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Diese Frage hat Maxim Gorki einst gestellt, und er hat sie fast tragisch
beantwortet. Vor allem: er hat sie für Russen beantwortet. Was aber
tun brave Mitteleuropäer?
Zunächst ist festzustellen, daß in dem Augenblick, wo der
Mann allein ist, etwas von ihm fällt, eine dünne Haut - eine
zarte Maske... Einer der größten deutschen Denker, Lichtenberg,
hat einmal die Beobachtung aufgezeichnet, wie Menschen in Nebenstraßen
ein anderes Gesicht aufsetzen als in Hauptstraßen. Daran ist viel
Wahres. Was also tut der Mann, wenn er allein ist?
Ist er ohne feste Beschäftigung, so wird fast jeder Mann um etliche
Jahre jünger: er beginnt, wenn auch nicht zu spielen, so doch seinem
Spieltrieb leise nachzugehen. Es ist viel Jungenhaftes, was sich da meldet.
Ich glaube, daß kinematographierte Menschen, die allein sind und
sich unbeobachtet glauben, zu dem Komischsten gehören müssen,
was es gibt.
Die Tür ist zugefallen, du bist allen. Was nun?
Die Sache fängt für gewöhnlich damit an, daß man
bei ganz vernünftigen Handgriffen mit etwas völlig Sinnlosem
beginnt. (Ein kaum wahrnehmbarer Schleier von Irrsinn liegt auf Leuten,
die allein sind.) Du nimmst die Bürste, das ist wahr - aber dabei
hebst du einen Kamm auf, und wenn du auch nur eine Minute Zeit hast, balancierst
du den ein bißchen, und wenn du nicht balancierst, dann fängst
du an, irgend etwas in Reih und Glied zu legen, und wenn du nicht in Reih
und Glied legst (was sehr beruhigt), dann trommelst du mit dem Nagelreiniger
auf einer Seifenschale... Welcher Oberregierungsrat hätte noch nie
im Bad mit dem Thermometer Schiffchen gespielt!
Auch ist sehr schön, Männer, die allein sind, singen zu hören.
Daß die Majorität so schön singt wie Suzanne Lenglen, mag
noch hingehen. Aber was sie so singen! Zunächst: fünfzigmal dasselbe
Lied, nein, denselben Liedfetzen, dieselben paar Takte, immer sentimentaler,
immer falscher - immer im Rhythmus dessen, was sie grade tun... auch verwandelt
sich der Text leicht in einen völlig wahnsinnigen Indianergesang:
Valencia!
Laß mich wippen, wippen, wippen
auf den Klippen, Klippen, Klippen -
mit der ganzen Kompanie -!
Das klingt nach der einundsechzigsten Wiederholung ganz menschlich.
Auch kann man es pfeifen.
Dann gibt es etliche, die sprechen sehr leise mit ihren Sachen. Es erhebt
sehr, wenn man die Arbeit mit frommen Sprüchen begleitet. "Wo
ist denn der Schuh? Wo ist den der Schuh?" (Jetzt kleiner Opernchor:
Schuhschuh - Schuhschuh - Schuuhuuhuu -!) Dann: "Na da bist du ja!
Vielleicht läßt du dich noch drei Stunden suchen. Hund!"
(Rrrumms, an die Wand.) Großes Orchester: "Trararaaha -!"
Gesprochen: "Das Zahnwasser ist alle." Gejodelt: "Alléhallé
-!" So an sonnigen Tagen.
Für alle Tage aber gilt eines, das bei allen Alleinseiern zu beachten
ist, wenn die nicht gerade in acht Minuten sich anziehen müssen, um
ins Geschäft zu stürzen: das sind die amüsanten kleinen
Umwege, die ihre Betätigung vornimmt. Sie macht Kurven, schlägt
bogen, spielt unterwegs, verbraucht den Kräfteüberschuß,
den jeder gesunde Mensch inne hat... Und das ist bei der Arbeit nicht anders.
In Sinclair Lewis' herrlichem "Babbitt" steht zu lesen, wie
der Held dieses amerikanischen Romans arbeitet, wie er Zettelchen vollschmiert,
und ich bin überzeugt, daß wir alle so zu "malen"
beginnen, wenn wir das tun, was wir mit Denken bezeichnen. (Es ist bekannt,
daß die meisten Menschen keinem Redner zuhören können,
ohne Männerchen zu zeichnen.) Es ist, als ob neben der eigentlichen
Kraft des Arbeitsmotors noch ein Nebenstrom herliefe, der Schnitzel und
Späne auf einer Säge produziert. Nutzen hat das keinen, aber
ohne den Strom geht es auch nicht... Arbeitet einer mit andern zusammen
im großen Büro, so läßt er seinen Eigenheiten im
allgemeinen nicht so ungehinderten Lauf, hat er aber ein "Privatkontor",
so schöpft er aus dem großen Reservebehältnis einer angeblichen
Kraftverschwendung neue Kräfte. Dazu hat der mensch seine Nägel,
die Ohren, die Krawatte - die Beschäftigung mit diesen Dingen stärkt
sehr. Und aus der unergründlichen Tiefe eines Spiels mit dem Manschettenknopf
und einem Blaustift steigen schwerwiegende Entschlüsse auf... Soweit
die Männer, diese ewigen Jungen.
Kinder sind oft allein, auch wenn sie gar nicht allein sind. Sie spielen,
in einer Hülle von Jugend und Unbekümmertheit, die nur selten
zerreißt: wenn sie Hunger haben oder sonst etwas wichtiges wollen.
Was Frauen tun, wenn sie allein sind, ahne ich nicht. Ein Weiser hat
behauptet, eine Frau sei überhaupt nie allein - sie stelle sich stets
jemand vor, und sei es auch nur einen Spiegel. Ich denke, daß sich
ein Mann da kein Urteil erlauben kann: denn ist er mit einer Frau allein,
dann ist sie nicht mehr allein, er stört sehr, und so mag diese Frage
eine Frau entscheiden.
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