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SvB #2: Verschollen

©1989 by Shavana & Stayka


Es war Siskatag, der 1. Enuari 3762 GZ.

Alycia Cherylla Blade stand nur in einer duftigen Unterbekleidung in ihrem Ankleideraum vor einer der zimmerbreiten und -hohen Spiegelwände. Drei Haufen nachlässig hingeworfener Kleidungsstücke wurden mehrfach in ihnen reflektiert.

"Cayvyn...!" rief sie leidend und ziemlich lautstark, woraufhin der Angesprochene ihr Gemach betrat.

"Was ist, meine Liebe?" Sir Cayvyn, Alycias Lebensgefährte, war ein hochgewachsener, kupferrotgoldhaariger junger Mann mit elfenbeinernem Teint und riesigen, grüngolden schimmernden Augen.

"Cay, in 25 Minuten fängt der große Gala-Ball bei meinem Schwesterherz an, und ich weiß immer noch nicht, was ich anziehen soll."

Sie sah ihn mitleiderregend an und hielt ein neongelbes Federdings in der einen und ein neonpinkes, wüst wallendes Gewand in der anderen Hand. Cayvyn grinste über alle vier Backen. Diese ...Fummel sahen beide gleich schrecklich aus. Aber was tat man nicht alles, um seinem Image gerecht zu werden... Er sah an sich herab. Dieser stutzerhafte, tiefgoldene Anzug war auch nicht der Kern der Galaxis - und zu Acys Outfit paßte er ohnehin in keinem Fall.

"Diese ...extravagante, leuchtend rosafarbene Gewandung steht Euch überaus ausgezeichnet zu Gesicht, Mylady Alycia", bemerkte er daher mit todernster Miene. "Ihr solltet sie anlegen." Er liebte es, in die verschiedensten Rollen zu schlüpfen, und die des Sir Cayvyn war eine erholsame Abwechslung. Hier in der Villa Alycia konnte er sich zwar üblicherweise normal geben, doch manchmal machte es ihm Spaß, weiter den versnobten Adligen von Allirion IV/Naravina zu spielen, dessen Mutter die Cousine 3. Grades des Onkels der Hochkönigin der östlichen Landgüter des Sdayinisischen Kontinents und dessen Vater der Ziehbruder des Herzogs der Ayryana-Ländereien war.

(Villa Alycia - Alycias Orbital-Villa, die in geostationärem Orbit um Suune III/Tarishaan kreist.)

"Ich dachte es mir!" rief Alycia aus und warf sich in das extraordinäre Habit. Als sie im Spiegel Cayvyn neben sich erblickte, konnte auch sie sich eines Grinsens nicht erwehren. Ihr Aufzug paßte wieder einmal rein gar nicht zu dem seinen. Naja, Fatum...

Rasch bürstete Acy ihre neongelbe, hüftlange Mähne in Form, bevor sie den dazu passenden Gürtel umlegte und in die gleichfarbigen Stiefel stieg.

Cayvyn bot ihr galant seinen Arm dar, und gemeinsam schritten sie durch das TM-Tor und kamen im Garten der Villa heraus, der im Gegensatz zu dem 'Gebäude' selbst auf dem Planeten Tarishaan lag. Blade Manor, der Wohnsitz von Nardia Blade, lag in relativer Nähe.

(TM-Tor - Transmit-Tor)

Die beiden stiegen in eins der planetengebundenen Aero-Shuttles, die in einer kleinen Tiefgarage unterhalb des Gartens abgestellt waren und flogen zu Nads Behausung herüber.

* * *

Nardia Blade gab rasch noch einige Anweisungen an das zusätzliche Personal, das sie für heute engagiert hatte, bevor der große Andrang begann.

Diese Jahresbeginn-Parties waren immer das Ereignis des Jahres und somit hoffnungslos überfüllt.

Heute hatte sich Nardia in ein enges hochgeschlossenes, metallicviolettes Kleid gewandet. Inzwischen kamen nun auch schon die ersten Leute an. Nardia setzte ein charmantes Lächeln auf und begann, die Gäste zu begrüßen. Schon bald hatte sie den Überblick über die Scharen verloren. Ihr schien es, als ob wieder einmal weitaus mehr Personen anwesend waren, als sie eingeladen hatte. Und diese Reporter! Sie verzog angeekelt das Gesicht.

"Hallo Nardia!" Alycia kam auf sie zugestürmt. "Einen glücklichen Jahresbeginn wünsche ich dir!" Nardia gab einen erstickten Laut von sich, als ihre Halbschwester die Arme um sie warf.

"Hi Acy! Einen glücklichen Jahresbeginn!" Nad lächelte gequält. 'Genau getroffen', dachte sie.

Sir Cayvyn verbeugte sich galant.

"Auch ich wünsche Euch einen glücklichen Jahresbeginn, Lady Nardia."

"Einen glücklichen Jahresbeginn, Sir Cayvyn", erwiderte Nardia freundlich. Sofort verschwanden Alycia und Sir Cayvyn im Getümmel, Acy auf der Suche nach Calris Cleiton, ihrer 'besten Freundin', und Cayvyn, weil ihm vorerst nichts besseres einfiel. Als er das Buffet entdeckte, machte er allerdings einen abrupten Schwenk um 90 Grad, und stürzte sich vehement darauf. Calris war seines Erachtens von minderem Niveau und seiner Gesellschaft nicht würdig.

Nardia quetschte sich durch die Menschenmassen. Sie war felsenfest der Überzeugung, daß eine einzelne weitere Person den Saal zum Platzen bringen würde. Sicherheitshalber machte sie sich schon mal auf den Weg zum Buffet, damit sie noch rechtzeitig ankam, um etwas zu ergattern.

Sie hatte doch Hunger.

Derweil hatte Acy Calris entdeckt. Diese trug einen neongelben, knallengen Overall und hatte ihre neonorangefarbene Haarpracht nachlässig aufgesteckt. Alycia seufzte. Es war so schön gewesen, als ihr Neon-Outfit noch die Novität war!

Mittlerweile rannte die halbe High Society in Neonfarben herum, weil das auf einmal als chic galt. Sie würde sich wohl bald einmal ein neues Outfit überlegen müssen.

"Oh, Alycia Cherylla! Einen glücklichen Jahresbeginn!" rief Calris mit ihrer nervig hohen Stimme. "Sag mal, hast du schon das von der Frau des Antaris-Hauptaktionärs gehört? Sie soll doch jetzt von ihm getrennt leben, weil-"

Acy lächelte Calris desinteressiert an. Oh, ihr Himmel, welcher Dämon hatte sie besessen, jemals auf den Gedanken zu kommen, dieses Image anzunehmen? Diese Typen von den Oberen Zehntausend waren doch immer nur hohl, hohl, hohl!

Mit dezentem Blick auf das Buffet verabschiedete sie sich lieber wieder von Calris. Cayvyn war natürlich auch schon da und am Futtern. Es war absolut ungerecht, befand Acy. Cay hatte nie Probleme mit seiner Figur. Egal, was er in sich hineinstopfte, er blieb rank und schlank. Tsy. Sie dagegen mußte nach jeder Festivität wie z.B. heute erst einmal eine Woche Diät einlegen, um bei der nächsten Fête wieder in ihre Klamotten zu passen! Aber die Häppchen auf Nads Veranstaltungen waren einfach delikat...

Inzwischen hatte sich Nardia einen Teller gefüllt und probierte noch einige Häppchen. Sie entdeckte Alycia, die sich zielstrebig in Richtung Fressalien durch die Menge wand, bevor sie sich ebenfalls mit Effet auf die diversen Leckereien stürzte und diese auf einen Teller häufte. Als das Enfant terrible der High Society durfte sie das. Cay tat es ihr gleich, aber er war ja eh absolut verfressen.

'Komisch', dachte Nardia. 'Immer trifft man sich am Buffet. Es scheint eine ungeheure Anziehungskraft zu besitzen.'

Urplötzlich sah Alycia etwas Interessanteres als die Häppchen. Nad war auch am Speisen.

"Sag mal, du hast nur 750 Leute eingeladen?" erkundigte sich Acy verwundert. Nardia grinste schief.

"Eingeladen habe ich 500 Leute, was nicht heißt, daß sich nur so viele hier befinden", meinte sie dann.

"Eher das Doppelte", kommentierte Alycia trocken. "Ach, es ist hier so heiß... Was hältst du davon, auf die Terrasse zu gehen? Diese lauen Sommernächte sind immer so ...anregend."

"Keine schlechte Idee. Da gibt es wenigstens frische Luft."

Die beiden gingen auf die Terrasse. Cayvyn hingegen fand das Buffet fesselnder.

Von der Terrasse aus hatte man einen wunderbaren Überblick über die Parkanlagen von Blade Manor. Der See war zur Zeit von einigen Schwimmern bevölkert, und Nardia war sich sicher, daß auch das Gebüsch und der dahinter liegende Wald nicht ungenutzt waren. Sie atmete tief ein. Die Nacht war heute wirklich schön!

Die Schwestern ließen sich auf einer der diversen Sitzgelegenheiten nieder. Hier war es weitaus ruhiger als im Haus.

Auf einmal erschien eine weitere Person wie aus dem Nichts. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und hatte ebenso kolorierte Haare, Augen und Make-Up.

Nardia war sich sicher, daß das Blackfire war. Sie sah die Frau ein wenig überrascht an. Irgendwie schienen mittlerweile auf Blade Manor die Verbrecher ungestört ein und aus zu gehen, wie es ihnen beliebte.

Letztes Mal war es Blackfires Partner Infinity gewesen - und jetzt sie selbst!

"Einen glücklichen Jahresbeginn wünsche ich Ihnen, Mesdemoiselles Blade", begann Blackfire. "Ich weiß von meinem Kollegen Infinity, daß Sie gute Kontakte zur ISPC haben."

(ISPC - Interstellar Society of Protection and Crime-fighting, Gesellschaft zur Verbrechensbekämpfung, die immer dann in Erscheinung tritt, wenn die lokalen planetarischen Polizeitruppen der FGS hilflos sind.)

Sie nickte Nardia zu. "Ich habe eine wichtige Information für Sie. Der letzte Schlag gegen das Konsortium D war zwar erfolgreich, doch traf er nur die Spitze eines Eisberges", erzählte sie nüchtern.

(Konsortium D - Verbrecherorganisation (Hauptgebiet: Drogen), deren Leitung aus sieben einflußreichen Persönlichkeiten besteht, deren Identität leider nicht bekannt ist.)

Nardia runzelte die Stirn. Irgendetwas kam ihr an der Lady seltsam vor. "Wir haben Grund zu der Annahme", fuhr Blackfire fort, "daß noch weitere führende Politiker von Tarishaan und verschiedenen anderen Planeten die Leitung des Konsortium D bilden. Es dürfte schwierig werden, eine großangelegte Säuberungsaktion mit lediglich zwei ausführenden Personen zu gestalten. Infinity und ich benötigten daher Verstärkung, und es scheint mir, als ob die ISPC über die geeignetsten Mittel verfügt."

"Wie ich schon zu Ihrem Partner sagte, kann ich nicht über die Einsatzpläne der ISPC entscheiden. Dies kann ohnehin keine offizielle Hilfe für Sie werden. Sie müßten schon einen der CASS-Fahrer persönlich um Unterstützung bitten. Die ISPC selbst wird Ihnen keine Hilfe gewähren, schon alleine wegen der beiden Gleiter, die verschwanden", meinte Nardia und fragte sich, wie weit die Frechheit dieses Duos noch ging. Sie hatten ja recht, wenn sie Maßnahmen gegen das KD forderten, aber die ISPC konnte und wollte nicht öffentlich irgendwelche Gangster (die Blackfire & Infinity nun einmal nebenbei noch waren) unterstützen.

(CASS - Computerized Aero-Shuttle System, Bezeichnung für die 12 Gleiterfahrzeuge der ISPC plus CASS I.)

"Sicherlich", erwiderte Blackfire und grinste. "Es ist lediglich ein Faktum, daß diese Situation die ISPC auch mit angeht. - Und was die Gleiter betrifft... Das war lediglich einmal wieder notwendig, um Ihnen die Mängel in Ihrem Sicherheitssystem aufzuzeigen... Aber Sie haben nicht unrecht. Vielleicht sollte ich einmal versuchen, den einen oder anderen CASS-Fahrer persönlich zu kontaktieren. Wie kann ich diese erreichen? Oder macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich einfach unter Ihre Gäste mische?"

"Es wäre auf jeden Fall die einfachste Lösung, sie hier aufzusuchen", bemerkte Nardia. Auf alle Fälle war es besser als diese dummen Geheimtreffen, von denen dann sowieso jeder wußte.

"Mademoiselle Blackfire", meinte Alycia unvermittelt. "Wo haben Sie denn Infinity gelassen?"

Nardia grinste. Seit ihrer letzten Fête war Acy offenbar hoffnungslos in diesen verschossen.

"Mein Kollege befindet sich im Orbit und wacht darüber, daß ich unbeschadet zurückkomme."

"Ach, das finde ich aber schade!" Alycia blickte aus ihren neonblauen Augen in weite Fernen.

Blackfire konnte sich ein belustigtes Lächeln nicht verkneifen und steuerte auf den Ballsaal zu.

Nardia schüttelte nur den Kopf über Alycias Himmelei. Naja, sicherlich sah Infinity gut aus, mit seiner schneeweißen Haut, den strahlend silbernen Haaren und seinen riesigen, tiefvioletten Augen - aber er war immerhin ein gesuchter Verbrecher. Und sowas war ihr doch zu aufregend.

Mittlerweile stand Blackfire an der Tür zum Ballsaal und entschied sich sicherheitshalber gegen einen Versuch, dort einzudringen. Es war einfach viel zu voll! Ein wenig verärgert transmittierte sie zu ihrer Basis zurück.

* * *

"Also wirklich!" rief Alycia plötzlich, als ob die Situation ihr erst jetzt richtig zu Bewußtsein gekommen war. "Das ist doch wohl unerhört! Taucht da so einfach Blackfire direkt bei der Schirmherrin der ISPC -", sie deutete hektisch auf Nardia, "also bei dir auf und verschwindet wieder! Wo ist die Polizei? Wo sind die ISPC-Spezialagenten?"

"Wo schon? Die Polizei weiß wie üblich von nichts, und die Agenten amüsieren sich kräftig."

"Das ist einfach un-er-hört", ereiferte Acy sich.

"Da kann ich dir nur zustimmen."

"Wenn sie uns nun einfach entführt hätte?"

"Quatsch! Was soll sie denn mit uns?"

"Na, Lösegeld erpressen, natürlich!"

"Das wird es doch lohnendere Objekte geben."

"Naja. Obwohl es sicherlich auch nicht uninteressant geworden wäre..." Ein weiterer Blick in weitere Fernen. Nardia seufzte. Wohin würde das noch führen?

Alycia war gerade in passender Stimmung und schwebte zur sanft beleuchteten Wiese, wo sie einen melancholischen Elfentanz begann. Nardia wandte sich erschüttert ab.

Irgendwann hüpfte Acy zur Terrasse zurück. Sie hatte sich genügend ausgetobt. Die Leute, die verzückt ihrer Vorführung gefolgt waren, sparten nicht mit andächtigem Applaus.

"Sag mal, Nad", begann Alycia über das frenetische Händeklatschen hinweg. "Was wird die ISPC denn nun unternehmen?"

"Das weiß ich doch nicht! Ich werde sie informieren, und damit ist die Angelegenheit für mich erledigt."

"Aha. - Hach, ich finde, das ist wieder so eine dusselige Sache! Warum weiß eigentlich Blackfire immer Bescheid, was gerade läuft, und die öffentlichen Stellen nicht?"

"Wahrscheinlich liegt es an der Bürokratie. Keiner weiß, was Sache ist, und alle erledigen möglichst nur ihren Job..."

"Tsayée! Vielleicht sollte man Blackfire dann für die ISPC anheuern. Wo sie doch so gut mit Stardust zusammengearbeitet haben soll..."

"Vielleicht. Aber ich glaube kaum, daß Blackfire mit dieser Idee einverstanden wäre."

"Hm-hm", machte Alycia, bevor sie unvermutet in die Höhe hüpfte. "Ich will kurz einmal nach meinem herzallerliebsten Sir Cayvyn Ausschau halten", flötete sie. "Wenn du mich für einen Augenblick entschuldigst?"

"Gut. Ich wollte mich eh noch bei Monsieur Arvhayn nach Stardusts Befinden erkundigen."

"Richte ihm bitte aus, er möge ihr gute Besserung von mir wünschen."

Nardia nickte und erwischte Janas neuen SAA-Partner gerade noch, bevor er die Party verließ.

(SAA - Spezialagent in Ausbildung, so etwas wie ein Lehrling bei der ISPC)

"Monsieur Arvhayn! Ich wollte mich noch bei Ihnen erkundigen, wie es Stardust geht", sagte sie.

"Es geht ihr schon besser. Noch zwei Wochen, und sie wird wieder voll einsatzfähig sein", erwiderte der weißblonde Dunnlorner. Nardia war beruhigt, denn es hatte schlimme Gerüchte über Stardusts Zustand nach ihrem letzten Auftrag gegeben. Es ging sogar so weit, daß behauptet wurde, sie wäre tot. Doch anscheinend erholte sie sich wieder.

"Ach, übrigens, vielen Dank für die wundervolle Party", meinte Coryn und strahlte Nardia an.

'Er hat Augen wie der Himmel draußen', dachte Nardia und bemerkte gar nicht, daß Coryn sich längst verabschiedet hatte.

Die Party dauerte noch an bis in die frühen Morgenstunden. Acy & Cay hatten jedoch beschlossen, sich etwas früher zu verabschieden.

* * *

Auf ihrer Orbitalvilla warf Alycia endlich ihre Robe, Perücke etc. von sich und eröffnete den vierten Kleiderhaufen, bevor sie in eine bequeme Hauskombination aus ziemlich zerknittertem schwarzen Stoff stieg.

Anschließend begab sie sich in Richtung Küche, wo sie auf ihr Dienstmädchen Myriella traf, die ebenfalls gerade von der Party zurückgekehrt zu sein schien (Sonst wäre das Ankleidezimmer schon wieder ordentlich hergerichtet gewesen. Myriella räumte immer penibel alles weg.).

"Na, wie war es unten?" erkundigte sich Alycia bei ihr.

"Viel zu voll! - Ich habe mich ziemlich bald wieder verabschiedet."

"Das war im Großen und Ganzen auch meine Ansicht", stimmte die Hausherrin ihr zu. Cayvyn hatte nun ebenfalls beschlossenen, sein güldenes Outfit gegen einen bequemen Arbeitscoverall einzutauschen.

"Acy, ich muß eben noch eine Kleinigkeit an der Dreamsong erledigen. Der Antrieb..."

(Dreamsong - Acys Sternenyacht, schneeweiß, 20m lang, 10pc/h)

"...will immer noch nicht so, wie du es willst", vollendete Alycia belustigt und gab ihm einen hingebungsvollen Kuß, bevor sie ihn liebevoll betrachtete. Tsayée, seit fast sechs Jahren war Cayvyn bei diesem Outfit geblieben - er sollte auch einmal sein Image ändern. Obwohl - Cay sah ja einfach niedlich aus... Sie hatte jedenfalls beschlossen, demnächst von Neon auf Metall zu wechseln.

Kupfer würde ihr sicherlich gut stehen. Es rannten mittlerweile einfach zu viele Neons herum. Es war beinahe ...gewöhnlich!

Da Cay ohnehin noch im Hangar herumhing, beschloß sie, eine Sitzung in ihrem Atelier einzuberaumen und ein oder zwei ihrer berühmt-berüchtigten abstrakten Bilder zu malen. Nach dem sie sogar vier Leinwände in den abstrusesten Farbkombinationen verschandelt hatte, zog sie sich in ihr Schlafgemach zurück und hoffte, daß ihr werter Lebensgefährte diesmal noch vor dem nächsten Abend seine Bastelei an der Dreamsong beendete.

* * *

Coryn Arvhayn hatte derweil in der Starcave (Dieser Name hatte sich irgendwann einmal für Stardusts Behausung eingebürgert.) alle aktuellen Infos abgefragt und machte sich nun auf den Weg zu Stardusts Unterkunft, die sie sich hier in der Nähe der großen Höhle eingerichtet hatte.

Stardust - mit richtigem Namen Jana Star - schlief noch. Coryn schüttelte sie vorsichtig.

"Aufwachen!" rief er lautstark. Jana schlug die Augen auf und gähnte herzhaft.

"Was ist denn?" fragte sie und kuschelte sich tiefer in die Kissen.

"Du wirst deinen Krankenurlaub abbrechen müssen."

Stardust verzog das Gesicht. Das gefiel ihr ganz und gar nicht.

"Warum?" wollte sie wissen.

"Massai und Hunter hatten doch deinen Auftrag übernommen - diesen Bergarbeiter-Aufstand auf Saluna XXVIII. Und nun ist zunächst Hunter verschwunden, und dann Massai. Wir sollten wirklich mal dort nachsehen. Zudem ist ja da noch die Sache, daß Blackfire behauptet, es wären noch mehr Regierungsmitglieder mit dem KD in Verbindung. Ich habe den Verdacht, daß ein Zusammenhang mit dem Aufstand besteht. - Hm, aber wenn du wirklich noch sooo krank bist..." Er grinste Stardust belustigt an. Diese warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.

"Gib mir lieber meinen Overall, damit ich mich anziehen kann!" sagte sie und schwang sich aus dem Bett. Coryn fischte das schmuddelige Teil aus der Ecke und hielt es ihr mit spitzen Fingern hin. Wortlos riß Jana ihm den Overall aus der Hand und stieg hinein. Ihre Schulter tat zwar noch weh, aber es ließ sich aushalten.

"Okay. Dann laß uns gehen", sagte sie.

"Wie du befiehlst", erwiderte Coryn und grinste. "Cass wartet bereits."

(CASS I - Stardusts 10m langer, schwarzer Gleiter)

"Ihr macht mich noch fertig", jammerte Stardust.

Coryn zuckte nur mit den Schultern. Das bezweifelte er doch stark.

* * *

Karylla Noir - auch genannt Blackfire - saß im Chemo-Labor ihrer Basis Nightfall Station und war gerade damit beschäftigt, eine größere Menge einer Reinigungslösung zu synthetisieren, mit der sie die Lightning wieder auf Vordermann bringen wollte.

(Lightning - Blackfires Raumschiff, silbern mit schwarzem Blitz, 50m lang, 25pc/h)

Sie fand, daß es einfach eine Frechheit war, daß diese Leute vom Konsortium D andauernd mit Laser- und sonstigen Todesstrahlen auf sie feuerten und dabei permanent die normalerweise glänzend silberne Außenhülle der Lightning häßlich versengten. Es war eine echte Unverschämtheit! Sie warf einen neuen Musik-Kristall in das Abspielgerät und ließ sich nunmehr von den wilden Klängen der FGS-weit bekannten und gefürchteten Gruppe Explosive Symphony berieseln.

(FGS - Freie Galaktische Sternenrepublik)

Endlich hatte sie genug von dieser Soße gebraut, daß sie sie in ein voluminöses Sprühgerät füllen konnte. Sie warf sich in einen Schutzanzug und legte sich eine Antigraveinheit um, bevor sie in den Hangar ging. Als sie ihr stolzes Schiff erblickte, war sie nahe einem neuerlichen Wutanfall. Überall Laserspuren! Sogleich machte sie sich daran, die Außenhülle ihres Raumers abzuspritzen. Sie atmete auf. Doch, die Flecken gingen ab. Ansonsten hätte sie noch zusätzliche Motive, die KD-Leute fertigzumachen. Daß aber die ISPC auch nie ordentlich reagierte, wenn sie auf solch einen Mißstand wie die KD-Angelegenheit aufmerksam gemacht wurde. Es stimmte schon, daß es - wie sie ihrem Partner Ryko immer wieder gesagt hatte - eigentlich vergebliche Liebesmüh war, die Typen dafür zu konsultieren.

Ein paar Stunden sprühte sie schweigend und in äußerst unangenehmen Gedanken schwelgend, die allesamt das Konsortium D betrafen, die Lightning ab. - So, fertig. Jetzt glänzte ihr Schiff wieder wie neu. Ein Glück, daß das Lösungsmittel die schwarze Farbe des Blitzes, der ja ihr Wahrzeichen war, nicht mit angegriffen hatte. Sonst hätte sie wieder den ganzen Abend mit dem Aufpinseln neuer Markierungen verbringen dürfen. Was tat Ryko nur so lange im Info-Zentrum?

* * *

Stardust und Coryn (er hatte noch keinen Codenamen, da er Jana erst kürzlich zugeteilt worden war) waren derweil auf Saluna XXVIII angekommen, doch dort war es verdächtigerweise überaus ruhig. Es gab absolut kein Anzeichen für irgendeinen Aufstand, und von Massai und Hunter hatte angeblich niemand jemals etwas gehört.

Sehr merkwürdig.

Sie hatten auf Saluna XXVIII so gut wie jeden gefragt, aber keine Antwort erhalten. Coryn dachte angestrengt nach, was sie übersehen haben könnten. Jana hatte sich an ihn gelehnt und schlief fest. Die Schulter machte ihr wohl doch mehr zu schaffen, als sie zugeben wollte.

Nun ja, vielleicht fiel ihm morgen etwas ein, überlegte Coryn.

* * *

"Karylla!" Ryko Maiell (den Bewohnern der FGS eher als Infinity bekannt) kam aus dem Nachrichten-Zentrum von Nightfall Station zurück. Dort befand sich ein leistungsstarker Empfänger, der sämtliche Funksprüche aus einem Umkreis von 10pc abfing. Es war immer eine Heidenarbeit, die wichtigen Informationen herauszusortieren, aber hier hatte er wieder einmal etwas entdeckt.

"Es scheint, als ob das Konsortium D nach seinen Schlappen auf Khemarra, Aldrigis und Sinhalon im Drogengeschäft ein wenig stärker in ein anderes Gebiet einsteigt..." Er machte eine Kunstpause und sah seine Partnerin erwartungsvoll an.

"Jee, Ryko, mach es doch nicht immer so spannend!" Blackfire nahm die Füße vom Hauptkontrollpult des Leitstands ihrer Basis und drehte ihren Sessel herum, damit sie Infinity ansehen konnte.

"Menschenhandel, Kary! Es heißt, daß immer häufiger Leute spurlos verschwinden, um dann als billige Arbeitskräfte an interessierte Unternehmen verkauft zu werden."

"Und?" Blackfire war sich sicher, daß Ryko noch mehr herausgefunden hatte. "Die machen das doch bestimmt nicht freiwillig mit, oder?"

"Natürlich nicht. Sie werden unter Drogen gesetzt - D9000, das Zeug, das hochgradige physische Abhängigkeit und Willensverfall bewirkt. Nachdem sie gezielt süchtig gemacht worden sind, müssen sie dann für ihren 'Stoff' arbeiten. Da D9000 auch eine starke Intelligenzminderung bewirkt, macht es die Leute leicht manipulierbar, wie du vermutlich weißt."

"Allerdings." Blackfire schauderte bei dem Gedanken. Als die Leute vom Konsortium D sie auf Khemarra gefangengenommen hatten, wurde ihr unter anderem angedroht, sie mit D9000 zu behandeln, falls sie nicht freiwillig mitarbeitete. Dieser unangenehmen Situation hatte sie sich nur entziehen können, in dem sie sich einfach in ihre Schutz-Trance fallen ließ, was aber auch ein Spiel mit dem Tod war. Selbst könnte sie sich nämlich nicht mehr daraus befreien, und falls Ryko sie nicht innerhalb von fünf Tagen fand, würde sie unweigerlich sterben. Auf jeden Fall hatte dies die KD-Leute genügend irritiert, so daß sie vorerst von ihr abließen. Sie hatten wohl versucht, sie auf allerlei Wegen wieder zu Bewußtsein zu bringen, aber ohne das Schaltwort war dies alles völlig vergeblich. Aber lieber fort von diesen unerfreulichen Gedanken!

"Hast du einen Ansatzpunkt?"

"Jawohl. Saluna XXVIII. Dort scheint einiges im Argen zu liegen."

"Und das wäre?"

"Dort scheinen unverhältnismäßig viele Personen zu verschwinden, was aber vergleichsweise weniger auffällt, da die meisten der Prospektoren ganz alleine arbeiten."

"Mhm. Okay, düsen wir dorthin. Die Lightning sieht ja jetzt auch wieder normal aus..."

* * *

Coryn war immer noch keine Idee gekommen, wo Massai und Hunter verschwunden sein könnten. Merkwürdig erschien ihm allerdings ein Teil der Bergarbeiter, die bei den größeren Schürfgesellschaften unter Vertrag standen. Das bedurfte entschieden einer Untersuchung.

Er ließ Stardust weiterschlafen und versuchte, etwas in den Bars zu erfahren.

Allerdings stieß er dabei auf enorme Schwierigkeiten, da man ihm den 'Fremden' schon von weitem ansah. Es gab nun einmal nicht sehr viele Dunnlorner außerhalb ihres Heimatplaneten, da dies normalerweise ihrer Religion widersprach. Er verzog das Gesicht. Zum Beispiel gab es auf ganz Tarishaan - ihn eingeschlossen - lediglich zwei Dunnlorn-Bewohner...

* * *

Die Lightning flog ins Saluna-System ein. Saluna war ein dM7V-Stern, also ein mickriger, düsterroter Zwerg. Wenn es nicht die ungezählten mehr oder minder großen Asteroiden gäbe, die Saluna umkreisten, und die über erkleckliche Mineral- und Erzschätze verfügten, wäre das System wohl gänzlich uninteressant gewesen.

"So, und wie und wo finden wir nun Saluna XXVIII?" erkundigte sich Blackfire und starrte angestrengt auf den Abtastermonitor, auf dem bestimmt 2000 größere Kleinplaneten verzeichnet waren. Die Auswertung besagte, daß das gesamte Trümmerfeld über 50.000 Objekte umfaßte.

"Die Bergbau-Kolonien haben jede ihren spezifischen Funkcode", erläuterte Ryko. "Wir müssen nur den Funkverkehr abhören und das Signal von XXVIII anmessen."

"Aha. Viel Spaß..." Karylla legte die Füße auf den Leitstand und beobachtete Ryko interessiert.

Endlich war er soweit, und die Lightning nahm Kurs auf Saluna XXVIII.

* * *

Coryn war derweil von seiner Tour durch die Kneipen zurückgekehrt.

Natürlich hatte er so gut wie gar nichts erfahren. Manchmal wünschte er sich wirklich, er würde anders aussehen. Seufz.

