Funktion und Aufbau der Schilddrüsen

Die Schilddrüsen produzieren und speichern Thyroxin (T3) und Trijodthyroxin
(T4).
Durch die Absonderung dieser Hormone wirken die Schilddrüsen sehr
umfassend auf den Stoffwechsel, die Organentwicklung, das Wachstum und
auf Teile des Nervensystems ein. Das T4 stellt das Reservoir für die
Umwandlung in das aktive T3 dar, wobei dessen Bedeutung beim Hund nicht
geklärt ist.
Hormonproduktion und Schilddrüsengröße werden durch
zwei übergeordnete
Regelsysteme gesteuert:
Die Hirnanhangdrüse (Hypophyse), schüttet das Thyreoidea-Stimmulierende-Hormon
(TSH) aus. Je weniger T3 im Blut, desto mehr TSH wird ausgeschüttet,
um die
Produktion hochzufahren.
Die Hypopyhse wiederum wird von einem Teil des Zwischenhirns reguliert,
dem Hypothalamus, der das TRH, das Threotropin-Releasing-Hormon ausschüttet:
1. Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose)
Die vermehrte Hormonproduktion bewirkt eine generelle Steigerung des
Stoffwechsels. Sie wird beim Hund relativ selten beobachtet und tritt dann
überwiegend im Zusammenhang mit Schilddrüsenkarzinomen auf. Allerdings
kann sie auch als Durchgangstadium zu Beginn einer Unterfunktion der Schilddrüsen
beobachtet werden. Hierbei handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um
Autoimmunerkrankungen, d.h. das Abwehrsystem geht (krankhafter Weise) gegen
das eigene Schilddrüsengewebe vor.
2. Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose)
Ursachen:
2.1 Erworbene Hypothyreosen
- durch Jodmangel in der Nahrung
- Viruserkrankungen
2.2 Kongenitale (angeborene) Hypothyreose
Es zeigen sich schwerste Erkrankungen, z.B. Wachstumsstörungen.
Bei schweren Hypothyreosen werden Welpen tot oder lebensschwach geboren.
Sie weisen Kröpfe und aufgeschwemmte, ödematöse Haut auf.
Oft werden die toten Welpen ohne weitere Abklärung beseitigt.
Besteht die Schilddrüsenunterfunktion schon während der Embryonalentwicklung,
so
ührt dies zum Kretinismus mit geistiger Unterentwicklung und einem
Zurückbleiben
der sexuellen Entwicklung. Weitere Kennzeichen sind ein kurzer, kyphoischer
Rücken,ein gedrungener Hals, dicke und kurze Vorderpfoten, eine schmächtige
Hinterhand,ein tiefer Brustkasten und der traurige Blick.Als weitere Ursachen
werden auch angeborene Fehlbildungen in den "höheren"Steuereinheiten
der Schilddrüse beobachtet. Diese Fehlbildungen in Hypophyse oder
Hypothalamus sind aber beim Hund sehr selten und sollen hier nur der Vollständigkeit
halber Erwähnung finden.
Bei den kongenitalen Mißbildungen ist eine genetische Disposition
sehr wahrscheinlich.
2.3 Hypothreose beim erwachsenen Hund (Unterfunktion)
2.31. primäre Hypothyreose
Die Schilddrüse selbst kann nicht genügend Hormon produzieren.
Obwohl diese Form der Hypothreose häufig vorkommt, bleiben aufgrund
fehlender Diagnosemöglichkeiten viele Fälle unerkannt oder werden
falsch behandelt. Als Ursachen findet man: Autoimmunkrankheit idiopathische
Atropie (auf deutsch: Gewebeschrumpfung unbekannter Ursache),diese beiden
erstgenannten machen ca. 95% aller Hypothreosen aus!Entzündungen Tumoren,angeborene
Schilddrüsenfunktionsstörungen,Zustand nach Schilddrüsen-OP,Zustand
nach Strahlenbehandlung der Schilddrüse,Medikamtenteneinwirkung,Extremer
Jodmangel,starker Hormonverlust via Nieren oder Darm.
Wenn auch beim Menschen deutlich mehr das weibliche Geschlecht von
Hypothyreosen betroffen ist (10:1), so soll das Verhältnis weiblich
: männlich beim Hund bei 2,5 : 1 liegen. Andere Quellen sprechen von
0,8 : 1 beim Hovawart.
Auf die beiden erstgenannten Formen der primären Hypothyreose
möchte ich näher eingehen:
- Autoimmun-Thyreoiditis:
Beim Menschen stellt diese Erkrankung die häufigste Ursache
für die primäre Hypothyreose dar. Über 90% der Fälle
betreffen Frauen. Außerliches Zeichen ist der Kropf.Ausgelöst
wird dieses Krankheitsbild dadurch daß das körpereigene Abwehrsystem
das Schilddrüsengewebe angeht. Im Blut findet man Antikörper
gegen Schilddrüsengewebe und Kolloid (das Reservedepot für die
SD-Hormone). Folge davon ist eine Schrumpfung oder aber auch eine Vergrößerung
des Gewebes, wobei die Hormonproduktion normal, eingeschränkt oder
aber auch überschießend sein kann.Es kommt zu einer chronischen
Entzündung der Schilddrüse, immer mehr Zellen werden zerstört.
