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SvB #6: Showtime!

©1990 by Shavana & Stayka


 

3762/09/20 GZ

Nardia Blade beschäftigte sich gerade intensiv mit der Lektüre der Morgenzeitschriften. Natürlich war ihr gestriges Auftreten nicht unbeachtet geblieben.

MASSENSCHLÄGEREI AUF KÜNSTLERBALL fiel ihr als erstes ins Auge. Die Blade-Schwestern prügeln sich um ihre Freunde!

"Graaa, daran bist nur du schuld!" warf Nardia ihrem derzeitigen Partner Michael Bradley ärgerlich vor.

"Ich?" Er sah sie betont unschuldig aus seinen dunkelgrünen Augen an.

"Genau!"

"Ich habe gar nichts gemacht!"

"Humpf?!" Nardia warf ein Kissen nach ihm. "Ich werde sofort Acy anrufen. - Weißt du, wo die Fernbedienung liegt?" Michael grub das Teil unter ihr aus und überreichte es ihr.

"Danke." Schnell wählte sie Alycias Nummer. Auf dem Schirm des Viphon erschien allerdings nicht ihre Schwester, sondern ein hübscher junger Mann mit kupferrotgoldenen Haaren und riesigen, grüngoldenen Augen: Sir Cayvyn. Sehr zu Nardias Verwunderung war er heute auch einmal ausnehmend verstrubbelt; offenbar hatte er noch nicht die Zeit gefunden, sein Äußeres seinem Image entsprechend zu arrangieren. Nad stellte verblüfft fest, daß er Firestar auf diese Art noch mehr ähnelte als es ihr bei ihrem letzten Treffen aufgefallen war.

"Lady Nardia? Ich wünsche Euch einen wunderschönen guten Morgen!"

"Guten Morgen, Sir Cayvyn. Ist Acy da?" erkundigte sich Nardia. Cayvyn hob eine Augenbraue und sah dezent unter der Bettdecke nach, wo sich Alycia zusammengerollt hatte und einfach süß aussah, wie sie da ruhig schlummerte. Er fuhr zärtlich über ihre Wange.

"Ja. Sie schläft aber noch." Offensichtlich war die letzte Nacht doch zu viel für sie gewesen, dachte Cay belustigt.

"Dann wecken Sie sie auf! Es ist wichtig."

"Ungerne. Wartet einen Augenblick, Lady Nardia." Cayvyn schaltete die Sichtverbindung sinnigerweise ab, bevor er sich über seine Gefährtin beugte und sie mit einem sanften Kuß und einigen Streicheleinheiten weckte.

"Mmmmh...?!" Acy angelte nach ihrem Schatz und kuschelte sich an ihn.

"Aufwachen, Lisha", meinte er liebevoll. "Deine Schwester möchte dich sprechen."

"Ups?!" Plötzlich saß Alycia kerzengerade im Bett. "Ist sie hier?!"

"Nein", beruhigte Cayvyn sie. "Am Viphon."

"Oh. Gut." Sie warf sich einen neonblauen Morgenmantel über, bevor sie ihre neongelbe Perücke überstülpte und die neonblauen Kontaktlinsen einsetzte. Ordnung mußte sein. "So, wo isse?" Cay, inzwischen ebenfalls in einem Morgenmantel, schaltete auf Visio zurück.

"Guten Morgen, Acy", begann Nardia ungeduldig. "Hast du die Zeitung gelesen? Nein, offensichtlich nicht... Aber du solltest es unverzüglich tun!"

"Moin", brummelte Alycia erst einmal verschlafen. Warum war Nardia nur so aktiv?! "Gib sie mir!" Nardia hielt ihr die Zeitung vors Viphon.

"Tsy", bemängelte Acy, "Sir Cayvyn ist nicht mein Freund, sondern mein Lebensgefährte!"

"Püh, und sonst hast du zu dieser Unverschämtheit nichts zu sagen?! Wir haben uns nicht geprügelt!"

"Hm. Ich kann mich auch nur entsinnen, daß ich Michael verprügelt habe", überlegte Alycia.

"Hm!" äußerte sich Nardia und hinderte diesen daran, etwas von sich zu geben, indem sie ihm ein Kissen an den Kopf warf.

"Und was stand sonst noch drin?" wollte Acy wissen. Nardia wühlte eine weitere Zeitung hervor:

NACH SECHS JAHREN SETZT ACY BLADE SIR CAYVYN VOR DIE TÜR!
Bitteres Ende für ein Traumpaar. Wer wird Sir Cayvyns Nachfolger?
Firestar oder Michael Bradley?

"Püh", machte Acy und kuschelte sich wieder eng an Cay. "Das halte ich nun auch für eine Unverschämtheit! Und von denen schon gar keiner! Mein herzallerliebster Sir Cayvyn ist perfekt - was will ich da mit irgendeinem anderen Typen?"

Nardia blickte sie zweifelnd an. Perfekt?! Und warum stritten sie sich dann andauernd?

"Wie du meinst..."

"Natürlich..." Alycia bedachte Cay mit einem Blick, der auf fünf Planeten mindestens illegal war. "Mmmh... Wo bleibt nur mein Kaffee? - Myriella!" Endlich erschien diese mit dem Frühstück und den aktuellen Solidos. Jetzt vergrub sich auch Alycia in den Zeitungen. Tsayée!

(Solidos - Normalerweise sind sämtliche 'Zeitungen' per Viphon elektronisch abrufbar, doch es gibt auch die Möglichkeit, sich deren Inhalte mit einem Solido-Printer auf Folien übertragen zu lassen.)

"NARDIA BLADE EROBERT SIR CAYVYN!
Wann findet die Verlobung statt?"

las sie vor. "Und was sagst du dazu?!"

"Nichts!"

"So?" erkundigte sich Acy gedehnt.

"Was soll ich sagen? Es war nicht meine Idee!"

"Grummel", gab Alycia von sich und schielte zu Cayvyn hoch, der alles mit engelsgleicher Unschuldsmiene verfolgte.

"Na, siehst du!" Nardia grinste sie an.

"Du hast ihn provoziert", vermutete Acy.

"Was habe ich? Du bist ja nicht ganz bei Trost!" empörte sich Nardia.

"Und warum bist du sonst in diesem frivolen knallroten Kleid herumgehüpft?"

"Es war nicht frivol", beteuerte Nardia. "Es war nur rot!"

"Ach?!"

Cayvyn mußte sich anstrengen, eine halbwegs würdevolle Miene beizubehalten. Er fragte sich, wie lange seine Gefährtin noch darauf herumreiten würde. Dabei hatte sie doch mit Firestar angefangen!

Michael verfolgte das Ganze interessiert, enthielt sich aber lieber eines Kommentars. Nardia wußte gar nicht, was Acy wollte, sie hatte doch wirklich nichts von Cayvyn gewollt. Alycia hatte angefangen, mit Firestar herumzuflirten.

Bevor Acy einen weiteren Kommentar von sich geben konnte, wurden diesbezügliche Versuche ihrerseits von einem hingebungsvollen und reichlich ausdauernden Kuß Cayvyns erstickt. Das half immer, hatte er festgestellt.

"Und was gab es sonst Interessantes zu berichten?" erkundigte er sich, während er mit Amüsement betrachtete, wie Acy versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Spielerisch fuhr er mit einer Hand die Konturen ihres Körpers entlang, und Alycia sah ihn fatalistisch an. Wenn er noch zehn Sekunden so weitermachte, würde sie ihn hier und sofort mit Haut und Haar vernaschen.

"Sonst wollte ich bloß wissen, ob Ihr heute zu der Eröffnung der Kunstgalerie kommt", sagte Nardia, während Michael das Gesicht verzog. Pfui, er mochte keine moderne Kunst, und das Teil war auch noch Alycia Blade gewidmet! Nardia hatte nämlich beschlossen, sämtliche Kunstwerke vom Speicher dorthin zu befördern. Dabei hatte er eine weit bessere Idee, was sie heute unternehmen konnten - aber ihn fragte ja keiner.

"Aber gerne", beschloß Sir Cayvyn mit einem dezenten Lächeln. "Alycia und ich freuen uns ungemein über Eure freundliche Einladung. Wann und wo findet die Festivität statt?" Acy warf Cay einen ärgerlichen Blick zu. Sie haßte es, wenn er einfach so über ihren Kopf hinweg bestimmte.

"Um 15:00 Uhr in der neuen Galerie am Yakite-Platz. Ich freue mich sehr darüber, daß Ihr kommt." Alycia brummelte etwas Unverständliches. Sie wollte endlich mal Urlaub machen. Diese ganzen dummen Eröffnungsfeiern, Einweihungsparties, Grundsteinlegungen und was der Veranstaltungen mehr waren, gingen ihr inzwischen maßlos auf die Nerven. Sie träumte von einer mindestens siebenwöchigen Kreuzfahrt ganz alleine mit ihrem wundervollen Gefährten durch die Tiefen der FGS (Freie Galaktische Sternenrepublik).