Als er zu Cass zurückkehrte, begann Jana gerade mit dem Auswickeln einiger Starburger.

"Na?" begrüßte sie ihn. "Was herausbekommen?"

"Nein. Aber ich habe eindeutig zu viele Drinks genommen. Pfui! Das Zeug war eklig." Coryn ließ sich in den Beifahrersitz fallen. "Es weiß niemand etwas von irgendwas. Toll! - Ich habe den Verdacht, wir bewegen uns pausenlos im Kreis."

"Hm." machte Stardust und kaute wieder an ihrem Starburger. Coryn fand, daß es doch eigentlich nicht zuviel verlangt wäre, wenn Jana nur manchmal ein bißchen mithelfen würde.

* * *

Blackfire stand vor ihrem Kostümfundus und rätselte.

"Ryko, was meinst du, was soll ich anziehen? - Du hast doch die Infos über das Saluna-System gelesen."

"Versuche es doch einmal mit der abgerissensten Klamottage, die du finden kannst" schlug er vor. "So etwas, wie Stardust immer trägt", fügte er dann niederträchtig hinzu.

"Himmel, sowas habe ich doch gar nicht hier!"

"Dann solltest du den ältesten Overall nehmen, den du besitzt und diesen entsprechend bearbeiten."

"Ayée..." Karylla sah ihn unendlich leidend an, folgte aber seinem Rat.

Nach zwei Stunden waren Blackfire & Infinity fertig.

Sie trug einen auf alt getrimmten blauen Coverall zu strähnigen braunen Haaren (es tat ihr in der Seele weh, die Perücke so zu verschandeln), und Ryko wirkte ähnlich abgerissen in einer braunen Kombination und mit schmutzigblondem Haar.

Er wühlte etwas aus einer Tasche seines Overalls hervor.

"Hier, nimm ein paar davon. Das sind Alkohol-Neutralizer. Ich vermute, du kannst sie brauchen."

Er drückte Karylla die Schachtel in die Hand, und sie schluckte vorsichtshalber vier der giftgelben Pillen, bevor sie die restlichen Tabletten einsteckte.

Endlich konnten sie sich auf den Weg machen.

Blackfire und Infinity materialisierten in einem düsteren und abgelegenen Gang.

"Wo geht's lang?" wollte Karylla wissen. Ryko dachte kurz nach.

"Geradeaus. Da dürften wir auch auf eine Kneipe treffen.

* * *

Stardust und Coryn waren nun doch noch einmal losgezogen. Vielleicht hatten sie ja tatsächlich etwas übersehen. Sie wollten es erneut in einer der Kneipen versuchen. Jana hatte ihre Perücke weggelassen und nur die eisblauen Kontaktlinsen eingelegt. Der weiße Mop war ihr viel zu auffällig.

In der Spelunke hockten sich die beiden an einen Tisch. Coryn verzog angewidert das Gesicht. Mit der Sauberkeit schien es hier nicht weit her zu sein. - Und dann wurden ihnen auch noch ohne Bestellung zwei große Becher dieses abartigen Gebräus vor die Nase gestellt. Igitt!

* * *

"Da sollen wir rein?" Blackfire setzte eine Grimasse abgrundtiefen Ekels auf.

Es war düster. Es war voll. Es stank nach Rauch und dem hiesigen Standard-Billigfusel. Es waren lauter abgerissene Typen da, die alle Frauen lüstern begafften und gegebenenfalls betatschten.

Sie wollte da nicht hinein!

"Komm schon, Kary!" Ryko schob sie kurzerhand durch die Tür. Es war wie üblich - Widerstand war zwecklos, er war einfach viel stärker als sie. Grumpf. Und nun war sie über die Schwelle getreten. Der Mief nahm Blackfire fast den Atem.

"Sag mal, mein Schatz, hältst du es wirklich für eine gute Idee, hier anzufangen?" Karylla versuchte sich umzudrehen, um zu flüchten, wurde jedoch von Infinity daran gehindert, der sie sanft, aber unnachgiebig festhielt.

"Irgendwo müssen wir anfangen, Kary."

Sie sah ihren Partner herzergreifend leidend an, doch dieser grinste nur und gab ihr einen Kuß auf die Nasenspitze. Karylla seufzte entnervt. Das machte er immer, wenn er sich über sie amüsierte! Na gut... Dann eben die Zähne zusammenbeißen und hinein ins Getümmel.

"Siehst du irgendwo ein Plätzchen, wo wir uns niederlassen können? Dann hätten wir die Chance, erst einmal unauffällig in aller Ruhe die Lage zu beobach-Autsch!!!"

Irgendsoein Typ hatte ihr nachdrücklich in den Po gekniffen.

Blackfire wirbelte herum und funkelte den Lüstling wild an, bevor sie ihm eine schallende Ohrfeige verpaßte. Das war dem Kerl neu. Normalerweise hatten Frauen doch sowas stillschweigend zu dulden?! Er beschloß, das aufmüpfige Weibsbild entsprechend zu züchtigen, doch seine Retour-Ohrfeige wurde von einer mörderischen linken Geraden von Karylla beantwortet.

Im Nu war die schönste Prügelei im Gange.

Stardust betrachtete immer noch angewidert das komische orangegelbe Zeug in ihrem Krug. Was war das nur? Es blubberte vor sich hin wie ein kleiner Vulkan, und es roch auch verdächtig so.

Unterdessen hatte Coryn zwei Neuankömmlinge ausgemacht, eine junge, ziemlich abgerissen wirkende Frau und einen fast zwei Meter langen, schlanken Mann, der ebenso dezent mitgenommen wirkte.

Als die Frau auf einmal begann, Schläge zu verteilen, hob Coryn irritiert und interessiert die Augenbrauen. Das Ganze sah verdammt nach Blackfire und Infinity in Maskerade aus. Derweil hatte auch Stardust ihre Aufmerksamkeit auf die Schlägerei gerichtet. Die Flüche der Lady waren von einer exquisiten Klasse und kamen ihr überaus bekannt vor.

Blackfire?! Sehen konnte Jana sie nicht, da die übrigen Kombattanten ihr die Sicht versperrten, aber das hieß gar nichts. Sie machte sich also gleich auf die Suche nach Blackfire, und Coryn trabte folgsam hinterher. Er mußte sich schließlich um Stardusts Sicherheit kümmern.

Mittlerweile hatte Karylla den dritten Typen k.o.-geschlagen. Sie haßte Männer, die Frauen nur als Lustobjekte ansahen und machte diesen ihren Standpunkt in der Regel hingebungsvoll schlagfertig klar.

Infinity hatte zunächst amüsiert zugesehen, aber als dann immer mehr Kerle sich auf seine Partnerin zu stürzen gedachten, beschloß er, nun langsam hilfreich einzugreifen. Mit wenigen, eleganten aber überaus wirkungsvollen Handkantenschlägen streckte er einen Gegner nach dem anderen nieder, während einige Typen zwar auf ihn einzuprügeln versuchten, sich aber dabei nicht mehr als ein paar verstauchte Knochen einhandelten. Schließlich kam kein Nachschub mehr. Blackfire stand auf einem Berg friedlich schlummernder Typen und hatte beide Hände in Boxerhaltung gesenkt.

"War da noch jemand, dem ich seine chauvinistische Ader austreiben soll?" fauchte sie.

Nun war Stardust alles klar. Keine Frage, wo Blackfire war... Mit Sicherheit war ihr irgendjemand zu nahe getreten. Jana blieb erst einmal stehen wo sie war, um das ganze Bild in sich aufnehmen zu können.

Das war Blackfire, wie sie leibte und lebte. Jana wunderte sich nur, warum sie heute so abgewrackt aussah. Sonst war sie doch immer so penibel auf ihr Äußeres bedacht!

Karylla sah sich herausfordernd um. Nein, der Rest der Kerle musterte sie nur noch mit gebührendem Respekt. Gut. Sie wischte sich die Hände an ihrem Coverall ab und verlangte lautstark nach dem stärksten Gebräu, das es hier gab. Der Wirt drückte ihr einen monumentalen Krug mit einem grünlich dampfenden und zischenden ...Zeug in die Hand. Blackfire sah es entsetzt an und hoffte, daß die Anti-Rausch-Pillen auch das neutralisieren konnten. Aber was sollte es? Mit Todesverachtung kippte sie das Gebräu in einem Zug herunter. Die Prospektoren sahen es mit äußerster Faszination, denn dieser Fusel haute normalerweise den kräftigsten Mann um.

Stardust hingegen war einfach nur entsetzt. Igitt! Wie konnte Blackfire sich sowas antun? Ihr drehte sich alleine bei dem Gedanken schon der Magen um.

Coryn andererseits war höchstgradig fasziniert. Er stellte augenblicklich Berechnungen über die Wahrscheinlichkeit einer letalen Vergiftung an.

Blackfire hatte nun beschlossen, daß sie sich so genug Respekt verschafft hatte. Sie knallte ihren Krug auf den nächstgelegenen Tisch und ließ sich nieder. Die dort befindlichen Prospektoren machten ihr sicherheitshalber Platz.

Stardust grinste und kehrte zu ihrem Tisch zurück. Sie hatte vor, nichts von den weiteren Aktionen Blackfires zu verpassen.

"Hey Leute", raunte Karylla den drei Typen neben ihr zu. "Ich muß zugeben, daß ich noch neu hier bin. Wo sind denn die vielversprechendsten Claims auf den Asteroiden?"

Ryko sah ihr interessiert zu. Er hatte ihren Auftritt zwar mit gemischten Gefühlen verfolgt, aber wie so oft hatte sie Erfolg gehabt.

"Ich habe gehört, daß hier einige der Minen von ihren Besitzern verlassen worden sind..."

Eisiges Schweigen trat ihr entgegen. Blackfire stützte sich mit beiden Händen auf dem schmierigen Tisch auf und kam halb zu ihrem Gegenüber herüber.

"ICH HABE DICH ETWAS GEFRAGT!" brüllte sie ihm ins Gesicht.

"Äh... äh...!" stotterte der Angesprochene eingeschüchtert. So etwas war ihm vermutlich auch noch nicht untergekommen. "Geh nach MCXXXIII und frag nach Kelly's Claim". flüsterte er dann, bevor er es vorzog, sich dezent zu verziehen. Blackfire und Infinity wechselten einen langen, nachdenklichen Blick. Das war doch schon etwas - Nur was?

Stardust war erstaunt, daß der Typ tatsächlich etwas von sich gegeben hatte. Das war mehr, als sie bis jetzt erreicht hatte. Tse. Am besten sahen sie und Coryn gleich mal dort nach. Möglichst unauffällig versuchten die beiden ISPC-Agenten, aus Blackfires Nähe zu verschwinden.

Auch Karylla & Ryko machten sich wieder aus der Kneipe davon, natürlich, ohne irgendetwas zu bezahlen. Der Wirt beschloß, das Pärchen nicht unbedingt wegen der Zeche zu behelligen und ließ sie ziehen.

Wieder auf der Lightning setzte Infinity den Kurs nach Saluna MCXXXIII.

* * *

Stardust und Coryn hetzten zu Cass zurück, um dann nach MCXXXIII zu springen. Dorten machten sie sich sofort daran auszukundschaften, was das mit Kelly's Claim auf sich hatte. Coryn war davon überzeugt, daß es sich dabei um eine Falle handelte.

"Es ist mit Sicherheit ein Hinterhalt", meinte er zu Jana. "Laß uns also lieber alles noch einmal genauestens überprüfen."

Stardust nickte. Sie war schon wieder geschafft. Mittlerweile hatte ihr Kollege herausgefunden, wo sich der bewußte Claim befand und ließ Cass erneut die Daten checken.

"Irgendetwas ist hier merkwürdig", stellte Cass schließlich fest. "Ich rate zu äußerster Vorsicht, sonst gibt es womöglich noch eine Wiederholung unserer letzten Tour!"

Stardust zuckte zusammen. Bloß nicht...!

* * *

Blackfire stand im Cockpit ihres Raumers und beschloß, daß sie lieber ihren Einsatzcoverall unter das graublauschmuddelige Möhrchen ziehen sollte. Dieser schützte sie vor allerlei unliebsamen Attacken und war in dubiosen Situationen - wie zum Beispiel jetzt - einfach nur sinnvoll.

Infinity tat es ihr gleich.

"Nun gut", sagte Karylla. "Hinein ins Vergnügen!"

Ryko hielt sie fest.

"Kary, hältst du es nicht für sinnvoller, wenn einer von uns auf dem Schiff wartet? Ich habe den untrüglichen Verdacht, daß es sich hier um einen Hinterhalt handelt."

"Hm-hm." Sie zuckte mit den Schultern. "Was wäre dein Vorschlag?"

"Ich würde sagen, du bleibst diesmal hier, und ich gehe. Ich hege nämlich die Befürchtung, daß es für dich gefährlicher wäre als für mich. Du weißt doch, daß ich um einiges widerstandsfähiger bin als du."

"Akzeptiert." Sie strich ihm zärtlich über die Wange. "Sei vorsichtig, Ryko."

Er lächelte sie zuversichtlich an und setzte sich zusätzlich den Minenarbeiter-Schutzhelm auf, den er in der Kneipe kurzerhand hatte mitgehen lassen, bevor er via Transmit nach Saluna MCXXXIII hinuntersprang.

* * *

Cass überprüfte die Daten ein weiteres Mal, und schließlich entdeckte er in einem Gang mehrere Sprengsätze. Bevor er Stardust und Coryn dieses mitteilen konnte, gingen die Ladungen hoch. Cass schien es, als wäre kurz zuvor eine Person dort aufgetaucht.

"Ich habe den Eindruck, da unten ist etwas los. Wir sollten einmal nachsehen", schlug er vor.

"Okay", stimmte Stardust zu, und Cass machte sich dorthin auf.

* * *

Einen Sekundenbruchteil, nachdem Infinity materialisierte, nahm er die Zündung mehrerer Sprengladungen wahr. Sogleich löste er den Rücksprung zur Lightning aus. Gute Reflexe waren eben einfach alles.

"Nun?" erkundigte sich Karylla besorgt, denn ihr Partner hatte trotz seiner Blitzreaktion einiges an Staub und Ähnlichem mitgekriegt.

"Ich war schneller", bemerkte Ryko lediglich mit einem breiten Grinsen.

"Es war eine Falle. Aber zumindest wissen wir jetzt, daß da irgendjemand wirklich etwas verbergen will. Und er geht so weit, jeden Neugierigen im Zweifelsfall umbringen zu wollen."

"Aber was sollen wir jetzt machen?" fragte Blackfire ratlos.

Ryko zuckte elegant mit den Schultern.

"Hm. Du weißt also auch nichts? - Na gut. Ich für meinen Teil gehe jetzt erst einmal ins Bett und überschlafe die Sache. Vielleicht tut sich mir ja in einem Traum die Lösung auf. - Obwohl, jetzt will ich zu allererst einmal aus diesen ätzenden Klamotten raus."

Etwa eine Viertelstunde später sah sie sich wieder ähnlich, und auch Ryko war ihrem Beispiel gefolgt.

Nun setzte sich Karylla in den Co-Pilotensitz und dachte nach. Eigentlich fühlte sie sich nicht müde, sondern war nur schwer gefrustet.

* * *

Cass war an der Explosionsstelle stehengeblieben.

"Nichts zu orten", meinte er schließlich.

"Merkwürdig. Irgendwer hat etwas gegen uns", bemerkte Jana.

"Mir scheint, wir werden so gut wie immer erwartet. Sie kennen alle Schritte im Voraus." Coryn sah nachdenklich auf den Scanner.

"Es muß bedeutend mehr dahinter stecken als wir bisher vermuten. Denn warum sollten die sonst so einen Aufwand betreiben? - Ich möchte nur wissen, was Blackfire hier will", stellte Stardust fest.

"Stimmt. Es ist äußerst schwierig, auch noch auf die beiden zu achten. Ich fühle mich regelrecht eingekreist!" Coryn streckte sich. "Du solltest eine Runde schlafen. Morgen ist auch noch ein Tag", sagte er schließlich.

"Du hast recht. Vielleicht fällt uns ja morgen etwas ein." Jana rollte sich zusammen, während Coryn mit Cass noch einmal alle verfügbaren Daten durchging. Schließlich ließ auch er seinen Sitz nach hinten gleiten. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und betrachtete sinnend Stardust.

"Ich hätte sie zu Hause lassen sollen", meinte er.

"Und du bist der Ansicht, daß sie dort geblieben wäre?!" erkundigte sich Cass belustigt.

"Ähm, nein!"

"Siehst du. Also warum dann darüber nachdenken?"

"Mhm. Stimmt auch wieder. Naja, vielleicht fällt uns morgen wirklich etwas ein."

* * *

Karylla kuschelte sich hingebungsvoll an Ryko. Er hatte doch noch geruht, sich zu ihr zu gesellen, nachdem er ein weiteres Mal alle verfügbaren Daten durchgegangen war.

Es war einfach nicht fair! Es mußte doch irgendeinen Anhaltspunkt geben.

Irgendeinen winzigkleinen nur!

Sie seufzte, richtete sich halb auf und studierte Rykos ebenmäßige, schneeweiße Gesichtszüge. Ihr Partner gab ihren Blick aus seinen herrlich blauvioletten Augen zurück und strich ihr zärtlich durch das Haar.

"Ryko, ist dir mittlerweile etwas eingefallen?"

"Wir sollten uns die Zentralverwaltung des Saluna-Systems vornehmen. Dort müßten die Eigentümer der Asteroiden abgespeichert sein, die Besitzer der diversen Claims et cetera. Vermutlich dürfte man anhand der dortigen Eintragungen ein Muster erkennen können."

"Mhm. Dann auf!" Karylla sprang aus den Federn und holte ihren Einsatzcoverall aus dem Regal. Ryko beeilte sich, ihr zu folgen. Manchmal legte sie einen schier unheimlichen Elan an den Tag.

"Ryko, wo ist die Zentralverwaltung?"

"Saluna I."

"Hm. Hätte ich mir eigentlich denken können... Na denn... Los geht's!"

Die Lightning nahm Kurs auf den Zentral-Asteroiden des Systems, einer knolligen Felskugel von etwa 1895km Durchmesser.

"Verkleiden oder Verstecken?" erkundigte sich Blackfire.

"Ich tendiere zu letzterem", erwiderte Infinity.

"Okay."

Die beiden sprangen auf den Asteroiden herunter.

* * *

Als Stardust erwachte, sah sie geradewegs in Coryns unwahrscheinliche Sternenhimmelaugen.

"Na, ausgeschlafen?" fragte er.

Jana blickte irritiert umher. Es war schon wieder passiert! Grrrr... Sie verlor sich doch jedesmal, wenn sie Coryn in die Augen sah. Sie hatte ihn einmal gefragt, ob das anderen auch passieren würde. Seine Antwort war ein unverschämtes Grinsen gewesen.

"Es geht", meinte Stardust und rutschte auf ihren Sitz zurück.

'Peinlich, einfach peinlich!' dachte sie.

"Ist dir inzwischen etwas eingefallen?" wollte sie wissen, während sie ihr Äußeres ein wenig in Ordnung brachte.

"Ich dachte mir, wir versuchen mehr Daten zu bekommen, und zwar, indem wir die Zentralverwaltung aufsuchen."

"Gut. Dann laß uns dorthin springen. Cass?"

"Klar. Ich bin so weit." Cass startete sogleich.

* * *

Karylla blickte sich genervt um. Wartungsschächte, Ventilationsschächte... Sie konnte diese Dinger nicht mehr sehen! Zumindest nicht von innen... Ryko winkte ihr, ihm zu folgen. Achselzuckend kraxelte sie ihm hinterher. Wenigstens wußte er immer, wo es lang ging...

"Wir brauchen - wie üblich - nur irgendein Terminal zu finden", meinte Ryko gerade. Karylla sah ihn nur unendlich leidend an. Wenn das KD nicht dieses dusselige Kopfgeld auf sie ausgesetzt hätte, wäre das alles nur halb so tragisch. Aber nun mußte sie, wenn es irgend ging, das Konsortium D in Gänze terminieren, sonst hätte sie nie wieder Ruhe...

* * *

Cass landete wie üblich in einem verlassenen Gang.

'Noch mal Wartungsschächte, und ich kriege einen Schreikrampf', dachte Stardust und beeilte sich, Coryn zu folgen, der zielstrebig losgewandert war.

"Wohin gehen wir?" fragte sie etwas atemlos.

"Ein Terminal suchen", erwiderte Coryn. Irgendwie hatte Stardust das Gefühl, das alles schon einmal erlebt zu haben. Als Coryn die Luke zu einem Wartungsschacht aufzog, seufzte sie nur ergeben. Nun gut. Aber sie würde hinter ihm herkrabbeln.

* * *

Infinity bog um die 3. Ecke des Wartungsschachtes, und Blackfire robbte wortlos hinterher.

"Jetzt rechts, und dann geht es gleich wieder nach links", bemerkte er.

Nach der zweiten Biegung krachte es vernehmlich.

"Grumpf", machte Coryn, als er frontal in etwas hineinrannte.

"?" Ryko guckte erstaunt, nachdem er die Erschütterung des Aufpralls verarbeitet hatte. Schon wieder eine Kollision im Wartungsschacht. Das schien langsam zur Gewohnheit zu werden. Noch während er diesem Gedanken nachhing, kam es zu einem weiteren Zustammenstoß, als nämlich Blackfire in ihn krachte.

"Graaaa...!" äußerte diese sich genervt. "Was ist los?"

Stardust war ebenso in Coryn gerasselt und fluchte lautstark vor sich hin, während sie sich die Nase rieb.

"Ryko?!" rief Blackfire ungeduldig. "Was ist?"

"Es hat den Anschein, als ob wir nicht die einzigen wären, die diesen Gang frequentierten. Ein mir unbekanntes männliches Wesen - von seinem Phänotyp her offenbar ein Bewohner des Planeten Iridaan VI/Dunnlorn - hat die Ungeschicklichkeit besessen, mich frontal zu rammen."

"Ich finde es eher eine Unverschämtheit, so unvermutet um eine Kurve zu schießen", mokierte sich Coryn und grübelte darüber nach, gegen was er da gerannt war.

"Ich weise darauf hin, daß ich gemäß der FGS-Verkehrsregeln Vorfahrt hatte", bemerkte Ryko, während er darüber meditierte, ob alle Dunnlorner so harte Schädel hatten.

"Vorfahrt!" grumpfte Coryn. "Hier gelten keine Verkehrsregeln!"

Stardust versuchte verzweifelt, auch etwas zu erkennen und schob sich neben Coryn.

"Was ist denn?" fragte sie. Es war so verdammt dunkel hier!

"Ryko", beschwerte sich Blackfire. "Was ist denn jetzt? Geht es weiter voran? Wer ist der Typ?"

"Unbekannt. Er hat sich mir noch nicht vorgestellt. - Entschuldigen Sie, Monsieur, wie ist Ihr Name?"

"Coryn Arvhayn." Er war etwas ungehalten, da Jana pausenlos an ihm herumzerrte und schob, um etwas zu sehen.

"Sehr angenehm, Monsieur Arvhayn. Ich bin Ryko Maiell. - Wenn ich Sie fragen dürfte, was Sie zu dieser Zeit in diesem Schacht beabsichtigen?"

"Ich beabsichtige, mich in diese Richtung fortzubewegen", antwortete Coryn und deutete nach vorne.

"Interessant. Ich muß Ihnen bedauerlicherweise die Mitteilung machen, daß ich beabsichtige, diese Direktion einzuschlagen." Infinity wies ebenfalls nach vorne.

"Ach ja? Und wie gedenken Sie hier vorbeizukommen?" Coryn blickte sein Gegenüber erwartungsvoll an.

"Ich kann diese Frage auch an Sie richten, Monsieur Arvhayn..."

Blackfire war genervt. Sie bekam da hinten rein gar nichts von den Geschehnissen mit. Sie bemühte sich nun ebenfalls, sich an den Brennpunkt der Ereignisse vorzuarbeiten. Wenn diese dusseligen Schächte nicht so eng wären!

"Stimmt", gab Coryn zu und dachte erst einmal über die Situation nach.

Wenn Stardust nur nicht immer so herumtoben würde! Sie hieb ihm doch schon wieder in die Rippen, wobei er fast das Gleichgewicht verloren hätte.

Nun gab Blackfire den Versuch, in Front zu kommen, endgültig auf, denn wenn sie sich mit Ryko verkeilte, gab es niemanden, der sie da rausholte.

Aber es würde sie trotzdem interessieren, was da los war. Irgendwie konnte an so einer verfahrenen Situation eigentlich nur Stardust mitbeteiligt sein.

Coryn dachte immer noch über die Möglichkeit nach, einfach zu schieben, aber irgendetwas warnte ihn vor einem derartigen Versuch.

Auch Ryko überlegte sich, warum er diesen Typen nicht einfach vor sich herschob. Er war doch in der Regel stärker als jeder andere...

"Pardon", meinte er höflich und versuchte, Coryn Arvhayn nach hinten zu drücken. Nichts. Höchst interessant. Darüber mußte er eine Runde meditieren.

Coryn rührte sich nicht von der Stelle. Aber irgendwie war das auch nicht die ideale Lösung. Ryko kam ebenfalls zu dieser Konklusion.

"Entschuldigen Sie, Monsieur Arvhayn, aus welchem Grund ist es für Sie so relevant, in diese Richtung zu gelangen?"

"Es ist lebenswichtig", meinte Coryn ausweichend.

"Hm. Vermutlich beeindruckt es Sie nicht, wenn ich Ihnen versichere, daß auch meine Intention essentiell ist?"

"Nein. Das kann schließlich jeder behaupten."

"Sehen Sie. Auch Ihre Aussage ist von meiner Warte aus nicht verifizierbar."

Coryn hob erstaunt die Augenbrauen. Ihm war gerade eingefallen, warum ihm der Name Ryko Maiell so bekannt vorgekommen war. Das war Infinity!

"Es ist unabdingbar, daß wir in Bälde zu einer mutual suffizienten Lösung des Problems kommen", bemerkte dieser gerade.

"Dem kann ich nur zustimmen", stellte Coryn fest, vor allen Dingen, damit Stardust endlich von ihm abließ.

"Nun, sehen Sie die Wartungsluke über uns, Monsieur Arvhayn? Was hielten Sie davon, wenn wir - statt weiter auf unseren vormaligen Wegen zu beharren - gemeinsam dort hinaufgingen?"

"Ich muß zugeben, daß Ihre Lösung nicht zu verachten ist." Coryn war nämlich nicht bereit, auch nur um einen Deut nachzugeben, und Ryko bekanntlich ebensowenig. Infinity kramte seinen Allzweck-Dietrich hervor und öffnete die Luke.

"Darf ich Ihnen behilflich sein, Monsieur Arvhayn?" erkundigte er sich zuvorkommend.

"Danke. Nicht nötig."

Nacheinander kletterten die beiden Männer hinauf.

Blackfire war fasziniert, daß es plötzlich weiterging und kroch nach vorne.

Auch Stardust war begeistert. Es ging vorwärts! Entzückt bog sie um die Kurve, nur um frontal in jemanden hineinzudonnern.

"Jaul!" Sie hatte sich natürlich prompt ihre verletzte Schulter gestoßen.

"Umpf!" machte Blackfire völlig überrascht. Damit hatte sie nun wirklich nicht mehr gerechnet. Aber der Holzschädel, mit dem sie kollidiert war, kam ihr verdächtig bekannt vor.

"Stardust...?" fragte sie drohend.

"Blackfire...! knurrte Stardust.

"Hey, kommt ihr endlich?" Ryko hielt seinen Arm herunter. Karylla ergriff seine Hand und wurde prompt von ihm nach oben geliftet.

"Mademoiselle Stardust übernehmen Sie lieber, Monsieur Arvhayn", empfahl er grinsend.

Coryn fischte diese am Schlafittchen aus dem Gang. Er grinste die grummelnde Jana bloß an, obwohl sie ihn drohend ansah.

Dieser Gang war weitaus besser beleuchtet als der vorige, und nun konnte Blackfire endlich sehen, mit wem ihr Partner da offenbar so intensiv Konversation betrieben hatte.

Der Typ war höchstens Anfang zwanzig und ausgesprochen weißblond. Dazu hatte er riesige, schräggestellte Augen von einem hochgradig faszinierenden Mitternachtsblau, in denen Silberglitzer schimmerte.

Überaus unüblich.

"So, du hast also beschlossen, dir ebenfalls Verstärkung zuzulegen?" erkundigte sich Blackfire belustigt bei ihrer Erzgegnerin. Stardust grumpfte vor sich hin.

"Natürlich!"

Coryn grinste unverschämt. Er wußte ja immerhin, daß diese Partnerschaft nicht Janas Wille war. Cass hatte sie dazu gezwungen.

"Ryko, wo ist denn nun der nächste Terminalraum?" Karylla sah ihn erwartungsvoll an.

"Den nächsten Wartungsschacht entlang, über zwei Kreuzungen hinweg und links. Danach die dritte Wartungsluke..."

"Wie mich das freut!"

Coryn blickte Ryko erstaunt an. Der wollte doch in dieselbe Richtung wie er auch. Tse.

"Ich habe das Gefühl, unser Disput war gänzlich unnötig, da wir offenbar dasselbe Ziel haben", meinte Coryn.

"Offensichtlich..." Ryko winkte seiner Partnerin zu, ihm zu folgen.

"Okay, ich komme schon", seufzte sie. Sie würde sich irgendwann einmal einen geruhsameren Job suchen. Vielleicht Romane über ihre Abenteuer schreiben, oder so...

Stardust verstand nicht so ganz, was Coryn und Ryko meinten. Aber ihr sollte es egal sein. Sie folgte einfach Coryn, der eifrig hinter Blackfire herdackelte.

Endlich hatten sie den Terminalraum erreicht. Ryko spähte durch das Lüftungsgitter.

"Karylla, du bist dran."

"Aye aye..." Blackfire zog einen ihrer Pfeilwerfer hervor und legte die fünf Techniker kurzerhand schlafen.

Anschließend kletterten die vier in den Raum, wo sich Ryko sofort am erstbesten Terminal zu schaffen machte. Coryn stürzte sich auf ein anderes.

Stardust sah irritiert vom einen zum anderen. Was sollte das nun wieder? Eine Terminal-Wett-Demontage? Auch Blackfire betrachtete das Ganze amüsiert. Als Ryko fertig war, warf er einen Blick zu Coryn.

Hm! Er war genauso weit. Na gut, jetzt kam der kompliziertere Teil...

Coryn spähte zu Ryko und machte sich dann auch weiter an die Arbeit.

