Psychische Störungen

Betr.: „Immer mehr psychisch Kranke kommen in Krankenhäuser", taz vom 27. 7.11

Die zitierte Aussage von Schlenker („neue Volkskrankheit") suggeriert dass psychische Erkrankungen stark zugenommen hätten. Dafür gibt es aber keinen Beweis. Im Gegenteil, aus manchen Studien könnte auch der Schluss gezogen werden, dass die Prävalenz psychischer Erkrankungen gesunken ist, z. B. weil die schwer kriegstraumatisierten (Zweiter Weltkrieg) Menschen versterben. Die Auswertung von 44 epidemiologischen Arbeiten, die das Vorkommen psychischer Störungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen untersuchten, ergab, dass weder bei allgemeinen psychischen Störungen noch bei spezifischen Störungsbildern - außer bei der Demenz- ein eindeutiger anhaltender Trend in Richtung Anstieg belegt werden kann. (Richter, D et al, Nehmen psychische Störungen zu? Eine systematische Literaturübersicht, Psychiat Prax 2008; 35:321-30, DOI = 10.1055/8-2008-1067570). Die zuweilen unterstellte Zunahme psychischer Störungen, z. B. aufgrund des sozialen Wandels der Gesellschaft, konnte nicht bestätigt werden. Es ist nur so, dass Ärzte psyichische Diagnosen häufiger in Abrechnungen und Krankmeldungen aufschreiben.

DIETER WETTIG, Facharzt für Allgemeinmedizin, Wiesbaden