Allgemeine Deutsche Biographie
“Christoph von Schmid”
Band 31 (Leipzig, 1890), S. 657-659.
Christoph von Schmid, Domcapitular, verdienter Jugendschriftsteller,
geboren am 15. August 1768 zu Dinkelsbühl, † am 3. September 1854 zu
Augsburg, erhielt seine wissenschaftliche Bildung auf der ehemaligen bischöflichen
Universität zu Dillingen unter der Leitung zweier vortrefflicher Männer,
des Dr. J. v. Weber und des Joh. Mich. Sailer, des bekannten nachmaligen
Bischofs von Regensburg. Nach Vollendung seiner theologischen Studien 1791
zum Priester geweiht, wirkte er einige Jahre als Pfarrgehülfe zu Nassenbeuren
bei Mindelheim, dann in Seeg im Algäu, worauf er vom Grafen von Stadion
als Schulbeneficiat und Schulinspector nach Thannhausen a. d. Mindel berufen
wurde. Hier in seiner stillen geistlichen Wirksamkeit, die ihm Gelegenheit zum
Verkehr mit der Jugend gab und auch Zeit zu geistigem Schaffen ließ, faßte
er, der Neigung seines Gemüthes und seiner Begabung folgend, den Plan,
durch geeignete, der jugendlichen Gefühls- und Anschauungswelt angepaßte
Erzählungen einen nach christlich-sittlicher Richtung hin wirkenden Einfluß auf die
Jugenderziehung zu üben. Die erste Aufgabe, die er sich stellte, war die
Behandlung biblischer Stoffe in der ebenbezeichneten Weise, um so den Inhalt der
Schrift, der ja in der eigenartigen Form dem jugendlichen Verständniß oft fremdartig
erscheint und fern liegt, bei geeigneter Auswahl in leicht faßlicher Erzählform
der Jugend zugänglich und werth zu machen. So entstand zuerst Schmid's
allbekannte „Biblische Geschichte für Kinder“, die seit 1801 in 6 Bändchen
erschien, der nicht lange nachher sein Büchlein „Erster Unterricht von Gott“ und
das „Lehr- und Lesebüchlein in hundert kurzen Erzählungen“ folgte, die sämmtlich
bald in den katholischen Volksschulen Baierns und dann allmählich in vielen
katholischen Schulen anderer deutschen Staaten eingeführt wurden. Nachdem Schmid
fast 20 Jahre in Thannhausen segensreich gewirkt hatte, gestalteten sich die
Erträgnisse seiner Stelle infolge der Abtretung des Hochstifts Augsburg, zu dem
die Pfarrei Thannhausen gehörte, an Baiern so gering, daß er sich zur
Bewerbung um eine anderweitige Pfarrstelle veranlaßt sah. Inzwischen wurde
ihm 1815 durch die Vermitteilung eines einflußreichen Freundes seitens der
bairischen Regierung die eben erledigte theologische Professur an der Landshuter
Universität und die damit verbundene Leitung des dortigen theologischen
Seminars angetragen; so ehrenvoll auch dieser Antrag und so bedrängt auch Schmid's
Lage war, so lehnte er ihn dennoch ab und zwar aus Gründen, die seiner
persönlichen Stellung und Anschauung gegenüber den Verhältnissen der Landshuter
theologischen Facultät entsprangen. Im folgenden Jahre wurde die Pfarrei
Stadion bei Ulm erledigt, über die sein Gönner, Graf Stadion, das Patronatsrecht
besaß und die nun Schmid erhielt. Nicht lange nachher eröffnete sich ihm wiederum
die Aussicht zu höheren Ämtern: seitens der Universität Tübingen erhielt er
einen Ruf als Professor der Moral- und Pastoraltheologie; ferner suchte man
ihn als Vorstand des Priesterseminars zu Rottenburg zu gewinnen. Schmid lehnte
auch diese Anträge ab, neben anderen Gründen vornehmlich durch die Erwägung
bestimmt, daß jene Stellungen mit ihren wissenschaftlichen Anforderungen ihm
nicht mehr Muße lassen würden, seiner Neigung folgen und seine Begabung zum
Wohle der Jugend verwerthen zu können. Erwähnt mag noch werden, daß Schmid
während seiner Wirksamkeit zu Stadion von der katholischen Geistlichkeit
Württembergs für den erledigten Bischofsitz von Rottenburg als Landesbischof der Regierung
in Vorschlag gebracht wurde, was jedoch besonderer äußerer Umstände halber
nicht die staatliche Zustimmung erhielt. In Anerkennung seiner schriftstellerischen
Thätigkeit und seiner Verdienste um die Jugendbildung berief König Ludwig I.