In etwa der Hälfte seiner normalen Zeit hielt Ryko die Speicherkristalle mit den gesuchten Daten in die Höhe.

"Fertig!" rief er, simultan mit Coryn.

"Fein" kommentierte Stardust. "Können wir jetzt gehen?"

"Sicherlich", erwiderte Ryko und sah anerkennend zu Coryn herüber. Es wäre wirklich interessant, einmal richtig mit diesem zusammenzuarbeiten.

"Komm schon, Ryko!" Blackfire deutete entschieden in Richtung Ausgang - d.h. Ventilationsluke. Infinity grinste ihr zu, ging voran und hievte seine Partnerin nach oben, bevor er sich ebenfalls durch den Lüftungsschacht davonmachte. Auf direktem Weg verließen die beiden das Zentralarchiv.

Coryn und Stardust verschwanden in einem anderen Schacht, der sie geradewegs zu Cass führte.

* * *

Auf der Lightning legte Infinity die Speicherkristalle in das Lesegerät des Bordcomputers ein. Blackfire hatte sich derweil in ihren Sessel geworfen und wie üblich die Haxen hochgelegt.

"Nun, Ryko - wie sieht es aus?"

"Ich analysiere noch." Er tippte eine Befehlsfolge in den Computer ein, und kurz darauf erschien eine rasche Abfolge von Zeichen auf dem Monitor. Ryko überflog die Angaben und drehte sich zu seiner Partnerin um. "So, die Auswertung steht. Es hat den Anschein, als ob einige größere Schürfgesellschaften - die Crystal Mining Society, die Ore Mining Corporation (OMC) und Platinum Mining Corporation (PMC) - immer größere Minenanteile der Asteroiden aufkaufen, etwa im gleichen Zuge, wie Prospektoren verschwinden, respektive ihre Verhaltensmuster deutlich ändern. Offensichtlich geben in immer größerem Maße auch als absolute Einzelgänger geltende Prospektoren ihre Claims gegen ein relativ geringes Entgelt an die großen Gesellschaften ab."

"Hm-hm. Das klingt höchstgradig faul."

"Korrekt. Und es kommt noch besser. Ein Großteil der Aktienanteile dieser bewußten Gesellschaften werden vom Konsortium D gehalten."

"Langsam ergibt sich wirklich ein zusammenhängendes Bild. Das heißt, deine ursprünglichen Vermutungen sind durch diese Daten vollständig belegt worden..."

"Exakt."

"Hm-hm." Blackfire lehnte sich nachdenklich zurück. Diese ganze Angelegenheit war umfangreich. Hoffentlich hatten sie sich da nicht etwas zu viel vorgenommen. Und abgesehen davon hatte sie im Moment nicht die geringste Idee, wie sie weiter vorgehen könnten... Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf und wippte mit ihrem Sessel. "Was können wir also machen...? Nicht daß ich nicht den Schimmer einer Ahnung habe, was wir als nächstes unternehmen sollten... Hm. Im Prinzip wissen wir also jetzt folgendes:

  • Es verschwinden Leute (in Massen).
  • Deren Claims werden preisgünstig von drei Schürfgesellschaften aufgekauft.
  • Das Konsortium D hat die Aktienmajorität dieser drei Gesellschaften.
  • Und das KD liefert die Drogen - vornehmlich D9000 - um aus den 'zufällig wiederauftauchenden' Prospektoren willenlose Sklaven zu machen...

Ryko, was hältst du davon, wenn wir die Hauptsitze dieser Schürfgesellschaften aufsuchen und uns einmal ansehen, wer noch alles mit darin verwickelt ist?"

"Dieser Startpunkt ist so gut wie jeder andere, Kary."

"Gut. Welche der Gesellschaften würdest du vorschlagen?"

"Ich habe keine generellen Präferenzen, daher schlage ich vor, nach dem Alphabet vorzugehen. Demzufolge wäre die Crystal Mining Society die erste Wahl."

"Dann los, mein Schatz!"

"Wir sind bereits auf dem Weg..."

* * *

Derweil hatten auch Coryn und Stardust ihre erbeuteten Informationen analysiert - beziehungsweise, Cass hatte es getan.

"Interessant", meinte dieser gerade. "Es gibt drei Schürfgesellschaften, von denen das Konsortium D die Aktienmehrheit hat und die offenbar im Laufe der Zeit alle Claims aufkaufen. Zudem ist es auffällig, daß sehr viele Personen verschwinden und große Mengen Drogen an die verbleibenden Prospektoren geliefert werden."

"Okay." Coryn fragte noch einige zusätzliche Daten ab. "Fangen wir mit den Schürfgesellschaften an. Such dir eine aus, Cass, und bestimme die Koordinaten."

Stardust grummelte unterdessen immer noch, als Cass schon in Richtung Crystal Mining Society unterwegs war.

* * *

Karylla bewunderte sich vor dem Spiegel. Sie sah entschieden sekretärinnenmäßig aus. Aschblonde, zu einem strengen Knoten zurückgekämmte Haare statt ihrer normalen mitternachtsschwarzen Mähne, eine überaus intellektuell wirkende, randlose Brille und ein mausgraues Kostüm. Sie hielt einen Memocorder in der Hand, mit dem man sowohl Kopien von Schriftstücken machen, als auch gesprochene Worte aufzeichnen konnte. Dieses etwa Din A4-große, vielleicht zwei Zentimeter hohe Teil gehörte zur Standardausrüstung jeder Sekretärin und beinhaltete ferner einen Mikrocomputer für Terminplanung, kleinere Rechnungen und eine umfangreiche Datenbank, wobei die Daten auf der oberen Hälfte des Geräts von einem Flachbildschirm abgelesen werden konnten. Im Prinzip war der Memocorder ein Büro im Miniformat.

Nun erschien Ryko. Er hatte sich in ein Musterexemplar von einem Geschäftsmann verwandelt, mit einem dezent dunkelblauen Anzug, leicht gebräuntem Teint und schwarzen, an den Schläfen dekorativ angegrauten Haaren. In seinem Aktenkoffer führte er unter einem Berg von Folien allerlei Spezialinstrumente mit sich.

"Gut, rekapitulieren wir", begann Karylla. "Wir gehen einfach in das Büro dieser Typen von der CMS und versuchen, irgendetwas zu tun... Hast du eine Idee was am besten?"

"Was hältst du davon, wenn wir ihnen erzählen, daß wir an einer umfangreichen Lieferung Industrie-Diamanten interessiert sind? Dann spielen wir denen irgendein Schauspiel vor - es wird uns ja wohl etwas einfallen... - und das weitere sollte sich ergeben. Es ist ohnehin egal, wir müssen nur an irgendeinen Computer kommen, in dem die Daten über etwaige Querverbindungen mit den beiden anderen Schürfgesellschaften, sowie die Aktienbewegungen abgelegt sind."

"Wie üblich", seufzte Blackfire und sah Infinity leidend an. "Ich kann das Wort 'Computer' und 'Daten organisieren' bald nicht mehr hören..." Ihr Partner grinste sie nur an.

"Wir sollten uns langsam aufmachen."

Karylla zuckte mit den Schultern und fahndete nach ihrem TM-Gürtel, der sich unter ihrem Rock befand. Das war zwar nicht sehr bequem oder praktisch, aber leider nicht anders machbar, wenn er nicht auffallen sollte. Endlich hatte sie die richtigen Tasten gefunden, und die beiden waren verschwunden.

* * *

Cass parkte derweil in der Nähe eines Eingangs der CMS. Die Schürfgesellschaft hatte ihr Lager in einem der Asteroiden des Saluna-Systems aufgeschlagen, im Asteroiden Nr. CCXLVI, um genau zu sein. Der Eingang befand sich unter einer Schutzfeldkuppel, innerhalb derer atembare Atmosphäre herrschte, damit Besuchern die Inkommodität eines Raumanzugs erspart blieb, wenn sie ihre Fahrzeuge draußen parkten.

"Und wie kommen wir jetzt an ein Computerterminal?" fragte Stardust leicht genervt. Irgendwie ging ihr dieser permanente Datenklau auf die Nerven.

"Hm?" machte Coryn. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders. "Ach so! - Ich glaube, es ist besser, ich erledige die Sache diesmal alleine."

"Wie du willst." Stardust klang nicht nur beleidigt, sie war es auch.

"Cass, irgendeine Ahnung, wie ich da reinkomme?" wollte Coryn wissen.

"Ich habe nicht viele Informationen zur Verfügung. Aber es scheint mir, als ob hier sehr häufig Techniker für die ganze Anlage von Nöten wären."

"Nun gut. Immer noch besser als schon wieder einbrechen..." Coryn grub einen Technikeroverall aus dem Kofferraum und stieg hinein, bevor er sich die Werkzeugtasche unter den Arm klemmte und durch die Tür verschwand. Stardust machte es sich inzwischen bequem.

* * *

Blackfire & Infinity standen im Vorzimmer von Direktor Clayton Smythe und versuchten, dessen Vorzimmerdame davon zu überzeugen, daß sie jetzt einen Termin mit Smythe hatten, welcher aber offenbar von ihr verschlampt worden sei.

Nachdem Karylla etwa eine halbe Stunde wie ein Wasserfall auf die Lady eingeredet hatte, beschloß diese, ihrem Nervenkostüm lieber etwas Ruhe zu gönnen und die beiden zum Direktor hineinzulassen.

Ryko stürmte in dessen Büro, dicht gefolgt von seiner Partnerin. Smythe sah ein wenig genervt von einem Ordner mit Solido-Kopien auf.

"Bitte?"

Seine Vorzimmerdame lächelte entschuldigend.

"Direktor Smythe, das ist Monsieur Donelly von Nemcara Industries... Er bestand darauf, zu Ihnen vorgelassen zu werden."

"Soso. Dann nehmen Sie doch Platz", wandte Smythe sich an seine Besucher. "Sie können wieder gehen, Myrna", sagte er dann zu der Vorzimmerdame. "Ich werde Sie rufen, wenn ich Sie brauche."

Ryko setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Smythe, während Karylla sich dekorativ neben ihn placierte.

"Also, was ist Ihr Begehr, Monsieur Donelly?" erkundigte sich der Direktor mäßig interessiert.

"Ich vertrete Nemcara Industries und interessiere mich für Ihr Angebot an hochreinen Industrie-Diamanten. Welche Mengen können Sie innerhalb von sechs Monaten liefern? Welche Preise sind zu erwarten? Wie hoch ist der Anteil an über vier Karat schweren Stücken?" Rykos Fragen, die er sich gerade überlegt hatte, kamen wie aus der Pistole geschossen, und Smythe runzelte die Stirn.

"Myrna, ich brauche die Solidos unserer Produktionsraten und Preislisten", rief er in die Sprechanlage. Zehn Minuten später kam sie herein und reichte ihm die Unterlagen. Ryko öffnete seinen Aktenkoffer und wühlte hektisch in den Folien herum, die obenauf lagen. Dann sah er auf und funkelte Blackfire wütend an.

"Jenny!" herrschte er sie an. "Sie sollten mir doch die Werte vom letzten und vorletzten Quartal heraussuchen. Noch so ein Schnitzer, und Sie sind gefeuert!" Er drückte ihr den Koffer in die Hand. Diese Idee war ihm gerade gekommen. "Holen Sie mir unverzüglich die richtigen Unterlagen!"

"Äh - ja, Sir", machte Karylla und mimte die Verlegene. 'Hm', dachte sie bei sich. 'Ryko scheint seine Rolle richtig zu genießen!' Sie zog von dannen. Irgendwie hatte sich die Sache ungünstig entwickelt. Eigentlich war Ryko derjenige, der dafür prädestiniert war, die Computer ihrer Informationen zu berauben, und jetzt durfte sie sich daran machen. Sie zog eine Schnute. Und das alles, weil Ryko fand, daß sie als Sekretärin bestimmt glaubhafter wirkte als er als Sekretär. Na gut. Für diesmal. Dann würde sie sich also auf die Suche machen. Verflucht, dieser Koffer war schwer!

* * *

Coryn hatte keinerlei Probleme in die Station hineinzukommen. Offensichtlich schenkte man hier Technikern wirklich wenig Beachtung. Leider hatte er bis jetzt noch keinen freien Terminalraum gefunden - und wenn er grundlos irgendein beliebiges Teil demontierte, wäre das ja wohl doch etwas auffällig. Er beschloß, seine Suche auf das Innere der Station zu verlegen.

Endlich hatte er Glück. Er befand sich irgendwo in einer Chefetage, wie er nach dem Aussehen der Korridore und sonstigen Räumlichkeiten schloß. Hier fand er auch endlich, was er suchte. Eine Art Computer-Nebenzentrale, in der knapp zwei Dutzend Terminals herumstanden, von denen derzeit keins frequentiert wurde. Als Alibi montierte Coryn erst einmal einige Verkleidungen ab, um sich dann eingehender mit den Daten zu beschäftigen. Falls ihn jetzt irgendjemand ertappte, ließ er eben ein paar Testprogramme laufen... Er kniete zwischen den am Boden liegenden Teilen und versuchte, ein noch betriebsbereites Terminal dazwischen zu drapieren.

* * *

Blackfire sah sich unauffällig um und verschwand hinter der nächsten Tür. Falls irgendjemand wissen wollte, was sie hier tat, hatte sie sich im Zweifelsfall verlaufen.

Der Raum sah aus wie ein Schlachtfeld, aber laut Türschild sollte es ein Terminalraum sein. Von den gut 20 Terminals war etwa die Hälfte zerlegt, und unter einem in der Mitte ragten zwei Beine in einer Standard-Technikermontur hervor. Der Typ schien beschäftigt, also setzte sich Karylla an das Terminal direkt neben der Tür.

Sie loggte sich als Gast ein und fragte erst einmal ab, was für ein System es nun war. Anschließend holte sie den kleinen Memocorder hervor, in dem Ryko für sie sämtliche Standard-Einbruchsmethoden für die üblichsten Betriebssysteme aufgelistet hatte. Sie warf die Strategien doch so gerne durcheinander. Sie ging davon aus, daß es reichte, zu wissen, wo man im Notfall nachsehen konnte. Als sie den entsprechenden Eintrag abgerufen hatte, machte sie sich an die Arbeit.

Coryn hörte, daß jemand den Raum betrat. Er lünkerte unter dem Terminal hervor. Tse, eine Sekretärin. Jedenfalls schloß er das aus der unteren Hälfte der Person, denn mehr konnte er aus seiner derzeitigen Position nicht erkennen. Naja, egal. Hauptsache, es störte ihn niemand - vor allem, da er so gut wie fertig war und nun nur noch versuchte, das ganze Zeug, das er demontiert hatte, wieder zusammenzusetzen. 'Warum eigentlich?' fragte er sich. Schließlich gehörte es ihm doch nicht. Er schob sich unter dem Terminal hervor.

Gerade hatte Blackfire ihre Speicherkristalle mit den gesuchten Infos gefüllt - welche Leute wo und wann welche Aktien der CMS gekauft hatten und wo welche Querverbindungen mit OMC und PMC existierten - als der restliche zu den Beinen in Technikermontur gehörige Typ auftauchte. Aber - das war doch... Stardusts neuer Partner! Dieser - ja, wie hieß er überhaupt? Karylla überlegte kurz. Ryko hatte seinen Namen doch genannt, irgendwas mit 'a' oder so...

"Hey, Starlight!" rief sie kurzerhand, in Ermangelung einer anderen Bezeichnung und in Anspielung auf seine faszinierenden Sternenhimmel-Augen.

Coryn blickte irritiert auf. Was hatte das nun zu bedeuten? Diese Person kam ihm verdächtig bekannt vor.

"Meinen Sie mich?" fragte er vorsichtig. Blackfire grinste ihn breit an.

"Ist hier sonst noch jemand?"

"Nein, aber vielleicht führen Sie ja Selbstgespräche."

"Höchst unwahrscheinlich. Abgesehen davon habe ich während meines Ausrufs meine Aufmerksamkeit explizit auf Sie gerichtet."

"Ach ja? Meine Aufmerksamkeit war nicht auf Ihre Person gerichtet, also kann ich das nicht beurteilen. Kann ich irgendetwas für Sie tun?" Coryn überlegte immer noch, warum ihm diese Frau so bekannt vorkam.

"Ja." Blackfire lächelte zuckersüß. "Sagen Sie Stardust, Sie möge sich bemühen, mir möglichst nicht andauernd in die Quere zu kommen!"

"Wem? Ich kann mich an keine Person dieses Namens erinnern." Coryn lächelte sein Gegenüber an. Er würde kein Wort zu diesem Thema sagen, schließlich wußte man ja nie, was Blackfire vorhatte - und diese war es unzweifelhaft.

"Vergiß das Versteckspielen ...Starlight!" Karylla fand es etwas peinlich, daß sie seinen richtigen Namen nicht wußte, aber sie beschloß, sich das nicht anmerken zu lassen. Wie war Stardust nur dahinter gekommen, bei der CMS Nachforschungen zu betreiben? Es stand also zu befürchten, daß sie noch des öfteren ihren Weg kreuzen würde.

"Wenn Sie schon darauf bestehen, mich mit Namen anzureden... - Ich heiße Coryn Arvhayn!"

"Also, ich finde Starlight passender", meinte Blackfire und bemühte sich, einen ernsthaften Gesichtsausdruck beizubehalten.

"Ich nicht! Entschuldigen Sie mich, ich habe noch etwas zu tun", sagte Coryn und spähte zur Tür hinaus.

"Ähm, ich muß auch weg..." Es hörte sich verdächtig an, als ob jemand käme. Karylla tastete nach ihrem TM-Gürtel, um zur Lightning zurückzuspringen. Leider erwischte sie eine falsche Kombination, da die Sensortasten unter dem Rockbund schwer zu erwischen waren, und plötzlich fand sie sich vor dem Eingang der Kneipe auf Saluna XXVIII wieder, in die sie prompt von zwei Typen hineingedrängt wurde.

"Oh $%@&*#!" fluchte sie, denn ihr Auftauchen wurde von lautstarkem Gejohle und zwei- bis mehrdeutigen Angeboten quittiert. Sie schwang wild den Aktenkoffer und bahnte sich so einen Weg durch die Menge, wobei sie sich schwor, ihren TM-Gürtel nie wieder unter einem Kleidungsstück zu tragen.

Mit knapper Not gelang ihr die Flucht auf die Toilette, wo sie in Ruhe nach dem richtigen Schalter suchen und zum Schiff zurückspringen konnte.

Dort tauchte sie leicht bis mittelschwer derangiert auf, und Ryko sah sie mild erstaunt an.

"Wo hast du dich denn herumgetrieben?"

"Och, ich bin unterwegs ein paar alten Freunden begegnet..." Sie knallte Ryko den Aktenkoffer vor die Füße. "Und das nächste Mal machen wir es so, wie ich es für richtig halte. Dann spielst du meinen Sekretär!"

* * *

Derweil hatte sich Coryn zu Cass zurückbegeben. Die Wachen, die er durch die Demontage der Terminals alarmiert hatte, waren glücklicherweise in die andere Richtung gestürmt. Er dachte über die Begegnung mit Blackfire nach. Was sie wohl dort gesucht hatte?

"Hast du alles?" erkundigte sich Stardust.

"Je nachdem, wie du das meinst. Ich habe einige Daten über die Aktionäre und eventuelle Querverbindungen zu den anderen Schürfgesellschaften."

"Fein! Und was machen wir jetzt?" wollte Stardust wissen.

"Wir klappern die beiden anderen Gesellschaften auch noch ab."

"Oh nein!" Jana sah ihren SAA-Partner gequält an,

"Doch! Irgendwie und -wo müssen wir einen Hinweis auf den Verbleib von Massai und Hunter finden. - Cass, mach dich schon mal auf den Weg."

"Okay."

* * *

"Also dann, auf ein Neues!" Karylla stand die Begeisterung förmlich ins Gesicht geschrieben. Im Augenblick trug sie eine dezente, karottenrotlockige Perücke und ein stahlblaues, elegantes Kostüm, während Ryko als ihr Sekretär in einen unauffälligen, beigefarbenen Anzug gehüllt war und ebenso unauffällig braune Haare und Augen hatte.

Alles lief wie gehabt, nur machte diesmal Blackfire genußvoll Infinity nieder (er hatte es verdient, fand sie), woraufhin sich dieser mit dem Aktenkoffer trollte und im nächsten Terminalraum verschwand.

Ryko zückte einige freie Speicherkristalle und machte sich ans Werk. Kaum daß er alles Notwendige übertragen hatte, öffnete sich die Tür. Ryko setzte ein betont verwirrtes Gesicht auf, denn falls ihn jemand fragen sollte, was er hier trieb, mußte er diesem glaubhaft versichern, daß er sich doch nur im Raum geirrt hatte.

Coryn hatte ebenso ein betont unschuldiges Gesicht aufgesetzt. Falls ihn jemand fragen sollte, würde er sich halt verlaufen haben. Diesmal war er als potentieller Kunde unterwegs. Er hatte einfach einen dieser Typen aus seinem Anzug geholt. Hoffentlich fand ihn niemand, bevor er hier fertig war... Coryn betrat den Raum.

Als Infinity den Neuankömmling erblickte, veränderte er seine Mimik minimal, indem er ein dezentes Stirnrunzeln hinzufügte. Stardusts SAA-Partner?! Was machte der denn hier?

"Coryn!" rief er aus.

"Ups! - Ryko?" Coryn machte ein ziemlich verdattertes Gesicht.

"Was tust du denn hier?" erkundigte sich Infinity.

"Was ich immer tue: Daten klauen."

"Ts ts..." Ryko hielt grinsend seinen Speicherkristall hoch. "Ich hege irgendwie die Vermutung, hier ist genau das, was du auch suchst..."

"Mit Sicherheit." Coryn grinste zurück.

"Hätte ich gewußt, daß du vorbeikommst, hätte ich dir direkt auch eine Kopie ziehen können."

"Schicksal. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß wir momentan der gleichen Sache nachgehen. Erst begegnet mir Blackfire, und nun du. Das ist doch schon mehr als ein Zufall."

"Ts. Davon hat sie mir gar nichts erzählt. Was wollt ihr eigentlich explizit hier?"

"Daten! Und zwar möglichst irgendeinen Hinweis darauf, wo Massai und Hunter abgeblieben sind."

"Wir suchen derzeit eher die Hintermänner des KD. Es scheint, als ob die beiden Sachen direkt zusammenhängen. Habt ihr schon irgendwelche Hinweise gefunden?"

"Nichts Definitives. Nur ein paar Zusammenhänge zwischen den Firmen."

"Hm. Darauf sind wir auch gestoßen. Wir hoffen, daß wir unter Umständen eine direkte Verbindung zum Führungsgremium des Konsortium D finden." Ryko verzog das Gesicht. "Weißt du, Coryn, daß es der allergrößte Schwachsinn ist, daß wir nicht zusammenarbeiten? Ich bin sicher, dann kämen wir dreimal so schnell auf die Lösung..."

"Natürlich. Aber wie soll man Stardust oder Blackfire zu einer Kooperation bringen? Und dann wäre da noch das kleine Problem zwischen Stardust und dir..." Coryn grinste von einem Ohr zum anderen.

"Das liegt alles nur daran, daß Stardust mich permanent provoziert..." Ryko sah höchst unschuldig gen Decke. "Ich für meinen Teil hätte gar keine Probleme, was eine Zusammenarbeit mit ihr betrifft..."

Coryn lachte. "Das glaube ich dir ganz gewiß nicht! Hm. Irgendetwas an dir scheint Stardust permanent auf die Palme zu bringen."

"Aber ich tue ihr doch gar nichts..."

"Ach?! Vielleicht ist das Ganze ja nur vertuschte Zuneigung..." Coryns Grinsen wurde leicht anzüglich.

"Oder verschmähte Liebe", meinte Infinity todernst, bis er nicht mehr an sich halten konnte und losprustete. "Ich weise darauf hin, daß ich fest liiert bin."

"Tse! Ich finde nicht, daß das eine das andere ausschließt."

"Kary alleine ist Streß genug", winkte Ryko belustigt ab.

"Kann ich verstehen. Mir reichte eine kurze Begegnung vollends. Dieser dumme Name! Grumpf."

Ryko hob eine Augenbraue. "Was für ein Name?"

"Sie beliebt, mich mit 'Starlight' anzureden. Grausam!"

"Keine Panik. Ich wette, ihr ist nur nicht dein richtiger Name eingefallen, und sie wollte das nicht zugeben..."

"Natürlich. Man sah es ihrem Gesicht förmlich an. Aber Starlight..."

"Klingt doch einfach niedlich" meinte Infinity völlig unschuldig. Er konnte sich genau vorstellen, was Karylla dazu bewogen hatte, exakt diesen Namen auszuwählen. Coryn sah ihn strafend an.

"Ich bin auf keinen Fall niedlich!" meinte er entrüstet.

"Vielleicht ist aber Karylla dieser Ansicht?" Ein belustigtes Funkeln trat in Rykos Augen.

"Grumpf! Ich werde mich trotzdem nicht daran gewöhnen. Und ich hasse es, süß oder niedlich zu sein. Wie kommen die bloß darauf?"

"Die?!" Ryko lachte. "Ah! Offenbar scheint es dir des öfteren zu passieren... Mach dir einfach nichts draus."

"Es ärgert mich aber", schmollte Coryn. Infinity betrachtete ihn prüfend.

"Ich bin sicher, daß, wenn jetzt ein weibliches Wesen in der Nähe wäre, dieses wieder zu dem Schluß kommen würde, daß du 'niedlich' oder eventuell 'drollig' aussiehst. Ich habe im Laufe extensiver Beobachtungen festgestellt, daß die Damen der Schöpfung häufig dazu neigen, jemanden 'süß' zu finden, der schmollt."

"Argrumpf! Ich fürchte, ich muß mich damit abfinden." Coryn überlegte einen Moment. "Hm. Irgendwie ist es ja auch ganz nett..."

"Soso. Du hast dich ja bemerkenswert rasch damit ...abgefunden." stellte Ryko belustigt fest. Sein Gegenüber erwiderte den Blick betont verständnislos.

"Ja?!"

"Ay, Coryn, wir sollten uns langsam aufmachen. Du brauchst noch deine Daten, und ich sollte langsam zur Lightning zurückkehren... Ich vermute, wir sehen uns bei der PMC?"

"Sicherlich. Und es wird wirklich Zeit... Ich glaube, man wird bald den Typen finden, den ich aus dem Anzug geholt habe."

"Okay. - War nett, mal wieder eine verwandte Seele zu treffen. Bye."

"Tschau!" rief Coryn und machte sich an dem Terminal zu schaffen.

* * *

Nachdem er auch die Informationen aus der PMC-Datenbank geholt hatte, pellte sich Infinity erst einmal aus dem ganzen Make-Up. Endlich steckte er wieder in seinem normalen Outfit. Auch Karylla sah mittlerweile erneut wie Blackfire aus. Ryko holte die Speicherkristalle hervor und setzte sich an den Computer. Seine Partnerin gesellte sich zu ihm und nahm auf der Armlehne seines Sessels Platz. Sie hatte einen Big Star in der einen Hand und einen Riesenbecher Kaffee in der anderen.

(Big Star - eine Starburger-Variante von MacGalax. Eins der wenigen Nahrungsmittel, die der Nahrungsmittelsynthetisizer der Lightning anstandslos produziert.)

"Jetzt bin ich mal gespannt", bemerkte Karylla, während sie den Starburger bearbeitete, wobei sie wieder einmal feststellte, daß sie diese dummen Teile haßte... Irgendwann würde sie sich einen neuen Nahrungssynthi für die Lightning organisieren.

Ryko ließ ein Korrelationsprogramm über die Daten laufen. Zwischendurch holte er sich ebenfalls etwas, um sich zu stärken. Diesmal war das Gebräu extravagant pinkleuchtend, und Blackfire warf ihm den obligatorischen mißtrauischen Blick zu. Sie war zwar seit mittlerweile annähernd sechs Jahren mit Ryko zusammen, aber an seine Special-Cocktails würde sich wohl nie gewöhnen...

Nach etwa zehn Minuten hatte das Programm die Daten abgearbeitet. Während die Ausgabe über den Bildschirm huschte, hatte Infinity stirnrunzelnd mitgelesen.

"Mhm. Stevven LeMieux. Der taucht an strategisch exponierten Stellen und noch dazu verdächtig häufig auf. Laut dieser Informationen hat er seinen Wohnsitz auf Endjas V/Khemarra; Emrica..."

"Schon wieder Khemarra? Ich kann diesen Planeten langsam nicht mehr sehen!" Karylla stellte den mittlerweile leeren Kaffeebecher auf der Konsole ab und sprang von der Lehne. "Okay... Ryko, würdest du bitte den Kurs nach - äh, moment! Kannst du irgendwo nachprüfen, ob sich LeMieux derzeit überhaupt auf Khemarra befindet?"

Infinity warf einen kurzen Blick auf den Monitor. "Es deutet alles darauf hin", stellte er fest.

"Gut. Also Kurs auf Khemarra!" Karylla gähnte. "Sag mal, wie lange haben wir heute eigentlich Informationen requiriert? Ich glaube, ich werde mich für heute dezent zurückziehen..." Sie gab Ryko einen zärtlichen Kuß auf den Nacken. "Kommst du oder bleibst du?"

"Ich wollte noch ein paar Sachen überprüfen. - Wenn du dich fünf Minuten gedulden kannst..."

"Schwerlich...!" meinte sie grinsend, während ihr Partner den Kurs ins Endjas-System eingab und die Lightning Fahrt aufnahm.

* * *

Inzwischen hatten auch Stardust, Coryn und Cass die dritte Schürfgesellschaft erleichtert und werteten nun ebenfalls die Informationen aus.

"Mir scheint, die Verbindung liegt bei einem gewissen Stevven LeMieux. Er taucht einfach zu oft auf. Wie es aussieht, befindet er sich zur Zeit auf Khemarra", erläuterte Cass.

"Bah, schon wieder dieser Öselplanet", maulte Stardust.

"Gib Ruhe! - Cass, bring uns bitte dorthin." Coryn sah Stardust genervt an. Warum hatte sie bloß darauf bestanden mitzukommen? Sie war permanent schlechter Laune, keinesfalls voll einsatzfähig, und zudem reizte sie ihn pausenlos mit dummen Bemerkungen. Ihm kam der Gedanke, daß er ihr liebend gerne den Hintern versohlen würde.

