zugetan fühle."

"Was denn?" wollte Alan wissen.

"Ich beabsichtige, mich fortan als Detektiv zu betätigen, wenn sich mir die Möglichkeit auftut, einen interessanten Fall zu bearbeiten", erklärte Sir Cayvyn würdevoll.

Alan mußte sich bemühen, nicht zu grinsen, denn diese Vorstellung war noch besser als die von Cay als Sänger. Nardia sah Cayvyn nur erstaunt an. Welche neuen Seiten würde man im Laufe der Zeit noch an ihm entdecken?

"Ich sehe es - Ihr begreift nicht den Ernst, der hinter diesem meinen Entschluß steht", deklamierte Cay. Das war nun wirklich zuviel, dachte Alan und mußte sich wahrlich bemühen, sich zu beherrschen. Wenn Ryko dermaßen den naravinischen Adligen herauskehrte, war das kaum zum Aushalten.

"Ihr werdet sehen, daß ich aus meiner reinsten und innersten Überzeugung handle, wenn ich Euch den Täter in meinem ersten Fall auf einem Silbertablett präsentiere." Nun kriegte sich auch Acy nicht mehr ein und prustete los. Cayvyn war herrlich.

Dies erregte nun die Aufmerksamkeit anderer Gäste, vor allem, da Alan nun ebenfalls laut lachen mußte. Sogleich war er von Leuten umringt, die ihn unbedingt zu einer Darbietung seines Könnens am Flügel überreden wollten. Alan seufzte innerlich. Leider konnte er sich wohl kaum weigern.

"Du, Alan", flüsterte Acy ihm ins Ohr. "Soll ich dich gesanglich begleiten? Dann brauchst du exakt eine Strophe zu spielen, und anschließend ist deine Bude leer!"

"Ich wünschte, das wäre möglich, aber leider wird man wohl auf einer Solo-Nummer bestehen. Seufz."

"Schade. Ich wollte doch schon immer einmal vor einem interessierten Publikum meine Sangeskünste darbieten."

"Wir könnten es ja versuchen", meinte Alan mit einem schiefen Grinsen. "Das nächste Mal setzen wir dann einfach ein Programm an."

"Dann wirst du dich nie wieder über irgendwelche Gästescharen beklagen müssen."

"Es gibt immer Hartnäckige, die nicht einmal dein Gesang schrecken würde, und die meisten meiner Gäste finden eh alles toll."

"Stimmt. Und was immer ich mache, wird ja in der Regel als Aktionskunst aufgefaßt", seufzte Alycia.

"Genau." Alan grinste, dann ließ er die beiden halbkreisförmigen Glaswände versinken, die Lounge und Wintergarten vom Atrium trennten. So konnte man ungehindert von einem Raum in den anderen gelangen. Vorsichtshalber schaltete er noch das Energiefeld über dem Garten an, dann ging er in den Wintergarten hinüber, wo sein Flügel stand.

"Was hast du denn die ganze Zeit mit Sir Alayn getuschelt", wollte Cayvyn wissen. Alycia ging zu ihm zurück und schlang ihm die Arme um den Hals.

"Ich habe ihm nur vorgeschlagen, er solle mich singen lassen, dann verzichten die Leute freiwillig auf eine Zugabe. Aber er meinte, sie würden das eher für Aktionskunst halten und mehrere Zugaben fordern."

"Hm", machte Cay eher ungläubig.

Alan hatte inzwischen den schwarz/metallicblauen Flügel von seiner Abdeckung befreit und nahm nun davor Platz.

"Was soll ich denn spielen?"

"Sandivo Iskaldirs 'Sonate in Fis-Dur für Klavier'!" rief eine ältere Dame.

'Grauenhaft', dachte Alan. Das war keine Musik, sondern eine Folter. Aber wenn sie es so wollten.

Alycia Cherylla Blade zuckte zusammen, als die ersten sinfonischen Dissonanzen erklangen. Und da sollte noch jemand sagen, Wild Screaming Green Thing (produziert ultraharte Musik, wie Trash Metal auf Sol III/Terra). Hit in 3763GZ: 'You're greener than you think' machten keine Musik! Dagegen war WSGT melodiös wie Harfenspiel!

Nardia fand es gleichfalls ausgesprochen unerträglich. Das sollte Klavier sein? Dann hörte sie sich doch lieber dieses Zeug an, das Acy so mochte.

Cayvyn war mittlerweile bei der Überzeugung angelangt, daß es selbst seine detektivischen Fähigkeiten überstieg, in dieser unmotivierten Ansammlung von Tönen und schrägen Akkorden irgendeine Melodie zu entdecken. Seltsam, alle anderen Anwesenden schienen verzückt zu lauschen. Waren vielleicht seine Akustik-Sensoren defekt?

Endlich hatte Alan das Stück hinter sich gebracht. Bevor irgendjemand noch einen Wunsch äußern konnte, begann er eine Komposition von André Vengane. 'The Moons' war wundervoll harmonisch, eine Wohltat gegenüber diesem modernen Stück, das sich ironischerweise eine Sinfonie schimpfte.

Ah, das war doch schon besser, befand Acy und kuschelte sich wieder an ihren herzallerliebsten Schatz. Das Stück verführte ungemein zum Kuscheln, dachte sie amüsiert.

Nardia fand ebenfalls, daß diese Musik durchaus akzeptabel war, und als Sir Alayn auch noch 'Thunder' von Denado Rill spielte, war sie absolut begeistert. Das war ihr absolutes Lieblingsstück.

"Mmmh. Das lasse ich mir gefallen", seufzte Alycia. Das einzige Problem ist, daß hier so viele Leute sind."

Allmählich hatte Alan wirklich genug und lehnte kategorisch alle weiteren Wünsche ab. Unerwartet kam ein Teenager auf ihn zugestürmt und drückte ihm einen gewaltigen Blumenstraß in den Arm. Alan sah das Mädchen verwirrt an. Woher kam sie nur? Hatte er sie überhaupt eingeladen? Er konnte sich nicht daran erinnern.

"Vielen Dank", meinte er dennoch und versuchte, die Blumen irgendwie festzuhalten. Diesen Moment nutzte die Lady, um ihm einen dicken Kuß auf die Wange zu schmatzen, ehe sie rasch die Flucht ergriff.

Nur mit größter Anstrengung gelang es Alan, sein Entsetzen zu verbergen. Igitt, was mußte er nur alles mitmachen? Weitere Blumen wurden ihm überreicht, allerdings sahen die anderen Ladies davon ab, ihn zu küssen.

"Ihr wart wundervoll, Sir Alayn!" meinte nun auch Acy, die ebenfalls in Richtung Flügel gestürmt war. "Spielt Ihr auch eigene Kompositionen?"

"Manchmal, aber nicht vor Publikum."

"Schade. Ich hoffe, irgendwann einmal etwas in dieser Richtung zu hören."

"Wenn keine anderen Gäste da sind, werde ich es gerne einmal vorspielen."

"Ihr seid zuvorkommend!"

Alan überreichte einem der Party-Service-Leute das ganze Blumenzeug, damit die Pflanzen ins Wasser kamen.

'Das wäre schon mal erledigt', dachte er. Hoffentlich wurde er auch bald die ganzen Gäste los.

"Wann gedenkt Ihr denn die Party zu beenden?" wollte Acy in diesem Augenblick wissen. Cayvyn guckte schon wieder so eigenartig. Er düste zu seiner Gefährtin und legte demonstrativ die Arme um sie.

"Möglichst bald", erwiderte Alan. Was Ryko nur wieder hatte? Alycia seufzte und legte den Kopf nach hinten, um Cay anzusehen.

"Ich habe keinerlei Intentionen bezüglich Sir Alayn", flüsterte sie ihm zu. "Was du nur immer denkst."

Alan guckte Ryko amüsiert an. Dieser hatte die Sache immer noch icht vergessen, obwohl er ihm doch sogar das Versprechen gegeben hatte, sich Acy nicht mehr zu nähern.

"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", stellte Cayvyn fest und küßte sie. Alan fragte sich, ob das nun auf Acy oder auf ihn bezogen war. Cay hob Alycia kurzhand auf die Arme und nahm sie mit zum Buffet, welches er noch einiger Köstlichkeiten zu berauben gedachte.

'Typisch!', dachte Alan und machte sich daran, seine Gäste dezent zum Aufbruch zu mahnen, indem er die Leute vom Party-Service anwies, schon mal mit den Aufräumungsarbeiten zu beginnen. Cayvyn guckte sich verstohlen um, dann eroberte er sich noch eine Platte, der er die Häppchen entriß, und mit diesen, sowie Acy, verdüste er sich zu einem stillen Fleck im Wintergarten. Da konnte er hoffentlich in Ruhe futtern.

Anscheinend hatten die Leute die Aufforderung verstanden, denn innerhalb kürzester Zeit leerte sich die Lounge. Alan machte sich auf die Suche nach Cayvyn und Acy, da die beiden den allgemeinen Aufbruch bestimmt nicht mitbekommen hatten. Er fand sie auf einem freien Grasflecken unter einem kleinen Baum. Alan setzte sich auf eine kleine Mauer und seufzte tief. Endlich war das vorbei.

"Hm?" Acy setzte sich auf und sah sich um. "Wer seufzte da so tragisch?"

"Ich, warum?" fragte Alan.

"Das hörte sich sehr tragisch an."

"Naja."

"Als hättet Ihr Eure wahre Liebe gefunden und wieder verloren." meinte Alycia todernst, um Alan ein wenig aufzuziehen. Tatsächlich sah dieser sie entsetzt an. An sowas hatte er nun wirklich nicht gedacht. Er fand nur diese Parties so öde. Aus Cayvyns Richtung kam ein unterdrücktes Glucksen. Er fand diese Vorstellung bei Alan einfach umwerfend. Der warf Ryko einen ärgerlichen Blick zu. Was war daran so witzig?

"Wie ist es, Alan, hast du noch Lust, in die Tasten zu hauen? Ich möchte so gerne eine deiner Eigenkompositionen hören", bat Alycia.

"Wenn du es möchtest", erwiderte er.

"Wenn du es möchtest. Das klang nämlich gerade nicht sehr überzeugt."

"Naja, bisher habe ich das noch niemanden hören lassen."

"Warum? Fürchtest du die Kritik?"

"Nein."

"Und warum hast du es dann noch nicht getan?"

"Wer hört mir schon zu?"

"Ich zum Beispiel." Das brachte Acy wieder einen mahnenden Blick von Cayvyn ein.

"Gut", sagte Alan schließlich. "Nur für dich!"

Jetzt sah Cayvyn Alan überaus mißtrauisch an und zog Alycia in seine Arme. Alan lachte leise und ging erneut zum Flügel herüber, wo er einige seiner Kompositionen zum besten gab.

Acy lauschte interessiert. Doch, wahrlich nicht übel. Es war zwar überhaupt nichts wie die 'klassischen Stücke', aber es gefiel.

"Hast du schon mal überlegt, das kommerziell zu verwerten?"

"Ganz bestimmt nicht."

"Warum nicht? Das klingt stark!"

"Tse", machte Alan. "Stark?"

"Naja, nicht heavy, aber hörbar!" Alan lachte über diesen Kommentar. "Und? Warum willst du es nicht herausbringen?"

"Was habe ich davon?"

"Naja, dann können auch andere Leute deine Originalwerke hören und bewundern."

"...und mir auf den Geist gehen! Danke, mir reicht es jetzt schon."

"Jetzt mußt du die Klamotten von anderen Leuten nachspielen, die ungleich nerviger sind. Überleg mal, du wirst kaum darum herumkommen, weiter vorzuspielen - willst du dann nicht lieber eigene Stücke interpretieren?"

"Hm. Die alten Sachen sind aber weitaus einfacher."

"Wieso einfacher?"

"Na, ich muß weder nachdenken, was die Noten betrifft, noch über die Ausführung."

"Hm? Warum das?"

"Ich kopiere einfach andere Musiker."

"Aha. Aber du kannst offenbar eigene Musik machen."

"Natürlich, aber das ist eben auch aufwendiger. Alte Stücke gibt es massenhaft."

"Naja. Ich dachte ja bloß. Machst du mir eine Aufnahme von deinem letzten Stück?"

"Sicher. Ich habe sogar irgendwo noch welche herumliegen."

"Super! Die Stücke haben mir nämlich echt gefallen."

"Das freut mich. Übrigens, falls ihr bleiben wollt, könnt ihr gerne in einem der Gästezimmer übernachten."

"Warum nicht? - Hm, Cay, was meinst du?"

"Wenn du es möchtest."

"Gerne! Vielleicht kann ich dann Alans Tapes direkt mitnehmen, wenn er sie gefunden hat."

"Ihr findet den Weg?"

"Ja!" - "Nein!" Ersteres kam von Cayvyn, zweites von Alycia.

"Naja, ich werde jedenfalls mal diese Bänder suchen", meinte Alan und verschwand in Richtung Lounge.

"Wo sind wir, und wo müssen wir hin?" fragte Acy.

"Zehn Meter nach rechts", kam es von ihrem Gefährten. "Zumindest, wenn ich die Beschriftung des Grundrisses richtig interpretiert habe." Sie machten sich auf den Weg und standen kurz darauf vor einer Tür, die mit einem dezenten G1 betitelt war. Selbst das Gästezimmer war von beeindruckender Größe, stellte Alycia nach dem Eintreten fest. Es war natürlich ebenfalls in Weiß, Schwarz und Metallicblau gehalten. Ein flauschiger weißer Teppich bedeckte den Boden, in den ein Bett dergestalt eingebaut war, daß es nur eine kleine Stufe gab. Unmengen von metallicblauen Kissen waren darüber verteilt, ebenso wie auf der Sitzgruppe in der Ecke. In der anderen Ecke befand sich ein Wandschrank.

"Hübsch", meinte Acy. "Wirklich hübsch!" Sie ging in Richtung Glaswand, hinter der der Wintergarten lag. Beim zweiten Schritt stolperte sie über das Bett und fiel hinein.

"Du hast es aber eilig", kommentierte Cayvyn grinsend. Alycia wühlte sich aus den Kissen und Decken und sah ihn strafend an.

Etwa eine halbe Stunde später hatten sie sich halbwegs eingerichtet, wobei auch noch Cay eine Bruchlandung in das Bett absolvierte. Diesmal setzte Acy ein niederträchtiges Grinsen auf, ehe sie sich allmählich zu ihm gesellte.

Hoffentlich fand Alan die Tapes, überlegte sie noch, bevor sie sich nunmehr intensivst Cayvyn widmete.

* * *

Alan hatte die Aufnahmen inzwischen gefunden und es sich auf seinem Bett bequem gemacht. Er fragte sich, ob Alycia und Cayvyn auch schon Bekanntschaft mit dieser blöden 'Bettkante' gemacht hatten. Er jedenfalls war in der ersten Zeit zig Mal darüber gestolpert.

Er griff nach dem Keyboard, das neben ihm auf dem Bett lag und machte sich daran, ein neues Stück zu komponieren. Irgendwie war es ihm bei dem Gespräch mit Acy eingefallen.

* * *

3763/05/11 GZ

Alycia hatte sich frischgemacht & angezogen und wollte nun gerne etwas essen. Nur - wo war jetzt die Küche? Cayvyn war bereits unterwegs, vermutlich hing er irgendwo mit Alan zusammen. Die beiden unternahmen in der letzten Zeit für ihren Geschmack ohnehin viel zu viel gemeinsam, und das, wo doch Alan einen höchst negativen Einfluß auf Cay auszuüben schien.

Sie wanderte aus ihrer Gästesuite und landete im Grünzeug. Das war schon mal nichts. Aber da hinten befand sich der Springbrunnen! Hm. Vom Atrium aus konnte man im Prinzip überallhin kommen. Der einzige Nachteil war die Tatsache, daß die Glaswand oben war, und da sie keinen Durchgang enthielt, war an dieser Stelle kein Durchkommen. Also Kommando retour...

Acy ging wieder zurück ins Schlafzimmer, flog natürlich erst einmal wieder über die Bettkante und stand anschließend in einem schmalen Gang. Wo lag nun die Küche? Sie entschied sich für rechts und fand sich unerwartet in der gewaltigen Lounge wieder.

Auch von hier hatte man einen phänomenalen Blick auf den Springbrunnen - und ebenfalls keinen Durchgang. Es war frustrierend. Sie hatte noch keinen Kaffee gekriegt, es war früh am Morgen, Cayvyn war nicht da, und dann hatte sie sich in diesem verdfluxten Teil auch noch total verlaufen! Graaaa! Ah, da hinten war ein Ausgang. Sie wanderte die ebenfalls gläserne Außenwand entlang.

An zwei Toiletten vorbei landete sie auf einem weiteren Gang. Sie lief ihn entlang, wobei sie sich in einen ständig anwachsenden Stadium frustrierter Gereiztheit befand und stellte fest, daß sämtliche Türen zu beiden Seiten verschlossen waren.

Schließlich kam sie zu einer Kreuzung. Nach ganz rechts ging es zum Atrium, halb links zum Ausgang und halb rechts befand sich ein weiterer Gang. Gut, dann dort entlang. Die dritte Tür von links war endlich offen.

"Einen wundervollen Guten Morgen, Lady Alycia", meinte Alan gutgelaunt und genehmigte sich ein weiteres Brötchen.

"Knurr!" kam es von Alycia.

"Mit Sicherheit wünscht Ihr eine große Tasse Kaffee." Er reichte Acy einen monumentalen Becher.

"Danke." Sie warf Cayvyn einen tödlichen Blick zu.

"Habt Ihr gut geschlafen?" erkundigte sich Alan und schmierte sich noch ein Brötchen.

"Hm. Ja. Aber dieses Bett..."

"Genial, nicht wahr?"

"Es ist gefährlich."

"Man kann nur hineinfallen."

"Aber man kann sich die Zehen daran verstauchen!"

"Naja, aber diese Betten waren bereits installiert, und ich hatte keine Lust, das halbe Haus demontieren zu lassen."

"Jee... - Aber daß du mich im Stich gelassen hast!" Acy funkelte Cayvyn verärgert an. Alan wandte sich lieber wieder seinem Frühstück zu. Hoffentlich stritten die sich nicht schon wieder.

"Du hast geschlafen. Ich fand es interessanter, mich noch etwas mit Alan zu unterhalten, da du ja ohnehin ...indisponiert warst." Dazu sagte Alycia lieber nichts, sondern hielt sich an ihrer Kaffeetasse fest.

"Noch etwas Kaffee?" fragte Alan.

"Bitte!" Langsam regte sich Acy etwas ab. "Du solltest hier Wegweiser zu den einzelnen Räumen anbringen!"

"Bis jetzt bestand keine Notwendigkeit dazu."

"Dieses Herumirren ist nervig!"

"Für Euch werde ich natürlich Schilder anbringen." Dies brachte Alan wieder einmal einen ungehaltenen Blick von Sir Cayvyn ein. Er grinste diesen an. "Wie wäre es nun mit einem Brötchen?" erkundigte er sich bei Acy.

"Gerne. Honig, bitte." Alan machte ein Brötchen fertig und reichte es der jungen Frau. "Ich danke Euch."

"Ihr seid immerhin meine Gäste."

Alycia mampfte die Brötchen-Hälften und sah ihren Gefährten prüfend an.

"Cay, kein Grund zur Eifersucht. Du kannst mir gerne auch ein Brötchen schmieren." Sie warf ihm einen koketten Blick zu, und Cayvyn tat sogleich, wie ihm geheißen - ehe Alan wieder vorpreschen konnte. Jener lachte nur.

