Christian Jacob Wagenseil



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Mustapha und Zeangir


Ein
Trauerspiel
in vier Aufzügen


Neubearbeitet.

Augsburg und Leipzig bei August Bäumer, 1824.


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Vorwort


Das Sujet des gegenwärtigen Trauerspiels hat vor vielen Jahren schon der sel. Kreissteuereinnehmer Weiße zu Leipzig
bearbeitet, und das Stück: "Mustapha und Zeangir", steht im 2ten Bande seines Beytrages zum deutschen Theater, 8. Leipzig 1767.
Es ist nicht seine beste theatralische Arbeit, denn die Handlung ist zu sehr gedehnt, der langen und - langweiligen Reden sind
zu viele, manche Scene ist überflüssig, weil sie nur die Handlung aufhält. Dennoch ist das Ganze nicht uninteressant, und
manche situation wohl angelegt, daher ich glaube, daß eine neue Bearbeitung für das deutsche Theater um so weniger
unangenehm seyn sollte, als eben jetzt der türkische Hof ein Gegenstand vielfältiger Unterhaltung ist.


Der neue Verfasser hat das Ganze in vier Akte zusammengedrängt, statt daß es vormals aus fünfen bestand, hat die Scenen zwischen
Mustapha, Fatime und Zopyr ganz weggelassen, weil sie auf die Haupthandlung keinen wesentlichen Einfluß haben, und nur das
Stück unnöthig verlängern würden, hat - so viel er glaubt - die Charaktere der handelnden Personen bestimmter gehalten,
besonders Rustans Benehmen gegen Mustapha, und seine Beweggründe, so zu handeln, in besseres Licht gesetzt; - hat sich bemüht,
die Sprache wärmer zu machen,

<-1>

die langen moralischen Predigten verabschiedet, und gleichsam ein ganz neues Stück hergestellt, so daß
vom alten, außer der Haupthandlung, wenig mehr übrig geblieben ist, und der Dialog des ältern Dichters nur als Leitfaden angesehen werden kann.
Daß das neue Stück in reimfreyen Jamben, und nicht, wie das alte, in gereimten Alexandrinern bearbeitet worden ist, wird wohl am allerwenigsten
entschuldigt zu werden bedürfen.


Daß Theater hätte zwar, nach dem Gesetz der drey Einheiten, nicht verändert werden sollen und auch unverändert bleiben können,
weil aber - dem Aristoteles zu Trotz - die wenigsten Zuschauer damit zufrieden sind, wenn das Auge einen ganzen Abend
durch immer nur einerley sieht, so hat sich der Verfasser veranlaßt gefunden, den dritten Akt in den Garten des Serails vergeben zu lassen.


Augsburg, im Oktober 1825


Der Verleger.

<2>


Erster Aufzug: 1. Auftritt, 2. Auftritt, 3. Auftritt, 4. Auftritt, 5. Auftritt.

Zweyter Aufzug: 1. Auftritt, 2. Auftritt, 3. Auftritt, 4. Auftritt, 5. Auftritt, 6. Auftritt.

Dritter Aufzug: 1. Auftritt, 2. Auftritt, 3. Auftritt, 4. Auftritt, 5. Auftritt, 6. Auftritt, 7. Auftritt, 8. Auftritt.

Vierter Aufzug: 1. Auftritt, 2. Auftritt, 3. Auftritt, 4. Auftritt, 5. Auftritt, 6. Auftritt, 7. Auftritt.


Personen.



SULTAN SOLYMANN, türkischer Kaiser.

MUSTAPHA, dessen ältester Sohn und Thronerbe.

ZEANGIR, Mustapha's Stiefbruder, ein noch junger Prinz.

RUSTAN, Minister.

ROXANE, Gemahlin des Sultans und Mutter Zeangirs.

ACHMET, Mustaphas Vertrauter.

IANITSCHAREN. Stumme.


Der Inhalt ist aus THUANS "Geschichte seiner Zeit" und BUSBECKS "türkischen Briefen" genommen.


Die Handlung geht im ersten, zweyten und vierten Akt in einen Saal, im dritten aber in den Garten des Serails vor.


<3>



Erster Aufzug.


(Scene, Säulen=Saal im Serail.)



Erster Auftritt.


Roxane und Rustan.



RUSTAN.

Das Spiel geht bald zu Ende! - Mustapha

Ist schon in diesen Mauern, - seinem Fall

Ganz nahe. - Sieh', es jauchzt laut

Das Volk entgegen ihm. Der Spahi schwang

Sich rasch auf's Pferd, - der Ianitschar ergrief

Die hell polirte Lanze, um den Einzug

Des Heißgeliebten zu verherrlichen.

Ich selber schien in Wonn' an diesem Tag,

Ermuntere so laut das Volk, ihm Palmen

Auf seinen Weg zu streu'n, dem Sieggekrönten;

Der Sultan will es, rief ich, - und ich rief

Mit jedem Ton Verderben auf das Haupt

des Kommenden.



ROXANE.

Ich danke dir, mein Freund!



RUSTAN.

Du Fürstin, laß indeß ein Freudenfest

Bereiten im Pallaste, - laß das Volk

In seinem Taumel glauben, Mustapha
Sey ausgesöhnt mit Solymann. Musik
Und Tanz, und was nur Schwelgerey
<4>
Erfand, das mangle nicht. - Schon freuet sich
Der Jungfrau'n Chor des Festes, ziert das Haar
Mit frischen Blumen; - auf des Jünglings Haupt
Glänzt herrlicher der Turban. All' der Glanz, -
Das schwör ich der bei Mahomet - er wird
In's Herz des Sultans Feuerbrände werfen.
Des Volkes Liebe zu dem Prinzen wird
Das Körnchen Argwohn, das ich ausgesäet,
Zum hohen Halme treiben.

ROXANE.
O wie dank'
Ich diese Sorgfalt dir? Stünd' es in meiner Macht
Mit eines Reiches Krone dir zu lohnen,
Wie gern, wie freudig wollt' ich mit ihr schmücken
Dein würdig Haupt. Doch Liebe ist ja mehr,
Als Kronen, - sie belohne dich! - Es wird
Die Tochter gern der dankbarn Mutter Schuld
Bezahlen, und wenn dann in ihrem Arm
Du, Rustan, ruhst, - an ihrer vollen Brust
Du in der Fülle des Entzückens schwelgst,
Wenn dich ihr heisser Kuß zum Halbgott macht,
Dann, hoff' ich, Freund! dann rufst du trunken aus:
Ich bin belohnt - belohnt!

RUSTAN.
O kaiserin,
Laß meinen Dank dir kniend stammeln! Laß
Mein volles Herz dir sagen, daß ich ganz
Dein Sklave sey, dem du ein Paradieß
Von Freuden öffnest. - Jan, dein Wille sey
Mir statt Gesetzes, dir geweiht mein Leben,
Und eher breche mir der Tod das Herz,
Als daß nur einer deiner Wünsche nicht
Erfüllet werde.

<5>
ROXANE.
Freudn, ich traue dir,
Und so sey kein Geheimniß unter uns.
Mein höchster Wunsch, der jeden andern kühn
In sich verschlingt, der Tag und Nacht mich jagt,
Gleich Furien, ist: Daß des Reiches Kron'
Einst des Zeangirs Haupt beschatte. - Aber
Du weißt, was ihm entgegen steht, der ält're
Sohn Solymanns ist Erbe dieses Thrones,
Und sinkt er vor dem Vater nicht zu Grabe,
So - -

RUSTAN.
Ruhig, Fürstin, denn du hast bereits
Das Loos des Todes über ihn geworfen.
Es sterbe Mustapha, weil du es willst.
Laß mich nur machen! - Sieh, hier ist mein Plan,
Der Ausgang kann nicht fehlen.

ROXANE
Sprich, mein Freund!

RUSTAN.
Du kennst den Sultan, Eifersucht und Neid,
Argwohn und Mißtrau'n herrschen unbedingt
In seinem Herzen. Wie ein Schiff, vom Sturm
Geworfen her und hin, so werden sie
Dieß Herz bald der, bald jener Seite zu.
Unfähig, zu erkennen, Großes, Edles
Und Schönes, haßt der alte Wollustknecht
Den Mann, dem eine große That gelang.
Drum ist er auch des eig'nen Sohnes Feind,
Weil dessen Tugend alles Volk entzückt.
wer diese Tugend ehrt, dem ist der Sultan
Im Voraus gram. er fürchtet, er verliere
An Ansehn, an Gewalt. Das Gegentheil
<6>
Ist Mustapha, der schätzt das Gute, wo
Er's findet, und noch mehr, er übt
Es selber gerne. Fürstin, es muß
Selbst Rustan in das Lob der Menge stimmen.

ROXANE.
Auch ich mißkenne seine Größe nicht.
Stünd' er nicht meinem Sohn im Wege, - o!
Vor Tausenden gönnt' ich die Krone ihm,
Und säh' es ohne Neid, daß Asien
Sein Zepter küßte. - Aber Rustan, so
Ist freilich nur sein Grab die Stufe, die
Zeangirn auf den Thron des Vaters führt.

RUSTAN.
Und soll es seyn.

ROXANE
Doch sage mir, warum
Riefst du so unerwartet ihn zurück?
Ich fürchte - -

RUSTAN.
Fürchte nichts, denn fallen kann
Er hier nur, nirgend anders. - Solymann,
Durch Argwohn blind, erfüllt von Eifersucht,
sieht seine Thaten als Verbrechen an,
Die mit des Vaters Tod, mit Meuterey
Und Aufruhr enden sollen. - Meynest du,
Er wisse nicht, wie warm an Mustapha
Das ganze Heer, wie in Begeisterung hängt,
Und wie es ihm zum Kampf, zum Sturm, Zum Tod
So willig folgte, und das heisse Blut,
Wenn Er nur Führer war, so gern verspritzte?
Wird nicht der Sultan wähnen, daß es nur
Ein Wort des Hochgefeyerten bedürf',
<7>
Sich auf den Thron zu schwingen und den Vater,
den Vater in den Staub zu werfen? - O!
Dieß glaubt er ohne Schwierigkeit; - und das
Ist mein Werk. - Dir zu dienen, Fürstin blies
Ich diese Flamme an. Der Sultan meynt,
Der Aufruhr schwing die glüh'nde Fackel schon,
In wilder Faust, und blanke Schwerder drohn
Verderben ihm, unfehlbarn Untergang,
Und schnell befiehlt er, Mustapha, der kühn,
Der Perser tapfers Heer besiegte, soll
Zurück, soll hier Verbrechen büßen, die
Er - nicht begangen hat. - Der Prinz erscheint,
Und Jubel tönt in allen Gassen - Ha!
Ein Eumeniden-Heer, das Solymann
Mit glüh'nder Geißel petscht', wär' schrecklicher,
Als dieser Jubel nicht. G'nug, er ist da,
Wird meine Plane nicht zerstören, denn
Der Unbefangene glaubt, das süße Weib,
Das mit Kind ich in den Kerker warf,
Sey nur durch seine Gegenwart zu retten.
Ich ließ ihn's gerne glauben, und so gieng
Er in die Falle. Angst und scheue Furcht
Trieb seinen Flug, zu retten, was ihm mehr
Ist, als sein eignes Leben.

ROXANE.
Aber wenn
Des Sohnes milder Blick des Vaters Herz
Zum Mitleid stimmet?

RUSTAN.
Dafür ist gesorgt.
Der Sultan glüht schon wie ein Eisen, das
Aus heisser Esse reißt des Schmiedes Arm.
Kaum wagt' ich es zum Scheine, für den Prinzen
Ein Wörtchen der Entschuldigung zu sprechen,
<8>
So ward er wütend, - wie ein Wetterstrahl
Des Auges Blick. - Was meinst du, wie es hier
(auf's Herz deutend)
Erst toben mag, wenn er den ungestümmen
Volksjubel hört? - wie ihm die Freudenfeste,
Zu Ehren dessen, dem den Tod er wünscht,
Gefallen mögen? -

ROXANE.
Ha! - gut ausgedacht!
Du bist mein Mann, du führst es sicher aus.
Heut soll soch noch der Mond im Blute röthen,
Der Prinz muß sterben, oder selber tödten.

RUSTAN.
Er sterbe!

ROXANE.
Still, - wer naht sich? - Wessen ist
der leise Tritt? - Zeangirs? - Noch weiß er
Nicht, was der Mutter Huld für ihn gespart,
Ha - nichts geringeres, als einen Thron.
Zwar fürcht' ich seine Zweifel, - doch bis jetzt
War nur Gehorsam sein Bestreben. - Laß
Indeß ihn prüfen, offen scheint sein Herz,
Doch könnt' es ja verborgne Tiefen haben.

Zweyter Auftritt.



Vorige. Zeangir.

ROXANE.
Was bringst du Prinz?

ZEANGIR. (Sehr freudig.)
O freuet euch mit mir!
Er kommt - er kommt, - nein! - Gott, er ist schon da
Vielleicht!

<9>
ROXANE.
Wer kommt? - wer ist vielleicht schon da?

ZEANGIR.
Mein Bruder Mustapha.

ROXANE.
Dein Bruder? - Wie? -
Du wagst es, Bruder ihn zu nennen?

ZEANGIR.
Nun,
Warum denn nicht? - Ist denn der Sultan nicht
Sein Vater, wie der meine? - Spräch' auch nicht
So laut und so vornehmlich die Natur
In meiner Brust, ich liebt' ihn wahrlich doch,
So sehr man lieben kann. - Hat er denn nicht
Mich immer auch geliebt? - Ich war ein Kind,
Und freundlich trug er mich auf seinem Arm,
An seinem Busen lag ich hundertmal.
Von ihm in Schlag gesungen, nickt ich ein,
Und wacht' ich auf, so hatt' er schon ein Pferd,
Ein Vögelchen, ein schön Gemälde, oder
Etwas das mich gefreut, so hingestellt,
Daß ich es sah, sobald die Augen ich
vom Schlummer helle rieb. - Wie oft hat er
Für mich gebeten, wenn ein bubenstreich
Von mir verübt war, und der Vater dann
Zu zürnen drohte. - O gewiß, er war
Ein guter Mensch! Und als den Kinderschuh'n
Ich erst entwuchs, da fühlt' ich immer mehr,
Was Mustapha mir sey. Ich werd' es nie
Vergessen, wie das brüderliche Herz
Er mir so oft, so rein entfaltete,
Vergessen nie, wie einst im Cedernwald
Er mir sein Leiden klagte, als ihn Neid
<10>
Und Argwohn aus dem Haus des Vaters trieb.
Noch brennt die Thrän' auf meiner Wange, die
Dem Aug' entfiel, als er sein "Lebewohl" -
Sein letztes, stammelte, an's bange Herz
Mich brünstig drückte, und mit Küssen fast
Erstickte. - Nein! nein, das vergeß' ich nie.
Und ich, ich sollte mich nicht freuen, daß
Er wieder kommt in meinen Arm? - Fürwahr,
Unwürdig wär' ich eines solchen Bruders.

