Ich mag mich, wenn ich lache
Eine Einladung zur Wiederentdeckung der schwarzen Schriftstellerin Zora Neale Hurston
An amerikanischen Universitäten sind ihre Bücher Pflichtlektüre und in ihrer Heimatstadt Eatonville, Florida, der ersten rein schwarzen Stadt in den USA, findet seit elf Jahren ein nach ihr benanntes Kulturfest statt. In Deutschland aber ist Zora Neale Hurston noch immer ein (fast) unbeschriebenes Blatt. Vielleicht, weil die Afroamerikanerin zu den Schriftstellerinnen gehört, deren Werk sich einer Einordnung entzieht: zu vielfältig waren ihre Interessen, zu wechselhaft ihr Leben. Dieser Umstand hat auch dazu geführt, dass die 1891 geborene Autorin, als sie 1960 in einem Fürsorgeheim stirbt, so gründlich vergessen war, dass sie anonym beerdigt wurde.
Es war Alice Walker (Die Farbe Lila), die Zora Heale Hurston 1975 ins Bewusstsein der (amerikanischen) Öffentlichkeit zurückholte mit dem Aufsatz Auf der Suche nach Zora und einem Grabstein für die bewunderte Kollegin: „Zora Neale Hurston.
A Genius of The South. 19011960. Novelist. Folklorist. Anthropologist.“ Das falsche Geburtsdatum ist ein Hinweis auf die vielen Legenden, die über die mit zwei Guggenheim Stipendien geförderte Anthropologin und Autorin im Umlauf sind.
Die jetzt auf Deutsch vorliegende Autobiografie Ich mag mich, wenn ich lache (Ammann, 398 Seiten, 42 Mark) erschien in den USA bereits 1942. Damals war Zora 51 Jahre alt und auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Fünf Jahre zuvor hatte die maßgeblich an der Harlem Renaissance beteiligte Autorin den Roman Und ihre Augen schauten Gott (dt.1993, Ammann) veröffentlich heute neben Ralph Ellisons Der unsichtbare Mann ein Klassiker der schwarzen Literatur Amerikas und vielleicht bald ein Kinohit: Talkqueen Oprah Winfrey hat sich kürzlich die Filmrechte an dem Roman gesichert.
Wir haben es nicht nur deshalb mit einem beinahe heiteren Buch zu tun, weil sie ihr tragisches Ende damals noch nicht ahnte; es ist auch deshalb frei von Schwermut, weil Zora Neale Hurston einen unglaublichen Sinn für Humor hatte, für die Lust am Kampf. Als fünftes von acht Kindern einem Baptistenpriester und einer Lehrerin geboren, lernte Zora schnell, auf eigenen Beinen zu stehen und verschlag Bücher Regalmeterweise. Sie arbeitete als Kellnerin und bei einem Friseur, verließ die Sümpfe des Südens gen New York, um bei dem Anthropologie-Papst Franz Boas zu sudieren.
Eine der wichtigsten Einsichten hatte die kleine Zora von einem Weißen erhalten: „Leute mit Mumm in den Knochen lügen nich. Sie sagen die Wahrheit, und wenn’s sein muss, prügeln sie sich dafür.“ Letzteres tat sie ausgiebig. Anstelle der Wahrheit aber setzte sie Geschichte: selbstausgedachte halfen ihr als Kind über Kummer hinweg, die von Schwarzen in den Südstaaten und der Karibik getanzten und gesungenen sammelte sie als Anthropologin. Im Rückblich auf ihre Kindheit und Jugend sagt sie: „Ich bin in der Küche des Kummers gewesen und habe alle Töpfe ausgeleckt. Und ich bin, in Regenbögen gehüllt, eine Harfe und ein Schwert in den Händen, auf ragenden Gipfeln gestanden.“
Berühmt machte ihre Bücher die Verwendung von afroamerikanischen Redewendungen, von Metaphern und Mythen. Diese in angemessenes Deutsch übertragen zu haben ist das Verdienst von Übersetzerin Barbara Henninges. Verleger Egon Ammann ist dafür zu loben, dass er solche nicht in Bestsellerverdacht stehenden Bücher realisiert. Nun ist es nur noch an den deutschen Leser, dass sie Zora Neale Hurston entdecken.© 2001 Reinhard Helling
Auch lesenswert ist dieser Artikel in der "New York Times" vom 15. August 2002
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