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SvB #7b: Verfolgt!

©1990 by Shavana & Stayka


3760/01/04 GZ

Jana Stardust Star saß an ihrem Schreibtisch in der Starcave und sah erstaunt auf die Schlagzeile der aktuellen Tagespresse.

FRECHSTER BANKRAUB DER FGS-GESCHICHTE!

Nicht nur das Geld, sondern das ganze Bankgebäude wurde gestohlen!

Es stand wirklich da - das Bankgebäude war mit Stumpf und Stiel entwendet worden!

"Hast du das schon gelesen?" fragte Jana Cass, ihren schnittigen schwarzen Gleiter.

"Sicher, und ich glaube, der Titel ist durchaus zutreffend", erwiderte Cass von seiner Box her. Die junge Frau nahm die Beine vom Schreibtisch und ging zu ihm hinüber.

"Wir sollten zur ISPC fahren. Ich will mir die Sache genauer ansehen."

"Wieder ein Auftrag für die Top-Agentin Stardust?" meinte Cass amüsiert.

"Na, das bin ich doch meinem Ruf schuldig. Auf geht's!" Jana stieg in ihren Gleiter, und dieser schoß sofort los. Sie verließen den Hauptsaal der Starcave durch einen langen Tunnel, der schließlich durch einen getarnten Ausgang auf die Straße nach Ashteera, der Hauptstadt von Tarishaan, führte.

* * *

Auf Alycia Cherylla Blades Heimstatt, der im Orbit um Tarishaan befindlichen Wohn-Raumstation Villa Alycia wurde gerade der dritte Geburtstag der beiden 'Dienstboten' Shentay und Myriella gefeiert. Die beiden waren nur deshalb in diesen jungen Jahren bereits Butler und Dienstmädchen auf der Villa, da sie keine Menschen waren, sondern Androiden. Im Prinzip könnte man die zwei als die 'Kinder' von Acy und ihrem Lebensgefährten Sir Cayvyn bezeichnen, aber das hörte Alycia überhaupt nicht gerne.

"Wir haben von Eurem Bankraub gehört", meinte Myriella anerkennend. "Die Presse hat sich förmlich überschlagen..."

"Nun..." Alycia Blade, die sich für ihren ersten begangenen und ihre zukünftig geplanten Raubzüge den Tarnnamen Karylla Blackfire Noir zugelegt hatte, guckte leicht verlegen gen Boden.

"Naja, ich hoffe, mir fallen noch ein paar spektakuläre Coups in der Richtung ein... Ich bin schließlich die leibliche Tochter Firestars, auch wenn ich das den übrigen Leuten in der FGS nicht auf die Nase binden werde... Ich will mir selbst einen Namen machen und Dad möglichst noch übertreffen!"

"Da hast du dir etwas vorgenommen", meinte ihr Partner Sir Cayvyn alias Ryko Infinity Maiell amüsiert.

"Ich arbeite schon an meinem nächsten Plan!" verkündete Blackfire.

* * *

Stardust war derweil im Hauptquartier der ISPC angekommen. Der Departmentleiter Joël Lasalle hatte sie auch sogleich in sein Büro beordert, um ihr einen neuen Fall zu übertragen.

Wie nicht anders vermutet, handelte es sich um den Bankraub. Monsieur Lasalle überreichte Jana eine Akte, die sie sofort durchblätterte.

"Blackfire nennt sich der Typ?" fragte sie erstaunt.

"Er hat sein Autogramm am Tatort hinterlassen."

"Tse, dieser Name", bemerkte Jana und betrachtete den schwarzen Blitz, den dieser Bank-Räuber als sein 'Markenzeichen' hinterlassen hatte. Blackflash wäre da wohl passender gewesen... "Gibt es sonst noch Hinweise, Monsieur Lasalle?"

"Nein, das ist alles. Deswegen habe ich auch Sie mit dem Fall betraut", erklärte der Departmentleiter. Jana Star war schließlich seine beste Agentin, und bis jetzt hatte sie noch jeden Auftrag erfüllt.

Stardust machte sich gleich wieder auf den Weg zu Cass, um mit ihm einen Plan auszuarbeiten. Bislang hatte sie nämlich noch keine Idee, wo sie diesen Blackfire suchen sollte.

* * *

"Kreisch!" machte Karylla, als sie nun selbst einmal die Artikel durchlas, die über sie so gebracht wurden. Alles in allem war die Publicity nicht schlecht, immerhin stand dort, daß sie den Reichen ihr Geld genommen, es den Armen aber gegeben hätte. Der einzige Fehler an den Berichten war nur - es war ständig von einem er die Rede, und die Info-Gruppe 10 Tage behauptete gar, es sei Firestars Sohn, der nun dessen Aktivitäten fortführte...