"Was habt Ihr denn heute vor?"

"Heute ist ...Siskatag, glaube ich. Eigentlich hatten wir nichts vor, oder?" Acy schaute Cayvyn fragend an, und dieser schüttelte den Kopf.

"Schön", meinte Alan daraufhin. "Und was machen wir dann?"

"Wie wäre es mit einem Picknick im Freizeitpark Kelavaar?" schlug Alycia vor. "Auch wenn es gerade Winter ist - die ganze Anlange befindet sich unter einer vollklimatisierten Energiekuppel."

"Aber gerne", stimmte Alan zu.

"Cay?"

"Ich habe auch nichts dagegen. Hauptsache, es gibt genug zu essen."

"Ich denke, ich habe genügend da", meinte Alan belustigt.

"Sehr gut", kam es von Cayvyn.

"Was haltet Ihr davon, wenn wir meine Schwester mitnehmen? Ich alleine mit zwei derart gutaussehenden Herren, das gäbe doch wieder die schlimmsten Gerüchte."

Alan verzog das Gesicht. Er hatte keinerlei Lust, Nardia zu begegnen.

"Was guckt Ihr so tragisch?" wollte Cayvyn wissen.

"Tue ich das?"

"Ja!"

"Naja."

"Also - Warum?"

"Ich gehe ihr nunmal lieber aus dem Weg."

"Aber warum? Ihr wart doch schon einmal zusammen."

Alan warf Cayvyn einen tödlichen Blick zu. Was hat das damit zu tun?"

"Naja", sagte Cayvyn laut, über Funk aber meinte er: Denk daran, daß du mir noch vor drei Wochen erzählt hast, wie sehr du immer noch an ihr hängst.

Das tue ich auch, erwiderte Alan ebenso.

Und warum gehst du ihr dann permanent aus dem Weg?

Wir würden uns ja doch nur streiten.

Wieso? Lade sie als Alayn Crane-Jenison ein. Du mußt sie einfach von deinen lauteren Absichten überzeugen.

Alan sah Cayvyn verwirrt an. Das geht mit Sicherheit nicht.

Das weißt du erst, wenn du es ausprobiert hast. Und du kannst nur gewinnen! Entweder, alles bleibt, wie es ist - oder es wird eben besser.

Eher schlechter.

Wie sollte da noch etwas schlechter werden?

Ich habe eben ein schlechtes Gefühl.

"Hey, werte Herren - was ist nun?" rief Acy.

"Wie wäre es, wenn wir einen Korb zusammenpacken?" meinte Alan nun laut.

"Also, was ist - kommt Nad nun mit oder nicht?"

"Ich lade sie aber nicht ein."

"Na gut. Dann rufe ich sie an."

"Gut. Cayvyn, hilfst du mir mit dem Einpacken?" Alan öffnete die Tür zum Vorratsraum.

"Sicherlich."

"Wo ist hier ein Viphon?" erkundigte sich Alycia.

"Nebenan im Eßzimmer", entgegnete Alan, während er schon mal einen monumentalen Korb aus dem Regal nahm.

"Danke." Acy stürmte in den Nebenraum. "Viphon an!" Sie nannte Nardias Codenummer.

* * *

Das Viphon summte, und Nardia ging heran.

"Ja, bitte?"

"Hi Nad!"

"Hallo Acy", sagte diese und musterte erstaunt den Raum hinter ihrer Halbschwester. "Wo bist du denn?"

"Bei Sir Alayn. Cay und ich haben dort übernachtet."

"Aha. Und was möchtest du?"

"Wir wollten picknicken, aber ich habe keine Lust, alleine mit zwei Herren ins Grüne zu fahren. Ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren!"

"Welchen?" fragte Nardia amüsiert.

"Hey, ich bin schließlich meinem herzallerliebsten Sir Cayvyn auf immer und ewig treu."

"Und warum soll ich dann mitkommen?"

"Weil die Presse das nicht weiß."

"Naja, eigentlich habe ich heute noch nichts vor."

"Prima! Wir wollen in den Freizeitpark Kelavaar fliegen."

"Nun gut. Holt ihr mich ab?"

"Gerne. Cay und ich sind eh mit dem Gleiter da."

Nardia fragte sich, was Alycia und Sir Cayvyn eigentlich mit diesem Sir Alayn zu tun hatten. Die hingen anscheinend dauernd zusammen. Und vor allem, warum sollte sie unbedingt mit? Aber wenn sie nicht mitging, würde sie das wohl kaum erfahren.

"Wann werde ihr hier sein?"

"Moment, ich frage die Männer mal." Acy düste durch die Küche in den Vorratsraum. "Seid ihr fertig?"

Alan nickte nur, da er sich soeben ein Stück Kuchen in den Mund gesteckt hatte.

"Ihr seid verfressen, alle beide! Laßt ihr uns auch noch etwas übrig?"

"Reicht das?" Alan wies auf die vollgepackten Schränke und Regale.

"Hm. Ja. - Also, können wir gleich los?"

"Ja. Ich muß nur noch einiges zusammenräumen."

"Gut. Dann gebe ich Nardia Bescheid." Acy joggte zum Eßzimmer zurück. "Nad, wir sind in einer Vierstelstunde bei dir."

"Gut. Ich warte dann." Nardia schaltete ab.

Acy sah an sich herab. Sie trug immer noch den engen metallicvioletten Coverall von der Party gestern. Hm. Sie hätte vielleicht etwas Zeit einplanen sollen, um sich etwas Praktischeres anzuziehen. Naja, c'est la vie. Zumindest würden im Park angenehme Temperaturen herrschen.

"Okay", rief sie in Richtung Vorratsraum. "Wir können durchstarten!"

Alan kam mit einer Decke ins Eßzimmer, während Cayvyn den Korb trug.

"Ich würde sagen, wir können", meinte er.

"Gut. Alan, am besten ist es, wenn du Nad eintütest."

"Wie Ihr wünscht." Er hatte sich inzwischen damit abgefunden.

"Okay. Dann los!" Alycia sah sich suchend um. "Wo ist hier der Ausgang?"

"Ich gehe vor. Ich muß sowieso zur Garage", sagte Alan.

"Gut."

Kurz darauf schwebten die Gleiter in Richtung Blade Manor, wo Nardia bereits an der Tür wartete.

Acys Aero-Shuttle parkte auf dem Parkplatz schräg vor dem Gebäude, und sie stürmte aus dem Fahrzeug.

"Huhu Nad!"

"Huhu Acy. Ist das nicht ein komischer Aufzug für ein Picknick?"

"Oh, ich bin nur noch nicht dazu gekommen, mir etwas Zweckmäßigeres zu holen. Es war schließlich nicht geplant, daß wir über Nacht bei Sir Alayn blieben. Ich sollte rasch zur Villa Alycia springen und mich umziehen. Aber erst muß ich einmal herausfinden, wo wir genau picknicken, sonst finde ich das nie, wenn ich zum Planeten zurückspringe."

"Gut, dann können wir wohl losfliegen."

"Allerdings. Komm!" Sie winkte ihre Schwester zu Alans Gleiter.

"Guten Morgen, Lady Nardia", begrüßte dieser sie.

"Morgen", gab sie zurück.

Die vier düsten los und parkten in der Tiefgarage unter einer der Grünflächen des Freizeitparks. Dort stiegen sie aus und machten sich auf den Weg nach oben. Sir Cayvyn 'durfte' wieder den Korb tragen, wobei Acy vermutete, daß er ihn freiwillig bestimmt nicht aus der Hand geben würde. Sie hatte ihren TM-Gürtel aus dem Handschuhfach des Gleiters genommen und in ihre Handtasche gepackte, damit sie sich zu passender Gelegenheit in der Villa Alycia umkleiden konnte.

Alycia hakte sich bei ihrem Lebensgefährten ein und sah sich interessiert um. Man hatte es endlich geschafft, die Schwebenden Wasserfälle fertigzustellen, bemerkte sie.

Nardia lief hinter ihnen her. Auch sie betrachtete die Wasserfälle interessiert. Alan bildete das Schlußlicht, und er hatte keinen Blick für die Sehenswürdigkeiten übrig, denn er war immer noch nicht davon begeistert, daß Nardia sie begleitete.

"Sollen wir hier lagern?" Cayvyn deutete auf eine kleine Wiese inmitten malerischer, blütenübersäter Büsche, die als Liegefläche freigegeben war.

"Ja, das ist wirklich hübsch", stimmte Nad zu. Alan breitete die Decke auf der Wiese aus. Cayvyn ließ sich elegant dort nieder und stellte den Picknick-Korb neben sich. Acy beugte sich zu ihm herunter und gab ihm einen Kuß.

"Ich bin gleich wieder retour. Ich möchte mir nur etwas Bequemeres anziehen." Sie verschwand im Unterholz, spang via TM auf die Villa Alycia, entledigte sich ihrer Perücke & Coverall und warf sich anschließend in eine bequeme, fließende neonpinkfarbene Kombination. So kehrte sie 6 Minuten später zurück.

Nardia hatte sich inzwischen ebenfalls auf der Decke niedergelassen.

"Hallo, da bin ich wieder!"

"Fein", meinte Nardia. Alan stand immer noch in der Nähe der Büsche herum. Er wollte nicht hier sein!

"Hallo Cay." Acy schlang die Arme um ihn, ehe sie Alan erspähte. "Aber Sir Alayn, was hängt Ihr da so einsam im Gebüsch herum?"

"Mir gefällt es hier", sagte Alan reserviert.

"Wenn Ihr meint." Acy stibitzte sich ein paar Häppchen von Cayvyns bereits aufgebauten Tellern.

"Könnt Ihr mir bitte auch etwas herüberreichen?" erkundigte sich Nad bei Sir Cayvyn.

"Was möchtet Ihr, Lady Nardia?"

"Das!" Sie deutete auf eine Schüssel.

"Bitte sehr!" Cay reichte sie ihr an.

"Danke." Nardia machte sich heißhungrig über den Inhalt her. Alycia legte ihren Kopf auf Cayvyns Schoß und ließ sich von diesem füttern. Nardia sah ihr amüsiert zu. Alan fischte sich ebenfalls ein paar Eßwaren aus dem Korb, setzte sich aber nicht zu ihnen.

"Seufz", machte Acy behaglich, und Nad grinste sie an. Typisch. "Was grinsest du?"

"Nur so", meinte Nardia.

"Für 'nur so' grinst du reichlich unverschämt!"

"Ich werde es nicht erläutern."

"Tsy."

"Würdet Ihr mir noch etwas von dem Brot reichen?" bat Nardia Sir Cayvyn.

"Sicherlich, Lady Nardia."

"Danke." Nad fragte sich, warum sich dieser Alayn Crane-Jenison nicht zu ihnen setzte. Der Typ war wirklich mehr als eigentümlich.

"Sir Alayn, es macht mich nervös, daß Ihr so dumm da herumsteht", beklagte sich Alycia.

"Das betrübt mich", erwiderte dieser, rührte sich aber nicht.

"Seufz", gab sie daraufhin von sich, doch Alan sah demonstrativ in eine andere Richtung.

"Dann eben nicht." Acy kuschelte sich wieder an Cayvyn. Nardia fand das mittlerweile gar nicht mehr komisch. Was hatte dieser Typ nur? Es schien irgendwie, als versuchte er, ihr aus dem Weg zu gehen. Sie sah ihn sehr nachdenklich an. Cayvyn wandte sich in Gedanken erschüttert ab, ehe er sich per Funk an seinen Bruder wandte.

Alan, jetzt komm endlich her! Dein Verhalten wirkt höchst verdächtig.

Wider erwarten gehorchte Alan und setzte sich mit auf die Decke.

"Möchtet Ihr etwas von dem Kuchen?" fragte Cay laut. Alan schüttelte den Kopf. Er hatte keinen Appetit mehr.

"Haben wir etwas zu trinken dabei?" wollte Nardia wissen. Sie war mittlerweile zu neugierig, was dieser Typ eigentlich wollte.

"Was möchtet Ihr?" Cayvyn legte Acy vorsichtig auf der Decke ab und wühlte sich durch den Korb.

"Limonade oder sowas."

Cayvyn förderte vier Gläser hervor, sowie eine Flasche Limo und eine Flasche Blauwein. Er schenkte Nardia ein.

"Danke." Sie war ziemlich durstig. Anschließend füllte er sein und Acys Glas mit dem nord-ayryanischen Blauwein.

"Und was möchtet Ihr?"

"Auch Wein", erwiderte Alan.

"Bitte!" Cay überreichte ihm das letzte Glas. Nardia wandte sich an Sir Alayn.

"Seit wann seid Ihr eigentlich schon in Ashteera?"

"Ich kam gut eine Woche vor Sir Cayvyns Geburtstag aus Tarishaan an. Zuvor war ich einige Zeit unterwegs. Nach dem Tod meiner Mutter bin ich ziemlich viel umhergezogen", erzählte Alan.

"Warum seid Ihr denn nicht schon früher einmal aufgetreten?" erkundigte sich Acy bei ihm. "Ihr seid musikalisch überaus begabt."

"Es gab kaum Gelegenheiten. Ich mußte mich ja um meine Mutter kümmern, und danach hatte ich irgendwie nicht die Muße dazu."

"Stimmt. Rebecca Crane-Jenison war ja längere Zeit leidend", kommentierte Alycia.

"In der Tat. Es waren immerhin acht Jahre", meinte Alan traurig.

"Das tut mir leid", sagte Nardia mitfühlend.

"Sie war eine große Künstlerin", bemerkte Alycia.

"Das war sie wirklich. Niemand war so wie sie."

"Himmel, bin ich müde", stellte Acy auf einmal fest. Nardia guckte sie amüsiert an. Auch Alan lachte leise. Sie rollte sich kurzerhand in Cays Armen zusammen. "Weckt mich, wenn es wieder was zu essen gibt."

"Tse, irgendwie scheint Sir Cayvyn abzufärben", fand Nardia.

"Püh!"

Cayvyn grinste Nad an und wuschelte in Acys Haaren herum.

"Stimmt doch", unterstrich Nardia. "Du wirst immer verfressener."

"Ich hoffe, man sieht es mir noch nicht an."

"Ganz sicher nicht", sagte Alan nach eingehender Musterung.

"Nein? Gut."

"Obwohl", begann Nad und schaute Acy kritisch an.

"Was?"

"Keine Angst", beruhigte Cay. "Etwas üppigere Formen stehen dir nicht schlecht zu Gesicht."

Alycia sah ihn entsetzt an.

"Knuffig", stimmte Alan todernst zu.

"Üppig? Knuffig? - Oh, Dunkle Mutter, ich muß unbedingt wieder eine Diät machen!"

"Stimmt", meinte Nardia grinsend.

"Obwohl - es hat auch seine Reize." Cayvyn fuhr ihre Rundungen mit den Fingerspitzen nach.

"Gewiß." Alan folgte dessen Hand mit seinem Blick.

"Püh!" protestierte Acy. "Ich bin doch kein Demonstrationsobjekt für 'weibliche Rundungen'!" Sie warf erst Cayvyn, dann Alan einen tadelnden Blick zu.

"Mir scheint es doch so", sagte Nardia belustigt.

"Männer!" seufzte Acy. Nardia lachte über diesen Stoßseufzer. "Obwohl - der eine oder andere hat schon so seine Vorzüge." Alycia sah zu ihrem Gefährten auf.

"Tse", machte Nad.

"Was heißt hier 'der eine oder andere'?" erkundigte sich Cay mißtrauisch. Nardia mußte sich ein Kichern verkneifen. Sir Cayvyn war wohl schon wieder eifersüchtig.

"Nun gut", sagen wir - nur 'der eine'", lenkte Acy belustigt ein. Alan fischte sich noch ein paar Leckereien aus dem Korb. Er mußte irgendetwas tun, und Essen war immer noch am unverfänglichsten.

"Sag mal, Nad, was ist denn in der letzten Woche so losgewesen?" wollte Alycia wissen.

"Hm. Gesprächsthema Nr.1 war natürlich Sir Alayn", begann sie. "Dann war da die Verlobung von Desira Nati, der Tochter des Textilmagnaten. Hm, sonst fällt mir nichts Außergewöhnliches mehr ein."

"Seufz. Ich war schon so lange nicht mehr bei einem Picknick. Was tut man da eigentlich?" Acy breitete unschlüssig die Arme aus.

"Keine Ahnung", entgegnete Nardia.

"Wenn ich normalerweise picknicke, dann nur zusammen mit Cay."

"Eben. Man picknickt zu zweit oder in Massen. Aber so..."

"Massen?"

"Ich erinnere mich da an so einen Betriebsausflug der ISPC."

"Hm. Also, die Künstlergewerkschaft macht keine Betriebsausflüge."

"Sei froh!"

"Ich stelle mir nur gerade vor, wie Deion Themieux (geboren 3717/01/27 GZ. Abstrakte Kunstwerke. Vorsitzender der Künstlergewerkschaft), Helios d'Alembert (geboren 3735/09/20 GZ. Hat dem Fotorealismus zu einem neuen Höhepunkt verholfen) und die Freaks auf ein Picknick gehen", kicherte Acy.

"Ich stelle es mir lieber nicht vor!"

"Da ist es mir so schon lieber." Alycia schnurrte behaglich, als Cayvyn sie gedankenverloren streichelte. Nardia legte sich auf die Decke und betrachtete die beiden nachdenklich. Alan hatte die Arme um seine Knie geschlungen und sah grübelnd auf die Büsche.

"Gibt es noch etwas zu trinken?" fragte Acy. Cayvyn goß ihr Glas noch einmal voll. "Danke, mein Schatz."

Nardia schnippte einiges an Ungeziefer von der Decke. Das haßte sie an Picknicks, diese Viecher.

"Iiih!" Jetzt habe ich einen eingelegten Käfer!" beschwerte sich ihre Schwester mit Blick auf das Weinglas.

"Entschuldige", meinte Nad.

"Büüüh!" Alycia schüttete den Wein in einen kleinen Busch.

"Ich werde mich bemühen, das nicht zu wiederholen."

"Besten Dank!" Acy drapierte sich wieder in Cayvyns Arme, nachdem sie sich nachgeschüttet hatte. Nardia seufzte und begann, diverse Grashalme auszuzupfen.

Alan, du bist ein Trottel! sagte Cayvyn über Funk. Alan sah verwirrt auf. Nun kümmere dich doch endlich um Nardia!

Nein, erwiderte Alan nachdrücklich.

Tu es!

Du kannst mich nicht dazu zwingen.

Seufz! Vielleicht sollte ich wirklich irgendwie versuchen, es doch zu tun. Himmel, warum bist du nur so blind? Alan sah Ryko irritiert an, und dieser fuhr fort. Sieh sie dir doch an! Sie fühlt sich einsam, verlassen, unglücklich...

Was geht mich das an?

Du bist immerhin daran schuld.

Das verstehe ich nicht.

Du hast sie schließlich verlassen.

Das stimmt nicht.

Nun gut - dann hast du dich eben nicht ausreichend um sie bemüht.

Sie wollte nicht, warum sollte ich mich aufdrängen?

Du hättest sie von deinen Vorzügen überzeugen sollen.

Welche Vorzüge?

Das solltest du doch am besten wissen.

Ich habe keine Vorzüge, ich finde mich selbst unerträglich. Jedenfalls war es so, bevor ich diesen Shutdown hatte.

Versuche es doch wenigstens.

Hm. Alan zögerte. Nein. Er war sich nicht sicher, vielleicht war es auch ein bißchen Furcht, abgewiesen zu werden.