ROXANE.
Sohn, ich bewundre deine Zärtlichkeit,
Und freu' mich ihrer. Hüte dich jedoch,
Dem äußerlichen Schein zu trauen. - O!
Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen.
So mancher drückt, indem er küßt, den Dolch
In Freundes Herz; der Höfling weint nicht selten,
Indeß er heimlich lacht. Wer kann es wissen,
Ob Mustapha noch sey, was einst er war?

ZEANGIR.
Gewiß, gewiß! Wenn Er betrügen kann,
So ist die Welt nichts, als ein Haus voll Schelmen.
Mir würde eckeln, drinn zu seyn, und gerne
Mied' ich ein Labyrinth, wo edle Seelen
Verbotne Waare wären. - Nein, es ist
Unmöglich - rein unmöglich.

ROXANE.
Sohn, dir fehlt
Erfahrung noch, du kannst nicht glauben, daß
Die Bösen wirklich böse sind; und mögst
Du die Erfahrung niemals machen! - Hast
Du aber auch die alte Sage nie
Gehört, daß jeder Mustapha den Weg
Zum Thron mit Bruderblut bezeichnete?
<11>
Wie? wenn dir Solymann den Zepter lieber
Als ihm vergönnte, oder wenn auch ich
Für deine Hand ihn zu erhalten strebte,
Was meynst du, würde wohl dein Schicksal
Dann seyn?

ZEANGIR.
Und wenn von Anbeginn der Welt
Des Brudern Blut auch jeder Mustapha
Vergossen hätte, Mutter, glaube mir,
Der meine thät' es nicht. - Meynst du nicht auch
So, Rustan?

RUSTAN.
Ja, ich glaub' es ganz gewiß.
Nur Bosheit könnt' ihn eines Frevels zeihen.

ZEANGIR.
An diese Blume wagt ein Wurm sich schwerlich.

RUSTAN.
Doch, mein Prinz, er wagt's nicht nur, er nagt
Bereits an ihr.

ZEANGIR.
Wer wagt's? wer will ihm schaden?
Er trete auf, mein Säbel, wahrlich, soll
Ihm bittre Antwort geben.

ROXANE.
Sieh, wie hitzig!
So sey ihr Jünglinge, gleich oben aus.
Wer eure Puppe schilt, greift euch an's Herz.
Statt mit Vernunft zu wägen, zu erkunden,
Was wahr und nicht wahr, braußt ihr wüthend auf,
Und schnell ist dann der Säbel aus der Scheide.
Doch wie? wenn dieser Mustapha, dem du
So unbedingt dich überlässest, doch
Ein Frevler wäre? Schändlicher Verrath
<12>
Er dennoch brütete? - und wenn das Heer
Nur seinem Winke noch entgegen sah,
Das Schwert dem Vater in die Brust zu stoßen?
Wenn deine Mutter es dir selbst verbürgt,
Das schreckliche Gerücht, das wie die Pest
Aus dunkler Ferne kam, sey wahr; - was sagst
Du dann, Zeangir?

ZEANGIR.
Dann verwandelt sich
Der Mond in Blut, der Sonne goldnes Licht
In schwarze Nacht; der Tieger herzt das Lamm,
Und, Mutter, du drückst mir den Dolch ins Herz.
Dann ist er meines Vaters Sohn nicht, Bruder nicht
Zeangirs, dann log der Prophet, es ist
Kein Gott, kein Paradieß und keine Hölle.

ROXANE.
Wie rasch nun wieder? - Soll sich denn die Welt
Verwandeln, weil du dich getäuschet, Prinz,
Und fortfährst, dich zu täuschen? weil dein Herz
So sehr dich trog? - Nein, seine Liebe war
Ein Scherz, ein Possenspiel, - mir fürchterlich.
Ich sah ihn mit ganz andern Augen an,
Als du. Nicht Vorurtheil betrog mich, und
Nicht blauer Dunst.

ZEANGIR.
Es ist nicht möglich! Nein!
Sprich, es sey falsch. er hat sich nicht empört.
Nicht wahr, du wolltest mich nur prüfen, ob
Ich solche Fabeln glauben würde?

ROXANE.
Hüte dich,
Daß du die Wahrheit nicht zu späte glaubest.
Sag, warum kam er nicht, als man ihn rief?

<13>
ZEANGIR.
So? that er das? Vielleicht nicht ohne Gründe.
Vielleicht sah er von ferne schon das Netz,
ihn zu umgarnen und der Bosheit Spiel
War ihm nicht unbekannt.

RUSTAN.
Vielleicht hat ihn
Die Ahnung von des Sultans Zorn geschreckt,
Denn das Bewußtsein, rein und unverdient
Zu leiden, hebt nicht jedem Sterblichen
Die Brust.

ZEANGIR.
Ich danke dir, daß du so mild
Den Bruder richtest, seine Unschuld glaubst.

ROXANE.
Du setzst sie voraus, doch wer verbürgt,
O Prinz, die seine Unschuld?

ZEANGIR.
Er! - Sein Herz!

ROXANE.
Sein Herz, ja, das die Herrschbegierde schwellt,
Das nichts so heftig wünschtet, als den Thron
Bald zu besteigen, wünscht des Vaters Tod,
Der's ihm zu lange macht. O freylich mag
Ein Thron werth eines Aufruhrs seyn, und nie
Empöret sich ein kleiner Geist. Es ist
Kein Spaß, die Zügel führen, wenn mit Wuth
Der Sturmwind tobt und Bäume rings entwurzelt.
Ein schwacher Kopf, wie du, bleibt fein zu Haus.
Was kümmert ihn ein Thron, so lang' es noch
Sorbet und Datteln giebt, und im Serail
Die schönsten Dirnen ihm zu Diensten stehen.

<14>
ZEANGIR.
Dank dem Propheten, daß der Weg zum Thron
Für mich verschlossen ist!

ROXANE.
Und wer verschloß
Ihn dir? - Ein Nebenprinz? - So einen wirft man
In eine Ecke, langen Schlaf zu schlafen.
Es gilt ja mehr nicht, als das Leben eines -
Nur eines Menschen, und welch eine Lücke
Macht wohl Ein Mensch im großen Weltgebäude!

ZEANGIR.
Was hör ich, Mutter! Mord willst du beginnen?
Verflucht, verflucht sey jeglicher Gedanke
An solch Verbrechen, - und verflucht sey jeder,
Der auf dem Grab des besten Bruders, mir
Ein nie gesuchtes Glücke pflanzen will!

ROXANE.
Schweig! - Du verdienst nicht, daß so hoch die Mutter
Dich heben wollte! Sieh', du junger Thor!
Und bleib ein Sklav, wenn du nicht herrschen willst.
Kriech' an dem Thron des theuren Mustapha,
Und laß den Fuß dir auf den Nacken setzen.

RUSTAN. (der den Solymann kommen sieht)
Stille, still! - der Sultan.

ZEANGIR. (zu Roxanen)
O verzeihe! (will gehen)

ROXANE.
Bleib!

ZEANGIR.
Gott, welch ein Gewitter thürmet sich
Ob meinem Haupt!

<15>

Dritter Auftritt.



Vorige.Solymann. ( Ihm voraus treten Ianitscharen und
andere Wachen mit bloßen Schwerdern. RUSTAN winkt ihnen, abzugehen. Der Sultan
sieht sich argwöhnisch nach allen Seiten um und spricht dann nach einer kurzen Pause)

SOLYMANN.
Habt ihrs gehört? - gehört
Das lärmende Geschrey des tollen Volkes?

RUSTAN.
Das ausgelaßne kennt nicht Mäßigung.
Verzeih ihm, Herr! Es ist im Freudetaumel,
Die Ankunft Mustaphas - -

SOLYMANN (schnell einfallend.).
Hat ihm den Kopf
Verrückt, meynst du? - Ich will zurecht ihn setzen,
Es brütet schrecklicher Verdacht der Bube,
Doch es soll enden. - Noch ist lang er nicht
Am Ziel, zu dem er vatermörderisch strebt.
Ich will ihn beugen, diesen Knaben, der
Sich eine Eiche dünkt; ich will ihn fällen
Den stolzen Baum, mit meiner starken Faust. -
Doch nein, die ausgesucht'sten Todesqualen
sind ihm beschieden, - Henkersknechte sollen
Die schwarze Seel aus seinem Körper peitschen,
Zerstieben soll der schändliche Entwurf
Wie Spreu im Winde.

ROXANE.
Bist du deß gewiß,
O Sultan? - Kannst du das unmenschliche
Dir denken, Aufruhr durch dne Sohn?

SOLYMANN.
Er ist
Ein Böswicht.

<16>
ZEANGIR.
O mein Bruder!

SOLYMANN.
Hört,
Laßt den Verräther nicht vor mein Gesicht,
Damit ich nicht mit eig'ner Hand ihn würge.
Wie in den Wüsten Lybiens nach Blut
Der Tieger lechzt, so lechz' auch ich. Jedoch
Mein Stahl ist viel zu gut für seine Brust,
Von Sklavenhänden soll er sterben.

(Zeangir steht ganz erschüttert.)

RUSTAN.
Herr,
Gebiete deinem Zorn, es ist ja doch
Dein Sohn.

SOLYMANN.
Was, Sohn? - Sein Vater war ein Bube,
Und eine Hure seine Mutter.

ZEANGIR.
Herr
Der Glaubigen, besinne dich! - Um des
Propheten willen fleh' um Gnad' ich dich!
Wenn noch kein Aufruhr herrscht, wie fest ich glaube,
Wirst seinen Ausbruch du beschleunigen,
Wofern mein Bruder stirbt, denn alles Volk
Hängt warm an ihm, ja, selbst der Ianitschar,
Der ungezähmte, liegt vor ihm in Staub,
Und ehrt in ihm den künft'gen Herrscher schon.

SOLYMANN.
Das eben ists, was unabänderlich
Den Schluß befestigt: er muß sterben; denn
So lang er lebt, ist mir das Daseyn Qual,
Argwohn und Mißtrau'n bittern jeden Tritt,
<17>
In jedem Augenblicke seh ich Tod,
Verstoßung von des Thrones Herrlichkeit,
Auch euern Tod; denn glaubt ihr Armen, daß
Verschont ihr bleibt im allgemeinen Sturm? -
Drum ists beschlossen.

ZEANGIR.
Vater, o verwirf
Mein ängstlich Flehen nicht! - Zu deinen Füßen
(Kniet nieder.)
Sieh mich zerknirscht und laß erbarmen dich
Des Sohnes, den mir gift'gem Geifer die
Verläumdung ausgesprützt. - Er ist gewiß
Unschuldig. (Steht auf.)

SOLYMANN.
Schweig! - Und du, Roxane, kannst
Es sehen, daß dein Sohn verräther schützt,
Und sich und dir gewisse Gruben gräbt?
Gebiet' ihm!

ROXANE (zu Zeangir.)
Zähme noch dein Mitleid, bis
Du einen Gegenstand gewahrst, der's würdiger
Als er ist.

ZEANGIR. (Wischt sich eine Thräne ab.)

SOLYMANN.
Ha! wem gilt sie, diese Thräne?
Nimm, Knabe, dich in Acht! Es trifft der Blitz
Nicht Eichen bloß; das schwache Bäumchen kann
Wohl auch durch ihn zerschmettert werden. - Komm,
Roxane, du begleitest mich, um Rustan,
Du sorgst, daß Mustapha vom Augenblick,
In dem sein Fuß den boden des Pallasts
Betritt, mit keinem Menschen spreche. - Sammle
Schnell eine Schaar Getreuer aus dem Heere,
<18>
Zu harren meines Winks. - des Prinzen Freunde
Laß all' herein, doch keinen mehr hinaus.
die treue Schaar soll sie zusammen hauen,
Daß keiner übrig bleibe, und besondern
Empfehl' ich dir, daß Achmet nicht entrinne,
Den Mustapha mehr, als die anderen, liebt.
So will ich kühn des Aufruhrs Wogen brechen,
Hilf, Hölle, selbst mir diesen Frevel rächen!
(Er geht mit Roxanen ab.)

Vierter Auftritt.



Zeangir. Rustan.

ZEANGIR.
O Gott! was hört' ich? - Ach! - ich bin des Todes! -
Kannst du, o Gott im Himmel, nieder schau'n
Auf deine Erd, und nicht mit Blitzen sie
Zerschmettern? - Kannst du Langmuth üben, wenn
Sich Würmer - o! - so fürchterlich empören?
Wenn Argwohn Kindermord gebietet? - Wenn
Die Freundschaft Frevel heisset, und der Tod
Anhänglichkeit belohnt? - O Gott, o Gott!
Ich duld' es nicht! - Hab ich nicht auch ein Schwerd,
zu rächen solche Schmach? - Verzeih mir's der
Prophet, wenn ich es wage, meinen Arm
Dem Himmel darzuleih'n!

RUSTAN.
Prinz, überlaß
Die Rache dem, der wenn gleich spät, vergibt,
Doch stets vergilt.

ZEANGIR.
Rustan, er schläft, - er will
Mein Schrey'n nicht hören. Soll ich müssig stehen
Und gaffen, wenn der Gute von der Hand
<19>
Der Frevler fällt? - Es ist vorbey! - Des Sultan,
Umgarnt von meiner Mutter Schmeicheley,
Der wilde Herrschsucht tief im Herzen kocht,
Die mich dem Throne weihen will, daß sie
Durch mich regiere - ja, der Sultan kann
Nicht denken, kann nicht handeln frey und frank,
Er ist das Werkzeug fremder Bosheit nur, -
Wie, wenn ichs nochmals wagte, thränend mich
Zu seinen Füßen würf' und ihm enthüllte
Der Mutter bösen Plan? - Was meynst du, Rustan?
Sollt ich wohl hoffen dürfen, meinen Zweck
Zu finden?

RUSTAN.
Prinz, ich wag' es wahrlich nicht,
In dir ein Fünkchen Hoffnung anzublasen. -
Du kennst den Sultan, hast ihn selbst gesehen,
Sein Zorn ist Blitz, der alles, was im Weg
Ihm liegt, zerschmettert. O, wie schnelle kann
dich selbst er treffen! - Fasse dich, und laß
Das Rad des Schicksals rollen, - rollt es doch
Nicht über uns! Was wollen wir unklüglich
In seine Speiche greifen? Und bedenke,
Was du für dich aus einem Sturme rettest,
Den du nun einmal nicht beschwören wirst.
Ein Thron ist keine Kleinigkeit. Es bleibt
Ein Thron, und wenn ihm auch des Brudern Grab
Zum Grundstein diente.

