Feindesland

Eine Gruppe von ehemaligen Soldaten, allesamt Strafgefangene, sind zusammengekommen zu einer kleinen, bescheidenen Gefängnis-Geburtstagsfeier für einen Ex-Offizier. Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit ist ein Mann von vierzig Jahren, kampfmüde, traumatisiert und ohne Illusionen -- ein trauriger, früh gealterter Ex-Leutnant, der als seelisch und geistig instabil gilt. Seine Haltung verrät den Militär; sein Gesicht, von tiefen Falten durchzogen, strahlt vor Freude, daß er bei diesem Ereingnis im Mittelpunkt steht. Der Rest der Gessellschaft, zumeist Deserteure, sind einfache Soldaten, die ihm immer noch gehorchen und ihn vielleicht sogar fürchten, obwohl er hier und jetzt ihresgleichen ist. Er ist vor vielen Jahren von Afghanistan hierhergebracht worden. Sein Verbrechen: Als Reaktion auf Feuer aus einem Dorf hatte er angeordnet, das Dorf durch Panzer zerstören zu lassen. Mehr als vierzig Zivilisten waren umgekommen.

"Ich rede nicht oft über den Krieg, Jungs," beginnt der Leutnant die Geschichte, die alle schon hundertmal gehört haben. "Ich war Freiwilliger in Afghanistan", fängt er an, mehr zu sich selbst als zu ihnen sprechend... "Nichts Besonderes dabei, manches hat Spaß gemacht, manches weniger. Jeder Soldat sollte mindestens einmal in den Krieg gehen. Einen kleinen Krieg von Zeit zu Zeit, damit er in Übung bleibt. Warum sollte man Soldat werden, aber niemals einen Krieg erleben? Wo sonst kann man Leute umbringen und dafür Orden bekommen? Wo sonst gibt es den guten alten Kampf Mann gegen Mann? Glaubt keinem, der behauptet, es sei kein Herzklopfen dabei, kein Hochgefühl, kein Triumph, wenn du noch lebst und der Feind nicht mehr. Das ist die Natur des Menschen." An diesem Punkt schauen alle zu Boden. Sie sind Deserteure, er ist ein Kriegsverbrecher, und obwohl sie alle Verbrecher vor dem Gesetz sind, fühlen sie sich schuldig dafür, daß sie dem Kampf ausgewichen sind.

"Ich habe Frauen und Kinder getötet, als ich den Befehl gab, dieses Dorf zu zerstören. Aber wir haben sie vorher auch getötet, wir haben alle getötet, deren Schultern Druckstellen von den Maschinengewehren hatten. Als ich in diesen Krieg zog, haben sie uns gesagt: ,Ihr kämpft gegen eine Gruppe von religiösen Fanatikern', aber ich habe es anders gesehen. Im Feindesland mußt du alle bekämpfen. Du mußt bei jedem Busch mit Gewehrfeuer rechnen. Wenn du vorübergehst, lächeln dich die Zivilisten an, und dann schießen sie dir in den Rücken", fährt er fort, ein leises Lächeln auf den Lippen. Während sie dem Leutnant zuhören, spüren alle, wie die Freude über die Geburtstagsfeier sich allmählich in etwas Unangenehmes verwandelt.

"Hier im Gefängnis habe ich ihr Buch gelesen, den Koran", redet der Leutnant weiter. "Er ruft zum Mord auf, zur totalen Zerstörung -- aller Ungläubigen jedenfalls. All derer, die keine Moslems sind. Wenn du ein Moslem bist, ist es deine Pflicht, alle Ungläubigen zu töten. Das steht im Koran. Und ich, ich nehme es persönlich, wenn mich jemand umbringen will. Ich bin da vielleicht etwas empfindlich, aber so bin ich nun mal.

Als ich im Krieg war, hatte ich nicht viel Zeit nachzudenken, aber hier im Gefängnis habe ich alle Zeit der Welt. Und ich habe erkannt, daß der wahre Feind der Islam an sich ist, nicht nur eine fanatische Splittergruppe. Wer an ihre Bibel glaubt, an den Koran, der glaubt, daß es seine Pflicht ist, uns zu töten. Uns alle. Das ist völlig vernünftig und nachvollziehbar, wenn man sich anschaut, mit welchen Mitteln Mohammed seine Anhänger rekrutiert hat. Das nenne ich nicht Religion. Er hat sie gezwungen... er hat sich einer Gruppe von Aufständischen angeschlossen, nachdem sie ihn aus seiner Stadt gejagt hatten... und dann hat er ihnen geholfen, die Stadt zu erobern. Danach wurden die Einwohner entweder ,freiwillig' Moslems -- oder sie wurden getötet. Und so ist es seitdem. Sie wissen, daß sie nicht mithalten können, und sie versuchen es gar nicht. Es steht unter Todesstrafe, einen Moslem zu irgendetwas zu bekehren zu versuchen. Warum? Weil der Islam nicht mithalten kann." Die Stimme des Leutnants beginnt zu zittern.

"In Afghanistan war mir unterbewußt klar, daß sie unsere Feinde sind. Aber hier im Gefängnis habe ich begriffen, warum sie unsere Feinde sind. Wenn ich aus dem Gefängnis komme, gleich am ersten Tag, werde ich zur Rekrutierungsbehörde gehen und mich freiwillig für Tschetschenien melden. Sie vernichten... sie töten... töten."

Er redet voller Wut, gefangen in seiner Überzeugung. Seine Augen sehen nicht die Gruppe von Deserteuren, sie sehen die verdrehten Körper seiner Männer, verstreut auf afghanischem Boden. Und während die Vernunft der Wut unterliegt und die Fäuste des Leutnants sich im Zorn ballen, begreifen die Deserteure, daß die Party vorbei ist und daß es Zeit ist, aufzubrechen.

Als sie gehen, bemerkt einer von ihnen: "Na, wenigstens sind wir dieses Jahr um die Glückwünsche herumgekommen."



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