"Bis dann", verabschiedete sich Nardia. "Ich habe noch einiges zu erledigen."

"Au revoir", meinte Sir Cayvyn huldvoll und desaktivierte die Verbindung. Mittlerweile hatte Acy das gewaltigste Kissen, das sie finden konnte, aus ihrem Bett gewühlt und begrub Cayvyn darunter. Rache mußte sein, befand sie, warf ihre Perücke in die Ecke und nahm die Kontaktlinsen heraus, bevor sie sich rittlings auf den Kissenberg setzte. Mit einiger Mühe wühlte Cay sich aus den Tiefen, was in einer wilden Balgerei in den Federn endete. Nach zwei weiteren Kissenschlachten und diversen ausgiebigen Versöhnungsrunden beschlossen die beiden, nun langsam zu überlegen, was sie zu der Party anziehen könnten.

* * *

Nardia und Michael hatten es noch gerade geschafft, rechtzeitig zu der Feier zu kommen. Aus Trotz hatte sich Nad in ein äußerst extravagantes pinkfarbenes Gewand geworfen. Michael war absolut dagegen gewesen, daß sie so etwas trug. Er war jedenfalls wieder in schwarz gekleidet, das paßte gut zu seiner Stimmung. Die Galerie war bereits total überfüllt, und ungezählte Reporter knubbelten sich vor den verschiedenen Machwerken Alycias.

Als Acy die Massenversammlung im Foyer erblickte, erwägte sie schon, sofort wieder umzukehren, doch Cayvyn vereitelte diesen Vorsatz, indem er sie sanft aber unerbittlich voranschob. Grumpf. Er war immer stärker als sie! Diesmal war Alycia in einen knallengen strahlendsilbernen Overall mit halblangem, gleichfarbigem Cape gehüllt, wozu sie einen wallenden neonblauen Mop trug. Cayvyn hatte sich wieder in dasselbe schwarze Ensemble gewandet wie auf Nardias Geburtstag.

Nardia starrte ihre Halbschwester erstaunt an. Was war nur in diese gefahren? Einmal nicht in Neonfarben, oh Wunder - und auch nicht schamhaft verhüllt... Tse. Tatsächlich hatte Alycia in letzter Zeit zu viele Süßigkeiten gefuttert, weil sie sich so allein gelassen vorkam, daß sie vier Kilo zugenommen hatte. Daher trug sie letztlich lieber dezent wallende Gewänder, um die überflüssigen Pfunde zu kaschieren...

"Hi Acy! Schön, daß du gekommen bist. Sir Cayvyn!" begrüßte sie die beiden.

"Hallo Nad! Hier ist es vielleicht voll!"

"Stimmt. Ich habe nicht mit einem derartigen Andrang gerechnet. Und warm ist es hier!" Sie wedelte mit einem Katalog vor ihrem Gesicht herum.

"Was ist das eigentlich für eine Galerie?" Alycia war es immer noch nicht gelungen, eins der ausgestellten Kunstwerke zu erspähen, aber die Leute waren offenbar ganz wild darauf.

"Nun, das ist die Alycia Blade Galerie! Das hatte ich dir doch versprochen", meinte Nardia erstaunt. Acy starrte ihre Schwester schockiert an.

"Das hast du getan?!" fragte sie ungläubig und ließ sich in Sir Cayvyns Arme sinken. "Wer sieht sich nur immer meinen ganzen Müll an?!"

Nardia machte eine weitausholende Bewegung in die Runde.

"Es lohnt sich auf jeden Fall. Ich werde die Einnahmen irgendeinem Heim oder so stiften."

"Tsayée!" Alycia schmiegte sich an ihren Gefährten. Sie konnte zwar ohnehin nicht umfallen, aber seine Gegenwart war irgendwie tröstlich. Außerdem war es seine Idee gewesen, heute Abend hierher zu kommen.

Inzwischen war Michael wieder aus den hinteren Räumen aufgetaucht. Er trug ein großes Glas in der Hand.

"Ha!" rief Nardia. "Du bist meine Rettung!" Sie hatte die ganze Zeit in dieser Hitze Leute begrüßt und sich beinahe den Mund fusselig geredet. Halb verdurstet stürzte sie sich auf das Trinkbehältnis.

"Hallo!" begrüßte Michael Alycia und Sir Cayvyn, während er versuchte, möglichst auf den Beinen zu bleiben und nichts von dem überschwappenden Getränk abzubekommen.

"Oh!" machte Acy durstig. "Was zu trinken! Wo gibt es sowas hier?"

"Ganz hinten", sagte Michael. "Fast am Ende der Welt. Ich habe bestimmt zehn Minuten für den Weg gebraucht."

"Oh jee", seufzte Alycia. Wenn Michael dafür zehn Minuten gebraucht hatte, würde sie nicht unter einer halben Stunde dahin kommen... Am besten sollte sie Cay losschicken. Sie wandte den Kopf und sah ihn schmachtend an.

"Mylord Cayvyn, würdet Ihr mir bitte etwas zu trinken holen?" Dieser entließ sie nur widerstrebend aus seinen Armen.

"Wie Ihr es wünscht, Mylady", erwiderte er wenig begeistert.

"Ich danke Euch, mein Herz!" rief sie aus, als Cayvyn sich auf den Weg machte. Michael grinste niederträchtig, was ihm aber schnellstens verging, als Nardia ihm das leere Glas in die Hand drückte und mehr forderte. Warum hatte sie nicht gleich zwei Gläser verlangt? Resignierend machte er sich erneut auf in Richtung Buffet.

Alycia hatte sich unterdessen an der Tür aufgestellt. Dort kam wenigstens ab und zu etwas frische Luft herein.

"Warum hast du kein größeres Gebäude organisiert?" stöhnte sie und schaute Nardia leidend an.

"Wer rechnet auch mit einem solchen Andrang? Außerdem ist das Gebäude groß. Es hat sogar drei Etagen!"

"Schluck. Sieht es da etwa genauso aus wie hier?" Nardia nickte nur. "Oh-oh..." Acy lehnte völlig fertig an einer Säule und hoffte, daß Cayvyn gleich mit irgendeinem Getränk auftauchte.

"Hm. Ich glaube, ich sollte mal wieder hinten nachsehen", bemerkte Nardia und schob sich durch die Massen. Acy folgte ihr sicherheitshalber auf dem Fuß. Wenn sie ihre Schwester hier aus den Augen verlor, stünde sie ganz auf verlorenem Posten. Cayvyn war offenbar auch entweder bei den Fressalien steckengeblieben oder unterwegs verschütt gegangen. So wie sie ihn kannte, tippte Alycia auf ersteres. Nach schier endlosem Geschiebe und Gedrängel waren die beiden Frauen endlich am Buffet angekommen.

"Ha!" Nardia griff sich ein Glas und stürzte den Inhalt hinunter. Alycia überlegte kurz. Doch, als exzentrische Künstlerin konnte sie es sich erlauben... Sie nahm also kurzerhand eine ganze Bowlenschüssel und kippte einen riesigen Schluck herunter.

Nardia blickte sie entsetzt an. Sie sah es schon kommen... Nun tauchte Michael vom anderen Ende des Buffets auf und balancierte einen Teller mit Süßigkeiten in der einen und ein Glas in der anderen Hand.

Acy sah die Bowlenschüssel entzückt an. Jetzt hatte sie keinen Durst mehr, und trotzdem war das Teil noch zu mehr als 3/4 voll. Das sollte sie auf ihrer nächsten Party auch einführen, dann mußte nicht immer nachgeschenkt werden! Wo blieb nur Cay? Sie brauchte jetzt entschieden jemanden zum Anlehnen, da das Gebäude eindeutig nicht sicher verankert war. Nardia und Michael beobachteten die schwankende Alycia besorgt. Da Umfallen aber ohnehin unmöglich war, warteten sie erst einmal ab. Auf Nardias Drängen stellte Michael seinen Teller ab und entwand Acy die Bowlenschüssel.

"Mademoiselle Blade, Sie erlauben?"

"Danke. Ich habe eh genug..." Acy stellte fest, daß jemand zärtlich die Arme um sie legte und lehnte sich zurück. "Mmmh, Cay..." seufzte sie behaglich, bevor sie sich zu ihm umdrehte.

Michael stellte die Bowle ab, um zu seinen Eßwaren zurückzukehren. Warum gab es hier bloß nie etwas Gescheites zu essen? Er hatte heute schon das Frühstück ausfallen lassen müssen, weil sie zu spät dran waren.

"Mylady, was ist?" fragte Sir Cayvyn besorgt, als diese sich besonders hingebungsvoll an ihn kuschelte. Wenn sie so weitermachte, liefen sie Gefahr, eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses zu bekommen.

"Mmmmh... Ich liebe dich!"

"Unzweifelhaft", stellte Cayvyn amüsiert fest. "Aber bitte nicht hier", meinte er leise. Alycia hatte eindeutig einen zuviel gebechert; dann war sie in der Regel extrem anlehnungsbedürftig.