ZEANGIR.
Spotte nicht der Pein,
Die tief mein Herz durchglüht! Nein, eher soll
Der halbe Mond vom Himmel nieder auf
Die Erde stürzen, als daß die Natur
Ich höhne, die mit lauter Stimme ruft:
Es ist dein Freund, dein Bruder! - Rustan, mir
<20>
Gilt Liebe wahrlich mehr, als eine Krone,
die ich mit Bruderblut erkaufen müßte.
Ich gürte froh das Schwerd um meine Lenden,
Für Mustapha - wo nicht mit ihm - zu enden.

RUSTAN.
Prinz, ich bewundr' und ehre deinen Muth.
O, laß an dieses Herz dich drücken! Laß
Dem Himmel warmen Dank mich stammeln, und
Der Wonne Thränen auf dien großes Herz
Hinweinen, daß er dich der Erde gab,
Und seine Schöpfung durch dein köstlich Bild
Verschönerte.

ZEANGIR.
Hinweg mit Schmeicheleyn!
Ich thue mehr nicht, als ich soll. - Leb wohl,
wir sehn uns wieder, denn indeß wir reden,
Kann nur zu schnell die Zeit zum Handeln schwinden.
Auf! ihm entgegen, dem geliebten Bruder,
Ihn zu belehren, was im Vaterhause
Dem argwohnlosen Helden Böses drohe. (Er eilt ab.)

Fünfter Auftritt.



RUSTAN.
Geh nur, du armer Prinz, - du selber sollst
Durch deinen Eifer meinen Plan befördern.
Du bist noch lange nicht der Mensch, der mir
Die schöne Aussicht nehmen soll, die erst
Die Mutter auf der weichen Ottomanne
Der schönen Tochter mir eröffnet hat.
Geh, freu dich deiner Puppe! - Mich laß wachen,
Wir wollen sehen, wer zuletzt wird lachen.

Ende des ersten Aufzugs.

<21>


Zweyter Aufzug.


(Scene, Säulen=Saal im Serail.)



Erster Auftritt.


Mustapha (allein.).
Dieß soll der Pallast meines Vaters seyn? -
(Er wiegt den Kopf bedenklich hin und her.)
Dieß, wo erst eben meiner Freunde blut
In rothen Strömen floß? - Dieß? wo ein Sclhag
Auf Achmets Haupt ins Reich der schwarzen Schatten
Ihn unerbittlich warf? - Und ich, als ob
Ich keine Hände hätte, und kein Schwerd
An meiner Seit', ihn zu beschützen, und
Wär's ja nicht möglich, doch zu rächen, - ich,
Ich stehe da und frage, wo ich sey.
Warum erlahmte meine Faust denn? - hab ich
Vielleicht den Vater in der Mörderbande
Geschont? - Gewiß von ihm kam der Befehl,
Zu tödten meine Treuen, und mir selbst
War nichts geringers zugedacht. - O! wie's
So schrecklich ist, den Vater sich als den
Zu denken, der den Sohnesmord befohlen!
Nein, das ist kein Empfang, wie ich ihn hoffte.
Stumm wie das Grab ist alles um mich her,
Kein leiser Laut erreicht mein horchend Ohr.
An Freundesstimme will ich gar nicht denken,
Sie ist in diesen Mauern längst verhallt. (Pause.)

<22>
Still - alles still! - Wie müde nib ich doch
Des schalen Lebens, das nur Schmerz mir gab!
Hab' darum ich in euer blitzend Schwerd,
Ihr Perser, mich gestürzt, und darum nur
die Brust den Pfeilen dargeboten, daß
Ich hier erblaßte unter Mörderhänden?
O! daß mich nciht mitleidig dort ein Feind
Zu Boden streckte! - Hätt' ich Armer doch
Den Jammer nicht erlebt, der hier mich beuget!
Und ihr, geliebte Mitgenossen meines
Nie müden Elends, theures Weib und Sohn,
Die ihr - wer kann mir sagen, wo ihr weilet? -
Vielleicht hat lange schon der Tod euch hin
Ins Grab geworfen, denn warum erblicke
Ich keines? - Warum kam mir keins entgegne?
O, daß ein Mensch erschiene, der mir Licht
In dieses Dunkel brächte!
(Pause - aufmerksam.)

Hab' ich recht
Gehört? - war's nicht ein Fußtritt, den ich jetzt
Vernahm?

Zweyter Auftritt.



Mustapha. Zeangir.

(Der letztere fällt dem ersten weinend um den Hals.)

ZEANGIR.
Ich bin es, Mustapha, dein Bruder.

MUSTAPHA.
Mein Bruder! Ja, du bist's, du bleibst mir treu.
Mir sagt's dein schlagend Herz, dein heisser Kuß,
Dein Händedruck, und ach die Thräne, die
Aus deinem Auge dringt. - Sag mir geschwind, -
Denn kostbar sind die flüchtigen Minuten -
Sag' mir, was ich zu fürchten habe, denn
<23>
Zu hoffen, wag' ich nichts. Ach, Hoffnung hab
Ich lang schon aufgegeben; Hoffnung blüht
Für mich im Grabe nur, - Du hasts gesehen,
Daß Blut der Meinen floß, als kaum den Fuß
Ich in des Vaters Haus gesetzt. - Das war
Ein gräßliches "Willkommen"! - Ach, es fiel
Mien Freund, mein Achmet, unter Mörderstreichen!

ZEANGIR.
Laß dir, mein erstes Trostwort seyn,
Dein Achmet lebt.

MUSTAPHA.
Lebt? - Sah ich denn nicht selbst
Ihn in die Nacht des Todes sinken? -

ZEANGIR.
Nein,
Du täuschest dich. Er starb nicht. Ihm gelang es,
Zu fliehn; er machte sich mit blankem Schwerd
Bald freye Bahn. Ein Ianischaren-Trupp
Nahm ihn in seinen Schutz. Doch, Bruder, du
Bist leider nicht gesichert. Ueber dir
Schwebt kalt und finster noch der Todesengel.
Der Vater wüthet, - du kennst seinen Zorn,
Der ein verzehrend Feuer ist. - Was wird
Vor seinem Grimm dich schützen?

MUSTAPHA.
Was? -
Die Unschuld.

ZEANGIR.
O! betrüge dich nur nicht. -
Wenn mit gereizter Wuth der Tieger aus
Der Höhle stürzt, dann ist das zarte Lamm
ihm sich're Beute.

<24>
MUSTAPHA.
Bruder, Solymann
Ist ja kein Tieger, - Vater ist er, und
Vergißt nicht, was er schuldig sey dem Sohne.

ZEANGIR.
Vom Himmel! ja - wenn Andere nicht wären,
Die boshaft ihm das Herz verdrehten, wenn
Nicht Neid und Herrschsucht Flammen weckten, die
Am Vaterherzen - ach! - so gräßlich lecken.
Du dich zur feuersprüh'nden Esse wagest.
Sey klug und laß dich warnen.

MUSTAPHA.
Wer gerad
Und redlich seines Weges geht, der geht
Nicht irre. Möglich ists, daß ich gefehlt,
Weil ich nicht auf den ersten Ruf erschien,
Der an mich gieng. Das konnte nun nicht seyn
Damals, doch jetzt gebot mir heil'ge Pflicht,
Nicht mehr zu säumen. Weib und Sohn, Zeangir -
O du, du kennst noch nicht das süße Band,
Das uns so fest an Weib und Kinder knüpft,
Ja, Weib und Sohn sah ich in Todsgefahr,
Das schrieb mir Rustan, der zuvor mein Freund
nicht war, - beschwor mich, nicht zu säumen, nein,
Auf Sturmesflügeln herzueilen, und
Zu retten, was gerettet werden könnte.
Und wär er falsch, so hab' ich ja noch dich,
Mein Bruder, du verläßt mich nimmermehr.

ZEANGIR.
O nein, o nein! und müßte selbst mein Blut
Zu deiner Rettung fließen, ich vergöß'
Es gern, darauf verlasse dich.

<25>
MUSTAPHA.
Ich danke,
So sehr ich danken kann, dir, edler Freund.
Doch sage mir, wo sind sie, die ich liebe,
Mehr als mein Leben, Weib und Sohn? -

ZEANGIR.
Verzeih,
Das weiß ich nicht, das ist für mich Geheimniß.
Erzogen im Serail, umgeben nur
Von Priestern, hört' und sah ich täglich nichts,
Als Pfaffen, oder Weiber. Jene quälten
Mich ewig mit dem Koran, diese stündlich
Mit ihren faden Schmeicheleyen, machten
Kabalen, sich in meine hohe Gunst
Zu setzen, mich nach Willkühr zu beherrschen.
Seit wenigen Tagen erst kam ich ans Licht
Der Freyheit. - Hätt' ichs nie gesehn! - Denn jetzt
Erfuhr ich, was mein Innerstes erschüttert.
Das einz'ge nur gab Freude mir, daß du,
Mein Bruder, hier erwartet werdest, - ach! -
Sonst nichts. Doch dieß immerhin genug,
mir alles Schändliche, wovon ich sonst
Noch Zeuge war, erträglicher zu machen.
So aus dem Käfig ausgeflogen, wagt'
Ich es, den Sultan flehentlich zu bitten,
Daß dein er schonen wolle.

MUSTAPHA.
Und es ward
Dir abgeschlagen?

ZEANGIR.
Freund, mit Wonne hörte
Den lauten Jubel mein entzücktes Ohr,
Der aus des Volkes vollem Herzen strömte.
Ich Thor ich träumte, daß dem Sultan er
<26>
So innig wohl gefall', als mir - Wie sehr
Betrog ich mich! - Wie wenn sich Donnerwolken
Schwarz vor der Sonne lagern, ihren Stral
Verhüllen, und der Sturm aus finstrer Nacht
Hervorbraust, dann des Menschen bange Brust
Tief athmet, - Luft sucht - keine findet - so -
So ward es mir, als ich des Sultans Grimm
Gewahrte - Hochverrath und Meineid hast
In seinem Wahne du begangen.

MUSTAPHA.
Doch,
Du glaubst nicht, daß so gräßlicher Verbrechen
Ich fähig sey? - Glaubt es der Sultan?

ZEANGIR.
Leider,
Und schwört, an dir sich fürchterlich zu rächen.
Wie schon gesagt, ich wand mich wie ein Wurm
Zu seinen Füßen, - flehte laut - allein
Vergebens; - er geboth mir schnell zu schweigen. -
Wenn nicht ein Gott aus diesem Jammer dich
Errettet, so bist du verloren. - sag,
Was kann ich für dich thun? - Ich bin bereit,
Zu handeln und zu dulden.

MUSTAPHA.
O, ich kenne
Dein shcönes Herz, und zweifle nicht daran.
Doch (auf Kopf und Herz zeigend)
Hier ists finster! - Kein Gedanke zeigt
Mir einen Weg zum Ausgang. Nein, ich muß
Den Leitungen des Schicksals meine Sache
Nun überlassen. - Sieh, wir sind zu schwach,
Zu ändern seinen Plan. Wie's führen mag,
Ich hoffe fest, es werde weise führen.
<27>
Und halte still, denn niemand, außer dir,
Meint hier es gut, ich fühl's.

ZEANGIR.
Rustan vielleicht
Ist einzig der, auf den wir zählen dürfen.

MUSTAPHA.
Ich trau ihm nicht, dem glatten Höfling, o! -
Er war mein Freund ja nie.

ZEANGIR.
Und dennoch hast
Du ihm vertraut, als er dich einberief?

MUSTAPHA.
Der Ruf geschah im Namen seines Herrn,
Der mein Herr auch ist. Was er weiter schrieb,
War bloßer Rath. Ich folgt' ihm gern, denn ach!
Es war das Brett, das in der höchsten Noth
Der ensch ergreift, dem auf empörtem Meer, -
Indeß sein Schiff der Sturm zertrümmerte, -
Die Wellen droh'n, im tiefsten Abgrund ihn
Schnell zu begraben. - Freund, verloren war
Ich ohnehin, verloren Weib und Kind.
Ich grief nach diesem Brett und gieng.

ZEANGIR.
Auch hat
Beym Sultan er so laut für dich gesprochen.

MUSTAPHA.
Und dennoch trau' ich nicht. Doch, laß versuchen,
Ob eine Probe er besteht. Er weiß
Es sicher, wo mein Weib und mein Sohn
Verborgen sind; - wie könnt' er sonst verlangen,
Ich soll erscheinen, sie zu retten, wenn
Ihr Aufenthalt ihm fremde wäre? - Nein,
Er muß es wissen, und ich kann nicht ruhen,
Eh ich an's wunde Herz die Lieben drücke.

<28>
ZEANGIR.
Du sollst sie sehn, ich bürg' es dir, du sollst -
Entweder Rustan, oder meine Mutter,
Eins von den beyden muß den Weg uns öffnen,
Ich ruhe nicht, bis ich ihn ausgespäht,
Und trotze all' und jeden Hindernissen,
Sollt' auch zu Bergen ihre Zahl sich häufen.

MUSTAPHA.
Ein neues Zeugniß giebst du mir, Zeangir,
Von deiner Liebe. Doch, ich bitte dich,
Wär' mit Gefahr für dich verbunden, was
Für mich du thun willst, so laß ab und stürze
Dich nicht um meinetwillen in den Abgrund.

ZEANGIR.
O, die Gefahr wird nicht bedeutend seyn.

MUSTAPHA.
Ich höre Menschentritt. - Umarme mich,
Mein Bruder, - ach! - vielleicht zum letztenmal,
Dann flieh!

(Sie umarmen sich mit Innigkeit. Sprachlos lassen sie einander -
geben sich noch einen stummen aber bedeutenden Blick.
Zeangir stürzt hinaus auf der entgegengesetzten Seite,
von welcher der Sultan hereintritt.)

Dritter Auftritt.


Mustapha. Solymann. (mit Wache)

SOLYMANN.
Was seh ich? - Ha, Verräther! - Wie!
Du wagst es, dich in diese Burg zu stehlen,
Und noch umschließt des Kerkers Nacht dich nicht? -
Für diesen Frevel, Sklaven, haut ihn nieder!

(Die Soldaten gehen mit bloßen Schwertern auf ihn zu,
er aber wirft sich dem Sultan zu Füßen.)

<29>
MUSTAPHA.
Ein Wort nur, ach! vergönne mir, mein Vater!

SOLYMANN.
(der wahrnimmt, daß Mustapha noch den Säbel an der Seite
hängen hat)
Hat denn die ganze Welt sich heut verschworen?
Bemüht sich alles, mich in Wuth zu setzen?
Wer ließ dem Bösewicht hier sein Schwerd? - Soll es
Mich ungestraft durchbohren? Auf, ihr Zaudrer?
Was lähmt euch Miethlingen die schlaffen Arme?
Haut zu!