* * *

"Khemarra zum zweiten", seufzte Karylla, als sie den ockerfarben/blaugrünen Planeten auf dem Hauptbildschirm bewunderte. "Ich würde sagen, wir verkleiden uns wieder..." Das wäre nun schon die vierte Verkleidung innerhalb von vielleicht zwanzig Stunden, dachte Blackfire - es schien ein neuer Rekord zu werden. Sie wunderte sich, daß ihre normale Hautfarbe überhaupt noch existent war.

"Was schlägst du vor?" Ryko war hinter sie getreten und schloß die Arme um sie. Karylla lehnte sich an ihn und überlegte.

"Stevven LeMieux ist Direktor der Bank von Emrica. Wir können ja einen Teil unserer schwer erarbeiteten Ersparnisse dort anlegen..." Sie wandte sich zu Ryko um und grinste ihn an, bevor sie sich aus seinen Armen löste, um sich zum Kostümfundus zu begeben.

* * *

Coryn überlegte, wie er am besten in die Bank dieses LeMieux kam, und zwar ohne Stardust, die momentan eh einfach nur nervtötend war. Als Kunde kam nicht in Frage, denn er hatte nicht einen Credit, und Jana hütete die Kreditkarten. Dumme Sache, vor allem, da sie ihm diese nie überlassen würde. Bloß, weil er einmal...

Also mußte er sich etwas anderes überlegen. Lüftungsschächte kamen diesmal auch nicht in Frage. Hm... Blieben doch nur die Kreditkarten. Jedoch, wie kam er da ran? Das bedurfte einer gründlichen Überlegung.

* * *

Das Paar, das die Bank von Emrica betrat, lenkte sofort alle Blicke auf sich. Die Frau war unzweifelhaft eine naravinische Adlige der Tiefebenen zu Seneskaya, denn sie trug eine silberweiße Tiara mit violetten Schmucksteinen im langen, goldenen Haar und das zur Zeit ob der herrschenden Mode unvermeidliche silberviolette Takyar-Pelz-Cape. Ihr Schmuckarsenal hätte einem durchschnittlichen Juwelier zur Ehre gereicht, und das silberbestickte, violette Kleid sah auch so aus, als sollte es besser in einem Tresor aufbewahrt werden. Ihr Begleiter war ähnlich pompös gekleidet und trug ein goldenes Käppi mit einer gut ein Meter langen, rotgoldenen Feder auf dem metallicschwarzen Schopf. Galant geleitete er sie zu dem Schalter für Privatkunden, und eilfertig stürmten gleich drei Angestellte auf die beiden zu.

"Was können wir für Sie tun?"

"Wir möchten gerne mit dem Direktor dieser Institution persönlich sprechen", näselte der Mann arrogant mit unüberhörbarem Naysyny-Akzent. "Ich bin Fürst Skaylyn der Tiefebenen zu Seneskaya und Graf der Tunyara-Ländereien, und dies ist meine Gemahlin, Fürstin Jaysicca zu Seneskaya und Herzogin der Xaypon-Güter..."

(Naysyny - Hauptsprache von Allirion IV/Naravina. In der FGS vor allem beim Adel beliebt und verbreitet.)

"Äh ja, sofort..." Die Angestellten überschlugen sich förmlich, um den Bankdirektor herbeizurufen.

* * *

Coryn war es derweil gelungen, sich die Kreditkarten anzueignen. Stardust hatte glücklicherweise einen festen Schlaf. Er ging zu mehreren Kreditinstituten und hob von einigen der Konten den jeweiligen Höchstbetrag ab. Das Geld füllte einen ziemlich großen Aktenkoffer. Schließlich beschäftigte Coryn sich noch rasch mit seinem Äußeren. Die Haare waren nunmehr pechschwarz, die Augen - einfach zu auffällig - verschwanden hinter einer dunklen Sonnenbrille. Dazu trug er einen schwarzen Anzug und gleichfarbige Handschuhe. So gerüstet betrat Coryn die Bank von Emrica und steuerte zielstrebig auf einen Schalter zu.

Ryko sah einen schwarzen Typen auf sich zukommen, der ganz offensichtlich aussah, als ob er ein Mitglied des hiesigen organisierten Verbrechens war. Er mußte schwer an sich halten, um seine Fassung zu bewahren, denn natürlich hatte er Coryn sofort erkannt. Infinity schaute betont an diesem vorbei, während er tapfer sein Grinsen unterdrückte. Karylla stieß ihn mit dem Ellenbogen an.

"Was ist denn das für ein Heini?" flüsterte sie.

'Nur ruhig bleiben', ermahnte Ryko sich. - "Bitte, meine Teure?" wandte er sich dann an 'Fürstin Jaysicca'.

"Ach, nichts..."

Coryn hatte Ryko selbstverständlich ebenfalls erkannt. Er konnte sich kaum ein Grinsen verkneifen, so lächerlich sahen die beiden aus. Es war fast nicht auszuhalten! Mit todernstem Gesicht schob er sich an Infinity und Blackfire vorbei.

"Entschuldigung." Er schnappte nach einem der Angestellten. "Ich will den Direktor sprechen, aber schnell!"

"Äh, der Direktor ist unterwegs... Wenn Sie sich einen Moment gedulden würden..."

Endlich erschien ein blonder, bronzehäutiger Mann Ende Vierzig. Er war in einen dunkelgrünen Anzug gehüllt und fast so groß wie Ryko, aber bei weitem nicht so schlank.

"Ich bin Direktor LeMieux. Wer wollte mich..."

"Wir!" - "Ich!" ertönte es simultan.

Stevven LeMieux blickte irritiert von einer Partei zur anderen. Man sah es ihm förmlich an, daß er überlegte, wer ihm im Falle einer Zurückstellung weniger Schaden zufügen würde.

Währenddessen war Ryko eine Idee gekommen. Er machte Coryn ein unauffälliges Zeichen und hoffte, daß Karylla mitspielte.

"Oh, Monsieur LeMieux, meiner Gemahlin scheint es nicht so gut zu gehen - könnte sie sich irgendwo hinlegen? Ihr könnt ja zunächst diesen Herrn bedienen."

Blackfire sah Infinity verwundert an, während er ihr dezent bedeutete, möglichst leidend zu gucken. Endlich tat sie, was er wollte, aber mit wenig Überzeugung ihrerseits. Wer war nur dieser schwarze Typ?

"Oh, mein werter Monsieur, es wäre wirklich nett, wenn ich mich kurz ausruhen könnte", hauchte sie geziert.

"Monsieur LeMieux, nun tun Sie doch etwas", mischte sich nun Coryn ein. "Wo ist Ihr Büro? Sie sehen doch, daß die Dame leidend ist."

Coryn nahm Blackfire kurzerhand auf die Arme, nachdem er Infinity den Aktenkoffer in die Hand gedrückt hatte und folgte Stevven LeMieux, der fluchtartig auf sein Büro zusteuerte.

Ryko grinste anerkennend und nahm ebenfalls die Verfolgung auf. Karylla kam die Sache äußerst spanisch vor, aber sie beschloß, ein wenig vor sich hinzuseufzen und mit ihrem Spitzentaschentuch ihre Stirn zu betupfen.

Unterdessen schaute sich Ryko schon einmal unauffällig um. Es war alles relativ leer, nur ein paar Türen... Wo konnte hier der Zugriff zur zentralen Datenbank möglich sein?

Soeben riß der Direktor die Tür zu seinem Büro auf, und Coryn bugsierte Blackfire auf das Sofa. Er erspähte ein Terminal in der Ecke. Allerdings - wie sollte er dahin kommen?

"Geht es Ihnen besser, Madame?" fragte er betont besorgt.

"Oh! Mir ist so schwindlig... Eure Sorge um mich ist gar liebenswürdig..." Karylla stellte fest, daß Ryko offenbar unterwegs abhandengekommen war. Vermutlich nutzte er die Aufregung, um an die Informationen heranzukommen. Wer war bloß dieser Typ, der sie hier herbefördert hatte? Es schien, als ob Ryko ihn kannte, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wer oder was das war. Unterdessen hatte Monsieur LeMieux ein Glas Wasser geholt und reichte es Blackfire.

"Ich danke Euch", hauchte sie.

Derweil blieb Coryn neben dem Sofa stehen. Er hoffte, daß Ryko die gesuchten Informationen finden würde, denn er sah keine Chance, an LeMieux' Terminal zu gelangen. Es sei denn, er würde den Direktor ausschalten - aber das lag nicht in seinem Plan. Plötzlich kam ihm eine Idee.

"Monsieur LeMieux, ich glaube, der Herr hat sich verlaufen. Er wird sich doch sicherlich besser um Madame kümmern können."

LeMieux, der mittlerweile vollkommen irritiert war (es war doch alles ein bißchen zu schnell gegangen), sah sich hektisch um.

"Ja, natürlich! Ich werde ihn suchen." Er schoß aus dem Raum.

Sofort sprang Blackfire auf und wollte sich auf das Terminal stürzen, doch Coryn packte sie an ihrem Cape.

"Meine Liebe, Sie vergessen Ihr Leiden!" Er drückte sie auf das Sofa zurück und machte sich dann selbst an Tastatur zu schaffen.

"Moment mal! Ich weiß zwar nicht, wer Sie sind... - Äh..." Blackfire ging ein Landescheinwerfer auf. "Starlight?!"

"Ich lehne diesen albernen Namen ab", meinte Coryn und blickte sie strafend an.

"Sie sind es tatsächlich." Karylla erhob sich ein zweites Mal vom Sofa. "Lassen Sie mich an das Terminal!"

"Nein! Sie bleiben, wo Sie sind, oder ich sehe mich gezwungen, Sie zu verschnüren." Coryn hatte bereits einige interessante Dinge gefunden, aber er hatte verdammt wenig Zeit. Blackfire versuchte, ihn beiseite zu schieben.

"Jetzt lassen Sie mich..."

"Madame!" sagte Coryn ärgerlich und packte Blackfire, um sie wieder auf das Sofa zu verfrachten. Er drückte die heftig strampelnde Karylla soeben fest in die Polster, als Monsieur LeMieux und Infinity zurückkehrten. Der Direktor blickte äußerst irritiert.

"Sie hat gerade eine Krisis", meinte Coryn erklärend, wobei er sich angestrengt das Grinsen verkniff. Ryko wahrte ebenfalls nur mühsam seine Fassung, da er sich genau ausrechnen konnte, was sich da abgespielt haben dürfte.

"Aber meine Liebe...!" sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen, als er zu Karylla hineilte und ihr zuzwinkerte. Grummelnd gab sie den Widerstand auf. Nun konnte Coryn seinen Griff lockern. Es war frustrierend, stellte Blackfire fest. Starlight war genauso stark wie Ryko! Sie hatte einfach keine Chance gegen ihn. Coryn zog sich ein Stück zurück. Was sollte nun passieren?

Unerwartet setzte Infinity eine tiefempörte Miene auf.

"Monsieur! Ihr habt es gewagt, meiner Gemahlin zu nahe zu treten..." Er gab Coryn eine eher symbolische Ohrfeige. "Hiermit fordere ich Euch zum Duell. Nennt Zeit, Ort und Waffen!"

Coryn sah ihn reichlich verdutzt an.

"Ich überlasse Ihnen die Wahl", erwiderte er dann und überlegte verzweifelt, wo eigentlich seine Aktentasche steckte. Wenn das Geld weggekommen war, würde Stardust vermutlich einige unschöne Dinge an ihm zelebrieren...

"Dann kommt! Heute nachmittag um 14:00 Uhr mit dem Energie-Degen. Ich erwarte Euch mit Euren Sekundanten im Zentralpark von Emrica." Und an LeMieux gewandt meinte er: "Ich erbitte Eure Vergebung, Monsieur le Directeur, das Geld muß warten. Meine Ehre verlangt Genugtuung."

Hocherhobenen Hauptes griff Ryko sich seine Partnerin, die immer noch nicht ganz begriff, was er eigentlich explizit wollte, und stürmte aus dem Raum.

Nun betrat ein Angestellter das Büro und überreichte Coryn seinen Koffer. "Das hatten Sie vergessen!"

"Vielen Dank!" erwiderte Coryn. Ihm fiel ein mittlerer Asteroid vom Herzen. "Leider habe ich nun auch keine Zeit mehr, Monsieur LeMieux. Ich denke, ich werde zu einem späteren Zeitpunkt auf Sie zurückkommen."

Auch Coryn flüchtete schnellstens und ließ einen vollkommen verstörten Stevven LeMieux zurück.

Eine Straße von der Bank entfernt blieb Ryko stehen. Blackfire sah ihn wütend an.

"Okay, Infi, raus mit der Sprache - Was wird hier eigentlich gespielt?"

Ryko betrachtete sie amüsiert. Er fand es immer drollig, wenn sie derart wütend guckte. Lässig zog er einen Speicherkristall aus der Anzugtasche.

"Hier sind die Infos, wegen denen wir dort waren", kommentierte er nur. Karylla sah ihn sprachlos an, und Ryko konnte wieder einmal nicht widerstehen, ihr einen Kuß auf die Nasenspitze zu geben. Sie zog eine Grimasse.

"Und was sollte das mit dem Duell?"

"Na, irgendwie mußten wir doch da rauskommen - und das erschien mir als die eleganteste Methode für uns alle..." Infinity grinste sie selbstzufrieden an. Er wartete auf Coryn, ohne den das Unternehmen wahrscheinlich um einiges problematischer geworden wäre. Wie auf Bestellung bog dieser gerade um die Ecke.

"Was sollte das mit dem Duell?" erkundigte er sich irritiert und nahm erst mal seine Sonnenbrille ab, mit der er so gut wie gar nichts sehen konnte. Vor allem, wo das Wetter eher trüb war, und es zudem noch dezent nieselte.

"Der einfachste Weg für uns beide zu verschwinden", sagte Ryko lakonisch und holte ein Duplikat seines Speicherkristalls hervor. "Voici, Coryn. Deine Kopie."

"Vielen Dank. Ich hoffe, es sind Daten dabei, die mir weiterhelfen."

"Ich denke schon. Ich habe einen Teil bereits während der Übertragung gelesen. Es reicht, um LeMieux einiger unschöner Dinge zu überführen. Ich denke, wir können Sie dazu nutzen, um von ihm einige wirklich interessante Informationen zu erpressen."

"Warum erzählst du dem das?" empörte sich Blackfire. "Seit wann arbeiten wir mit Starlight & Co. zusammen?"

"Karylla, mein Schatz, haben wir die Infos oder nicht? Hätten wir sie ohne Coryn oder nicht? Hm?" Er sah sie leicht ironisch an.

"Hm!" grumpfte Karylla. Ryko grinste nur, und Coryn tat es ihm gleich.

"Ich glaube, es ist Zeit für mich zu verschwinden. Tschau Ryko! - Tschüs, Süße!" meinte er und machte sich eilends aus dem Staub. Sei es, um Blackfires Antwort zu entfliehen oder um das Geld schnellstens zurückzubringen.

"Auf Nimmerwiedersehen, Monsieur Starlight!" fauchte Karylla ihm hinterher. Ryko schüttelte nur den Kopf. Wie war das - 'Er hatte ein kleines Problem mit Stardust?' Zur Zeit sah es eher aus, als hätte Coryn ein kleines Problem mit Karylla!

Ryko zuckte elegant mit den Schultern, bevor er mit seiner Partnerin zur Lightning zurücksprang.

* * *

Hm..." Blackfire musterte Infinity nachdenklich. Sie war sich nicht ganz darüber im Klaren, ob sie ihn nun erwürgen oder ihm dankbar sein sollte. Wenn es etwas bringen würde, tendierte sie eher zum Erwürgen - aber Ryko war ja auf so triviale Art und Weise nicht kleinzukriegen... Sie atmete tief durch.

"Also - was hast du herausgefunden?"

"Stevven LeMieux ist in eine großangelegte Bestechungsaffäre bezüglich der Regierung von Endjas V/Khemarra verwickelt und hat zusätzlich einige unerlaubte Dinge mit dem Kartellamt in die Wege geleitet. Sonst hätte er sich nicht so leicht in den drei Schürfgesellschaften von Saluna festsetzen können."

"Soso. Und?" Karylla hatte sich immer noch nicht darüber beruhigt, daß Ryko mit Starlight zusammengearbeitet hatte. Mit Starlight! Pah!

"Jetzt können wir versuchen herauszufinden, was LeMieux wirklich für eine Rolle spielt."

"Sicher. Aber es kommt mir auf keinen Fall in die Tüte, daß wir deshalb mit Stardust und diesem ...Typen fraternisieren!"

Sie stürmte ins Bad und befreite sich von ihrem Make-Up, nur um eine neuerliche Maskerade anzulegen. Ryko zuckte die Achseln und folgte ihrem Beispiel. Wenn sich Karylla in solch einer Stimmung befand, war es das Beste, sie dezent zu ignorieren.

* * *

Damit Stardust nichts bemerkte, hatte Coryn sich derweil ebenfalls wieder seiner Verkleidung entledigt und war zu Cass und ihr zurückgekehrt. Er hatte eigentlich gehofft, daß Jana noch schliefe (das war ihre Lieblingsbeschäftigung), damit er die Kreditkarten unbemerkt zurückstecken konnte - doch leider war sie diesmal ausnahmsweise wach.

"Was hast du herausgefunden?" erkundigte sich Cass.

"Nun, dieser Stevven LeMieux ist eindeutig in einige Bestechungsaffären mit der Regierung verwickelt. Zudem gibt es Hinweise auf unerlaubte Aktionen in bezug auf das Kartellamt, die er eingeleitet hat."

"Na, und was bringt uns das?" wollte Stardust wissen.

"Diese Informationen ermöglichen es uns, diesen Monsieur LeMieux zu weiteren Aussagen zu bringen", erläuterte Coryn etwas genervt.

"Hm." Stardust war irritiert. Erpressung?! Wie kam er denn auf sowas?! Von alleine garantiert nicht. Was mochte dahinter stecken? Sie nahm sich fest vor, Coryn dieses Mal zu begleiten.

"Ich werde also diesen Monsieur LeMieux noch einmal aufsuchen."

"Wir werden", stellte Stardust energisch klar, woraufhin Coryn nur mit den Schultern zuckte.

"Wie du meinst..."

* * *

Karylla hatte sich als blondlockiger Teenie zurechtgemacht, und Ryko sah ähnlich verwegen aus. Sie hatte einen Memocorder, der mit einem Satz Duplikat-Speicherkristalle der Infos über LeMieux versehen war, in eine Umhängetasche gesteckt und zupfte ihr schwarzes Minikleid zurecht. Noch ein Blick in den Spiegel - gut, der wüste Haarpuschel saß ordentlich schief, und ihr Make-Up leuchtete in poppig Rot und Grün.

Sie tippte auf ihr TM-Armband, das sie heute trug, um nicht schon wieder auf das Problem mit dem TM-Gürtel zu stoßen und verschwand, ohne Ryko zu beachten.

(TM-Armband - Es war eher eine massive, silberne, 12cm breite Armspange, die mit bunten Steinen und komplizierten Gravuren verziert war. Dummerweise war das Teil etwa 2.7 kg schwer, deshalb zog sie normalerweise den Gürtel vor.)

Dieser verzog das Gesicht und folgte ihr. Langsam konnte sie sich auch wieder einkriegen!

Sie materialisierten in einer Seitenstraße und nahmen Kurs auf die Bank von Emrica. Plötzlich hielt Ryko seine Partnerin fest. Er hatte allmählich genug.

"Hey, Kary! Sag mal, willst du mir etwa auf immer und ewig böse sein?" Er schaute mit derzeit strahlend blauen Augen treuherzig unter einem frechen, hellbraunen Pony hervor, als er ihr Gesicht in beide Hände nahm und ihr einen sanften Kuß auf die Lippen gab. Karylla erwiderte seinen Blick reichlich fatalistisch. Es war einfach schlimm mit Ryko! Sie konnte partout nie länger als ein paar Minuten sauer auf ihn sein... Seufzend sah sie ihn an.

"Verdammt! - Ich hab dich einfach lieb, Ryko..."

Infinitys Miene hellte sich beträchtlich auf, als er ihren Stimmungswandel bemerkte. Er legte einen Arm um ihre Schultern, und sie zogen wieder los.

Als sie die Bank betreten hatten, ignorierten sie alle Proteste der Angestellten und machten sich direkt auf den Weg zu LeMieux' Büro. Dieser sah erschreckt auf, als er das Pärchen erblickte, das unangemeldet bei ihm hereinplatzte. Aber zumindest bestand keine Gefahr für sein Leib und Leben, da die Türsensoren jeden Kunden präventiv auf Waffen durchleuchteten und eine bewaffnete Person sofort paralysierten.

Das Mädchen lächelte ihn mit überaus roten Lippen an und schlug die knallgrüngeschminkten Augenlider nieder, als sie meinte:

"Monsieur LeMieux, entschuldigen Sie bitte unser ungebetenes Eindringen. Wir haben hier etwas, das Sie interessieren könnte..." Sie zog einen poppig grünen Designer-Memocorder aus einer gleichfarbigen Umhängetasche und ließ durch einen Sensortastendruck auf dem Monitor des Geräts ein Bild erscheinen.

LeMieux zuckte zusammen. Es war das GEHEIM-Symbol seiner Bank, und die Code-Sequenz im unteren Viertel des Schirms wies die Akte als die Belege seiner Transaktionen an den halben Ministerialrat der Regierungspartei von Khemarra aus, mit dem Vermerk, daß nur er, LeMieux persönlich, den Zugriff auf diese Akte hatte.

"Äh, kommen Sie doch mit", sagte er rasch. Dies war etwas, daß er lieber nicht in seinem Büro erörtern wollte, da hier des öfteren seine Sekretärin hereingestürmt kam - und diese Sachen waren nicht für die Augen irgendwelcher Subalternen geeignet. Blackfire und Infinity folgten ihm in einen Nebenraum.

* * *

Mittlerweile hatten auch Stardust und Coryn die Bank erreicht. Jana hatte ihren weißen Mop im Gleiter gelassen und sich in einen blauen Overall geworfen, der natürlich total zerknautscht war, da im Kofferraum von Cass nunmal kein Kleiderschrank Platz hatte. Coryn hatte sich wieder für den Technikeroverall entschieden, und seine Augen waren von einer getönten Brille verdeckt.

"Ich werde ein Konto eröffnen", meinte Stardust entschlossen. Coryn sah sie bestürzt an.

"Wozu?" wollte er wissen. Er mußte sie irgendwie davon abbringen, da er immer noch die Kreditkarten mit sich führte.

"Wozu wohl? Um an LeMieux heranzukommen."

"Warum aber gerade ein Konto?" Coryn fühlte sich nicht gerade wohl in seiner Haut.

"Warum geht man sonst in eine Bank?" fragte Stardust genervt.

"Man könnte auch einen Kredit aufnehmen, Geld wechseln, Wertpapiere kaufen..." Mehr fiel ihm leider nicht ein.

"Und wozu? Ein Konto ist viel sinnvoller."

'So ein Mist', dachte Coryn. Er würde Ärger bekommen, gewaltigen Ärger. Stardust suchte nämlich schon nach den Kreditkarten. Am besten, er wußte von nichts.

"Coryn...!" kam es drohend. Er sah fasziniert in die andere Richtung.

"Was ist?"

"Wo sind die Kreditkarten?"

"Welche Kreditkarten?" erkundigte er sich vollkommen unschuldig.

"Du hast drei Sekunden, sie herauszurücken, oder ich schreie!"

"Ich habe sie nicht", versuchte er es noch einmal.

"Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!" machte Jana sich Luft. Die Leute in der Bank sahen sie mißtrauisch an.

"Madame, was erlauben Sie sich?!" entrüstete sich einer der Bankangestellten.

"Kreisch!" machte Stardust nur und sah den Typen erwartungsvoll an. Sie wartete darauf, daß er endlich den Geschäftsführer holte.

"Würden Sie sich bitte entfernen?"

"Ich denke gar nicht daran!" brüllte sie den Fassungslosen an. Coryn war das Ganze äußerst peinlich. Er versuchte, Jana fortzuzerren, woraufhin sie ihn ohrfeigte. Er sah sie erschrocken an.

* * *

"Also, Monsieur LeMieux, wie Sie sehen, haben wir einige interessante Informationen über Ihre geschäftlichen Verbindungen..." Karylla saß in einem bequemen Sessel, hatte die Beine in gewagten schwarzen Netzstrumpfhosen übereinandergeschlagen und wippte nun aufreizend mit dem linken Fuß. Ryko stand lässig hinter ihr, pustete ab und zu seinen Pony aus den Augen und hatte seine Hände auf die Rückenlehne ihres Sitzmöbels gestützt.

"Wer sind Sie?" Stevven LeMieux wirkte sehr bleich.

"Jemand, der eine persönliche Rechnung nicht mit Ihnen, sondern dem Konsortium D zu begleichen hat. Daher sind wir auch nicht so sehr an einer Veröffentlichung dieser Daten", sie machte eine Handbewegung auf den Memocorder hin, "interessiert als an Informationen über die KD-Leute, mit denen Sie verkehren. Wir bieten Ihnen diese Speicherkristalle..." Sie deutete auf die Duplikate. Die Originale befanden sich natürlich auf der Lightning. "...gegen entsprechende Daten an."

"Ähm..." Stevven LeMieux überlegte angestrengt, als jemand an die Tür des Zimmers klopfte. "Ja?"

"Monsieur le Directeur, darf ich Sie kurz sprechen?"

"Später! Ich bin in einer wichtigen Besprechung."

"Aber Monsieur le Directeur, es geht um Leben und Tod..."

"Gut", seufzte LeMieux, nervlich beinahe am Ende. "Ich komme. - Einen Moment, werte Mademoiselle, Monsieur..." Er verließ den Raum mit schweren Schritten.

* * *

Der Geschäftsführer eilte hastig herbei.

"Madame, dürfte ich Sie bitten, diese Bank sofort zu verlassen", forderte LeMieux Jana auf.

"Kommt gar nicht in Frage", erwiderte Stardust und hielt dem Geschäftsführer eine Folie mit diversen Daten bezüglich seiner Transaktionen unter die Nase.

"Äh, kommen Sie mit", meinte LeMieux nur geschockt. Er führte sie in einen weiteren Nebenraum seines Büros. Zwei Erpressungen an einem Tag, das konnte einem schon an die Nieren gehen!

"Also, was wollen Sie?" fragte LeMieux.

"Ich dachte, Sie hätten Interesse am Austausch dieser Daten gegen einige Informationen, die für mich von Bedeutung sind", bemerkte Stardust.

"Was für Informationen?"

"Nun, mich interessiert vor allem, inwiefern das Konsortium D zwei gewissen Herren Gastfreundschaft gewährt. Ich spreche von den ISPC-Spezialagenten Hunter und Massai", erläuterte Stardust.

"Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden", wehrte LeMieux ab.

"Dann sehe ich mich gezwungen, einige bestimmte Daten an die Öffentlichkeit zu bringen."

"Dazu kann ich nichts sagen." In diesem Moment klopfte es. "Ja?" rief LeMieux äußerst ungehalten. Die Tür öffnete sich, und eine Sekretärin blickte herein.

"Monsieur le Directeur, was ist mit den Kunden im Nebenraum? Sie werden langsam ungeduldig..."

"Entschuldigen Sie mich für einen Moment", gab LeMieux geschafft von sich und verließ das Zimmer.

* * *

"Wo waren wir stehengeblieben?" Der Direktor betupfte seine Stirn mit einem Seidentaschentuch.

"Sie wollten uns gerade Ihre Verbindungsmänner beim Konsortium D bekanntgeben", sagte Blackfire lächelnd.

"So? Wollte ich das?" Stevven LeMieux war mittlerweile ganz von der Rolle. Wo war seine Strahlpistole? Vielleicht sollte er die beiden Früchtchen dezent aus dieser Daseinsebene pusten... Er hatte die Waffe in der Schublade seines Schreibtischs untergebracht, aber dieser befand sich unglücklicherweise im Büro nebenan. Er überlegte angestrengt. Hm, Polizeichefin Hanra Enduardi würde eine solche Aktion seinerseits sicherlich decken. Schließlich steckte sie ja auch bis über beide Ohren mit im Konsortium D... Und diese beiden ...Halbstarken würden wahrscheinlich kaum Gegenwehr leisten. Obwohl - sie hatten immerhin Zugang zu seinen streng geheimen Infos erlangt. Da mochte mehr hinterstecken. Wenn er doch wüßte, was er sinnvollerweise tun könnte! Falls er seine Verbindungsleute beim KD preisgäbe und die anderen kämen dahinter, wäre ihm ein unschönes Ende gewiß. Plötzlich kam ihm eine Idee. Wozu gab es denn Web Omega?

"Können Sie mir versichern, daß Sie die Informationen so verwenden, daß die entsprechenden KD-Leute hundertprozentig unschädlich gemacht werden?"

"Sicherlich", meinte Blackfire. "Das liegt schließlich auch ganz in meinem Interesse..." Sie verzog das Gesicht. "Tja, wenn die nicht auf den zehn Millionen Credits Kopfgeld für mich bestünden, würde ich mich kaum so intensiv um die kümmern müssen..."

'Ein solches Kopfgeld auf dieses Gör?!' überlegte LeMieux verwundert. Hm. Im Moment war doch nur auf eine Person ein derart relevantes Kopfgeld ausgesetzt, und das war...Blackfire! LeMieux fiel beinahe die Kinnlade herunter. Sollte das etwa Blackfire sein? Komisch. Er hätte nicht gedacht, daß sie ein halbwüchsiger Teenager war... Aber dann fiel ihm siedendheiß ein, daß es hieß, daß Blackfire und ihr Partner Infinity Meister der Maske waren. 'Ähm', dachte er. Vielleicht sollte er ihr wirklich die Daten geben! Es war bis jetzt noch niemandem gelungen, Blackfire auf Dauer zu überlisten. Und wenn sie dahinter kam, daß sie reingelegt worden war, hieß es, sei sie fürchterlich rachsüchtig und ruhte nicht eher, als bis sie den unglücklichen Übeltäter fertiggemacht hatte. Andererseits - aus Web Omega war auch noch niemand entwischt...

"Einverstanden", meinte LeMieux dann, bevor ihn abermals seine Sekretärin in den angrenzenden Raum rief. Seufzend folgte er ihr.

* * *

Der Direktor kehrte zu Stardust und Coryn zurück. "Wo waren wir stehengeblieben?" erkundigte er sich.

"Wir wissen genau, daß Sie mit dem Konsortium D in Verbindung stehen, also wäre es bedeutend klüger, uns die gewünschten Informationen freiwillig zu geben", sagte Stardust aggressiv. Der Direktor überlegte, daß es sicherlich keine schlechte Idee wäre, beide Parteien gemeinsam in die Falle zu schicken.