von Baiern 1827 Schmid nach Baiern zurück und verlieh ihm die Stelle eines
Domcapitulars zu Augsburg, womit seit 1832 noch das Amt eines Kreisscholarchen
verbunden war. In diesem neuen Wirkungskreis, der Zeit und Thätigkeit in
nicht geringem Maße in Anspruch nahm, blieb Schmid gleichwohl fortwährend bis
zu seinem Tode seinem innerlichen und eigentlichen Berufe als Jugendschriftsteller
treu. Von morgens 4 Uhr an saß er zu jeder Jahreszeit an seinem
Arbeitstische, um so die Zeit für diese Aufgabe zu gewinnen, den „nur die Zeit
von morgens 4 bis 8 Uhr gehört vom Tage mir, darum muß ich sie benützen“,
pflegte er zu sagen. Entsprechend dieser fleißigen Ausnützung der Zeit ist aber
auch die stattliche Zahl seiner Schriften. Außer der erwähnten „Biblischen
Geschichte“, sowie den beiden anderen für den Unterricht berechneten Lehrbüchern, die
zuerst die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Verfasser lenkten, hat Schmid ganz
besonders seinen Namen in der Folge bekannt gemacht durch eine Reihe wirklich
echter und gediegener Jugenderzählungen, die sich durch Gemüthswärme,
liebenswürdige Heiterkeit, fromme Gesinnung, sowie durch seine durchaus dem jugendlichen
Sinn und der kindlichen Denkart entsprechende Darstellungsweise in hohem
Grade auszeichnen. Von seinen etwa 50 Jugendschriften sind hier vor allem
„Die Ostereier“ (Landshut 1816) zu nennen, die wohl alt und jung kennt und
einmal oder mehrmals mit Lust gelesen hat. Mit dieser Erzählung begründete
Schmid zuerst in weiten Kreisen seinen Ruf auf dem Gebiete der Jugendschriften,
und gewöhnlich bezeichnete Schmid sich in seinen nachherigen Erzählungen als
„Verfasser der Ostereier“. Weiter sind zu nennen: „Der Weihnachtsabend“,
„Der Kanarienvogel“, „Das Täubchen“, „Ludwig, der kleine Auswanderer“,
„Die Hopfenblüthe“, „Der gute Fridolin und der böse Dietrich“,
„Rosa von Tannenburg“, „Das hölzerne Kreuz“, „Das Blumenkörbchen“,
„Eustachius“,
„Heinrich von Eichenfels“, „Genovefa“, sodann die „Erzählungen für Kinder und
Kinderfreunde“ (4 Bdchen., Landshut 1823-29) u. s. w. Die meisten
Erzählungen sind zuerst einzeln in kleinen Bändchen erschienen, die nach
Umfang und Einrichtung zugleich das Maß ausdrücken, in welchem sich die Lectüre
der Jugend halten soll. Eine Gesammtausgabe seiner Schriften mit Einschluß
der biblischen Geschichte in 24 Bändchen hat Schmid noch selbst besorgt (Augsburg
1844-46; 2. Aufl., 18 Bdchen., 1856-61). Von Schmid's später herausgegebenen
Schriften sind noch zu erwähnen die von 1847-50 erschienenen
Erzählungen: „Waldomir, eine alte Sage nebst zwei kleineren Erzählungen aus
neuerer Zeit“, „Adelheid von Thalheim“, „Deutsche Frauen der Vorzeit“ und
„Florentin Walther, ein verständiger und rechtschaffener Bauersmann“. Neuere
Gesammtausgaben umfassen so ziemlich Schmid's sämmtliche Jugendschriften mit
Ausnahme der für den Unterricht bestimmten Bücher, worunter wir nur die im
Verlage von Manz zu Regensburg 1885 in 28 Bändchen erschienene hier
anführen. — Schmid entnahm mit Vorliebe seine Stoffe aus der Ritterzeit oder aus
der Legende. Durch die Vorführung der Vorzeit mit ihren alterthümlichen
Einrichtungen, ihrer einfachen Anschauungs- und Lebensweise gewinnen seine
Schilderungen einen eigenartigen Reiz für das jugendliche Gemüth. Hin und wieder
ist ein schon bekannter Stoff in die alte Zeit verlegt in neuer Gestaltung und
Einkleidung. Die Naturschilderungen beschränken sich meist auf anmuthige und
liebliche Umrahmung der Handlung. Der Gang der Handlung selbst bewegt sich
gewöhnlich in der Störung des Glückes guter Menschen, wo dann die göttliche
Gerechtigkeit rechtzeitig wieder ausgleichend eingreift, deren allmächtiges Walten
besonders betont wird. Die Weckung werkthätiger Frömmigkeit in den Herzen