MUSTAPHA.
Um des Propheten willen, Vater!
Ich bin zum Tod bereit, nur höre mich
Zuvor mit einem Wort, damit dich nicht
Der Reue Schlangenbiß zu spät verwunde.
Mein Schicksal steht in deiner Hand. Mein Weib,
Mein Kind, das einzige, was auf der Welt
Noch meinem Herzen theuer ist und werth,
Auch sie hat das Geschick in deine Hand
Gegeben; - hier - hier liegt mein Schwerd am Boden,
(wirft es von sich)
Mit dem ich muthig für dich stritt, - das Heer
Der Perser warf und deinen Thron beschützte,
O sage mir, was für ein böser Geist
Hat mir dein Herz entwendet?

SOLYMANN.
Ha! - Dir ziemt,
Zu fragen, und zur Rede mich zu stellen.
Willst du es wagen, mir zu widersprechen,
Daß du Verderben auf mein graues Haupt
Zu Sammeln dachtest? - widersprechen, daß
Du Aufruhr gegen mich gesäet im Heer,
Und in der Hefe meines Volkes? läugnen,
<30>
Daß von dem Throne mich mit Schmach zu werfen
Du vorgehabt?

MUSTAPHA.
Gott sey mein Zeuge und
Verschließe mir des Paradieses Thüren
Auf ewig, wenn solch meuterischer Plan
Je in mein Herz sich stahl.

SOLYMANN.
Woher der Taumel,
In dem das Volk voll koher Wonne schwam,
Als kaum noch deine Rückkunft das Gerücht
Verkündigte?

MUSTAPHA.
Und das soll mich verdammen,
Wenn man mich liebt, den ältesten deines Stammes,
Der mit den Vätern, mit den Söhnen zog,
In finstrer Schlacht den Feind zu überwinden,
Der dir und deinem Reich Verderben drohte?
Mich, der die Unschuld schützte, nicht den Frevler,
Der Waisen stets ein milder Vater war,
Verlaßnen half, dem Armen eine Hütte
Gewährte, den ein Uebermüthiger
Aus väterlichem Erbe warf? - Es ist
Das erstemal in meinem Leben, daß ich
von meinen guten Thaten spreche, und
Es soll - so Gott will - nimmermehr geschehn,
Nur heute zwingst du mich dazu, mein Vater!

SOLYMANN.
Sag,
Wohin kam all das Gold, das sonst die Bassen,
So lang durch sie ich die Provinzen
Regieren ließ, in großenm weiten Fässern
Hierher gesandt, zum allgemeinen Schatz?
<31>
Ha; - damit hast ergebne Kreaturen
Du dir erworben, darum liebt der Pöbel
Dich Bösewicht, darum streut er Blumen und
der Palmen Zweig' auf deinen Weg, nur darum
Erscholl der Freude Stimme dir, indessen
Der Sultan auf dem Thron erbliech, den Stoß
Des Todes fühlt', eh du dein Schwerd entblößest.

MUSTAPHA.
Herr, höre mich! - Die Bassen, denen du
Provinzen zu regieren anvertrautest,
Verstanden's freylich besser; denn Ein Faß
Voll Gold war dein, und sieben and're fielen
In ihren Schatz. - Erkunde dich, und frage
Nach ihrem Thun und Handeln, wahrlich, du
Wirst Wunder hören. Ein paar Jahre noch,
So standen die Provinzen menschenleer.
Blutigel hatten so den Lebenssaft
Darinnen aufgesogen, daß zu pressen
Gar nichts mehr übrig war. Der Unterthan -
Er mußte eine Gegend gern verlassen,
Wo nichts ihm blieb, als blut'ge Thränen, um
Sein elend zu beweinen. - Solymann,
Das waren deine Feinde, - denn entweder
War die Entvölk'rung der Provinzen das
Dir droh'nde Loos, - wenn dieses nicht, Verrath
und Aufruhr, denn sehr vieles trägt der Mensch;
Doch wie der Wurm, wenn er getreten wird,
Im Staub sich krümmt und Rache schnaubt, nur daß
Ihm Kraft zur Rache fehlt, so brauset endlich
Des Menschen Zorn in wilden Flammen auf,
Und brennt Pallast und Hüte wüthend nieder.
Sprich, Vater! hat nur einen Augenblick
Ein Aufstand dich entsetzt, der - wie du weißt -
So nah schon war, eh daß die Bassen du
<32>
Verjagdtest? Blieben die Befehle, die
du ausgesandt, nur einmal unbefolgt?

SOLYMANN.
Du Heuchler! - Eben darum hängt das Volk
An dir so warm, weil du so milde warst.
Doch deine Milde war Verstellung nur,
Du wolltest es dadurch nur an dich ziehen,
Um desto sich'rer seiner Ruh zu seyn,
Wenn gegen mich den Dolch du zücken würdest.

MUSTAPHA.
Du irrest, Herr! denn glaube mir, so lang
Ein Volk gedrückt wird, liebt es seinen Herrn
Niemals, es zittert nur vor ihm; - doch wenn
Ein guter Geist ihn leitet, bey der Wahl
Des Mannes, der das Volk in seinem Namen
Behandelt, dieser sanfte Güte übt,
So schreibt man's auf des Dieners Rechnung nicht,
Nein auf des Herrn. In allen Herzen baut
Man Tempel ihm, denn alles Gute stammt,
So glaubt das Volk, vom Fürsten, und das Böse
Vom Diener ganz allein. - (Solymann wird aufmerksam)
So warb ich Liebe
Für dich, die du bereits verloren hattest.
Das war das Böse, das ich that; - nun richte!

SOLYMANN.
Wenn, wie du sagst, das, was ich befahl,
Genau befolgt ward, warum weiltest du
So lang, als ich zurück dich rief, und kamst
Nicht auf den ersten Wink?

MUSTAPHA.
Herr, ich gestehe,
Es war Vergehen, ich berg' es nicht, und bin
Der Strafe werth, die du verhängen magst.
<33>
Doch war's das erstemal in meinem Leben,
Daß ich dir nicht beym ersten Wink gehorchte.
Kann deine Güte mir verzeihen, - gut,
Wo nicht, so strafe nur, ich murre nicht.

SOLYMANN.
Das hieß ein Gott dich sprechen! - Doch, warum
Empörte sich so laut der Ianitschar
Bey deinem Einzug? Warum warf das Volk
Dir Palmen auf den Weg?

MUSTAPHA.
Ist's meine Schuld?
Kennst du des Pöbels Unverstand so wenig,
Daß du nicht wissen solltest, wie der Kopf
Gleich lichterloh ihm brenne, wenn ein Tag
Des Neuen etwas bringt, das seine Neugier
Lockt und ihr Nahrung giebt? - Wie sollte wohl
Das große, wichtige Ereigniß, daß
Des Sultans Erstgeborener wiederkehrt
Aus fernen Landen, ihm gleichgültig seyn?
Ihn zu beschränken, hieß' ein Freundenfest
Ihm neidisch nehmen.

SOLYMANN.
Doch der Ianitschar?

MUSTAPHA.
Der kennt mich noch aus jenen Zeiten ja,
Da du vor ihm nich auf den Armen trugst,
Und später, als ich in der Waffen Schmuck
Mich hüllte, und zur Wache mit ihm zog.
Und hat er nicht auch neben mir gesiegt
Im Perserkrieg? Vergißt sich das so bald?
Verzeih dem Schwachen, daß sich seine Lust
Nicht anders, als mit wildem Ungestümm,
<34>
Ergießen kann! Wirf deinen Argwohn weg,
Sey Vater wieder und ich bin dein Sohn,
Dein treu'ster Sohn, der keinen höhern Wunsch
Im Herzen trägt, als: seines Vaters Glück
Stets ungetrübt zu sehn.

SOLYMANN.
Du hast gesiegt!
Steh auf und nimm dein Schwerd!
(Mustapha steht auf und einer der Soldaten reicht ihm den Säbel)
Gebrauch' es nur
Zum Besten meines Reichs, zum Aufruhr nicht.
Und stiegen jemals Wünsche in dir auf,
Die - du verstehst mich - dann denk dieses Tages.
Jetzt aber geh und lasse mich alleine.

MUSTAPHA.
Wie? - Hab ich recht gehört? - Versöhnung sprach
Der väterliche Mund? - O gott, ich danke dir!
Das konnt' ich nicht erwarten, als das Schwerd
Der Sklaven über meinem Haupt geblitzt.
Ich war dem Tod geweiht, und ach! nun leb' ich
Im Sonnenschein des glückes, - ausgesöhnt
Mit meinem Vater. - O! mich tödtet fast
Das Uebermaß der Wonne! - Vater, laß
Mit Ehrfurcht küssen mich die threue Hand,
die nun nur Seegen, Wohlseyn über mich
Verbreiten wird. (Er küßt dem Sultan gerührt die Hand)

SOLYMANN.
Laß mich allein, mein Sohn,
Und warte dort, bis ich dich wieder rufe.

(Mustapha geht in ein Kabinet)

<35>

Vierter Auftritt.



Solymann. Roxane. (verborgen und nur ein wenig sichtbar)

SOLYMANN.
Es ist geschehn! - Ich danke dir, Prophet,
Daß du der Sklaven Arm gelähmt, als ich
Des Sohnes Tod gebot! - Wann wird der Greis
Den tollen Jünglingskopf verlieren? - Ewig
Wird dieser Schädel doch nicht brausen sollen? -
Da hätt' ich bald was Schönes angerichtet,
Wovon dereinst der Weltgeschichte Bücher
Wohl schwerlich Rühmliches gesprochen hätten.
Nein - er ist nicht des Aufruhrs fähig, das
Hat Neid ihm nachgeredet. - Hat er denn
Freywillig nicht gestanden, wo er sich vergieng,
Daß meinen Wioll er nicht schleunig that?
Das war's, das rettete sein Leben! - Alter,
Sey klug und laß so schenll nicht wieder dich
Verführen!

Fünfter Auftritt.



Solymann. Roxane. (Letztere hervortretend)

ROXANE. (für sich)
Nun ist's hohe Zeit. (Zum Sultan) Hörst du,
O Solymann?

SOLYMANN.
Was soll ich hören? - Was?

ROXANE.
Das wüthende Getümmel auf den Strassen,
Und mitten durch den Namen: Mustapha!
Die tollen Ianitscharen toben, - weynen,
Ihr Liebling sey ermordet, wenigstens
Doch in Gefahr. Sie wüthen - rasen, drohen
<36>
Mit Feu'r einwerfen, wenn sie plötzlich nicht
Den Prinzen sehen.

SOLYMANN.
Nun sie soll'n ihn sehen.
Er ist nicht ferne, ist ganz wohlbehalten
In jenem Zimmer.

ROXANE.
Wie? Sie soll'n ihn sehen?
Bedenke, Sultan!

SOLYMANN.
Ach, s'ist eitel Fabel,
Mit deinem eingebildten Aufruhr. - Du,
Ich rathe dir, mit solchen Märchen künftig
Vom Halse mir zu bleiben, die nichts mehr
Als bloßes Blut erzeugen, kurz, es ist
Nichts an der Sache.

ROXANE.
Ich fürchte, Herr,
Du bist geätuscht; allerin so seyd ihr Männer,
Man kann euch dreh'n wie Wachs.

SOLYMANN.
wie gut bemerkt!
Das nimmst du wohl an deinen Birnen ab?
Nicht wahr, Roxane? - Freylich geht ihr Weiber
Mit Männern um, wie mit dem Wachs, und knetet
So lang, bis endlich wir gestaltet sind,
Wie ihr uns braucht. - Doch, Scherz bey Seite, was
Hat deine Hoheit zu bemerken, wenn
Sie höret, Mustapha sey ohne Schuld?
Er hat mich überzeugt, - wir sind versöhnet.

ROXANE.
Sehr bald!

SOLYMANN.
O, das kam nicht zu bald. Es waren
<37>
Die Säbel schon gezückt, sein Haupt zu spalten,
Als schnell es wie ein Blitz durch meine Brust
Gezuckt, und eine unbekannte Stimme
Tief in mir rief: "Es ist dein Sohn, dein Sohn!"
Ich sank zusammen, hört' auf seine Worte,
Besann mich und verglich und wog, was alles
Er sagte, ab. - Mein Zorn entwich, mein Herz
Ward weich, es schwieg der Sturm, und süße Ruhe
Erfüllte mich. - Ich gab ihm meine Hand,
er küßte sie und - alles war vergeben.

ROXANE.
Dank sey dem Himmel! Ist der Prinz unschuldig,
So laß uns preisen den Propheten, der
Zur rechten Zeit dein Herz noch rührte. Doch -
Wenn's weiter nichts, als schnelle Rührung wäre,
Die oft wir auf des Himmels Rechnung schreiben,
Und sie entsprang aus unserm Unbestand,
Wie dann? - Du weißt doch, daß dem Achmet es
Gelang zu fiehen? - Wie, wenn er im Volk
Nun laut erzählt, was mit ihm vorgegangen?
Wenn er besorget, daß ein gleich Geschick
Dem Prinzen drohe? - Wenn er seine Sorge
Auch nicht verhehlte, denn warum verlangte
Mit solchem Ungestümm gerade jetzt
Das Volk zu sey'n den vielgeliebten Prinzen?
Und eben jetzt? - Wenn dann nun dieser Achmet,
Von Wuth erhitzt, das Volk zur Rache riefe?
Dann, Sultan, ists um dich - um mich - um alle
Die Unsrigen geschehn. - weiß Mustapaha
Von Achmets Flucht, so fand in der Begeist'rung
Er bald den ton, um dich zu überlisten,
Zum Aufschub seiner Strafe wenigstens
Zu stimmen. So gewann er Zeit, gewann
Unendlich viel, und wir, - wir sind verloren.

<38>
SOLYMANN.
Bey des Propheten Bart! In diesem Licht
Sah ich die Sache nicht. Was ist zu thun, Roxane?
Gieb Rath! - ich bebe!

ROXANE.
Nun, mit einem Wort,
Du warst zu hurtig im Verzeihen. Immer kam
Es früh genug, wenn man erst reif die Sache
Erwogen hätte. Jetzt möcht' es zu spät seyn,
Zurück zu treten. Warten, bis der Sturm
Erst ausbricht, das ist ebenfalls bedenklich,
Und gar nicht glaublich, Herr, da0 Mustapha
Und Achmet sich nihct rächen sollten. Sie
Verdienten - wahrlich - Männer nicht zu heissen,
Wenn sie die Händ' im Schooß versteckten.

SOLYMANN.
Ha!
Verdammt, wenn Recht du hättest! - Weichlichkeit,
Du hast mich abermals betrogen! - Soll ich
Denn ewig so ein Schwächling bleiben, den
Jedwede Heuchlers=Thärne wandelt? - Halt,
Ich muß mich sammeln. Wo ist Rustan?

