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In Europa ging's voll ab

 

MŠnnerfreundschaft, Konkurrenz und viel Alkohol: Benjamin Lebert hat den Briefwechsel zwischen Hemingway und Fitzgerald kommentiert und herausgegeben.

 

Von REINHARD HELLING

 

Diesmal hat "Crazy"-Autor Benjamin Lebert nicht selbst zur Feder gegriffen. Nach fŸnf Romanen – zuletzt erschien 2012 die auch in MŸnchen spielende Traumgeschichte "Im Winter dein Herz" – hat sich der in Hamburg lebende Autor mit bayrischem Elternhaus als Herausgeber betŠtigt und ein BŸchlein zusammengestellt, das uns den Briefwechsel zwischen Francis Scott Fitzgerald (1896–1940) und Ernest Hemingway (1899–1961) - so er erhalten ist - prŠsentiert: "Wir sind verdammt lausige Akrobaten".

 

Knapp 40 Schreiben hat der 31-JŠhrige aufgetan, wobei er die von Hemingway praktischerweise der †bersetzung von Werner Schmitz aus "GlŸcklich wie die Kšnige. AusgewŠhlte Briefe 1917–1961" (Rowohlt, 1984) entnehmen konnte. Die 18 Schreiben von Fitzgerald hat der Herausgeber aus dem von Fitzgerald-Biograf Matthew J. Bruccoli zusammengestellten Band "A Life in Letters: A New Collection" selbst Ÿbersetzt. 

 

Charleston, kurze Ršcke, Alkohol und wilde Partys – in den "Roaring Twenties" war die Stimmung gut. Der Erste Weltkrieg war vorbei, es ging aufwŠrts. FŸr Amerikaner, die damals in Europa weilten, war das Leben wegen des starken Dollars besonders preiswert, und fŸr Schriftsteller war Paris mit dem Magneten Gertrude Stein ein tolles Pflaster. Die beiden Mittzwanziger - der eine etablierter Literaturstar mit ausgeprŠgtem Hang zu Gin ("Der gro§e Gatsby"), der andere noch Korrespondent fŸr die Tageszeitung "Toronto Star" – trafen sich 1925 in der Pariser Dingo-Bar und blieben bis zu Fitzgeralds Tod in (Brief-)Kontakt. In losen AbstŠnden tauschten sie sich aus: Ÿber Verleger und Manuskripte, Ÿber die literarische Konkurrenz, Ÿber Alkohol und Frauen, Ÿber ReiseplŠne und Freizeitgestaltung. Und immer wieder Ÿber Geld – fehlendes und zu verdienendes. 

 

Lebert kann "dieser sonderbaren MŠnnerfreundschaft, die ebenso viel Zartes in sich trug wie Forderndes", viel abgewinnen. EhrfŸrchtig meint er, es "mit keinem Halbsatz der beiden aufnehmen zu kšnnen". Das Spannende sei, wie sie ihre jeweiligen Territorien verteidigen, wobei Fitzgerald der Schicksalergebene ist, Box- und Stierkampf-Fan Hemingway dagegen KŠmpfer. 

 

Zwischen Freundschaft und RivalitŠt wechselnd, geben sie sich gegenseitig Tipps, Ÿben Kritik an den Texten des anderen und sparen dabei nicht an KraftausdrŸcken. So notiert Hemingway als Reaktion auf Fitzgeralds Empfehlung zur KŸrzung einer Geschichte: "Leck mich am Arsch." Und Fitzgerald bringt mit Vorliebe das Wort "Schwanzlutscher" zum Einsatz. 

 

Der schriftliche Austausch ist oft persšnlich, mal belanglos, dann wieder voller amŸsanter Betrachtungen und origineller Ansichten. So meinte der drei Jahre jŸngere Hemingway zu Beginn seiner Freundschaft mit Scott, Briefe zu schreiben "sei eine prima Methode, sich von der Arbeit abzuhalten und doch das GefŸhl zu haben, etwas getan zu haben". Im Zusammenklang gibt der mit Privatfotos bebilderte Band - wir sehen die jungen MŠnner mit Badehose am Strand sowie in Begleitung ihrer Kinder - einen lebendigen Einblick in die Zeit, inklusive der gemŠchlichen Kommunikationswege (gekabelte Nachricht und Postschiff). Allein die Anmerkungen am Ende des BŸchleins sind unglŸcklich. Besser hŠtte Lebert den Inhalt jeweils vor den Briefe kurz eingeordnet. Am Ende seines gefŸhligen Vorworts fordert Lebert den Leser auf: "Haben Sie viel Freude beim Lesen und bei der Begegnung mit diesen beiden besonderen Streitern." Dem schlie§en wir uns an.


Ernest Hemingway/F. Scott Fitzgerald: "Wir sind verdammt lausige Akrobaten. Eine Freundschaft in Briefen", herausgegeben von Benjamin Lebert (Hoffmann & Campe, 160 Seiten, 17.99 Euro)

 

(Erschienen in: Abendzeitung, MŸnchen, 23. Oktober 2013)


 © 2013 Reinhard Helling

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