Warum nicht?

Ich weiß nicht.

Was kannst du denn verlieren?

Meinen Stolz.

Aber du kannst auch gewinnen!

Was?

Sie! Cayvyn warf einen Blick zu Nardia herüner, die immer noch Blumen zerpflückte.

Seufz. Alan steckte in einem Zwiespalt. Er konnte sich einfach nicht entscheiden.

Hast du ein Problem? wollte Cay wissen. Er vergrub sein Gesicht in Alycias Haaren. Ein Glück, daß sie nicht wußte, daß er tiefschürfende Gespräche mit Alan führte, anstatt sich ausschließlich mit ihr zu beschäftigen.

Ich glaube, ich bin ein Problem.

So könnte man es auch formulieren, kommentierte Cayvyn belustigt.

Mußt du mir auch noch zustimmen?

Sollte ich dir etwa widersprechen? Cays Grinsen wurde von Acys Haaren versteckt. Er strich ihr zärtlich über Hals und Wange.

Ach, ich weiß nicht. Warum ist das alles nur so kompliziert?

Diese Frage kam Cayvyn eigentümlich bekannt vor.

Wieso kompliziert? fragte er scheinheilig.

Ryko, ich lasse mich nicht hereinlegen!

Wer will dich hier hereinlegen? Ich finde es nur tragisch, wie du dich auf Shanjir förmlich nach Stardust verzehrtest und jetzt doch wieder nicht den Mut aufbringst, die Angelegenheit zu klären.

Was weißt du davon, wie schwer es ist, sich auf die neue Situation einzustellen? Ich bin unsicher.

Augen zu und durch, empfahl Cayvyn.

Ich weiß nicht.

"Seufz", machte Cayvyn, numehr wieder akustisch. Nardia sah ihn fragend an. Was war hier nur los? Totales Schweigen. Wäre sie doch bloß zu Hause geblieben.

Alan, du verpaßt die Chance deines Lebens! funkte Cay ihm zu.

Sagst du.

In der Tat.

Acy war begeistert. Hier war ein lauschiges Plätzchen, Cayvyn kuschelte mit ihr herum, und der Wein war gut... Nur Nardia hatte offenbar ein Problem.

Dieser wurde es nun wirklich zu dumm, außerdem mußte sie mal verschwinden.

"Ich bin gleich wieder zurück", sagte sie und düste von hinnen.

"Wie spät ist es eigentlich?" ließ sich Alycia mal wieder vernehmen.

"11:14 Uhr", antwortete Alan.

"Zeit zum Mittagessen, würde ich sagen."

Cayvyn seufzte. Es hätte so gut auskommen können, wenn Alan sich Nardia zugewandt hätte. Ihm wäre das nur recht, da dieser dann mit Acys Schwester beschäftigt wäre und somit keine Zeit mehr hätte, Alycia schöne Augen zu machen.

"Ich habe eigentlich gar keinen Hunger", äußerte sich Alan. Er wollte endlich raus aus dieser Misere, und das wäre doch ein guter Grund, nicht mitgehen zu müssen.

"Hm. Eigentlich habt Ihr recht, Sir Alayn", überlegte Acy. "Ich muß doch abnehmen."

"Beenden wir das Picknick?" erkundigte sich Alan.

"Wir können doch noch ein wenig durch die Anlagen wandern", schlug Alycia vor. "Die Unterwassergärten sind mehr als sehenswert."

Alan nickte ergeben. Ihm war alles so egal. Soeben kam Nardia zurück. Hoffentlich war denen inzwischen etwas eingefallen.

"Was machen wir jetzt?"

"Wir spazieren zu den Unterwassergärten", verkündete Acy enthusiastisch. "Als ich das letzte Mal hier war, waren sie gerade dabei, sinhalonische Wasserblüten einzusetzen."

"Das wird bestimmt wundervoll aussehen", stellte Nardia fest.

"Wir können laufen oder nit der Schwebebahn fahren."

"Ich laufe eigentlich lieber", überlegte Nad. "Wir haben so lange herumgesessen."

"Gut!" Alycia packte die Teller und Gläser in den Korb, den Cayvyn wieder in Empfang nahm. Alan legte die Decke zusammen. Das Ganze war eine Tortur, er wollte nach Hause, sich in seinem Zimmer einschließen und nicht mehr mehr gestört werden.

Acy hakte sich bei ihrem Gefährten ein, und sie schlenderten voran. Nardia folgte ihnen, wobei sie aber immer wieder vom Weg abwich, um irgendetwas anzusehen. Alan bildete die Nachhut.

Bald erreichten die vier einen See. Ein Stück weiter befand sich ein gläsernes Tor, welches sich als Eingang zu den Unterwassergärten entpuppte. Über ein abschüssiges Gleitband kamen sie auf den Boden des Gewässers. Nardia staunte über die Farbenpracht der Blumen in dem eigentümlichen bläulichen Licht. Wundervoll.

"Hier gibt es auch einen Enshay-Rosengarten", machte Alycia ihre Schwester aufmerksam.

"Oh, wirklich?" Ich liebe Rosen!" Nicht umsonst hatte sie in Blade Manor einen gewaltigen Rosengarten angelegt. Sie züchtete sogar selber neue Arten.

"Ich weiß. Wir müssen nur den Schildern folgen."

Nardia stürmte voran, sie konnte es nicht erwarten, diese Rosen zu sehen. Acy und Cay wanderten etwas langsamer hinterher. Nad stand fasziniert da und blickte auf die unglaubliche Pracht der Rosen unter Wasser! Sie konnte es kaum glauben.

"Ich mag vor allem die!" Alycia deutete auf einige neonschimmernde Sorten, die offenbar sogar lumineszierten.

"Die sind hübsch." Vielleicht sollte sie auch einmal versuchen, ein paar Neonrosen zu züchten.

"Warum ist Sir Alayn so schweigsam?" erkundigte sich Acy leise bei ihrem Gefährten. Alan stand in einigem Abstand von ihnen herum und sah sinnend in das Gewässer.

"Keine Ahnung", entgegnete der. "Wenn du es wissen willst, mußt du ihn schon selber fragen."

"Ich will ihn aber nicht fragen."

"Dann laß es."

"Püh!" Alycia runzelte die Stirn. Was war nur mit Cayvyn los? Hm. Aber er war immer irgendwie komisch, wenn es etwas mit Alan zu tun hatte. Nardia hatte inzwischen eine regenbogenfarbige Rose entdeckt und war davon vollauf begeistert.

"Abpflücken verboten", grinste Acy.

"Das würde ich doch nie tun!"

"Aber du würdest sie ausbuddeln und bei dir in den Teich setzen."

"Naja."

"Kicher, die Neonrosen wären etwas für ein Aquarium auf der Villa Alycia."

"Könnte durchaus gut wirken."

"Es gibt sogar Neontang hier!"

"Der sieht aus wie Luftschlangen."

"Wohl eher Wasserschlangen."

"Hm. Stimmt auch wieder."

Sie wanderten noch eine Weile durch die Unterwassergärten, und Nardia fand immer Neues, das sie bewundern konnte. Hier war es wirklich interessant.

"Sollen wir gleich noch in die Volière gehen?" erkundigte sich Acy. Nad war dafür. Hauptsache, sie mußte nirgends herumhängen, denn dieser Sir Alayn ging ihr kolossal auf die Nerven. Sie hatte permanent das Gefühl, daß er sie beobachtete.

Kurz darauf standen sie in einer etwa hundert Meter durchmessenden Energiekuppel, in der unzählige Vögel umherflogen. Nardia zog den Kopf ein, als so ein Viech nahe an ihr vorbeischoß. Tse.

"Hier gibt es irgendwo sogar ein Pärchen naravinischer Silberpfaue", verkündete Alycia nach Blick auf die Tafel, die einen Überblick über das 'Inventar' an Vögeln gab.

"Nur wo?" meinte Nad.

"Hm. Ich weiß, daß sie Höhlennester in Hügeln bauen. Auf Naravina bin ich mal von so einem Viech angefallen worden, weil ich der Brut versehentlich zu nahe gekommen bin."

"Dann sollen sie lieber da bleiben, wo sie sind!" Nardia wollte keinesfalls von so einem Tier gejagt werden.

"Was für eine Überraschung, Euch hier zu treffen", ertönte plötzlich Coryn Arvhayns Stimme, und er trat zu ihnen. Ein Zufall war es eigentlich nicht, denn Nardia hatte ihn vorhin angerufen, damit er herkam und sie von diesem elendig langweiligen Alayn Crayn-Jenison befreite, der sie ansonsten bestimmt auch nach Hause bringen sollte.

Nardia strahlte ihren ehemaligen SAA ('ISPC-Spezialagent in Ausbildung')-Partner erfreut an. Endlich!

"Monsieur Arvhayn, ich bin entzückt, Euch zu sehen", log Alycia. Sie konnte Starlight doch immer noch nicht ausstehen. Auch Cayvyn begrüßte Coryn herzlich, allerdings etwas aufrichtiger, auch wenn dieser seine Versuche, Alan mit Nardia zu verkuppeln, sicherlich für heute unterminieren würde.

Coryn grinste sie wie üblich an. Dann stutzte er, denn der komische Typ im Hintergrund war mit Sicherheit Alan, aber auf eine Art auch wieder nicht. Coryn funkte ihn an, erhielt aber keine Antwort. Sehr merkwürdig, dachte er, aber er hatte Alan nicht mehr gesehen, seit dieser mit Ryko zusammen nach Shanjir aufgebrochen war. Lediglich vor zwei Wochen waren plötzlich Alans Sachen aus der Starcave verschwunden.

Coryn wandte sich Nardia zu, die sich bei ihm einhehängt hatte und leise auf ihn einredete. Nun war er vollends verwirrt, denn Nad wollte leise von ihm wissen, ob dieser Sir Alayn ebenfalls ein Androide war. Das konnte er schlecht verneinen, aber er erwähnte sicherheitshalber nichts davon, daß es sich um ALAN handelte.

Nardia war zufrieden, daß ihr Verdacht stimmte - aber noch einer? Hm. Vielleicht war er ja ein neuer Versuch von Acy. Obwohl - sie hatte doch Cayvyn, und der war ihren Äußerungen nach gänzlichst perfekt! Außerdem schien dieser Sir Alayn gewiß keine Verbesserung darzustellen. Sehr merkwürdig.

"Wollt Ihr uns begleiten?" erkundigte sich Cay bei Coryn. Was Nardia Blade wohl vermutete? Okay, er hatte sich vielleicht immer etwas zu ausführlich mit Alan unterhalten.

"Gerne", meinte Coryn. "Alleine hier herumlatschen ist langweilig."

"Schön! Wir waren gerade auf der Suche nach den naravinischen Silberpfauen", sagte Alycia.

"Ich glaube, das müssen die Viecher gewesen sein, die mich gerade durch die halbe Volière gejagt haben."

"Oh-oh." Acy überlegte kurz. Vielleicht war es doch keine so gute Idee genau nach diesen Biestern zu fahnden.

"Ich lege auf jeden Fall keinen Wert darauf, ihnen noch einmal zu begenen", erklärte Coryn. Nardia fühlte sich mit Coryns Anwesenheit gleich besser. Der hatte wenigstens immer gute Laune.

"Naja." Alycia dachte nach. Es war bestimmt schon wieder drei Jahre her, seit sie das letzte Mal hier war. "Es müßte hier auch enaryshanische Sonnensinger geben, und die sind garantiert harmlos." Sie düste zu der Übersichtstafel. "Ja, zehn Meter weiter."

"Ich glaube, da sind sie." Nardia deutete auf einen Baum, in dem 50-70 orangegelbe Vögel herumsausten und ein mörderisches Spektakel veranstalteten.

"Ja." Acy verzog das Gesicht. Bei ihrem letzten Besuch waren es höchstens zehn Stück gewesen.

Was ist hier überhaupt los? wollte Coryn über Funk von Cayvyn wissen.

Inwiefern?

Was ist mit Alan? Er antwortet mir nicht.

Hm. Ich weiß nicht, ob er will, daß ich dir das erzähle. Moment. - Alan? Cay wechselte in einen anderen Code. Alan war inzwischen noch weiter hinter der Gruppe zurückgeblieben, um in Ruhe überlegen zu können.

Ja? erwiderte er auf Cayvyns Frequenz.

Darf ich Coryn erzählen, was auf Shanjir passiert ist?

Tu was du willst, meinte Alan nur und hüllte sich wieder in Schweigen.

Okay. Cay wechselte wieder auf den Verständigungscode für Coryn. Also. Alans Programmierung ist komplett umgekippt, als wir auf Shanjir waren. Er ist nicht mehr Firestar oder Hawk oder Michael - er ist jemand gänzlich anderes geworden. Jetzt nennt er sich Sir Alayn, beziehungsweise Alayn Crane-Jenison.

Aha. Und warum benimmt er sich so komisch?

Wie würdest du dich benehmen, wenn dir deine ganze Basisprogrammierung abhanden kommt und durch etwas anderes ersetzt wird?

Keine Ahnung. Mir ist sowas noch nicht passiert.

Es muß von Anfang an in Alans Programmierung gesteckt haben und wurde davon ausgelöst, daß er beschloß, nicht mehr Firestar sein zu wollen.

Dann müßte er doch froh sein, es nicht mehr zu sein. Er hat diese Rolle doch eh gehaßt. - Aber das hier ist doch auch kein Zustand!

Er muß sich wohl erst zurechtfinden.

Ich habe das Gefühl, er will genau das nicht.

Aber er muß es!

So wie es für mich aussieht, hat er keine Lust, irgendetwas zu tun; er schwelgt lieber in Selbstmitleid.

Ich bemühe mich, ihm ein paar andere Probleme zu stellen, mit denen er sich auseinandersetzen darf.

Und was? Ihn scheint doch nichts zu interessieren.

Zur Zeit interessiert es ihn, einen möglichst großen Abstand zwischen sich und Mademoiselle Nardia Blade zu bringen.

Tse. Deshalb hat sie wohl so eine Panik, mit ihm irgendwo alleine zu sein.

Offensichtlich, meinte Cayvyn belustigt. Ich habe es mir aber zur Aufgabe gemacht, Alan wieder mit ihr zusammenzubringen. Einmal, weil er mir gegenüber zugegeben hat, sie immer noch zu mögen und zum zweiten, weil ich ihn unter allen Umständen von Alycia fernhalten will.

Coryn sah ihn amüsiert an.

Da hast du dir aber etwas vorgenommen! Aber was Acy betrifft, ich glaube nicht, daß er da noch mal irgendwas versuchen wird. Er kann sie ja noch nicht einmal besonders ausstehen. Und mit Nardia, das ist ein echtes Problem. Ich habe es ja auch schon versucht, aber sie vermutet immer Hintergedanken. Und Alan ist einfach nicht bereit, irgendwas zuzugeben, was mit seinen Gefühlen zu tun hat. Manchmal möchte ich ihn einfach kräftig durchschütteln.

Hm. Was Alycia betrifft, so haben Alan und sie sich erst letzte Woche gemeinsam im Schlamm gesuhlt, bemerkte Cay. Und ob es etwas nutzt, Alan kräftig durchzuschütteln? Ich denke, man muß ihn einfach so lange nerven, bis er aufgibt.

Tse, im Schlamm gewälzt haben sie sich? - Aber wie soll man ihn lange genug nerven? Er hat eine perfekte Methode, einem aus dem Weg zu gehen. Ich habe es nur einmal geschafft, ihn wirklich sauer zu machen, und das möchte ich nicht noch mal erleben.

Ich weiß nicht. Ich kann mich entsinnen, daß ich ihn zu etwa 90 Prozent zu allen Sachen überreden konnte, die ich wollte.

Coryn sah Cayvyn erstaunt an. Bei ihm war Alan meist nur aggressiv geworden.

Vielleicht liegt es daran, daß er mich als seinen kleinen Bruder betrachtet, überlegte Cay amüsiert.

Naja, ich bin ja nur 'eine Plage', schmollte Coryn. Dabei stimmt das gar nicht!

Nein, du liegst ja nur in den Windeln.

Püh, das ist gemein!

Cayvyn grinste ihn an.

Du bist nunmal erst 14 Monate alt, wenn ich korrekt informiert bin.

Das heißt überhaupt nichts. Alan benimmt sich viel häufiger daneben.

Ich denke, das versucht er ja gerade abzustellen.

Hm. Ich meine, er ist schlimmer als vorher. Da hat er sich wenigstens gewehrt.

Ts, du hättest mal hören sollen, wie er sich gewehrt hat, als ich ihm vorschlug, sich um Mademoiselle Nardia zu kümmern.

Aber er ist dir bestimmt nicht an die Kehle gesprungen.

Nein. Warum auch?

Bei mir hat er das schon öfter gemacht.

Ich glaube, bei mir traut er sich nicht.

Jaja, ich bin ja auch kleiner.

Und nicht so erfahren.

Püh! machte Coryn empört. Aber er hat es nur einmal geschafft.

Was geschafft?

Mich zu besiegen.

Aha. Naja, ich habe es auch nur einmal geschafft.

Hm. Ich glaube, eigentlich hat keiner einen echten Vorteil gegenüber den anderen.

Tja.

"Hey, was treibt ihr zwei eigentlich?" Alycia war zu Cayvyn getreten und schlang die Arme um ihn. "Eine kleine Geheimkonferenz?"

Coryn grinste sie an. "Wir unterhalten uns prächtig."

"Und über was?"

Coryn sah sie schelmisch an. "Das ist geheim."

"Wie bitte?"

"Lisha!" Cay gab ihr einen sanften Kuß. "So geheim ist es nun auch nicht." Er mußte ihr irgendetwas erzählen, sonst würde sie ihn permanent nerven. "Wir unterhalten uns gerade über einige technische Details unserer Baupläne. Dabei ist uns aufgefallen, daß wir von unserer Physis her trotz leichter Abweichungen in der Konstruktion prinzipiell gleich stark sind."

"Ach so. - Männer!" Acy wuschelte ihn kurz durch die Haare. "Ich bin da hinten bei den Fischervögeln, mein Schatz." Sie düste ab, und Coryn grinste hinter ihr her. Nardia sah zweifelnd von Cayvyn zu Coryn. So ganz glaubte sie das nicht.

"Wo waren wir stehengeblieben?" fragte Cay verbal.

"Wir waren bei dem Vergleich unserer Stärke", erwiderte Coryn.

"Gut." Cayvyn wechselte wieder zu Funk über. Also, ich denke schon, daß ich Alan auf Dauer wieder mit Nardia zusammenbringen kann.

Prinzipiell würde ich ja dagegen halten, aber dir traue ich so ziemlich alles zu.

Ich danke dir für dein Vertrauen.

Nardia fand das ausgesprochen merkwürdig. Wenn die beiden über irgendwelchen Technikkram redeten, dann konnten sie es doch laut tun! Es sei denn natürlich, es ging um etwas, das sie nicht hören sollte. Aber auch das würde sie schon herausfinden."

Seufz, machte Cay. Hast du irgendeine Idee, wie wir Alan erst einmal heute etwas aufmuntern können? Ich habe ihn so genervt, daß ich ihm erst einmal eine kleine Ruhepause gönnen möchte. Weißt du, diese Taktik ist zwar langsam, aber äußerst zermürbend für das Opfer.

Ich würde das nicht machen, dann wird er nur noch bockiger. Wenn schon, dann nerve ihn solange, bis er aufgibt. Mit einer Pause erreichst du nur, daß du wieder von vorne anfangen kannst.

Meine Erfahrung differiert da etwas.

