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Rebellen wird man nicht los

RŸckkehr in die irische Geschichte der vergangenen 60 Jahre: Roddy Doyle vollendet mit ãDie RŸckkehr des Henry SmartÒ seine vor zehn Jahren begonnene Trilogie.

 

Von REINHARD HELLING

 

Roddy Doyle hat sich viel Zeit gelassen, bis er uns mit Neuigkeiten aus dem Leben von Henry Smart versorgt hat. Smart? Das ist der durchtriebene Dubliner Gassenjunge, den der irische Bestsellerautor vor gut einem Jahrzehnt erstmals auf die literarische BŸhne geschickt hat.

 

In "Henry der Held" erlebten wir ihn als furchtlosen FreiheitskŠmpfer beim Osteraufstand gegen die Briten 1916, in "Jazztime" begleiten wir ihn Anfang der Zwanzigerjahre bei seinen Abenteuern in den Vereinigten Staaten, wohin er nach Auftragsmorden im Namen der irischen Sache fliehen musste. 

 

Doch nun ist er endlich wieder da: Im abschlie§enden Band der Trilogie "The Last Roundup - Die RŸckkehr des Henry Smart" betritt der inzwischen 50-JŠhrige nach langjŠhrigem Exil 1951 wieder Heimatboden. Und da er in den USA unter die RŠder einer Eisenbahn geraten war, tut er dies mit einem Holzbein. Er spŸrt sofort, "wie das Land mir in die Lungen kroch, wie es kreiste und brodelte". Und er registriert, wie sich die grŸne Insel - inzwischen Republik, fŸr die er gekŠmpft und getštet hat - in den Jahren seiner Abwesenheit verŠndert hat, zunŠchst mal zum Besseren. 

 

StŠrker noch als in den ersten beiden BŠnden setzt der ehemalige Erdkunde- und Englischlehrer Doyle auf historische Tatsachen: Nach dem IRA-GrŸnder Michael Collins und Louis Armstrong hat Roddy Doyle sich diesmal John Ford (1894-1973) ausgesucht, den er seinem Helden an die Seite stellt. Unter dem Titel "The Quiet Man" will der irischstŠmmige Regisseur Henrys Leben (mit John Wayne und Maureen O'Hara in den Hauptrollen) verfilmen und engagiert ihn als Berater in Fragen der IRA, spŠter als Drehbuchautor. 

 

Ford hat 1952 tatsŠchlich einen Film mit dem Titel "The Quiet Man", deutsch "Der Sieger", gedreht, aber den Bezug zu Henry Smart hat Doyle natŸrlich erfunden.  Doch da Ford aus RŸcksicht auf amerikanische Moralvorstellungen (und aus ZeitgrŸnden) Henrys wildes und an Frauengeschichten reiches Treiben extrem verkŸrzen, vereinfachen und letztlich verfŠlschen will, kommt in Henry wieder der Rebell zum Vorschein: Er schmei§t das Film-Engagement hin und betŠtigt sich auf seine alten Tage in einem Dubliner Vorort als Hausmeister einer Jungenschule. Trotz der erreichten Fortschritte im Bildungswesen ist Henry nicht wirklich zufrieden mit den dortigen ZustŠnden, und so kŠmpft er gegen TBC, gegen Lehrer, die ihre SchŸler schlagen und sie "amadan" nennen, "Idiot". 

 

Wie gewohnt temporeich und auf knackige, mit Slang-AusdrŸcken gewŸrzte Dialoge setzend, fŸhrt der 55-jŠhrige Autor die Handlung bis ins 21. Jahrhundert, erzŠhlt von den privaten Erlebnissen des zusehends alternden Mannes ebenso wie von den BombenanschlŠgen und EntfŸhrungen in den Siebzigern, von Arbeitslosigkeit und Hungerstreiks der IRA-Leute in den Achtzigern. Dabei verstrickt der Autor Henry gekonnt in den verwickelten Verlauf irischer Geschichte, am Ende mit einem stark politischen Dreh.  WŠhrend wir nach vielen kurzweiligen Seiten wehmŸtig Abschied von einem 108-jŠhrigen Henry Smart nehmen mŸssen, hat sein Erfinder sich lŠngst neuen irischen Geschichten zugewandt: Mit dem soeben erschienenen Roman "The Guts" kehrt Doyle allerdings zu alten Bekannten zurŸck - zu Jimmy Rabbitte und seiner Band The Commitments.


Roddy Doyle: ãDie RŸckkehr des Henry SmartÒ, aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann, Hanser Verlag, 382 S., 16.99 Euro.

 

(Erschienen in: Abendzeitung, MŸnchen, 25. September 2013)


 © 2014 Reinhard Helling

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