Dadurch wird immer weniger Hormon produziert. Endzustand ist nach der Atropie
(dem Schwund) die Aplasie (das Fehlen) der Schilddrüsen.Auch beim
Hund ist der Krankheitsmechanismus identisch. Allerdings ist der Antikörper-Spiegel
im Blut nicht so aussagekräftig wie beim Menschen, so daß die
Diagnose hier schwerer fällt. Auch findet man bei Hunden keinen Kropf.Man
geht davon aus, daß gentetische Faktoren das Auftreten dieser Erkrankung
auslösen.Dafür spricht auch, das beim Vorliegen dieser Erkrankung
gehäuft auch andere, ebenfalls Autoimmun-Krankheiten auftreten: Diabetes
mellitus,Anämieformen, Gefäßerkrankungen, chronischer Rheumatismus
und andere.
- idiopathische Atropie des Schilddrüsengewebes:
Durch einen nichtentzündlichen Vorgang kommt es zu einem
fortschreitenden Verlust von Gewebe und zu einer Schilddrüsen-Schrumpfung.
Auch hierbei sind genetische Faktoren wahrscheinlich ursächlich.
2.3.2. Sekundäre Hypothreose
Durch den Ausfall von TSH wird zu wenig T4 produziert. Als Ursachen
findet man Krankheiten der Hypophyse, z.B. angeborene Fehlbildung der Hirnanhangdrüse
oder tumoröse Prozesse. Diese Form kommt beim Hund in weniger als
5% der Fälle vor.
2.3.3 Tertiäre Hypothyreose
Der Krankheitsherd liegt im Hypothalamus, der durch Ausschüttung
von TRH die Prodution von TSH in der Hypopyhse steuert. Diese Krankheitsform
ist bei Haustieren noch nie beschrieben worden.
3. Symptome
Da die Organe über hohe Reservekapazitäten verfügen,
werden auch Schilddrüsen-Unterfunktionen erst bemerkt, wenn ca. 75%
des Schilddrüsenngewebes ausgefallen sind. Daher kann es zwei bis
drei Jahre dauern,bis die Krankheit ausbricht. Da die Krankheit aber recht
langsam fortschreitet,kommt es oft vor, daß die Hunde erst mit vier
bis sechs Jahren untersucht werden.Vielfach denken die Hundehalter auch,
daß sich ihr Tier einfach durch das Älterwerden verändert.
Unbehandelt stellt sich das gesamte Krankheitsbild erst im Laufe eines
längeren Zeitraumes ein. Da Schilddrüsenhormone auf alle Körperzellen
wirken, ist bei einer Erkrankung mit sehr vielen Krankheitszeichen
zu rechnen:
Als allgemeine Krankheitszeichen können auftreten:
Lethargier, Interesselosigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis, verminderte
Ausdauer:
Ein noch junger Hund wirkt plötzlich sehr alt,trauriger Gesichtsausdruck,schmerzhafte
Schluckstörungen,Wesensveränderungen (Reizbarkeit, Aggressivität),Kälteempfindlichkeit,aufgedunsenes
Gesicht,Gewichtszunahme bei gleicher Futtermenge,Lahmheiten.
Am Herz-Kreislaufsystem findet man:
verringerte Herzfrequenz,schwacher Puls,niederige Körpertemperatur,kalte
Haut
Haut:
trockenes, sprödes, stumpfes Haarkleid,Schuppen,vorzeitiges
Ergrauen,Haarverlust,Überpigmentierung der Haut,"Afghanenrute",verzögerter
Haarwechsel
Neurologische Störungen:
steife, langsame Bewegungen bis hin zu Lahmheit,Gesichtslähmungen,Störung
des Gleichgewichtsorganes mit Kopfschiefhaltung, driftende Bewegungen,Kehlkopfstörungen
mit Atemnot, Rasseln der Stimme,Störungen der Speiseröhre duch
Erschlaffung
Störungen der Fortpflanzung:
verminderter Geschlechtstrieb,Unfruchtbarkeit ,Ausbleiben der
Läufigkeit oder verlängerte Läufigkeitsblutung,vermehrt
Aborte, Totgeburten oder resorbierte Föten,Scheinträchtigkeit,Welpen
einer erkrankten Hündin können mit Taubheit oder Herzfehlern
geboren werden.
Gleichzeitig mit einer Autoimmun-Threoiditis werden auch Hodenentzündungen
beobachtet. Die betroffenen Rüden haben kleinere Hoden, schlechtere
Samenqualität oder sind steril.
Nicht immer findet man alle diese Erkrankungnen. Manchmal stehen einzelne Erkrankungen an Organen oder Organsystemen im Vordergrund.