Als sie Ryko diesbezüglich ihr Herz ausschüttete, nahm er sie zärtlich in die Arme und lachte leise.

"Dann mußt du eben einmal in Persona dort aufkreuzen, auf daß die Leute wissen, mit wem sie es zu tun haben."

"Hm. Nur wo?"

"Wie wäre es mit einer der Info-Gruppen?"

"Gute Idee. Das werde ich tun!"

Blackfire warf sich sogleich in ihren glänzend silbernen Einsatzcoverall mit dem schwarzen Blitz auf der Vorderfront, der so eng saß, daß er kein bißchen ihrer Figur versteckte. Dazu setzte sie die lange weltraumschwarze Perücke auf, sowie die gleichfarbigen Kontaktlinsen ein. Über dieses Ensemble warf sie ein schwarzes Cape mit Kapuze.

So gerüstet trat sie durch das Transmit-Tor, das die Orbitalvilla mit dem Garten auf dem Planeten Tarishaan verband und flog mit einem der dort in der Tiefgarage geparkten Aero-Shuttles in die Stadt Ashteera.

Nachdem sie den Gleiter in einer Garage abgestellt hatte, nahm sie den nächsten Bus zum Hauptgebäude der Info-Gruppe Tarishaan-News, die in der Schlagzeile mit der Frage "Wer ist der geheimnisvolle Mann, der sich Blackfire nennt?" ganz besonders ihre Eitelkeit getroffen hatte. Für den Rückweg konnte sie ja ihren Transmit-Gürtel einsetzen, nur für den Hinsprung fehlten ihr leider die exakten Zielkoordinaten.

Karylla stiefelte in das Vorzimmer des Chefredakteurs. Der Sekretär wollte sie natürlich nicht einlassen, aber als sie ihm kurzerhand mit ihrem Pfeilwerfer drohte, beschleunigte dies die Abfertigung ungemein. Wie ein Racheengel erstürmte sie das weitläufige Büro und knallte dem Mann hinter dem Schreibtisch, der offenbar der Chefredax war, das Solido der heutigen Ausgabe der Tarishaan-News auf denselben.

"Wer ist dafür verantwortlich?" brüllte sie ihn an.

"Ich, warum?" fragte der Mann zurück. Er wirkte nicht im mindesten verschreckt; offenbar bekam er des öfteren ähnlich geladenen Besuch.

"So? Na gut, ich will Ihnen mal was zeigen!" Blackfire ließ das Cape fallen und stand nun in ihrer Einsatzkluft vor dem Chefredakteur. "Ich verrate Ihnen, wer 'der geheimnisvolle Mann' ist! Er ist eine Frau! Und falls es Sie für die nächste Schlagzeile interessiert - ich heiße Karylla Noir, und man nennt mich Blackfire!"

Ehe der Chefredax irgendwie reagieren konnte, war Karylla schon davontransmittiert. Letzteres bewog den Mann, ihren Worten Glauben zu schenken, denn wer sonst mochte teleportieren können als die Person, die in der Lage war, eine ganze Bank mitgehen zu lassen? Er beschloß, sofort die Schlagzeile für den nächsten Tag in Angriff zu nehmen...

* * *

3760/01/05 GZ

Am nächsten Morgen war Jana milde erstaunt, als sie die Titelstory der Tarishaan-News überflog.

Blackfire war eine Frau? Soso... Und anscheinend war sie durch die diversen Vermutungen, wer er war, etwas in Rage geraten. Nun, jedenfalls war das schon mal ein Hinweis, aber es war dennoch ausgesprochen schwierig, sie irgendwo zu finden.

Blackfire war selbst in einschlägigen Kreisen ein völlig unbeschriebenes Blatt, und niemand wußte, woher sie kam.

* * *

"So", machte Karylla befriedigt. "Jetzt wissen sie es alle!" Ryko schüttelte amüsiert den Kopf, und seine strahlend silbernen Haare glänzten im Kunstlicht der Orbitalvilla.

"Ich jedenfalls habe das nie bezweifelt", bemerkte er mit hochgezogenen Augenbrauen, ehe er den Kopf schieflegte und seine Partnerin ausgiebig betrachtete. "Was hast du denn jetzt vor?" erkundigte er sich. "Denk daran, morgen mußt du zur Jahresvollversammlung der Blade Enterprises..."

"Ich denke schon mit Grausen daran. Hauptsache, du begleitest mich..."

"Keine Sorge. - Und was hast du also vor?"

"Naja, zum ersten wollte ich unsere neuste Bastelei einmal testen, und zum zweiten dachte ich, daß wir doch das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden können und eine klitzekleine Bank um ein paar Credits erleichtern könnten. Das wäre doch der Ideale Testfall für unsere neuen Aero-Sleds..."