ROXANE.
Herr,
Er wartet im Vorzimmer auf Befehle.

(Der Sultan geht ab.)

Sechster Auftritt.



ROXANE. (allein.)
O des karakterlosen Menschen! - Der, -
Der soll ein Mann, ein Sultan seyn? - Der soll
Mit einem einz'gen Wort aus seinem Munde
Die Welt erzittern machen? (Lacht.) Ha, Ha, Ha!
<39>
Ein Kartenkönig ist gerade so viel,
Als dieser Sultan. Jener läßt sich durch
Die Hand des Kartenkünstlers leiten, - dieses
Durch eines weibes Kopf; - sind beyde doch
Nur Puppen, die am Drath gezogen werden. -
Was aber nun beschließen? - Das Gewitter
Verschonte seines Sohnes Kopf und Achmet
Gewann die Flucht; - das freylich reisset
Gewalt'ge Lücken in den schönen Plan. -
Getrst! - Ein Baum, sagt man, fällt nimmermehr
Auf Einen Hieb. - Wir wollen sehn. - Der Prinz
Muß dennoch fallen, früher oder später,
Wenn nicht durch Schwerder, o - so giebt es ja
Noch Gift und Stricke. - Ach, die seidne Schnur
Hat manchen Widerbeller zahm gemacht.
Sechs Tropfen aus gewissen Fläschgen haben
Schon manchen in das Todtenreich geschickt.
Eins oder s'andere werd' auch ihm bereitet,
Damit mein Fuß nicht selbst zu fallen gleitet. (ab.)

<40>


Dritter Aufzug.


(Garten von Serail.)



Erster Auftritt.


Roxane. Rustan

ROXANE.
Hast du bemerkt, wie wenig mehr gefehlt,
Daß Mustapha der Rache Dolche entrann?

RUSTAN.
Ich hab' es ja! Doch habe nur Geduld,
Dem Netz, das ich mit schlauer Hand gestrickt,
Entgeht er sicher nicht.

ROXANE.
Laß hören, Freund!

RUSTAN.
Mir bangt vor nichts, als vor dem Wankelmuth
Des alten Sultans. - Wenn die Reu' erwacht,
Dann kann das Blatt sehr schnell sich wenden, - kann
Der Strahl, der Mustapha zerschmettern sollte,
Leicht unsere Köpfe treffen. - Fürstin, sprich,
Wer wird bey ihm vor Zeugen uns beschützen?

ROXANE.
Gesetzt, es melde sich, wie du befürchtest,
Die Reue; - o! - ich werde mit ihr fertig.
Ein Blick aus meinen schwarzen Augen hat
Den Sultan oft zu Boden schon geworfen.

<41>
Des vollen weißen Busens Wallen blendet
Den alten Wollustknecht, und er vergißt -
Gestreichelt von Roxanens weicher Hand -
Was er vergessen soll. - Nun deinen Plan.

RUSTAN.
Der Prinz muß selber drehn den Strick, der ihn
Erwürgen soll, und der empfindsame
Zeangir, zu gewissenhaft, sich auf
Den Thron zu setzen, soll das Rad ihm schwingen.
Aus beyder Händen soll in unsre er
Herrüber gehn, wir ziehen plötzlich zu, -
Und husch, - das Lustspiel ist zu Ende.

ROXANE.
Schone
Zeangirs! - Zwar ergötzt mich wahrlich nicht
Sein weibisches Gewinsel; doch er ist
Mein Sohn, und soll mich nach Verdienst belohnen,
Wenn einst er Sultan seyn wird. - Unser sind
Des Reiches Zügel, er der Schatten nur,
In dessen Dunkel wir die Welt beherrschen.

RUSTAN.
Es scheint, der Sultan nahe sich. - Nur noch
Ein Wort in Eile! Merke dir's, wir müssen
Für Mustapha Vergebung flehen, aber rathen,
An Weib und Sohn zu rächen seine Thaten.

ROXANE.
Wie meynst du das?

RUSTAN.
Die Zeit ist jetzt zu kurz,
Dir's zu erklären. Halte dich indessen
Genau an das, was ich gesagt. Das Ende
Wir alles deutlich machen.

<42>

Zweyter Auftritt


Die Vorigen. Solymann.

SOLYMANN.
Wie? - ihr hier?
Und mich läßt man allein?

RUSTAN.
Ich war nicht müssig,
Denn deine Sicherheit, o Herr, liegt mir
Zu sehr am Herzen. - Mit gespanntem Auge
Durchgieng ich den Pallast, zu sehen, ob
Kein Frevel sich erhebe, stellte Sklaven
Mit Vorsicht aus, ob etwas sie entdeckten.

SOLYMANN.
Und wie benimmt im Augenblicke sich
Der Ianitschar?

RUSTAN.
Er murrt und schweigt.

SOLYMANN.
Und schweigt?
Gut, das, und also war's unnöthig - -

ROXANE.
Was?

SOLYMANN.
Daß ich mir Mühe gab, erst zu erforschen,
Ob alles ruhig sey, weßhalb Zeangir
So dringend bat, daß ich durch ihn das Chor
Der Ianitscharen ließ besänft'gen.

ROXANE.
(für sich) Ha,
Verräther!

SOLYMANN.
Nun, ich that wie er gewünscht,
Jetzt aber sagt, was ist noch mehr zu thun?
<43>
Ihr überzeugt euch beyde, daß mein Sohn
Nicht schuldlos sey, und das hier in meiner Brust
Tönt eine Stimme: Ja, er ists, er ists.
Verdammt hatt' ihn der Richter, doch der Vater
War tief gerührt, - gewährt' ihm Gnade; - dennoch
Wär's möglich, daß mein Sinn sich täuschte, drum
Gebt Rath in diesem Sturm des Herzens.

RUSTAN.
Herr,
Das mildere Gefühl des Vaters täuscht
Dich schwerlich, - die Natur behält ihr Recht.
Glaub' immer, daß er schuldlos sey; - die Schuld
Ist wenigstens erwiesen nicht, und besser,
Es werd' ein Schuldiger verschont, als wenn
Der Rache Schwerd unschuldig Blut vergöße.

ROXANE.
Und doch kann nicht geläugnet werden, daß
Prinz Mustapha dir ungehorsam war.
Blindlings gehorchen ist des Feldherrn Pflicht,
Und auch des Sohnes. - Dürfte Ein Befehl
Des Sultans übertreten werden, o!
So können's alle werden, und wo bleibt
Dann Ehrfurcht für des Herrschers Willen? wo
Pflicht des Gehorsams? Sicherheit des Thrones?
Zwar milde mag die Strafe seyn, doch straflos
Kann er des Beyspiels wegen doch nicht bleiben.

SOLYMANN.
Und wenn ich's ahnden muß, Roxane, sprich,
Wie, - wie soll ich ahnden?

ROXANE.
Sultan Solymann,
Warum verließ der Prinz das Heer, und kam
Hierher, als sie zu sehn, die auf der Welt
Ihm doch die liebsten sind, ein blühend Weib,
<44>
Ein theures Kind. Nimm sie ihm, und er ist
Genug gestraft, ja mehr, als wenn das Schwerd
Den Ungehorsam strafte.

RUSTAN.
Zweifle nicht.
Der Schmerz, sie zu verlieren, wird ihn wild
Durchbeben, denn gewiß, hätt' er die Wahl,
Er stürbe gern für sie und lieber, als
Er sie verliert. Indessen lernt der Prinz
Sich fügen, lernt gehorsam seyn in Zukunft.

SOLYMANN.
Ja, ihr habt Recht! - Straflos kann er nicht bleiben,
Sonst muß ich auf ein ewig Widerstreben
Gefaßt mich machen. Und so sterbe denn
Fatime, doch sein Sohn Zopir sey frey.
Indeß mag Mustapha die Art erkiesen,
Wie seine Gattin sterben soll. Du, Rustan,
Meld' ihm, was ich beschlossen.

RUSTAN.
Darf ich, Herr,
Ein Wort dir zu entgegnen wagen?

SOLYMANN.
Sprich!

RUSTAN.
Dir ist vielleicht nicht unbekannt, o Sultan!
Daß Mustapha mich nie für seinen Freund
Gehalten. Soll noch stärkere Erbitterung
In seiner Brust entsteh'n? - Ists dir gelegen,
Daß seinen ganzen Grimm auf mich er schütte?
Daß er, empört durch einen solchen Antrag,
Sein blankes Schwerd in meinen Busen stoße?
aus Freundes-Mund ist auch die herbste Kunde
Erträglicher, drum bitt' ich dich, Beherrscher
<45>
Der Glaubigen, verschone mich und laß
Zeangirn diese Botschaft bringen. Er,
Er lerne nebenbey, der dreiste Knabe,
Wie man des Sultans Wink gehorchen müsse.

SOLYMANN.
Und sey zugleich für seinen Eifer,
Sich eher Mustapha, als mir, zu weihen.

Dritter Auftritt


Vorige. Zeangir.

ZEANGIR.
Herr, fürchte nichts, man hat dich hintergangen.
Ich fand die Ianitscharen ruhig, nirgend
Ist ein Gedanke auf Tumult und Aufruhr.

SOLYMANN.
Wir wissen es.

ZEANGIR.
Nur wünschten sie, zu hören,
Ob Mustapha noch lebe. - Achmet selbst - -

SOLYMANN.
Ha! - Nenne nicht den Namen des Verräthers!

ZEANGIR.
Herr, dein Verdacht führt irre.

SOLYMANN.
Zähme dich,
Verwegner Jüngling!

ZEANGIR.
Dir geweihet ist
Sein Blut, sein Leben, und in deinem Dienste
Vergießt er jeden Tropfen ohne Widerrede,
Jedoch ein bloßes Opfer blinder Wuth
Zu werden, meynt er, fromme nicht.

<46>
SOLYMANN.
Du wagst es,
Du Tollkopf wagst, dergleichen Reden mir
Zu hinterbringen? - Dank es meiner Langmuth,
Daß ich dich nicht in meinem Grimm zernichte,
Und daß ich dich mit einem Antrag ehre,
Den nur der Sohn des Sultans seinem Bruder
Eröffnen darf. Geh, meld' ihm meine Gnade.

ZEANGIR. (entzückt)
Ich danke dir, o Vater!

SOLYMANN.
Und das Weit're
Erfährest du von Rustan.

ZEANGIR.
Laß, o Vater,
In Staub gebeugt, gerührten Dank dir stammeln!
Schenk' mir dein Reich, ja, schenke mir die Welt,
Und ich bin nicht beglückter.

SOLYMANN.
Folge mir,
Roxane! (geht ab)

ROXANE. (spöttisch zu Zeangir)
Freue laut dich deines Glückes.
Und wenn von ohngefähr dir eine Welt
Geboten wird, vergiß dein Wort nicht! (geht auch ab)

Vierter Auftritt


Zeangir. Rustan.

ZEANGIR.
War
Das Ernst? wars Spott, was da Roxane sprach?
Gewiß das Letztere. Nein, so verzieht
<47>
Die Wahrheit nicht den Mund. So höhnisch blickt
Kein Auge, wenn das Herz es redlich meynt. -
Was werd' ich hören? - Nun, was hast du mir
Zu sagen, Rustan? - Ich errath' es schon, -
Sollst du nicht Zeuge meines Jubels seyn,
Wenn ich dem Bruder wonnevoll verkünde,
Was mir des Sultans Mund geboten? - Doch
Laß uns nicht länger weilen, - an sein Herz
Laß schnell uns sinken, und ein Freudenfest
Mit Mustapha begehn. - Du schweigest, Rustan,
Was schließet dir den Mund?

RUSTAN. (wehmüthig)
Mein theurer Prinz!

ZEANGIR.
Das ist der Ton nicht, der für solche Botschaft
Sich schicket. - Wie geschieht dir?

RUSTAN.
Schone mein,
Laß lieber mich verstummen.

ZEANGIR.
Nimmermehr!
Sprich frey, was drückt dein Herz?

RUSTAN.
Ach, Gnade
Gewährt ist freylich Mustapha. Das Leben schenkt
Der Sultan ihm und - raubt ihm tausend Leben.

ZEANGIR.
Du sprichst in Räthseln, Rustan. Komm, erkläre
Dich deutlicher, ich bin gefaßt auf alles.
Zum guten Boten schein' ich nicht erkohren.
Doch sprach einst wahr mein Bruder: "Schlimme Kunde
Aus Freundesmund ist minder schrecklich."

<48>
RUSTAN.
Nun,
So sage, daß das Leben ihm der Sultan
Geschenkt, doch statt desselben sich zum Opfer
Fatimens Leben fod're.

ZEANGIR.
Nein, das ist zu viel,
Das sag' ich nicht, das hieße tausend Dolche
Ins Herz des Bruders stoßen.

RUSTAN.
Dennoch will
Es Solymann, und Mustapha soll selbst
Die Art des Todes für sie wählen.

ZEANGIR.
Gott!
Das ist zu schrecklich, zu barbarisch! - Nein,
Solche Gräuel nennt bis jetzt noch nicht
Die Weltgeschicht'. - Und war kein Mensch, der es
Gewagt, dem Sultan zu beweisen, daß,
Wie er, nicht Teufel in der Hölle handeln?
O laß mich zu ihm! - Ha, ich will mein Herz
Im Sturme gegen ihn ergießen.

RUSTAN.
Prinz,
Um des Propheten willen, zähme dich!
Dein Sträuben ist vergebens, - ganz vergebens,
Des Sultans Wort Gesetz, für dich und jeden
In seinem Reich. Strick oder Dolch bestraft
Den, der zu widersprechen wagen will.

ZEANGIR.
Ich habe nur Ein Leben zu verlierne,
Und wären's tausende, mit Freunden brächt'
Ich sie zum Opfer. - Ihr, ihr wagt es nicht,
Zu reden. - Wenn der Sultan nickt, so nicket
<49>
Ihr dienstergebenst mit, und wenn das Haupt
Er schüttelt, wer von euch wird's wagen, nicht
Das seine mit zu schütteln? - Armes Volk,
Das nicket oder schüttelt, wie es nur
Der Abgott haben will!

RUSTAN.
Ohnmächtiger!
Streck' deinen schwachen Arm dem Sturm entgegen,
Und sieh, ob du ihn bändigst! Peitsch' die Flut
Des Meeres, wenn sie tobt, und siehe, ob
Dein Peitschen sie bezähme. Sprich zur Flamme:
"Bis hierher!" - ob sie wohl gehorsam ist,
Und nicht mehr brennt?

