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Periodes ist gelandet

Heftiges Klopfen an der Türe ließ Hel aus dem Schlaf schrecken. Schimpfend rollte er sich aus dem Bett, griff nahezu automatisch nach seinem Dolch und tappte schlaftrunken zur Türe. Übelgelaunt öffnete er die Türe einen Spalt, eine unfreundliche Bemerkung auf der Zunge, als er Dagon erblickte.

„Hel, verdammt, schläfst du mit den Fingern in den Ohren?": Dagon Morhs finsteres Gesicht wirkte noch düsterer als sonst. Dieser Ausdruck vertrieb Hels Müdigkeit schlagartig. Er öffnete die Türe, völlig vergessend, daß er nackt war.

„Komm rein, Dagon." Als er die Türe hinter ihm schloß, erschien Vella, die Bettdecke um ihre Schultern geschlungen, das lange, dunkle Haar umrahmte ihr hübsches Gesicht, das einen besorgten Ausdruck zeigte, der sich noch vertiefte, als sie Dagon sah.

„Was gibt es?": wandte Hel sich an ihn.

Dagon warf einen vieldeutigen Blick auf Vella und erst nachdem Hel keine Anstalten machte, darauf zu reagieren, sprach er: „Periodes ist gelandet."

Hel`s Gesicht wurde ausdruckslos, dann nickte er. „Warte einen Moment, ich bin gleich so weit."

Hel begab sich gefolgt von Vella in den Schlafraum, eilig begann Hel sich anzuziehen, als er die Scheide des Dolches an seinem linken Unterarm befestigte, trat Vella an ihn heran.

„Hel, mußt du denn selbst gehen, schicke Dagon oder Andere."

Vella kämpfte mit den Tränen, als sie Hel umarmte.

„Ich muß gehen. Du weißt es genau so gut wie ich.": entgegnete Hel sanft und strich Vella übers Haar. „Wir haben ausführlich darüber gesprochen." Einen Moment kämpfte Vella mit dem Wunsch ihn anzuschreien, anzubetteln doch hier zu bleiben, dann richtete sie sich jedoch zu ihrer vollen Größe auf und blickte Hel direkt in die Augen.

„Dann geh, Hel Nergal, kämpfe und siege." Ihre Lippen bebten leicht als sie ihn küsste und dann sanft ihre Rechte auf seinen Scheitel legte. „Mögen dich die Götter beschützen, dir Kraft geben und dich gesund wieder kehren lassen."

Hel nahm sie in die Arme, dankbar und stolz, für ihre Kraft und ihren Segen. „Ich komme zurück, fürchte nichts."

Hel empfand die Gewissheit nicht, die er in seine Stimme legte. So schwieg er auch, für die Dauer ihrer Umarmung. Sanft löste er sich von ihr. „Es ist Zeit, Vella, ich muß gehen."

Sie nickte stumm. Hel gürtete sein Schwert, lockerte die Klinge und rückte es zurecht. Er nahm sie nochmals in die Arme, hielt sie fest und atmete den Duft ihres Haares ein. Vella fürchtete um ihre Fassung, so entzog sie sich seiner Umarmung.

„Geh jetzt, Hel und kehre wieder." Noch beherrschte sie sich. Hel nickte, küßte sie und verließ ihren Wohnraum, schon ungeduldig von Dagon erwartet.

„Gehen wir, Dagon." Sie verließen die Apotheke, draußen auf der Straße harrten ihrer weitere fünf Mann mit den Pferden, sie schwangen sich in die Sättel und trabten in Richtung Stadttor davon. Vella konnte nicht länger an sich halten, schluchzend warf sie sich auf das Bett, würgende Angst befiel sie und in ihrer Not richtete sie flehende Gebete an die Göttin.



Dagon lehnte sich im Sattel zu Hel: „Ich wollte dir das nicht vor Vella sagen, aber Periodes hat einen Boten an Land geschickt, er weiß also schon Bescheid."