der Jugend ist eine der Hauptaufgaben, die der Verfasser sich stellt. Die
technische Behandlung gibt manchmal Anlaß zu einigen Ausstellungen: die
Entwickelung der Handlung ist zuweilen einförmig; es fehlt an Spannung und das
Kommende läßt sich leicht errathen. Dem Wunderbaren ist öfters eine allzu starke
Wirkung eingeräumt. In einigen der späteren Erzählungen will man confessionelle
Richtung finden, wie in dem „Karthäuserkloster“ und in „Adelheid von Thalheim“;
obgleich man bei der Würdigung des Verfassers wol den katholischen Geistlichen
nicht vergessen darf, der in den Anschauungen seiner Kirche lebte, so darf man
anderseits auch nicht übersehen, daß Schmid bekanntlich ein Geistlicher von mildester
Gesinnung, und jeglichem confessionellen Eiferthum im Grunde seines Herzens
abhold war, weshalb die Annahme confessioneller Tendenz bei dem sonstigen
Charakter des Mannes wol nicht begründet erscheint. Auch mehrere Dichtungen
hat Schmid hinterlassen, die sich in Lesebüchern zerstreut finden, wie „St. Meinrad
und die Raben“, „Das Waldhorn“ u. a. Schmid's Jugendschriften haben eine
außerordentliche Verbreitung nicht allein in Deutschland, sondern auch in
Frankreich, England, Italien, selbst in Nordamerika gefunden, und sind in die meisten
lebenden Sprachen übersetzt. Schon 1833 erschien zu Paris eine Ausgabe
derselben in 22 Bändchen; sie fanden in Frankreich eine ungemein günstige
Aufnahme, wo der Verfasser als „le chanoine Schmid“ der Jugendwelt bekannt
und werth ist. 1853 erschien Schmid's letzte, jedoch unvollendete Schrift:
„Erinnerungen aus meinem Leben“ in 2 Bändchen; das zweite Bändchen
enthält zumeist Erinnerungen an seinen hochverehrten Lehrer, den Bischof Sailer.
Obwol in hohem Greisenalter von ihm verfaßt, sind diese Erinnerungen mit
großer Wärme und seltener Gedächtnißtreue niedergeschrieben. Daß dem um
die Herzensbildung der Jugend so hochverdienten Manne auch die öffentliche
Anerkennung seiner Verdienste zu theil wurde, ist selbstverständlich. König Ludwig I.
von Baiern ernannte Schmid 1837 zum Ritter des Verdienstordens der bairischen
Krone und 1850 verlieh ihm König Maximilian II. das Comthurkreuz des
Verdienstordens vom hl. Michael. Sein fünfzigjähriges Priesterjubiläum feierte
Schmid 1841 auf den Wunsch der Bürger seiner Vaterstadt in Dinkelsbühl, wo dem
Jubelgreis ein festlicher Empfang bereitet wurde; der 80. Geburtstag Schmid's
war für Augsburg ein öffentlicher Festtag, und 1848 sandte ihm die Universität
Prag in Anlaß der Feier ihres 500jährigen Bestehens das Diplom der theologischen
Doctorwürde.
Schmid war zeitlebens eine kindlich fromme Natur, ein gläubiger Sohn und pflichtgetreuer Priester seiner Kirche, der mit echter Glaubensinnigkeit duldsame Milde gegenüber Andersgläubigen und ruhiges klares Verständniß bezüglich Andersdenkender zu verbinden wußte, ein hochbegabter Jugendschriftsteller, der deshalb mit so großem sittlichen Erfolg für die Jugend schreiben konnte, weil er als Mann und selbst noch als Greis mit ihr empfand und sie verstand. Bis in sein hohes Greisenalter blieb Schmid körperlich und geistig rüstig und gesund; ein langes arbeitsames, von äußerem Leid fast nicht berührtes Leben war ihm beschieden; er starb am 3. September 1854, ein Opfer der Cholera. Seine Selbstbiographie: „Erinnerungen aus meinem Leben“ wurde nach seinem Tode von Werfer („Briefe und Tagebuchblätter“, München 1871) vervollständigt.
Vgl. K. G. Hergang, Pädagog. Realencyklopädie II, 608, 609. — Schmid's Selbstbiographie, vollendet und herausgegeben von Werfer, 4 Bde. Augsburg 1853-57. — Werfer, Briefe und Tagebuchblätter von Christoph von Schmid. München 1871.
Allgemeine Deutsche Biographie
Lebenserinnerungen von Carl
Schurz