"Nun gut." Man sah ihm an, daß es ihn gehörige Überwindung kostete. "Alle Personen, die für Sie von Bedeutung sind, befinden sich in Web Omega." Er nahm eine Folie und kritzelte die Koordinaten darauf. Stardust riß ihm das Blatt aus der Hand.

"Warum denn nicht gleich so?"

"Und nun die Speicherkristalle", forderte Stevven LeMieux.

Stardust nickte Coryn zu, und dieser überreichte sie dem Direktor. Danach machten sich die beiden ISPC-Agenten aus dem Staub.

* * *

Als LeMieux zu Blackfire und Infinity zurückkehrte, hatte er ein fatalistisches Gesicht aufgesetzt.

"Sie haben gewonnen, Mademoiselle Blackfire."

Karylla hob amüsiert eine Augenbraue. LeMieux war doch nicht so dumm wie er aussah.

"Bitte!" meinte sie und hob den Memocorder.

"Die für Sie relevanten Informationen erlangen Sie in Web Omega", verkündete LeMieux, ganz offenkundig schweren Herzens, bevor er die Koordinaten in das Mikrophon des Geräts sprach. Anschließend überreichte Blackfire ihm die Info-Speicherkristalle.

"Ich danke Ihnen", sagte sie liebenswürdig, bevor sie mit Ryko, der alles mehr als Statist verfolgt hatte, zur Lightning zurücksprang.

Nachdem der Raumer auf Kurs nach Enmisar II/Sinhalon war, wo sich Web Omega befand, restaurierten die beiden endlich ihr normales Outfit. Anschließend bestand Karylla auf einer ausgiebigen Mahlzeit.

Ryko grinste seine Partnerin wieder einmal belustigt an, da diese wie meist nur einen Satz Starburger zuwegegebracht hatte: Einen Big Star, zwei Twin Stars und zwei Standard-Starburger... Er hingegen kippte eine rotleuchtende Version seines Special-Cocktails herunter, bevor er Karylla interessiert beim Essen zusah.

"Ayée, mein Schatz", meinte diese gerade mit vollem Mund. "Ich liebe die Idee, wieder nach Sinhalon zu fliegen... Dieser @$#*& Dschungel steckt mir noch vom letzten Mal in den Knochen. Und vor allem das ganze Viehzeug da!" Sie zog eine überaus angeekelte Grimasse und spülte den Twin Star mit einem Kaffee herunter.

"Kary, denk einfach nicht darüber nach. Wir düsen kurz zu diesem ominösen Web Omega und hauen danach sofort wieder ab." Er küßte sie zärtlich.

"Ich mag Sinhalon aber einfach nicht!"

"Job ist Job, Kary..."

"Mh, ich weiß..." Sie lehnte sich an Ryko und beschloß, zumindest vorerst nicht an die Hitze und den Dschungel von Sinhalon zu denken.

* * *

Cass war inzwischen auf Enmisar II/Sinhalon angekommen. Er blieb in der Nähe des bezeichneten Areals stehen.

"So, da wären wir", verkündete er.

"Mach doch bitte einen Check der Anlagen", sagte Coryn und sah sich um. Irgendwie schien das Konsortium D dazu zu neigen, alles unterirdisch anzulegen.

"Ich hasse Dschungel", maulte Stardust und schüttelte sich bei dem Gedanken an allerlei kriechendes und krabbelndes Getier.

"Du hast immer was zu meckern." Coryn betrachtete fasziniert die dicke, grüne Schlange, die es sich auf Cass gemütlich machte. Stardust bekam einen panischen Gesichtsausdruck.

"Igitt!" rief sie aus.

"Ich habe etwas gefunden", meldete sich Cass. "Etwa zwei Kilometer entfernt scheint es eine Lücke im Sicherungssystem zu geben. Anscheinend hat die Dschungelvegetation dort die Leitungen beschädigt. Das Gitter führt zu einem Lüftungsschacht. Leider ist mir keine Analyse der Anlage selbst möglich, da meine Ortung durch irgendetwas gestört wird."

"Nun gut. Gehen wir", sagte Coryn.

"Du meinst, ich soll da hinaus?" wollte Stardust entsetzt wissen.

"Entweder das oder du bleibst hier." Coryn grinste niederträchtig.

"Auf keinen Fall." Jana hatte nicht vor, in diesem Dschungel hierzubleiben. "Können wir nicht näher heran?"

"Nein, tut mir leid", erwiderte Cass. "Dies ist die einzige Lichtung in der Nähe des Einstiegs, wo ich parken kann. Und in die Station hineinzuspringen ist mir nicht möglich, da meine Sensoren gestört werden."

"Nun gut, dann laß uns aufbrechen", meinte Coryn und öffnete die Tür. Ein Schwall schwüler, modriger Luft drang in den Gleiter. Jana hatte das Gefühl zu ersticken, denn es stank entsetzlich. Coryn war unterdessen um Cass herumgegangen und kramte im Kofferraum nach leichterer Bekleidung. Er fischte zwei Overalls und ein langes, schmales Schwert heraus.

"Hier!" rief er und warf Stardust einen luftigen, zartvioletten Overall zu. "Zieh das Teil an." Er warf sich in eine dunkelgrüne Kombi und wartete darauf, daß Jana fertig wurde.

"Nun komm schon", meinte er und machte sich auf den Weg durch das dichte Unterholz. Stardust beeilte sich, ihm zu folgen, denn sie wollte unter gar keinen Umständen alleine hier zurückbleiben.

Sie kamen nur langsam voran, da Coryn sich erst mit dem Schwert einen Weg bahnen mußte.

"Iiiigh!" kreischte Stardust plötzlich und flüchtete nach vorn. Coryn, unsanft angerempelt, drehte sich um.

"Was ist?" fragte er genervt.

"Es hat sich bewegt!" meinte Jana ängstlich.

"Nun komm endlich." Er schüttelte den Kopf. Hier gab es beim besten Willen nichts Gefährliches.

* * *

Blackfire und Infinity materialisierten in einem Sicherheitsabstand von etwa zweieinhalb Kilometern vor Web Omega. Karylla sah sich mit einer Grimasse abgrundtiefen Ekels um. Sie hatte es gewußt!

Heißer, dampfender, feuchter, insektenerfüllter Dschungel! Überall hingen Lianen und sonstiges Grünzeug herum, das möglichst noch vor Insekten, Würmern und sonstigen Monstern wimmelte. Der Boden bestand aus faulendem Laub und noch mehr krabbelndem Ungetier, und schlußendlich stank es bestialisch nach Moder, verwesenden Stoffen und Sonstigem...

"Ryko... Ich will hier raus!" beschwerte sie sich und schüttelte sich erst einmal angewidert.

"Wie du weißt, konnten wir nicht näher an der Station materialisieren", dozierte er ungerührt. "Von wegen Ortungsgefahr. In exakt 2.5 km Entfernung befindet sich die einzige Lücke im Sicherheitssystem von Web Omega. Es scheint, als ob dort ein Teil der Elektronik durch die ungünstigen klimatischen Bedingungen korrodiert wäre. An dieser Stelle können wir durch einen Lüftungsschacht in die Station eindringen."

"Schon wieder ein Lüftungsschacht! Ich kann den Gedanken, durch solche engen Röhren zu krauchen und dabei dauernd mit Stardust zusammenzustoßen, nicht mehr ertragen."

"Kary, mein Schatz, was hältst du davon, wenn wir uns langsam aufmachen?"

"Nichts. Aber ich bezweifle, daß dich das umstimmen wird..."

"Korrekt", stellte Ryko belustigt fest.

"Uff, diese Hitze! Ich fordere mit sofortiger Wirkung ein Kühlaggregat."

"Komm schon!" Ihr Partner grinste sie an und machte eine Geste in Richtung undurchdringliches Gebüsch. In weiser Voraussicht hatte er ein gut ein Meter langes Buschmesser aus dem Kostümfundus mitgenommen und hackte nun auf das Gestrüpp ein.

Direkt vor Karyllas Nase baumelte eine dicke, tiefgrüne Liane. Sie hatte schon beschlossen, diese dezent zu ignorieren, als sie urplötzlich zwei orangefarbene Augen aufschlug. Mit einem markerschütternden Schrei sprang Blackfire erschreckt zur Seite und landete in einem Dorngebüsch. Hätte sie nicht ihren unverwüstlichen Einsatzcoverall getragen, so hätte sie vermutlich einige Löcher zu beklagen gehabt. Aber auch der dichte Schwarm winziger, schwarzer Fliegen, der aus dem Grünzeug aufstieg, trug nicht viel zur Steigerung ihrer Laune bei. Sie hatte bestimmt ein halbes Dutzend dieser Biester eingeatmet. Mit letzter Kraft wand Blackfire sich aus dem Gemüse und hetzte hinter Infinity her, wobei sie hektisch diverse Stechinsekten aus ihrem Gesicht wedelte. Sie dankte insgeheim ihrer weisen Voraussicht, nicht auf Coverall, Handschuhe und Stiefel verzichtet zu haben, auch wenn sie in diesen mörderisch schwitzte.

Genervt setzte sie einen Fuß vor den anderen. Unerwartet quietschte etwas unter ihren Sohlen. Als Karylla nach unten schaute und das Nest voller Spinnen erblickte, in das sie hineingetreten war, quietschte sie auch.

"RYKO...!" Mit einem Sprung landete sie direkt bei ihm und warf die Arme um seinen Hals. Wenn er nicht im selben Moment das Buschmesser fallengelassen und sie festgehalten hätte, wären sie wohl beide höchst unsanft mit dem Boden in Kontakt getreten.

"Was hast du, Karylla?" fragte er stirnrunzelnd, während er sie auf seinen Armen balancierte.

"Da...!" machte sie nur und deutete mit dem Kinn auf die Spinnenversammlung.

"Das ist eine Familie der Aphonopelma sinhaloniis vulgaris oder gemeine Sinhalon-Tarantel", stellte er nach kurzem Blick fest. Seine Partnerin weigerte sich dennoch, die Sicherheit seiner Arme zu verlassen. So brauchte sie wenigstens keine erneute Bodenberührung auf sich zu nehmen.

"Ich weigere mich, auch nur einen weiteren Schritt zu tun, solange hier bloß ein einziges Exemplar dieser ...Ungeheuer herumkraucht!"

Ryko seufzte. Das klang endgültig. Er zuckte die Achseln und warf sich Karylla kurzerhand über die Schulter, ehe er das Buschmesser wieder aufhob und seinen Weg fortsetzte.

Karylla war zwar nicht sehr begeistert, verhielt sich aber verhältnismäßig ruhig. Auf diese Weise war sie nun dem Boden etwas näher als zuvor und hatte einen noch besseren Blick auf all das Krabbeltier. Da sie aber freundlicherweise von Ryko transportiert wurde, konnte sie sich nunmehr den Luxus erlauben, die Augen kurzerhand zu schließen. Was sie nicht sah, konnte sie auch nicht beunruhigen. Dennoch, bequem war diese Fortbewegungsmethode nicht...

* * *

Coryn und Stardust kamen trotz Janas permanenter Panikanfälle voran. Zwar mußte Coryn pausenlos zurück, um sie aus irgendwelchen Büschen zu befreien, in die sie sich verheddert hatte, aber irgendwie gelang es ihm doch, sie vorwärts zu bekommen.

"Sind wir nicht bald da?" nörgelte Jana und versuchte, den Overall von einem Busch zu lösen. Das Teil bestand mittlerweile hauptsächlich aus Rissen. Irgendwie war der zarte Stoff nicht für den Dschungel geeignet.

"Hm. Kann nicht mehr weit sein", sagte Coryn wie auch schon vor fünf Minuten, vor zehn, vor...

"Und du bist sicher, daß wir in die richtige Richtung gehen?"

"Ja!" kam es ärgerlich von Coryn. Seiner Rechnung nach konnten sie sich nur noch knapp 100 Meter von der Luke entfernt befinden. Er bahnte sich weiter einen Weg durch das Dickicht. Zehn Minuten später standen sie an einer winzigen Lichtung.

"Das ist es", verkündete Coryn und zog einige Lianen zur Seite. Stardust folgte ihm vorsichtig. Alles war hier voller Spinnweben. Igitt! Aber solange es keine Würmer waren...

Gerade zog Coryn das Gitter der Luke beiseite. Pfui, auch der Gang war voller weißer Fäden! Das Ganze sah insgesamt ziemlich verrottet aus.

"Nach dir", meinte Coryn und wies auf den Gang. Stardust sah auf die dicken Spinnweben.

"Äh, nein danke, muß nicht sein..."

"Aber die sind doch völlig ungefährlich", bemerkte Coryn.

"Ich gehe trotzdem nicht zuerst", beharrte Stardust und wandte dem Schacht den Rücken zu.

"Okay, dann gehe ich eben..." Coryn gefiel das zwar nicht, aber was sein mußte, mußte sein. Genau in diesem Augenblick entdeckte Jana die dicken, glibberigen, rosa Würmer, die sich genau vor ihren Füßen wanden.

Schlangen, Spinnen, Moskitos - alles konnte sie ertragen, aber Würmer...? Entsetzt machte sie einen Satz rückwärts und prallte gegen Coryn, der gerade in den Schacht steigen wollte. Sie verloren beide das Gleichgewicht und schepperten den Lüftungsschacht herunter, der weitaus steiler war als erwartet. Schließlich plumpsten sie in einen großen, waagerechten Korridor.

"Was sollte das?" fragte Coryn Stardust ärgerlich, die genau auf ihm gelandet war.

"Da waren dicke, rosa Würmer", meinte sie zaghaft.

"Und deshalb springst du mich an?" Coryn funkelte sie wütend an, während er sie von sich schob. "Ich wette, wir haben die ganze Station mit dem Krach alarmiert!"

Stardust sah ihn zerknirscht an. Was konnte sie dazu? Daran waren alleine die Würmer schuld.

"Nun laß uns schnellstens von hier verschwinden", lenkte Coryn ein und erhob sich. Der Gang war gerade hoch genug, daß er aufrecht stehen konnte und vielleicht zehn Zentimeter Spielraum hatte. Jana beeilte sich, ihm zu folgen, als er entschlossen in eine Richtung wanderte.

* * *

Endlich blieb Ryko stehen. Blackfire öffnete die Augen wieder, und Infinity setzte sie ab.

"In zwanzig Metern sind wir an dem ungesicherten Schachteinstieg", bemerkte er.

"Super." Karylla starrte angestrengt durch das Grünzeug und sah lediglich noch mehr Grünzeug.

Ryko arbeitete sich vorsichtig weiter vor, während Karylla ihm dichtauf folgte.

"Was ist das?" erkundigte sie sich mißtrauisch und deutete auf die watteartigen, weißen Fäden, die vereinzelt im Gestrüpp hingen.

"Hm." Ryko betrachtete das Zeug genauer. "Das willst du nicht wissen, Kary", meinte er schließlich.

"Doch!" Sie spähte angestrengt an ihm vorbei und sah immer mehr von der weißen Watte - und plötzlich erblickte sie den Ursprung des Zeugs. Sie wurde fast so bleich wie Ryko, bevor sie meinte: "Du hast recht. Ich will es nicht wissen..." Sie wendete auf dem Fuß und gedachte, sich auf den Rückweg zu machen. Ryko hielt sie fest.

"Wo willst du hin?"

Weg! - Da sitzt eine monströse, eklige Riesenspinne!" schrie sie voller Panik. "Und wenn du meinst, daß ich auch noch einen Schritt in diese Richtung mache, dann hast du dich getäuscht!"

Gangster, Mörder, Raubtiere, tödliche Fallen u.ä. waren Karylla Noir alias Blackfire so ziemlich egal - aber wenn es um Tiere der Gattung Arachnida ging, setzte etwas bei ihr aus.

Infinity blickte gestreßt gen Himmel - respektive Blätterdach des Urwalds. Womit hatte er das verdient? Aber er kannte Karylla gut genug, um zu wissen, daß er sie nur im Stadium der Bewußtlosigkeit dort vorbeibrachte - und wenn sie betäubt war, konnte sie ihm kaum helfen. Dummerweise war der Einstieg nach Web Omega exakt dort, wo diese Riesenspinne residierte. Hm. Er mußte sich also einen Alternativplan überlegen. Es fiel ihm aber dummerweise rein gar nichts ein.

"Kary...!" begann er bittend. Sie mußte sich diesmal einfach zusammennehmen! Blackfire starrte wie hypnotisiert an ihm vorbei auf das gigantische Spinnennetz. Nein, befand Ryko fatalistisch. Er würde sie niemals in einem Stück dort vorbeibekommen. "Hast du eine andere Idee, wie wir in die Station hineingelangen könnten?" Karylla sah ihn an.

"Ich schlage vor, wir versuchen es doch auf dem direkten Weg und springen mit den TM-Gürteln hinein", sagte sie, während sie versuchte, den Impuls, so schnell wie möglich wegzurennen, zu unterdrücken.

"Wir werden bestimmt sofort angepeilt werden", stellte Ryko nüchtern fest.

"Ich weiß!" rief Karylla genervt. "Aber du weißt, daß ich den ultimaten Horror kriege, wenn es um Spinnen geht!"

"Okay", lenkte Infinity ein. "Transmittieren wir also." Wenn er das geahnt hätte, hätten sie sich den ganzen Weg durch den Dschungel sparen und sofort in die Station springen können! Er funkte den Bordcomputer der Lightning an und ließ von diesem die TM-Gürtel auf die entsprechenden Koordinaten programmieren.

"Gelb-grün-blau", sagte Ryko, und beide aktivierten die entsprechende Codesequenz. Im selben Augenblick standen sie in einem leeren, hellerleuchteten Gang von Web Omega und wurden beinahe taub vom Schrillen des Alarms. Ryko mußte aufpassen, daß er sich nicht den Kopf an der Gangdecke stieß und zog diesen sicherheitshalber etwas ein. Manchmal waren seine 1.95 m doch etwas unpraktisch.

"Nun denn", meinte Blackfire wenig begeistert. "Let's düs! - Auf zur nächsten Computerzentrale oder so..."

* * *

Coryn strebte mit großen Schritten voran, so daß Stardust sich gezwungen sah, neben ihm her zu rennen. Irgendwie hatten sie tatsächlich den Alarm ausgelöst. Er war kaum zu überhören.

"Wohin wollen wir überhaupt?" fragte Jana ziemlich außer Atem.

"Natürlich an ein Terminal. Dort müßten wir irgendwelche Daten über etwaige Gefangene ermitteln können", erwiderte Coryn und legte noch einen Schritt zu. Kurz darauf blieb Stardust stehen.

"Stop! Ich kann nicht mehr", japste sie. "Keinen Schritt mehr..."

"Nun stell dich nicht so an", meinte Coryn und sah sie genervt an.

"Ich gehe nicht weiter", beharrte sie.

"Okay, ich sehe es." Coryn blickte sich um. Schließlich trat er an eins der Gitter im Boden heran, die den großen Schacht mit einem hellerleuchteten Gang verbanden und öffnete es. "Dann laß es uns hier versuchen", meinte er und sprang in den Gang hinunter. Auch dieser war nur knappe zwei Meter hoch. Stardust spähte hinunter.

"Das ist zu tief", maulte sie und blickte zögernd nach unten.

"Ich fang dich schon."

"Sicher?"

"Nun mach schon!" Stardust überwand sich und sprang in Coryns Arme. "Ich habe das Gefühl, du bist in letzter Zeit etwas aus dem Training", stellte Coryn belustigt fest. Jana sah ihn empört an.

"Und was nun?" erkundigte sie sich.

"Wir suchen immer noch ein Terminal." Coryn setzte sie wieder ab.

"Irgendwie gefällt mir das Ganze nicht", bemerkte Stardust. "Ich habe so ein merkwürdiges Gefühl."

"Es ist alles zu einfach", stimmte Coryn zu.

"Genau. Hier ist etwas faul."

Exakt in diesem Augenblick stürmten einige Wachen um die Ecke, und Coryn und Stardust sahen sich gezwungen, die Flucht zu ergreifen.

* * *

Auch Blackfire und Infinity joggten durch die Gänge. Karylla war schon reichlich außer Atem; Langstrecken-Joggen war nun einmal nicht ihre Stärke. Sie war zwar recht gut, was Behendigkeit und Gelenkigkeit betraf - aber Kondition?! Sie zupfte an Rykos Coverall. Er blieb stehen,

"Mach mal Pause, mein Schatz! Ich kann nicht mehr. - Weißt du überhaupt, wo du hinwillst?"

"Sicherlich. Ich weiß nur nicht, wo es ist..."

"Toll." Sie lehnte sich geschafft an ihn. "Verdfluxt, diese Gänge sehen alle so gleich aus!"

"Wir sollten trotzdem weitergehen."

"Gehen - Das ist das Wort! Nicht rennen..."

Ryko grinste sie an. "Okay. Dann komm!"

Die beiden wanderten weiter. Plötzlich bogen einige Wachen in den Gang.

"Oh nein, jetzt muß ich doch wieder joggen", seufzte Blackfire und düste mit Infinity in die andere Richtung.

* * *

Stardust und Coryn wurden weiter von den Wachen gejagt. Coryn hatte das ungute Gefühl, daß man sie in eine bestimmte Richtung abdrängen wollte - vor allem, da sich sämtliche Türen vor ihnen öffneten. Sehr merkwürdig. Auf einmal wurden sie nicht weiter verfolgt, und die Tür hinter ihnen schloß sich und war auch nicht mehr aufzubekommen. Sie saßen fest.

"Mist!" schimpfte Coryn. Stardust schnaufte immer noch angestrengt. Diese Rennerei war entschieden zuviel für ihre Kondition. Sie setzte sich erst einmal auf den Boden, um wieder etwas zu Atem zu kommen. Coryn versuchte immer noch, die Tür aufzubekommen. Schließlich gab er es auf.

"Wie es aussieht, müssen wir uns einen anderen Ausgang suchen", stellte er fest. Jana sah ihn nur geschafft an. Sie war vorerst fix und fertig. "Nun komm schon, oder willst du hier Wurzeln schlagen? Wir suchen immer noch ein Terminal."

Stardust erhob sich resignierend. Es hatte ja eh keinen Sinn, sich zu sträuben. Coryn würden dann höchstens zu drastischeren Maßnahmen greifen. Ob sie jemals hier fanden, was sie suchten?

* * *

Die Gänge vor ihnen waren völlig glatt und leer.

"Ich hätte nicht gedacht, daß ich mich mal nach einer Wartungsluke oder einem Ventilationsschacht sehnen würde", bemerkte Blackfire gestreßt.

"Es hilft alles nichts. Wir müssen voran."

"Das gefällt mir nicht. Es riecht nach einer Falle."

"Hm. Du hast nicht ganz unrecht. - Obwohl ich finde, daß es hier mehr nach Desinfektionsmitteln riecht", meinte Infinity grinsend.

"Ryko...!" Karylla blieb entnervt stehen. "Schon wieder eine Türe..."

Sie traten hindurch, und plötzlich fiel diese mit einem Ton zu, der irgendwie etwas Endgültiges an sich hatte.

"Ich glaube, wir sind gefangen", stellte Infinity fest.

"Ach nee...!" machte Blackfire und sah sich um. "Und nun?"

"Wir sollten uns weiter auf den Weg machen."

"Wenn du es sagst..."

* * *

Stardust trottete immer noch hinter Coryn her, der anscheinend wußte, wo es lang ging. Zudem war sie so geschafft, daß sie eh nur die Hälfte mitbekam. Sie bogen in einen weiteren Korridor ein, von dem weitere Gänge abzweigten. Stardust hatte das Gefühl, in einem Labyrinth zu stecken. Sie hatte es einfach satt, befand sie plötzlich und setzte sich kurzerhand hin.

"Schluß!" meinte sie. "Ich kann nicht mehr."

"Nun gut", gab Coryn nach. "Machen wir eine Pause."

* * *

"Grumpf!" meldete sich Blackfire nach bestimmt drei Kilometern zu Wort. Dieses Labyrinth war offenbar nicht nur ein bloßer Irrgarten, es veränderte anscheinend auch dauernd seine Konfiguration. Es war nervig! "Ich fordere mit sofortiger Wirkung a) eine Toilette, b) ein Bad, c) etwas zu essen und d) ein Bett", verkündete Karylla. "In eben dieser Reihenfolge."

"Dazu müssen wir vermutlich erst einmal aus diesem Gangsystem herauskommen", bemerkte Ryko. "Ich hege allmählich die Vermutung, daß es sich hier um ein raffiniert angelegtes Gefängnis handelt."

"Wenn ich diesen LeMieux in die Finger kriege, dann werfe ich ihn dieser Riesenspinne von vorhin zum Fraß vor", drohte Blackfire düster. Im Prinzip konnten sie mit den TM-Gürteln zwar unmittelbar wieder aus der Station springen, aber das würde sie einer etwaigen Lösung der Angelegenheit um keinen Deut näherbringen. Also wanderten sie weiter durch das Labyrinth...

"Da vorne ist schon wieder ein Durchgang", stellte Ryko fest. Sie traten hindurch und landeten auf einem Korridor, von dem etwa zehn Türen abzweigten. Infinity spähte hinter die erste von links und erblickte den ersten Raum in diesem Irrgarten. "Dein Wunsch scheint erhört worden zu sein", meinte er belustigt.

"Fabelhaft!" Karylla quetschte sich an Ryko vorbei und verschwand erst einmal im hiesigen Badezimmer. Ungefähr eine Viertelstunde später kam sie - eher leicht bekleidet - zurück (dieser Planet war ihr entschieden zu heiß) und warf ihren Coverall über einen Stuhl, bevor sie flüchtig die Räumlichkeit inspizierte.

'Bah', stellte sie fest. Der Nahrungsmittelsynthetisizer war schon wieder so ein Billig-Modell von MacGalax, das bestimmt nur Starburger produzieren konnte! Sie orderte kurzerhand drei der gummiartigen Teile.

Schließlich erblickte sie ihren Partner, der immer noch in der Tür stand.

"Was ist? Willst du da draußen Wurzeln schlagen?" Sie kaute auf dem widerspenstigen Starburger herum.

"Ich bin doch keine Pflanze", meinte Ryko belustigt und trat ein. "Das scheint mir ziemlich komfortabel für ein Gefängnis zu sein", bemerkte er mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Gefängnis hin oder her - ich bin müde!" Sie ließ sich auf das ebenfalls vorhandene Bett fallen. Ryko zuckte mit den Schultern und wollte sich gerade wieder zu weiterer Erkundung davonmachen, als Karylla aufsprang und ihn entschieden festhielt.

"Hey, bleibst du wohl hier? Nein, nicht, was du schon wieder denkst - obwohl..." Sie lächelte ihm verführerisch zu und zog ihn näher zu sich heran. "Weißt du, ich fürchte hauptsächlich, daß wir uns nicht mehr wiederfinden könnten, wenn du durch dieses veränderliche Labyrinth wanderst und ich hierbleibe. Hm... Und außerdem könnten wir ja das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden", schloß sie mit höchst unschuldigem Augenaufschlag.

"Wie du meinst", sagte Ryko mit einem amüsierten Achselzucken und ergab sich in sein Schicksal.

* * *

Stardust zuckte zusammen, als Coryn sie auf seine Art 'sanft' schüttelte. "Ich glaube, ich habe eine bessere Möglichkeit zum Nächtigen gefunden", verkündete er und zerrte sie hoch. "Gleich um die Ecke befinden sich diverse Räumlichkeiten. Da Jana ihn nur verständnislos und verschlafen ansah, zog er sie einfach hinter sich her zu einem der Zimmer.

Stardust schlief schon wieder, bevor sie im Bett lag. Coryn wäre ja gerne auf Erkundung gegangen, doch er hegte die Befürchtung, daß er dann nicht mehr hierhin zurückfand. Dieses Labyrinth änderte sich andauernd, wie er festgestellt hatte.

* * *

"Einen wunderschönen guten Morgen, Kary", sagte Ryko und strich ihr sanft durch die Haare. Nun konnte er auch endlich das Zimmer einer eingehenden Untersuchung unterziehen. Gestern abend hatte Karylla seine diesbezüglichen Aktionen wirkungsvoll zu unterbinden gewußt, und später hatte er sie nicht wecken wollen. Zu seiner Erleichterung stellte er jedoch fest, daß es ohnehin nichts Bemerkenswertes an dieser Räumlichkeit zu entdecken gab.

"Mh... Ryko?" Karylla gähnte ausgiebig und überlegte angestrengt, wo sie sich eigentlich befand. Nein, die Lightning war es mit Sicherheit nicht. "Wo sind wir?" Langsam fiel es ihr wieder ein. "Ach ja, Sinhalon... - Mir ist warm", beschwerte sie sich. Ryko brachte einer Partnerin einen Riesenbecher Kaffee ans Bett. Karylla war immer unausstehlich, wenn sie morgens keinen Kaffee bekam, und das Risiko wollte er lieber nicht eingehen.

"Danke, mein Schatz. - Was unternehmen wir jetzt? Gehen wir wieder los?"

"Was dachtest du?" erkundigte sich Ryko amüsiert.

"Kein Kommentar!" erwiderte sie grinsend, bevor sie im Bad verschwand. Etwa 50 Minuten später war sie wieder in ihrer Einsatzkombi und startbereit. "Na, dann los!" Sie stürmte aus dem Zimmer und erstarrte.

"Oh nein!"

* * *

Stardust lag immer noch im Bett und schlief fest. Coryn schüttelte den Kopf. Hatte sie denn nicht vor, mal langsam aufzuwachen? Anscheinend nicht. Und wenn er sie weckte... Nein, diesen Gedanken strich er lieber gleich wieder. Auf keinen Fall wollte er das riskieren. Er inspizierte erst einmal den Nahrungsmittelsynthetisizer. Buäh, das Ding war von MacGalax!

Er haßte diesen Schlabberpamp. Dieses Pseudogummi! Er brauchte immer gut fünf Dutzend Starburger, bis er genug hatte. Hm. Vielleicht gab es ja in einem der Nebenräume ein anderes Gerät. Er wollte gleich mal nachsehen, also stürmte er auf den Flur...

"Verdammt!"

* * *

"Starlight!" fauchte Blackfire diesen lautstark an. "Wenn du es noch einmal wagen solltest, mich 'Süße' zu nennen, werde ich mir geeignete Maßnahmen überlegen!"

Ryko seufzte nur. Das konnte ja noch heiter werden. Wenn Coryn hier war, hieß das, daß Mademoiselle Stardust bestimmt auch nicht weit war... Adé, ruhiges Untersuchungskommando...

"Hi Coryn", meinte er schwach.

