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Ganymed
Hat das Problem auf den Po gebracht: Rembrandt, 1635


Johann Wolfgang Goethe (1749-1832)


Ganymed*

Wie im Morgenrot
Du rings mich anglühst,
Frühling, Geliebter!
Mit tausendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne!

Daß ich dich fassen möcht'
In diesem Arm!

Ach, an deinem Busen
Lieg' ich, schmachte,
Und deine Blumen, dein Gras
Drängen sich an mein Herz.
Du kühlst den brennenden
Durst meines Busens,
Lieblicher Morgenwind,
Ruft drein die Nachtigall
Liebend nach mir aus dem Nebeltal.

Ich komme! Ich komme!
Wohin? Ach, wohin?

Hinauf, hinauf strebt's,
Es schweben die Wolken
Abwärts, die Wolken
Neigen sich der sehnenden Liebe,
Mir, mir!
In eurem Schoße
Aufwärts,
Umfangend umfangen!
Aufwärts
An deinem Busen,
Alliebender Vater!



(Nach der Handschrift von 1777)

Quelle: Karl Otto Conrady (Hrsg.): Das große deutsche Gedichtbuch. Zürich/Düsseldorf 51997



*GANYMED war ein überaus schöner Knabe, der in der "Ilias" von Homer "der Schönste, der je unter den Sterblichen geboren wurde", genannt wird. Zeus-Jupiter, der polymorph-perverse Göttervater, verliebte sich so heftig in ihn, dass er sich in einen Adler verwandelte und ihn zum Olymp entführte, wo Ganymed Zeus-Jupiter (auch) als Mundschenk zu bedienen hatte. Hera-Juno, die Gattin von Zeus-Jupiter, sah das gar nicht so gerne.