(Aero-Sled - 1-Mann-Schweber, ist etwa 2.50m lang, von außen komplett verspiegelt, von innen transparent. Der Pilot liegt auf dem Bauch und steuert den Schlitten mit Händen (Richtung) und Füßen (Geschwindigkeit). Ein Aero-Sled hat eine Reichweite von ca. 10 000km und erreicht bis zu Mach 3. Die Geräte sind sogar (unter-)wassertauglich, erreichen dort aber nur leidliche Geschwindigkeiten (bis zu 100km/h).)

"Ich halte es nicht für ratsam, jetzt schon mit den Sleds zu arbeiten. Sie sind noch zu unsicher."

"Aber wir könnten sie zumindest testen. Wie wäre es mit der Skeem-Hochebene? Da könnten wir bis in die Ausläufer der Dishelaans hineinfliegen..."

(Dishelaans - Gebirgszug auf Tarishaan)

"Gut. Testen wir sie."

Die beiden starteten mit der unter ihrem Tarnschild befindlichen Lightning von der Villa Alycia und landeten das derzeit unsichtbare Raumschiff auf einer freien Fläche in der Nähe eines kleinen, einsam gelegenen Sees. Das Gebirge lag einige Kilometer entfernt. Ryko packte zwei der winzigen Einmann- (bzw. Einfrau-)Gleiter aus dem Laderaum der Lightning. Die Aero-Sleds waren so winzig, daß man nur im Liegen darin Platz fand. Ansonsten waren sie von außen komplett verspiegelt und von innen völlig transparent.

Die zwei begaben sich jeder in eins der Fahrzeuge und starteten. Sie machten einen ausgedehnten Wettflug über Wasser und Hügel, ehe sie zu ihrem Raumschiff zurückkehrten.

"Siehst du, daß die Aero-Sleds okay sind?" meinte Blackfire, und ihr Partner nickte. "Gut. Dann werden wir morgen nach der Jahreshauptversammlung der Blade Enterprises einen kleinen Raubzug starten."

"Aye aye..."

* * *

Stardust hatte immer noch keine Spur gefunden; nicht einmal Cass hatte etwas entdecken können. Zudem war morgen noch diese dämliche Versammlung...

Jana haßte es, dort als Nardia Ashni Blade erscheinen zu müssen, aber ohne sie fand die Versammlung nicht statt, schließlich war sie die Präsidentin des gewaltigen Unternehmens...

Seufz, und natürlich war es bis jetzt immer so gewesen, daß sie genau zu diesen blöden Versammlungsterminen mit etwas anderem beschäftigt war...

* * *

3760/01/06 GZ

Ryko hatte sich wieder als Sir Cayvyn von Süd-Ayryana zurechtgemacht und reichte seiner Gefährtin den Arm.

"Kommt, mein Herz, wir müssen gehen..."

"Ich wollte gerade noch ein paar Vorbereitungen für die Sache heute Abend treffen", meinte Alycia gefrustet. "Also, die Sleds stehen schon bereit?"

"Wir brauchen lediglich hineinzuspringen; sie sind in einem Bauzelt versteckt, das sich knapp zehn Meter von unserem Ausgang aus der Bank entfernt befindet. Zum Glück ist heute Feiertag, und es arbeitet niemand dort."

(Es ist der Dianus Maurice-Gedenktag, Anm.d.Verf.)

"Aber diese dumme Versammlung findet statt", moserte Acy.

"Jetzt komm schon!"

Die beiden begaben sich also zur Jahresvollversammlung der Aktionäre von Blade Enterprises.

* * *

Auch Nardia erschien dort. Sie konnte sich ja eh nicht drücken... Aber es war trotzdem nicht gerecht, fand sie. Auf diesen Veranstaltungen geschah ja sowieso nichts Wichtiges...

Plötzlich kam ein neonfarbener Wirbelwind auf sie zugeschossen: Haare neongelb, dazu ein neonpink/neonrot changierendes Flattergewand. Nardia schloß geblendet die Augen. Ihre Halbschwester wurde von Tag zu Tag exzentrischer...

"Oh, Nad!" rief Acy aus. "Hast du das auch in der Zeitung gelesen? Ich meine, das mit dem Bank-Raub von Enaryshavell..."

Cayvyn mußte sich anstrengen, ernst zu bleiben.

"Natürlich habe ich das gelesen. Ich frage mich nur, was die mit der Bank wollte."

"Aber das ist doch völlig klar: Das war ein Kunstwerk. Ganz eindeutig Aktionskunst..."

"Das glaube ich kaum."