Nardia schüttelte nur den Kopf über ihre Schwester, bevor sie Michael den Teller mit den Süßigkeiten wegnahm. Es war ihr Lieblingskonfekt, und daher tat es ihr in der Seele weh, wie er es einfach so in sich hineinstopfte. Sie schmiegte sich müde an ihn.

Unterdessen hatte Cayvyn etwas aus seinem Gürtel gewühlt.

"Mund auf!" befahl er und Acy parierte tatsächlich aufs Wort. Ohne zu protestieren schluckte sie die drei Anti-Rausch-Tabletten, die Cayvyn ihr verordnet hatte. Er führte dieses Mittelchen aus Sicherheitsgründen immer mit, da er nie wissen konnte, was seine Gefährtin im nächsten Augenblick beabsichtigte oder tat.

Nardia hoffte, bald von hier verschwinden zu können. Langsam aber sicher gingen ihr diese ständigen Parties auf den Geist. Sie würde liebend gerne mal Urlaub machen.

"Mademoiselle Blade, ich bitte um ein Autogramm!" Diverse Leute hatten Alycia erkannt und wollten ihre Kataloge signiert haben.

'Oh Graus', dachte Acy, bei der sich der Nebel in ihrem Kopf langsam wieder lichtete. Sie zückte ihren obligatorischen Stift (neonblau) und malte einen völlig unleserlichen Schnörkel nach dem anderen auf die Kataloge. Wenn sie hier jemals herauskam, würde sie Cayvyn auf die Kreuzfahrt durch die FGS ansprechen. Nur sie beide, ungestört von allen gesellschaftlichen Verpflichtungen... Seufz! Das würde sie für die ewiglangen 'beruflich' bedingten Trennungen im letzten halben Jahr entschädigen!

Nardia beobachtete Alycia fasziniert. Ein Glück, daß keiner ein Autogramm von ihr wollte. Sie hatte nicht vor, sich aus Michaels Umarmung zu bewegen. Obwohl, Acy störte das Autogrammegeben offensichtlich nicht im Geringsten dabei, von Sir Cayvyn festgehalten zu werden... Dieser stand hinter ihr, hatte die Arme um ihre Taille gelegt, spähte ihr über die Schulter (kein Problem bei seinen 1.95m) und fand das Ganze höchst amüsant.

Michael konnte seiner aktuellen Situation nicht viel Positives abgewinnen. Er hatte Hunger, und Nardia ließ ihn einfach nicht ans Buffet. Grumpf. Er fand diese Party immer gräßlicher. Zudem stürmten die Autogrammjäger hin und her, schubsten und drängelten und nervten ihn ganz kolossal. Na, wenigstens hatte es heute niemand auf ihn abgesehen. Er hatte keine Lust zu weiteren Handgreiflichkeiten. Die Konversation war auch auf dem Nullpunkt... Gähn!

Langsam aber sicher war es genug, befand Alycia. Sie hatte für heute genug Autogramme gegeben und wollte eigentlich nur noch ins Bett. Mh, aber wie sollte sie diesen ganzen Leuten entkommen, die alle hinter einem dusseligen Schnörkel aus ihrer Hand interessiert waren?

Nardia konnte Acy kaum mehr sehen, so viele Menschen umringten diese, und es war kein Ende abzusehen. Dabei wollte sie bloß noch nach Hause! Es war mal wieder eine ausgesprochen blöde Idee gewesen, eine Galerie für Alycia zu eröffnen. Sie hätte doch damit rechnen müssen, daß es darauf einen absoluten Run geben würde...

Acy blickte leidend zu Cayvyn herauf.

"Rettet mich, Mylord", seufzte sie. "Ich will hier raus!" Da Cayvyn die Herumsteherei ebenfalls äußerst unproduktiv fand, hob er Alycia einfach auf seine Arme.

"Entschuldigt, Mesdemoiselles, Messieurs - Meine Gefährtin fühlt sich etwas unpäßlich. Würdet Ihr uns bitte durchlassen?" Diesem Ansinnen wurde tatsächlich entsprochen, und Acy & Cay gelang auf diese Weise die Flucht.

Nardia hatte nun auch genug von der Eröffnungsfeier.

"Wir gehen", meinte sie zu Michael und schob sich in Richtung Hinterausgang. Da jener sich direkt hinter dem Buffet befand, waren sie schnell draußen.

Ihre Idee von einem Urlaub nahm immer mehr Gestalt an, vor allem, weil momentan auch nichts Wichtiges anstand. Nur - wohin? Sie wollte auf gar keinen Fall gefunden werden. Mal sehen, vielleicht fiel Michael etwas ein.

* * *

3762/09/33 GZ

Endlich war es soweit. Alycia hatte einen monumentalen Kofferberg vor sich aufgebaut, wobei Cayvyn ihr aber angedroht hatte, daß er nicht im Geringsten daran dachte, den Packesel zu spielen. Die beiden wollten einmal inkognito reisen, was dazu führte, daß sie sich als naravinisches Paar verkleideten. Bei Cayvyns Statur war das eindeutig die sinnigste Wahl und wurde auch dadurch unterstützt, daß Alycia mittlerweile perfekt in naravinischer Sprache und Etikette war.

'Tja, Übung macht den Meister', dachte sie amüsiert. Sie war eigentlich nur immer ein Stückchen zu klein für diese Maskerade, da auf Naravina selbst die Frauen meist über 1.80m groß waren.

Sie hatten beschlossen, sich als Prinzessin Jaynevra und Prinz Alayvyn zu Amriella und Allamira auszugeben, und so begaben sie sich unauffällig auf den Luxusliner Couronne de l'Espace.

* * *

3762/09/34 GZ

Nardia hatte derweil auch die Koffer gepackt. Michael schüttelte nur den Kopf. Er verstand nicht, wozu sie diese Mengen an Kleidungsstücken und sonstigen Accessoires brauchte.

Diesmal hatte Nad darauf bestanden, inkognito zu reisen. Sie wollte endlich einmal ihre Ruhe haben, also gaben sie sich als Andra Oliveri und Tanyuk Hegyi von Tallwyn V/Tallwyn aus. Tallwyn war die fünfte Station der Couronne de l'Espace, wo weitere Passagiere aufgenommen wurden. Nun würde sie nur noch bei Hasgaal II/Dvaris Halt machen und von da die eigentliche Kreuzfahrt beginnen.

* * *

3762/09/35 GZ

Auf der Couronne herrschte reges Treiben. Jetzt, da sie von Dvaris gestartet waren, hatte Captain Roussel, der Kommandant des Liners, zum großen Bankett gebeten.

Jaynevra bürstete ihre über po-langen, goldenen Locken auf Hochglanz und bewunderte den Schwung des langen, tiefmetallicroten Kleides, als sie sich vor dem Spiegel drehte. Jetzt noch das Diadem, das aus einem einzigen Rubin geschnitten war und die langen, roten Handschuhe - perfekt!

Prinz Alayvyn war komplett in metallisch schimmerndes Schwarz gehüllt, von den hohen Stulpenstiefeln bis zu seinem halblangen Cape und den Handschuhen. Jaynevra musterte ihn bewundernd und auch leicht belustigt. Was hatte er sich dabei gedacht, sich die Haare in diesem Dunkelkupferton einzufärben?! Und was sollte die Energiepeitsche, die er am Gürtel trug? Gut, es war auf Naravina nicht unüblich, wenn ein Mann des Adels mit einer Waffe herumlief - aber auf einem Luxusliner? Doch was sollte es - Alayvyn hatte eh manchmal seltsame Ideen...

Er bot ihr seinen Arm an, und Jaynevra hakte sich lächelnd ein. Hoheitsvoll schritten die beiden in den Salon des Raumers.

* * *

Andra konnte sich einfach nicht entscheiden, was sie anziehen sollte. Soeben flog das siebzehnte Kleid in die Ecke. Tanyuk seufzte schwer. Wie lange würde das noch dauern? Er saß auf dem Bett und hatte den Kopf in die Hände gestützt, während er Andra beobachtete. Diese stellte gerade fest, daß sich das Rot ihrer langen Haare nicht mit der Farbe der aktuellen Robe vertrug, und Kleid Nr.18 landete in der Ecke.

"Hast du dich bald entschieden? Wir kommen zu spät!" bemerkte Tanyuk ärgerlich.

"Nein!" Sie warf ihm einen hilfesuchenden Blick zu. Tanyuk fischte ein bronzefarbenes Kleid aus dem Haufen und half ihr, es anzuziehen. Andra fuhr durch seine hellblonden Haare, die wie üblich total struppig waren. Dazu trug er einen dunkelblauen Anzug, der gut mit der Farbe seiner Augen harmonierte. Endlich machten sich die beiden auf den Weg.

* * *

Der Salon war beinahe bis zum letzten Platz besetzt. Jaynevra hatte einen kleinen Tisch an einem der Aussichtsfenster erhascht und starrte fasziniert in den Weltraum.