ZEANGIR.
Rustan, des Menschen Sinn
Ist keine Flamme, ist kein Sturm, kein Meer.
Nicht immer ist er ungestümm, und Gründe
Verändern oft die Richtung, die er nahm.
Ein Wort, zu rechter Zeit und aus dem Herzen,
So wahr als warm gesprochen, ändert oft,
Was keines Menschen Macht zu ändern hoffte.
Ich wag' es, Rustan. - Bleibt der Sultan taub
Bey meinem Flehen, soll das Opfer bluten,
Vermag ich gar nichts über ihn; - wohlan,
So ist noch ein Schritt übrig, der wird alles
Im Augenblick verändern.

RUSTAN.
Prinz, ich bin
Begierig, dieses Mittel zu erfahren.

ZEANGIR.
Freund Achmet und das Chor der Ianitscharen,
Die lassen Mustapha nicht fallen.

<50>
RUSTAN.
Aufruhr? -
Wohl, junger Brauskopf, geh nur und versuch' es.
Doch nein, - versuch' es nicht! Es giebt vielleicht
Noch Mittel, weniger gefährlich, und
Sie führen sicherer zum Ziel.

ZEANGIR.
Ich bins
Zufrieden, wenn du solche Mittel kennst.
Entdeck' sie mir, denn ein- für allemal,
Geholfen muß nun werden.

RUSTAN.
Eine List
Alleine kann vielleicht noch retten. Doch
Vergiß es nicht, wir bau'n auf ein "Vielleicht",
Der Ausgang bleibt noch immer zweifelhaft.

ZEANGIR.
Ich stehe wie auf Kohlen. - Mach geschwind!

RUSTAN.
Der Sultan dürstet nach Fatime's Blut.
Warum? - Weil er erwartet, daß der Schlag
Auf beyde treffe. - Mustapha erblaßt
Im Augenblick, da seine Gattin stirbt,
Und Solymann glaubt dann, sich ganz gerächt
Zu haben. - Könnte man dahin es bringen,
Den Sultan zu bereden, Mustapha
Sey durch den Tod Fatime's nicht bestraft,
Ein and'rer Gegenstand erfüll' sein Herz
Mit Flammen heißer Liebe; - o ich zweifle
Im mind'sten nicht, er ändert seinen Sinn,
Und läßt Fatime leben.

ZEANGIR.
Habe Dank
Für diesen Rath.

<51>
RUSTAN.
Noch sind wir nicht am Ende.
Der Gegenstand der Liebe Mustapha's
Muß weit entfernt und seiner würdig seyn.
Am besten Persiens Prinzessin. - Einen Brief
Schreibt Mustapha an ihren Vater, wünscht
Den angebot'nen Bund recht bald zu knüpfen,
Wünscht sie zu sehen, an sein Herz zu drücken,
In ihrem Arm als Ehgemahl zu ruh'n,
Je eher, desto besser. - Wie gefällt
Dir dieser Plan?

ZEANGIR.
Ich brenne vor Begierde,
Ihn schleunig auszuführen. - Heißer Dank
Sey dir, o Rustan! (umarmt ihn schwärmerisch)

O, du bist mein Freund,
Mein einz'ger Freund an diesem Hofe, bist
Der einz'ge Freund des armen Mustapha.
Nie werd ichs dir vergessen, daß nur du
Den Faden mir, aus diesem Labyrinth
Zu kommen, liebreich reichtest! - Zähle ganz
Auf meine Dankbarkeit und seine. Jetzt
Entfern' ich mich, du wirst hier meiner warten,
Ich komme bald zurück.

RUSTAN.
Verweile nicht,
Denn oft liegt zwischen Leben oder Tod
Ein Härchen nur.

ZEANGIR.
Zu Mustapha! (eilt schnell ab)

Fünfter Auftritt



RUSTAN. (allein)
Geh nur,
<52>
Du blinder Thor!
Reich' ihm das süße Gift.
Ich seh' es schon in seinen Adern wüthen.
Triumph! das Ziel ist bald erreicht. - Roxane,
Wie wirst auch du dich freuen! wie mit Gold
Und der Prinzessin Hand mich schnell belohnen!
Was thät' ich nicht für Wollust und für Gold? -
Glück zu, sie nahen sich! - Ein Blumenweg
Zieht freundlich sich von nun an durch mein Leben.
Ich fühle mich gerochen, denn wer war es,
Der mir das süße Weib, Fatimen, raubte?
Schon wähnt' ich sie als Gattin mir vermählt,
Und jede Nerve bebte beym Gedanken:
"Du wirst die unberührte Rose brechen,
Wirst schwelgen an dem unentweihten Busen,
Ihr weicher Schwanenarm wird dich umfassen,
Ihr Kuß ein Paradies dir zaubern." - Ha!
Verflucht, - kann der Milchbart Mustapha, -
Weg war das Täubchen, und Freund Rustan sah
mit offnem Mund dem fetten Bissen nach.
Doch Rachgefühl durchglühte mich. - Bis jetzt
Schlug freylich alles fehl; die schlau'sten Künste
Des Höflings blies ein Hauch, ein Ohngefähr
Hinweg, doch dieser Plan, der sich so schön
Entwickeln, reifen wird, soll auf die höchste -
Die höchste Stufe meiner Wünsche führen. -
Halt! - Seh ich recht? - mir scheint sie kommen schon.
Ein Brief in deiner Hand, Prinz Mustapha?
So schnelle wär das Vögelein gefangen?
Ja wahrlich, - ja, das wär' ein Meisterstreich. -
Ein Brief scheint's freylich, aber ob der rechte,
Das ist noch zweifelhaft. - Glück, steh mir bey!
Ich harre hoffend dir entgegen.

<53>

Sechster Auftritt


Rustan. Mustapha. Zeangir.

MUSTAPHA.
Bruder,
Noch schwankt mein unruhvolles Herz, noch ists
Vor meinen Augen dunkel. - Meinen Tod
Wünscht doch der Sultan. Nun, es ist ein Kleines,
Mich aus der Welt zu fördern, und des Jammers
Hab' ich so viel getragen, daß des Lebens
Ich längst schon müde bin. - Ich schmachte nach
Dem Hafen, der mein Schiff vor Stürmen schützt.
O, warum zaudert Solymann, den Kopf
Vom Rumpf zu trennen? - Warum sollen Martern
Mich erst noch quälen? Oder wär's nicht Marter,
Nicht fürcherlichs Begehren, selbst das Weib
Des Herzens in des Henkers Hand zu liefern?
O ihr, des Himmels unsichtbaren Mächte,
Welch eine Wahl gebt ihr in meine Hände!
Entweder auf dem Todesblock das Haupt
Der Gattin - ach! der leiben, süßen, - zu
Erblicken, oder ehrlos, schändlich handeln,
Zu fröhnen dem Betrug, zu schreiben, was
Das Herz nicht weiß, was es verflucht. - O Gott,
Welch eine Wahl, wie drückt sie mich zur Erde!

RUSTAN.
Und doch ist es der einz'ge Weg, dein Leben,
Der Gattin Leben auch, zu retten. - Prinz,
Mich dünkt, es sey nicht schwer, zu wählen. - So
ein Brief, was kann dir der verschlagen? - Sieh,
Der Sultan will einmal betrogen seyn,
Laß ihm die Freude, dir bleibt der Vortheil.

<54>
MUSTAPHA.
Betrug bleibt immerhin Betrug, und wenn
Ich auch durch ihn das Leben rette.

RUSTAN.
Wohl,
So sey ein Held und stirb. Doch, was wirds nützen?
Glaubst du, dein Tod sey alles Schlimme, das
Dir widerfahren kann, so irrst du dich.
Kaum wirst die Augen du geschlossen haben,
So wird man auf dem frischen Leichenhügel
Fatimen schlachten, auch vielleicht den Sohn.

ZEANGIR.
Ha, welche schauerliche Aussicht! Bruder,
Laß dich erbitten, gieb den Brief mir.

MUSTAPHA.
Ach!
Ich kann nicht, denn mir widerräth's die Pflicht.

ZEANGIR.
Giebt es noch größ're Pflicht, als gegen Unschuld?
Auf, rette sie, du bist es schuldig!

MUSTAPHA.
Soll ich
Den Vater hintergeh'n mit eitler Lüge?

ZEANGIR.
Er ist ja hier nicht Vater, ist nur Mörder
Des frommen Weibes; - gegen Mörder ist
Jedwede Waff' erlaubt.

MUSTAPHA.
Und ist das nichts,
Sich seiner Unschuld überzeugt zu fühlen?
Nicht schöner, Freund, zu wissen, daß ich nicht
Den Tod verdient, wenn ich ihn leide?

<55>
ZEANGIR.
Ah!
Dich täuscht dein edles Herz. Du nennst Betrug,
Was doch nur einz'ges Rettungsmittel ist.
Das schwache Brett ergreift der Hoffnungslose
Im wilden Meeressturm, entreißt wohl gar
Dem nächsten Nachbar es, und rettet sich
Das Leben. Nun, ergreife dieses Brett,
Und rette dich, dein Weib, dein Kind, und denk
An Selbsterghaltungs-Pflicht. - Hilf ihn bereden,
Freund Rustan, denn kommt nicht der Rath von dir?

RUSTAN.
Ja, einen andern weiß ich nicht. Er kommt
Aus treuem Herzen.

MUSTAPHA.
Nimmermehr kann ich
Mich überzeugen, dieser Rath sey gut.
Denn war der Perser König nicht seit Jahren
Des Sultans ärgster Feind? und nun auf einmal
Soll ich - - -

RUSTAN.
Die Feindschaft ist vergessen. Schlingt
Des Friedens Oelzweig sich um beyde nicht
Durch deine Siege? - sind sie denn nicht Freunde?
Ist es etwas so gar Ohnmögliches,
Daß noch ein schön'rer Bund den Frieden kröne?
Zwar steht der Ausgang nicht in unsrer Hand,
Doch meyn_ ich, wär' es zu versuchen.

ZEANGIR.
Freund,
Der Gattin Leben steht jetzt auf dem Spiel.
Der Brief kann sie noch retten. - Ist die Wahl
So schwierig? Kennst du nicht des Sultans Wuth?
<56>
Weißt du denn nicht, daß das, was er befiehlt,
Im nächsten Augenblicke - kaum gesprochen -
Vollzogen seyn soll? - Wenn er nun erfährt,
Es sey noch nichts geschehen, wird sein Zorn
Nicht schnell entbrennen? - wird vielleicht mit eigner,
Mit meuchelmörderischer Faust er nicht
Den Säbel schwingen? - Wird er nicht im Grimm
Dich selber morden, und das blanke Schwerd,
Von deinem Blut noch rauchend, in die Brust
Fatimens stoßen?

MUSTAPHA.
O! - Mein Leben acht' ich nicht,
Doch ihres muß ich retten. - Nimm - hier ist
Der Brief. (Er giebt zitternd Rustan den Brief)

RUSTAN.
Du zitterst?

MUSTAPHA.
Rustan, lies,
Was ich geschrieben.

RUSTAN.
(Entfaltet den Brief und liest)
"Dein gütig Herz bot mir der Tochter Hand,
Die einst der Perser Thron soll zieren. - Herr,
Ich danke dir für diese Wonne, - würde
Selbst dir diesen Dank - wie froh - gestammelt haben,
Wenn nicht des Vaters Ruf mich schnell hierher
Gefodert hätte. - Jede Zunge preißt
Die Tugend deiner tochter. - Glaube mir,
Auch ich verehre sie. - Sie wird die Welt
Zum Paradieß mir machen. - Glücklich, wenn
Ich bald in meinen Arm sie schließe, wenn
Mein Mund dich bald entzücket Vater nennt."

<57>
MUSTAPHA.
Ha, welche Lügen! - War es möglich, daß
Ich diesen Unsinn schreiben konnte? - Wehe,
Wenn dieses Blatt, auch wenn ich nicht mehr bin,
Noch zeugen kann: "So log einst Mustapha."
Ein jeder Edler wird mein Grab verachtend
Vorüber gehen und mit Unmuth sagen:
Es ist ihm recht geschehen, was geschah.

ZEANGIR.
O quäle nicht dein Herz mit Schreckensbildern,
Du kränkst auch meines.

MUSTAPHA.
Nun, wie soll der Sultan
Die Lüg' erhalten?

RUSTAN.
Eine Lüge ist
Der andern werth; - man hat den Brief gefunden.

MUSTAPHA. (heftig)
Mir aus den Augen!

RUSTAN.
Du, Zeangir, danke
Indessen deinem Bruder, dank' ihm herzlich.
Er war, wie du, und wußt' es selber nicht,
Sein ärgster Feind. Umarmt euch ja recht brünstig,
Wer weiß, wie oft es noch geschehen dürfte.
(geht hohnlächelnd ab)

Siebenter Auftritt


Mustapha und Zeangir
(sehen sich eine Weile erstaunt an)

ZEANGIR.
Was hör ich? - was war das? - was sprach er?

MUSTAPHA.
Was ich schon lang vermuthete. - Es war
Verrätherey, - ein kleines Stück vom Hofe.
Der Bube hat sein Ziel erreicht, denn sieh,
Er denkt, es soll den Hals mir brechen, und
Das wünschen er und deine Mutter. - Wohl,
Ich bin bereit, zu sterben. Eins nur kränkt
Mein Herz, daß diese Rotte dich zum Werktzeug
Erkohr, mich zu verderben. - O! - freywillig,
Das wußten sie, nahmst du die Krone nicht,
Mich ihrer zu berauben. - Menschenliebe,
Das war die Falle, dich zu fangen, und
Du giengst hinein. Laß, Bruder, dich's nicht kränken,
Du meyntest's gut, es ist mein Loos nun so.
Mein Schicksal warf's, wer wagt's, zu widerstreben?

ZEANGIR.
O nimmermehr! - Die ganze Hölle tobt
In meiner Brust. Ich eil' ihm nach, dem Falschen.
von diesen Händen soll er sterben, wenn
Ich nicht das Lügenblatt zurück erhalte.
Ich stürm' in den Pallast, und stürme selbst
Zum Sultan, sag' ihm, alles sey erlogen,
Er soll nicht sehen, soll nicht hören, soll
Allein auf den Verräther zürnen, und
Dem Tod ihn weihen, stirbt er nicht durch mich,
Der Hund. - Hier Mustapha, erwarte mich.
(geht schnell ab)

<59>

Achter Auftritt



MUSTAPHA. (allein)
Bleib, Bruder! - ach umsonst, er flieht, der Edle! -
Wie wunderbar, o Gott! sind doch die Wege,
Die deine Hand uns durch das Leben führt!
Die Bosheit treibt ihr schreckenvolles Spiel,
Mißbraucht den Schwachen, und mißbraucht den Guten,
Es durchzuführen. - Ach, ich merke wohl,
Daß die Geschichte blutig enden wird.
Gilt es nur meinen Kopf, so dank' ich dir,
Du Unerforschlicher! Laß mein Gebet
Zu deinem Throne dringen! Schone, schone
Fatimens und des zarten Knaben! - Wirf
Die Blitze deines Zornes nur allein
Auf mich; ich dulde still und murre nicht.
Ich geh voran den Weg zum Grabe. Einst
Wird eins dem andern folgen, lebensmüde,
Und dann - Triumph! - im hehren Paradieß
Sich jubelnd wieder finden.