"Hm. Oh!" Alycia guckte plötzlich ganz entsetzt. "Stell dir vor, man klaut uns Blade Enterprises! Wäre das nicht furchtbar?!"

"Das wird wohl niemandem gelingen, da Blade Enterprises ein Unternehmen und kein Gebäude ist."

"Ja, aber die Zentralverwaltung, die ist ein Gebäude. Oder Blade Manor..."

"Das schon. Aber was kann man damit anfangen?"

"Ich sagte doch - ein unvergeßliches Kunstwerk schaffen!"

"Seufz", machte Nad und wandte sich erschüttert ab. Alycia sah mit leuchtenden, neonblauen Augen in die Ferne.

"Oh, wenn mir doch so etwas gelingen könnte! Dann würde ich kurzerhand die Carulashell-Anhöhe mit dem Kristallwasserfall von Solse IV/Enaryshavell; Kancia rauben... Die fehlt mir noch für meinen Garten."

Langsam flippte Acy wohl vollständig aus, dachte Nardia und kümmerte sich nun lieber um die Versammlung, schließlich hatte sie nicht ewig Zeit...

Alycia grinste heimlich in sich hinein. Ihre Exzentrik war immer noch die beste Tarnung. Wer würde schon in der abstrakten Malerin Alycia Cherylla Khyshisall-Blade, dem enfant terrible der tarishaanischen Gesellschaft, Blackfire vermuten? Cayvyn atmete auf. Er hatte schon befürchtet, daß seine Gefährtin sich mit einer unbedachten Äußerung verriet.

Die Versammlung zog sich wie üblich in die Länge, obwohl Nardia permanent zur Eile drängte. Mittlerweile war Acy schon wieder sanft entschlummert und kuschelte sich an Cayvyn, der für sie aufpaßte.

'Typisch', dachte Nad und beendete kurzentschlossen die Versammlung, da die Verträge u.ä. ohnehin immer das gleiche besagten.

"Aufwachen", meinte Cayvyn belustigt und kitzelte Acy im Nacken.

"Mmmh! - Isses vorbei?"

"Ja. Denk dran, du wolltest heute noch ausgehen."

"Stimmt. Deshalb habe ich jetzt schon mal eine Runde geschlafen."

Die beiden erhoben sich und strebten dem Ausgang zu, wo sie ihren Gleiter auf dem Privatparkplatz geparkt hatten. Auch Nardia beeilte sich, nach Hause zu kommen. Es gab noch massenhaft zu tun...

* * *

Karylla suchte ihre Siebensachen noch zusammen, als Ryko bereits fertig war und wartete. Es war gemein, er brauchte ja nur in eine Chemikalie zu steigen, und schon war er richtig koloriert!

Endlich hatte sie es auch geschafft. Perücke und Kontaktlinsen saßen und der Einsatzcoverall ebenfalls. Sie mußte bei dem Teil nur höllisch aufpassen, daß sie nicht zuviel zunahm...

"Ich bin soweit", verkündete sie. "Auf zur Bank!"

"Gut."

Kurz darauf standen sie, beidesamt in schwarze, bodenlange Capes gehüllt, vor dem Hintereingang des Gebäudes.

Ryko setzte seinen Allzweck-Dietrich an und schickte die ermittelten Daten des Codeschlosses zum Lightning-Bordcomputer, der prompt den Öffnungscode ermittelte und über den Allzweck-Dietrich an das Schloß sandte. Die Tür glitt auf, und Blackfire und Infinity verschwanden im Gebäude.

Kurz darauf hatten sie den Tresor um eine erkleckliche Anzahl von Credits erleichtert und schlichen wieder aus der Bank. Direkt vor ihnen war das Zelt, unter dem ihre Aero-Sleds steckten.

* * *

Jana ging inzwischen mit Cass nochmals alle Daten durch. Da sich aber nichts neues ergab, machte sie sich mit ihrem Gleiter auf, um ein wenig durch die Stadt zu patrouillieren. Vielleicht fanden sie ja so etwas...

Die Straßen waren beinahe wie leergefegt, wie es sich für einen Feiertag gehörte. Stardust seufzte tief. Das war also auch nichts...

Sie döste vor sich hin und achtete kaum auf die Straße, die hier schnurgerade verlief. Indem er blitzschnell die Steuerung übernahm, konnte Cass gerade noch verhindern, daß sie über ein Bauzelt fuhren, das sich plötzlich vor ihnen befand.

Jana schrak zusammen. Sie sollte doch nicht am Steuer schlafen... Immerhin war sie jetzt wach, denn das sollte ihr nicht noch einmal passieren, vor allem, da Cass nicht mit sarkastischen Kommentaren sparte.

