Ein kaum bekannt gewordenes Abkommen, das Mitte Mai in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad
unterzeichnet wurde, hat einmal mehr ein Schlaglicht auf die wahren Motive hinter
der amerikanischen Militärintervention in Afghanistan geworfen
- den Zugang zum und die Kontrolle über das Öl und Gas Zentralasiens.
Das Abkommen zwischen Pakistan, Afghanistan und der zentralasiatischen Republik Turkmenistan
bildet die Grundlage für den
Bau einer 1,9 Milliarden Dollar teuren Pipeline von den turkmenischen Erdgasfeldern bei Daulatabad
bis zum südwestpakistanischen Hafen Gawadar. Eine parallel dazu verlaufende Ölpipeline
sowie eine Straßen- und Eisenbahnanbindung sind auch in Planung, ebenso wie Aufbereitungsanlagen
in Gawadar, um die Verschiffung von Flüssiggas zu ermöglichen.
Die Staatschefs aller drei Länder - der Interims-Regierungschef von Afghanistan Hamid Karsai, der
pakistanische Präsident Pervez Musharraf und der turkmenische Präsident Saparmurad
Niyazov - versprechen sich von dem Projekt beachtliche
Vorteile. Das vom Krieg verwüstete Afghanistan erhofft sich staatliche Einnahmen von mindestens 100
Millionen Dollar pro Jahr aus den Transitgebühren und die Schaffung von bis zu
10.000 Arbeitsplätzen beim Bau und der
Instandhaltung der Pipeline sowie der damit verbundenen Industrie. Die Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank
haben bereits ihre Unterstützung für das Projekt signalisiert.
Der Löwenanteil der Profite wird allerdings nicht an diese drei Länder gehen, sondern an die
transnationalen Energieriesen.
Diese bemühen sich um die Ausbeutung der gewaltigen Öl- und Gasvorkommen in Zentralasien, die
nach den Reserven des Nahen Ostens die zweitgrößten der Welt darstellen. Turkmenistan
allein hat mehr als 7,5 Billiarden
Kubikmeter Erdgas - etwa die Hälfte davon befindet sich im Feld von Dauletabad-Donmez.
Es steht jedoch viel mehr auf dem Spiel als nur Erdgasexporte aus
Turkmenistan,
einem verarmten Wüstenstaat mit etwa fünf Millionen Einwohnern. Pipelines sind
das Schlüsselelement bei der Ausbeutung der Öl- und
Gasvorkommen in ganz Zentralasien, einer von Landmassen umschlossenen Region, die derzeit für den Transport der
Ressourcen noch auf die Infrastruktur aus der Sowjetära angewiesen ist. Der Verlauf
jeder neuen Pipeline ist nicht nur eine
wirtschaftliche
Angelegenheit, sondern angesichts der überragenden Bedeutung von Öl und Gas in der modernen
Gesellschaft auch eine strategische Schlüsselfrage.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1991 haben sich die Vereinigten Staaten
ausgiebig mit der Frage
beschäftigt, wie sie gegenüber ihren Rivalen eine Vormachtstellung in Zentralasien erreichen können.
Washingtons Pläne für Zentralasien konzentrierten sich darauf, das jetzige Monopol
Russlands zu unterhöhlen und China und
den Iran davon abzuhalten, alternative Pipeline-Routen in der Region zu bauen.
Es gibt nur zwei Alternativen - eine
lange und umständliche Route nach Westen durch Aserbaidschan, Georgien und die Türkei oder eine kürzere südliche Route
durch Afghanistan und Pakistan
30. 6. 2002