Hel fluchte vor sich hin. Damit waren die letzten, schwachen, Hoffnungen dahin, mit Periodes zu reden. Jetzt stand der tote Zzrkiz unüberwindlich zwischen ihnen. Außerhalb der Stadtmauern trieben sie ihre Pferde an, die Hufe dröhnten und der scharfe Reitwind kühlte angenehm die Haut. Hels Stimmung wurde mit jeder Minute düsterer. Nicht das er den Tod wirklich fürchtete, doch der Knoten in seiner Brust schnürte sich mit jedem Atemzug enger. Er hatte der Stadt einen Bürgerkrieg erspart, aber zu welchem Preis? Zzrkiz war tot, er hatte Eide gebrochen, Periodes mußte ihn zur Verantwortung ziehen, kein Weg führte daran vorbei. Der Schmerz dem Freund und Bruder, als Verräter gegenüber treten zu müssen, brannte quälend in ihm und die Ausweglosigkeit der Situation fachte dumpfen Zorn an, der sich gegen ihn selbst richtete. Lange und bitter hatte er mit sich gerungen, um diesen Entschluß und um die Kraft ihn auszuführen, niemals war der Zweifel verstummt. Aber hätte er diejenigen, die ihm vertrauten, die an ihn und seine Ideale glaubten, in diesen sinnlosen Opfergang schicken können? Er hätte nicht gezögert auch sein Leben in die Waagschale zu werfen, wäre der Erfolg greifbar gewesen. Zum tausendsten Male verfluchte er das Geschick.

Sie hatten die Hügel erreicht und trieben die Pferde nun seewärts, hinab zu der geheimen Anlegestelle hinter dem Tempel, verborgen zwischen den Klippen der Küste. Schon konnte Hel das Schiff sehen, weit draußen vor der Bucht, die Segel leuchteten, wie Lilien auf dem Blau der See. Die Brandung rauschte, sich unermüdlich gegen die Felsen werfend, an ihnen nagend und sie in endloser Geduld langsam zerreibend. Sie erreichten die Stelle von der aus sich der schmale Saumpfad steil zu den Klippen hinabschlängelte. Sie zügelten die Pferde und stiegen ab.

Dagon kommandierte einen Mann als Wache bei den Pferden ab, dann machten sie sich an den Abstieg. Hels düsteres Schweigen lastete auf der Gruppe, die vorsichtig dem schmalen, steilen Pfad folgte. Als die Klippen den Ausblick auf das Meer freigaben, sah Hel das Ruderboot, daß auf den felsigen Strand gezogen worden war, die Matrosen und einige Bewaffnete um ein Feuer aus Treibholz sitzen, über dem ein Kessel dampfte. Abesondert von dieser Gruppe stand Periodes, den Blick auf das Meer hinaus gerichtet.

Sein schwarzer Mantel bauschte sich in der Brise, die von See her wehte. Eine Böe ließ den Stoff hochflattern, einen Moment sah Hel die gespreizten Schwingen eines schwarzen Falken, der sich auf seine Beute stürzte. Mit einem Schaudern vertrieb er die Ahnungen und Bilder, die vor seinem inneren Auge auftauchten. Ein Zuruf aus dem Kreis um das Feuer und Periodes drehte sich langsam herum. Sein Blick heftete sich auf Hel.

„Wartet hier.": sagte Hel über die Schulter. Langsam, fast gemessen, setzte er Fuß vor Fuß auf den rauhen, unebenen Fels. Periodes stand hochaufgerichtet, das Gesicht steinern, eine Faust am Schwergriff. Die widerstrebenden Gefühle tobten durch Hel. Einerseits war da unbestreitbar Freude, den Freund wohlauf zu sehen, andererseits fühlte er sich schuldig unter dem eisigen Blick. Periodes ganze Haltung drückte Verachtung aus. Bis auf Armeslänge kam er an ihn heran, dann wollte er zu sprechen beginnen.



Periodes schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab, seine Stimme war heiser und hart: „Erspare uns unsinniges Gerede, ich will kein Wort der Ausrede hören! „ Er richtete den Blick auf Hels Linke.

„Du wagst es noch diesen Ring zu tragen? Du, der du Alles und Jeden verraten hat? Aber dies Mal, Hel Nergal, wirst du für deinen Verrat bezahlen. Gib mir den Ring!"