* * *

Blackfire guckte entsetzt, als ein ziemlich großer schwarzer Gleiter herangerauscht kam und geradewegs auf ihre funkelnagelneuen Aero-Sleds zusteuerte. Zum Glück machte er so gerade eben noch einen Schlenker, der die Unversehrtheit der Mini-Gleiter bewahrte.

Karylla gab ein paar farbenfrohe Flüche von sich und drückte sich in einen Hauseingang.

"Ist er weg?" meinte sie nach kurzer Zeit. Ryko scannte die Gegend ab.

"Sieht so aus. Ich kann ihn jedenfalls nicht mehr orten."

"Gut. Dann rein in die Schlitten und los!"

Sie sprangen in die winzigen Gleiter, und Infinity übernahm die Führung. Seine Reflexe waren natürlich um Größenordnungen besser als Blackfires, und so beschloß sie, sich von ihm per Fernsteuerung ziehen zu lassen, da ihr die Stadt ein zu gefährliches Terrain erschien, um mit einem Affenzahn in einem praktisch knautschzonenlosen Fahrzeug herumzurasen.

Cass war plötzlich in einer Nebenstraße stehengeblieben.

"Was ist los?" fragte Stardust.

"Irgendwas an dem Zelt stimmte nicht", erwiderte Cass nachdenklich. Er hatte zwei seltsame Reflexe auf dem Scanner gehabt, und das wollte er nun doch lieber noch einmal überprüfen.

"Dann fahr noch mal zurück und sieh es dir genauer an. Wir haben doch sonst nichts zu tun."

"Okay." Cass wendete.

"Kary, ich möchte dich ja nicht beunruhigen", ertönte Rykos Stimme aus der Funkanlage, "aber dieser Gleiter von vorhin kommt uns gerade entgegen..."

"Da kommen uns zwei sehr eigentümlich Geräte entgegen", meinte Cass plötzlich.

"Wo?" Stardust konnte noch nichts entdecken.

"Ryko, tu was!" rief Blackfire. "Du hast die Steuerung!"

"Ich tu ja schon..." Infinity zog die Sleds hoch und fegte über den Gleiter hinüber.

Cass machte eine 180-Grad-Wendung, um die Verfolgung aufzunehmen. Jana rieb sich die Nase, da diese in näheren Kontakt mit der Scheibe getreten war.

"Was sollte das?"

"Wer so schnell fliegt, ist entweder ein Verkehrssünder oder hat etwas ausgefressen. In beiden Fällen bin ich für eine Verfolgung."

Sofort tauchten die beiden Aero-Sleds wieder nach unten und machten eine fast exakte 90-Grad-Kurve. Blackfire war begeistert... Sie war zwar normalerweise ziemlich standfest, sei es im Weltraum, im freien Fall oder sogar auf richtigen See-Schiffen - doch hier kam in ihr langsam eine gewisse Übelkeit auf.

"Ryko!" beschwerte sie sich. "Mir wird schlecht!"

"Rechts von dir ist ein kleiner Kasten, da steht 'Bord-Apotheke' drauf. Mach die Klappe auf und nimm eine von den blauen Kapseln, die dort irgendwo liegen. Die sind gegen Luft- und Reisekrankheit..."

"Wie mich das freut..."

Cass schoß trotz aller Verwünschungen Janas in atemberaubendem Tempo hinter den Mini-Gleitern her. Stardust war überhaupt nicht wohl zumute, denn in dieser engen Gasse waren rechts und links von dem Gleiter gerade mal 15cm Platz.

"Er ist immer noch hinter uns", meinte Karylla nach einem Blick auf den Scanner, der die rückwärtige Landschaft zeigte. Sie würgte die Kapsel herunter, und langsam ging es ihr etwas besser.

Jana war inzwischen dazu übergegangen, die Augen ganz geschlossen zu halten, denn das war eindeutig besser für ihre nervliche Verfassung.

"Iiiinfi!" rief Blackfire entsetzt, denn es ging erneut rasant in eine Kurve, kurz hoch, um einem parkenden Fahrzeug auszuweichen und anschließend durch einen Tunnel. Cass blieb den Flüchtenden dicht auf den Fersen.

Der Tunnel wurde von einem anderen Tunnel gekreuzt, und die Sleds bogen scharf rechts ab. Karylla dankte dem Schicksalsmeister, daß kaum Verkehr herrschte. Als sie aus dem Tunnel herauskamen, steuerte Ryko geradewegs auf den Ashteraan zu, den Fluß, der Ashteera in zwei Hälften teilte und geradewegs ins Meer mündete. Ohne zu zögern, tauchten die Aero-Sleds ins Wasser.

