Mammografiescreening

Mehr Schaden als Nutzen?

Der Nutzen der Früherkennungs-Reihenuntersuchung ist nach wie vor nicht so gut belegt, wie das manche Werbekampagnen glauben machen, schrieben wir in unserem Report in der MMW Nr.47/2010, S.14. Dazu erreichte uns folgender Leserbrief:

In der Tabelle l „Entscheidungshilfen Mammografie" wird der Nutzen und das Risiko des Mammografiescree-nings gelistet. Aber die Zeit, die für die Durchführung aufgebracht werden muss, wird nicht genannt. Auch die Kosten nicht, die ja irgendwie gegenfinanziert werden müssen.

Eine Vergleichsstudie zum Mammografiescreening aus Norwegen ergab, dass 2500 Frauen über einen Zeitraum von zehn Jahren gescreent werden müssen, um einen Todesfall zu verhindern. Ohne Screening würden 90,2% der Frauen zehn Jahre überleben, mit Screening 90,25%. Das mache im Mittel einen gewonnenen Extratag in zehn Jahren pro Frau aus. Alleine aber um die Screeningtermine wahrzunehmen muss eine Frau in zehn Jahren etwa einen ganzen Tag Zeit aufwenden, wenn man auch die Wege- und Wartezeiten mitrechnet. Radiologen und ihre Helferinnen, die das Screening durchführen, wenden pro gescreenter Frau in zehn Jahren etwa einen achtel bis einen viertel Tag Zeit auf, um die Frau einzube-stellen, zu röntgen, Berichte zu schreiben, alles zu organisieren usw. Und die Menschen, die arbeiten, um über ihre Beiträge oder Steuern die Kosten des Programms zu tragen, müssen dafür pro gescreenter Frau in zehn Jahren etwa acht bis zehn Stunden arbeiten. Dazu kommt der Zeitaufwand, um die unnötigen Kontrolloperationen (Gewebeentnahmen, Amputationen) bei den falsch diagnostizierten Frauen durchzuführen und gegenzufinanzieren. Dem gewonnen Extratag stehen zwei verlorene Tage gegenüber.

Bilanz: Der Nutzen ist offensichtlich geringer als der Schaden. Ähnliche Zeitbilanzen kann man auch für das PSA-Screening aufstellen. Ich finde, man sollte diese Programme nicht mehr betreiben. Außer Spesen nichts gewesen. Natürlich gibt es aber trotzdem Leute, die auf jeden Fall immer davon profitieren: Die Arzte, die Helferinnen, die Industrie und die Verwaltung. Dorthin fließt das ganze Geld.

Dr. med. Dieter Wettig, Facharzt für Allgemeinmedizin, Erlkönigweg 8, 0-65199 Wiesbaden-Dotzheim

MMW-Fortschr. Med. Nr. 4 / 2011 (153. Jg.), Seite 22.