Deine Erfahrung mit Alan?

Auch.

Ich war immer der Meinung, bei ihm ist prinzipiell alles anders als bei anderen.

Ich bin tagelang mit ihm über Shanjir gezogen.

Oh-oh, meinte Coryn.

Abgesehen davon war ich es, der ihn nach seinem Programmabsturz wieder auf die Beine gebracht hat.

Gut, ich sehe ein, daß du recht hast.

Er ist stellenweise wirklich seltsam geworden.

Er war noch nie normal. Cass hat mir da so einiges über ihn erzählt.

(Cass ist der schwarze Supergleiter, den Tyron Firestar Star konstruiert und geflogen hatte und den seine Tochter Jana Stardust Star später übernahm.

So? Was denn zum Beispiel?

Naja, was er so angestellt hat, als er noch ganz neu war. Es muß Tyron die letzten Nerven gekostet haben.

Hm. Und was zum Beispiel?

Er hat einmal einen Aufstand der MAROs (Mobile Arbeitsroboter) und SAROs (Sanitätsroboter) in der Starcave angezettelt. Und dann hat er ein Feuerwerk veranstaltet, das ganz Ashteera in Panik versetzt hat.

Ein Feuerwerk? Schade, das muß etwas vor meiner Zeit gewesen sein.

Das war 3742/08/29 GZ, glaube ich.

Das war vor meiner Zeit, meinte Cayvyn. Er war ja erst am 48. Zameri 3756GZ fertiggestellt worden.

Vor meiner auch. Aber Cass kennt viele Geschichten.

Vielleicht sollte ich mich auch einmal mit ihm unterhalten.

Das solltest du wirklich! Frag ihn mal nach den ersten Abenteuern Firestars. Coryn gab einen elektronischen Pfiff von sich. Was Tyron sich zum Teil geleistet hatte...

Das würde mich tatsächlich einmal interessieren. Ich habe von Alan ein paar alte Speicherkristalle zum Geburtstag bekommen, aber leider fehlen große Zeiträume völlig.

Das glaube ich! Aber auch Cass ist nicht bereit, über alles zu reden.

Zu schade. Es waren einige interessante Andeutungen in den Kristallen - vor allem über Alycias Mutter.

Coryn sah Cayvyn amüsiert an.

Ja, die Geschichte gefällt mir besonders. Obwohl ich den Verdacht habe, daß Cass einiges weggelassen hat.

Nach dem, was ich den einzelnen Kommentaren entnehmen konnte, muß Marycia noch schlimmer gewesen sein als ihre Tochter.

Ich würde eher sagen anders. Aber sie hat Tyron ganz schön zu schaffen gemacht, meinte Coryn.

Seufz, das kann ich - ihre Tochter und mich betreffend - nur unterschreiben.

Ach? Coryn grinste ziemlich unverschämt.

Coryn! Cay sah ihn tadelnd an.

Ja? Er erwiderte den Blick völlig unschuldig.

Alycia ist manchmal etwas ...impulsiv, aber sonst unübertrefflich.

Naja.

Was heißt hier 'naja'?

Eben naja. Ich bin nicht ganz deiner Meinung.

Hm. Aber das hat auch sein Gutes. Wärst du nämlich anderer Meinung...

Darüber muß ich noch nachdenken.

Wage es! Dann würde ich es mir überlegen und doch einmal austesten, wer der Stärkere von uns beiden ist!

"Na?" Acy war wieder zu ihrem Gefährten getreten, nachdem sie ihre Runde beendet hatte. "Und was gibt es nun neues?"

Wenn es nicht gerade Acy wäre, überlegte Coryn, bevor er sich an diese wandte. "Wir diskutieren über die Vorzüge diverser Speicherkristall-Arten."

"Und ich frage mich, ob ich nicht einmal in fairem Zweikampf austesten sollte, ob ich nicht doch stärker bin als er! Cay deutete auf Coryn, und Alycia wandte sich erschüttert ab.

"Männer!" rief sie erschüttert aus. Auch wenn es Androiden waren, irgendwie waren sie alle gleich.

Coryn lachte übermütig. "Versuchen könntest du es", sagte er dann zu Cayvyn.

"Ihr wollt euch doch nicht etwas hier prügeln?" erkündigte sich Acy ungläubig. "Cay!" machte sie drohend und legte präventiv die Arme um ihn. Coryn grinste frech, woraufhin Nardia ihn ärgerlich ansah.

"Kommt überhaupt nicht in Frage", empörte sie sich.

"Cayvyn, ich bin sicher, du hast besseres zu tun als ein Duell", schnurrte Alycia und schmiegte sich an ihn. Ergeben zuckte er mit den Schultern und sah Coryn entschuldigend an.

"Tut mir leid, aber es sieht aus, als wäre ich anderweitig okkupiert."

"Ich habe es mir auch anders überlegt", bemerkte Coryn, da Nad ihn äußerst drohend anfunkelte. Sie konnte ganz schön ungemütlich werden.

"Gut", sagte Acy, ließ Cayvyn aber nicht los. Da es sonst irgendwie albern aussah, legte dieser nun seinerseits die Arme um sie.

"Was machen wir jetzt?" erkundigte sich Nardia. Sie fand, daß sie nun lange genug auf einer Stelle standen.

"Wo ist eigentlich Sir Alayn?" Cayvyn sah sich suchend um, doch dieser war nicht zu entdecken. Coryn ortete ihn schließlich in 20m Entfernung, wo er in einem Gebüsch hockte und sich mit einem Adler von Naravina beschäftigte. Der junge ISPC-Agent winkte den anderen zu, ihm zu folgen.

"Ich werd nicht mehr", kicherte Acy, als sie bei Alan angekommen waren. "Er hat einen Vogel!"

"Das habe ich schon länger vermutet", stimmte Coryn ihr zu, woraufhin Nardia ihn fragend ansah. Er hatte diesen Typen doch heute zum ersten Mal gesehen - oder etwa nicht?

"Ein Grünadler!" meinte Alycia begeistert und betrachtete den Raubvogel mit ausreichendem Sicherheitsabstand. Er hatte eine hellgrüne Unterseite, die ihn gegen den gleichfarbigen naravinischen Himmel praktisch unsichtbar werden ließ, sowie eine tiefgrau gesprenkelte Oberseite, die ihm eine hervorragende Tarnung in den felsigen Höhen bot, in denen er seine Horste errichtete. Dieses Exemplar war offenbar ausgewachsen, denn als es zur Balance seine Schwingen ausbreitete, sah man, daß der Adler eine Spannweite von bestimmt zwei Metern hatte.

Alan warf den Vogel wieder in die Luft, und er flog mit kräftigem Flügelschlag davon.

"Die sind doch sonst nicht so zahm", meinte Acy verwundert.

"Er mochte mich eben", erwiderte Alan.

"Hm", machte Alycia. Über Geschmack ließ sich streiten.

"Mein Vater, Duc Yngwayn von Süd-Ayryana, ist ebenfalls sehr an der Falknerei interessiert", warf Sir Cayvyn ein. "Bedauerlicherweise ist er in letzter Zeit viel zu sehr beschäftigt, um diesem seinen Hobby zu frönen. Ah, da ich gerade von meinem Vater spreche. Falls Ihr Interesse hegt, soll ich Euch zu seinem Empfang einladen, welchen er diesen Ensitag auf Iskavar-1019 im Iskadrion-System gibt."

Nardia verzog das Gesicht. Nicht schon wieder so ein Empfang. Aber wenn sie absagte, würde das sicherlich höchst unhöflich wirken, schließlich war Duc Yngwayn der Vater von Acys langjährigem Gefährten, und er gehörte ja mehr oder weniger zur Familie. Coryn hingegen war natürlich sofort einverstanden, da es dort bestimmt etwas zu essen gab. Auch Alan konnte schwerlich ablehnen, immerhin war er durch seine neue Tarn-Identität über einige Ecken mit Duc Yngwayn verschwägert (sein 'Vater' Janyr war der Enkel eines Onkels von Lady Aylanna, der Gemahlin des Herzogs von Süd-Ayryana).

"Wunderbar", meinte Cayvyn. "Mein Vater wird entzückt sein!" Acy sah ihn leicht strafend an. Was hatte er sich dabei gedacht, Alan und Coryn einzuladen?

"Ich bin schon sehr gespannt, ich war noch nie auf so einem Empfang", meinte Coryn.

"Da mußt du dich gut benehmen", mahnte Alycia, um ihn abzuschrecken.

"Ich kann mich durchaus benehmen, wenn es sein muß!"

"Hm", kam die eher zweifelnde Antwort.

"Ihr werdet schon sehen", maulte er.

"Naja." Acy legte den Kopf an Cayvyns Schulter. Sie mußte sich unbedingt mal eingehend über ein paar Sachen mit ihm unterhalten. "Schön, daß du mitkommst", meinte sie dann zu Nardia.

"Ich will doch nicht alleine zu Hause bleiben!"

"Ist ein Argument."

"Wirst du mich wieder als meine offizielle Gefährtin begleiten?" fragte Cay, und Alycia sah ihn gestreßt an.

"Muß das sein? Dieses dumme Grün/Gold steht mir doch absolut nicht!"

Nardia sah sie amüsiert an, und Coryn grinste.

"Und wenn ich dich darum bitte?" Cayvyn bedachte seine Partnerin mit einem wahrlich umwerfenden Blick, und Acy seufzte tragisch. Dieser Blick gehörte strengstens verboten.

"Wenn ich nochmal darauf zurückkommen dürfte - was sollen wir jetzt unternehmen?" machte Nad erneut auf sich aufmerksam.

"Schlag du mal etwas vor", kam es von ihrer Schwester.

"Hm. Eigentlich habe ich keine große Lust mehr, hier noch länger zu bleiben. Könnten wir nicht woanders hingehen? Wo es nicht so entsetzlich voll ist."

Tatsächlich hatten sich offenbar Unmengen Leute nach dem Mittagessen in Richtung Freizeitpark Kelavaar begeben, um den schönen Nachmittag dort unter der Energiekuppel zu verbringen.

"Hm, wo könnte etwas los sein und doch nicht soviel los?" überlegte Acy. Nad zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung. Ich gehe doch selten irgendwo hin, außer es ist irgendein offizielles Ereignis."

"Tja. Ich habe auch meist etwas anderes zu tun."

"Das ist wahrlich ein Problem." Nardia grübelte, aber ihr fiel einfach nichts ein.

"Also, ich hätte schon zu etwas Lust", bemerkte Alycia nachdenklich. "Ich fürchte nur, daß es nicht auf allgemeine Zustimmung trifft."

"Was?" wollte Nad wissen.

"Naja, es gibt da so eine Bank in Demaroon, die ich schon lange einmal erleichtern wollte."

"Kommt nicht in Frage!" rief Nardia entsetzt. Das fehlte ihr noch - ein Einbruch...

"Jee, es war ja nur ein Vorschlag."

"Aber mir fällt nichts besseres ein. Vielleicht sollten wir doch nach Hause fahren."

"Hm. Da wüßte ich ja, was ich unternehmen kann", bemerkte Acy grinsend und ließ ihren Blick genüßlich über Cayvyns wahrlich perfekten Körper wandern, wobei Cay wieder einmal amüsiert den Kopf schüttelte. Seine werte Gefährtin war einfach unmöglich. Coryn grinste sie anzüglich an.

"Ich will auch nicht nach Hause, da muß ich bloß wieder arbeiten - und zwar für drei", fügte er hinzu, wobei er Alan und Nardia ärgerliche Blicke zuwarf. Letztere bemerkte dies nicht, und Alan zog es vor, Coryn zu ignorieren.

"Vielleicht könnten wir ja auch einmal etwas Produktives tun", schlug Alycia nachdenklich vor. "Was hat man eigentlich mittlerweile bezüglich dieser Wahnsinnsanfälle herausgefunden?"

"Im Prinzip nichts neues", entgegnete Coryn. "Nur werden es immer mehr, aber es scheint keinen Grund dafür zu geben."

"Wie ist das eigentlich - ist dieser ...Wahnsinn ein andauernder Zustand oder geht das wieder weg?"

"Es dauert nie lange. Monsieur Lasalle ist ebenfalls bereits wieder im Dienst."

"Hm. Ob es sich um eine Art vergiftung handelt? Drogen scheinen es ja wohl nicht zu sein."

"Es gibt keinen gemeinsamen Nenner, der auf so etwas hinweisen würde", erläuterte der junge ISPC-Agent.

"Was haltet ihr davon, wenn wir ein gemütliches Restaurant aufsuchen und die Angelegenheit dort bei einer anständigen Mahlzeit besprechen?" schlug Sir Cayvyn vor.

"Fein. Ich habe Hunger", stimmte Coryn begeistert zu, und auch Nardia nickte.

"Ihr müßt mich entschuldigen, aber ich habe noch etwas zu erledigen", äußerte Alan steif. Er hatte keine Lust, sich darüber zu unterhalten, da ihn das nicht die Spur interessierte.

'Hm', dachte Ryko. Für heute war ihm Alan wohl entwischt. Für heute.

Jetzt entkommt er dir, warnte Coryn über Funk. Aber mir scheint, wir sollten ihn nicht so leicht davonkommen lassen. Wart ihr nicht bei ihm zu Besuch? Ihr könnt doch was liegengelassen haben.

Cleveres Kerlchen, stimmte Cay grinsend zu. "Lieber Verwandter", meinte er zu Alan. "Mich deucht, ich muß Euch noch einmal zu Eurem Domizil begleiten, da meine herzallerliebste Gefährtin ihren Kamm bei Euch liegenließ."

Acy sah Cayvyn mit großen Augen an. Sie hatte doch gar keinen dabei gehabt! Alan sah seinen Bruder zweifelnd an.

"Natürlich", sagte er dann. "Ihr seid mir immer willkommen."

"Ich danke Euch." Sir Cayvyn verbeugte sich leicht.

"Das wäre doch eine wundervolle Gelegenheit, daß ich mir kurz das Haus ansehen kann! Ich habe ja schon so viel davon gehört", rief Coryn eifrig.

"Es ist mir eine Ehre." Irgendwie hatte Alan den Verdacht, daß er sich in einer Falle befand. Cayvyn warf Nardia einen dezenten Blick zu. Nun? Sie musterte die anderen nachdenklich. Wollten die sie schon wieder allein lassen?

"Ich komme mit! Sonst müßte ich ein Taxi rufen, und es sieht aus, als wäre das im Augenblick hoffnungslos!"

"Dann gehen wir", meinte Cayvyn zufrieden. Er hatte nur befürchtet, daß sich Nardia aus dem Staub machte, und irgendwie waren schon zwei Opfer vonnöten, wenn es ums Verkuppeln von Personen ging.

Alan seufzte ergeben. Warum waren die bloß so wild auf seine Gesellschaft?

Die fünf Leute gingen zu der Tiefgarage zurück.

"Äh, Cay, wo ist eigentlich der Picknick-Korb geblieben?" fragte Acy leicht verwundert, als ihr auffiel, daß dieser sich nicht mehr unter der Obhut ihres Partners befand.

"Ich habe ihn am Eingang der Volière hinterlassen und dem Bediensteten dort den Auftrag gegeben, er möchte ihn zur Rue Fontana 187 bringen."

"Aha."

Sie fuhren also zu Sir Alayns Haus. Diesmal war Nardia zu ihrem ehemaligen SAA-Partner in den Gleiter gestiegen, denn noch eine Fahrt mit diesem Alayn Crane-Jenison würde sie nicht überleben.

Als sie in Alans Bungalow waren, stürmte Cayvyn zunächst in das Gästezimmer und stellte es pro forma auf den Kopf. Nardia stand mit Acy in der Lounge und wartete auf die Rückkehr der anderen, während Coryn sich vom Hausherrn das Gebäude zeigen ließ.

"Seufz", machte Acy.

"'Seufz?' - Was ist los?" wollte Nad wissen.

"Ich verstehe ihn nicht!"

"Wen?"

"Meinen herzallerliebsten Schatz! Er verhält sich so seltsam."

"Wieso das? Mir ist nichts aufgefallen."

"Ich lebe lange genug mit ihm zusammen, daß mir aufgefallen ist, daß er sich total merkwürdig benimmt!"

"So? Und wie?"

"Er unterhält sich über Funk mit Coryn, anstatt sich mit mir zu beschäftigen, er heckt irgendetwas aus - und überhaupt!"

"Daß sie irgendwas vorhaben, ist mir auch schon aufgefallen. Aber was?"

"Keine Ahnung!" Alycia sah suchend zu dem Gang herüber, in den Cayvyn verschwunden war.

"Seufz, ich hasse es, wenn ich nicht Bescheid weiß", beschwerte sich Nardia.

"Ich auch! Vor allem, wenn es Cay ist, der etwas plant."

"Und wenn Coryn mitmacht, dann kann es nur schlimm werden."

"Genau." 'Besonders, wenn es sich bei dem Opfer auch noch um einen gewissen Alan Dale handelt', dachte Acy gestreßt.

"Irgendwie ist das alles sehr merkwürdig."

"Stimmt schon."

Endlich kehrte Sir Cayvyn zurück. Triumphierend transportierte er einen monumentalen neongelben Kamm mit sich herum.

"Hier, Mylady", verkündete er huldvoll und überreichte Alycia den Kamm. Diese betrachtete das Teil amüsiert. Es hatte sich vor zehn Minuten bestimmt noch im Handschuhfach ihres Gleiters befunden.

"Ich danke Euch, mein Herz." Sie machte einen dezenten Hofknicks und musterte ihren Gefährten nachdenklich. Was hatte er nur vor?

Nardia fragte sich, wann sie endlich die Flucht ergreifen konnte. Sie hatte so ein merkwürdig ungutes Gefühl. Wo blieb nur Coryn so lange? Nardia wurde langsam ungeduldig.

Der junge ISPC-Agent ließ sich gerade von Sir Alayn die Funktionsweise des Energiedaches erklären. Das interessierte ihn zwar nicht die Spur, gab ihm aber die Möglichkeit, Alan einmal genauer zu beobachten. Endlich kehrten sie zur Lounge zurück.

Sag mal, meinte Cayvyn per Funk zu Alan. Wolltest du Nardia nicht zum Essen einladen?

Mit Sicherheit nicht! kam es empört zurück.

Und warum nicht?

Warum sollte ich?

Ich entsinne mich, daß du zugabst, dich immer noch für sie zu interessieren, und das wäre doch ein idealer Grund, um einmal zu versuchen, mit ihr ins Gespräch zu kommen.

Ich will aber nicht. Außerdem habt ihr irgendwas vor, denn sonst hättet ihr nicht den Funkverkehr so codiert, daß ich eure Gespräche nicht mithören kann.

Sicherlich. Wir können doch nicht offenen Auges zusehen, wie du wegen deiner bloßen Sturheit in dein Unglück rennst!

Ich bin nicht stur, und ein Unglück gibt es erst, wenn ich nachgeben würde.

Wieso das?

Weil ihr mich zu etwas zwingen wollt, zu dem ich nicht bereits bin.

Wieso nicht bereit?

Ich will einfach nicht! Schon gar nicht, wo ich mir überhaupt nicht sicher bin, was ich nun wirklich empfinde.

Was meinst du denn, was du empfindest?

Ich weiß einfach nicht, was nun was bedeutet. Früher war alles klar, und jetzt ist alles im Widerspruch.

Wie kannst du es wissen, wenn du vor allem davonrennst?

Ich renne vor nichts davon! Ich vermeide es nur, falsche Entscheidungen zu treffen!