Cass blieb dicht hinter ihnen bis zum Ufer. Dort hielt er an und überwachte die Umgebung. Er war zwar ebenfalls wasserdicht, aber bedauerlicherweise war sein Antriebsaggregat nicht für die Fortbewegung unter Wasser ausgelegt, so daß es für ihn witzlos wäre, den wendigen Mini-Gleitern dorthin zu folgen.

"Bist du sicher, daß die Dinger wasserdicht sind?" erkundigte sich Karylla unbehaglich.

"Sie sind luftdicht, oder?" kam die Antwort.

"Hm. Stimmt auch wieder..."

Ryko steuerte die Aero-Sleds unter Wasser flußauswärts, ehe er in eine kleine Höhle abtauchte und beschloß zu warten. Per Fernsteuerung rief er die Lightning herbei, die unsichtbar unter ihrem Tarnschild die Umgebung überwachen sollte.

Cass harrte immer noch aus. Er hatte sich in die Schiffahrtsüberwachung eingeschaltet, und sobald die Dinger wieder rauskamen, würde er es wissen. Jana hatte sich inzwischen die Stadtkarte angesehen.

"Was waren das eigentlich für Teile?" fragte sie verwundert.

"Ich nehme an, eine Art Mini-Gleiter - aber die Bauart war mir gänzlich unbekannt."

"Aha. - Und nun?"

"Warten wir's ab."

"Wo isser?" Karylla war leider nicht sehr gut darin, Ortungsbilder von Passiv-Ortungssystemen zu entziffern, und schon gar nicht, wenn die Meßwerte durch Massen von Wasser verzerrt wurden.

"Er steht noch dort, wo wir eingetaucht sind, also gute sieben Kilometer flußabwärts. Ich glaube, wir können es riskieren und wieder durchstarten.

Als die zwei Objekte erneut in der Ortung auftauchten, war Cass sofort unterwegs. Um Zeit zu sparen, beschleunigte er voll längs des Ashteraan und aktivierte sein TM-Gerät, um zu der Stelle zu springen, an der die Mini-Gleiter wieder aus der Versenkung erschienen waren. Jana protestierte stöhnend. Demnächst würde sie Cass von innen polstern...

"Wie ist der denn auf einmal hierhergekommen?" meinte Blackfire, bevor sie sich die flache Hand vor die Stirn schlug. "Aber klar, das ist eine von diesen ISPC-Kutschen, dieser komische CASS-Gleiter von Stardust!" rief sie aus.

"Retour ins Wasser", sagte Ryko. "Dahin kann er uns anscheinend nicht folgen."

Die Aero-Sleds tauchten wieder unter, und Cass blieb abwartend am Ufer stehen. Wenn er doch nur hineinkönnte...

Infinity steuerte die Sleds nun flußabwärts aufs offene Meer hinaus. Irgendwie mußten sie aus dem Ortungsradius des Gleiters heraus!

Cass hatte inzwischen eine Anhöhe gesucht, von der er fast die gesamte Stadt Ashteera samt Umgebung übersehen konnte. Da er sich mittlerweile über Funk an sämtliche erreichbaren Überwachungsanlagen angekoppelt hatte, konnten die ihm kaum entkommen.

"Äh, Ryko, wie groß ist eigentlich die Reichweite unserer Schlitten?"

"10 000 km."

"Hm. Warum tauchen wir nicht zum nächsten Kontinent und laden dort die Sleds in die Lightning?"

"Weil diese Geräte zwar in der Luft Mach 3 erreichen, im Wasser aber nur 100km/h..."

"Seufz, du hast recht, wie immer..."

Stardust starrte gebannt auf den Bildschirm im Armaturenbrett des Gleiters.

"Wo sind sie denn?"

"Ich fürchte, sie sind aufs offene Meer hinaus."

"Seufz, das ist aber äußerst dumm."

"Stimmt. Aber wir können ja noch ein bißchen warten."

"Hm... Ryko, CASS ist doch von meinem Vater gebaut worden... Sag mal, könntest du ihn nicht davon überzeugen, daß er mit uns zusammenarbeitet?"

"Schwerlich. Er hat einen äußerst eigenen Willen. Du müßtest wohl erst Stardust überzeugen. Sie behauptet doch, auch eine Tochter von Tyron Star und sogar von ihm erzogen worden zu sein... Also ist sie mindestens deine Halbschwester..."

"Es gibt davon ja auch nur 33, die Dad legal anerkannt hat - nebst seinen acht Söhnen..."

"Aus irgendeinem dummen Grund wollte sie wohl nicht in Firestars Fußstapfen treten", meinte Ryko.