(Er verliert sich in einem dunkeln Gang,
und der Vorhang fällt.)

Ende des dritten Aufzugs

<60>


Vierter Aufzug.


(Saal wie im ersten Aufzug.)



Erster Auftritt



SOLYMANN.
(tritt mit bloßem Schwerd, begleitet von etlichen Stummen, eben-
falls mit Säbeln bewaffnet, ein. In der linken Hand hat er
Mustapha's offenen Brief.)

Wo ist der Frevler? - Meinem Zorne soll
Er nicht entrinnen. - Mit Entzücken will
Ich's sehen, wenn das Racheschwerd ihn trifft,
Der Tod mit Flor sein Antlitz decket. - O!
Du Bösewicht ohne Gleichen! War es dir
Noch nicht genug, daß nah' an meinem Thron
Der Aufruhr auszubrechen drohte? - Wolltest
Du auch der Perser König mich verrathen?
(Er schlägt auf den Brief)
Hier ist dein Urtheil! - Hier hast du den Tod
Selbst über dich gesprochen.
(Zu den Sklaven)
Sklaven, dort -
Dort seht ihr ihn! Auf, eilt und stoßet rasch
Das Schwerd in den verrätherischen Busen!

<61>

Zweyter Auftritt


Vorige. Mustapha (sitzt in einem hintern Zimmer
und schreibt. Wenn sich die Schwarzen ihm nahen, springt
er auf, und will heraus in den Vorgrund.)

SOLYMANN.
Zurrück, Verräther!

MUSTAPHA.
Vater!

SOLYMANN.
Fort! Was willst du?

MUSTAPHA.
Ich? - Sterben.

SOLYMANN.
Ja,, das sollst du! Sklaven, auf!
Haut ihn zusammen!

MUSTAPHA.
Ah!
(die Schwarzen hauen auf ihn ein, er sinkt zu Boden,
und sie legen ihn auf eine Ottomanne.)

SOLYMANN.
Es ist geschehen! -
So sterbe jeder, der es frevelnd wagt,
Nach einem Thron zu streben. - Bringt mir her,
Was er geschrieben hat. - Ich will doch sehen,
Ob er die Frechheit so weit trieb, am Throne
Des Todes noch zu trotzen?
(Mustapha ächzt im Schmerz)
Wie, er athmet?
Ist noch nicht todt? - Wohl denn, so mag er leben,
Bis ich das Blatt gelesen.
(Ein Schwarzer übergiebt ihms. Er liest)
"Liebste Fatime!
Wenn du dieses Blatt erhältst, bist du vielleicht schon
dem Tode nahe, denn eine solche Treulosigkeit, deren
<62>
man mich zeiht, und die man auch dir schwerlich ver-
borgen hat, müßte wohl dein Herz brechen. Doch
nein, Geliebte! So ein Gedanke kam nie in meine
Brust. Zeangir, mein Freund und Bruder, wir dir
den Zusammenhang erklären. Um mein und dein
Leben zu retten, und unser Wiedersehen zu bewirken,
ward ich von Boshaften beredet, zu diesem Betrug die
Hand zu bieten, Pflicht und ehrerbietung gegen einen
Vater zu verletzen, der - auch wenn er strenge ist -
doch noch Vater bleibt und meine Ehrfurcht verdient" -
Ha, was ist das!

MUSTAPHA.
Mein Vater!

SOLYMANN.
Licht! ach Licht
In dieser Finsterniß!

MUSTAPHA.
Es ist geschehen!
Des Schicksals Sprich erfüllt. - Ermanne dich,
O Solymann!

SOLYMANN.
Nein, ich muß mehr noch hören. (liest weiter)
"Der Betrug kommt von Rustan. Er gab ihn an, nun
weißt du genug. Ich sterbe ruhig, wenn du von mei-
ner Unschuld überzeugt bist. - Leb wohl!"
Ach, Hilfe! Hilfe! - Sklaven, eilt nach Aerzten! -
wer mir ihn rettet, den verkannten Shon,
Dem sey ein Königreich zum Lohn gelobt.
(Ein Sklave unterstützt Mustapha durch seinen Arm, so daß er
zum Sitzen kommt, und das Publikum ihn bis zum Augen-
blick des Sterbens sehen kann.)

MUSTAPHA.
Vergebens! - Ach, ich fühle schon den Tod
In jeder Nerve! - O, vergieb es mir,
Mein Vater! Ach, ein edles Weib zu retten,
<63>
Des Kerkers Eisenthor zu öffnen ihr, -
Das überwand des Herzens bange Zweifel,
Und leitete zum schändlichen Betruge.
Ich büße schwer dafür.

SOLYMANN.
Vergeben? Wie?
Ich soll vergeben, der dich morden hieß?
O Sohn, geliebter Sohn! Vergieb du mir,
Dem Rasenden, auf dessen tollen Ruf
Die Schwerder hell ob deinem Haupt geblitzt.
Noch hoff' ich, daß des himmels Macht dich rette,
Dein Leben friste, das mir theuer ist.
Ah! schrecklich, fürchterlich ward ich betrogen,
Durch List und Schurkerey. Sprich, warst du ganz
Unschuldig? hast dir gar nichts vorzuwerfen?

MUSTAPHA.
So wahr ich bald vor meinen Richter trete,
So wahr mir der Prophete gnädig sey,
Unschuldig bin ich, und vergebe Jedem,
Der Böses mir gethan, von ganzem Herzen.

SOLYMANN.
Du sollst gerochen werden fürchterlich,
Mein Sohn! Es sterbe der Verräther unter
Erlesnen Martern. Tropfenweise soll
Das schwarze Blut aus seinen Adern rinnen,
Und immer will auf neue Qual ich sinnen.

MUSTAPHA.
Vergieb ihm, Herr! Er war das Werkzeug nur
In einer höhern Hand, mich zu verderben.
Was uns beschieden ist, im Lauf zum Ziele
Zu dulden, ja, das muß geduldet seyn.
Da hilft kein Sträuben, und gleichwie der Topf
Den Töpfer niemals meistern kann, - so müssen
<64>
Auch wir dem Meister ruhig stille halten,
Der unsers Leben Plan gezeichnet hat. -
Gieb mir die Hand, mein Vater! Lasse mich
Zum letzenmal mit Innigkeit sie küssen!

SOLYMANN.
Sohn, schone mein mit deiner Engelsgüte,
Ich, ihrer unwerth, winde krampfhaft mich
Wie ein getretner Wurm vor dir. O wehe!
Du, ach! du kannst das Unrecht nicht vergeben,
Das dir durch mich geschah. - Schon donnert mir
Der Rache Stimme fürchterlich ins Ohr:
"Du bist verflucht, hast an dem Paradieß
Dein Theil verloren!" (Man hört Waffengetöse)
Weh mir, ich höre schon
Von ferne her Geheul der Furien, -
Der Ketten Rasseln - blanker Schwerder Klang. -
Gerechter Gott, ich bin - ich bin verloren.
(Mustapha stößt einen Seufzer aus und stirbt)

Dritter Auftritt


Vorige. Achmet (tritt mit Ianitscharen, alle die
Schwerder entblößt, herein.)

SOLYMANN.
Was wollt iht? - Sucht ihr mich? - O, ich verberge
Mich nimmermehr. - Heran, zu mir heran! -
Vollendet eilends, nehmt mein Leben hin,
Zur Sühne dessen, was ich angerichtet,
Als Zorn und Wuth mein hartes Herz umgab.
Hier - seht! - hier liegt der Sohn, gemordet auf
Befehl des Vaters. - Tödtet mich, ich bin
Nicht werth, daß ich noch lebe.

ACHMET.
Ha, Tyrann!
Ist das dein Sohn, der hier im letzten Röcheln
<65>
Den Geist verhaucht? und hast du ihn gemordet,
So ruf' ich Wehe, dreyfach schrecklichs Wehe
Aus über deinem Haupt. - Komm, mord' auch mich!
(Er entblößt die Brust)
Dieß Herz durchstoße, das ihn heiß geliebt.
O warum zögerte so lang mein Schritt
Zur Rettung? - Himmel, warum träumt' ich doch,
Es könn' auch wohl in eines Tiegers Brust
Ein Herz noch wohnen, welchem Vaterliebe
Nicht fremd sey? - O Mustapha, mein Freund,
Mein Bruder, der erst Werth dem Leben gab,
Du, dessen Freundschaft mich so hoch beglückt,
Warum mußt' ich zu spät' erscheinen? - Ah!
Warum hab ich so streng dein Wort erfüllt,
Geglaubt, daß die Gefahr verschwunden sey,
Daß meines Arms du nicht bedürftest? O!
Wie fürchterlich ward ich getäuscht! - Und nun,
Da die Gefahr, die Freunde mir verriethen,
Wild über dir geschwebt, - komm ich zu späte. -
Ich will, ich mag nicht leben ohne dich,
Doch will ich auch nicht eher sterben, als
Bis ich jeden in des Todes Staub
Gestreckt, der dich, du edler Prinz, verrathen. -
Mir nach, ohr Kampfgesellen! - Königlich
will ich euch lohnen jeden Kopf, den ihr
Von blutbetrieften Picken oder Schwerdern
Mir wild entgegen schleudert.
(Achmet voran, die Ianitscharen hinter ihm, wollen wegeilen.
Solymann nimmt jenen beym Arm und sagt)

SOLYMANN.
Achmet, halt!
Nur ich verdiene deine Rache, denn
Nur ich, im tollen Sturm der Leidenschaft
<66>
Ließ ihn ermorden, sah und hörte nicht,
Als seine Unschuld er beschwor. - Ich trat
Die heilige Natur, die Vaterpflicht,
Die Stimme der Gerechtigkeit mit Füßen.
Ich hörte nicht Zeangirs Jammerton,
Der für den armen Bruder wimmerte.
Dem Gifte der Veräumdung ganz allein,
Das Rustan ausgesprüzt, lieh ich mein Ohr,
Und nur des Weibes glatter Schmeicheley
War offen meine Brust. Drum tödte mich
Zuerst, dann treffe schnell der Rache Schwerd,
Wer dir der Rach', Erzürnter, schuldig scheint.

ACHMET.
Du daurst mich, Herr! du warst ja nur der Ball,
Mit dem die Bösen spielten. Kann denn der
Dafür, wenn er dem nächsten besten in
Die Augen springt? - Glaubst du, ich sey ein Kind,
Das an dem Tische sich durch Streiche rächt,
An dem es unvorsichtig sich gestoßen?
Mein Schwerd ist nicht für deine Brust geschliffen.
Auch wenn dein Sohn noch lebte, nimmermehr
Wär' ein Verrath im Plan gewesen, dich
Zu kränken, aber Flucht von dir, vom Hof
Und all' dem höfischen Gesindel, das
Nur sinnt und laurt auf anderer Verderben.
Ein fernes stilles Land hätt' uns empfangen,
Vom Ocean umflossen, wo kein Neid,
Kein Trug und keine nied're Flaschheit uns
Das kruze Leben bittern sollte. - Ach,
Es war ein schöner Plan, im Schooße der Natur
Von tausend Lebensstürmen auszuruh'n,
Mit eig'ner Hand ein kleines Feld zu bau'n,
Und jedem Tag, nach ruhevoller Nacht,
Gestärkt, aus unsrer Hütte mit Gesang
<67>
Und mit Gebet und heiterm Sinn entgegen
Zu gehen, statt vom Schwarm der Höflinge,
Soldaten und Verschnittenen umgeben,
Von froher Kinder Reihen sich umtanzt,
Und statt von Sklavinnen - gezwungen - sich
Vom Weib des Herzens nur geliebt zu sehen.

SOLYMANN.
Und diesen Plan hat meine wilde Faust
Zerrissen? Weh und dreymal Weh dem Mörder!

ACHMET.
Zu diesem Leben wollte Mustapha
An meiner Hand ich leiten. - Nun, es ist
Vorbey! - Der Blitz zertrümmerte das Schloß,
Das ich auf Sand gebaut. Die Rose sank,
Vom Mittagsstral getroffen, nieder, die
So lieblich mir gedüftet. - Ach, ich steh
Allein mit meinem Schmerz. Kein Mensch auf Erden
Kann von mir nehmen diese Zentnerlast.
Wild, wie empörtes Meer, kocht's mir im Busen.
Blut! - Blut! - Es fließ an des Freundes Gruft,
Wenn Ruhe noch dieß Herz erfüllen soll.

SOLYMANN.
Hier meine Hand, du sollst gerochen werden,
Eh' in die Flut des Meeres die Sonne sinkt.
Wie könnt' ich dem vergeben, der durch List,
Im Höllenpfuhl geschmiedet, mich des Sohnes
Beraubte? - Ha, wie beb' ich! - Blicke nicht
Herab, o Gott! auf mich, den Sohnesmörder!
(schlägt sich vor die Stirne)
Hier steht es, hier an meiner Stirne: "Mörder"!
Ihr Seligen von dorten, blicket nicht
Auf mich Verworfnen! - Jammer ist mein Loos,
Und nicht Erbarmung! - Jeder junge Tag
<68>
Wird seine Pforte mir zur Qual eröffnen;
In jeder Nacht wird die Gestalt des Todten
Vor meinem Lager blutig stehen, - drohen
Mit der geballten Faust, - um Rache heulen,
Zu mir Verdammtem, auchum Mitleid flehen,
Und wenn im kalten Schweiß ich liege, mich
Verlassen, weggewandten Blicks. - Verloren,
O Gott! verloren für die Ewigkeit! -
Wer rettet mich von dieser Qual? - willst du
Es, Achmet? -

ACHMET.
Kann ich's, Herr?

SOLYMANN.
Ich brauche Rath
Und Trost in jeder Stunde, bis der Tod
Mein Elend endet. Komm, o komm und sey
Mein Freund!

ACHMET.
Recht gerne, wenn's dein Herz beruhigt.
doch daß die Blutschuld nicht auf deinem Reiche
Wie Pest im Mittag ruhe, Gott und sein
Prophet sie nicht an dem Schuldlosen räche,
So tilge den Verräther von der Erde,
Deß Werk sie ist. Mir aber, Herr, vergönne
Daß ich der armen Gattin Mustapha's
Und ihrem Sohn des Jammers Thräne trockne,
Dem Herzen Tröstung bringe, deine Gnade
Verkünd' und dann dem Kerker sie entreisse,
In dem sie nun so mache Monden schmachtet.
Sie war das höchste Gut des Mannes, der
So schändlich starb. - Wenn du ihr Gutes thust
Und ihrem Kinde, o! so dankt es dir
Sein Geist, der uns vielleicht jetzt still umschwebt,
Eilt ausgesöhnt dem Paradiese zu.

