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THE DOORS IN FRANKFURT
von Rainer Moddemann
Am 12. September 1968 warten am Frankfurter Flughafen eine Vertreterin der deutschen Plattenfirma Metronome, ein Herr der Tourneeleitung Lippmann und Rau sowie einige Pressefotografen auf die Ankunft der Doors mit ihrer Maschine aus London. Die überraschten Bandmitglieder bekommen nach den Zollformalitäten von der Pressefrau der Plattenfirma an der Gepäckausgabe jeder einen übergroßen Strauß verschiedener Blumen in den Arm gedrückt. Jim Morrison gibt seine Blumen sofort an Leon Barnard weiter, dem Pressesprecher der Band. Dieser war der Band vorausgeeilt und hatte die wartenden Journalisten bereits vorgewarnt: "Er ist unberechenbar und launisch. Es ist besser, wenn Sie ihn nur beobachten und nichts fragen." Jim sondert sich von der Hektik ab. Während er minutenlang sein verzerrtes Spiegelbild in einem runden Chromaschenbecher betrachtet und gelangweilt eine Zeitung vor seinem silbernen Conchogürtel herumträgt, geben sich die anderen drei Doors leutselig und scherzen mit dem Empfangskommitee herum.

Am Abend gibt es bei einem Restaurantbesuch und reichlich fließendem Budweiser einen ausnahmsweise gutgelaunten Morrison zu sehen, der trotz der Hitze in dem Lokal weiterhin seine Lederklamotten trägt. Die Sternjournalistin Florentine Pabst knüpft hier zarte Bande mit Jim, die Jahre halten sollten. Der Abend wird nicht lang, immerhin sind für den nächsten Tag Fernsehaufnahmen für Ilja Richters "4-3-2-1 Hot and Sweet angesagt.

Gegen 10.00 Uhr am nächsten Tag treffen die Doors leicht verschlafen und viel zu früh auf dem Frankfurter Römerberg ein. Alle sind sehr angetan von der Architektur des Platzes. Da das Fernsehteam des ZDF noch nicht bereit ist und Probleme mit der Beleuchtung signalisiert, strolcht Jim mit dem Fotografen Michael Montfort neugierig auf dem Platz herum. Er entdeckt die kleine Nicolaikirche, schlendert in ihr um den Altar herum, läßt sich von Montfort vor einer riesigen, in die Wand eingelassenen Grabplatte fotografieren und besteigt die Kanzel. Der herbeieilende Pfarrer sieht dies nicht allzugerne. Doch Morrison fischt aus seiner Umhängetasche fünf 100-Dollar-Scheine heraus und gibt sie dem überraschten Geistlichen. Nun kostet es Jim keine Überredungskünste, an der Kirchenorgel spielen zu dürfen. Er improvisiert knapp eine Stunde lang.

Inzwischen vermißt man Jim Morrison am nahegelegenen Drehort, wo sich anläßlich des Technikeraufmarsches bereits eine gaffende Menge eingefunden hatte. Da man ohne Morrison nicht anfangen kann, filmt das ZDF-Team zunächst ein blondes Go-go-Girl, das sich am Brunnen in der Mitte des Römerbergs zum Playback von Hello I Love You unsicher um die eigenen Hüften dreht.

Plötzlich ist Jim wieder da. Mit einer kleinen Pocketkamera, die er in einem nahegelegenen Fotoladen erstanden hatte, fotografiert er seine Bandkollegen. Interessiert betrachten die anderen drei Doors die Minikamera.

Photo: Günther Zint

Jemand hatte inzwischen einige Flaschen "Goldener Oktober" besorgt, und wie zu erwarten gießt sich Jim den süßlichen Wein in die Kehle. Unter der warmen Septembersonne zeigt das Getränk unverzüglich Wirkung. Morrison vergißt bei den Dreharbeiten seine Einsätze; die Band spielt lustlos zum Playback auf ihren Instrumenten. Dreimal muß die Gruppe zu ihrem aktuellen Song mimen, doch immer noch ist der Regisseur unzufrieden. Schließlich läßt sich der inzwischen nach einigen Flaschen "Goldener Oktober" angetrunkene Jim bereitschlagen, in einer Nahaufnahme ohne seine Kollegen den Song nochmals lippensynchron zu bringen. Hinter der Kamera machen die anderen Doors Faxen; und Jim kann vor lauter Grinsen kaum den Mund bewegen. Der Versuch, auch noch Light My Fire in der kurzen Single-Version auf Film zu bannen, mißlingt schon bei dem ersten Take. Die Dreharbeiten werden abgebrochen. Anschließend gibt Jim verlegen kichernden weiblichen Fans Autogramme. Während die Doors nach den Dreharbeiten mit ihren Frauen einen Einkaufsbummel machen, läßt sich Jim zum Hotel fahren, wo er sich in sein Zimmer zurückzieht und bis zum Abend nicht gesehen wird.