"Was heißt hier 'dummer Grund'? Sie mußte etwas anderes machen, sonst wäre sie doch permanent an ihm gemessen worden! Was meinst du, warum ich einen anderen Namen angenommen habe? Hätte ich mich Karylla Star genannt, würden alle meine Aktionen mit seinen vergleichen. Aber ich will lieber nach meinem Maßstab gemessen werden!"

"Hm."

"Also, was machen wir nun?"

"Wir tauchen auf - aber an einem Ufer, wo genug Wald ist, daß CASS nicht hinspringen kann.

Cass wartete immer noch auf der Anhöhe. Bis jetzt hatte sich noch nichts getan.

Infinity steuerte die Aero-Sleds auf eine Landzunge zu, auf der ein Ausläufer des Waldes bis fast zum Wasser reichte.

Als die Mini-Gleiter wieder auftauchten, machte sich Cass sogleich auf den Weg. Leider konnte er nicht direkt zu der Stelle transmittieren, da diese inmitten eines Waldes war, also sprang er zu einer freien Stelle in der Nähe und nahm mit Höchstgeschwindigkeit die Verfolgung auf.

Stardust fand es überhaupt nicht witzig, so zwischen den Bäumen herzuflitzen. Immerhin war Cass ein ziemlich großer Gleiter, und das hieß, es war sehr wenig Platz zwischen den Baumstämmen und ihm.

"Ich hasse Grünzeug", äußerte Karylla entnervt. "Vor allem, wenn es so nahe vor meiner Nase gegen die Frontscheibe klatscht!"

"Wir müssen trotzdem versuchen, den Gleiter irgendwie abzuhängen, sonst bleibt uns nichts anderes übrig, als die Sleds zu opfern und per Transmit zur Lightning zu springen.

Cass schlängelte sich zwischen den Bäumen durch. Jana zuckte jedesmal zusammen, wenn sie beinahe einen Baum berührten. Ihr waren Verfolgungsjagden auf freier Fläche lieber.

"Oooooh!" machte Blackfire, als es plötzlich senkrecht in die Höhe ging, da an dieser Stelle das Grünzeug so dicht war, daß kein Durchkommen möglich war. Hinter dem Hindernis tauchten die Mini-Gleiter wieder nach unten.

Jana schrie erschrocken auf, als plötzlich die Baumstämme weitaus enger zusammenstanden, als es für sie gut war, doch Cass ließ nicht locker. Er mußte zwar nun wieder sein TM-Gerät benutzen, aber so materialisierte er sogar noch vor den Aero-Sleds und kam ihnen aus der anderen Richtung entgegen.

"Ryko, ich glaube, da ist er schon wieder..."

"Hm. Na gut. Er mag uns zwar durch sein TM-Aggregat überlegen sein, aber dafür sind wir wendiger!"

"Das meinst du doch nicht im Ernst! Äh, du meinst es ernst..." Die Schlitten machten eine rasante Kurve und schlängelten sich durch weitere Baumgruppen.

Cass versuchte, den Kurs der beiden Gleiter so gut es ging vorauszuberechnen, damit er sich einen besseren Weg bahnen konnte. Stardust konnte diese Methode nur begrüßen, denn diese Raserei zwischen dem Grünzeug machte ihr schwer zu schaffen.

"Ryko, wie lange müssen wir eigentlich noch durch den Wald fegen, bist du einsiehst, daß wir es nicht schaffen, das Teil abzuhängen?"

"Wir schaffen es schon noch..."

"Aha." Das 'Und wann?' verkniff sie sich gerade noch.

Cass war immer noch nahe dran. Egal wie schnell sie durch den Wald sausten, momentan konnten sie ihm nicht entkommen - aber natürlich konnte er sie auch nicht einholen, geschweige denn einfangen. Er mußte sich irgendetwas überlegen...

"Bedauerlicherweise wird der Gleiter über mindestens ebensoviel Treibstoffreserven verfügen wie wir", überlegte Ryko.

"Mich würde eher interessieren, was die mit uns vorhaben. Abschießen?"

"Das bezweifle ich. Einmal beantworten Tote selten Fragen, und zum zweiten ist Stardust von der ISPC, und wir haben nicht angegriffen. Es wäre also auch keine Notwehr..."

Jana legte Cass gerade die gewisse Frage vor. Wie sollten sie die beiden Dinger überhaupt herunterholen?

"Jagen, bis ihnen der Saft ausgeht?" fragte sie.

"Ich habe auch noch keine Idee. Vielleicht auf die Steilküste hin scheuchen - oder du ballerst sie ab."

"Kommt nicht in Frage!" sagte Jana empört. Das fand sie überhaupt nicht witzig. Wenn es tatsächlich nur Verkehrssünder wären...

"War doch nur ein Witz."

"Aber kein guter!"

