In den Archives of Internal Medicine wird die bereits publizierte GERAC LWS Studie jetzt recyclet:
German Acupuncture Trials (GERAC) for Chronic Low Back Pain
Randomized, Multicenter, Blinded,
Parallel-Group Trial With 3 Groups
Michael Haake, PhD, MD; Hans-Helge Müller, PhD; Carmen Schade-Brittinger; Heinz D. Basler, PhD; Helmut Schäfer, PhD; Christoph Maier, PhD, MD; Heinz G. Endres, MD; Hans J. Trampisch, PhD; Albrecht Molsberger, PhD, MD
Arch Intern Med. 2007;167:1892-1898.
Dabei werden die alten Behauptungen und Unrichtigkeiten einem von der Diskussion in Deutschland und Österreich weitgehend unberührten englischsprachigen Publikum aufgetischt. Dazu habe ich diese Kritik verfasst. Ich halte diese auch deswegen für angebracht, weil die Studie mit viel Tam-Tam in der Presse ins Gespräch gebracht wurde und dabei dort erneut die Aussage transportiert wird, daß es egal sei, wohin man steche.
"Hauptsache es piekt. Akupunktur jeder Art lindert Kreuzschmerzen" (Krone.at):
http://www.krone.at/index.php?http%3A//wcm.krone.at/krone/S15/object_id__79281/hxcms/
http://www.pressetext.ch/pte.mc?pte=070926016
http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/ruecken/rueckenschmerzen_aid_133911.html
"Akupunktur: Auch
falsche Stiche helfen Schmerzen lindern":
Diese Studie wurde bereits
früher in Deutschland veröffentlicht (8) und wurde wiederholt kritisiert, weil
lange vor Studienende das Design veröffentlicht worden war. Der gleiche Fehler
wurde auch während der GERAC-Gonarthrose Studie gemacht (1, 11).
2002 veröffentlichten
Trampisch et al. Details des Studiendesign im "Deutschen Ärzteblatt
(DÄ)" (2). Dieser Artikel teilte öffentlich mit: "....In der
Sham-Akupunktur werden Nadeln oberflächlich an definierten Nichtakupunkturpunkten
gesetzt....". Das DÄ hat eine
wöchentliche Auflage von 370.000 Exemplaren. Die online Ausgabe des DÄ hat
2.080.000 page impressions im Monat und ist ohne Passwort für jedermann zugänglich.
Im Oktober 2003 wurde der
detaillierte Studienplan im Internet veröffentlicht (3), zu dieser Zeit
kostenlos: „….Obligatory points are Ub 23, 40, 60, and Ki3 for dorsal pain or
Ub 23, Gb 34, 41 and Ki3 for lateral pain…. selected from Ub 24–34…. For
sham acupuncture, six needles on either side of the lateral part of the back
and two needles on the lower limb are applied
superficially (depth of needle insertion ,0.5 cm) at acknowledged nonacupuncture
points….”. Wieder konnten Probanden
darauf zugreifen, obwohl die Studie noch lief. Durch Lektüre des Studiendesigns
konnten sie herausfinden, ob sie zur Sham- oder Verum-Gruppe gehörten (sham
oder verum: „superficial or deep needeling“). Beschreibungen von
Akupunkturpunkten und Angaben zu deren Lokalisation finden sich kostenlos im
Internet (12). Entblindete Probanden, die zur Sham-Akupunktur-Gruppe gehörten,
konnten sich heimlich Zusatztherapien besorgen, ohne dem Studienzentrum oder
Telefoninterviewer davon zu berichten. Entblindete Probanden, die geschummelt
hatten, beantworteten die Entblindungsfrage ggf. nicht wahrheitsgemäß (5).
Ein weiterer Nachteil der
Studie ist, daß Probanden mit Akupunkturvorerfahrung teilnehmen durften.
Bereits 2001 schrieb White, daß Plazebo-Akupunktur (nur) bei Probanden ohne
Akupunkturvorerfahrung richtig zum Einsatz kommen kann (4). Erfahrene Probanden
konnten nicht nur in dieser GERAC Studie zwischen Sham- und Verum-Akupunktur
unterscheiden („superficial vs deep needeling technique“), dadurch waren sie
voreingenommen.
Alle GERAC-Studien, auch
diese, wurden wiederholt in deutschen Publikationen heftig kritisiert:
„…Ein Grund für die kontroversen
Diskussionen war unter anderen, daß das Studiendesign für jeden Interessierten
im Internet nachzulesen war, ….“ (9)
„….Kritisiert wird bei GERAC- Studien etwa,
daß Patienten das Studiendesign hätten kennen können, weil es im Internet
einsehbar war….“ (10)
"....Andere sagten, daß die GERAC-
Ergebnisse nicht aussagekräftig sein können, weil das Studiendesign für jeden,
also auch Patienten, im Internet zugänglich und keine Verblindung gegeben
war....". (10)
Wegen all dieser Probleme stelle ich die
Aussagekraft der LWS-Studie erheblich in Frage. Vielleicht sollten hier vom
Auftraggeber (deutsche Krankenkassen) auch (honorar-) politische statt
wissenschaftliche Ziele verfolgt werden?
Zur eminenten Bedeutung richtiger
Verblindung schreiben Bang et al:
"Success of blinding is a fundamental issue in
many clinical trials. The validity of a trial may be questioned if this
important assumption is violated." .... "A fundamental assumption for
this method ("Assessment of blinding in clinical trials") to be valid
is that participants who answer DK ("Don`t know") are truly uncertain
about their treatment assignment, not just giving a socially acceptable answer.
This assumption cannot be verified in the absence of any supporting information
from people who answer DK" (5).
