Allgemeine Deutsche Biographie
“Julius Schmidt”
Band 31 (Leipzig, 1890), S. 768-770.
Schmidt's ältere Arbeiten, Beobachtungen von Meteoren, Mondhöfen u. s. w. sind in Poggendorff's Annalen (Band 80-92) enthalten; später wählte er zur Veröffentlichung seiner äußerst zahlreichen Beobachtungen besonders die Astronomische Nachrichten, zu denen er übrigens schon seit 1843 Beiträge geliefert hatte. Seine erste selbständige Schrift erschien 1852 in Berlin (Resultate aus zehnjährigen Beobachtungen über Sternschnuppen; Sendschreiben an A. von Humboldt); bald nachher (Braunschweig 1856) kam die gleichfalls durchaus auf eigene Wahrnehmungen sich stützende, aber auch die Forschungen Anderer gebührend berücksichtigende Schrift über das Zodiakallicht heraus. Mit den Kometen beschäftigte er sich nicht minder angelegentlich, und insbesondere dem berühmten Septemberkometen von 1882, den er in Athen besonders lange zu sehen in der Lage war, hat er seine Aufmerksamkeit zugewendet. Am 24. September 1876 entdeckte er einen neuen Stern dritter Größe im Sternbilde des Schwanes. Auch für die Sonnenflecke liegt von ihm eine 11 Jahre (1841-51) umfassende Beobachtungsreihe vor.
Dasjenige Gebiet der Sternkunde jedoch, welches Schmidt's Namen recht eigentlich berühmt machen sollte, war die Selenographie; er ist für unsere Kenntniß von der Oberflächenbeschaffenheit des Erdtrabanten seiner Zeit das geworden, was Hevelius dem XVII., Tob. Mayer dem XVIII., Mädler den dreißiger Jahren des XIX. Jahrhunderts gewesen war. Sein über diesen Gegenstand geschriebenes Werk („Der Mond; ein Überblick über den gegenwärtigen Umfang und Standpunkt unserer Kenntnisse von der Oberflächengestaltung und Physik dieses Weltkörpers“, Leipzig 1856) gilt noch heute als ein Grundbuch, ungeachtet seitdem neue und bedeutende Leistungen englischer Astronomen gerade auf diesem Gebiete an's Licht getreten sind. Ununterbrochen arbeitete Schmidt an seiner Mondkarte, welche, sechs Fuß im Durchmesser haltend, 1878 auf Kosten der preußischen Regierung der Öffentlichkeit übergeben werden konnte. Sie enthält 30 000 Krater, ebensoviele eigentliche Berge und über 300 Rillen (wahrscheinlich seine Sprünge der Mondrinde). Von letzteren arbeitete Schmidt einen eigentlichen Katalog aus, der nicht weniger denn 425 solcher Objecte in sich schließt, während bis dahin nur 141 bekannt gewesen waren. Übrigens hat derselbe auch die ältere vorzügliche Mondkarte seines Vorgängers Lohrmann der Vergessenheit entrissen und neu aufgelegt. Alle diese zahlreichen astronomischen Arbeiten füllten übrigens noch lange nicht Schmidt's ganze Zeit und Kraft — selbst nur auf diesem einen Arbeitsfelde — aus, vieles andere harrt erst noch des Bekanntwerdens. Indem nämlich Schmidt der Geldmittel halber Schwierigkeiten bei der Publicirung seiner Athener Beobachtungen fand, von denen nur zwei Bände in den Buchhandel gelangten, bot er zu Ende der siebziger Jahre sein gesammtes handschriftliches Material der Reichsregierung an. Dieselbe ging darauf ein, erwarb die Sammlung und gab sie dem astrophysikalischen Observatorium (Sonnenwarte) zu Potsdam in's Depositum. Der Schatz, denn so darf man sich wol ausdrücken, enthält u. a. 300 Ortsbestimmungen von Nebelflecken nebst einer Reihe detaillirter Zeichnungen der wichtigeren, sehr viele photometrische Messungen, Beobachtungen über das Dämmerungsphänomen und eine über dreißig Jahrhunderte umfassende Liste von Meteorsteinfällen.
Noch aber sind wir mit der Kennzeichnung von Schmidt's wissenschaftlichem Wirken lange nicht zu Ende, denn neben der Astronomie cultivirte er auch mit Eifer und Erfolg die physikalische Geographie. Er war einer der ersten, die das neue Aneroidbarometer von Bourdon kritisch prüften und es ausgiebig zu Höhenmessungen anwandten; er bereiste mit demselben die römisch-neapolitanischen Vulkanbezirke und lieferte aus diesen sehr viele neue Höhenkoten. Vulkanische und seismische Erscheinungen hatten von jeher großen Reiz für ihn, und so ist denn auch das uns schon bekannte Buch vom Monde gleichsehr von geologischem wie von astronomischem Interesse. Hellas, das Land des meererschütternden Poseidon, bot Schmidt's Neigungen neue und mannichfaltige Anregung; seine „Vulkanstudien“ (Leipzig 1874) und nicht minder die „Studien über Erdbeben“ (ebenda 1875) enthalten der beachtenswerthen Gesichtspunkte überaus viele, umsomehr, da der Verfasser allenthalben aus dem Vollen geschöpft und — nicht ohne eigene Gefahr — anläßlich der großen phokischen Erderschütterung und des unterseeischen Vulkanausbruches von Santorin reiche persönliche Erfahrungen gesammelt hatte. Endlich datirt auch erst von dem Auftreten dieses unermüdlichen Mannes eine wirkliche Klimakunde von Griechenland, deren Grundlinien er in einem dreibändigen Werke („Beiträge zur physikalischen Geographie Griechenlands“, Athen 1861-69) gezogen hat.
Nekrolog von Holetschek (Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik, 6. Jahrgang, S. 475 ff.). — Nekrolog von Wolkenhauer, Wagner's Geographisches Jahrbuch XI, 390. — Clerke, Geschichte der Astronomie während des XIX. Jahrhunderts, deutsch von Maser, Berlin 1889. S. 326, 328 ff., 438 ff., 454 ff. — C. Neumann-J. Partsch, Physikalische Geographie von Griechenland, Breslau 1885.
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