„Periodes, laß............"

„Gib mir den Ring!": unterbrach er Hel herrisch.

„Das werde ich nicht tun."

„Du hast deinen Eid gebrochen, du hast unsere Ehre besudelt, du hast mit dem Feind paktiert, durch deine Schuld ist einer unserer Brüder, Zzrkiz, ums Leben gekommen. Du bist ausgestoßen, ein Verräter der den Tod mehr als einmal verdient, du gehörst nicht mehr zu uns!"

Ein gnadenloses Feuer brennt in Periodes Augen.

„Ich bin froh, daß meine Tochter Tara tot ist, ihr blieb diese Schande erspart."

Hel zuckt zusammen, als hätte er einen Peitschenhieb erhalten.

„Ich habe dir die Hand gereicht, in Freundschaft und dich in aufgenommen, in die Familie. Ich hätte es besser wissen müssen, du bist ehrlos, ein Verräter, ein Nichts." Periodes Worte waren wie Messerklingen, die sich in Hels Fleisch bohrten.

Doch seine Stimme schwankt nicht, als er erwiederte: „Ich habe dich nicht verraten, Periodes. Ich zog unsere Truppen aus einer Schlacht zurück, die uns den Untergang gebracht hätte. Ich habe unsere Kraft aufgespart, für den Tag, an dem der Sieg greifbar ist. Es hätte kein Sinn und Nutzen in diesem sinnlosen Opfergang gelegen."

„Sinn und Nutzen!": höhnte Periodes, „du warst noch nie um Worte verlegen, um deinen Hals zu retten. Du hattest deine Befehle! Was hast du getan? Du hast uns verkauft! Nichts mehr als ein Fetzen Papier ist dieser Vertrag, nicht die Tusche wert, mit der geschrieben wurde. Du hast geschworen, die Inquisition aus der Stadt zu werfen und den Rat zu stürzen, oder bei dem Versuch zu sterben, auf den Falken hast du geschworen!"

Hel kämpfte mühsam um seine Beherrschung, als wäre der Eid den geleistet hatte, ein bodenloser Strudel, der an ihm zerrte, um ihn hinab zu reißen, in ewige Nacht und Finsternis. Periodes sprach die Wahrheit. Er hatte geschworen, ohne wenn und aber. Gesichter seiner Kämpfer wirbelten in einem schnellen Reigen durch seine Gedanken, Frauen und Männer, die ohne Zögern in die Schlacht gegangen wären. Er sah sie verstümmelt, erschlagen, hingestreckt auf der Erde, die ihr Blut gekostet hatte, einer bloßen stolzen Geste wegen. Jetzt war es an ihm, den Preis zu bezahlen, für diese Leben, die er bewahrt hatte, vor dem Gemetzel dieser Schlacht.

„Dann laß es uns hinter uns bringen, Periodes, wie es unser Gesetz fordert, Mann gegen Mann."

"Du forderst unser Gesetz ein? Du?" :er spie ihm die Worte ins Gesicht.

Jetzt straffte sich Hel und ein gefährlicher Glanz trat in seine Augen.

"Noch trage ich diesen Ring, noch befehle ich hier. Du mußt dir den Ring schon holen, wenn du ihn haben willst."

lange maßen sie sich mit Blicken, dann nickte Periodes:

"Dann soll es sein, Hel. Aber glaube nicht, daß du leicht sterben wirst und nachdem ich mit dir fertig bin, hole ich mir den Mörder Zzrkiz, deinen schwarzen Hund."

"Das liegt in der Hand der Göttin." :gab Hel zurück. "Ich werde meine Männer unterrichten."



Hel wandte sich ab und ging zurück zu der kleinen Gruppe, die nervös auf ihn wartete. Dagon trat zu Hel.

"Was ist Hel?"

"Wir kämpfen es aus."

Hel begann den Dolch vom Unterarm zu schnallen.

"Ich werde statt dir gehen, Hel." :sagte Dagon mit Vorfreude auf den Kampf in der Stimme. Hel fuhr auf dem Absatz herum.