"Es ist wundervoll, Mylord", rief sie aus und strahlte Alayvyn an. Angeblich befanden sie sich auf ihrer Hochzeitsreise, was die Tarnung hervorragend abrundete. Niemand würde Alycia Blade und Sir Cayvyn in einem Flitterpaar vermuten, da es allgemein bekannt war, daß die beiden nicht beabsichtigten, einander zu ehelichen.

(Das hatte etwas mit naravinischem Eherecht zu tun, dem Cayvyn unter allen Umständen unterworfen wäre: Entweder er verzichtete auf alle Rechte als zukünftiger Duc von Süd-Ayryana auf Allirion IV/Naravina, oder Alycia müßte alle Rechte und vor allem Pflichten einer Duchesse von Süd-Ayryana übernehmen - und weder die eine noch die andere Möglichkeit gefiel den beiden...)

Andra und Tanyuk hatten inzwischen ebenfalls den Salon erreicht. Natürlich waren alle Tische besetzt. Tanyuk führte Andra zum Buffet.

'Typisch', dachte diese, 'das ist immer sein erster Gedanke.' Sie hatte noch keinen Appetit und blickte lieber durch eins der Fenster nach draußen.

Unterdessen hatte Prinz Alayvyn zwei Teller mit Hors d'OEvres von Buffet geholt und reichte seiner 'frischgebackenen Gemahlin' einen davon.

"Was ist denn unsere erste Station?" erkundigte sie sich und himmelte ihn hingebungsvoll an.

"Die leuchtenden Energiewirbel der Sengusa-Wolken, meine Liebste", erwiderte Alayvyn und ergriff ihre Hand.

"Ah, ich bin entzückt!" Jaynevra lächelte ihm zärtlich zu.

Auch Tanyuk hatte sich einen Teller beladen und war zu Andra getreten.

"Es ist wundervoll", meinte diese.

"Stimmt. Einfach atemberaubend!" Er stellte den Teller auf einem Tisch ab und nahm Andra in den Arm.

Prinzessin Jaynevra konnte sich nicht ganz entscheiden, ob sie nun aus dem Fenster sehen sollte oder lieber in Alayvyns herrlich türkisschimmernde Augen mit kupfernem Glitzereffekt. Schließlich machte Alayvyn das Rennen. Diese Farbgebung war zu faszinierend.

Unerwartet gongte es durch das halbe Schiff. Alayvyn blickte erfreut auf. Es gab etwas zu Essen!

Andra zuckte zusammen. Graaa, wie sie das haßte! Tanyuk hingegen war begeistert, daß es endlich etwas zu Futtern gab; er hatte doch schon wieder Hunger. Er führte Andra in den Speisesaal. Natürlich hatten sie Plätze am Tisch des Captains. Tanyuk rückte ihr den Stuhl zurecht und setzte sich dann ebenfalls. Einige Plätze an der Tafel waren noch frei, also mußte das Essen noch etwas warten.

Schließlich erschienen Prinzessin Jaynevra und Prinz Alayvyn Arm in Arm und augenscheinlich mit den Gedanken ganz an anderer Stelle als beim Essen. Sie hatten die Plätze links von Captain Roussel an dessen Tisch.

Tanyuk kniff die Augen zusammen, als er den dunkelgekleideten Naravino erblickte. Das war doch... Man hatte auch nie seine Ruhe! Andra sah die Neuankömmlinge nur interessiert an. Sie fragte sich, warum Tanyuk plötzlich so ein eisiges Gesicht machte.

Alayvyn glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er des blonden Mannes gewahr wurde, der den Platz gegenüber seinem besetzte. Das durfte doch nicht wahr sein! Er hatte das unbestimmte Gefühl, als ob dieser ihn verfolgte. Bevor er sich verraten konnte, setzte er wieder seine königliche Miene auf, schob Jaynevra den Stuhl zurecht und bot ihr galant den Platz an, wonach er sich ebenfalls niederließ.

Nun begrüßte Captain Charles Roussel die Passagiere offiziell an Bord und zum Beginn der Reise. Er ließ eine längere Rede vom Stapel, bis endlich die Speisen aufgetragen wurden. Tanyuk war der Appetit vergangen. Warum nur mußte ihm immer so etwas passieren? Andra hingegen machte sich über das Essen her. Was hatte Tanyuk bloß? Sie stieß ihn unter dem Tisch an, um zu erfahren, was los war.

Prinz Alayvyn ließ sich seinen gesunden Appetit durch nichts verderben, schon gar nicht durch diesen Typen. Außerdem konnte man nie wissen, wozu ein paar Energiereserven gut waren. Während er Tanyuk aus dem Augenwinkel beobachtete, turtelte er intensivst mit Jaynevra herum. Er hatte keine Lust, sich von diesem den verdienten Urlaub vermiesen zu lassen.

Tanyuk riß sich zusammen, schließlich wollte er nicht aus seiner Rolle fallen. Er widmete sich also dem Essen, ließ aber Alayvyn nicht aus den Augen. Zudem mußte er versuchen, Andra zu beruhigen.

Jaynevra hatte überhaupt nichts von alledem mitbekommen. Sie warf Alayvyn einen glutvollen Blick zu.

"Würdet Ihr mir bitte den Weinkrug reichen, mein Prinz?" meinte sie in bestem Hoch-Naysyny. Tanyuk blickte irritiert zu den beiden herüber. Daß sie aber auch immer übertreiben mußten! Er kümmerte sich lieber um den vollbeladenen Teller vor sich.

Derweil wandte sich Jaynevra an den Kommandanten der Couronne, einen dunkelhäutigen Mittfünfziger.

"Monsieur le Capitaine, ist es nicht furchtbar schwierig, solch ein gewaltiges Schiff durch alle Unbilden des Weltenraumes zu steuern?" erkundigte sie sich auf Starlingua mit unüberhörbarem Naysyny-Akzent.

"Nein, Madame, mit Hilfe unserer Computer ist das kein Problem!"

"Oh, wirklich?!" Sie sah ihn aus ihren metallicblauen Augen an und hoffte, daß sie sich nicht gleich durch ein Kichern verriet. Immerhin hatte sie selbst seit fast zehn Jahren eine Lizenz für Raumer aller Klassen. "Also, ich habe es mir immer ungeheuer kompliziert vorgestellt...!"

Alayvyn unterdrückte den Impuls, sich an den Kopf zu fassen. Mußte seine werte Gefährtin immer so tun als wäre sie die Unschuld vom Lande? Naja, zumindest hatte das den Vorteil, daß sie permanent von allen Leuten unterschätzt wurde, was ihr häufig zu ziemlich überraschenden Erfolgen verhalf. Captain Roussel war jedenfalls auch schon auf sie hereingefallen; er setzte die geduldig-gelangweilte Miene eines Mannes auf, der zum zigtausendsten Male dieselbe dumme Frage einer reichen Dame beantworten mußte, die offensichtlich keine Ahnung von gar nichts hatte. Dies war zwar erst die dritte Tour für ihn mit der Couronne de l'Espace, aber ihm schien es, als würde er sich schon seit Jahren mit diesen reichen Idioten herumschlagen müssen.

"Dem ist aber tatsächlich nicht so", versicherte er ihr geduldig.

"Oh, wißt Ihr, Monsieur le Capitaine, dies ist das erste Mal, daß ich die grünen Hügel Naravinas verlasse und in einem richtigen Raumschiff reise..."

"Wie wundervoll. Es wird Euch ein Erlebnis sein, das Ihr nicht missen wollt", erwiderte Roussel höflich und wandte sich demonstrativ den anderen Gästen zu. Jaynevra hätte beinahe doch noch losgekichert, schaffte es aber, dies dadurch zu unterdrücken, daß sie sich ein paar Salatblätter in den Mund stopfte.

Andra war immer noch besorgt, was Tanyuk verärgert haben mochte. Hatte sie zu lange zum Anziehen gebraucht? Sie sah ihn bittend an, was dieser nun gar nicht verstand. Was sollte er tun?

"Was möchtest du, mein Schatz?" erkundigte er sich.

"Nichts besonderes", erwiderte Andra, sie konnte doch hier nicht fragen. Auch Jaynevra fand, daß Alayvyn entschieden zu still war. Sie strich zärtlich über seine Wange.

"Bedrückt Euch etwas, Mylord Alayvyn?"

"Nichts, was Euch beunruhigen müßte, mein Herz", entgegnete er abwesend. Was mochte Tanyuk vorhaben? Jaynevra runzelte dezent die Stirn, bevor sie sich wieder dem Salat widmete. Mist Diät!

Andra hoffte, daß die Tafel bald aufgehoben wurde. Sie wollte endlich wissen, was los war, und zwar unverzüglich!