Indem du einfach gar keine Entscheidungen triffst. Das nenne ich davonrennen und feuge obendrein.

Ich bin nicht feige! brauste Alan auf.

Aber du rennst davon.

Das stimmt überhaupt nicht!

Ach?

Genau! fauchte Alan. Er war mehr als nur wütend. Coryn war dem Gespräch fasziniert gefolgt. Ihn wunderte es, daß Alan Cayvyn nicht angriff. Wenn er Alan nur halb so viel ärgerte, wurde er gleich handgreiflich.

Beweise es!

Was? fragte Alan vorsichtig.

Daß du weder feige bist noch davonrennst.

Wovor? Alan war sich klar darüber, daß Cayvyn irgendetwas plante. Er mußte wirklich aufpassen, daß er ihm nicht in die Falle ging.

Vor Nardia Ashni Blade! Tsy. Cayvyn verzog spöttisch das Gesicht. Du läufst also vor einer Frau davon!

Das tue ich nicht! Alan funkelte Cayvyn an.

Nein?

Nein! Alan mußte sich zwingen, ruhig stehen zu bleiben. Er würde Cayvyn ja am liebsten anspringen, aber leider hätte das sowieso keinen Sinn.

Und warum bist du vorhin stets mindestens zehn Meter hinter uns geblieben? Warum hast du dich im Gebüsch herumgetrieben, während wir gepicknickt haben? Ich würde sagen, das war ganz einfach Angst, Sir Alayn!

Alan warf seinem 'kleinen Bruder' einen tödlichen Blick zu. Er war mittlerweile so wütend, daß er keine Erwiderung fand.

Du sagtest, du fürchtest, daß du deinen Stolz verlierst, wenn sie dich abweist, fuhr Cayvyn gnadenlos fort. Wo aber bleibt dein männlicher Stolz, wenn du dich aufführst wie...

Ich führe mich überhaupt nicht auf, fuhr Alan dazwischen, sich mühsam beherrschend. Wenn er mit Ryko allein war, dann könnte dieser was erleben.

Doch. Cayvyn grinste niederträchtig. Wie ein Mädchen vor dem ersten Rendezvous!

Alan sah Cay an. Dummerweise hatte dieser recht! Alan versuchte, seine Wut unter Kontrolle zu bringen.

Gut, du hast recht! meinte er dann, bevor er aus dem Zimmer floh. Nardia sah verwirrt hinter ihm her, auch Coryn war mehr als überrascht. Sir Cayvyn stürmte ihm nach.

Alan hatte sich unterdessen in seinem Zimmer eingesperrt. Er wollte niemanden sehen. Cayvyn lehnte sich gegen die Tür.

So leicht lasse ich dich nicht entkommen, meinte er. Natürlich reagierte Alan nicht. Vergiß die 'stumm wie ein Fisch'-Methode. Ich weiß, daß du mich auf jeden Fall hörst, es sei denn, du schaltest deinen Empfänger ab. Und das wirst du nicht tun, weil du viel zu neugierig bist.

Also, was willst du? Hast du mich immer noch nicht genug gequält?

Nein. Mir scheint, bei deinem Programm-Upgrade bist du einiges mehr losgeworden als nur deine Firestar-Programmierung.

So, und was noch?

Einmal deine Fähigkeit, Situationen zu analysieren, dann den Mut, Entscheidungen zu treffen, auch wenn du nicht weißt, ob sie richtig oder falsch sind. Himmel, Alan, jetzt komm aus deinem Schmollwinkel heraus und stelle dich der Gefahr! Lade sie einfach zum Essen ein, unterhalte dich mit ihr.

Alan entriegelte die Tür.

"Du hast mich noch nicht überzeugt."

"Coryn meinte vorhin, er würde dich gerne einmal ordentlich durchschütteln, weil du dich so blöd anstellst, was Nardia betrifft", meinte Cayvyn mit schiefem Grinsen. "Langsam kann ich seine Motivation verstehen."

"Das soll er nur wagen", drohte Alan.

"Ich werde ihm mit Freuden dabei helfen! Vielleicht nutzt es ja etwas, dein Gehirn ein bißchen durchzuschütteln, um ein paar Bits zurechtzurücken."

"Viellleicht. Aber trotzdem solltet ihr es lieber nicht versuchen." Er trat ans Fenster und sah hinaus.

"Warum nicht?"

"Ohne Schaden würdet ihr nicht davonkommen", sagte Alan leise, ehe er versuchsweise lächelte. "Ich allerdings auch nicht."

"Eben. Wir sind zwei gegen einen."

"Na und? Das ist mir dann auch egal."

"Ts, lieber schlägst du dich mit Coryn und mir als daß du Nardia zum Essen einlädst. Das spricht schon für eine gehörige Paranoia. Obgleich es mir neu ist, daß auch Androiden an so etwas leiden können."

Alan zuckte mit den Schultern.

"Vielleicht wäre es besser gewesen, ich wäre gar nicht mehr zu mir gekommen."

Ryko packte ihn an den Oberarmen.

"Jetzt hör mir mal genau zu, Alan! Du wirst hier keine Show in puncto Selbstmitleid abziehen, sonst werde ich persönlich Hand anlegen, dich tatsächlich zu demontieren. Du bist voll funktionsfähig, also handle gefälligst auch so!"

Alan sah Ryko nur an.

"Wenn du ein Mensch wärst, würde ich dir für diesen Blick eine runterhauen", zischte dieser. "Glaubst du, es macht mir Spaß, dich so zurecht zu rücken?"

"Dann laß es doch!"

"Du bist aber zufällig mein 'großer Bruder', und ich kann nicht mit ansehen, wie du in dein Unglück rennst!"

"So?"

"Genau so!"

"Warum nicht?"

"Ganz einfach - auch wenn du manchmal eine ultimate Plage bist..." Cayvyn verstummte verblüfft. "Ich weiß nicht. Ich glaube, es ist... Naja, du bist mein Bruder, und wie kann ich da zulassen, daß es dir nicht gut geht?"

Alan sah ihn nachdenklich an.

"Warum zwingst du mich, mich dem allen zu stellen? Es wäre so leicht." Alan verstummte.

"Weil... Naja, ich muß es einfach!"

"Warum?"

"Ich weiß nicht. - Nein, es kann eigentlich nicht an meiner Programmierung liegen, schließlich wußte ich nichts von deiner Existenz, bis ich dich traf. Aber es ist dennoch seltsam - als ich dich zum ersten Mal sah, wußte ich, daß du mein 'Bruder' bist. Sonst hätte ich Karylla nicht zurückgehalten."

"Das verstehe ich nicht."

"Hm. Es ist halt so. Vielleicht liegt es daran, daß ein guter Teil unserer Programmierung identisch ist?"

"Seufz", machte Alan.

"Wieso jetzt auf einmal 'Seufz'?"

"Ich weiß es auch nicht. Vielleicht, weil ich mit diesem 'Leben' nicht zurechtkomme."

"Wie kommst du zu dieser Überzeugung?"

"Wie kann man meine Probleme sonst deuten?"

"Welche Probleme hast du denn noch außer dem mit Nardia?"

"Womit habe ich keine?" Alan seufzte abermals.

"Hey, Kopf hoch! Weißt du, du solltest dich wirklich mit Nardia aussöhnen. Ich bin sicher, sie könnte dir helfen, mit all dem klar zu kommen."

"Das bezweifle ich."

"Ich spreche zwar nur aus meiner Erfahrung mit Alycia, aber bei mir war es so. Ich glaube, ohne sie hätte es noch weitaus mehr Katastrophen gegeben."

"Ja? Ich glaube, trotzdem hattest du nicht solche Schwierigkeiten wie ich."

"Woher willst du das wissen?"

"Hast du jemals mit dem Gedanken gespielt, dich endgültig zu desaktivieren?"

"Nein. Ich hatte doch immer Alycia. Außerdem wäre sie sicherlich sehr unglücklich gewesen, wenn ich meine Funktionalität beendet hätte."

"Ich habe schon des öfteren daran gedacht. Es wäre ziemlich einfach."

"Und was brächte es dir?"

"Ruhe. Frieden, wer weiß?"

"Oder nichts. Und was wäre daran erstrebenswert?"

"Dann wäre ich weder für mich noch für die anderen ein Problem."

"Und was möchtest du?"

"Ich weiß es nicht. Ich fühle mich einfach nutzlos. Früher war ich einfach eine Firestar-Kopie - und jetzt..." Alan lächelte gequält. "Jetzt bin ich nur noch ein ziemlich verkorkster Androide."

"Inwiefern 'verkorkst'?"

"Ich bin doch mit Sicherheit nicht 'normal'!"

"Bin ich normal? Oder Coryn? Oder Alycia? Oder Nardia?"

"Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall fühle ich mich anders."

"Woher willst du das wissen?"

"Weiß ich ja nicht. Ich fühle mich so!"

"Dann solltest du dem eben abhelfen."

"Wie?"

"Naja. Nardia fühlt sich auch nicht gut, und du könntest dich doch nützlich machen, indem du dafür sorgst, daß sie nicht mehr unglücklich ist."

"Das schaffe ich sowieso nicht."

"Versuche es doch einfach mal!"

Alan drehte sich zu Ryko um.

"Meinst du?"

"Allerdings!"

Alan wanderte nachdenklich durch den Raum. Gedankenverloren spielte er mit ein paar Speicherkristallen herum.

"Nun?" fragte Ryko gespannt, und sein 'Bruder' sah verwirrt zu ihm hinüber.

"Ich kann mich nicht entschließen."

"Faß dir ein Herz!"

"Das sagst du so einfach!"

"Himmel, bei mir war es auch ein Kampf, bis ich mich endlich soweit mit Alycia zusammengerauft hatte, daß sie nicht mehr beabsichtigte, mich zu demontieren - aber ich muß sagen, ich habe es noch keine Sekunde bereut!"

"Und wie soll ich das anfangen?"

"Ich sagte doch - lade sie zum Essen ein, unterhalte dich mit ihr."

"Und worüber?" Alan klang ausgesprochen hilflos.

"Über deine Musik, die 'Mutter', deine aktuelle Identität..."

"Das ist aber ein ziemlich langweiliges Thema."

"Über ihr aktuelles Buch, das Wetter - was weiß ich? Laß dir etwas einfallen! Vielleicht kommt sie ja auch auf das eine oder andere Thema."

"Ich glaube, ich habe wirklich Angst davor", gab Alan bedrückt zu.

"Junge, jetzt spring über deinen Schatten!" Cayvyn legte ihm die Hand auf die Schulter. "Ich bin sofort, nachdem ich aktiviert wurde, mit Alycia konfrontiert worden, und es ist trotzdem irgendwie gutgegangen."

"Seufz!" Alan sah Ryko an. "Es ist trotzdem schwierig."

"Sei kein Frosch, sei ein Androide!" Cayvyn grinste Alan an. Darüber mußte nun auch dieser lachen.

"Nun gut, ich will es versuchen."

"Na, dann komm!" Cay zog ihn in Richtung Lounge. "Die anderen warten bestimmt schon."

"Hey, nicht so eilig! Ich kann doch gleich die Bänder für Acy mitnehmen. Würdest du mich freundlicherweise kurz loslassen?"

"Gut, gut." Cayvyn sah belustigt gen Boden, und Alan nahm einen Stapel Aufzeichnungen vom Regal.

"So, jetzt können wir."

"Dann los!"

Die beiden düsten in das riesige ungefähr dreieckige (bzw. fünfeckige, wenn man die durch die konkave Ausbuchtung verursachten Ecken hinzurechnete) Zimmer zurück. Alycia stürmte auf Cayvyn zu.

"Mylord, was war denn geschehen?"

"Nichts Tragisches, meine Liebe. Sir Alayn war es nicht wohl."

"...und dann habe ich noch die Bänder für Euch gesucht", fügte Alan hinzu und überreichte ihr diese.

"Das ist aber allerliebst von Euch!" Acy strahlte ihn an. "Ich bewundere Eure Kunst!" Alan lächelte zaghaft.

"Ich danke Euch."

Coryn sah Cayvyn fragend an, was Nardia verwirrt registrierte. Bestimmt entging ihr schon wieder etwas.

Nun?, machte Cay über Funk zu Alan. Wohlan!

Dieser versteifte sich sogleich wieder. Jetzt fing Ryko auch noch an zu drängen.

Hey, so war das doch nicht gemeint, beruhigte jener, ehe er wieder auf Akustik wechselte. "Meine Gefährtin und ich werden uns besser zurückziehen. Oder möchtet Ihr ebenfalls mit Essen gehen?"

"Au ja!" rief Coryn freudig.

"Ich weiß nicht", meinte Nardia zögernd.

Jetzt kommt dein Einsatz! forderte Cayvyn Alan über Funk auf.

Wenn du mich so drängst, fällt mir nichts ein, erwiderte er.

Aber jetzt ist die Zeit und der Ort. Lade sie ein!

Alan sah Ryko kläglich an.

Hey! 'Mademoiselle Blade, gebt Ihr mir die Ehre, mich zu begleiten?' heißt das!

Alan wiederholte das wortwörtlich vor Nardia, was ihm einige merkwürdige Blicke einbrachte. Aber wenigstens stimmte sie zu.

Na bitte! meinte Ryko erleichtert. Die erste Hürde war genommen. Aber das war noch nichts im Vergleich zum restlichen Parcours, der noch vor ihnen lag.

Coryn sah Ryko erstaunt an. Wie hatte der das fertig gebracht?

Bevor es sich irgendjemand anders überlegte, düste die versammelte Mannschaft ins Tamsaioll, ein kleines enaryshanisches Spezialistäten-Restaurant, das Acy ausgesucht hatte.

Jetzt müssen wir nur noch hoffen, daß Nardia niemals herausfindet, daß es sich bei Sir Alayn um Alan Dale handelt, meinte Coryn für alle anderen unhörbar zu Cayvyn. Sonst können wir uns nämlich gleich selbst massakrieren. Aber ich glaube eigentlich nicht, daß sie jemals auf den Verdacht kommen wird.

Wird sie schon nicht, meinte Cayvyn.

Hoffen wir es.

"Das tue ich. Und wie ich es tue."

Sie ließen sich an einem der gemütlichen Tische nieder und bestellten. Alycia wählte Siien-Steaks mit Emlis, Cayvyn eine Grillplatte für drei Personen (es war halt ziemlich anstrengend gewesen, Alan zu überreden) und auch Coryn konnte natürlich wieder nicht maßhalten. Er entschied sich für einen Schinkenteller, der eine Großfamilie von vier Generationen gesättigt hätte. Nardia genehmigte sich einen Gemüse-Eintopf, und Sir Alayn orderte eine Eintopfspezialität.

Nachdem sie ausgiebig geschmaus hatten, ließ Acy eine Flasche des besten tamincianischen Bergweins kommen, einen tiefpurpurfarbenen, süßen, schweren Talecialer 3651GZ.

Nardia fand den Geschmack des Rebensaftes durchaus ansprechend, Coryn war es egal, weil er keinen Alkohol mochte, und Alan war mit seinen Gedanken wieder ganz woanders. Cayvyn wiederum trank Wein hauptsächlich aus gesellschaftlichen Anlässen, und somit war Alycia neben ihrer Schwester die einzige, die ihn wirklich genoß.

"Ich sollte mir einmal einen richtigen Weinkeller auf der Villa Alycia einrichten", meinte sie.

"Sowas ist schon eine tolle Sache", sagte Nardia. "Blade Manor hat einen ziemlich großen Weinkeller."

"Ich lasse immer Shentay Wein vom Planeten holen, wenn ich etwas möchte", erzählte Acy.

"Das ist nicht das gleiche", erwiderte Nardia. "Ein eigener Weinkeller ist besser."

"Finde ich ja auch. Nur - wo ist auf meiner Villa ein Keller?"

"Dann mußt du eben einen Raum mit ähnlichen Bedingungen einrichten."

"Oh ja. Das wäre etwas. Einen großen Raum, den ich mit alten Mauern bestücke und echten Holzgestellen für die Weinflaschen und den ich dann ganz einfach als 'Keller' deklariere."

Nardia nickte eifrig.

"Dann helfe ich dir, ihn zu bestücken."

"Würdest du das tun? Das fände ich wirklich toll. Du darfst mich beraten, was alles gut und schmackhaft ist."

"Fein. Ich muß unbedingt meinen Keller etwas leeren. Generationen von Blades haben da was gelagert."

"Hm. Bei mir bleibt das bestimmt nicht lange liegen."

"Du weißt ja nicht, wie groß mein Keller ist!"

"Naja. Wir könbnen ja mal durchgehen, was bei dir so alles da ist."

"Wieviel Zeit hast du? Zwei Monate? Drei Monate?"

"Hm. Naja, aber wir können es ja mal versuchen. Oder ich bitte Shentay, mal nachzusehen. Er kennt sich mit Weinen aus."

"Fein. Ich nicht. Aber ich weiß, daß ich Weine da unten habe, die über 400 Jahre alt sind!"

"Kann man die überhaupt noch trinken?"

"Zum Teil schon. Ich habe mal einen probiert, der schmeckte überaus lecker."

"Hm, mich würde auch mal interessieren, wie so ein antiker Wein schmeckt. Vor mehr als 400 Jahren... Wenn mich meine dürftigen Geschichtskenntnisse nicht täuschen, wurde in der Gegend die zehnte Freie Welt in die FGS aufgenommen, oder?"

"Korrekt", bemerkte Cayvyn beiläufig "Das war Seraion VI/Alenje, am 3314/06/37 GZ."

"Stimmt. - Wir können ja demnächst einmal auf Fahndung gehen", sagte Nardia, Cay geflissentlich ignorierend.

"Fände ich toll." Alycia nippte an ihrem Glas. "Der hier gehört zu meinen Lieblingsweinen. Hast du eigentlich hauptsächlich tarishaanische Weine oder auch andere?"

"Der Großteil ist natürlich von Tarishaan, aber es sind auch andere da. Zum Beispiel welche von Dunnlorn..." Nad warf Coryn einen Blick zu. Sie hatte ihm immer noch nicht verziehen, daß er ihr das Zeug letztlich untergeschoben hatte.

"Ich habe vor allem ein Faible für diese ganzen naravinischen Sorten", erklärte Acy. "Duc Yngwayn hat ein bemerkenswertes Sortiment."

"Davon sind sicherlich auch welche da. Wir müßten sie nur finden."

"Mmmh", machte Alycia begeistert. "Die Xaypon-Blauweine und die von Nord-Ayryana sind besonders lecker."

"Stimmt. Die sind wirklich vorzüglich."

Hey, Alan, meinte Cayvyn über Funk. Hast du nicht auch etwas dazu zu sagen?

Wozu? fragte Alan. Er hatte nicht zugehört. Cay seufzte intern und übertrug Alan die Aufzeichnung der letzten Minuten.

Es gibt auch in Fayn-Devrayn, wo du herkommst, grandiose Weine. Zum Beispiel den devraynischen roten Likörwein...

Auml;hm, ich muß zugeben, daß ich keinerlei Ahnung davon habe.

Ts ts. Zum Glück hatte Cayvyn bereits vor geraumer Zeit alle wissenswerten Informationen über naravinische Weine organisiert und abgespeichert, da seine Gefährtin im Laufe der Zeit ein Faible dafür entwickelt hatte. Er übersandte Alan das entsprechende Datenpaket.

Danke. Über Naravina muß ich noch eine Menge lernen. Darüber hatte ich nämlich kaum Daten.

Und dann suchst du dir ausgerechnet eine halb-naravinische Tarnidentität aus!

