Da ist zunächst Jake Santee. Nach vier gescheiterten Versuche,
mit einer Frau glücklich
zu werden, ist er zu der Erkenntnis gekommen, dass auch Kartenspielen
und Müßiggang als Lebensinhalt taugen. Eine seiner ehernen Regel
lautet seitdem: „Nie vor Mittag in Schweiß ausbrechen“. Seine Gesundheit
indes verdankt Jake einem Indianer, den er eines Abends sterbend im Straßengraben
fand und der ihm einen Zettel mit den Worten zusteckte: „Trink dies. Sei
still. Du wirst ewig leben.“ Seitdem arbeitet Jake auf seiner Farm ständig
an der Ferfeinerung der Rezeptur für den berüchtigten Ol’ Death
Whisper. Die meisten Menschen zwingt ein Schluck dieses Teufels-Whiskeys
auf die Knie, weshalb Jakes Nachbarn das Destillat auch als Traktortreibstoff
verwenden.
Jake ging schon auf die 80 zu, als sein Leben noch einmal eine Wendung
nahm: Seine
vierte Frau rutschte auf einem Anlegesteg aus und ertrank vor den Augen
ihres
vierjährigen Sohnes. So kam Tiny zu Jake und Jake zu dem Namen
Granddaddy. Eines
Tages, beim Besichtigen der Zäune, die Tiny leidenschaftlich gern
zimmerte, stießen die
beiden auf Fup. Den Namen bekam die Stockente, die damals noch ein
kleines, nacktes,
federloses Etwas war, das wimmernd in einem Loch saß, erst später.
Ein Schluck von
Granddaddys Whiskey beruhigte das Tier, das später wie ein gefiederter
Staubsauger
alles, was man ihm hinstellte, auffraß, und bald wog die Ente
20 Kilo. Fortan lebten
Granddaddy, Tiny und Fup wie eine Familie auf der Farm und unternahmen
sonntags
Ausflüge ins Autokino. Nur eines ließ die drei nicht ruhen:
die Suche nach dem
Wildschwein Lockjaw (Nummer vier dieser Geschichte), das sie verdächtigten,
es auf
Tinys kunstvollen Zäune abgesehen und einst auch Fup gejagt zu
haben.
Jim Dodge, von dem wir schon den Roman Die Kunst des Verschwindens
(Rowohlt)
über eine Gruppe kalifornischer Outlaws kennen lernen konnte,
zeigt sich in „Fup“ als
ein Meister beiläufiger Skurrilitäten. Es handelt sich dabei
um ein älteres, um nicht zu
sagen 19 Jahre altes Buch, bei dem man sich ernstlicht fragt, warum
es erst heute auf
Deutsch erscheint. Wahrscheinlich war Harry Rowohlt, der die Übersetzung
– na wie
wohl –? mit Bravour gemeistert hat, in letzter Zeit einfach ausgebucht.
Oder die
wunderbar witzigen, detailreichen Illustrationen des Berliner Zeichners
Atak waren
einfach noch nicht trocken. Obwohl erst Februar ist: Fup kann man schon
mal für die
Rubrik „Schönstes Buch des Jahres“ vormerken.
© 2001 Reinhard Helling
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