Endlich wurde das Mahl beendet. Tanyuk stand bereits, bevor der Kommandant der Couronne den letzten Satz zu Ende gesprochen hatte, und Andra mußte sich beeilen, ihm zu folgen. Seufz, dabei hatte sie sich so auf ein paar ruhige, romantische Wochen gefreut, und nun bekam Tanyuk schon am ersten Tag einen Rappel! Sie versuchte angestrengt herauszubekommen, was geschehen war, doch er ignorierte ihre Fragen einfach. Wenigstens gelang es ihr, ihn zur Teilnahme am Tanz unter den Sternen zu überreden, dem großen Ball, der den Beginn der eigentliche Reise feiern sollte.

* * *

Die Observations-Lounge war in ein bläuliches Dämmerlicht getaucht. Die Wände und Decke des Saals bestanden aus transparentem Metalloplast, das den Anschein erweckte, daß man den Sternen zum Greifen nah war, und der Boden bestand aus einem dunkelblau fluoreszierenden Material. In einer Ecke der Lounge war eine lange Tafel mit verschiedenen Kleinigkeiten zum Essen und Trinken aufgebaut, und es gab auch Sitzgelegenheiten aus demselben dunkelblauleuchtenden Material, aus dem der Boden bestand.

Jaynevra saß an einem der Tische und wartete auf ihren Gefährten, der sich am Buffet mit allerlei Spezereien versorgte. Offensichtlich wirkte sie ohne ihn sehr verloren, denn plötzlich wurde sie von einer grellgeschminkten Tarishaanerin angesprochen. Sie vermutete zumindest, daß die Frau von Tarishaan kam, denn ihr Akzent war kaum zu überhören.

"Sie blicken so traurig, meine Liebe", begann sie. Jaynevra sah erstaunt auf.

"Wie bitte?!"

"Sie sitzen so alleine hier herum..."

"Mein Gemahl wird gleich zurückkehren." Jaynevra hoffte, daß diese aufdringliche Frau sich bald wieder verzog.

"Ihr Gemahl?"

Jaynevra seufzte.

"Ja. Prinz Alayvyn zu Amriella und Allamira..."

"Oh! Sie sind eine echte Prinzessin?!" rief die Tarishaanerin aus. Jaynevra biß sich auf die Unterlippe, um nicht loszuprusten. Naja, nicht ganz echt... Aber was sollte es?

"In der Tat", entgegnete sie würdevoll. "Ich bin Jaynevra, Prinzessin zu Amriella und Allamira - und mit wem habe ich das ...Vergnügen?"

"Oh, ich bin Gloria Malé." Sie sprach ihren Namen so aus, als erwarte sie, daß man ihn kennen müßte.

"Sehr erfreut", meinte Jaynevra. Wo blieb nur Alayvyn? Er sollte ihr doch etwas zu trinken mitbringen. Die Tanzfläche war gut gefüllt, es wurde gerade ein verbreiteter tarishaanischer Tanz gespielt. Die Frau war offensichtlich getroffen, daß sie nicht mehr zu ihrer Vorstellung zu sagen hatte. Hm. "Müßte ich Euch kennen, Madame?"

"Oh, wenn Sie jemals 'Die Invasoren aus Galaxis 7' gesehen haben... Ich spiele dort die Dominique St.Girelle..." Jaynevra schluckte dezent. Sie konnte dieses Weltraum-Schundwerk nicht ausstehen, das auf allen Kanälen des Tarishaan-TV wieder und wieder ausgestrahlt wurde.

"Ja, natürlich! Warum ist mir das nicht sofort aufgefallen? Leider bringt Naravina-TV die Folgen erst immer mindestens ein Jahr nach der Erstaufführung heraus... Ihr seid stets wundervoll!"

"Finden Sie wirklich?" meinte Gloria Malé geschmeichelt. Endlich kam Alayvyn mit einem Weinkelch für Jaynevra und einem Teller Futterage für sich.

"Habt Dank, mein Herz", sagte Jaynevra mit einem zärtlichen Blick zu ihm hinauf. "Ach, darf ich vorstellen - dies ist mein geliebter Gemahl, Prinz Alayvyn - und das ist Gloria Malé, eine berühmte Schauspielerin von Tarishaan", machte sie die beiden miteinander bekannt. Alayvyn verneigte sich stilvoll, während er sein Gedächtnis durchforschte. Ah, gefunden!

"Es ist mir eine Ehre, Madame Malé. Ich habe Eure Auftritte in 'Die Invasoren aus Galaxis 7' und dem 'Jeanville-Clan' stets mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt."

"Ich fühle mich geschmeichelt... Hach, dann werde ich Ihnen etwas verraten, was ich eigentlich noch niemandem erzählen sollte..." Gloria sah sich verstohlen um, aber außer einem ziemlich abwesend wirkenden Liebespaar, das ein paar Meter entfernt stand und zu den Sternen hinaussah, war niemand in der Nähe. "Wissen Sie, mein Verlobter Pierre Coderay - ja, der berühmte Produzent! - plant einen Spielfilm, in dem das Leben und Wirken des neuen Firestar verfilmt werden soll!"

Jaynevra verschluckte sich beinahe an dem Häppchen, das sie von Alayvyns Teller stibitzt hatte, und dieser klopfte ihr fürsorglich auf den Rücken.

"Ein Film über Firestar II?" fragte sie sicherheitshalber nach.

"Ja! - Und stellen Sie sich vor, Pierre möchte, daß ich die weibliche Hauptrolle spiele..."

'Oh Dunkle Mutter', dachte Jaynevra geschockt. Mit sowas würde sich Firestar doch niemals abgeben! "Das ist aber reizend", bemerkte sie süßlich. "Ich fühle mich geehrt, daß ich solch eine berühmte Schauspielerin wie Euch kennenlernen durfte!"

Tanyuk zuckte zusammen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Andra horchte interessiert auf. Ein Film über Firestar? Das durfte sie auf keinen Fall verpassen. Sie mußte unbedingt noch mehr erfahren.

"Mademoiselle Malé, wollt Ihr Euch nicht zu uns setzen?" erkundigte Jaynevra sich und winkte auch Alayvyn zu, sich niederzulassen, da dieser ebenfalls noch wie Falschgeld in der Gegend herumstand.

"Es dauert mich sehr, daß ich Euch nun nichts zu trinken mitgebracht habe", meinte er zu Gloria, "doch ich konnte nicht im Voraus erahnen, welch interessante Bekanntschaft ich hier machen würde..."

"Ach, Sie brauchen sich doch keine Umstände zu machen..."

"Umstände? Aber das sind doch keine Umstände", meinte Alayvyn hoheitsvoll und erhob sich erneut. "Was darf ich Euch holen?"

"Eine sinhalonische Jadmos-Limo, bitte!"

Tanyuk hatte inzwischen beschlossen, sich doch in das Gespräch einzumischen, denn sonst würde er nie zu den gewünschten Informationen kommen. Er näherte sich dem Tisch, Andra im Schlepptau.

"Mademoiselle Malé, kann ich ein Autogramm von Ihnen haben?" wollte Tanyuk wissen.

"Ein Autogramm von mir? Aber gerne! - Haben Sie etwas zu schreiben für mich?" Gloria wirkte geschmeichelt, daß sie von jemandem auf Anhieb erkannt worden war.

"Aber natürlich!" Er zog einen Stift, sowie einen kleinen Notizblock aus der Tasche. Andra sah ausgesprochen verwirrt aus. Was wollte er mit einer Unterschrift dieser...? Sie hatte keine Ahnung, wer das sein könnte.

Gloria malte ein kringeliges Autogramm auf den Block und lächelte Tanyuk huldvoll zu.

"Bitte sehr, Monsieur!" In diesem Augenblick kam Alayvyn mit der Limonade zurück. Er sah Tanyuk, und seine rechte Augenbraue schoß in die Höhe. Nanü?! Aber noch einmal würde er nichts zu trinken holen. Und schon gar nicht für den.

"Monsieur, Ihr sucht einen Platz?" fragte er. Tanyuk sah ihn erstaunt an.

"Ich habe die Dame nur um ein Autogramm gebeten", erklärte er.

"Ah, Ihr seid ein Fan von 'Die Invasoren aus Galaxis 7'...?"

"Ich verfolge diese wundervolle Geschichte seit der ersten Folge."

Alayvyn rechnete nach. Seit 9 Jahren. Erstaunlich! Das konnte er nun beim besten Willen nicht vorweisen.

"Nein, so lange bin ich noch nicht dabei", bemerkte der Prinz zu Amriella und Allamira bedauernd. Jaynevra mußte schwer an sich halten, um nicht entweder laut loszuprusten oder sich nur erschüttert an den Kopf zu fassen. Sie hatte weit besseres zu tun, als sich diese dumme Serie anzugucken.

"Ich habe gehört, wir dürfen Sie demnächst in einer neuen Produktion bewundern...?" Tanyuk sah Gloria fragend an .

"Oh, wie haben Sie denn das... Ähm..." Sie wurde dezent rot. Da hatte sie sich wohl wieder mal zu laut verplappert. Hoffentlich erfuhr Pierre nichts davon, er würde sicherlich wütend werden. Naja, aber wenn die vier Leute hier es ohnehin wußten... "Ja. Ich bin in ein paar Monaten in 'Return of Firestar' zu sehen..."