"Vielleicht sollten wir die Lightning irgendwo landen lassen, die Ladeluke aufmachen und hineinfahren", schlug Blackfire vor.

"Und wenn CASS nun vor uns teleportiert und den Raumer demoliert - nein, danke!"

"War ja nur ein Vorschlag..."

"Wie wäre es damit, daß wir einfach anhalten?" meinte Stardust

"Können wir ja mal versuchen." Cass blieb stehen.

"Was ist denn jetzt los?" fragte Karylla genervt. Sie hatte sich schon so an das Verfolgtwerden gewöhnt...

"Er ist stehengeblieben."

"Das habe ich auch gemerkt. Sollen wir jetzt die Lightning holen?"

"Ja, aber wir parken sie nicht exakt in unserer Fahrtrichtung, sondern etwas ab vom Weg."

"Mach es so!"

"Was tun sie?" fragte Jana.

"Sie flüchten immer noch in die gleiche Richtung."

"Hm. Ist in der Nähe eine Lichtung?"

"Mehrere."

"Dann fahren wir jetzt zu der!" Jana deutete auf die Karte.

Die Lightning schwebte langsam auf die Lichtung herab., die sich in der Nähe des Fluchtwegs von Blackfire und Infinity befand.

"Noch 300m", sagte Ryko.

"Okay..."

Cass sprang auf die bewußte Lichtung und registrierte erstaunt, daß ein Raumschiff auf ihm zu landen drohte.

"Na, können wir?" meinte Karylla.

"Wir haben ein Problem."

"Und das wäre?"

"Die Lightning ist gerade dabei, diesen CASS-Gleiter zu Wellblech zu verarbeiten."

"Durchstarten!"

"Immer mit der Ruhe. Grillen will ich ihn auch nicht unbedingt..."

Cass machte einen Satz zur Seite, er wollte nicht gebügelt werden. Das Schiff war doch ein wenig zu schwer für ihn... Jana betrachtete die Luftturbulenzen, die der Raumer verursachte, eher fasziniert... Was für ein Zufall...

Die Lightning düste wieder von hinnen, und Blackfire fluchte lästerlich.

Jana fragte sich, was das Ganze sollte. Anscheinend wollten die Flüchtigen hier von dem Schiff aufgenommen werden. Sehr verdächtig! Das hieß außerdem, daß es sich auf keinen Fall um bloße Verkehrsrowdies handelte, wie sie zunächst vermutet hatte. Nein, dahinter mußte einiges mehr stecken... Jana sah sich die aktuellen Meldungen an.

"Neuer Versuch", seufzte Karylla. "Die Lichtung rechts von uns."

"Okay."

Ryko beorderte den Raumer zu den entsprechenden Koordinaten.

Inzwischen hatte sich Cass eine neue Lichtung ausgesucht, die ihm für einen weiteren Landeversuch wahrschienlich schien und sprang dorthin.

"Nun?" wollte Blackfire wissen.

"Wir müssen nur noch hinfliegen..."

"Ich bin begeistert..."

Das war die Falsche, stellte Cass fest. Seufz, also ein weiterer Versuch. Er transmittierte zu der nächstwahrscheinlichen Stelle und wurde sofort zurückgeworfen.

Das fremde Raumschiff war also schon gelandet, stellte er fest, denn nur das hatte die Sicherung des TM-Aggregats auslösen können, die ihn davor bewahrte, sich in fester Materie zu verstofflichen.

Also mußte er sich 'zu Fuß' auf den Weg machen. Aber ob das noch einen Sinn hatte? Bestimmt war der Raumer schon gestartet, bevor er ankam.

"Okay, Ladeluke auf", kommandierte Karylla, und Ryko gab den Befehl an die Lightning weiter. "Los..."

Die Aero-Sleds schwebten in den Laderaum ein.

'Zu spät', dachte Cass, als die Mini-Gleiter im Schiff verschwanden. Jetzt konnte er leider gar nichts mehr unternehmen, denn da der Raumer getarnt war, war es ihm nicht möglich festzustellen, wohin er flog, sobald er die Atmosphäre verließ.

Blackfire konnte es sich nicht verkneifen und aktivierte den Außenlautsprecher der Lightning, bevor sie startete.

"Netter Versuch, Stardust", sagte sie. "Aber ich glaube, du mußt noch etwas üben... Ach, und falls du wissen willst, wer dir hier entwischt ist... Man nennt mich Blackfire!"

Die Lightning hob ab.

"Grumpf", machte Jana, gefolgt von einigen saftigen Flüchen. Sie hatte das ungute Gefühl, daß sie mit der Lady noch einige Schwierigkeiten bekommen würde...

- BYE -

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Last modified: 13.04.2002

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