"Nichts wirst du tun, Dagon, daß ist meine Sache!"

Er reichte Dagon die Scheide mit dem Dolch, der starrte ihn ungläubig an.

"Du willst mit dem Schwert gegen ihn antreten? Bist du verrückt? Warum hast du dich nicht gleich von den Klippen gestürzt?"

Mit unbeweglichem Gesicht hielt Hel ihm den Dolch hin.

"Wie es das Gesetz fordert, Dagon."

"Hel, du bist mit dem Schwert ein Nichts, er wird dich in Stücke hacken." :ehrliche Bestürzung zeichnete sich immer deutlicher auf Dagons sonst so finsteren Zügen ab.

Stumm hielt ihm Hel weiter den Dolch hin, den Dagon schließlich nahm.

„Du bist ein elender Narr, wirf dich doch nicht so fort!": leise hatte Dagon gesprochen, daß nur Hel ihn hören konnte.

Ein undeutbares Lächlen umspielte Hels Lippen. „Dagon und wenn es die letzte Tat dieses Lebens ist, so muß ich es tun."

„Du..."

Hel unterbrach ihn: „Dagon, niemand wird in diesen Kampf eingreifen, das ist ein Befehl, du wirst jeden töten, der es versucht."

Dagon umklammert den Stiel seiner Axt so heftig, daß die Knöcheln weiß hervortreten, seine Zähne knirschten und mahlten, deutlich traten seine arbeitenden Kiefermuskeln hervor, dann nickte er schließlich: „Wenn du es so wünscht, wird es geschehen."

Hel entledigte sich seines Obergewandes und des Schwertgurtes, beides reichte er einem der Männer. Dann reichte er Dagon wortlos die Hand. Dagon drückte sie und beugte sich zu Hel: „Suche eine schnelle Entscheidung, daß ist deine einzige Chance."

Hel nickt ihm zu, dann drehte er sich um und näherte sich langsam Periodes, das blanke Schwert in der Rechten. Er erwartete ihn schon, des Umhangs entledigt, das Kettenhemd ausgezogen. Alle Augen richteten sich auf die Beiden, die sich jetzt abwartend gegenüberstanden.



Es war ein Moment, in dem die Zeit den Atem anzuhalten schien, ihre Blicke maßen sich, dann trat Periodes einen Schritt zurück und hob das Schwert. Die lässige Eleganz des erfahrenen Schwertkämpfers lag in seinen Bewegungen. Hel umklammerte das Schwert wie einen Prügel. Mit einem spielerischen Ausfall trieb Periodes Hel ein paar Schritt zurück, fast wäre Hel, bei dem Versuch auszuweichen, gestolpert. Den nächsten Hieb parierte Hel, die Schwerter klirrten aneinander und der Aufprall hätte Hel um ein Haar das Schwert aus der Hand geschlagen.

Periodes ließ die Schwertspitze in Kopfhöhe pendeln, wie das Haupt einer Schlange, dann stach er nach den Augen, mit der Schnelligkeit eines niederstoßenden Falken. Hel riß den Kopf zur Seite. Trotzdem biß das Schwert über seinem linken Ohr in die Kopfhaut, hinterließ einen Schnitt, aus dem das Blut zu fließen begann und sein Untergewand rötete. Brennend war der Schmerz und ließ ihm die Tränen in die Augen steigen, aber mit einer reflexhaften Hieb trieb er Periodes zurück.

Hel ging zum Angriff über, stach gegen den Bauch von Periodes, der jedoch parierte lässig und mit einer Drehung des Handgelenkes entwaffnete er Hel. Klirrend fiel das Schwert zu Boden. Periodes trat zwei Schirtte zurück.

„Heb das Schwert auf, Hel. Es ist noch lange nicht zu Ende. Ich werde dich Verzweiflung lehren, bevor du das Reich Yoroms betrittst."