"Oh, wie aufregend! Könnten Sie uns nicht etwas über das Drehbuch verraten?" erkundigte sich Tanyuk. Er mußte wissen, worum es dabei ging.

"Nun", zögerte Gloria. "Ich habe es selbst erst vor einer Woche bekommen - wir wollen hier auf dem Schiff schon mit einigen Innenaufnahmen beginnen - und ich fürchte, daß Pierre sehr wütend auf mich würde..."

"Aber nein, Mademoiselle." Alayvyn lehnte sich dezent über den Tisch. "Wir werden alles höchst vertraulich behandeln..."

Jaynevra runzelte die Stirn. 'Wir'?! Irgendwie schien da etwas an ihr vorbeigegangen zu sein.

"Sie können doch nicht Ihre größten Fans enttäuschen!"

"Also gut. Ein Großteil davon stand ja ohnehin schon in den Zeitungen... Ich weiß nicht, wieviel Sie davon gelesen oder gehört haben..." Jaynevra und Alayvyn wechselten einen mehr als amüsierten Blick. Immerhin waren sie für mehr als 50% der Action mitverantwortlich gewesen... Andra war begeistert, endlich sprachen sie von etwas, das sie kannte. Tanyuk hatte nur einen absoluten Unschuldsblick aufgesetzt. Gloria lehnte sich zurück und schaute aus himmelblauen Augen in weite Fernen.

"Ja, es fing damit an, daß er plötzlich und unerwartet nach 35 Jahren Abwesenheit wieder da war und gleich auf's neue begann, seine Aktivitäten aufzunehmen... Als erstes hat er den gesamten in einem Museum ausgestellten Schmuck geraubt und danach das dadurch bekommene Geld wie stets an die Bedürftigen verschenkt..." Sie hielt inne, um sich einen Schluck Limo zu genehmigen.

"Und - wie geht es weiter?" fragte Andra, nun auch neugierig geworden.

"Ja, dann bekam er Ärger mit Blackfire, die sich ja im Laufe der Zeit als Firestars Nachfolgerin einen Namen gemacht hatte. Sie fürchtete wohl, nun nicht mehr die Nummer Eins auf ihrem Gebiet zu sein..."

Jaynevra sah höchst nachdenklich in ihr Weinglas. So hatte sie diese Sache ja noch nie betrachtet.

"Wie tragisch! Und hatte sie Erfolg?" drängte Tanyuk. Die Sache begann ihn zu amüsieren.

"Nun, wie man es nimmt... Es hieß ja mittlerweile schon des öfteren, daß die beiden inzwischen zusammenarbeiten..."

Prinzessin Jaynevra verschluckte sich an ihrem Wein und bekam schon zum zweiten Mal an diesem Abend einen Hustenanfall. Alayvyn kam ihr erneut mit dezentem Klopfen auf den Rücken zu Hilfe.

"Das habe ich auch gelesen. Ob es wohl ein Happy End für sie gibt?" überlegte Tanyuk. Dies brachte ihm einen nahezu tödlichen Blick von Alayvyn ein.

"Nun, in 'Return of Firestar' wohl noch nicht. Aber Pierre plant schon eine Fortsetzung..."

"Und wer soll Firestar spielen?" erkundigte sich Jaynevra.

"Pierre will versuchen, ob er ihn selbst engagieren kann", verkündete Gloria. Tanyuk konnte nur mit allergrößter Mühe seinen Gesichtsausdruck beibehalten. Das war doch einfach nicht wahr!

"Das wäre ja wunderbar!" rief Jaynevra aus. "Ähm - wen sollen Sie eigentlich genau spielen?"

"Oh... Wissen Sie... Wir halten uns in dem Film ja ganz eng an die Realität, und da gab es doch einige interessante Gerüchte... Nun, ich soll die Rolle von Alycia Blade verkörpern..."

Wenn Jaynevra ihr Glas nicht bereits abgestellt hätte, wäre es sicherlich zu Boden gefallen. Das war doch wohl der Gipfel! Diese dumme Nuß sollte sie darstellen?! Und was, bitte, hatte sie mit Firestar zu tun? Sie verfluchte bereits seit geraumer Zeit die Idee, Firestar bei Nads Geburtstag um ein Autogramm gebeten zu haben.

Andra konnte es partout nicht glauben. Diese Person sollte Acy spielen? Sie war trotz des Make-Ups einfach viel zu farblos. Abgesehen davon war Alycia doch durch nichts in der Welt von ihrem Sir Cayvyn zu trennen. Letzterwähnter war restlos über diese ganze Sache amüsiert. Offensichtlich hatte Acy doch recht gehabt mit ihrem vielzitierten Image...

'Jetzt auch noch das!' dachte Tanyuk erschüttert. Würde er dieses Gerücht nie aus der Welt schaffen können?

Alayvyn hatte sich als erster wieder gefaßt.

"Ja, und was wird die eigentliche Handlung des Films?" wollte er wissen.

"Nun, es wird eine dramatische Story um Abenteuer und Gerechtigkeit, Liebe und Haß - eben eine richtig epische Heldensaga! Es wird der Kampf Blackfires gegen Firestar, wobei dieser durch den Weltenraum eilt, um das Unrecht zu bekämpfen und seine wahre Liebe zu erringen..."

'Aber nicht mich', dachte Acy zähneknirschend. 'Das könnt ihr mir doch nicht antun!'

'Wahre Liebe... Schlimmer konnte es wohl nicht werden', überlegte Tanyuk. 'Äh, doch... - wenn es Alycia sein sollte.'

"Und diese 'wahre Liebe' - sollte es sich dabei um die von Euch dargestellte Person handeln, Mademoiselle Malé?" fragte Alayvyn todernst, obwohl er am liebsten losgeprustet hätte. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wie seine Gefährtin zu diesem Thema stand.

"Aber natürlich!" erwiderte Gloria und schlug die Augen nieder. "Aber mehr darf ich Ihnen nun wirklich nicht verraten. Ich glaube, ich habe ohnehin bereits viel zu viel ausgeplaudert..." Sie stand auf, winkte noch einmal kurz und verschwand aus der Observations-Lounge.

Vier eher schweigsame Personen blieben zurück. Das mußten sie erst einmal verdauen...

Jaynevra kippte ihren Wein in einem Zug herunter, obwohl sie sich im Nachhinein darüber ärgerte, das köstliche Getränk auf so brutale Weise vernichtet zu haben. Aber sie würde etwas gegen diesen Film unternehmen und zwar erwog sie eine einstweilige Verfügung wegen Rufschädigung oder so. Im Prinzip an niemanden speziell gewandt meinte sie:

"Ich bin zu gespannt, was das für ein Film wird..."

"Ich kann es kaum erwarten, bis die ersten Berichte herauskommen. Wer wird wohl Firestar spielen?" überlegte Andra. "Ich bezweifle, daß der echte dafür Zeit finden wird."

"Sicherlich nicht", stimmte Jaynevra zu und ging in Gedanken die derzeitigen Superstars des Holoramas durch, die wohl in die engere Auswahl des Produzenten kommen könnten. "Ich fände, Jean-Pierre Moraisan wäre ideal für diese Rolle. Er hat zwar blonde Haare, aber das kann man leicht ändern..."

Andra verzog das Gesicht. Sie konnte diesen Schönling nicht ausstehen. Der wurde einem doch schon jeden Tag in mindestens fünf Kanälen vorgesetzt, da er eine der Hauptrollen im 'Weltraumhospital' und der 'Ferrwyn-Story' hatte. Alayvyn hob eine Augenbraue. Jean-Pierre Moraisan sah Firestar doch nicht einmal entfernt ähnlich! Das einzige, was da stimmte, war die Größe.

"Ich würde Marvin deLavèr vorschlagen", mischte er sich ein.

"Wer ist denn das?" fragte Andra neugierig.

"Er hat eine kleine Nebenrolle in 'Der Weltraumbummler' gespielt."

"Hm. Und wie sieht er aus?" erkundigte sich Andra nachdenklich. Sie konnte sich partout nicht an so einen Typen erinnern. Alayvyn forstete rasch noch einmal seine Datenbanken durch.

"Er hat kupferrote Haare, graublaue Augen, ist 1.91m groß und am 03/47 32 Jahre alt geworden", erklärte er anschließend.

"Klingt ja nicht übel", stellte Tanyuk fest. "Auf jeden Fall scheint er Firestar halbwegs ähnlich zu sehen."

"Meines Wissens dürfte er derzeit das beste Double für diesen darstellen", bestätigte der naravinische Prinz. "Bedauerlicherweise wird jedoch kaum ein Produzent auf Monsieur deLavèr zurückgreifen, da jener einfach zu unbekannt ist."

"Bekannterweise sehen Produzenten und Regisseure ja immer lieber auf große Namen als auf passende Darsteller. Das hebt die Einnahmen, und alles andere ist dann eh egal", äußerte Tanyuk abfällig.