"Ich finde auch diese dunkelblauen Ayryana-Weine absolut lecker." stellte Acy gerade fest.

Gerade deshalb, erklärte Alan Ryko. Damit verbinden sich keine Erinnerungen. Zu Alycia gewandt, sagte er: "Habt ihr schon einmal den Likörwein von Fayn-Devrayn probiert?"

"Hm? Nein! - Was für ein Wein ist das denn?"

"Das ist der einzige rote Wein Naravinas. Er wird nämlich aus der Diani-Beere gewonnen und nicht aus den sonst üblichen Trauben.

"Das klingt aber interessant. Ich muß ehrlich sein, der ist mir bislang nicht untergekommen. - Kennst du den, Nad?"

"Nein, ich habe auch noch nie davon gehört."

"Hm, dann sollte man es fast einmal ausprobieren", überlegte Acy.

"Dafür bin ich immer", stimmte ihre Schwester zu.

"Gut. Sir Alayn - kennt Ihr ein Weinlokal hier, das auch naravinische Spezialitäten führt?"

"Ich glaube, im Caraydon führt man alle wichtigen Weinsorten", erwiderte Alan.

"Gut! - Cay, du bezahlst heute. - Dann gehen wir gleich dahin."

"Seufzend tat dieser, wie ihm geheißen, was von seiner Gefährtin mit einem innigen Kuß quittiert wurde. Anschließend machten sie sich auf den Weg. Das Caraydon war nicht sonderlich groß und lag ein Stück außerhalb der City Ashteeras.

Die fünf traten ein und platzierten sich an einen passenden fünfeckigen Tisch.

Coryn fand Wein zwar immer noch gräßlich, aber er wollte nun mal nichts verpassen, und Nardia war bereits sehr gespannt, wie denn ein Beerenwein schmeckte.

Alycia bestellte erneut für alle. Das Getränk war tatsächlich feuerrot und wurde in einer bauchigen Flasche gebracht.

Schon nach dem ersten Schluck war Nad begeistert. Das schmeckte eindeutig nach mehr! Leider stritt sich die Verlockung jenes Beerensaftes mit ihrem festen Vorsatz, sich etwas zurückzuhalten, vor allem, da dieser Wein ziemlich stark war. Zu ihrem Unglück siegte die Versuchung.

Auch Acy hatte bereits zwei beträchtliche Gläser vernichtet, als ihr noch etwas einfiel.

"Nad, hast du schon mal enaryshanischen Weißbeerenwein getrunken?"

"Nein, hab ich nich!" Nach dem dritten Glas war Nardia schon überaus angeheitert.

"Gut." Auch dieses Getränk ward sogleich angeliefert. Weißbeerenwein war, wie es schon der Name suggerierte, schneeweiß wie Milch, und seine Flasche sah aus wie ein Eiskristall.

Nachdem sie auch hiervon ein erkleckliches Quantum inkorporiert hatte, bekam Nad langsam wirklich Schwierigkeiten. Sie mußte sich sogar anstrengen, um nur klar sehen zu können.

"Mmmh", machte Acy behaglich und kuschelte sich intensiv an Cayvyn, während ihre Schwester Mühe hatte, nicht unter den Tisch zu rutschen. Sie hatte eindeutig zuviel getrunken.

"Hups!" gab Alycia plötzlich von sich. "Cay, Schatz, schüttest du mir noch'n Glas ein? Ich weiß nicht, ob ich es treffe."

"Kommt gar nicht in Frage!"

"Aber Cay!" Acy gab ihm einen hingebungsvollen Kuß, der schon hart an der Grenze der Zensur stand.

"Hm." Cayvyn musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen, ehe er unauffällig zwei Anti-Rausch-Tabletten in ihrem Trinkbehältnis versenkte und nachschenkte.

Coryn war äußerst amüsiert darüber, daß Nardia dermaßen angeheitert war. Da sie ihn garantiert dazu verdonnern würde, daß er sie nach Hause bringen mußte, beschloß er, sich lieber zu verdrücken. Immerhin sollte Alan sich in aller Ruhe um sie kümmern können. Innerlich seufzte Coryn, da er nun doch nicht alles mitkriegen würde, aber was tat man nicht für Nad und/oder Alan. Sein Incom piepste plötzlich, und Coryn sauste nach einer kurzen Entschuldigung los, da er angeblich ganz dringend zur ISPC mußte.

Bei Acy hatte sich die Alkoholisierung unterdessen um 65 Prozent verflüchtigt, allerdings nicht genug, als daß sie nicht weiterhin hart an der Grenze des Erlaubten mit Cay herumkuschelte. Dieser sah Alan gestreßt an.

"Wir sollten die beiden wohl besser nach Hause bringen."

"Unzweifelhaft", stimmte Alan nach einem nachdenklichen Blick auf die Ladies zu.

Da Coryn sich geschickt aus der Affaire gezogen hat, obliegt es wohl dir, Nardia nach Hause zu bringen, meinte Cayvyn grinsend.

Irgendwie habe ich den Verdacht, da spielt jemand ein Spielchen.

So? Cayvyn hob die Augenbrauen und guckte betont verständnislos.

Dein Unschuldsblick ändert meine Meinung nicht. Da ist etwas im Gange.

Naja, wir können dich doch nicht in deinem Frust und deiner Einsamkeit hier hängen lassen.

Haha, machte Alan überaus ironisch.

"Nun komm schon!" Cayvyn beglich die Rechnung (mit Alycias Codekarte) und hob sie sanft auf seine Arme. Alan seufzte leise und trug Nardia hinaus. Was hatte es für einen Zweck, sich zu sträuben, wo Nad eh so gut wie hinüber war. Zudem wäre es überaus unhöflich, sie nicht nach Hause zu bringen.

"Okay", sagte Cay schließlich. "Wir sehen uns wohl auf Iskavar-1019 wieder - diesen Ensitag."

"Ja, ich werde dort sein", entgegnete Alan.

Cayvyn schleppte seine Gefährtin zum Gleiter und düste zunächst zum Garten der Villa Alycia und von dort über das TM-Tor in die eigentliche Station.

Nardia döste vor sich hin, so daß sie gar nicht mitbekam, wie Alan sie in seinen Gleiter verfrachtete und nach Blade Manor brachte. Dort lud er sie James auf den Arm, der ihm die Tür öffnete. Der empörte Blick des Butlers störte ihn nicht, er hatte ja nur gesagt, daß er sie nach Hause brächte.

Schließlich fuhr er zu seiner Wohnstatt, denn er hatte noch einiges zu tun. Vor allem wollte er das eine Lied beenden.

* * *

3763/04/15 GZ

Alycia Cherylla Blade packte alle Kleider, von denen sie meinte, daß sie sie vielleicht anziehen würde, in ihre neue Sternenyacht Starfire.

Sir Cayvyn sah kopfschüttelnd zu, wie sich die Gästekabine mit neonschillernden, glitzernden und sonstigen Roben füllte.

"Hast du langsam alles?" fragte er.

"Nein! Ich muß noch meine Stiefel einpacken!"

25 Paar Stiefel aller Farben und Formen flogen hinter den Kleidern her.

"So", sagte Acy eine halbe Stunde später befriedigt. "Jetzt können wir."

"Gut."

Die Starfire war gerade aus dem Hangar, als Alycia aufkreischte.

"Cay, nochmal retour! Ich habe meine Perücke vergessen!"

"Welche?"

"Die Neonpink und -gelb gestreifte!"

"Die bleibt jetzt da!" meinte Cayvyn gnadenlos und beschleunigte.

"Grumpf!"

* * *

Nardia hatte sich inzwischen auch auf den Weg gemacht. Endlich hatte sie einmal Gelegenheit, die Sunbeam auszuprobieren, die sie letztlich in einer Art Frustkauf erstanden hatte, und das, wo Nardia Blade noch nicht einmal einen Pilotenschein hatte. Seufz.

Sie hatte also Coryn gebeten, mitzukommen, damit sie wenigstens einen Piloten hatte.

Sir Alayn von Fayn-Devrayn hingegen hatte sich einen Mietraumer genommen, um zu der Raumstation im Iskadrion-System zu gelangen.

* * *

Als die Starfire in den Hangar der Raumbasis einschwebte, standen, dort bestimmt schon an die zehn bis zwanzig Sternenyachten vergleichbarer Art und Größe wie die Starfire herum, nur daß diese größtenteils farben- und formenprächtige Wappen verschiedener naravinischer Familien trugen. Zwei Schiffe weiter entdeckte Cayvyn die Light Dancer seiner 'Eltern', eine hübsche silberne Yacht mit dem kupferfarben/violetten Abzeichen des Herzogtums von Süd-Ayryana.

"Hast du es jetzt endlich?" rief Cay nach hinten, wo Acy hektisch herumwühlte. Er trug bereits seine grün/goldene Montur, die ihn als Abkömmling (mütterlicherseits) des Königshauses von Ost-Sdayinisa auswies. Da Duc Yngwayn noch über sein Herzogtum regierte, stand es Cayvyn frei, ob er nun die Farben Ost-Sdayinisas oder Süd-Ayryanas tragen wollte. Cay entschied sich in der Regel zu ersterem, da dies besser zu seiner Augenfarbe paßte.

"Moment, ich bin gleich soweit. Ich finde meinen Gürtel nicht. Ich glaube, er liegt..."

Cayvyn seufzte abgrundtief. Endlich kam seine Gefährtin zurück, und er hob fasziniert die Augenbrauen. Diesmal war sie von Kopf bis Fuß in glänzendes Gold gehüllt, inclusive Perücke und Make-Up. Das Kleid war hundertprozent auf Figur gearbeitet, und Cayvyn fand, daß Acy zur Zeit exakt richtig in Form war. Sie durfte in dem Teil nur weder ein Gramm abnehmen oder zulegen.

"Gehen wir, Mylord", meinte sie und lächelte ihn an. Sie hakte sich bei Cayvyn ein und schritt gemeinsam mit ihm über einen silbernen Teppich, der sich automatisch zu jeder Sternenyacht hin ausrollte, in Richtung Empfangssaal.

Als sie den gewaltigen Raum erreichten, wurden sie zunächst einmal mit zartblauem Sekt versorgt. Gleich darauf erspähte Duc Yngwayn seinen Erben und stürmte - Korrektur, schritt gemessenen Schrittes - zu den beiden hin, um sie anschließend zu allen nahen und fernen Anverwandten, Freunden und wichtigen geschäftlichen Kontakten abzuschleppen.

"Das ist mein Sohn Cayvyn, nebst seiner Gefährtin Lady Alycia", pflegte er diesen stolz zu erklären.

'Seufz!' dachte Acy gestreßt, lächelte und grüßte aber tapfer höflich weiter.

* * *

Nardia und Coryn erreichten Iskavar-1019 nur kurze Zeit später. Nad trug bereits ein phänomenales schillernd grünes Kleid, das mit Diamant- und Smaragdsplittern besetzt war. Coryn hatte sich heute für metallicblau und silber entschieden, aber er war nicht bereit gewesen, irgendetwas Naravinisches zu tragen. Die beiden steuerten ebenfalls auf den Empfangssaal zu.

Auch sie wurden mit Sekt in Empfang genommen. Der junge Dunnlorner verzog das Gesicht. Schon wieder Alkohol, pfui!

Aber er hatte ja versprochen, sich zu benehmen, also lächelte er freundlich und kippte das Zeug nicht in den nächsten Blumenkübel.

Gut zwei Stunden, nachdem er sie überfallen hatte, fand Duc Yngwayn niemanden mehr, dem er Cay und Acy vorstellen mußte, und so überließ er sie nun ihrem Schicksal. Cayvyn beschloß also erst einmal, das Buffet im Nebenraum zu stürmen. Alycia fand die Idee gleichfalls optimal, vor allem, wenn es dort wieder diese naravinischen Würzgurkenwürfel gab. Sie mußte schließlich aufpassen, daß das Kleid nicht platzte.

Coryn war inzwischen auch dort angelangt, er kannte ja niemanden hier und so würde er sich wenigstens der Gesellschaft der Fressalien erfreuen. Nardia folgte ihm, da sie ihre Schwester ebenfalls am Buffet zu finden hoffte.

Acy schaufelte sich eifrig Gurkenwürfel auf den Teller um musterte belustigt ein naravinisches Pärchen in Metallicrosa und Dunkelgrün. Die Ärmsten waren aufgrund ihrer maylysianischen Abstammung mit diesen Farben gestraft worden, aber es gehörte schon eine gehörige Portion Patriotismus dazu, sich gänzlichst in diese Coleurs zu gewanden. Normalerweise würde es ja ausreichen, das jeweilige Wappen der Familie an der Kleidung oder als Schmuck zu tragen, obwohl es natürlich 'besser aussah', sich in Gänze entsprechend zu kleiden. Alycia war sehr froh darüber, daß Cayvyn halbwegs erträgliche Familienfarben hatte.

Alan war nun auch endlich eingetroffen, wobei sich seine reichliche Verspätung darauf zurückführen ließ, daß es eine erhebliche Differenz zwischen der angeblichen Höchstgeschwindigkeit und der tatsächlich erreichten Maximalgeschwindigkeit seines Mietraumers gab, mit der er nicht gerechnet hatte.

Seufz, dabei haßte er es doch, zu spät zu kommen, dann da fiel man immer so auf.

Da es sich bei dem Empfang Duc Yngwayns um eine offizielle Angelegenheit handelte, hatte Alan sich in die Familienfarben von Fayn-Devrayn gewandet, Metallicblau und Schwarz. Dies würde zwar seinen 'Halbbruder', Comte Janyr II. von Fayn-Devrayn, wie üblich maßlos ärgern, denn dieser hatte es immer noch nicht verwunden, daß sein Vater, der verblichene Comte Janyr I. diesen 'Bastard' (wie er es bezeichnete) tatsächlich anerkannt hatte, obwohl er doch das Kind einer Bürgerlichen war, doch das war Alan herzlich egal.

Inzwichen hatte Nardia Alycia entdeckt. Na, wenigstens etwas. Sie ging zu ihr hinüber.

"Hallo Acy!"

"Hi Nad", mampfte jene mit vollem Mund. Diese Gurkenwürfel waren einfach delikat!

"Was kaust du da?"

"Mmm-njam. Moment!" Sie schluckte die Ladung herunter. "Da! Würzgurkenwürfel!"

Nardia probiert ebenfalls ein Stück.

"Nicht schlecht", bestätigte sie dann und fischte sich noch ein paar Teile.

"Vor allem fast ohne Kalorien!" Sie sah an sich herab; das goldene Kleid verbarg dummerweise nicht ein Gramm. Das war an einigen Stellen ja nicht unangebracht, an anderen hingegen... Naja, es war aber auch schon mal schlimmer gewesen, beruhigte sie sich. Nad folgte Acys Blick und grinste amüsiert.

"Das ist natürlich immer gut."

"Seufz! Vor allem, wo Cay mich letzthin so aufgezogen hat."

"Das war nicht sehr nett."

"Eben!" Alycia warf ihrem Gefährten, der gerade vom anderen Ende der Tafel mit einem Teller zurückkehrte, einen strafenden Blick zu.

"Tse! - Guten Tag, Sir Cayvyn", begrüßte Nardia diesen.

"Ich wünsche Euch ebenfalls einen wunderschönen guten Tag, Lady Nardia." Cay stellte den Teller ab und verabreichte ihr einen stilvollen Handkuß.

"Ich danke Euch nochmals für die Einladung."

"Gern geschehen, Lady Nardia. Es deuchte mir, ich sollte meiner Gefährtin dir Möglichkeit geben, auch das eine oder andere bekannte Gesicht hier anzutreffen. Von meiner Verwandtschaft sind ihr die meisten Personen schließlich nicht näher bekannt."

"Wie fürsorglich von Euch", pflichtete Nad ihm bei. Cayvyn machte eine leichte Verbeugung, und Acy konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Nardia lächelte sie an.

"Das einzige, was ich bei naravinischen Feseten und auf Naravina etwas enervierend finde, ist, daß alle Leute da so furchtbar lang sind, meinte Alycia nach einem Blick in die Runde. "Es ist frustrieren, das nächste Mal komme ich mit Stelzen!"

"Das stimmt allerdings. Es ist ganz schön störend, immer nach oben schauen zu müssen, um den Leuten ins Gesicht sehen zu können."

"Wenn man bedenkt, daß Cay hier als - naja, gerade mal 'normalgroß' gilt." Acy schaute zu ihm auf. Nad dito; sie fand, daß er doch eigentlich schon groß genug war, man bekam ja bei ihm schon eine Genickstarre, wenn man permanent zu ihm hochgucken mußte.

"Hey!" machte Alycia empört. "Cayvyn, grinse nicht so! Und vor allem - sieh nicht so überlegen auuf mich herab!" Dies führte dazu, daß er losprustete, ehe er Acy auf die Arme hob.

"Ist es so besser?"

Nardia grinste amüsiert.

"Ich wünsche Euch einen wundervollen guten Tag", sagte nun Coryn, der gerade zu ihnen trat, einen vollbeladenen Teller in der Hand.

"Hi! - Mylord Cayvyn, bitte laßt mich wieder herunter, sonst komme ich nicht an die Gurken!"

"Ich grüße Euch, Monsieur Arvhayn", begrüßte Cay diesen zunächst, ehe er seine Gefährtin wieder absetzte. Coryn hatte wie üblich sein bestes Grinsen aufgesetzt.

"Dafür ist Coryn aber ziemlich klein", stellte Acy mit einem kritischen Blick auf diesen fest und stopfte sich einen weiteren Gurkenwürfel in den Mund.

"Für was?" fragte dieser neugierig.

"Im Vergleich mit den ganzen Naravinos", meinte Alycia.

"Allerdings! Gerade hat man versucht, mich zu den ganzen Teenagern zu stecken!" empörte er sich.

"Oh", machte Acy belustigt, und als sie eine weibliche Gestalt entdeckte, die sich ihnen zielstrebig näherte, sagte sie: "Und bei der haben sie es wohl auch nicht geschafft."

Sir Cayvyn drehte sich um.

"Hallo Schwesterherz!" begrüßte er sie schwach. Coryn betrachtete das Mädchen neugierig. Das war also Cayvyns 'Schwester'? Um genau zu sein, war sie allerdings eher die Schwester von Cays Tarnidentität, aber er, Coryn, hatte sie bislang noch nicht zu Gesicht bekommen. Sie hatte einen Großteil ihres derzeit sechzehnjährigen Lebens in diversen Internaten verbracht, und auch wenn ihre Geburt Lady Aylannas Eltern bewogen hatte, deren eher unerwünschte Verbindung mit Duc Yngwayn doch noch zu akzeptieren, hatte Dayenna eher weniger zum Familienleben beigetragen.

Heute trug sie ein gewagtes metallicviolettes Gewand, und ihre glänzend kupferfarbene Mähne floß in dezenten Wellen über ihre Schultern bis zur Taille.

"Gruß dir, Cayvyn", erwiderte sie mit einem Tuzhanna-Lächeln. Nardia konnte sich eines Schauderns nicht erwehren; sie konnte Dayenna nicht ausstehen.

(Eine Tuzhanna ist eine kleine, weiße, silbergefleckte Raubkatze; wird etwa 1-2m lang (ohne Schwanz; mit: 4-5m), sehr gefährlich!)