"Hi Ryko", erwiderte dieser. Er konnte Blackfire einfach nicht ausstehen. Allerdings schien dieses Gefühl auf absoluter Gegenseitigkeit zu beruhen.

Stardust war durch das Geschrei auf dem Gang doch noch wachgeworden. Entschlossen und vor allen Dingen neugierig, spähte sie hinter Coryn hinaus. Uähh, Infinity und Blackfire! Mußte das sein? Vor allem am frühen Morgen... Sie wandte sich lieber wieder zurück. Zudem mußte sie mal dringend verschwinden, und eine Wäsche hatte sie auch entschieden nötig.

"Was treibst du denn hier?" wollte Infinity von Coryn wissen. "Wie bist du an diese Koordinaten gekommen?"

"Ryko, mit sowas spricht man nicht", mokierte sich Blackfire, wurde aber dezent von ihm ignoriert.

"Ich habe sie von LeMieux, wie du vermutlich auch."

"Ah! Du warst die andere 'Kundschaft', wegen der er immer verschwinden mußte", meinte Ryko grinsend.

"Genau. Ich glaube, da sind wir ihm aber gewaltig auf den Leim gegangen. Wie kommen wir hier bloß wieder raus? Das Ding verändert sich pausenlos", stellte Coryn etwas gefrustet fest.

"Das Herauskommen ist das geringste Problem", entgegnete Ryko. "Mich interessiert eher, wo die Kontrollzentrale der Station steckt. Web Omega muß eine von langer Hand geplante Falle für zu neugierige Leute sein..."

"Das ist es zweifellos. Ich habe auch einige Anzeichen dafür entdeckt, daß hier noch weitere Personen sind. Nur ändert sich das Labyrinth anscheinend so, daß man kaum jemanden treffen kann."

"Korrekt."

Karylla murmelte etwas unverständliches über Mäuse in einem Irrgarten und beschloß, Starlight bis auf weiteres zu ignorieren - zumindest, bis ihr ein paar treffende Kommentare einfielen. Ryko wartete unterdessen schon voller Begeisterung darauf, daß sich Stardust zu ihnen gesellte...

Mittlerweile hatte Jana das Bad verlassen und tauchte nun neben Coryn auf. Es hatte ja doch keinen Sinn, sich zu drücken.

"Hi Blackfire!"

"Hi Stardust..." Karylla musterte Jana. Diese hatte diesmal keinen weißen Mop als Frisur, sondern schulterlange, wellige weißblonde Haare. Dazu trug sie einen dezent zerfetzten, zartvioletten Overall. "Bist du unter einen Rasenmäher gekommen?"

"Wieso?" fragte Stardust. Blackfire grinste nur.

"Und diese Haarfarbe - ts ts ts... Mittlerweile schon im Partnerlook mit Starlight?"

"Wenn es nach mir ginge, bestimmt nicht, aber er hetzt mich ja permanent herum."

"So sieht er aus."

Stardust sah Coryn von oben bis unten an. "Stimmt."

Ryko und Coryn wechselten einen etwas verständnislosen Blick. Frauen!

'Warum hacken bloß immer alle auf mir herum?' dachte Coryn frustriert. "Was tun wir jetzt?" wollte er dann wissen.

"Ich schlage vor, wir suchen erst einmal nach ein paar weiteren Insassen", kam es von Infinity. "Ich denke, wir könnten einige Hinweise bekommen, was hier explizit los ist."

"Könnte sein. Machen wir uns auf den Weg", stimmte Coryn ihm zu.

Stardust sah Infinity an. Mit dem? Na danke! Auch Blackfire wollte gerade protestieren. Mit Starlight durch die Gegend ziehen? Entsetzen! Doch der unerwartet nach unten klappende Boden vereitelte alle Einsprüche. Aus dem ehemals geraden Untergrund wurde eine schiefe Ebene von 45 Grad, auf der die versammelte Mannschaft das Gleichgewicht verlor und hinabrutschte.

"Jaul", jammerte Stardust, da ihre Kehrseite verdammt heiß wurde. Auch Blackfire schien es, als ob ihr jemand das Hinterteil zu versengen gedachte. Sie stieß einige wilde Verwünschungen aus.

Am Ende der Schräge rollte sie noch ein Stück den plötzlich wieder horizontalen Flur entlang. Karylla stieß sich den Ellenbogen an der Wand an und fügte noch ein paar Flüche aus ihrem schier unergründlichen Repertoire an. Auch Coryn fluchte ausgiebig. Stardust zog die Augenbrauen hoch, während sie sich ihre schmerzende Kehrseite rieb. Woher hatte er das schon wieder?

Endlich rappelte sich Blackfire auf. Infinity hatte die Aktion natürlich nichts ausgemacht, aber es verdroß sie doch etwas, daß auch Starlight keinerlei Auswirkungen von dieser unsanften Rutschpartie zu verspüren schien. Ihm hätte sie ein paar saftige blaue Flecken gegönnt!

Coryn richtete sich nun auch wieder auf. Tse. Anscheinend hatte dieses dumme Labyrinth auch noch mehrere Ebenen! Stardust jammerte immer noch herum. Coryn blickte sie ärgerlich an. Wie konnte man nur so wehleidig sein?

Blackfire schaute sich neugierig um, verzog dann aber etwas genervt das Gesicht. Diese Ebene sah offenbar genauso aus wie die vorige. Hm. Aber vielleicht kurvten hier noch ein paar andere Leute herum.

"Ryko, let's go! Wer weiß, vielleicht finden wir ja hier jemanden..." Infinity zog eine Grimasse und winkte Coryn zu, ihm zu folgen. Es wäre absolut unlogisch und würde überdies ihre Chancen verringern, wenn sie sich trennten. Warum sah Karylla das bloß nicht ein? Obwohl er natürlich gut auf Stardust verzichten konnte.

Jana erkannte unterdessen, daß ihr Jammern sie nicht weiterbrachte. Gut, dann folgte sie eben Coryn. Sie hatte immer noch die Hoffnung, daß er wußte, wohin er ging.

Die beiden Männer übernahmen die Spitze, während Karylla Coryn mißtrauisch beäugte und ansonsten auf etwaige Veränderungen des Labyrinths zu achten versuchte, was sich aber als vergebliche Liebesmüh erwies.

Vielleicht sollten sie doch kurzerhand zur Lightning zurückspringen? Hm. Doch so kamen sie nicht zu Informationen. Karylla war gefrustet. Irgendetwas mußte es hier noch geben! Wenigstens einen winzigen Hinweis! Sie haßte es, für nichts und wieder nichts durch die halbe FGS zu gondeln, sich durch einen feindlichen, von Monsterspinnen bewohnten Dschungel zu kämpfen, tagelang durch ein nichtendenwollendes Labyrinth zu irren und so weiter und so fort...

Auch Stardust war es leid, durch blöde Gänge zu latschen, ohne Ziel und Sinn. Sie würden Massai und Hunter sowieso nie finden. Dieses Ding war einfach zu groß! Es mußte doch eine andere Möglichkeit geben. Sie grübelte... und grübelte...

Ryko blieb stehen. Dies geschah so unerwartet, daß Karylla mit ihm kollidierte.

"Hey, was soll das?" empörte sie sich.

Stardust rannte ebenso in Coryn hinein, da dieser stehengeblieben war, als Ryko stoppte.

"Autsch!" beschwerte sie sich. Man sollte eine Polsterung an ihm anbringen.

"Mir reicht es langsam", befand Infinity.

"Was heißt hier langsam? Mir reicht es schon länger", beklagte sich Karylla mit tiefster Leidensmiene. "Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Oder wie diese berühmten philosophischen Fragen heißen..."

"Ich finde es zudem nicht gerade interessant in diesen Gängen", meinte Coryn. Er überlegte, wie man wohl diese blöden Wände überlisten könnte ohne aufzufallen. Ryko hatte eine ähnliche Idee. Er machte Coryn ein unauffälliges Zeichen.

"Meine Damen, die ihr so fußkrank seid, ihr könnt ja einen Moment hier pausieren... Coryn und ich sehen uns einmal den Gang dort um die Ecke an."

Coryn blickte Ryko fragend an, während Stardust verwundert zu den beiden Männern herüberschaute. Was hatten die nur wieder vor? Auch Karylla war irritiert und runzelte die Stirn. Sie konnte sich denken, was Ryko beabsichtigte. Aber mit Starlight?! Die Männer zogen davon. Etwa 80 Sekunden später krachte etwas gewaltig in dem Nebengang.

Stardust sah sich erschrocken um. Was war nun schon wieder los? Sie begutachtete alle Wände auf Veränderungen. Im selben Augenblick erschien Rykos strahlend silberner Schopf aus dem bewußten Korridor, und eine Hand bedeutete Karylla und Stardust, dorthin zu kommen. Mit elegant gelüpfter linker Augenbraue machte sich Blackfire auf den Weg. Stardust trottete hinterher. Es kam ihr alles sehr eigentümlich vor. Als sie das riesige Loch in der Wand des Ganges bemerkte, erschien ihr des Ganze noch fragwürdiger. Wie hatten die das nur hinbekommen?

"Ich bitte hindurchzutreten, Mesdemoiselles", deklamierte Infinity theatralisch. "Hier hat sich ein Durchgang in eine andere Welt aufgetan!"

Karylla sah ihn kopfschüttelnd an. Typisch Ryko! Aber irgendetwas war entschieden faul mit Coryn, befand sie. Coryn grinste über Blackfires und Stardusts nachdenkliche Gesichter. Vor allem Blackfire schien ihm zu mißtrauen.

"Nun denn, lasset uns verschwinden", meinte Ryko und kletterte durch das Loch. Karylla folgte ihm auf den Fuß, und Stardust und Coryn taten es ihnen gleich.

Dieser Gang war eher düster und von Leitungen durchzogen. Ryko grinste seine Partnerin an.

"Da hast du deinen langersehnten Wartungsschacht..."

"!" Ihr Blick sagte mehr als alle Worte. Auch Stardust sah nicht gerade begeistert aus.

"Na denn", meinte Coryn und ging in eine Richtung. Der Rest der Mannschaft folgte ihm erst einmal. Karylla wartete sehnsüchtig darauf, mal ein paar Takte alleine mit Ryko im stillen Kämmerlein zu wechseln. Was war mit Coryn Arvhayn los? Warum vertraute Ryko diesem so offensichtlich?

Auf einmal blieb Coryn stehen. 'Hm?' dachte er. 'Das sieht mir aber verdächtig nach einer Sicherung gegen Eindringlinge aus.' Mißtrauisch beäugte er die Wände.

"Das ist eine Infrarot-Schranke", sagte Ryko nach einem kurzen Blick darauf. Er wühlte in seinen Hosentaschen nach einem passenden Werkzeug, um diese Falle auszuschalten. Mit wenigen Handgriffen hatte er sie überbrückt.

"Fein", meinte Coryn. "Ich bin sicher, hinter dieser Klappe muß die Zentrale liegen."

"Mhm", machte Infinity und spähte vorsichtig durch einen Spalt. "Zwei Kontrolleure", stellte er fest. "Karylla, dein Einsatz!"

"Hm-hm", äußerte sich Blackfire etwas genervt. Ryko brauchte sie offenbar immer nur für die groben Arbeiten. Das war diskriminierend! Trotzdem nahm sie ihren Pfeilwerfer vom Stiefel und legte die beiden Kontrolleure erst einmal schlafen. Anschließend klappte sie die Luke ganz auf und zwängte sich hindurch. Ihr Hinterteil blieb beinahe stecken. Sie sollte doch einmal versuchen, nicht nur die Starburger aus dem Nahrungsmittelsynthetisizer zu essen, stellte Karylla fest. Ryko zog sich mühelos durch das Loch. Es war wirklich frustrierend. Er konnte futtern wie zehn Leute und blieb dabei so superschlank wie eh und je. Es war einfach nicht fair!

Auch Stardust hatte einige Schwierigkeiten mit der Luke. 'Hm, diese verfluchten Starburger!', dachte sie. Aber schließlich schaffte sie es doch. Coryn hingegen sah die Öffnung zweifelnd an. Er war sich absolut sicher, daß sie für ihn zu eng war. Peinlich war nur, daß er ja nicht die Wand zertrümmern konnte.

"Tse", machte er. "Tut mir leid, aber ich komme da nicht durch."

"Soll ich dich hindurchziehen?" erkundigte sich Ryko hilfsbereit und mit leicht amüsiertem Unterton.

"Nein danke", wehrte Coryn ab. "Lieber nicht..." Es würde kaum auffallen, wenn er die ganze Wand verbog... "Ich suche mir eine größere Luke."

"Okay. Wir fangen schon mal an, die Anlage zu untersuchen."

Coryn quetschte sich weiter hinten im Wartungsschacht durch eine Lüftungsklappe, ohne Rücksicht auf die Wand zu nehmen. Diese sah anschließend reichlich verbogen aus, aber dort fiel es ja nicht auf. Kurz darauf betrat er durch die Tür die Zentrale.

Ryko saß bereits am hiesigen Kontrollpult und erkundete dessen Funktionen. Auf dem Bildschirm sah man ein sich langsam veränderndes Labyrinth und gut einhundert rote Leuchtpunkte, die sich verstreut hindurchbewegten.

Karylla inspizierte derweil eine andere Konsole, die offenbar ein Hypercom-Aggregat darstellte. Sie hatte einen Mikro-Memocorder in der Hand, den Ryko aus einer seiner unergründlichen Hosentaschen hervorgezaubert hatte und speicherte in diesem sämtliche fest eingestellten Frequenzen ab, die sie fand.

Coryn setzte sich unterdessen an das nächstbeste Computerterminal und versuchte, eine Liste der Insassen von Web Omega zu bekommen, was ihm auch nach einigem Herumprobieren gelang. Stardust sah ihm über die Schulter.

"Ha!" rief Coryn, als er Massai und Hunter in der Liste fand. Er konnte sogar ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort lokalisieren. Ryko kopierte den Code aus Coryns Liste, und die Gesuchten erschienen nunmehr als grüne Leuchtpunkte auf dem Schirm. Jetzt mußte er nur noch die Wände entsprechend verschieben, damit sie hier aufkreuzten.

Im Hintergrund des Leitstands von Web Omega öffnete sich eine Tür, und zwei Männer taumelten herein.

"Fein", meinte Stardust. "Dann können wir wohl endlich gehen."

"Stardust!" rief Massai erleichtert, als er diese erblickte. Der ISPC-Agent hatte schon kaum mehr auf eine Rettung zu hoffen gewagt.

"Ryko, bist du soweit? Ich möchte endlich aus dieser Planetensauna heraus." Blackfire wedelte mit einem Speicherkristall herum. "Ich habe sämtliche Funkfrequenzen der von hier erreichbaren Stationen, sowie das Funklog der letzten zwei Wochen kopiert."

"Gut. - Hast du sonst noch etwas entdeckt?"

"Nö. Ich sitze hier am Hypercom-Pult..."

"Na gut. Aber wir müssen einfach irgendwo einen Hinweis finden, wer explizit für das KD verantwortlich ist."

"Ich weiß!" meinte Blackfire genervt bis schmollend. "Aber hier ist nichts!"

"Ich habe die ISPC verständigt", verkündete Coryn. "Sie schicken einen Gleiterbus, um die Leute hier abzuholen. - Seid ihr soweit okay?" fragte er Massai und Hunter.

"Ja, wir sind im Prinzip in Ordnung, nur etwas geschlaucht von diesem gottverdammten Labyrinth", erwiderte Hunter.

"Gut. Der Bus wird in etwa zehn Stunden hier eintreffen. Kommt ihr bis dahin klar?"

"Wir haben es bis jetzt ausgehalten, da machen zehn Stunden auch nichts mehr aus..."

"Ich habe alle Daten kopiert", wandte sich Coryn nun an Stardust. "Wir können also gehen."

"Na endlich", maulte Jana. Sie hatten Massai und Hunter, also wollte sie nur noch nach Hause. Die beiden anderen ISPC-Leute starrten unterdessen fasziniert auf Blackfire und Infinity. Sie konnten sich keinen Reim darauf machen, warum die beiden hier so unbehelligt herumliefen.

Derweil hatte Ryko noch einmal den Zentralcomputer angezapft und alles weitere an interessanten Infos in einigen zusätzlichen Speicherkristallen abgelegt.

"Massai, Hunter", wandte er sich an diese. "Kleiner Tip: Ihr solltet die KD-Leute hier ordentlich verschnüren. In spätestens zwei Stunden sind sie wieder fit." Bevor diese irgendeinen Kommentar abgeben konnten, hatte er Blackfire ein Zeichen gegeben, und die beiden sprangen zur Lightning zurück.

Auch Coryn und Stardust verabschiedeten sich von Massai und Hunter. Anschließend ließen sie sich von Cass abholen, der ja leider nur Platz für zwei Insassen hatte. Um keinen Preis wollte Jana durch den Dschungel zurückwandern.

* * *

"Kary, guck dir das doch einmal an!" Infinity deutete auf den Computermonitor. Blackfire kam herbei und setzte sich wie meist bei ihrem Partner auf die Armlehne des Sessels, wobei sie die Beine herunterbaumeln ließ.

"Hm?" Sie wuschelte abwesend in seinem strahlend silbernen Schopf herum. Ryko deutete auf zwei Zahlenreihen, eine Zeit- und eine Ortsangabe.

"Das heißt offenbar, daß am 3762/01/10 GZ um 19:00 Uhr etwas passieren soll", konstatierte Karylla. "Und was bedeutet das andere?"

"Das ist eine Ortsangabe, die sich auf Suune III/Tarishaan bezieht. Genauer bezeichnet sie einen Punkt etwa 23km südwestlich von Ashteera."

(Ashteera ist ist die Hauptstadt von Suune III/Tarishaan.)

"Und?"

"Das ist die exakte Position von Nardia Blades Residenz Blade Manor."

"Oh! - Und was weiter?"

"Es hat den Anschein, als ob dort ein Treffpunkt markiert ist - und zwar genau auf Mademoiselle Blades Benefiz-Ball zu Gunsten der Rehabilitation straffällig gewordener Jugendlicher. Es ist übrigens ein Maskenball..."

"Ay! Das heißt, vielleicht werde ich mich einfach als Blackfire verkleiden und mich dort ein wenig umsehen..."

"Hältst du das für eine gute Idee? Mich kriegen keine zehn Raketen mehr als Infinity auf einen Maskenball!" Er dachte mit Grausen an das Fiasko vor etwas mehr als einem Monat.

"Stimmt. Du warst ja angeblich sogar plötzlich mit Nardia Blade verlobt", stichelte Blackfire.

"Lästere nicht! Ich habe all das nur für dich auf mich genommen", sagte Ryko gequält. Seit sie per Zufall diverse Zeitungen in die Hand bekommen hatte, zog sie ihn mit dieser Geschichte auf.

"Mein armer Schatz", meinte Karylla amüsiert, rutschte von der Sessellehne auf seinen Schoß und kuschelte sich an ihn. "Nun gut. Ich werde es mir überlegen."

* * *

Am Suuntag, dem 10. Enuari 3762GZ war Blade Manor wieder einmal Mittelpunkt des gesellschaftlichen Treibens. Wie üblich platzte der große Ballsaal nahezu aus den Nähten. Diesmal hatte sich Nardia Blade, allen Gepflogenheiten zum Trotz, auch verkleidet. Nein, ihr würde es nicht noch einmal passieren! Sie hatte sich in ein äußerst pompöses, gelbes Gewand gehüllt, das es ihr gerade erlaubte, die Türen quer zu passieren. Dazu waren ihre Haare ausgesprochen wüst und rot, und das Gesicht wurde zusätzlich von einer gefiederten Maske verdeckt. Nardia war sich hundertprozentig sicher, daß sie so von niemandem erkannt würde. Sie bugsierte sich vorsichtig durch die Massen. War das wieder voll hier!

Alycia Cherylla Blade schob sich gleichfalls durch die Menge. Sie hatte ihre Halbschwester bislang noch nicht entdeckt. Ob sie sich diesmal etwa auch verkleidet hatte? Acy jedenfalls hatte beschlossen, sich heute als Blackfire aufzumachen - allerdings wirkte sie reichlich übertrieben damit. Der mitternachtsfarbene Mop, den sie sich übergestülpt hatte, wallte bis zu ihrem Hinterteil herunter, und außerdem strahlten ihre Augen in dem obligatorischen Neonblau. Lediglich der silbern/schwarze Coverall stimmte halbwegs, wenngleich sie ihn noch durch ein dekoratives, bodenlanges, silbernes Cape ergänzt hatte.

Als Ryko Maiell, der sich als derselbe naravinische Fürst wie auf Khemarra verkleidet hatte, diese absonderliche Blackfire-Version sah, schüttelte er nur den Kopf. Als sie sich dann auf den Ausgang zubewegte, schaute er ihr belustigt nach und mußte zusehen, daß er Haltung bewahrte und sich nicht vor Lachen bog.

Stardust wühlte sich auf der Suche nach Coryn durch die Menge. Sie konnte ihn partout nicht finden. Tse, er hatte sie auch nur dumm angegrinst, als sie ihn nach ihrem Kostüm gefragt hatte. Jana strebte zum Buffet, Coryns wahrscheinlichstem Aufenthaltsort.

"Hiya, Ryko!" Dieser drehte sich um, als ihm jemand von hinten die Arme um die Mitte schlang. Ah, Karylla! Sie war offenbar doch von ihrer ursprünglichen Schnapsidee abgekommen und trug jetzt ein enges, hochgeschlossenes, metallicviolettes Kleid mit einem dekorativen diagonalen Klettverschluß an der Vorderseite. Ihre Haare waren derzeit mittelbraun und mit Gel nach hinten gekämmt, dazu trug sie eine dezent silberne Maske zu tiefgrünen Augen.

"Hallo Kary! - Schon etwas entdeckt?"

"Nichts, mein Schatz." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuß auf die Lippen. "Ich werde mal zum Buffet gehen."

Inzwischen hatte Stardust Coryn gefunden. Dieser verfluchte gerade seine Idee, sich als Krieger der Sian-Familie zu verkleiden, denn da er bis auf die Augen eingemummt war, konnte er leider nichts essen. Jana hatte fasziniert festgestellt, daß Coryn diesmal seine originale Augenfarbe hatte, ein leuchtendes Silber. Es bildete einen interessanten Kontrast zu seinem ansonsten pechschwarzen Outfit. Mit einem hämischen Grinsen lud sich Stardust den Teller voll, als sich zwei eher normal wirkende Gestalten näherten. Der Mann war offenbar ein naravinischer Adliger, hochgewachsen und hellhäutig wie alle Bewohner jenes Planeten und mit der typischen Metallic-Haarfarbe - diesmal einem schimmernden, metallischen Blauschwarz - versehen. Dazu trug er einen dunkelkupferfarbenen Overall und ein gleichfarbiges Käppi mit einer gut einmeterlangen, goldenen Feder. Die junge Frau an seiner Seite hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit Nardia Blade, man hätte sie beinahe für eine Zwillingsschwester von dieser halten können.

Ryko erkannte Coryn wie üblich sofort, auch wenn dieser mehr einer schwarzen Verpackungsreklame ähnelte als dem ISPC-SAA. Infinity grinste ihm zu, als er einen Haufen Häppchen auf seinen Teller schaufelte. Typisch tarishaanische Kost, stellte er fest, kaum Nährwert... Also müßte er wieder einmal Qualität durch Quantität ersetzen... Karylla sah ihm kopfschüttelnd zu. Seine Manieren in punkto Menge zu nehmender Fressalien waren einfach unmöglich.

"Kennen wir uns nicht?" erkundigte sich Ryko bei dem Sian-Krieger. "Ich bin Fürst Skaylyn der Tiefebenen zu Seneskaya und Graf der Tunyara-Ländereien..."

"Ich nenne mich Yien Wu. Auch Ihr kommt mir bekannt vor. Könnte es sein, daß wir uns auf der Party letzte Woche gesehen haben?" fragte Coryn belustigt zurück.

"Dies mag sein, ehrenwerter Yien Wu." Ryko verneigte sich galant vor ihm. "Darf ich Euch mein Liebden Hilva DeLoire vorstellen?" Er gab Karylla einen formvollendeten Handkuß, bevor er sie dezent nach vorne bugsierte.

"Sehr erfreut Mademoiselle", erwiderte Coryn und reichte ihr die Hand. Hm. Trotz der grünen Augen konnte das eigentlich nur Blackfire sein - obwohl sie ihn diesmal gar nicht angiftete. Aber vielleicht hatte sie ihn ja auch nicht erkannt.

Stardust sah nur irritiert vom einen zum anderen. Was hatte das zu bedeuten? Und Blackfire wunderte sich, was das für ein Typ mit silbernen Augen war. An Rykos silberne Haare hatte sie sich ja mittlerweile gewöhnt - aber silberne Augen?!

Genau in diesem Augenblick stürzte sich Thorn Graven auf Karylla, da er in ihr Nardia Blade zu erkennen glaubte.

"Mademoiselle, ich habe Sie den ganzen Abend gesucht", meinte er mit schmachtendem Blick und ergriff ihre Hände.

"Monsieur?!" machte Blackfire entgeistert. Hm. Sie hatte ihn schon mal gesehen und konnte ihn gleich nicht ausstehen. "Ihr suchtet mich? Was habe ich getan, Eure Aufmerksamkeit derart auf mich zu lenken?" Vielleicht hätte sie doch lieber ein anderes Outfit wählen sollen...

"Eure Schönheit überstrahlt alles!" rief er enthusiastisch und umfaßte ihre Hände fester. Stardust starb fast vor unterdrücktem Lachen, während Coryn und Ryko nur irritiert zusahen.

"Ähm, Monsieur, meinen Sie nicht, Sie sind etwas zu theatralisch?" versuchte Karylla ihn dezent aufmerksam zu machen.

"Aber Mademoiselle! Kein Wort ist verschwendet, um Eure Schönheit und Einzigartigkeit zu preisen!" Er zog sie näher zu sich. Stardusts Schultern zuckten, als sie sich krampfhaft bemühte, nicht laut loszuprusten. Karylla sah hilfesuchend zu ihrem Partner herüber.

'M'aidez! Pflücke ihn ab!' dachte sie angeekelt, da Graven ihr immer mehr auf die Pelle rückte. 'Jeih, wo ist mein Pfeilwerfer?' Vor allen Leuten wollte sie auch nicht gerade eine Prügelei anfangen, also schob sie ihn sanft, aber bestimmt von sich.

"Monsieur! Ich bin in Begleitung hier!"

Thorn, ermutigt durch die lange Zeit, die sie ihm schon zuhörte, wagte einen weiteren Vorstoß.

"Für Euch lohnte es sich zu kämpfen!" tönte er theatralisch. Coryn sah den Typen nachdenklich an. Er würde sich nicht mit Ryko anlegen.

Infinity hob eine Augenbraue und sah das Subjekt gekonnt von oben herab an. Auch wenn Graven 1.90m groß war, Ryko überragte ihn trotzdem noch um 5 Zentimeter.

"Das solltet Ihr Euch reiflich überlegen", bemerkte Karylla belustigt und bedachte ihren Partner mit einem liebevollen Blick. Sie würde es Graven gönnen, ein wenig von Ryko in die Mangel genommen zu werden.

"Da Ihr es wünscht..." machte Thorn nach gründlicher Überlegung doch einen noch gerade eben ehrenhaften Rückzug.

"Ein kluger Entschluß", stellte Karylla mit einem niederträchtigen Grinsen fest, das Graven eigentümlich bekannt vorkam, bevor sie Ryko ihre Arme um die Taille schlang. "Und nun mögt Ihr Euch verflüchtigen. Ich bin anderweitig okkupiert."

Thorn ergriff erst einmal die Flucht. Er konnte ja einen neuen Versuch wagen, wenn Nardia mal ohne Schutz war. Unterdessen balancierte Ryko angestrengt seine Häppchen herum. Wenn Kary ihn nicht innerhalb der nächsten Sekunden losließ, würde es unweigerlich ein Malheur geben.

Coryn grinste in sich hinein. Anscheinend hatte Ryko ein Problem, Stardust war enttäuscht, daß das Schauspiel schon ein Ende hatte. Ihr hätte es gefallen, wenn dieser Blondling eins auf die Nase bekommen hätte.

Schepper! - Es war passiert. Der Teller hatte seinen Schwerpunkt so ungünstig verlagert, daß er dem Zug der Gravitation folgend mit dem Boden kollidiert war. Alles in unmittelbarer Nähe wandte sich dem Klirren zu, doch plötzlich erklang aus einer anderen Ecke des Ballsaals ein Aufschrei:

"Hilfe! Hier liegt ein Toter!"

Stardust und Coryn sahen erstaunt auf und machten sich gleich auf den Weg in diese Richtung. Auch Blackfire und Infinity düsten hinterher. Ein Mord hier? Im Hause der ISPC-Schirmherrin Nardia Blade?

Das Gedränge wurde immer dichter, je näher sie dem Schauplatz des Verbrechens kamen. Stardust hatte sich nun mit Coryn im Schlepptau bis zu der Leiche vorgewühlt. Ah, anscheinend waren auch schon einige Polizeibeamte, die auch auf dem Ball geladen waren, zur Stelle.

Mittlerweile hatten Blackfire und Infinity es ebenfalls geschafft, sich bis zum Opfer vorzuarbeiten. Karylla überlegte rasch. Nardia Blade schien nicht in der Nähe zu sein, und wenn sogar dieser Lackel, den sie schon früher hinter Nardia hatte herscharwenzeln sehen, sie für die Hausherrin hielt, dann konnte sie eventuell rasch an einige Informationen gelangen. Außerdem siegte Frechheit in der Regel ohnehin. Der leitende Polizeibeamte war niemand anders als Commissaire Goulart, den sie noch von einigen Verhören vor geraumer Zeit kannte.

"Ah, Commissaire Goulart! Was ist geschehen?"

Offenbar hielt sie auch Goulart für Nardia Blade, denn er erteilte ihr bereitwillig Auskunft.

"Das Opfer ist von hinten mit einem spitzen Gegenstand durchs Herz erstochen worden, Mademoiselle Blade."

Blackfire machte ein entsetztes Gesicht.

"Das ist ja furchtbar! Wissen Sie schon, wer der Tote ist? Gibt es irgendwelche Verdächtigen?"

"Zunächst: Ja, wir wissen, wer der Tote ist. Es handelt sich um den khemarrischen Kartellamtsleiter Andri LeMieux..."

Karylla mußte sich anstrengen, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. LeMieux und Khemarra - das konnte doch kein Zufall sein!