Ein Reporter der Zeitschrift "Bravo" überreicht ihm später in der Hotelhalle das neueste Exemplar seiner Zeitschrift, das Jim gelangweilt durchblättert, und will ihn zu einem Interview überreden. Schließlich knurrt Morrison in das bereitgehaltene Mikrofon:
"Ich singe, was andere nicht sagen. Ich lege keinen Wert auf die Melodie. Für mich zählt nur der Text. Ich bin ein Dichter.
Ich möchte dieser Welt Dinge sagen, die wichtig sind."

Nur mürrisch und wortkarg gibt Jim am Abend im "Drugstore" bei einer Pressekonferenz den Journalisten seine knappen Antworten.

"Sind Sie in Los Angeles geboren?"

"Nein."

"Finden Sie sich selbst schön?"

"Eines kann ich Ihnen sagen, ich bin keine Nonne."

"Wie schreiben Sie Ihre Gedichte?"

"Ich schreibe meine Gedichte nie selber, meine Geister schreiben sie für mich."

"Ist Ihre Musik profan?"

"Profanität ist immer ein Aufstand gegen Gott. Wo man aber nicht an Gott glaubt, gibt es auch keine Profanität."

"Sehen Sie sich als neuer James Dean?"

"Ich werde zwar als neuer Star des jungen Amerika gefeiert, aber ich bin keinesfalls ein Abklatsch von James Dean."

"Können Sie die Höhepunkte Ihrer Karriere aufzählen?"

"Der Song The End. Vier Shows im Fillmore East in New York. Die letzte Show beendeten wir mit einem Stück, das zweieinhalb Stunden dauerte: Und die ständig steigende Flut von Fanbriefen ist immer wieder ein Höhepunkt."

"Wie sieht die Zukunft der Doors aus?"

"Sie interessiert uns nicht. Wir leben jetzt."

Gegenüber Florentine Pabst ist er leutseliger. Er schwärmt ihr von Rainer Maria Rilke und Nietzsche vor und sagt ihr ein Gedicht von Hermann Hesse auf. Als Florentine ihn auf den deutschen Dichter Friedrich Schiller anspricht, gibt er zu, von diesem noch nie gehört zu haben.

Am 14. September läßt sich Jim Morrison den gesamten Tag über nicht blicken. Er schließt sich in seinem Hotelzimmer ein und schreibt Gedichte in ein zerfleddertes Ringheft. Als man ihn zum Soundcheck abholen will, ist er verschollen. Erst ein Hotelangestellter gibt den entscheidenden Hinweis auf den Verbleib Morrisons: Er hat im Hotelgarten einen schattigen Kastanienbaum erstiegen und sitzt bereits seit Stunden auf ihr, um Gedichte in sein Notizbuch zu kritzeln.

Der Bus soll alle Doors zur Kongresshalle bringen, doch Jim Morrison beharrt darauf, mit dem Fotografen und Autonarr Günter Zint in dessen neuem BMW mitzufahren. Um den aus seiner Konzentration herausgerissenen Jim zu erfreuen, legt Zint eine Doors-Cassette in den Recorder ein. Wütend reißt Jim nach den ersten Takten die Cassette aus dem Schacht und schreit den verblüfften Fotografen an; er solle nie wieder in seiner Anwesenheit Doors-Musik spielen.

Wortkarg schlurft Jim durch die leere Kongresshalle in seine Garderobe, um sich den bereitgestellten Flaschen "Goldener Oktober" zu widmen. John Densmore und Robby Krieger meditieren, während Ray Manzarek auf seiner Orgel spielt. Erst nach einiger Zeit ist Jim bereit zum Soundcheck. "Jim Morrison war ein Einzelgänger. Fotos von der gesamten Gruppe zu machen war schwer, da sich Jim oft in seinem Zimmer aufhielt. Ich mußte im Auftrag der Plattenfirma Fotos machen, die unter Umständen auf ein zukünftiges Plattencover kommen sollten. Natürlich wollte man den Star Jim Morrison im Vordergrund haben. Doch dies war unmöglich. Jim hielt sich ständig im Hintergrund auf. Mit Ray und den anderen war ich oft unterwegs; sie waren leicht zugänglich. Morrison war sehr schwierig zu handhaben; er bestimmte sogar nach Lust und Laune, wann der Soundcheck zu beginnen habe. Alles richtete sich nach ihm und seiner Laune."

Canned Heat beginnen pünktlich um 18.00 Uhr als Aufheizer. Die zahlreich erschienenen GIs; die Mädchen in Mini- und Maximode mit auf Wangen gemalten Blümchen, die Fans in langen Mänteln, aber auch in Konfirmationsanzügen mit Krawatte und Taschentuch, sind nicht besonders von dem schwitzenden Sänger Bob Hite angetan, so daß die Band um den genialen Bluesgitarristen Alan Wilson schon nach 45 Minuten die Bretter wieder verläßt. Nach kurzer Umbaupause begeben sich dann die Doors auf die Bühne und beginnen mit Break On Through. Beifall erhebt sich, als Jim Morrison nach dem überlangen Intro zum Mikrofon schlurft. Ohne große Emotionen liefern die Doors ein Standardkonzert ab, das weit entfernt von dem charismatischen Ruf der Band steht. Dennoch lauscht das Publikum andächtig den ungewohnten Klängen. In Totenstille trägt Morrison sein Gedicht Texas Radio & The Big Beat vor, das dezent von den Instrumentalisten mit einem schleppenden Blues untermalt wird. Dann folgt der aktuelle Hit, Hello I Love You, der die Zuschauer aufweckt und laute Rufe nach Light My Fire zur Folge hat. Dem Geschrei folgt die Gruppe ohne Zögern. Bei The Unknown Soldierkommt Bewegung in die Menge, als Jim von Robby Krieger mit der Gitarre ‚erschossen‘ wird. Wenigstens die Botschaft dieses Songs ist bei den GIs angekommen. Leise und unbefriedigt gehen die Zuhörer nach 45 Konzertminuten aus dem Saal. Doch hinter der Bühne zeigt sich Morrison zufrieden. Unablässig redet er auf Ray Manzarek ein, der sich desinteressiert und vom Konzert enttäuscht hinter einen Zeitung verschanzt.

