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Du wirst ewig leben

Jim Dodges verteufelt schöner Roman Fup

Hat man erst mal die verwirrenden Alters-, Orts- und Namensangaben im ersten Kapitel („Etwas Familiengeschichte“) verdaut, kann man die meisten sogleich wieder vergessen, denn fortan geht es in Jim Dodges seltsamem Buch Fup (Rogner & Bernhard bei 2001, 129 Seiten, 15 Euro) eigentlich nur um drei Figuren. Na gut, vier.

Da ist zunächst Jake Santee. Nach vier gescheiterten Versuche, mit einer Frau glücklich
zu werden, ist er zu der Erkenntnis gekommen, dass auch Kartenspielen und Müßiggang als Lebensinhalt taugen. Eine seiner ehernen Regel lautet seitdem: „Nie vor Mittag in Schweiß ausbrechen“. Seine Gesundheit indes verdankt Jake einem Indianer, den er eines Abends sterbend im Straßengraben fand und der ihm einen Zettel mit den Worten zusteckte: „Trink dies. Sei still. Du wirst ewig leben.“ Seitdem arbeitet Jake auf seiner Farm ständig an der Ferfeinerung der Rezeptur für den berüchtigten Ol’ Death Whisper. Die meisten Menschen zwingt ein Schluck dieses Teufels-Whiskeys auf die Knie, weshalb Jakes Nachbarn das Destillat auch als Traktortreibstoff verwenden.

Jake ging schon auf die 80 zu, als sein Leben noch einmal eine Wendung nahm: Seine
vierte Frau rutschte auf einem Anlegesteg aus und ertrank vor den Augen ihres
vierjährigen Sohnes. So kam Tiny zu Jake und Jake zu dem Namen Granddaddy. Eines
Tages, beim Besichtigen der Zäune, die Tiny leidenschaftlich gern zimmerte, stießen die
beiden auf Fup. Den Namen bekam die Stockente, die damals noch ein kleines, nacktes,
federloses Etwas war, das wimmernd in einem Loch saß, erst später. Ein Schluck von
Granddaddys Whiskey beruhigte das Tier, das später wie ein gefiederter Staubsauger
alles, was man ihm hinstellte, auffraß, und bald wog die Ente 20 Kilo. Fortan lebten
Granddaddy, Tiny und Fup wie eine Familie auf der Farm und unternahmen sonntags
Ausflüge ins Autokino. Nur eines ließ die drei nicht ruhen: die Suche nach dem
Wildschwein Lockjaw (Nummer vier dieser Geschichte), das sie verdächtigten, es auf
Tinys kunstvollen Zäune abgesehen und einst auch Fup gejagt zu haben.

Jim Dodge, von dem wir schon den Roman Die Kunst des Verschwindens (Rowohlt)
über eine Gruppe kalifornischer Outlaws kennen lernen konnte, zeigt sich in „Fup“ als
ein Meister beiläufiger Skurrilitäten. Es handelt sich dabei um ein älteres, um nicht zu
sagen 19 Jahre altes Buch, bei dem man sich ernstlicht fragt, warum es erst heute auf
Deutsch erscheint. Wahrscheinlich war Harry Rowohlt, der die Übersetzung – na wie
wohl –? mit Bravour gemeistert hat, in letzter Zeit einfach ausgebucht. Oder die
wunderbar witzigen, detailreichen Illustrationen des Berliner Zeichners Atak waren
einfach noch nicht trocken. Obwohl erst Februar ist: Fup kann man schon mal für die
Rubrik „Schönstes Buch des Jahres“ vormerken.

© 2001 Reinhard Helling
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