Hel bückte sich nach dem Schwert, ihn nicht aus den Augen lassend. Blut floß von der Kopfwunde über die linke Seite seines Gesichts, als er die Klinge aufhob. Wieder drang Periodes auf ihn ein, mit einem Hieb der auf seine linke Hand gezielt war. Hel lenkte die Klinge ab, konnte aber nicht verhindern, daß ihm ein tiefer Schnitt am Unterarm beigebracht wurde. Dumpf pochte der Schmerz und betäubte seine Linke, von der Blut auf den Felsboden tropfte.

Sein Rückhandschlag durchtrennte Periodes Kleidung und zog eine blutige Linie über dessen Brust. Periodes lachte auf und drang weiter auf Hel ein. Er deckte ihn mit Schlägen ein, nur durch Glück konnte Hel ernsthaften Verletzungen entgehen. Allerdings trug er ein paar oberflächliche Schnitte davon, die brannten und pochten.

Er wußte, Periodes spielte bloß mit ihm, schon in den ersten Sekunden hätte er ihn töten können, wäre ihm daran gelegen gewesen. Hel parierte einen weiteren Schlag und ihre Gesichter waren sich nahe, hinter den gekreuzten Klingen. Aus Periodes Augen flossen Tränen.

„Alles hätte ich dir verziehen, Hel, deinen Verrat, deine Eigenmächtigkeiten, aber Zzrkiz..........dafür wirst du bezahlen."

Nur Hel konnte die heiser geflüsterten Worte verstehen. Während sich ihre Oberarmmuskeln spannten, sie suchten, des Anderen Klinge wegzudrücken, erwiderte Hel ebenso leise: „Er wollte mir nicht zuhören, genau wie du."

Mir einem wilden Ruck stieß Periodes Hel von sich. Der Schmerz und die Wut über den Verlust verzerrte sein Gesicht, er täuschte mit dem Schwert und trat wuchtig gegen das rechte Knie Hels. Eine Lanze aus Schmerz stach durch Hels rechtes Bein, daß unter ihm nachgab, er fiel, rollte sich zur Seite. Funkensprühend schrammte Periodes Klinge über den Fels, an der Stelle wo er noch einen Atemzug zuvor gelegen war. Schon war Periodes über ihm, die Klinge zielte auf Hels Kehle. Schwer atmend, sein Gesicht eine Maske des Grimms, blickte er auf Hel herab.

Erinnerungen drangen in die Gegenwart, Zzrkiz, als er ihn schwer verwundet aus einer der zahllosen Kämpfe seines Lebens trug, Zzrkiz, als er an seiner Seite wachte, als das Wundfieber ihn schüttelte, immer wieder drängte sich das Bild seines ältesten Freundes zwischen seine Wahrnehmungen.



Dagon hielt indes einen der Männer fest, den es nicht mehr an seinem Platze hielt.

„Hast du den Befehl nicht verstanden?": knirschte er zwischen den Zähnen hervor.

„Er wird ihn umbringen, Dagon!": gab der Mann heißer zurück.

Dagon hob die Axt, als der Kämpfer Anstalten machte, sich loszureißen.

„Orin, zwing mich nicht seinen Befehl auszuführen."

Dagon blickte ihn an und er ließ keinen Zweifel aufkommen, daß der nächster Schritt gleichzeitig auch der Letzte wäre. Einen Moment sah es so aus, als ließe es Orin darauf ankommen, dann jedoch sanken seine Schultern kaum merklich herab und er trat einen Schritt zurück. Dagon ließ die Axt sinken, doch es war ihm anzumerken, wie schwer es ihm fiel, nicht einzugreifen, in den ungleichen Kampf.



Periodes hatte sich zu Hel gebeugt, seine Augen brannten, als sich seine Linke in Hels Untergewand krallte: „Steh auf! Oder soll ich dich im Liegen abstechen, wie ein Schwein?" Er spie Hel in`s Gesicht.

All der Schmerz, der durch seinen Körper tobte, hatte nicht vermocht, seine Wut anzufachen, doch als er den Speichel von seinem Gesicht wischte, öffnete sich die lang verschlossene Türe. Die Demütigung, der dumpfe Zorn, die Pein des Verlustes, bündelte sich in einen glühenden Strom, der alle Dämme brach. Nicht mehr das Gesicht Periodes beugte sich über ihn, sondern die Fratze seines Peinigers.