"Bei Mademoiselle Malé stimmt ja weder das eine noch das andere", bemerkte Jaynevra naserümpfend.

"Genau. Sie ist die ungeeignetste Besetzung, die man sich nur vorstellen kann." Andra schüttelte sich förmlich beim Gedanken an dieses Shantreeya-Girl. (Shantreeya ist die Filmstadt auf Suune III/Tarishaan. Ein kleiner, aber überaus exklusiver Vorort von Ashteera.)

"Soweit ich weiß, verfügt Alycia Blade auch bei weitem nicht über solch monumentale Kurven wie diese Gloria Malé" mäkelte Prizessin Jaynevra dezent kopfschüttelnd. Was man ihr da wieder unterstellte!

"Stimmt", bemerkte Alayvyn. was ihm einen leicht irritierten Blick von seiner Gefährtin einbrachte. Was sollte das schon wieder bedeuten? Tanyuk sah den Prinzen mit einem eigentümlichen Lächeln an.

"Diese Frau ist einfach gräßlich", warf Andra ein.

"Richtig! Ich denke, dieser Film wird ein Reinfall", prophezeite Jaynevra. "Obwohl, ich würde ja gerne einmal diesen Produzenten sprechen..."

"Ich auch", meinte Tanyuk in einem Tonfall, der nichts Gutes verhieß.

"Wie hieß er noch?" Jaynevra sah ihren Gefährten fragend an.

"Pierre Coderay, Kabine IV/24", erwiderte dieser prompt.

"Gut. Gehen wir!" Jaynevra erhob sich und hielt Alayvyn den Arm hin. "Kommt, mein Liebster", forderte sie ihn auf. Tanyuk und Andra folgten den beiden, wobei Andra verwundert überlegte, woher Prinz Alayvyn wohl diese Informationen hatte. 'Warum wissen bloß alle immer Bescheid, nur ich nicht?' dachte sie schmollend. Tanyuk amüsierte sich über ihren verwirrten Gesichtsausdruck.

Zwei Lifts und mehrere Gangbiegungen später standen sie vor der bewußten Tür. Tanyuk betätigte den Summer. Nichts geschah. Nach dem dritten Versuch glitt die Tür endlich zur Seite, und ein braungebrannter, schwarzhaariger Mittfünfziger stand - nur in einen orangefarbenen Bademantel gehüllt - vor ihnen.

"Was wollen Sie?" fragte er genervt, und aus dem Hintergrund hörte man ein weibliches Wesen (oder mehrere?) kichern.

"Wir haben einige Fragen an Sie." Tanyuk schob den Typen ins Zimmer zurück.

Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte er die drei 'Damen' in dem überaus monumentalen Bett. Nach Andra begaben sich auch Alayvyn und Jaynevra in das Quartier, wobei sie das Szenario ebenfalls kopfschüttelnd begutachteten. Außerdem wurde es langsam voll hier.

"Ich rufe die Bordpolizei", drohte Pierre Coderay.

"Aber Monsieur Coderay", begann Tanyuk. "Wir wollten Ihnen doch nur einen freundschaftlichen Besuch abstatten und Ihnen ein paar kleine Tips geben..."

"So?" Der Finger des Produzenten schwebte wenige Zentimeter über dem Sensor der Alarmanlage. Tanyuks Arm schoß hervor und arretierte Coderays Hand unverrückbar in dieser Position.

"Ich bin dafür, Sie setzen sich erst einmal."

Entgeistert blickte dieser auf Tanyuks Hand, die seine wie eine Stahlklammer umfing. Widerstrebend nahm er an dem Tisch unterhalb des Monitors Platz, der den Blick auf den Weltraum zeigte, wie man ihn vom Bug der Couronne de l'Espace hätte.

"Ich würde Ihnen raten, Ihr Filmprojekt nicht zu verwirklichen", drohte Tanyuk, bevor er den Produzenten aus seinem Griff entließ. "Es würde Ihnen nicht gut bekommen, wenn Sie sich in unsere Angelegenheiten mischten..."

Jaynevra ließ eine steile Falte auf ihrer Stirn entstehen. 'Unsere Angelegenheiten'?! Tsayée! Alayvyn hatte doch auch schon so eine seltsame Andeutung gemacht. Und was ging überhaupt diesen Kerl die ganze Sache an? - Moment... Sie war froh, daß Alayvyn sie gerade festhielt, sonst hätte sie sich wohl setzen müssen. Sollte das etwa Firestar in Maskerade sein?! Aber - das konnte doch nicht... Oder?

Wenn sie es sich recht überlegte, wer außer diesem würde sich wohl noch über dieses dumme Filmprojekt aufregen? Sie musterte Tanyuk kritisch. Hm. Es könnte sein; eine gewisse Ähnlichkeit war unverkennbar. Und wenn sie sich das blonde Haar dunkelkupferfarben vorstellte... Hm, doch...

"Was fällt Ihnen eigentlich ein?" fauchte Pierre Coderay unterdessen Tanyuk an. "Wollen Sie mir etwa drohen?" Jener grinste ihn bloß an, doch das reichte aus, um Coderay erbleichen zu lassen. Was wußte dieser Mann von seinen Geschäften? überlegte er fieberhaft. Daß er etwas wußte, war unleugbar. Pierre überlegte hektisch. Es wäre wohl das Sinnvollste, ihn zu beseitigen, und wo er gleich dabei war, die drei anderen Personen ebenfalls. Man würde sie kaum mit ihm in Verbindung bringen, und wenn er es geschickt anstellen ließ, sähe es wie ein bedauerlicher Unfall aus.

Ein Glück, daß sich sein gesamter Stab auf der Couronne befand. "Sie sollten vorsichtiger sein mit dem, was Sie sagen", wandte er sich an Tanyuk.

"Ach, Sie wagen es, mir zu drohen?!" Tanyuk baute sich herausfordernd vor dem Produzenten und Regisseur auf.

"Wer sind Sie überhaupt?" fragte Coderay auf einmal abfällig.

"Ähm, das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen..." Tanyuk verfluchte, daß er sich immer so schnell in Rage bringen ließ. Nun trat auch Jaynevra vor und funkelte Coderay angriffslustig an.

"Das ist doch hier völlig egal", fauchte sie. "Sie sollten nur eins wissen - und zwar, daß wir Ihre miesen Pläne auf jeden Fall unterbinden werden!" Sie setzte ein zuckersüßes Lächeln auf. Gut, Firestar mochte etwas gegen den Film haben, aber sie hatte mindestens doppelt so viel Grund, Pierre Coderay auseinanderzunehmen. Sie mit Firestar zu verkuppeln! Pah!

Jener überlegte unterdessen, auf welche Art und Weise er diese vier Leute vom Angesicht des Weltraums tilgen könnte. Eine klitzekleine Bombe des Nachts in deren Quartieren? Aber nein, das hinterließ zu viele Spuren eines Attentats.

Auf einmal kratzte er sich am Kopf. Nanu, der eine Mann, der bislang noch gar nichts geäußert hatte, sah Firestar verblüffend ähnlich. Sollte es möglich sein, daß der echte Firestar per Zufall hier auf der Couronne de l'Espace war? Dann wäre es auch klar, was die Leute hier gegen diesen Film hatten, obwohl er doch den tatsächlichen Gegebenheiten eigentlich bis ins letzte Detail nachgedreht werden sollte. Allerdings würde es ihn in diesem Falle wundern, seit wann Firestar Verstärkung brauchte. Coderay zuckte gedanklich mit den Schultern - er würde ihn einfach fragen, ob er ihn engagieren konnte. Umbringen könnte er ihn immer noch, wenn er die Rolle ablehnte. Er faßte Alayvyn genauer ins Visier.

"Sagen Sie, Monsieur, hätten Sie nicht Interesse, die Rolle des Firestar in meinem Film zu übernehmen? Ich habe bislang noch niemanden gefunden, der diesen Charakter nach meinen Vorstellungen gut verkörpern könnte", begann er. Derzeit hatte er nur ein billiges Double dabei, mit dem er schon einmal ein paar unwichtigere Szenen drehen wollte.

"Nicht im Geringsten, Monsieur Coderay. Ich bin Prinz Alayvyn zu Amriella und Allamira und kann es weder mit meinen Pflichten noch mit meinem Stand als Prinz von Naravina vereinbaren..."

"Bedauerlich", bemerkte Pierre Coderay. Damit wäre das Todesurteil für alle vier unterzeichnet. Andra, die der Angelegenheit bis jetzt verwundert gefolgt war, konnte sich absolut nicht vorstellen, warum dieser Regisseur den komischen Prinzen engagieren wollte. Gut, er sah Firestar recht ähnlich - aber die Persönlichkeit! Er war einfach viel zu arrogant. Außerdem fand sie dieses Filmprojekt eh völlig überflüssig. Sie hatte schon die früheren Firestar-Filme nicht ausstehen können, und dieser Produzent war ihr zusätzlich überaus unsympathisch.