Beyerle schrieb über den Beginn der GERAC
Studien:
"Die
Vertragsdoktores sind frustriert: Die Nadel trifft den Akupunktur-Ballon ....
Der genaue Blick legt Groteskes frei .... Als Höhepunkt der
"Verblindungsstrategie" wurden die Patienten suggestiv zur Teilnahme
an der Studie mit folgendem GERAC-Originalton eingeworben: "Herzlich
willkommen bei GERAC… Haben Sie Schmerzen im Knie oder im Rücken? Dann
profitieren Sie von GERAC (…) Wenn Sie an den Studien teilnehmen, werden Sie am
Ende den Schmerz allemal ausstechen (…) Über die Akupunktur berichten die Patienten
Fantastisches (…) Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) hat uns etwas
voraus (…) Bis Mitte 2003 haben Sie die Chance, sich bei einem von 400 ausgesuchten
Ärzten behandeln zu lassen. Dann nehmen Sie an Studien teil, die weltweit große
Beachtung finden (…) Wir, das Team der Wissenschaftler von GERAC, würden uns
freuen, Sie als Patienten in unseren Studien begrüßen zu dürfen...." (6).
Ich glaube, daß diese Art von Information
geeignet war, Probanden erheblich zu beeinflussen. Jene, die dann „nur“
konventionelle Therapie erhielten, dürften frustriert gewesen sein und schon
deshalb im Telefoninterview über mehr Schmerzen und Beschwerden geklagt haben.
Drei GERAC Autoren erwiderten bereits früher
auf meine Kritik: "Dr. Wettig is right that we have published our study
protocol in advance. He cited correctly articles informing that our study
compared verum and sham acupuncture. We remain convinced that a publication of
study protocols in advance is good scientific practice. Additionally, we like
to remind that by ethical reasons in randomised trials study physicians are
obliged to inform the patient about all possible therapies they could be
allocated". (7, 13) Entblindung als
vorsätzliche Handlung?
Die konventionelle Therapie beinhaltete auch
"....eine leitliniengestützte Standardtherapie" (14), was vielleicht
in vielen Fällen nur sechs Sitzungen Krankengymnastik bedeutete (16). Es
leuchtet ein, daß man nicht sechs Sitzungen KG mit zehn Akupunktursitzungen
vergleichen kann (15).
Diese Studie ist mangelhaft, daran ändert
auch ihr erneutes Publizieren nichts.
Dr. Dieter Wettig, Wiesbaden
Literatur:
1. http://www.annals.org/cgi/eletters/145/1/12
2. Trampisch, Hans Joachim; Victor, Norbert et al.: GERAC- Akupunktur-Studien: Modellvorhaben zur Beurteilung der Wirksamkeit Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 26 vom 28.06.2002, Seite A-1819 / B-1539 / C-1435 MEDIZIN: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=32190
3. http://www.liebertonline.com/doi/abs/10.1089%2F107555303322524616:
The German Multicenter, Randomized, Partially Blinded, Chronic Low-Back
Pain: A Preliminary Report on the Prospective Trial of Acupuncture for
Rationale and Design of the Trial. Michael
Haake, Hans-Helge Muller, Carmen Schade-Brittinger, Helge Prinz, Heinz-Dieter
Basler, Konrad Streitberger, Helmut Schafer, Albrecht Molsberger. The Journal of
Alternative and Complementary Medicine. 2003, 9(5): 763-770.
doi:10.1089/107555303322524616.
4. Martindale, Diane: Needlework", New Scientist, Nr. 2292,
26.5.2001, S. 42-5 ( http://www.newscientist.com/article.ns?id=mg17022924.800
), citing Adrian White: ".... The drawback is it will only work on
acupuncture virgins. As long as we have a supply of those we`re OK."
5. Bang, H. et al., Assessment of blinding in clinical trials,
Controlled Clinical Trials 25 (2004) 143-56
6. Ärztezeitung,
3.8.2006, S. 14
7. http://www.annals.org/cgi/eletters/145/1/12#3726
8. Endres, Heinz G.; Victor,
Norbert; Haake, Michael; Witte, Steffen; Streitberger, Konrad; Zenz, Michael ,
Akupunktur bei chronischen Knie- und Rückenschmerzen,
Acupuncture for the Treatment of Chronic Knee and Back Pain, Deutsches
Ärzteblatt 104, Ausgabe 3 vom 19.01.2007, Seite A-123 / B-113 / C-109
http://aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=54179
9. Ärzte Zeitung, 6.7.2005,
S. 11, www.aerztezeitung,de
10. Ärzte Zeitung, 1.12.2005, S. 2
11. p 147,
12. http://www.acuxo.com/meridianPictures.asp?point=PC1&meridian=Pericardium
13. 148
"....oder
eine leitliniengestützte Standardtherapie angewendet....".
15. Schon am 10.4.2004 war
im "Der Allgemeinarzt" spekuliert worden, daß bei der
GERAC-LWS-Studie das Design fehlerhaft erschien. Denn man kann nicht Patienten,
die 10 oder 15 Sitzungen Verum- oder Plazebo-Akupunktur erhielten,
vergleichen mit Patienten, die vielleicht nur 6 Sitzungen KG erhielten. Wie
wollte man dann bei der statistischen Auswertung den Zuwendungseffekt durch den
Behandler neutralisieren?" ( Wettig, D "Große Akupunkturstudie -
Design mangelhaft?", Der Allgemeinarzt 06-2004 (10.4.2004), S.
384-5 ).
16. http://www.heilmittelkatalog.de/physio/ws1.htm : Erst-Verschreibung von sechs Sitzungen KG.