Auch Coryn und Stardust horchten auf. Konnte das noch Zufall sein? Coryn bewunderte die Frechheit Blackfires, sich in Blade Manor als Nardia auszugeben.

"Was Verdächtige betrifft", fuhr der Commissaire fort, "haben wir noch keine Anhaltspunkte. Es tut mir leid."

"Oh, Monsieur le Commissaire... Was soll nun geschehen? Soll ich den Ball abbrechen?"

"Nein! Nur kein Aufsehen erregen", wehrte der Polizeibeamte ab. "Ich werde alles Notwendige erledigen."

"Oh, ich danke Ihnen!" Blackfire atmete auf. Es wäre wahrscheinlich doch etwas zu riskant gewesen, wenn sie die Party hätte auflösen sollen...

Allen Leuten konnte sie bestimmt nicht vormachen, daß sie Nardia Blade sei. Obwohl es sie schon interessierte, wo diese derzeit steckte. Ryko war ebenfalls fasziniert, Seine Partnerin übertraf sich mal wieder selbst. Diese Aktion war beinahe so gelungen, wie die Sache, als sie selbst das Kopfgeld für Blackfire beim Konsortium D abkassiert hatte. Leider hatte jenes Husarenstück allerdings dazu geführt, daß das KD das Blackfire-Kopfgeld nunmehr verdoppelt hatte...

Aber langsam sollte Karylla Schluß machen mit dieser Komödie, befand Infinity. Er zupfte vorsichtig am Ärmel ihres Kleids.

"Mademoiselle Blade, würden Sie bitte einmal mitkommen?"

Blackfire folgte seiner Aufforderung. Mittlerweile hatten sich Stardust und Coryn mit mehreren Leuten unterhalten, doch niemand schien etwas bemerkt zu haben. Es war einfach zu voll gewesen. Nicht einmal die Überwachungskameras lieferten verwertbares Material.

Karylla hatte sich unterdessen mit Ryko in eine stille Ecke verzogen.

"Sag mal, in welchem Verhältnis standen Andri und Stevven LeMieux? - Du hattest doch die Daten über Stevven LeMieux gelesen, oder?"

"Sicherlich, Andri LeMieux war der Onkel von Stevven."

"Hm-hm." Karylla legte ihren Kopf an Rykos Schulter. Sie mußte nachdenken. Sie war sich nicht darüber bewußt, daß einige Presseleute dieses traute Zusammensein höchst interessiert registrierten und fotografierten... Nun würde es wieder neue Gerüchte über Nardia Blade geben.

* * *

Es war Siskatag, der 3762/01/11 GZ.

Alycia Blade lag in einem äußerst sündhaft wirkenden, neonvioletten Negligé in ihrem Bett und wühlte sich durch Berge von Zeitungs-Solidokopien.

MORD AUF BLADE MANOR!
Khemarrischer Kartellamtsleiter hinterrücks bei Benefiz-Ball erwürgt!

FEIGER MEUCHELMORD BEIM GALA-BALL
Unter den Augen der Polizei wurde das Opfer brutal erstochen!

NARDIA BLADE SCHON WIEDER VERLOBT!
Wer ist der naravinische Adlige, dem die Milliardenerbin gestern ihre Gunst schenkte?

"Viphon ein! Verbindung nach Blade Manor, Nardia Blade!"

"Ja, bitte?" Nardia erschien auf dem Bildschirm. Sie lag ebenfalls noch im Bett und guckte ziemlich verschlafen.

"Hast du schon die Zeitungen gelesen?"

Nardia blickte unter die Decke ihres riesigen Himmelbettes, wo das Familienwappen prangte. Und ob sie die Schlagzeilen gelesen hatte...!

"Ja", meinte sie gedehnt.

"Ich wußte gar nicht, daß du dich jetzt doch mit so einem 'naravinischen Snob' abgibst, wie du es immer zu bezeichnen pflegtest..." Acy grinste Nad anzüglich an und spähte in Richtung Tür. Hoffentlich kam bald Myriella mit dem Kaffee, sonst würde sie hier jämmerlich zugrundegehen.

"Hm. Irgendwie kommt er mir bekannt vor, aber ich kann mich partout nicht erinnern, daß ich mich je mit ihm abgegeben hätte", stellte Nardia nachdenklich fest. Anscheinend hatte sie doch wieder ein Glas zuviel erwischt.

"Tiens, dabei kann ich mich gar nicht entsinnen, daß du so blau warst..." Endlich öffnete sich die Tür. Oh Wunder, es war doch tatsächlich ihr herzallerliebster Lebensgefährte Sir Cayvyn und nicht ihr Dienstmädchen. Er trug ein Tablett und lächelte ihr hoheitsvoll zu. In der Tat, ein sehr erfreulicher Anblick... Aber vorerst war ja noch ihre Schwester an der Strippe. Also...

"Oh, Mylord Cayvyn, Ihr bringt mir mein Frühstück? Ich danke Euch, mein Herz!" Sie drapierte sich malerisch zurecht und warf ihm einen glutvollen Blick zu, bevor sie die Zeitungen in die nächste Ecke warf und sich auf das Tablett stürzte, das Cay ihr feierlich zurechtgeschoben hatte - genauer, auf den Kaffee.

"Sicherlich, Mylady Alycia - es ist mir stets ein Plaisir, Euch zu erfreuen." Er verneigte sich elegant in Richtung Viphon. "Ich wünsche Euch einen wunderschönen guten Morgen, Lady Nardia. Ich las, ich dürfte gratulieren?"

Nad sah ihn ärgerlich an.

"Wieso? Ihr habt mir die letzten 317 Mal auch nicht gratuliert, also warum heute?" fragte sie und dachte immer noch angestrengt darüber nach, daß sie es ja gar nicht gewesen sein konnte. Sie hatte doch gar kein metallicviolettes Kleid getragen. Unterdessen setzte Sir Cayvyn ein angemessen bestürztes Gesicht auf.

"Wahrlich, dem ist tatsächlich so! Zu meiner Entschuldigung will ich vorbringen, daß sich zuvor nie die Gelegenheit ergeben hatte, und jedes Mal, wenn ich dazu ansetzte, änderten sich die Umstände in dramatischer Plötzlichkeit. Edle Dame, könnt Ihr mir diese meine vormaligen Säumnisse verzeihen?"

"Aber natürlich, Sir Cayvyn. Wer würde Euch nicht verzeihen?" Sie lächelte überaus süßlich.

"Ich danke Euch vielmals!" Er warf ihr einen seiner grandiosen strahlenden Blicke zu, einen von der Sorte, die nach Acys Meinung mindestens verboten gehörten. Nardia bemühte sich, ihr Grinsen zu verkneifen.

"Gern geschehen!"

"Lady Nardia, was war gestern eigentlich tatsächlich geschehen? Ihr hattet Euch doch mit Commissaire Goulart über diesen bedauerlichen ...Zwischenfall unterhalten. Mir wurde leider nicht die Ehre zuteil, mit einem der Vertreter der öffentlichen Ordnung zu parlieren..."

"Ich?! Ganz bestimmt habe ich mich nicht mit Monsieur Goulart unterhalten!" meinte Nardia empört. Sir Cayvyn runzelte verwirrt die Stirn.

"Ich kann mich jedoch entsinnen, eine Person, welche Euch zumindest bis auf's Haar glich, in angeregtem Gespräch mit dem Commissaire observiert zu haben."

"Das kann durchaus sein. Schließlich war es ein Maskenball", bemerkte Nardia herablassend.

"Mir schien es jedoch, daß sölbige Person sich in entschiedener Manier als die Hausherrin von Blade Manor aufführte." Alycia betrachtete das Wortgefecht fasziniert. Was hatten die beiden nur?

"Sie haben natürlich recht, aber es ist leider nicht möglich, die Identität der Person festzustellen. Ich jedenfalls befand mich zu diesem Zeitpunkt bereits in meinen Gemächern."

"Faszinierend", befand Sir Cayvyn. "Wer mag dann jene Person gewesen sein, welche Eure Identität auf so überzeugende Art und Weise an sich gerissen hatte?"

Acy bekam sich vor Lachen kaum mehr ein. Aber diese Situation war auch einfach nur albern! Sie und ihre Halbschwester lagen nur in dezenten Hauchs von Nichts in ihren ziemlich derangierten Betten, während Cayvyn wie üblich perfekt gestylt herumstand, mit jedem Zoll der Erbe des Herzogtums von Süd-Ayryana. Alycia konnte sich kaum entsinnen, ihn einmal anders gesehen zu haben. Nun ja, selbst in einem solchen Fall trug er es immer noch mit Würde...

"Da kann ich Ihnen keinerlei Hinweise geben, Sir Cayvyn!" Graaa, dieser Typ nervte sie! Was Acy nur an ihm fand? Naja, er sah ja ganz süß aus, aber ansonsten war er so... so... Ihr fiel einfach kein Wort dafür ein.

"Das ist sehr bedauerlich, denn ich gedachte, eventuell einmal einem neuen Hobby zu frönen. Bislang ward es mir noch nicht vergönnt, mich intensiver mit kriminalistischer Spurensuche zu befassen, und ich befand, daß dies dringlichst der Abhilfe bedürfte." Er stellte sich gar dramatisch in Positur, und es kostete Nardia sehr viel Mühe, ernst zu bleiben.

"Das ist in der Tat tragisch, Sir Cayvyn, aber ich kann Ihnen in diesem Falle nicht weiterhelfen."

"Dies betrübt mich zutiefst, meine edle Dame." Sir Cayvyn guckte sie dezent geknickt aus seinen großen, grüngoldenen Augen an. Acy hatte sich unterdessen irgendwo in die Kissen geworfen und versuchte verzweifelt, einen Lachanfall zu ersticken. Nardia blickte Cay kritisch an. Sie hatte das Gefühl, als wollte er sie auf den Arm nehmen.

"Es tut mir leid, Sir Cayvyn, aber ich muß unser höchst interessantes Gespräch abbrechen, da ich noch einiges zu erledigen habe."

"Dies dauert mich gar sehr", befand Sir Cayvyn. "Dann möchte ich mich nunmehr von Euch verabschieden. Gebt mir Bescheid, wenn es tatsächlich an der Zeit ist, Euch zu gratulieren, damit ich dann dieser meiner Pflicht als Gentleman unverzüglich nachkommen kann."

Nardia schlug auf die aus-Taste des Viphons. Sie konnte sich nicht mehr beherrschen und kicherte solange vor sich hin, bis ihr einfiel, daß sie ja wirklich noch einiges zu erledigen hatte.

Als das Konterfei ihrer Schwester vom Monitor verschwand (Nardia sah aus, als hätte sie sich bedenklich nahe einem Ohnmachts- oder ähnlichen Anfall befunden), wühlte sich Alycia wieder aus den Tiefen ihrer Kissen hervor und gab den Schwebetablett einen wohldosierten Stoß, daß es kurz vor einer der zimmerhohen Spiegelwände ihres Schlafgemachs zum Stehen kam.

"Sag mal, Cay, hat dir schon einmal irgendjemand gesagt, daß du absolut unmöglich bist?" Sie schlang die Arme um ihn und zog ihn kurzerhand zu sich herunter.

"Ja. Du", erwiderte er trocken. Acy sah ihn zärtlich an und verwuschelte seinen kupferrotgoldenen Schopf.

"Dann ist es ja gut... Sag mal, mein Schatz, wie schaffst du es, so früh am morgen schon so ordentlich auszusehen?" Sie warf einen Blick in den nächstgelegenen Spiegel. Ihre neongelbe Mähne war wüst zerzaust, und auch so wirkte sie leicht derangiert. Obwohl, ihr Ergebnis bezüglich Cays Frisur war schon recht zufriedenstellend. Sie beschloß, bei seinem Coverall weiterzumachen. "Wohin bist du heute früh eigentlich verschwunden?"

"In den Hangar. Ich mußte noch ein paar Feinjustierungen an den neuen EA-Feldprojektoren vornehmen..." Acy schüttelte belustigt den Kopf.

"Manchmal habe ich fast den Verdacht, die Dreamsong ist dir lieber als meine arme Wenigkeit..." Cayvyn sah sie betont unschuldig an.

"Irgendetwas Sinnvolles muß ich ja auch ab und zu tun. Und ich kann doch nicht den ganzen Tag lang nur deine Schwester ärgern..."

"Ich bin dafür, daß du gleich etwas anderes Sinnvolles tust!"

"Wie du meinst", sagte Cay und beschloß, diesmal Dreamsong Dreamsong sein zu lassen.

* * *

"Ryko...!" Karylla saß über den Aufzeichnungen bezüglich ihrer letzten Aktionen. Ihr Partner sah ihr über die Schulter.

"Was ist, Kary?"

"Was können/sollen/werden/oder wie-auch-immer wir nun tun?"

"Du hast doch normalerweise die Ideen..." Er strich ihr sanft über die Wange.

"Haha... Noch mal nach Khemarra?"

"Und warum?" Ryko sah sie fragend an.

"Keine Ahnung. Mir fällt eben nichts ein."

"Vorschlag: Wir sollten versuchen herauszufinden, warum Andri LeMieux getötet wurde, und von wem."

"Okay. Und wo fangen wir an? Nicht schon wieder auf Blade Manor..."

"Und warum nicht?"

"Naja... Warum eigentlich nicht?!" Karylla lehnte sich zurück. "Wir werden uns als Dienstboten einschmuggeln. Ich habe auch schon einen Plan!"

* * *

Stardust widmete sich gerade den Morgenzeitungen. Sie liebte besonders die Klatschspalten. Hm, Nardia schon wieder verlobt? Langsam wurde es eindeutig langweilig.

"Cass, hast du inzwischen etwas über den Mord herausfinden können?"

"Nein, es waren einfach zu viele Gäste. Es gibt keine vernünftigen Spuren. Nichts, was uns weiterbringen würde."

"Verdammt!" Stardust hieb auf die Tastatur des Terminals.

"Was ist?" erkundigte sich Coryn, der soeben den Hauptraum der Starcave betreten hatte. Jana wandte sich um. Anscheinend hatte er es doch geschafft, die schwarze Farbe aus den Haaren zu bekommen. Allerdings - es roch auf einmal verdächtig nach Lösungsmitteln...

"Buäääh! Du stinkst!" beschwerte sich Jana. Coryn zog die Stirn kraus.

"Hm?"

"Auch egal! Wer duftet schon immer nach Rosen..." Stardust wartete gar nicht ab, daß Coryn eine Erklärung verlangte. "Vergiß es!" meinte sie. "Ist dir inzwischen was zum gestrigen Abend eingefallen?"

"Nein!" sagte Coryn schnell, zu schnell, wie Stardust fand. Was hatte er jetzt schon wieder? Naja, es würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als zu warten, da sie einfach keine Spur hatten, die sie verfolgen konnten.

Nun gut. Sie würde halt warten...und dafür sorgen, daß Coryn unter die Dusche kam!

* * *

Am 21. Enuari 3762 GZ war es dann soweit.

Ryko kam - bereits komplett verkleidet - herein, als Karylla noch den Sitz ihrer nußbraunen Perücke überprüfte. Sie steckte in einem schlichten, mittelblauen Kleid und sah reichlich bieder aus. Ihr Partner war auch nicht besser dran. Er hatte nun dunkelbraune Haare - dezent zurückgekämmt - und trug einen beigefarbenen, ziemlich ausgepolsterten Arbeitscoverall. Blackfire fand seine Maskerade gräßlich. Seine wundervollen, violetten Augen waren einem eher nichtssagenden Graubraun gewichen, und sein Teint war nunmehr ein helles Braun. Seufz.

"Es ist alles nach Plan verlaufen. Das Dienstmädchen hat den fünfmonatigen Abenteuerurlaub auf Dunnlorn gewonnen und eine Kollegin mitgenommen..."

"Hey!" Ryko sah Karylla geschockt an. "Sagtest du nicht, sie sollte mit ihrem Verlobten, diesem Hausdiener, losfliegen?"

"Hm... Naja... Offenbar haben sich die beiden verkracht, und sie hat ihre beste Freundin mitgenommen...

"Das nennst du 'alles ist nach Plan verlaufen'?" empörte sich Infinity.

"Wieso?! Denk dran, in der FGS herrscht Gleichberechtigung, und hier gibt es auch männliche Zimmermädchen - Raumpfleger, wie die Bezeichnung offiziell heißt."

Rykos Blick war derart leidend, daß Karylla ihn mit einem liebevollen Kuß zu trösten versuchte. Ohne nennenswerten Erfolg...

"Das ...organisierte Shuttle ist abflugbereit", sagte er schwach.

"Dann los, mein Schatz!"

* * *

Nardia verzog das Gesicht. Sie haßte es, neues Personal einzustellen. Im Moment verfluchte sie sämtliche Lotterien und sonstigen Glücksspiele. Nun gut, am besten brachte sie die ganze Sache hinter sich. Im Augenblick brauchte sie halt zwei neue Zimmermädchen - äh, Raumpfleger/innen hieß das ja neuerdings. Diese neumodischen Bezeichnungen würde sie sich nie merken. Nardia bat ihren Butler James, die ersten Bewerber vorzulassen.

Infinity fand die Idee überhaupt nicht mehr gut. Okay, wenn das Zimmermädchen seinen Freund mitgenommen hätte, wäre das Ganze kein Problem gewesen - aber so?! Warum mußte ihm das geschehen?! Blackfire zog ihren leicht widerstrebenden Partner in Nardia Blades Empfangssalon.

"Guten Tag, Madame." Sie machte einen dezenten Knicks. "Ich bin Aranka Hellenis."

"Guten Tag. Sie möchten sich für die Stellen als Zi- äh, Raumpfleger/innen bewerben? Darf ich bitte Ihre Papiere sehen?" Nardia hätte sich doch beinahe verplappert, aber beim Anblick des Mannes hatte sie die Zimmermädchen doch besser verschluckt.

"Bitte sehr, Madame", sagte Ryko und reichte ihr die Papiere von Blackfire und sich. "Mein Name ist André Valloit."

Nardia blickte auf die Papiere. Die Referenzen waren ausgezeichnet. Aber warum machte dieser Monsieur Valloit den Eindruck, als würde er sich lieber weit weg befinden? Naja.

"Nun! Sind Sie mit einer Probezeit von 2 Wochen einverstanden?" Nardia hatte keine Lust, sich mit weiteren Kandidaten herumzuschlagen.

"Sicherlich, Madame", meinte 'Aranka Hellenis' eifrig. "Heißt das, wir sind engagiert?" Ryko schluckte dezent. Es schien fast, als wäre Karylla regelrecht begierig auf diesen Job...

"Natürlich! James wird Sie weiter informieren. Auf Wiedersehen." Blackfire und Infinity verabschiedeten sich von Mademoiselle Blade und trabten hinter dem Butler-Androiden James her, um sich von diesem einweisen zu lassen. Ihr erster Job war es, Nardias Schlafgemach auf Vordermann zu bringen.

Das Zimmer war vollständig in dunklem Holz getäfelt. Schwere, antike Möbel beherrschten den Raum, allem voran das monumentale Himmelbett mit seinen dunkelroten Samtvorhängen, in dem gut und gerne sechs Personen Platz gehabt hätten. An einer Wand stand dazu ein ebenso monumentaler Frisiertisch. Zu allem Überfluß war der gesamte Raum mit diversen Kleidungsstücken übersät. Die beiden frischgebackenen Raumpfleger wechselten einen gestreßten Blick.

"Oh, Dunkle Mutter, was für ein Chaos!" stöhnte Karylla. Sie wollte doch eigentlich den Mord im Ball-Saal aufklären...

"Du wolltest diesen Job", meinte Ryko niederträchtig. "Bitte - du magst beginnen!"

"!" Äußerst genervt klaubte Blackfire die Kleidungsstücke zusammen und warf sie auf den Schwebewagen, der schmutziger Wäsche vorbehalten war. Zum Glück hatte sie mit dem Waschen nichts zu tun.

"Ich werde mich unterdessen ein wenig umsehen", verkündete Infinity. Blackfire warf ihm einen tödlichen Blick zu.

* * *

Coryn langweilte sich, vor allem, da Jana ihn dazu verdammt hatte, Blade Manor zu überwachen. Humpf! Er schaltete zwischen den diversen Kameras des Hauses hin und her.

"Was war das? In Nardias Schlafzimmer waren die beiden neuen Dienstboten beschäftigt, aber anscheinend mit etwas anderem als sie sollten! Die weibliche Raumpflegerin scannte Nardias Frisiertisch, während der männliche sich an der Wand zu schaffen machte. Nein, das ging zu weit! Coryn machte sich sogleich auf den Weg.

"Aranka, meine Liebe, wir werden gefilmt", bemerkte Ryko beiläufig, als er die Überwachungskameras entdeckte.

"&@$#*!" gab Blackfire von sich und suchte schon mal den vorsorglich gefälschten Ausweis, der sie als Geheimagentin der khemarrischen Planetenpolizei auswies.

Derweil war Coryn durch diverse Gänge geeilt und steuerte nun auf Nardias Schlafzimmer zu. Er riß die Tür auf und stürmte hinein. Plötzlich blieb er abrupt stehen.

"Ryko!" rief er erstaunt.

"Hallo Coryn", erwiderte Infinity ebenso verwundert. "Was machst du hier?"

"Die Frage ist wohl eher, was tust du hier", stellte Coryn fest und musterte Ryko samt Begleitung nachdenklich.

"Sag mal, wie schafft er es, andauernd deine ganzen Verkleidungen zu durchschauen?" erkundigte sich Blackfire verwirrt bei ihrem Partner.

"Das ist doch kein Problem", bemerkte Coryn und grinste sie an.

'Grumpf!' dachte Karylla verstimmt. Sie konnte Starlight immer noch nicht ausstehen. Er war immer so ...selbstgefällig?! Sie meditierte darüber, ob es das war, was sie so an ihm störte.

"Also, was tut ihr hier?" wollte Coryn wissen.

"Wir bemühen uns, den Mord an Andri LeMieux aufzuklären", sagte Blackfire schnippisch. "Obwohl das ja wohl eher in den Aufgabenbereich von Polizei und ISPC fiele..."

"In Nardia Blades Schlafzimmer?" hakte Coryn anzüglich nach.

"Wir sind durch unseren Tarnjob hierhin bestellt worden, und irgendwo müssen wir ja anfangen. - Außerdem fände ich es interessant, was Sie eigentlich hier tun?" erwiderte Karylla, nicht weniger anzüglich.

"Ich w... ähm, ich habe hier zu tun!" meinte Coryn. Puh, beinahe hätte er sich verplappert. Diese Frau brachte ihn doch jedesmal dazu, seine vorlaute Art zu bedauern.

"Soso, Sie haben also hier zu tun..." Blackfires Tonfall war äußerst niederträchtig und mindestens zweideutig.

"Genau. Um wieder darauf zurückzukommen - was genau suchen Sie denn hier?"

"Spuren, Hinweise - irgendetwas!" Karylla zuckte ratlos mit den Achseln. "Wir müssen einfach irgendeinen Anhaltspunkt finden. Der Mörder hatte ohne Zweifel ein Motiv. Frage: Welches? Die Mordwaffe ist verschwunden. Frage: Wohin? - Und so weiter, und so fort."

"Hm. Aber wohl kaum hierhin... Keiner kann die oberen Etagen betreten, ohne daß Alarm ausgelöst wird."

"Tja, woher sollten wir das wissen?" Blackfire grinste ihn an. "Übrigens, wir haben diese Etage betreten, ohne einen Alarm auszulösen..."

"Und auf dem Ball warst du ja nicht in der Lage, hier irgendetwas zu überwachen", stellte nunmehr Ryko fest.

"Wie kommt es eigentlich, daß Sie diese Angelegenheit hier überwachen?" fragte Karylla. Ts ts. Offenbar hatte Nardia Ashni Blades Privatleben ungeahnte Tiefen, die keinem Klatschreporter bekannt waren.

Coryn hatte das Gefühl, daß er ziemlich in der Klemme steckte. Jana würde ihn lynchen! Mindestens... Wie kam er bloß wieder aus dieser Sache raus?

"Sie haben Alarm ausgelöst, meine Liebe. Und ich würde verschwinden, bevor die Polizei hier auftaucht", schlug Coryn lächelnd vor. Karylla grinste ihn an und zückte ihren Polizeiausweis.

"Aber ich bin von der Polizei!"

"Ach nein! Wie schön für Sie! Und so bequem... Ich muß trotzdem darauf bestehen, daß Sie sofort dieses Haus verlassen!"

"Aber mit dem größten Vergnügen, Monsieur Starlight. Ich verstehe sowieso nicht, wie Mademoiselle Blade es mit Ihnen unter einem Dach aushält", sagte Blackfire liebenswürdig. Coryns Blick war vernichtend.

"Ich kann es auch nicht verstehen, wie jemand es in Ihrer Nähe aushalten kann. Darf ich bitten?" Er hielt ihr die Tür auf.

"Ich danke Ihnen." Karylla stolzierte an ihm vorbei. Ryko grinste Coryn belustigt zu, und dieser schüttelte nur den Kopf. Tse...

Hoffentlich wurde er die beiden los, bevor jemand etwas merkte. Sonst hätte er wirklich ein Problem.

Karylla sah zu ihrem Partner hinüber.

"Zwomal Violett!"

Sie tippte auf die entsprechende Taste ihres unter dem Kleid verborgenen TM-Gürtels und sprang auf die Lightning. Ryko folgte sogleich.

"Auf bald, Coryn", meinte er noch.

Puh! Coryn war erleichtert. Wenn jetzt niemand etwas bemerkt hatte... Gott sei Dank hatte er die Polizei nicht benachrichtigt. Er würde nur James erklären müssen, daß die beiden neuen Dienstboten wegen Arbeitsüberlastung gekündigt hatten. Als er das erledigt hatte, begab er sich in die Starcave zurück. Noch einmal Glück gehabt! Er würde von diesem Zwischenfall also nichts erwähnen.

* * *

Auf der Lightning...

"Toll, Ryko! - Und was hat das Ganze nun gebracht?"

"Nichts..." erwiderte dieser treuherzig.

"Also doch auf nach Khemarra", grumpfte Karylla und betrachtete Ryko stirnrunzelnd. "Bitte werde doch so schnell wie möglich diese gräßliche Farbe wieder los!"

"Okay, okay..."

Die beiden setzten zunächst das Schiff auf Kurs nach Endjas V/Khemarra, bevor sie sich das Make-Up abschrubbten.

* * *

Inzwischen war Jana zurückgekehrt. Sie teilte Coryn mit, daß es anscheinend keine andere Möglichkeit gab, als erneut Nachforschungen auf Khemarra anzustellen, wenn sie den Mord an Andri LeMieux aufklären wollten.

Stardust war ultimat begeistert, denn dieser Planet war mit unangenehmen Erinnerungen verbunden...

"Nun gut, alles okay?" erkundigte sie sich.

"Wenn's denn sein soll!" meinte Cass, und Coryn nickte. Er war froh, endlich diesem Mausoleum zu entkommen. Die beiden stiegen in Cass, und ab ging es nach Khemarra.

* * *

Mittlerweile schrieb man den 22. Enuari 3762GZ.

"Ryko, mein Schatz, sage mir bitte nicht, wir müssen schon wieder neues Make-Up auflegen?"

"Doch, Kary!" Er grinste sie an. Manchmal überlegte Karylla, ob es ihr jemals gelingen könnte, eine adäquate Mordmethode für ihn zu erfinden. Hm - aber bis dahin... Sie schlang die Arme um seinen Hals und küßte ihn. Ryko hielt sie einfach nur fest und betrachtete sie höchst amüsiert.

"Na gut... Auch wenn ich es mittlerweile hasse! Sag mal, sollen wir Stevven LeMieux noch einmal in der Bank von Emrica heimsuchen?"

"Warum nicht?!"

"Ja, warum eigentlich nicht... Okay... Spielen wir wieder Skaylyn und Jaysicca?"

"Es spricht nichts dagegen. Die Kostüme sind ja noch okay."

* * *

Stardust und Coryn hatten inzwischen ebenfalls Khemarra erreicht. Auch ihr Weg sollte zu Stevven LeMieux führen. Da Jana und ihr SAA-Partner sich nicht über eine geeignete Verkleidung einigen konnten, sprach Cass schließlich ein Machtwort. Er hatte sie zu diesem gräßlichen Naravina-Zeug verdammt, da Coryns Augenfarbe anders kaum zu übertünchen war als mit einem der für die Bewohner jenes Planeten typischen Metallic-Farbton. Sein Silber schimmerte sonst einfach überall durch. Jana fand diese 'Kleidung' einfach nur kitschig.

Ihr goldenes Haar war zu einer komplizierten Frisur hochgesteckt, und die goldbraunen Kontaktlinsen waren einfach nur gräßlich. Und dann auch noch dieser 'Talar' in Bronze und Gold - Buäääh...! Warum nur?

Coryns Haare hingegen strahlten in tiefem Kupferrot, und seine Augen waren Metallicgrün. Er trug einen ebensogefärbten Overall und betrachtete sich angewidert in einer Spiegelwand.

Oh nein, so würde ihn niemand vor die Tür bekommen. Niemand!

* * *

"Nun mach voran, mein 'Fürst'!" meinte Karylla grinsend, als sie Ryko zusah, wie dieser sein güldenes Käppi auf dem metallicschwarzen Schopf arrangierte. Die rotgoldene Riesenfeder führte zu bedenklichen statischen Problemen, d.h. das Teil drohte immer wieder herunterzurutschen. Kary fand ihn zur Zeit einfach drollig. Sie strich ihren metallicvioletten Fummel glatt und checkte im Spiegel noch einmal den Sitz ihrer langen, goldenen Flechten ab. Perfekt! Endlich hatte Ryko gegen die Schwerkraft gesiegt. Sie transmittierten auf den Planeten herunter und schritten majestätisch in die Bank.

Wie auch schon vor knapp zwei Wochen stürzten diverse Bedienstete auf sie zu.

"Was können wir für Sie tun?"

"Ich bin Fürst Skaylyn der Tiefebenen zu Seneskaya und Graf der Tunyara-Ländereien, und dies ist meine Gemahlin, Fürstin Jaysicca zu Seneskaya und Herzogin der Xaypon-Güter. Wir verlangen, mit dem Directeur dieser Institution persönlich zu sprechen."

"Äh ja, sofort..." Die Typen überschlugen sich abermals, um den Bankdirektor herbeizurufen. Manche Dinge änderten sich überhaupt nicht.

* * *

Coryn weigerte sich immer noch standhaft, in dieser Verkleidung vor die Tür zu gehen. Nun gut, Haar- und Augenfarbe konnte er akzeptieren, aber nicht diesen Overall! Stardust redete mit Engelszungen auf ihn ein, Cass dito.