Mit einer Drehung des Handgelenkes trieb er seine Faust in diese Fratze, befriedigt hörte das gedämpfte Knirschen mit das Nasenbein brach, unter der Wucht des überraschenden Schlages.

Periodes ließ ihn los und taumelte mit einem Aufkeuchen zurück. Er konnte nichts sehen, Tränen füllten seine Augen und der Schmerz brachte ihn fast zum Aufschreien. Hel kämpfte sich auf die Beine, das Schwert als Stütze verwendend, keuchend suchte er einen festen Stand zu finden, doch sein rechtes Bein konnte sein Gewicht nicht tragen. Funken tanzten vor seinen Augen, der Blutverlust ließ ihn schwindeln, Schmerz pulste durch seinen Körper, nichts wünschte er sich sosehr, als sich einfach fallen zu lassen und die Augen zu schließen. Doch er setzte seinen Willen ein, der seine Wut kanalisierte, die Pein zum Verstummen brachte. Nur eines zählte noch, der Hieb, der das Ende brachte. Blut floß Periodes aus der Nase, die anschwoll und immer stärker schmerzte, endlich hatte er seine Tränen weggewischt, sein Blick klärte sich.

Er sah Hel mühsam-schwankend auf den Beinen bleiben. Ein Knurren löste sich aus seiner Kehle. „Jetzt fahr zur Hölle, Verräter."

Er hob das Schwert und kam näher, ein mörderisches Glitzern in den Augen. Hel machte sich bereit, einen Stoß oder Hieb, mehr hatte er nicht und er wußte es. Doch dieses Wissen lähmte ihn nicht, es ließ ihm aus den verborgensten Winkel seiner Selbst Kraft zufließen. Mit einem höhnischen Grinsen erwartete er Periodes.

Wie zwei Wölfe belauerten sie sich, jeder bereit zu töten. Ihre Gesichter waren verzerrt zu dämonischen Fratzen, aus denen nur wahnsinnige Wut und Vernichtungswille leuchtete, die Zähne gebleckt, umklammerten sie ihre Waffen. Dann griff Periodes an, doch Hel machte nicht die geringsten Anstalten den Stich zu parieren, er federte in einen Ausfallsschritt, völlig auf das verletzte Knie vergessend, daß auch sofort unter seinem Gewicht nachgab.

Periodes Stich war auf den Magen gezielt, doch Hel kippte nach rechts, als sein Bein unter ihm nachgab. Die Schwertspitze brach Hel zwei Rippen, glitt dann aber an den Knochen ab, pflügte durch seine linke Seite, hinterließ eine tiefe Wunde, aus der einen Moment weiß die Knochen schimmerten, bevor das Blut hervorschoß. Periodes geriet aus dem Gleichgewicht und taumelte noch einen Schritt, getragen von seinem eigenen Schwung, vorwärts.



Schmerz, weißglühende Pein, explodierte in Hels Seite, tausende glühende Nägel wurden in sein Fleisch getrieben, als er fiel und ihm das Schwert aus der Hand gerissen wurde. Er stürzte schwer auf den felsigen Boden. Ein pulsierender Schlund schien ihn verschlingen zu wollen, Feuer tanzte vor seinen Augen. Am Rande seines schwindenden Bewußtseines hörte er ein Klirren, so als ob ein Schwert auf die Felsen geprallt wäre. Er preßte seine Linke gegen die Seite, aus der unaufhaltsam das Blut strömte, mit unendlicher Mühe hob er den Kopf, den letzten Streich erwartend.

Periodes war auf die Knie gefallen, mit weit aufgerissenen ungläubigen Augen starrte er auf das Schwert, daß unterhalb seines Rippenbogens in seinen Leib gedrungen war. Ein Blutschwall drang über seine Lippen, dann fiel er zu Seite.

Aller Zorn und alle Wut waren aus Hel gewichen, er sah nur den Freund fallen.