"Seid begrüßt, Lady Dayenna", sagte Acy zuckersüß. Dieser verzogenen Göre würde die eine oder andere Tracht Prügel einmal gut tun, dachte sie. Leider besuchte Dayenna in ihrem aktuellen Internat nebst allen Strategie-Kursen auch sämtliche Kampfsportarten, und es hieß, sie wäre besser als ein Gutteil der männlichen Teilnehmer, was diese nicht sehr schmeichelhaft fanden.

Coryn starrte das Mädchen immer noch fasziniert an. Die war aber ziemlich groß, befand er und stellte nach raschem Scan fest, daß sie ihn bei 1.91m Länge um immerhin fünf Zentimeter überragte. Er kam sich immer kleiner vor.

Dayenna musterte ihn geringschätzig. Ihrem Verständnis nach fingen 'richtige' Männer nicht unter einer Größe von zwei Metern an. Naja, mit einer Ausnahme vielleicht, aber den hatte sie heute noch nicht entdeckt.

Jetzt kam auch Alan am Buffet an. Er hatte Hunger, und zudem mußte er den Frust über den blöden Mietraumer loswerden. Als er jedoch Lady Dayenna entdeckte, hätte er beinahe kehrt gemacht. Die schon wieder!

! - Er war da! Dayenna erstrahlte förmlich und stürzte sich auf ihn.

"Oh, Sir Alayn, Ihr seid gekommen!"

Alan machte ein Gesicht, als ob ihn gerade jemand ermorden wollte.

"Ich bin erfreut, Euch zu sehen", erwiderte er dann höflich. "Ich kann mein Entzücken über Eure Anwesenheit kaum in Worte fassen", hauchte Dayenna und schwebte zu ihm herüber. Cayvyn hob höchst amüsiert eine Augenbraue. Sein Schwesterchen und Alan - das eröffnete ja ganz neue Perspektiven.

Alan versuchte natürlich, einen gehörigen Sicherheitsabstand beizubehalten, indem er zu den anderen trat.

"Ich wünsche einen guten Tag."

"Euch gleichfalls, Sir Alayn", entgegnete Alycia. Auch die anderen begrüßten ihn höflich, wobei Dayenna sich unauffällig an ihn heraniterierte. Alan bemühte sich, das zu ignorieren und nahm sich etwas vom Buffet. Er wandte sich an Sir Cayvyn.

"Ich würde gerne wissen, welche Erfahrungen Ihr mit Sternenyachten gemacht habt, da ich mich nunmehr gezwungen sehe, mir eine anzuschaffen."

"Falls Ihr tatsächlich mit solch einem Gedanken spielt, so empfehle ich Euch ein Schiff von Comtesse Chambleau", erwiderte dieser. "Nicht so sehr, weil meine geliebte Gefährtin zur Blade-Familie gehört und jene Firma an die Blade Enterprises angeschlossen ist, sondern, da Ihr jene Raumer perfekt auf Eure Bedürfnisse zuschneiden lassen könnt. Wir besitzen ausschließlich Fahrzeuge von CC."

"Dann werde ich mich dort informieren. Diese Mietraumer sind eine Katastrophe."

"Das kann ich leider nicht beurteilen, da ich noch nie in die Verlegenheit gekommen bin, einen solchen benutzen zu müssen."

"Dann seid Ihr zu beneiden."

"Zunächst habe ich die Raumgleiter meiner herzallerliebsten Lebensgefährtin fliegen dürfen, aber nun besitze ich ja sogar einen eigenen Raumer." Cay legte die Arme um Acy, da er fand, daß Alan wieder einmal ein wenig zu sehr zu ihr herüberguckte. Sie hätte doch ein etwas dezenteres Gewand anziehen sollen!

"Hm, dann werde ich mir wohl ein CC-Schiff kaufen. Wie ich hörte, muß man diese bestellen?"

"Es ist anzuraten, wenn Ihr ein speziell auf Euch zugeschnittenes Fahrzeug haben wollt. Obwohl natürlich auch stets einige fertige Modelle auf Lager sind, die von Spitzendesignern gestaltet worden sind, um auch den Personen etwas zu bieten, die sich nicht sicher sind, was sie eigentlich wollen."

"Wenn ich mir ein Schiff kaufe, dann auch eins, das zu mir paßt", erklärte Alan.

"Ich habe mir vor kurzem eine CC-Yacht gekauft", mischte sich Nardia ein. "Die Fahrzeuge, die sie noch auf Lager haben, sind meines Erachtens nicht besonders geschmackvoll."

Alycia konnte dem nur zustimmen. Sie hatte vor drei Monaten die Lager-, Planungs- und Auslieferungslisten von Comtesse Chambleau intensivst studiert und eigentlich nur zwei Raumer entdeckt, die ihr gefielen. Die eine war die Starfire, die Cay als Geburtstagsgeschenk für sie in Auftrag gegeben hatte, und die andere hatte sie sogleich entführt und baute sie zur Zeit zur Lightning II um.

"Ich danke Euch für diesen Rat", sagte Alan. Er würde das sofort erledigen, wenn er wieder daheim war.

"Sir Alayn", kam es wieder von Lady Dayenna. "Wollt Ihr abermals ein Tänzchen mit mir wagen?" Alan warf den anderen einen gequälten Blick zu.

"Ich würde gerne später darauf zurückkommen", wich er aus. "Zuvor möchte ich gerne noch etwas zu mir nehmen."

"Wie ihr wünscht", meinte Dayenna enttäuscht und düste in den angrenzenden Ballsaal.

"Seufz", machte Alan erleichtert.

"Mein Schwesterchen scheint dich in ihr Herz geschlossen zu haben", stellte Cayvyn grinsend fest, und Alan sah ihn strafend an. "Nun, du bist solo, nicht zu alt, vermögend, von adliger Herkunft und siehst nicht übel aus - kurzum, sie hält dich für die perfekte Partie", führte Cay aus. Alan war empört.

"So? Woher weiß sie das? Ich habe ihr nichts gesagt außer meinem Namen."

"Das reichte doch. Sie hat sich eingehend informiert, nachdem sie dich zum ersten Mal auf meiner Geburtstagsfeier gesehen hat - soviel weiß ich von Duc Yngwayn. Unsere Eltern sind jedenfalls ausgesprochen angetan von ihrer Absicht."

"Ich nicht."

"Tja, dann mußt du schleunigst Gegenmaßnahmen ergreifen." Alan ahnte schon, worauf das wieder hinauslief. "Sonst wirst du sie nie los!"

"So?"

"Sie ist ziemlich hartnäckig." Prompt stand Dayenna wieder da.

"Habt Ihr zu Ende gespeist?" erkundigte sie sich eifrig.

"Ich habe noch gar nicht angefangen. Das Gespräch mit Eurem Bruder war zu interessant", erwiderte Alan wahrheitsgemäß.

"Oh! Das ist aber schade." Sie warf Cayvyn noch einen tödlichen Blick zu und zog wieder ab.

'Das kann ja noch heiter werden', dachte Alan.

"Du solltest Dayenna gegenüber am besten permanent okkupiert bleiben, obwohl sie selbst dann nicht aufgeben wird."

"Jedenfalls reicht es mir immer noch vom letzten Mal."

Cayvyn wechselte rasch auf Funk, und seine 'Stimme' wirkte nur noch mehr belustigt.

Die sicherste Methode, sie loszuwerden, wäre, wenn du das Attribut 'solo' ablegst.

Und wie soll ich das so schnell schaffen?

Hm. Keine Ahnung. Laß dir etwas einfallen.

Das ist wieder typisch, meinte Alan. Mir fällt aber nichts ein.

Hm. Dann erzähle ihr, du wärst irgendjemandem versprochen, oder dein Herz gehört schon irgendeiner edlen Dame.

Alan sah Cayvyn irritiert an. Na schön, der mußte ja wissen, was seine Schwester abschreckte. Unterdessen fischte sich Cay ein paar Pralinen aus einer Kristallschüssel. Diese Sorte mochte er ganz besonders.

Er hoffte, daß Dayenna aufgab, wenn sie hörte, daß Alan anderweitig vergeben sei. Bedauerlicherweise war hoffen nicht gleich wissen.

Nun bediente sich auch Alan am Buffet, sonst kam er gar nicht mehr dazu. Acy hatte indes eine Bowle entdeckt. Dunkelblauvioletter Wein mit rosa Früchten. Nardia blieb lieber davon weg, denn sie hatte sich das letzte Mal nicht daran erinnern können, wie sie nach Hause gekommen war, und das hieß für sie: keine naravinischen Weine mehr im Übermaß.

Alycia bugsierte einige rosa Beeren mit violetter Flüssigkeit in eine Trinkschale und schluckte diesmal präventiv zwei - nein, besser drei! - Anti-Rausch-Pillen. Nad beschränkte sich einfach auf nichtalkoholische Getränke, was aber ihrer Stimmung wenig Besserung verhieß, da naravinische Parties in der Regel ungemein öde waren.

"Hey, was guckst du so tragisch?" fragte Alycia.

"Es ist so überaus interessant hier."

"Du solltest mal versuchen, einen dieser chaotischen Tänze mitzumachen."

"Ich werde mich doch nich blamieren!"

"Wieso? Ich fand es total lustig. Ich habe mitgemacht, ohne den Schimmer einer Ahnung von den Figuren zu haben. Du hättest mal das Entsetzen der ganzen anderen Tänzer sehen sollen, als sich alles immer mehr in Wohlgefallen auflöste."

"Das wäre mir zu peinlich."

"Ich fand es urkomisch und habe mich mitten auf der Tanzfläche nicht mehr eingekriegt."

"Ich bin nicht so wie du."

"Aber die Fête hat Spaß gemacht. Du mußt die Typen nur ein bißchen auf Vordermann bringen, dann sind sie eigentlich ganz amüsant."

"Ich hätte zu Hause bleiben sollen. Zudem bin ich auch noch schrecklich müde."

"Wovon denn?"

"Davon, daß ich zu wenig Schlaf hatte."

"Tsy! Hast du einen neuen Freund?"

"Nein", rief Nad entsetzt, und Acy grinste sie an, ehe sie das Thema wechselte.

"Hast du eigentlich schon irgendwelche von den anderen Typen - diesen 'Eleandern' oder wie sie heißen - erspäht?"

"Nein, ich glaube nicht. Wie sehen die denn aus?"

"Wie normale Durchschnittstarishaaner."

"Vielleicht komme ich mir nicht mehr so winzig vor, wenn die angekommen sind."

"Wahrscheinlich. Ich glaube aber, die wollten erst am späten Abend erscheinen. Hm. Was hältst du davon, wenn wir die Party mal ein wenig auf Trab bringen?"

Nardia gähnte herzhaft.

"Wenn ich mich wach halten kann."

"Ich dachte zum Beispiel an die Sprinkleranlage im Ballsaal."

"Dann sind alle naß", stellte Nad fest. "Aber sie werden sich wahrscheinlich umziehen, und alles ist wie vorher."

"Hm. Oder eine vorsichtige Dosis Lachgas?"

"Ich bin sicher, bei diesem steifen Volk nützt das gar nichts."

"Soll ich eine kleine Aktionskunst betreiben?"

"Igitt", winkte Nardia ab. "Bloß das nicht!"

"Schlag du was vor."

"Ich bin sooo müde."

"Leg dich auf's Buffet", schlug Acy vor. "Ich werde dich dekorieren."

"Bestimmt nicht. Nachher will mich jemand essen!"

"Vielleicht sollte ich es ja tun und darauf warten, das Cay mich vernascht", kicherte Alycia.

"Ich ziehe es vor, überhaupt nicht vernascht zu werden."

"Wie öde!" Acy guckte zur anderen Buffetseite, wo sich Cayvyn gerade durch eine Torte futterte.

"Ich verschwinde mal kurz", sagte Nardia.

"Aye aye." Als ihre Schwester hinweg gedüst war, ging Alycia zu ihrem Gefährten herüber. "Cay, mein Schatz, wie lange müssen wir noch?"

"Auf jeden Fall sollten wir die Ankunft der eleandrischen Delegation abwarten."

"Seufz. Dabei hat mich mein Gespräch mit Nad auf so eine anregende Idee gebracht." Sie schmiegte sich an ihn.

"Mir scheint, mein Schwesterherz hat eine andere anregende Idee." Lady Dayenna von Süd-Ayryana nahm erneut Kurs auf Alan. Dieser seufzte innerlich. Noch mal die gleiche Ausrede kam wohl nicht in Frage.

"Sir Alayn - seid Ihr nun bereit, mir einen Tanz zu gewähren?"

"Aber gerne", bejahte Alan.

"Wundervoll!" Dayenna schleppte ihn mit stolz erhobenem Haupte ab.

'Seufz, was muß ich denn noch alles durchmachen?' dachte Alan gefrustet. Begeistert wirbelte Dayenna die komplizierten Figuren entlang und kam Alan bei den Zweierparts stets bedrohlich nahe. Er behielt soviel Abstand wie irgendmöglich, aber das war eine Sache, die seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte.

Cayvyn hatte derweil Alycia mit sich in Richtung Ballsaal bugsiert. Er wollte sich Alans Leid auf keinen Fall entgehen lassen. Mit Acy in einem Arm und einem Baguette in der anderen Hand stand er am Eingang und schaute genüßlich zu. Alan bemerkte ihn durchaus, wagte es aber nicht, Dayenna aus den Augen zu lassen. Er schwor sich gerade, ab sofort jede Gästeliste zu überprüfen, bevor er zu einer Party ging.

"Sir Alayn, was wirkt Ihr so abwesend?" hauchte ihm das junge Mädchen zu.

"Ich muß mich auf den Tanz konzentrieren."

"Oh!" Sie kam ihm noch näher. "Soll ich führen, wenn Ihr solche Schwierigkeiten habt?"

"Das ist wirklich nicht notwendig."

"Gut." Dayenna war halbwegs beruhigt. Sie hatte schon ernsthafte Zweifel gehegt. Alan war nun endgültig fest entschlossen, sie loszuwerden. Vielleicht sollte er ihr mal auf die Füße treten? Aber nein, das konnte er nicht machen, er mußte sich schon etwas anderes überlegen.

"Was meinst du - wer gewinnt?" erkundigte sich Acy grinsend.

"Alan", antwortete Cayvyn überzeugt.

"Obwohl, momentan steht es wohl 1:0 für Dayenna", bemerkte Alycia.

Hoffentlich war dieser Tanz bald zu Ende, dachte Alan. Er hatte keine Lust mehr. Diese heißen Blicke von Dayenna waren wirklich zuviel.

"Was den Blick betrifft, würde ich sagen, führt Day nunmehr 2:0", kicherte Acy.

Alan ignorierte Cayvyns 'Schwesterchen' einfach. Er würde diesen Tanz schon mit Anstand hinter sich bringen.

"Holst du mir bitte noch ein Baguette?" meinte Cayvyn und gab seiner Gefährtin einen Kuß auf die Stirn. "Ich möchte keine Sekunde von diesem Schauspiel verpassen."

"Aber nur, weil du es bist!" Alycia düste retour zum Buffet. Nardia war inzwischen in den Saal zurückgekehrt. Sie berkte Cayvyn, der sich anscheinend über irgendetwas königlich amüsierte. Neugierig schaute sie in die gleiche Richtung wie er. Hm. Anscheinend beobachtete er Sir Alayn und seine Schwester.

"Wo ist denn Alycia?" wollte Nad von ihm wissen.

"Sie holt mir noch etwas zu essen", entgegnete er, und Nardia sah ihn erstaunt an. Was waren denn das für neue Sitten?

"Oh, ich wollte keine Sekunde davon verpassen." Cay deutete auf Dayenna, die neuerliche Annäherungsversuche startete.

"Aha", machte Nardia. "Und was ist daran so interessant?"

"Alycia meinte, es stünde 2:0 für Dayenna, und ich hingegen behaupte, daß Sir Alayn gewinnen wird."

"Also, ich würde auch sagen, daß Eure Schwester im Vorteil ist."

"Hm."

Nardia sah zu den Tanzenden herüber. Sie war sich sicher, daß dieser Sir Alayn keine Chance hatte. Er schien ihr sowieso etwas komisch zu sein.

"Es reizt mich fast, eine Wette mit Euch abzuschließen."

Nad sah ihn erfreut an. Sie wettete doch so gerne.

"Um was?"

"Schlagt Ihr einen Einsatz vor."

"Hm. Wie wäre es mit einer Kiste altem Wein aus meinem Keller?"

"Gut. Ich halte eine Kiste 3100er Xaypon dagegen."

"Fein. Und wie soll die Wette genau lauten?"

"Ich behaupte, Sir Alayn wird sich binnen einer Stunde endgültig von Dayenna befreit haben."

"Ich sage, er schafft es nicht."

"Abgemacht." Cayvyn hielt ihr die Hand hin, und Nardia schlug ein.

"Was treibt ihr denn schon wieder?" fragte Acy. "Bitte sehr, mein Herz, für Euer leibliches Wohl ist gesorgt." Sie drückte ihm das Baguette in die Hand und schlang ihm anschließend besitzergreifend die Arme um die Mitte.

"Wir haben nur eine kleine Wette abgeschlossen", erläuterte Nardia.

"Aha. Und was?"

"Nun, wer dort den Sieg erringt!" Nad wies auf Sir Alayn und Lady Dayenna.

"Ich tippe auf Dayenna, was die Schlacht betrifft, und Sir Alayn insgesamt", überlegte Acy.

"Tse, ich glaube nicht, daß er überhaupt eine Chance hat", äußerte Nardia geringschätzig.

"Da gehe ich nicht mit dir konform. Ich behaupte, in ihm steckt mehr als du ahnst", sagte Acy rätselvoll.

"Hm. Das muß er erst beweisen."

"Abwarten."

Jetzt hatte Alan aber endgültig genug. Die letzten Takte des Tanzes verklangen, und er führte Dayenna von der Tanzfläche.

"Das war wundervoll!" Sie strahlte ihn an.

"Ich bin erfreut, Euch zu Gefallen sein zu können", meinte Alan reserviert. "Aber nun entschuldigt mich."

"Wieso - wollt Ihr jetzt schon gehen?"

"Ich habe mit Euch getanzt - was verlangt Ihr noch?"

"Wir könnten doch auch diesen Tanz miteinander machen. Wir könnten und unterhalten, uns näherkommen..."

"Darauf lege ich keinen Wert."

"Warum denn nicht? Ihr sagtet doch noch vor drei Wochen, daß ich Euch gefalle."

"Natürlich, das gehört doch zur Höflichkeit."

"Wie?" Dayenna sah ihn schockiert an, ehe sie ihm eine schallende Ohrfeige verabreichte. "Betrachtet Euch gefordert!" erklärte sie zornsprühend.

"Wenn Ihr darauf besteht", sagte Alan schulterzuckend. Warum nur bekam bloß immer er die Ohrfeigen ab?

Plötzlich stand Duc Yngwayn zwischen ihnen.

"Dayenna!" Er packte seine Tochter ziemlich unsanft am Arm. "Ab in dein Zimmer! Du hast Stubenarrest für den Rest der Woche! - Wie kannst du einen Mann zum Duell fordern? Du bist ein Mädchen!"

"Leider!" fauchte sie, was ihr eine gesalzene Ohrfeige von ihrem Vater einbrachte.

'Na, wenigstens etwas', dachte Alan. Hoffentlich war er sie damit los.

"Ich möchte mich für den Vorfall entschuldigen", meinte er, doch Duc Yngwayn winkte ab.

"Ich muß mich für meine Tochter entschuldigen", begann er geknickt. "Sie hatte keinerlei Recht, Euch zu fordern oder zu schlagen. Es wird Zeit, daß meine Gemahlin ihr einmal diese Flausen austreibt."