"Oh nein! Ich werde es nicht tun! Niemandem zuliebe!" fauchte er Jana an, die erschrocken zurückwich. Sie sah schon, es war hoffnungslos, Coryn zu etwas zu bewegen, was er nicht wollte. Er war sturer als sie gedacht hatte. Resignierend harrte sie der Dinge, die da kommen würden.

* * *

Nach exakt 4 Minuten erschien Stevven LeMieux.

"Ich bin Direktor LeMieux. wer wollte mich..."

"Ich", verkündete Ryko arrogant.

"Und was wünschen Sie?"

"Bereits vor zwei Wochen suchte ich Euch auf, um die Möglichkeit einer umfangreichen Kapitalanlage mit Euch zu erörtern. Allerdings wurde ich damals durch eine dringliche Angelegenheit der Ehre daran gehindert, ausführlicher mit Euch zu konferieren. Wäre es möglich, wenn wir dies unter sechs Augen", er warf einen Blick zu 'Jaysicca' herüber, nachholen könnten?"

"Aber sicherlich, mein Herr, meine Dame..." LeMieux machte eine einladende Handbewegung, und Ryko & Karylla folgten ihm. In seinem Büro ließen sie sich nieder.

"Nun?" Stevven LeMieux wartete.

"Okay, Monsieur LeMieux, lassen wir die Spielchen", meinte Blackfire auf einmal. Der Bankdirektor erbleichte. Dieser Tonfall kam ihm verdächtig bekannt vor.

"Wie? Was wollen Sie?"

"Nun", sagte Karylla gedehnt, "wenn es nichts Dringlicheres gäbe, hätte ich Sie gerne als Lebendfutter für eine gar liebliche Spinne auf Sinhalon gehabt, aber so haben wir erst einmal ein paar Fragen an Sie!"

"Was wollen Sie, Mademoiselle Blackfire?" erkundigte sich LeMieux mit aschfahlem Gesicht. Er hätte wissen sollen, daß man diese raffinierte Lady nicht so einfach in einer Falle wie Web Omega festhalten konnte...

"Wer ist für den Mord an Andri LeMieux verantwortlich - und warum?"

* * *

Coryn war immer noch strikt gegen einen Auftritt in der Öffentlichkeit, und Jana war es leid, ihn anzubetteln oder ihm zu drohen. Sie würde sich doch nicht lächerlich machen! Coryn hatte die Arme verschränkt und sah zu allem entschlossen aus. Sie würde sich besser nicht weiter einmischen.

Cass drohte mittlerweile, Coryn zu demontieren, was diesem nur ein müdes Lächeln entlockte. Schließlich gab Cass auf.

"Mach doch, was du willst", meinte er, "sonst ist die Bank geschlossen, bevor ihr dort wart!"

"Gut", sagte Coryn und verschwand erstmal wieder. Jana seufzte erleichtert. Hoffentlich würden sie bald gehen, sonst könnten sie wirklich den ganzen Tag abschreiben.

* * *

"Meine Spione haben herausgefunden, daß es zwei gedungene Mörder waren, die das Oberhaupt des Konsortium D ausgeschickt hatte, um mich zu ermorden..." Er brach beinahe über seinem Schreibtisch zusammen. "Sie wollten mich! Andri war an meiner Stelle nach Tarishaan geflogen, und dort haben die Mörder ihn an meiner Statt umgebracht!"

"Zwei gedungene Mörder? Wer?" erkundigte sich Blackfire.

"Die Besten! - Thannalon und Harrisco von Osikka!"

"Oh nein!" stöhnte Karylla auf. "Ausgerechnet..." Thannalon und Harrisco hatten noch eine mittlere Rechnung mit ihr und Ryko offen, und mit den zweien war nicht gut Kirschen essen. Es versprach, interessant zu werden. "Vielen Dank, Monsieur LeMieux."

Blackfire sprang auf. Um diesen Typen hier würde sie sich bei Gelegenheit kümmern. Sie hatte da ja noch ein paar Sächelchen in der Hinterhand. Sie machte eine Geste in Richtung Tür, und Ryko und sie schritten hoheitsvoll aus der Bank, wo sie einen reichlich eingeschüchterten Stevven LeMieux zurückließen.

* * *

Derweil hatte Coryn den greulichen Overall gegen einen schwarzen vertauscht. Auch die leuchtend kupferfarbenen Haare waren verschwunden und hatte einem unauffälligen Dunkelblond Platz gemacht.

"So können wir gehen", verkündete er und reichte Stardust den Arm.

"Na endlich!"

In der Bank erfuhren sie von einem leicht verstörten Stevven LeMieux ('Warum ich?!'), daß die Spur der Mörder nach Esharite VII/Osikka führte. Zudem nannte er die Namen Harrisco und Thannalon.

Sofort machten sich Jana und Coryn auf den Weg, allerdings nicht, ohne eine Pause einzulegan, um die Verkleidungen wieder loszuwerden.

* * *

"Ryko...!"

"Jaaa...?" Er lächelte sie amüsiert an.

"Hältst du es für eine gute Idee, nach Osikka zu fliegen und dabei zu versuchen, Thannalon und Harrisco zu interviewen? Ich darf dich daran erinnern, daß die zwei uns tot sehen wollen! Und zwar nicht nur tot, sondern möglichst noch zu Hackfleisch verarbeitet, zu kleinen Frikadellen geformt und schön gar gebraten..."

"Ich weiß, daß die beiden uns nicht mögen, aber es war immerhin deine Idee, dich für Thannalon auszugeben und beim KD das Kopfgeld für uns zu kassieren... Und außerdem, wer wird denn so schwarz sehen?"

"Hm... Wenn die beiden einen von uns erwischen, werden wir in feine Streifen geschnitten und gegrillt!"

"Hast du Angst?"

"Naja, ich bin Optimist..." Karylla zog eine Grimasse.

"Wir sollten uns also gut verkleiden."

"Ach! - Aber diesmal gebe ich dir 100%ig recht..." Karylla runzelte die Stirn. "Ich kann mich entsinnen, daß ich irgendwo in den Nachrichten gehört habe, daß Andri LeMieux drei Töchter hatte. Ich müßte mal abtesten, ob eine davon geeignet wäre..."

"Glaubst du nicht, daß die dich sofort abknallen werden, wenn die den Namen 'LeMieux' hören?"

"Nicht, wenn ich einen Auftrag für sie hätte - und zwar den Typen, der den Mord an meinem Vater gefordert hatte, umzulegen..."

"Und wo bleibe ich bei diesem Szenario?"

"Hm... Du bist eben mein Freund oder so..."

"Oder so?!" Ryko sah sie belustigt an, zog sie an sich und gab ihr einen Kuß. "Soweit ich mich entsinne, müßtest du dich als Arlian LeMieux zurechtmachen können. Sie ist die älteste der drei Mädchen. Du müßtest dich an ein paar Stellen wohl ein bißchen auspolstern, aber sonst sollte es gehen..."

Kurz darauf hatten beide bronzefarbene Haut, strahlendblonde Haare und konnten ohne weiteres als Arlian LeMieux und deren neuster Freund durchgehen. In den folgenden acht Stunden bis Osikka machte sich Karylla noch rasch mit Arlians Background vertraut, bevor sie eine wohlverdiente Ruhepause einlegte.

* * *

Aus Esharite VII/Osikka beschlossen Coryn und Stardust allen Schwüren zum Trotz doch lieber eine Verkleidung anzulegen. Kurze Zeit später hatten sie die gelbliche Haut und dunklen Haare der Einheimischen. Janas Augen blieben eisblau, während Coryn sich zu einer Art Gletschereis mit Silbereffekt durchrang.

Obwohl er weiterhin herumquengelte, hatte er noch weniger Lust, von diesen miesen Typen erkannt zu werden. Jana hoffte allerdings, daß sie diese komische gelbe Farbe wieder abbekam. Das Zeug sah verdächtig anhänglich aus.

Aber wie sollten sie nun diese beiden Typen finden? Gar nicht so einfach, stellte Stardust fest. Die beiden kämmten sorgfältig die Gegend ab. Schließlich führte sie ein Hinweis nach Gunai, einer Stadt im Osten des größten Kontinents von Osikka. Dort verlief sich die Spur erst einmal, und Coryn und Jana beschlossen, die Suche am nächsten Morgen erneut aufzunehmen.

* * *

Das Chronometer zeigte mittlerweile den 3762/01/23 GZ.

"Osikka voraus!" verkündete Ryko nach einem Blick auf die Fernabtaster.

"Wie mich das freut..." Karylla sah mit gemischten Gefühlen, wie die gelblich/grüne Planetenkugel auf dem Bildschirm anwuchs. "Also werden wir den Kontaktmann in Gunai aufsuchen - wie hieß er doch noch?"

"Thurrasco", half ihr Ryko aus.

"Danke, mein Schatz! Thurrasco sollte uns dann an diese ...Kopfgeldjäger - wie sie sich hochtrabend bezeichnen! 'Killer' wäre meines Erachtens weitaus zutreffender - weiterleiten. Ay, ich bin begeistert! - Ist mein Make-Up noch okay?"

"Perfekt, Kary! Und wie sehe ich aus?"

"Etwas ungewohnt, aber immer noch zum Verlieben!" Sie fuhr spielerisch durch seine Haare. Ryko ließ sich nicht davon beirren, als er die Lightning unter ihrem Tarnschild in einen Parkorbit steuerte. Nachdem er das Schiff auf Automatik umgestellt hatte, sprang er mit seiner Partnerin an den Stadtrand von Gunai.

"Dann auf zum Café Astaryon. Dort trifft man Thurrasco in der Regel an", meinte Blackfire nach einem kurzen Blick auf ihren Spickzettel.

"Robotaxi!" rief Ryko lautstark. Ein solches erschien.

"Sie wünschen, meine Herrschaften?" fragte das schmuddelig wirkende, hellgrüne Gefährt. Blackfire und Infinity stiegen ein, wobei Ryko ein wachsames Auge auf den Koffer mit den gut zwei Millionen Credits hatte, die noch aus dem letzten Bankraub von Sinhalon stammten. Was für ein Glück, daß es eine Einheitswährung auf allen siebzig Mitgliedswelten der Freien Galaktischen Sternenrepublik gab!

"Zum Café Astaryon", wies Karylla das Taxi an.

Etwa 27 Minuten später (Ryko hatte selbstverständlich bemerkt, daß das Fahrzeug den mit höchster Wahrscheinlichkeit längsten Weg dorthin genommen hatte) erreichten sie das Café. Es sah eher aus wie eine Mischung aus wie eine Mischung aus Kneipe, Puff und billiger Absteige. Karylla verzog das Gesicht. Nicht schon wieder! Warum immer sie?!

Ihr Partner bezahlte das völlig überhöhte Fahrgeld und geleitete sie in das 'Café'.

"Wir möchten Thurrasco sprechen", sagte er, nachdem sie einen bedenklich aussehenden, grünviolett schillernden Drink serviert bekommen hatten.

Die Antwort war ein gezückter Strahler, den Karylla sehr mißtrauisch beäugte. Sie setzte eine überaus furchtsame Miene auf und schmiegte sich an ihren Partner. - Obwohl sie dem Kerl mit der Lichtspritze eigentlich lieber handfest Manieren beigebracht hätte...

"Wer will Thurrasco sprechen?" donnerte der Typ mit der Pistole.

"Zwei ...Kunden", sagte Ryko zögernd und gab sich Mühe, seiner Rolle gerecht zu werden. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte der Typ eine Abreibung verdient.

"Überlasse sie mir, Allasco." Ein ziemlich kleiner Osikkaner mit einem ziemlich großen Strahlgewehr näherte sich Blackfire und Infinity. "Ich bin Thurrasco."

"Ich bin René Lamaire. Meine Freundin und ich haben einen dringenden Job für 'die Besten'." Das letztere sprach er in angemessen ehrfürchtigen Ton aus.

"Was wollen Sie von Ihnen?"

"Mein Vater hatte letztlich einen bedauerlichen ...Unfall erlitten", meldete sich nun Karylla zu Wort, bevor sie haßerfüllt fortfuhr. "Und jetzt will ich, daß der Kerl, der diesen ...Unfall organisierte, seinerseits ein vergleichbares Problem bekommt! Wer böte sich da anderes an als die Besten?"

"Wahr gesprochen." Thurrasco ließ sein Gewehr sinken und schrieb ein paar Zeilen auf eine metallicgelbe Folie. "Geben Sie dies in der Bar Zum silbernen Einhorn ab. Alles weitere ergibt sich. Und nun..." Er richtete die Mündung des Strahlgewehrs erneut auf Ryko. "Mein Vermittlerhonorar!"

Ryko drückte ihm eine eher gewaltige Summe in die Hand, dann verließ er mit Karylla das 'Café'.

* * *

Am Abend des 24. Enuari war es Coryn, Cass und Jana gelungen, einiges an Informationen zu bekommen. Anscheinend brauchte man, um an die Killer heranzukommen, ein Empfehlungsschreiben eines gewissen Thurrasco, der offenbar im Café Astaryon zu finden war.

Coryn hatte unterdessen sein Aussehen wieder geändert. Er hatte nunmehr eine sehr helle Hautfarbe und weißes Haar. Seine merkwürdige Augenfarbe war geblieben. Jana schauderte, als Coryn sie ansah. Brrr! Irgendwie schien es plötzlich kälter geworden zu sein.

Die beiden ließen Cass in der Nähe des Cafés stehen.

Stardust verzog das Gesicht, als sie eintraten. Es war eine äußerst üble Absteige. Ohne Aufforderung wurde ihnen ein ekliges goldbraunes Getränk vorgesetzt.

"Ich möchte mit Thurrasco sprechen", forderte Coryn. Den auf ihn gerichteten Strahler ignorierte er; er sah dem Mann nur in die Augen.

"Wer möchte Thurrasco sprechen?"

"Ich", meinte Coryn eisig und stand auf, wobei er den Strahler beiseiteschob. Allasco versuchte verzweifelt, Coryns Blick auszuweichen, doch dieser fixierte ihn unbarmherzig. Innerlich amüsierte er sich königlich. Einmal schien es sich auszuzahlen, daß man ihn hier als Dunnlorner erkannte. Offenbar hatten sich die Gerüchte über seinen Heimatplaneten und die angeblichen geheimnisvollen Fähigkeiten seiner Bewohner auch bis hierhin herumgesprochen.

"Ich bin Thurrasco!" meinte plötzlich ein ziemlich kleiner, grauhaariger Osikkaner.

"Ich will Thannalon und Harrisco engagieren!"

"Und wer sind Sie?" wollte Thurrasco wissen.

"Ich zahle genug, um solche Fragen überflüssig zu machen!" Coryn legte einen Packen Geld auf den verschmierten Tisch. Thurrasco kassierte es wortlos ein, bevor er seine obligatorischen Zeilen auf eine metallicgelbe Folie kritzelte und diese Coryn überreichte.

"Wenn Sie dies im Silbernen Einhorn abgeben, wird sich alles weitere ergeben."

"Okay. Wir gehen", wandte Coryn sich an Jana, und sie verließen das Lokal, wobei Coryn sorgfältig darauf achtete, daß ihm niemand in den Rücken fallen konnte.

Draußen stieß Stardust einen Seufzer der Erleichterung aus.

"Das wäre beinahe schiefgegangen", stellte sie fest.

"Nein. Ich hatte alles unter Kontrolle!"

'Überhaupt nicht eingebildet!' dachte Jana. Aber sie hatten es ja überlebt...

* * *

Blackfire und Infinity betraten die Bar Zum silbernen Einhorn. Alles wirkte sauber und ordentlich. Sie setzten sich an einen schimmernden Glastisch und bestellten das hiesige Standard-Getränk, einen tiefblauen, starken Wein.

"Kann ich noch etwas für Sie tun?" erkundigte sich der Kellner mit einem eigentümlichen Tonfall. Offenbar hatte Thurrasco ihm bereits eine Mitteilung gemacht. Ryko wühlte das 'Empfehlungsschreiben' aus einer Hosentasche.

"Könnten Sie dies für uns weiterleiten?" Der Kellner warf einen Blick auf die Folie, dann nickte er. "Sie können es auch persönlich übergeben."

"Gerne." Ryko stand auf und reichte seiner Partnerin den Arm. Sie folgten dem Mann zu einer Hintertür.

"Dort hinein. - Ich bekomme noch ein Übermittlungshonorar!"

Es wurde Karylla immer klarer, warum vor Ferienreisen nach Osikka gewarnt wurde. Ryko drückte dem Mann ein paar Scheine in die Hand, bevor er die Tür passierte. Hinter dem Durchgang war ein kahler, beigegetünchter Gang. Die hinterste Tür rechts war passenderweise schwarz und mit dem Symbol 'der Besten' verziert, zwei überkreuzten goldenen Strahlgewehren. Ryko und Karylla wechselten einen fatalistischen Blick, bevor er den Türsummer betätigte.

"Herein!" erklang eine seidenweiche Frauenstimme. Blackfire und Infinity traten ein, nur um sich zwei flimmernden Abstrahlmündungen gegenüberzusehen. Kary schrie erschreckt auf und wich zurück.

'Dafür sollte ich den ingarischen Theaterpreis kriegen', dachte sie belustigt. Auch Ryko tat angemessen entsetzt, und Thannalon & Harrisco ließen die Waffen sinken.

"Was können wir für Sie tun?" erkundigte sich die zierliche, junge Frau mit den eiskalten hellgrünen Augen geschäftsmäßig. Mit ängstlichem Blick auf die Strahlpistolen trat Karylla vor.

"Mein Vater hat vor kurzem einen bedauerlichen ...Unfall erlitten, und ich will, daß der Auftraggeber dafür bestraft wird!"

"Wir wissen, daß Sie beauftragt waren, die Angelegenheit zu arrangieren, und daher möchten wir, daß Sie also Ihren vormaligen Auftraggeber t-töten", fügte Ryko schnell hinzu. "Natürlich gegen eine angemessene Bezahlung!"

"Wer ist denn Ihr Vater, Kindchen?" erkundigte sich Thannalon amüsiert. "Dies zu wissen wäre für uns schon interessant, da wir sonst gewisse Probleme hätten, unser neues Ziel auszumachen."

"Andri LeMieux. Ich bin Arlian LeMieux - und das ist mein Freund, René."

Die beiden 'Kopf(geld)jäger' wechselten einen überraschten Blick.

"So, mein Liebes, wir sollen also die Person liquidieren, die das frühzeitige Ableben deines Vaters befohlen hat... Du hast dir da einen recht netten Brocken herausgesucht... Dieser Job hat seinen Preis!"

"Und wieviel verlangen Sie?" Ryko sah nervös auf den Boden. Karylla fand, daß er seine Rolle ausgezeichnet spielte und schmiegte sich schutzsuchend an ihn.

"Eine Million Credits." Karylla sah Thannalon schockiert an, und Ryko schien sichtlich mit sich zu ringen. Dann blickte er die Frau entschlossen an.

"Abgemacht!" Harrisco und Thannalon tauschten einen milde erstaunten Blick aus. Ohne zu handeln? Diese beiden Khemarrer mußten es wirklich ernst mit dem Tod von Yinara Kimris meinen.

"Ähm, wenn ich noch etwas fragen dürfte", begann Ryko zögernd.

"Was?"

"Wir möchten gerne wissen, wem wir Andris Tod zu verdanken hatten. Wer gab den Auftrag?" Thannalon sah Ryko amüsiert an.

"Normalerweise geben wir nie die Namen unserer Auftraggeber preis - aber da die Dame ohnehin in einigen Tagen Geschichte sein wird... Es war Yinara Kimris von Tarishaan."

Diesmal war die Reaktion von Blackfire & Infinity nicht nur gespielt. Sie starrten die Kopfgeldjäger (& Kopfjäger...) fassungslos an. Was hatte die Regierungschefin von Tarishaan mit dieser Sache zu tun?

"Aber - warum?" brachte Karylla mühsam heraus.

"Aber, aber, mein Kindchen..." Thannalon lachte glockenhell auf. "Nein, du hast es wirklich nicht gewußt... Arlian, Kleine, du hast uns den Auftrag gegeben, das Oberhaupt des Konsortium D zu liquidieren!" Sie lehnte sich in ihrem Schwebesessel zurück und drehte nachdenklich die Pistole in ihren Händen herum. "Doch", sagte sie, mehr zu sich selbst, "dieser Auftrag ist wieder einmal eine echte Herausforderung für uns. Wir nehmen an."

"Halt mich fest, mein Schatz", murmelte Karylla, nun völlig perplex. Sie war ja einiges an Überraschungen gewohnt, aber das? Ryko kam der Aufforderung nur zu gerne nach, obwohl sich sein Geldkoffer dabei irgendwie als störend erwies. Er beschloß, das Teil Thannalon und Harrisco direkt zu überlassen, auch wenn der Betrag darin etwas über eine Million Credits betrug.

Mehr oder weniger fluchtartig verließen sie das Domizil der beiden Killer. Vorsorglich brachten sie eine größere Entfernung zwischen sich und das Silberne Einhorn, bevor sie zum Schiff zurücksprangen.

* * *

Im Silbernen Einhorn war alles adrett und sauber. Coryn und Jana begaben sich an einen Tisch, und kurze Zeit später standen die bestellten Getränke vor ihnen.

"Noch einen Wunsch, die Herrschaften?" fragte der Kellner. Coryn war sich sicher, daß sie bereits erwartet wurden. Er legte die kleine Folie auf den Tisch.

"Liefern Sie dies für mich weiter." Der Kellner sah sich das Schreiben an.

"Sie können es auch selbst übergeben."

"Okay", meinte Coryn. Sie folgten dem Kellner zu einer Hintertür und durch einen Gang. Vor einer schwarzen Tür mit dem Symbol 'der Besten' darauf blieben sie stehen. Coryn drückte auf den Türsummer.

"Herein!" rief jemand. Die beiden ISPC-Agenten betraten den Raum, wurden aber von zwei Strahlpistolen aufgehalten.

"Was wollen Sie?" erkundigte sich der hochgewachsene Mann, der offenbar Harrisco war.

"Ihre Dienste!" eröffnete Coryn mit einem herablassenden Lächeln. Stardust wollte nichts als raus hier, die beiden Typen waren gefährlich.

"Ich will den Tod des Oberhauptes des Konsortium D!"

Die zwei Killer wechselten einen erstaunten Blick. Coryn fuhr fort.

"Ich weiß aus sicheren Quellen, daß Sie die Identität desselben kennen."

"Zwei Millionen", forderte die zierliche Frau. Coryn grinste sie an.

"Vielleicht. Wenn Sie mir den Namen verraten und welche Rolle der Tod Andri LeMieux' spielt. Oder besser: Warum sollte Stevven LeMieux sterben?" fragte er. Thannalon und Harrisco tauschten erneut einen irritierten Blick. War ihr Fehlversuch schon bekannt geworden? Anscheinend wußte dieser Typ - dessen Namen sie immer noch nicht erfragt hatten - alles.

"Nun", meinte Thannalon achselzuckend, "Chefin des KD ist Yinara Kimris. Und Stevven LeMieux sollte liquidiert werden, da er Web Omega verraten hatte." Im Zweifelsfall würden diese beiden 'Kunden' halt auch terminiert werden müssen, beschloß sie.

"Das bestätigt meine Informationen. Und nun noch einmal zu dem Preis für ihre Dienste..." Coryn beschloß, richtig zu pokern. Außerdem kannte er Ryko zu gut. Hoffentlich, dachte er bei sich. "Ich weiß, daß Sie schon einen gleichlautenden Auftrag erhalten haben, und ich bin nicht bereit, mehr zu zahlen als die andere Partei!" Er musterte die beiden kühl. Stardust staunte nur, sie verstand gar nichts mehr.

"Nun gut", gab Harrisco schließlich nach, da sie es hier offensichtlich mit einem Spezialisten zu tun hatten. Er hatte seine Identität immer noch nicht durch den geringsten Hinweis verraten.

"Anderthalb Millionen."

"Okay." Coryn übergab diese Summe an Thannalon. "Ich erwarte gute Arbeit." Coryn und Jana machten sich sogleich auf den Rückweg und ließen ein etwas irritiertes Killer-Pärchen zurück.

* * *

Auf der Lightning terminierten Blackfire und Infinity zunächst einmal ihre Verkleidung.

"Verdammt, jetzt heißt es, schneller sein als Thannalon und Harrisco... Hm. Sie werden wahrscheinlich einige Tage in die Planung stecken. Innerhalb dieser Zeit müssen wir irgendwelche Beweise finden, mit denen wir Yinara Kimris überführen können, sonst ist sie tot und wir können schon wieder von vorne anfangen, was die übrigen Mitglieder der KD-Führungsclique betrifft..." Karylla stand unter der Dusche und versuchte verzweifelt, die bronzene Farbe abzuschrubben. Grumpf. Das war offenbar eine neue Marke. "Ryko, könntest du mir bitte mal helfen? Es gibt da so ein paar Stellen, wo ich absolut nicht herankomme..."

"Mit dem größten Vergnügen!" Ryko steckte seinen Kopf zur Duschkabine herein. Frust, er hatte schon wieder seine normale schneeweiße Haut und die silbernen Haare. Es war einfach unfair! Sie zog ihn kurzerhand zu sich herein. Ätsch, jetzt war er wenigstens wieder klatschnaß... Ryko grinste seine Partnerin belustigt an. Sie sah zur Zeit wie ein Unfall in einem Malereibetrieb aus, mit dezent bronzegeschecktem Teint und goldblond gesträhntem Haar, dazu war sie über und über mit rosafarbenem Schaum von irgendeinem Reinigungsmittel bedeckt.

"Vielleicht sollte man Yinara Kimris einen Tip geben, was den Mordauftrag betrifft..." Er bemühte sich, die Farbe von Karyllas Rücken zu entfernen, wobei er peinlich berührt feststellte, daß es sich dummerweise um diese besonders gut haftende Farbe handelte, die er extra besorgt hatte, um Jana Star zu ärgern. Hm. Davon sollte er seiner Partnerin besser nichts erzählen...

"Jee... Das halte ich für eher ungünstig - wenn die Lady dann untertaucht, kriegen wir auch nichts aus ihr heraus...

"Tja..." Ryko setzte eine betonte teilnahmsvolle Miene auf, als er zusah, wie Karylla hektisch an sich herumschrubbte, und beschloß, sich ihr im folgenden eben besonders liebevoll zu widmen... Diese verfluchte Farbe!

* * *

Jana und Coryn waren derweil auch wieder bei Cass angekommen. Dieser setzte sofort Kurs auf Suune III/Tarishaan. Jetzt müßten sie nur noch Beweise gegen Yinara Kimris finden und dafür sorgen, daß 'die Besten' ihr Ziel verfehlten. Nur noch! Coryn fand das gar nicht trivial. Thannalon und Harrisco waren verdammt gut.

In der Starcave bemühte sich Stardust erst einmal, diese blöde Farbe abzuscheuern. Graaa...

Coryn hingegen versuchte inzwischen, alle vorhandenen Informationen zu koordinieren. Hm. Irgendwie mußte er diese Killer aufhalten.

* * *

3762/01/36 GZ, in Nightfall Station im Info-Zentrum:

"Immer noch nichts, mein Schatz?" Karylla trat neben ihren Partner und fuhr liebevoll durch seine Haare.

"Nein. Ich gehe jetzt seit bestimmt eine Woche selbst dem winzigsten Anhaltspunkt nach - aber immer noch nichts. Ich bin somit zu der Konklusion gekommen, daß es illusorisch ist."

"Was?"

"Sowohl Yinara Kimris zu überführen, als auch Thannalon und Harrisco aufzuhalten, ohne uns zu gefährden. Ich muß gestehen, allzu gerne möchte ich mich nämlich nicht direkt mit denen anlegen."

"Hm-hm. Toll!" Wenn Ryko so ankam, war die Angelegenheit wirklich aussichtslos. "Das heißt also, daß demnächst verfrühte Neuwahlen fällig wären..."

"So könnte man es formulieren."

"@+*%&?#!" machte Karylla sich genervt Luft. "Und nun? Was hat uns das Ganze nun gebracht? Okay, wir haben den Kopf des KD - nur um ihn wegen dieser ?%&@#*! Killer wieder zu verlieren! Das Kopfgeld steht weiterhin, und wer der Rest der KD-Führungsclique ist, wissen wir immer noch nicht! Ich bin begeistert!"

"Tja, Pech gehabt..."

"Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?" fauchte Karylla ihn an.

"Ja. - Soll ich dich etwa in den Arm nehmen und trösten?"

"Ja!" Ryko hob belustigt eine Augenbraue, bevor er tat, wie ihm geheißen.

"Grumpf! Ich bin gefrustet und überhaupt genervt", beschwerte Karylla sich, bevor sie ziemlich geschafft den Kopf an Rykos Schulter legte und sich einfach nur von ihm festhalten ließ.

"Unüberhörbar, mein Schatz", bemerkte er leicht amüsiert. Ihre nicht ganz druckreife Erwiderung unterband er höchst elegant mit einem sanften Kuß.

Plötzlich erschien auf allen Monitoren der Info-Zentrale das Regierungssymbol von Tarishaan.

"Wir unterbrechen das Programm, um Ihnen eine betrübliche Mitteilung zu machen. Yinara Kimris, seit sieben Jahren Präsidentin der Zentralregierung von Tarishaan, wurde vor wenigen Minuten ermordet. Das Attentat ereignete sich im Sitzungssaal des Parlaments, und von den Mördern gibt es keine Spur."

"Tja, das war's dann wohl", stellte Karylla fest. "Damit kannst du deine Sucherei hier im Info-Zentrum wohl beenden. Kommst du gleich?"

"Dein Wunsch ist mir Befehl!"

* * *

Coryn hatte es aufgegeben, es gab keine Chance, Thannalon und Harrisco aufzuhalten. Anscheinend hatten Stardust und er wieder einmal alles vermasselt. Man gewöhnte sich daran, fand er.

Er beschloß, sich ein wenig Trivid zu gönnen. In diesem Moment kam die Nachricht von der Ermordung der Regierungschefin. 'Schicksal', dachte er. Naja, wenigstens hatten sie Hunter und Massai befreien können.

Als er Jana die Neuigkeit mitteilte, zuckte diese nur mit den Achseln.

"Wir werden das Konsortium D wohl nie ausrotten können! Manchmal möchte ich das Ganze einfach hinschmeißen", meinte sie nachdenklich. "Nacht!"

"Bis morgen!"

- BYE -

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Last modified: 13.04.2002

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