Er bemerkte nicht, daß von beiden Seiten Kämpfer auf sie zuliefen, er hörte nicht ihre Schreie und aufgeregtes Gerufe, er zog sich über den Fels, die kurze Strecke die ihn von Periodes trennte. Schleier wallten vor seinen Augen, drohten ihn in Dunkelheit zu ersticken, er konnte sich nicht erheben, so zog er sich mit der Rechten vorwärts, bis er neben Periodes zu liegen kam. Mit jedem röchelnden Atemzug drang Blut aus Periodes Mund und seiner Nase, doch die Züge seines Gesichtes waren gelöst, fast friedlich. Er versuchte zu lächeln, als er Hel erkannte. Hel wollte sich aufrichten, um nach ihm zu sehen, doch er schaffte es nicht mehr. Sie blickten sich in die Augen, Periodes tastete nach ihm, bis er seine Hand zu fassen bekam.

„Neben....Tara.....mein...Freund."

Dann ließ ihn ein neuerlicher Blutsturz verstummen. Hel wollte antworten, sprechen, doch der Schmerz schnürte ihm die Kehle zu, er vermochte nur mehr zu nicken. Er spürte noch den Krampf der Periodes Körper schüttelte, dann versank er in gnädiger Dunkelheit.



Dagon erreichte mit seinen Männern die Beiden im gleichen Augenblick, als die Söldner, die mit Periodes gekommen waren. Einen Augenblick standen sie sich gegenüber, so als ginge das Blutvergießen über den Hingesunkenen weiter. Dann wandte sich der Anführer der Söldner achselzuckend ab.

„Der Kontrakt ist gelöst, sehen wir das wir fort kommen.": sagte er gleichgültig zu seinen Männern und entfernte sich gefolgt von ihnen zum Boot, daß die Matrosen flott machten.

Dagon beugte sich zu Hel:" Bei Lijan, er lebt!"

Einen Moment zeigte sein Gesicht ein erleichtertes Lächeln, als er sich hinkniete, Hels Gewand in Streifen riß, zerfetztes Fleisch an seinen Platz drückte und geschickt einen Notverband anlegte.

Orin kauerte sich neben Periodes und konnte nur mehr seine Augen schließen. Mit einem Ruck zog er Hels Klinge aus seinem Körper, reinigte sie automatisch am Gewand des Toten und wandte sich fast ehrfürchtig an die Umstehenden:

„Er hat ihn geschlagen, bei den Göttern. Hätt ich es nicht selbst gesehen, ich täts nicht glauben."

„Hilf mir lieber, statt Reden zu halten. Hel hat verdammt viel Blut verloren, er muß so schnell wie möglich in die Stadt.": fuhr Dagon ihn an.

Orin ging Dagon mit der Erfahrung eines Altgedienten zur Hand, bald waren Hels schlimmste Verletzungen verbunden. Dagon hob den schlaffen Körper hoch und betete Hel wie ein Kind in seine Arme.

Orin deutete mit dem Daumen auf die Leiche Periodes: „Was machen wir mit dem da?"

„Nehmt in mit.": gab Dagon zurück.

Zwei Mann luden sich Periodes auf, dann begannen sie den Anstieg. Die Sonne stand hoch am Himmel und trieb den Männern den Schweiß aus den Poren. Bald fluchten die Beiden, die den toten Periodes schleppten. Sie erreichten endlich die Pferde.

Periodes banden sie auf das Pferd Hels, Dagon schwang sich in den Sattel und ließ sich Hel aufs Pferd heben. Vorsichtig setzte er ihn vor sich und hielt ihn mit der Rechten fest, dann trieb er sein Pferd an. Auf dem Weg in die Stadt wechselte Dagon sanft den Griff um den bewußtlosen Hel. Das wachsbleiche Gesicht zuckte hin und wieder, wenn der Trab des Pferdes Wellen von Schmerz durch seinen Körper trieb. Ein seltenes Lächeln zeigte sich auf Dagons Gesicht, als er Hel zuflüsterte:" Du bist ein Narr, Hel. Aber ich mag Narren." Sein leises Auflachen riß ihm der Wind von den Lippen.



Copyright by Josef Mittermann

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