Der zweite Set des Abends wird wiederum von Canned Heat eingeleitet. Bob Hite kann nicht umhin, den amüsierten Zuschauern seine "Jim Morrison-Parodie" vorzuführen und lasziv mit seinem überdimensionalen Hinterteil zu kreisen.

Das zweite Doors-Konzert des Abends beginnt mit einer lasziven Version von Back Door Man und Morrisons provokativer Aufforderung "... let’s get the whole fucking thing together just one more time!" Ein weiterer Blues folgt, Crawling King Snake. Gutgelaunt wirft Morrison sein Mikrophon in die Menge, hört sich an, was einige GIs zu sagen haben und fängt das Mikrophon wieder auf. Doch die langen Sprechpausen und die schleppenden Bluessongs kommen nicht beim Publikum an. Zunächst zögernd, dann mit lautem Geschrei verlangt es nach leichter verdaulicherem Material wie Light My Fire. Doch anscheinend hat Jim hierzu keine Lust. Er bittet das Publikum: "Laßt mich doch bitte noch einen langsamen, leisen Blues singen!" Doch das Gebrüll nach Light My Fire wird immer vehementer. Es kommt, was kommen mußte: "Also gut, ihr Arschlöcher, dann singe ich euch eben dieses Scheißlied!"

Lieblos leiert Jim Morrison die erste Strophe hinunter und veranlaßt die Doors, den klassischen Instrumental-Break in eine von elektronisch verzerrten Dissonanzen geprägte Fassung zu bringen, aus der Haß strömt. Ein Trupp glücklicher GIs setzt sich in Richtung Bühne in Bewegung, in den Händen die grüne Flagge ihrer kalifornischen Einheit. Morrison entwendet ihnen die Stange, reißt die Flagge ab, knüllt sie zusammen und wischt sich demonstrativ den Hintern damit ab. Erboste GIs klettern auf die Bühne und werden von herbeieilenden Ordnern ins Publikum zurückgedrängt. Derweil versucht Jim, die Stange zu zertreten. Doch der Bambus ist zäh, und es gelingt ihm nicht. Daraufhin reckt er wütend die Stange in die Luft, zielt auf das Publikum und schreit ins Mikrophon: "Ich glaube, auf diese schlechte Publicity kann ich gut verzichten." Er läßt den Bambus fallen, wirft das zerknüllte Tuch in die Menge und verschwindet von der Bühne. Die anderen drei Doors beenden den Song auf ihren Instrumenten und schleichen betreten davon. Das Konzert ist vorbei. Verwirrt verlassen die Zuschauer den Saal und diskutieren im Foyer über das Geschehene.

Plötzlich jedoch dringen verhaltene Gitarrenakkorde und die gequälte Stimme Jim Morrisons an die Ohren der etwa 90 Fans, die noch nicht das Gelände verlassen haben. Verblüfft eilen sie zurück: Die Doors sind wieder auf der Bühne! Und jetzt ist die Stimmung da, die Jim Morrison sich ersehnt hatte. In fast völliger Dunkelheit spielt die Band den Blues, den ihr Sänger sich wünscht. Unheimlich klingt Morrisons Stimme durch den fast leeren Saal. Nur unter dem spärlichen Licht der glühenden roten Kontrollämpchen and den Acoustic-Verstärkern im Hintergrund bringt die Band den wenigen Ausharrenden Willie Dixons Little Red Rooster und Manish Boy, Robert Johnsons Me And The Devil Blues sowie When The Music’s Over und The End. Nach über einer Stunde bricht Jim Morrison zusammen; sitzt minutenlang auf der Bühne wie in Trance. Vince Treanor, der Doors-Roadie, bringt ihn hinter die Bühne, wo Morrison völlig erschöpft auf einen Stuhl sinkt. Man läßt ihn in Ruhe. Florentine Pabst beobachtet eine Garderobenfrau, die fluchend im Foyer herumläuft und schimpft: "Da arbeitet man nun sein ganzes Leben lang, um für eine solche Mißgeburt auch noch Überstunden zu machen!"

P.S.: Der "Goldener Oktober" schien Jim Morrison so gut geschmeckt zu haben, daß er sich 200 Flaschen von dem süßlichen Billigwein in die USA schicken ließ.

 

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