"Ich bin betrübt, diese Festivität gestört zu haben", entschuldigte sich Alan nochmals. Duc Yngwayn nickt nur, ehe er in Richtung Duchesse Aylanna verschwand.

"An welchen Wein hattet Ihr zu Einlösung Eurer Wettschuld gedacht, Lady Nardia?" erkundigte sich Cayvyn.

"Ich lasse Euch freie Wahl."

"Das ist überaus großzügig von Euch."

"Mmh!" machte Alycia begeistert. "Eine wahrlich kluge Wahl bezüglich des Wetteinsatzes."

"Diesmal habt Ihr recht gehabt, aber ich bezweifle, daß das von dauer ist."

"Oh, ich denke, mein Vater wird Day jetzt tunlichst von Alayn fernhalten, denn sie vergißt niemals, wenn sie jemanden gefordert hat. Dabei dürfen naravinische Frauen eigentlich keine Waffen anrühren. Duc Yngwayn ist nicht sehr glücklich über Dayennas skandalöses Verhalten."

"Tse", machte Nardia nur.

Zur Abwechslung ließ Alycia Cay mal wieder los. Sie wollte ihn gerade auf die Tanzfläche ziehen, als dort auf einmal eine Tänzerin stehenblieb und mit dem üblichen Sermon von Liebe, Brüderlichkeit und dem Besuch von extragalaktischen Wesen begann. Allerdings dauerte es nur etwa zehn Minuten, bis die Frau entfernt wurde. Duc Yngwayn entschuldigte sich vielmals für die Störung, dann ging alles weiter wie gehabt.

Acy und Cay wechselten einen langen Blick. Langsam wurde diese Sache immer merkwürdiger, vor allem, weil alle Irren so ziemlich exakt das Gleiche von sich gaben.

Auch Nardia hatte das Schauspiel stirnrunzelnd betrachtet. Was mochte nur der Grund für diese Häufung von Anfällen sein? Bis jetzt hatte man jedoch noch keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen Vorfällen gefunden.

"Seufz", machte Alycia. "Ich verstehe das alles nicht!"

"Ich auch nicht", stimmte Nad zu.

"Wann kommt denn die Delegation von Eleandelor?" Acy sah zu Cayvyn hoch.

"In 50 Minuten, wenn sie ihren Fahrplan einhalten", antwortete dieser.

"Aber wann tun Delegierte sowas", seufzte Nardia. Alan trat zu ihnen. Jetzt wo Dayenna Stubenarrest hatte, war er nicht mehr ganz so in Bedrängnis, obwohl auch einige andere Damen Wind von der 'guten Partie' bekommen hatten. Wenigstens waren die etwas diskreter als Dayenna.

"Habt Ihr die Schlacht geschlagen, Sir Alayn?" erkundigte sich Cayvyn grinsend.

"Welche Schlacht?" fragte er unschuldig zurück.

"Auf jeden Fall scheint Ihr Euch Dayennas elegant entledigt zu haben."

"Das war doch nur ein kleines Mißverständnis", erklärte er erstaunt. Cayvyns Grinsen verbreiterte sich ungemein, doch Alan tat so, als bemerke er das nicht. Das war immer noch die beste Methode, allem auszuweichen. Nardia betrachtete ihn nachdenklich. Vielleicht hatte Acy ja doch recht, und es steckte mehr in ihm als man auf den ersten Blick sah.

"Hey, da kommt was!" rief Alycia mit Blick in Richtung Eingang.

"35 Minuten zu früh", bemerkte Cayvyn verwundert.

"Wo?" fragte Nad neugierig. Von ihrer Position sah sie noch nichts.

Nun betrat eine Abordnung von etwa zwanzig mehr als knallbunt gekleideten dunkelhäutigen Männern und Frauen den Saal. Die Damen trugen sämtlichst lange Wickelkleider, während die Männer in knielange Tuniken zu Pluderhosen gewandet waren. Eine Frau mit hochaufgetürmtem, kohlrabenschwarzem Haar war in schlichtes Schneeweiß gekleidet.

Jetzt hatte auch Nardia die Gruppe erspäht. 'Diese Farben!' dachte sie schaudernd. Die Lady in Weiß schien so etwas wie eine Anführerin zu sein.

"Ich bin Vandrea dire-Eldrua", stellte sie sich mit wohlklingender Altstimme vor. "Mein Begehr ist es, den Sprecher von Naravina zu sehen."

Duc Yngwayn trat vor und verneigte sich stilvoll.

"Ich bin Duc Yngwayn von Süd-Ayryana, ausgesandt vom naravinischen Adelskonzil, um die Unterredungen zu führen. Ihr mögt Euch hier wie zu Hause fühlen; was immer Ihr begehrt, wird Euch gereicht."

"Ich danke Euch, Duc Yngwayn von Süd-Ayryana." Auch die eleandrische Sprecherin verneigte sich höflich.

Das würde sich mit Sicherheit noch eine Weile hinziehen, dachte Nardia, Solche Verhandlungen waren doch immer sterbenslangweilig.

Yngwayn und Vandrea stellten sich gegenseitig nacheinander ihren ganzen Stab vor, ehe sie beschlossen, sich in einen separaten Konferenzraum zurückzuziehen, in dem ebenfalls ein kleines Buffet errichtet worden war.

'Und was nun?' fragte sich Nardia. Seufz, wie lange dauerte diese Party eigentlich noch?

* * *

Coryn hing immer noch am Buffet herum. Die Party war ja wohl das langweiligste, was er bisher in seinem ganzen Leben erlebt hatte. Seufz, warum hatte er bloß zugesagt?

Inzwischen war er allein im Raum. Naja, auch egal, hauptsache, es gab genug zu essen. Plötzlich sprach ihn jemand an.

"Habt Ihr dies schon probiert?" frage ihn ein Naravino, den er nie zuvor gesehen hatte.

"Nein. Was ist das?" wollte Coryn wissen.

"Ein Fruchtsaft." Der Typ hielt Coryn das Glas mit der orangeroten Flüssigkeit entgegen.

"Danke." Coryn trank ein wenig davon. Naja, sein Geschmack war das nicht, aber er wollte den Mann nicht beleidigen, also fand er das Zeug 'ganz toll' und leerte auch noch den Rest.

Der Naravino nickte nur und verschwand so unauffällig, wie er gekommen war.

* * *

Alycia hatte sich gerade ein weiteres Mal dazu durchgerungen, Cayvyn auf das Parkett zu schleifen, als eine ältere Naravina hysterisch kreischend in den Ballsaal stürmte.

"Er ist tot! Mein Gemahl ist tot!"

Nardia sah sie irritiert an. Ein Mord? Oder war er einfach so gestorben? Selbstverständlich plagte sie die Neugier, aber bedauerlicherweise war sie nicht als Jana Star hier, also mußte sie eben abwarten.

Völlig unerwartet stürmte Sir Cayvyn voran.

"Werte Lady, zeigt mir, wo es geschah!"

Die Naravina war viel zu geschockt, um ihn zu fragen, wer er denn sei, sondern ging eilig mit ihm dorthin zurück, von wo sie gekommen war. Alycia wetzte gleichfalls hinterher. Alan wiederum folgte Acy, allerdings langsamer. Er wollte wissen, was dort geschehen war. Nad fand es gemein, sie einfach alleine zu lassen und schmollte, denn um ihnen hinterherlaufen zu können, hätte sie es sich eher überlegen sollen. Eigentlich war es ungerecht, fand sie, schließlich war sie die einzige, die wirklich Erfahrung mit Kriminalfällen hatte, und sie mußte hier herumsitzen.

Die Naravina deutete stumm auf den Mann, der verkrümmt am Boden lag. Er mußte bestimmt an die zweihundert Jahre alt gewesen sein, denn sein Haar wies keine Spur des typischen Metallglanzes mehr auf, sondern war nur noch einfach schwarz.

"Habt Ihr gesehen, wie er starb?" wollte Cayvyn wissen, denn bei so hohem Alter konnte er genausogut ein natürlicher Tod gewesen sein.

Alycia wäre beinahe an der Kabine vorbeigerannt, nur das tränenerstickte:

"Er trank ein Glas Wein, wand sich in Krämpfen und war plötzlich tot!"

ließ sie abstoppen. Sie spähte in das Quartier, wo Cayvyn versuchte, beruhigend auf die alte Frau einzureden. Kurz nach ihr tauchte Alan auf.

"Was ist passiert?" fragte er Acy.

"Ich tippe entweder auf einen Herzinfarkt oder vergifteten Wein."

Alan sah sich neugierig um. Er nahm das Glas auf, aus dem der Naravino kurz vor seinem Tod getrunken hatte und betrachtete es nachdenklich. Alycia holte ein Taschentuch aus ihrem Kleid und wischte ein paar Tropfen des Weins damit auf.

"Entschuldigt mich kurz", sagte sie und düste aus dem Zimmer. Auf dem Gang sah sie sich rasch um (er war leer) und sprang dann auf die Starfire, wo sie das Taschentuch in einem Stasis-Behälter deponierte. Direkt danach rief sie per Fernsteuerung die Lightning herbei. In deren Labor könnte sie den Wein dann untersuchen. Anschließend sprang sie nach Isakavar-1019 zurück.

Alan stellte das Glas auf den Tisch zurück. So konnte er nichts verdächtiges feststellen.

"Hi, da bin ich wieder", sagte Alycia, und Cayvyn flüsterte sie zu, daß sie die Lightning herbeigerufen hatte.

"Ich fürchte, ich kann vorerst auch nichts weiter tun", erklärte Sir Cayvyn. "Ich werde die Stationspolizei verständigen."

"Was? Ihr seid nicht von der Polizei?" fragte die Naravina geschockt.

"Mitnichten. Gestattet - Sir Cayvyn von Süd-Ayryana, freiberuflicher Detektiv!"

Alan warf seinem Bruder einen eigentümlichen Blick zu. Naja, er hatte es ihnen ja schon angekündigt gehabt, und nun schien er seinen Entschluß in die Tat umsetzen zu wollen.

"Ah, dann bin ich ja beruhigt", meinte die Frau. "Ich bin übrigens Lady Ylsande von Fayn-Eldryn."

"Sehr angenehm, Lady Ylsande, auch wenn wir uns unter solch tragischen Umständen begegnen mußten. - Noch ein, zwei Fragen, falls Ihr gestattet, ehe die Bordpolizei eintrifft: Hatte Euer Gemahl Feinde?"

"Nein?"

"Neider?"

"Auch nicht."

"Söhne, die sich um das Erbe streiten könnten?"

"Gleichfalls nicht."

"Hm. Dies ist wahrlich ein schwerwiegender Fall."

Alan betrachtete Cayvyn fasziniert. Ihm schien das Detektivspielen tatsächlich Spaß zu machen.

Kurz darauf erschien ein Tarishaaner in mittlerem Alter.

"Ich bin Lieutenant Robert Sullivan von der Bordpolizei. - Was ist geschehen? Wer sind Sie alle hier?"

"Es ist eine frevelhafte Tat geschehen, unzweifelhaft ein Mord! Die Dame dort ist die trauernde Witwe, ich bin Sir Cayvyn, meines Zeichens freiberuflicher Detektiv, und jene holde Dame ist meine liebreizende Gefährtin und Assistentin." Alycia sah ihn irritiert an.

"Ich bin Sir Alayn", meinte Alan. Gründe für sein Hiersein gab er nicht an. Lt. Sullivan begann sogleich mit der Spurensicherung, indem er zunächst alles filmte und anschließend das verdächtige Glas einkasssierte.

"Sie kommen am besten allesamt mit in mein Büro!"

'Auch das noch', dachte Alan. Aber wenn er sich weigerte, war das nur verdächtig. Er nickte also zustimmend.

Die versammelte Mannschaft trabte hinter Sullivan her, und Cayvyn durchsuchte seine Aufzeichnungen schon einmal präventiv nach verdächtigen Spuren.

Willst du dich nun ernsthaft als Detektiv betätigen? fragte Alan Cayvyn per Funk.

Aber natürlich! Jeder hier hat einen Job - nur ich bin lediglich Sir Cayvyn, Alycia Blades Lebensgefährte. Das wird mir langsam zu dumm!

Das habe ich mich schon länger gefragt.

Was?

Wann es dir zu langweilig wird.

Hm. Das hat nicht so sehr etwas mit Langeweile zu tun als mit der Tatsache, daß mein Ruf sonst total ruiniert ist.

Alan lachte leise.

Ich glaube nicht, daß du da noch etwas ruinieren kannst.

Wie bitte?

Ich meine genau das, was ich gesagt habe, erklärte Alan grinsend.

Wie ist es denn um meinen Ruf bestellt? fragte Cayvyn tragisch.

Das müßtest du doch wissen.

Ich?

Wer denn sonst?

Normalerweise wissen immer nur alle anderen Bescheid, nur man selber nicht.

Alan lachte amüsiert.

Nun? wollte Cay wissen.

Was nun? Willst du wirklich wissen, wie dein Ruf ist?

Genau das!

Wie soll er schon sein? Du hast einen sehr guten Ruf. Manchmal habe ich das Gefühl, er ist zu gut, denn du wirst für ziemlich langweilig gehalten.

Bin ich das? Cayvyn sah Alan mit großen Augen an.

Aber sicher.

Seufz. Aber sonst habe ich wirklich einen guten Ruf?

Ich finde, du tust zuviel.

Inwiefern 'zuviel'?

Du bist zu brav.

Hm. Aber was kann ich denn tun, um das ein wenig zu ändern?

Unartig sein, schlug Alan vor.

Wie?

Du läßt dich auch immer von mir aufziehen, meinte Alan amüsiert.

Seufz.

Tse! - Ich glaube, wir sind da. Sie hatten das Büro der Stationspolizei erreicht und mußten dort allesamt ihre Personalien angeben. Danach wurden sie noch einmal genaustens befragt, was sie im Quartier des verblichenen Sir Ewayn gesucht hatten.

Alan gab an, daß er Lady Alycia gefolgt sei.

"Weshalb dieses?" erkundigte sich Sir Cayvyn mißtrauisch und nahm Acy erst einmal wieder in die Arme.

"Ich nahm an, daß sie zu Euch wollte", erklärte Alan.

"Aha." Halbwegs beruhigt, ließ Cay seine Gefährtin wieder los. Alycia sah ihn lediglich kopfschüttelnd an.

"Mylord Cayvyn, wann begreift Ihr endlich, daß ich nur zu Euch gehöre", seufzte sie.

Der Chef der Stationspolizei betrachtete die Gruppe äußerst irritiert.

Alan schwieg lieber, denn Cayvyn jetzt zu ärgern, wäre überaus unpassend, und es würde die Polizisten nur noch mehr aufmerksam machen.

"Wir sollten uns besser dem Fall zuwenden", sagte Alycia rasch. "entschuldigt, aber meinen herzallerliebsten Gefährten plagt ein wenig die Eifersucht."

Alan sah betont in eine andere Richtung. Was die nun von ihm dachten? Seufz.

"Was den Toten betrifft, so scheint er keine Feinde oder Neider gehabt zu haben", verkündete Cayvyn. "Kurzum, ich tappe noch im Dunkeln. Kein Verdächtiger, keine Spur... Es ist ein wahres Rätsel, das der Auflösung harrt."

Alan seufzte innerlich. Er wollte endlich gehen.

Der Polizist indes wollte diesen Möchtegern-Detektiv auch nur zu gerne loswerden, und so komplimentierte er Cayvyn alsbaldigst hinaus.

Alan trottete wie gehabt hinter Acy her und Cayvyn her. Er war gespannt, was dieser nun vorhatte, denn er würde die SAche mit Sicherheit nicht auf sich beruhen lassen.

"Cay, was hast du vor?" wollte auch Alycia wissen.

"Dank der Tatsache, daß du unser fliegendes Labor herbeigerufen hast, werden wir in wenigen Stunden den Fall einer eingehenden Untersuchung unterziehen können. Bis dahin bleibt uns wenig anderes als abzuwarten. - Was macht wohl Lady Nardia zur Zeit?"

"Nachsehen", schlug Acy vor.

Nad war immer noch im Ballsaal. Wohin sollte sie auch sonst gehen? Sie wartete ungeduldig auf die Rückkehr von Acy und Cayvyn.

Endlich stürmten diese wieder in den Saal.

"Was war denn nun los?" wollte Nardia wissen, nachdem sie mit ihnen zusammengetroffen war.

"Offenbar ein Mord, ein wahrlich unziemlicher", verkündete Sir Cayvyn. "Kein Motiv, kein Verdächtiger - nur Rätsel über Rätsel."

"Hm", machte Nad nachdenklich.

"Der Stationspolizist Lt. Sullivan gedenkt, das Problem in die Hand zu nehmen - doch mit Verlaub, ich glaube nicht, daß er über den nötigen Witz verfügt."

"So?" fragte Nardia. "und wer hat ihn dann?"

"Was fragt Ihr? Meine bescheidene Wenigkeit natürlich."

Nad sah Cay ausgesprochen zweifelnd an.

"Aha."

"Ich sehe schon - Ihr glaubt es nicht! Aber ich werde es Euch beweisen. Gemeinsam mit meiner liebreizenden Gefährtin und Assistentin hier werde ich den Fall wohl zu lösen wissen!" Acy schnitt hinter seinem Rücken eine Grimasse und bedeutete den anderen, daß sie nichts, aber auch gar nichts damit zu tun hatte. Nardia grinste Cay an.

"wir werden es ja sehen."

"Wahrlich, das werden wir!" erklärte er, und Alycia seufzte schwer.

"Was machen wir nun?" wollte Nad wissen.

"Ich schlage vor, wir warten, bis die Lightning eintrifft. Vorher können wir die Angelegenheit ohnehin nicht in Angriff nehmen", bemerkte Acy.

"Seufz." Nardia fand das gar nicht toll. Sie haßte es zu warten, vor allem, wenn sie an einem dermaßen langweiligen Ort war.

"Hast du einen besseren Vorschlag?"

"Habe ich was dagegen gesagt?"

"Nur geguckt."

"Ist das verboten?"

"Es kommt immer auf das Wie an."

"Hm", machte Nad. Es kam wirklich darauf an.

"Alo?"

"Also was?" fragte Nardia irritiert.

"Was machen wir?"

"Eh, ich habe zuerst gefragt!"

"Ich weiß, was ich machen kann. Wenn du nicht alleine herumhängen willst, mußt du schon einen Vorschlag machen."

"Püh, mach doch, was du willst!"

"Aye aye." Acy warf ihrem Gefährten einen auffordernden Blick zu. "Na, dann bis morgen früh", meinte sie zu ihrer Schwester. Nardia sagte dazu nichts. Sie brauchte keine Gesellschaft.

Alycia und Cayvyn düsten in ihr Gästequartier, das ihnen zu Beginn zugeteilt worden war und beschäftigten sich ausgiebig miteinander, um die Zeit bis zur Ankunft der Lightning I herumzubringen. Außerdem versuchte Cay, all das zu analysieren, was ihm in Sir Ewayns Quartier aufgefallen war. Leider gab es keinerlei Anhaltspunkte.

Alan war unmittelbar nach ihnen gegangen, da er natürlich nicht bei Nardia bleiben wollte. Er suchte ebenfalls seine Räume auf.

Nad hatte keine Lust, sich in ihrem Zimmer zu langweilen, also sammelte sie Coryn auf und spielte mit ihm die halbe Nacht Karten. Da er ein absolut schlechter Spieler war, machte ihr das natürlich Spaß.

- TO BE CONTINUED -

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Last modified: 13.04.2002

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