<69>
SOLYMANN.
Gewähret sey, was du gebeten hast.
Such' ihr ein Schloß in angenehmer Gegend,
Dort wohne sie in Ruh und Einsamkeit.
Kein Wunsch bleib' unerfüllt, und kein Bedürfniß,
Klein oder groß, bleib' ungestillt. Ihr Sohn
Sey einst der Erbe meines Kaiserthrones.
Die Tugend seines Vaters, seiner Mutter,
Verleih' ihm Glanz, uns seiner Völker Liebe
Entschädig' ihn dereinst als Mann für das,
Was er als Kind so unverdient gelitten.

ACHMET.
Gott segbe dich, Monarch, ich danke dir
Und eile - -

SOLYMANN.
Dieser ring entschließt die Thüre
Des Kerkers dir, weis' ihn nur vor.

ACHMET.
Und nun
Noch einen Augenblick zu dir, - zu dir,
Entseelter Freund!
(Er naht sich Mustaphas Leichnam, hält die eine Hand vor die
Augen, und faßt mit der andern eine Hand des Todten.
auf einmal stürzt er auf die Kniee, läßt den Kopf auf die
starre Brust sinken, küßt den Mund, und sagt gerührt,
indem er nach einer kurzen Pause aufsteht:)

Leb wohl, leb ewig wohl!
(Dann verbeugt er sich vor dem Sultan, und geht mit den
Soldaten ab. Alle stecken die Schwerder ein.)

Vierter Auftritt



SOLYMANN. (allein)
Wie ist dir, Solymann? - Nicht wie es sollte.
Von ihnen, die den schönen Plan geboren,
<70>
Läßt keins sich sehen. - wo sie stecken mögen?
Da lassen sie mich stehn mit etlichen
Verschnittenen, gleich einem blöden Knaben,
Den's ja der Mühe werth nicht ist, zu achten,
Und schmieden heimlich wieder Pfeile, die
Mein Herz verwunden sollen. - Nur Geduld,
Bald habt ihr ausgeschmiedet, und ich will
Durch eure Plane blut'ge Striche machen,
Die Höll soll, wuthgrinsend, sie belachen.

Fünfter Auftritt


Solymann. Roxane.

ROXANE.
Dank dem Propheten, denn du lebest, Sultan!
Wie hab' ich nicht für dich gezittert, als
sich Achmet und sein Anhang wild herauf
Die Marmorstuffen des Pallastes drang!

SOLYMANN. (für sich)
Du Heuchlerin!
(laut) Sieh her! Schau, kennest du
Den Leichnam?
(Er zeigt ihr Mustapha's Leiche, die nach
Achmets Abgang ein Stummer mit einem
Tuch bedeckt hat.)

ROXANE. (mit einem Freudengeschrey)
Mustapha?

SOLYMANN.
Richtig errathen.
Gefällt er dir so besser, als da er
Noch lebte?

ROXANE.
So gelang der große Streich
Vor Achmets Sturm? - So fiel er, der Verräther?

SOLYMANN.
Verstumme! - Wie? Verräther? Ja, das seyd ihr,
<71>
Ihr, Brut der Hölle! - Fluch und Tod, Verderben
Komm' über euch!

ROXANE.
Du rasest, Sultan. - Sahest
Du denn nicht selbst von seiner Hand den Brief
An Persiens König?

SOLYMANN.
Lug und Trug sah ich,
Und hielt's für Wahrheit, ließ von Rustan schändlich
Mich hintergehen. - Ha! verlor den Kopf -
Und ließ den armen Prinzen niederhau'n. -
Mein Sohn! Mein Sohn, welch Unrecht that ich dir!
Doch ich will's rächen, wie ich schuldig bin.
So soll kein Mörder noch gefallen seyn,
Wie Rustan. - Kommt, ihr Furien der Hölle,
Helft mir auf unerhörte Qualen sinnen!
ein Tod ist nicht genug, nein, tausendmal
Soll er ihn sterben, bis, der Martern satt,
Ich selber athemlos zu Boden sinke.

ROXANE.
Betrog er dich, dann ward auch ich sein Opfer.
Denn eben das, womit er dich getäuschet,
Sagt er auch mir als heil'ge Wahrheit vor.
Begierde, dir zu dienen, Sultan, machte mich
Zur Feindin Mustapha's. Ich sah in ihm
Den Räuber deines Thrones, den verruchten
Schamlosen Vatermörder, und den Feind
Des Vaterlandes, dem der Tod gebühre.
War's nur Veräumdung Rustans, o so eile,
Und wirf der Rache Blitz auf seinen Kopf.
O, säume nicht, eh' vom Gerücht belehrt,
Was vorgegangen sey, er schnell entfliehe,
Und so der wohlverdienten Straf' entrinne.

<72>
SOLYMANN.
Mit mir, ihr Slaven! - Du sollst von mir hören,
Roxane. - Deinen Freund im Tod zu sehen,
Will ich dich nicht bereden, denn das Mitleid,
Wer weiß es, könnte doch ins Herz sich stehlen,
Ein flehender Blick den Arm des Rächers lähmen.
(Er geht mit den Stummen ab.)

Sechster Auftritt



ROXANE. (allein)
Ich danke für die hehe Ehre, Sultan,
So lüstern bin ich nicht. - Es konnte leichtlich
Mein eigner Hals in böse Klemme kommen,
Die eben mir nicht ganz gelegen käme.
Herr Rustan mag allein den Lohn sich holen,
Für seinen herrlich ausgedachten Plan,
Ich will ihn nicht beneiden. - Fahre wohl,
Mein Freund, und tausend Glück zur Reise!
Doch Scherz bey Seite! - Wenn er mich verriethe?
Mein Antheil ist vielleicht so stark, als seiner,
Am Tode Mustapha's. - Hab' Ich ihn nicht
Ermuntert, um dem Prinzen aufzulauern,
Und Schlingen ihm zu legen? - nicht ermuntert,
Zeangirn auf den Thron zu heben? - War
Ihm nicht dafür der schönste Lohn, die Hand
Der Tochter zugedacht?
(nachdenkend)
Mein höchster Trost
Bleibt immer noch des alten Sultans Schwäche.
er wird nicht hören auf das Wort des Mannes,
Den er "Verräther" nennt, und so stirbt Rustan
Von Henkershand allein. - Glück, steh' mir bey!
Ich bin ja nicht das einz'ge weib in der
Geschichte, die, wenn sie ein Thron gelüstet,
Dem Ehgemahle selbst sein Ziel gesetzt,
<73>
Geschweige einem Prinzen erster Ehe.
Was ist's denn auch für große Noth um Einen?
Bringt jede Nacht doch wieder neue Prinzen,
Und ich bedarf selbst dieses nicht, - Zeangir
Ist schon vorhanden. - Zwar, wer bürget mir
Für neue Zweifel seiner Kinderseele?
Denn daß sich so zur ungelegnen Zeit
Hier Achmet zeigte, wessen Werk war's wohl,
Als seines? - Nur mißlang der Streich, er kam
Zu spät, der Retter. - Aber nun, nun ist
Zopyr, der Sprößling Mustapha's noch übrig;
Den müssen wir besorgen, sonst ist nichts
Geschehen. - Pah! - Ein Würmchen ist ja bald
Zertreten, warum nicht auch so ein Knäbchen?
Ein Fläschchen Gift, gegossen in ein Glas
Sorbet, von mir ihm selber dargereicht,
Macht aller Sorg' ein Ende. - Endlich ist
Das Ziel erreicht, Roxane triumphirt, -
Wird Mutter eines Sultans, - - göttlicher
Prophet, hilf mir's erringen!
(Sie zieht eine Phiole mit Gift hervor, besieht sie,
lächelt und verbirgt sie wieder.)
Auf zur That!
(Indem sie hinauseilen will, stürzt Zeangir herein.)

Letzter Auftritt


Roxane. Zeangir.

ZEANGIR.
Ich muß mich überzeugen.

ROXANE.
Was, mein Sohn?

ZEANGIR.
Ob's möglich, daß so weit der Menschen Bosheit
Ihr Spielwerk treib'. - Ein fürchterlich Gerüchte
<74>
Kam mir zu Ohren. - Mustapha, so hieß es,
Lieg' hier ermordet in des Vaters Saal,
Auf sein Geheiß ermordet. -

ROXANE.
Leider ja,
Es ist so.

ZEANGIR.
Ah! - Gerechter Gott! - Ermordet,
Durch seinen Vater? - Abgrund, öffne dich,
Und schlinge mich hinab, daß ich nicht sehe
Die Gräuel, die hienieden schrecklich wüthen.

ROXANE.
Gieb dich zufrieden! - Menschenschicksal, Prinz,
Ist selten ungetrübet.

ZEANGIR.
Wie? zufrieden?
O, nimmermehr! - Ist jedes menschliche
Gefühl in dir erstorben, Mutter?

ROXANE.
Mein
Gefühl beschränkt sich nur auf dich, mein Theurer.
Du bist's, für den ich lebe, - athme -

ZEANGIR.
Nun? -
Hast du nicht nar in süßer Hoffnung, mir
Recht großen Dienst zu thun, zu diesem Mord
Das Deine beygetragen? - Ha, dann treffe
Dich siebenfach des Himmels Fluch! Mein Fluch
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!

ROXANE.
Bist du
Von Sinnen, Rasender? und hab' ich das
Um dich verdient für alle Müh' und Sorge?

<75>
ZEANGIR.
Du weiß es längst, wie wenig dein Bemühen
Nach meinem Herzen war, und wolltest du
Mein Glück durch Brudermord erkaufen, - o,
wie sehr verkanntest du das Herz, das ihm
So treu ergeben war!
(Er enthüllt Mustapha's Leiche)
Unglücklicher!
So mußtest du vollenden? - Komm zurück
Aus jenen seligen Gefilden, Freund!
Doch nein, komm nicht zurück, denn diese Welt
War deiner doch nicht werth. - O rufe
Zu ihm mich, großer Gott, ins Paradieß,
Wo's keine Mörder giebt!
(Er stürzt sich auf ihn)
Mein Bruder, ach,
Mein Freund, mein Mustapha! - ach, ohne dich
Kann ich nicht leben, - kann ich, will ich nicht!
Verhülle mich, du edler Märtyrer,
In deinen Engelsglanz, und führe mich
Durch dieses Thal der Nacht zum hohen Lichte!

ROXANE.
Ermanne dich, Zeangir! Auf, zum Throne
Ist nun der Pfad geebnet.

ZEANGIR.
Thron und Thron
Um's zweyte Wort. Wenn ich nun keinen Thron
Verlange? - Gebt den Narren Diademe,
Und Kindern, diese spielen gern mit Puppen,
Und freuen sich des blanken Flittergoldes.

ROXANE.
Du kennst noch nicht den Glanz von einem Thron,
Mein Sohn.

ZEANGIR.
Er blendet nur.

<76>
ROXANE.
O nein, o nein!
Sprich, ist's denn nichts, die halbe Welt zu Füßen
Sich liegen sehn? - Wie gott in Donnerwettern,
Wenn er den Blitz aus ferner Höhe schleudert,
Den Erdkreis zittern macht, - so zittert alles,
Wenn du gebietest, - und gleichwie wenn Er
So sanft und mild im linden Lüftchen säuselt,
Sich selbst der Wurm zum frohen Dank erhebt,
So sinkt anbetend in den Staub das Volk,
Wenn du den Zepter huldreich neigest, wenn
Sein Flehn du hörest; - was du willst, geschieht.
Dein Wink erschafft Palläste, und ud sprichst,
So sinken sie in der Vernichtung Staub.
Dir huldigen die Künste, dir die Schönheit,
Ein jedes Mädchen ist die glücklichste,
wenn du für deine Arme sie erkiesest.
ein jeder jüngling preißt sich glücklich, wenn
In deinem Dienst sein Blut fließt, jeder Knabe
Möcht' auch ein Jüngling seyn, ihm nachzuahmen,
Du kennst noch nicht das Glück, Regent zu seyn.

ZEANGIR.
Ich kenn' ein schöners Glück.

ROXANE.
Ha ha! - zu kriechen?

ZEANGIR.
O spotte nicht, Roxane! - Dieses Glück, -
Ich nenn' es nicht, du hast nicht Sinn dafür.
Doch nur dieß Eine merke dir, das Glück
Der Edeln blühet nur verborgen,
Und geht mit ihnen in die beßre Welt.

ROXANE.
Ich sehe wohl, noch bist von Schwärmerey
<77>
Du nicht geheilt, das mag die Zeit bewirken.
Indessen wirst du mir es nicht verdenken,
Wenn ich der tollen Streich' ein wenig zürne,
Die deine Jugend unbedachtsam treibt.
Was ich für dich und für dein Glück gethan,
Verkennst du blind, und auch was Rustan that.
Verkennst nicht bloß, verrückst wohl auch das Ziel
Des hohen Strebens; denn warst du es nicht,
Der Achmet rief, in diesen Saal bewaffnet
Mit Ianitscharen einzudringen?

ZEANGIR.
Ja,
Ich war es. Hätt ichs eher doch gethan,
So lebte Mustapha.

ROXANE.
Weißt du die Folge?
O sieh, zum Dank für seine Treue blutet
Jetzt Rustan auf der Henkersbank.

ZEANGIR.
Gott Lob!

ROXANE.
Gott Lob? - Vielleicht sähst du wohl gerne, wenn
Die Mutter mit ihm blutete? - Sieh her,
Auf mein Geheiß that Rustan, was er that.
Ich war es, die ihn längst ermunterte,
Für Mustapha die Gruft zu graben. Ich,
ich schlief den Todespfeil, der ihn getroffen,
Dein sollten seyn die Folgen. Und zuletzt
Hatt' ich dieß Fläschchen noch gespart, (zeigt es ihm)
Zopyren
Still aus der Welt zu fördern, daß dann nichts
Im Weg dir steh zum Throne der Osmannen.
<78>
Hast du Verstand, zu fassen, was das heiße,
So sage, welcher Lohn ist mir beschieden?

ZEANGIR.
Hier hast du ihn!
(Er zieht einen Dolch hervor, stößt sich denselben in die
Brust, und sinkt neben Mustapha nieder.)

ROXANE.
Gerechter Gott, was thust du?

ZEANGIR.
Was du gethan. - Dein unerhört Verbrechen
Durft' ich nicht strafen. - Das wird Gott einst rächen.
(Er stirbt.)

ROXANE.
(Stürzt sinnlos zu Boden, ringt die Hände,
und der Vorhang fällt.)

Ende des Trauerspiels.