Friederich Meisner: "Die Leichtsinnigen. Ein Schauspiel in vier Aufzügen", Hannover: Hahn 1796

 

S. 103f.: "Wagens[eil]: Diese Hoffnung macht mir es nun zu desto größerer Freude, Ihnen ankündigen zu können, daß Ihre ganze Noth - gehoben ist.

Kriegsr[ath Färber] (traurig). Wie wäre das möglich?

Wagens. Ihre Schulden sind bezahlt.

Kriegsr. Spotten Sie meiner?

Hewd[ig], Phil[ippine], Aug[ust; des Kriegsrats Kinder, Anm.]. Bezahlt?

Wagens. Alles ist bezahlt.

Kriegsr. Wie kann das aber seyn?

Aug. Wer hat sich unserer angenommen?

Wagens. Ich habe bezahlt.

Alle (höchst erstaunt.) Sie?

Wagens. Ja, ich; und das war ich mir und diesem vortrefflichen Mädchen schuldig. (Er führt Hedwig vor.)

Kriegsr. Aug. Phil. Wie konnten Sie aber - Bei Ihrer Armuth - Unbegreiflich!

Wagens. Ich bin nicht so arm, als ich bisher geschienen habe, und absichtlich geschienen habe. - Auch bin ich überhaupt nicht das - wofür Sie mich gehalten haben.

[S. 105] Alle. Wer sind Sie dann?

Wagens. Ich bin Besizzer großer Güter in Liefland. Mein Name ist Lilienfeld.

Kriegsr. Die Familie ist mir bekannt. - Aber wie kommen Sie zu dieser Maske?

Wagens. Ich will Ihnen die reine Wahrheit sagen. Nennen Sie es Grille, oder wie Sie wollen - ich suchte lange schon eine Gattin, und fand keine, die meinem Sinne behagte, weil ich bei allen verschrobene Köpfe und verschrumpfte Herzen entdekte. Da kam mir der Gedanke ein, mein Vaterland zu verlassen, und auswärts zu suchen, was ich dort nicht finden konnte. - Ich wollte ein unverdorbenes, unschuldiges, edles Geschöpf [-] ich gab mich für einen Erzieher junger Frauenzimmer aus, weil ich unter dieser Maske hoffen durfte, die Herzen vieler jungen Mädchen am besten erforschen zu können, und im Voraus war es bei mir fest beschlossen, das beste Mädchen, das ich finden würde, nach meinem Sinne zu erziehen, und einst zu meiner Gattin zu machen. Sie vertrauten Ihre Hedwig meiner Erziehung an, und sie ist es, die ich mir erzogen habe.

[S. 106] Kriegsr. Phil. Aug. Was hör' ich? Ist es möglich? Hedwig!

Wagens. Schon längst hätt' ich mich entdekt, und Sie um die Hand Ihrer Tochter gebeten. Aber Eins hielt mich zurük. Ich kannte Ihre Lebensart, Ihre Verschwendung, Ihren Leichtsinn. Ich überzeugte mich, daß kein anderes Mittel Sie davon heilen würde, als die Erfahrung, die Sie heute gemacht haben. Darum wartete ich Ihren völligen Ruin ab. [...]".

Siehe auch das Digitalisat bei books.google.de.

 

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