4. Diagnose
Verschiedene Methoden und Tests stehen zur Verfügung. Nicht
alle besitzen den gleichen Aussagewert:
Bestimmung des Basalwertes von T4 oder freiem T4 (fT4): Oft verwendet,
aber beim Hund sehr unzuverlässig Index-Berechnung nach Larsson (k-fT4):
Bestimmung des Cholesterinwertes (da bei
Erkrankungen sehr häufig erhöhte Cholesterinwerte). Verfälschung
durch Vorliegen anderer Erkrankungen, fette Nahrung. Wenn exakt durchgeführt
(Hund nüchtern,Ausschluß anderer relevanter Krankheiten etc.),
besser als Basalwertbestimmung.
TSH-Stimmulationstest: Wird TSH verabreicht, sollte die Schilddrüse
vermehrt T4 produzieren. Der Test bietet gute Aussagekraft, wird aber wegen
Mangel an bovinem TSH kaum noch durchgeführt.
TRH-Stimmulationstest: Funktioniert beim Hund schlechter als TSH-Test,
ist aber besser als Basalwertbestimmung.
Messung von TSH im Blut: bei primärer Hypothreose ist T4 erniedrigt,
TSH erhöht,bei sekundärere Hypothyreose umgekehrt.
Szintigraphie: nuklearmedizinische Untersuchungsmethode, bei der möglichst
kurzlebige Radionukleide oder Radiopharmaka dem Körper zugeführt
und nach Verteilung im Körper registriert werden. So kann bei Tumorverdacht
dessen Ausdehnung oder Metatasierung erfaßt werden. Bei einer primären
Hypothyreose werden nur wenigen oder keine Nukleide eingebaut, es sieht
aus, als wäre keine Schilddrüse da.
5. Behandlung
Die fehlenden Schilddrüsenhormone werden künstlich
zugeführt. Eine klinische Besserung sollte nach ein bis zwei Wochen
eintreten. Das Fell sollte sich innerhalb von drei bis sechs Monaten normalisieren.Die
Gabe des syntetischen L-Thyroxin ist lebenslang notwendig. Die Dosierung
ist dabei relativ problematisch. Der Hund benötigt einerseits fünf
bis achtmal höhere Dosen als der Mensch, andererseits fehlen Daten
zu Verlaufs- und Therapienkontrollen.
Die empfohlene Dosis liegt bei 2 mal 20 Mikrogramm L-Thyroxin / kg
Körpergewicht täglich, d.h ein 30 kg-Hund bekommt morgens (nüchtern)
und abends je 600 Mikrogramm L-Tyroxin. Auch wenn zu Beginn der Erkrankung
noch Teile der Schilddrüse T4 produziert, muß diese Menge L-Tyroxin
gegeben werden, da die Schilddrüse sehr prompt auf die von außen
zugeführte Hormonmenge reagiert und ihre Tätigkeit einstellt.
Nach rund vier Wochen sollte der aktuelle Thyroxin-Spiegel im Blut
kontrolliert werden. Dies insbesonders, wenn keine sichtbare Verbesserung
eingetreten ist. Der Hundhalter kann durch Beobachtung feststellen, ob
der Hund hyperaktiv und/oder schreckhaft ist, sein Herzschlag erhöht
ist, er abmagert oder Durchfall hat. Die Dosierung ist in solchen Fällen
zu hoch.Beim Hovawart stellt sich bei richtiger Dosierung wieder ein glänzendes,geschmeidiges
und schuppernfreies Fell ein.Es gibt Hunde, die nicht genügend auf
die Behandlung ansprechen. Dies kann verschiedene Ursachen haben: falsche
Gabe der Tabletten (nüchtern geben, da sich L-Tyroxin an Nahrungskomponenten
binden und somit unwirksam werden kann),Tabletten nach Verfallsdatum. Auch
kann es sein, daß nicht jedes Präparat die gleiche Wirksamkeit
hat. Desweiteren können andere Medikamente die Aufnahme von L-Tyroxin
stören.
6. Vererbung
Bei der Entstehung einer primären Hyothreose ist eine starke
genetische Komponente sehr wahrscheinlich. Beim Menschen gibt es keinen
Zweifel an der Erblichkeit dieser Erkrankung. Die bisherigen Untersuchungen
beim Hund deuten ebenfalls auf eine erbliche Disposition auf polygener
Basis. Bei verschiedenen Rassen wurde ein gehäuftes Auftreten von
Hypothyreosen festgestellt.
Ich hoffe, daß es in den nächsten Jahren gelingt, auch bei
Hunden einen Nachweis für die Erblichkeit der Hypothyreose zu führen.
7. Resumee
Auch wenn das fehlende Hormon künstlich zugeführt werden
kann: Das Hormonsystem ist sehr komplex und nicht immer gelingt es, alle
Folgen des Hormonmangels dadurch zu beseitigen. Ein hypothyreoter Hund
ist und bleibt krank, er büßt viel von seiner Lebensqualität
ein. Nicht alle sprechen auf die Beahandlung an,viele Hunde werden gar
nicht als krank erkannt.
Durch züchterische Maßnahmen sollte diese Krankheit bekämpft
werden. Leider fehlen Daten über betroffene Tiere. Die Zuchtvereine
(in unserem Fall der RZV) sollten daher unbedingt über erkrankte Tiere
informiert werden.