Jaynevra sah kopfschüttelnd vom einen zum anderen. Es war Alayvyns großes Glück gewesen, daß er die Sache abgelehnt hatte, denn alleine der Gedanke, daß er und die Malé zusammen spielen sollten...

Abgesehen davon, er und ausgerechnet Firestar spielen? Aber was sollte es... Sie beschloß, daß es langsam angebracht wäre, sich dezent zurückzuziehen. Irgendwie hatte sie ein höchst ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Auch Tanyuk fühlte sich mehr und mehr unbehaglich. Er hatte den unbestimmten Verdacht, daß mehr hinter diesem Filmprojekt steckte als es bis jetzt schien, und er würde dahinter kommen. Jedoch, im Augenblick war es Zeit für einen geordneten Rückzug.

"Wir werden Sie jetzt verlassen, Monsieur Coderay", verkündete er. "Und überlegen Sie sich gut, was Sie zu unternehmen gedenken!" Tanyuk verließ mit Andra den Raum, dicht gefolgt von Jaynevra und Alayvyn. Als sich die Prinzessin noch einmal kurz umdrehte, bemerkte sie Coderays Blick. Er jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken.

Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, schlang sie einen Arm um Alayvyns Mitte und blickte zu ihm auf.

"Es ist spät, Mylord. Ich schlage vor, wir ziehen uns zurück."

"Wie Ihr es wünscht, mein Herz." Die beiden machten sich auf in Richtung Deck III. Andra und Tanyuk schlugen ebenfalls den Weg zu ihrer Kabine ein, die auch auf diesem Deck lag.

"Ich könnte diesen Knilch erwürgen", meinte Andra zornig.

"Nicht doch", wehrte Tanyuk ab. "Aber wir sollten allergrößte Vorsicht walten lassen."

Jaynevra war etwas irritiert. Die beiden anderen verfolgten sie offenbar.

"Mir scheint, Ihr habt denselben Weg wie wir?" erkundigte sie sich, wobei sie sich fragte, wer die Frau in Firestars Begleitung war. Sie kam ihr höchst bekannt vor, aber irgendwie weigerte sie sich, diese Erkenntnis zu akzeptieren. Nein, sie war es bestimmt nicht...

"Wir haben eine Kabine auf Deck III", erläuterte Tanyuk, während Andra fand, daß sie diese Leute langsam loswerden sollten. Sie wollte mit ihm alleine über diese Sache sprechen.

"Ähm", machte Jaynevra leicht gestreßt. "Wir auch. III/37."

"Wir haben III/38", stellte Tanyuk irritiert fest. Immer diese Zufälle!

"Wie wundervoll", sagte die Prinzessin mit einem höchst falschen Lächeln. "Dann werden wir uns bestimmt noch des öfteren sehen!" Sie konnte sich eindeutig etwas besseres vorstellen.

'Grumpf!' Andra lächelte gezwungen. Die gingen ihr auf die Nerven! Warum war sie bloß auf diese dumme Kreuzfahrt gegangen?!

"Mit Sicherheit!" meinte sie.

'Leider', dachte Tanyuk.

"Ihre Bekanntschaft ist eine Bereicherung unserer Reise."

"Ich empfinde ebenso", verkündete Jaynevra strahlend. Alayvyn lächelte hoheitsvoll und deutete eine Verbeugung an.

"Es ist mir eine Ehre", sagte er formell.

"Ganz meinerseits", entgegnete Tanyuk. Hoffentlich waren sie bald da.

Noch drei Minuten vergingen mit dem Austausch leerer Höflichkeitsfloskeln und Komplimente, bis sie vor III/37 standen.

"Wir müssen uns nun von Euch verabschieden", meinte Jaynevra betont betrübt. "Ich wünsche, Ihr ruht wohl!" Sie wandte sich zu Alayvyn um und lächelte ihn verliebt an, bevor sie in ihrem Quartier verschwanden.

Andra und Tanyuk stießen beide gleichzeitig einen Seufzer der Erleichterung aus. Endlich waren sie allein! Sie begaben sich in ihre Kabine.

* * *

Jaynevra befreite sich erst einmal von den unpraktischen Handschuhen, Pumps, Schmuck und sonstigen Einzelteilen. Ah, endlich frei! Mit Turbotempo verschwand sie im Bad, um sich kurz frischzumachen. Wenige Sekunden darauf steckte sie ihren Kopf aus der Duschkabine.

"Sag mal, Cay, gehe ich recht in der Annahme, daß dieser Typ da wirklich Firestar ist?!"

"Du solltest ihn selbst fragen", wich 'Alayvyn' aus, während er seine Accessoires von Cape bis Energiepeitsche ebenfalls ablegte und ihr anschließend Gesellschaft leistete. "Mir behagt eine andere Angelegenheit weniger: Pierre Coderay."

"Stimmt. Hast du seinen Blick gesehen, als wir aus seinem Quartier gingen? Es war richtiggehend unheimlich!" Alayvyn griff sich den Behälter mit dem Duschgel und begann, seine Gefährtin zärtlich einzuseifen.

"Mach dir nichts draus. Ich bin doch bei dir..." Er grinste Jaynevra an und nahm sie in die Arme, während sie weiter von dem warmen Wasser berieselt wurden.

"Ah, mein Held!" meinte sie kichernd, bevor sie den Trockner aktivierte, der sie in einen angenehm temperierten Luftstrom hüllte. "Ich schlage vor, wir kümmern uns morgen um diese Sache. Für heute habe ich eine viel bessere Idee..." Sie zog ihn mit sich auf das Bett, wo sie beschlossen, sich lieber eingehender einander zu widmen als sich unnütze Gedanken über ein unnützes Filmprojekt zu machen.

* * *

"Dieser Pierre Coderay scheint mir verdammt gefährlich", meinte Andra und warf erst einmal ihre Perücke in die Ecke. Schuhe und Kleid folgten; sie wollte endlich den Kleister los werden und stürmte ins Bad.

"Ich bin auch dieser Meinung. Er ist mit Sicherheit nicht nur ein Regisseur oder Produzent. Seine Angst zeigte deutlich, daß er irgendetwas zu verbergen hat." Tanyuk hatta es sich auf dem Bett bequem gemacht. "Wir sollten wirklich nichts außer acht lassen."

Andra kam aus dem Bad zurück und schmiegte sich in seine Arme.

"Ich verlasse mich da ganz auf dich", meinte sie, bevor sie beschloß, das Thema in andere Bahnen zu lenken, indem sie Tanyuk hingebungsvoll küßte.

Morgen war auch noch ein Tag...

* * *

3762/09/36 GZ

"Ich will nicht!" Jaynevra räkelte sich in den Federn und kuschelte sich wieder eng an Alayvyn.

"Ich habe aber Hunger", machte dieser sie zwischen zwei Küssen dezent aufmerksam.

"Püh, so eine Massenabfertigung am frühen Morgen..."

"Essen ist Essen."

"Hm", brummelte sie, immer noch nicht allzu überzeugt. Alayvyn befreite sich sachte aus ihrer Umarmung und stand auf. Jaynevra sah ihn schmollend an. "Wieviel Zeit haben wir denn noch?"

"Wir sollten uns fertig machen." Er zeigte in Richtung Bad. "Ich gehe schon mal vor..."

"Hey! - Also, wenn schon, dann komme ich mit unter die Dusche. Wenn ich dich schon nicht dazu überreden kann, hier zu bleiben..." Sie deutete auf den Platz neben sich.

Etwa eine Stunde später hatten sie es dann doch geschafft und suchten - erneut in voller Maskerade - das Frühstücksbuffet auf.

* * *

Andra konnte sich nicht entschließen, das warme Bett zu verlassen. Tanyuk hingegen war wie immer überaus aktiv. Dieser Elan am frühen Morgen... Furchtbar. Sie geruhte erst, die Augen zu öffnen, als Tanyuk ihr die Decke fortzog.

"Du bist gemein!" beschwerte sie sich.

"Nein, nur hungrig." Er hob sie aus dem Bett, um sie unter die Dusche zu stellen, wobei Andra sich vergeblich bemühte, dies zu verhindern.

Endlich waren sie bereit, sich zum Frühstück zu begeben.

"Können wir jetzt gehen?" fragte Tanyuk ungeduldig.

"Habe ich eine andere Wahl?" Andra sah ihn an.

"Nein!" meinte er und legte den Arm um ihre Taille. "Wir sollten uns beeilen, sonst ist alles schon aufgegessen."

"Typisch", seufzte Andra.

* * *

Alayvyn hatte sich nun schon zum zweiten Mal einen enormen Berg Futterage auf seinen Teller gehäuft. Jaynevra bemerkte amüsiert die irritierten Blicke der übrigen Gäste. Hm, wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre sie lieber noch etwas im Bett geblieben - vor allem, wo sie gerade das Pärchen erspähte, mit dem sie gestern bei Pierre Coderay eingefallen waren.

Bei Sichtung des Buffets beschleunigte Tanyuk sofort seine Schritte. Alayvyn und Jaynevra waren bereits anwesend. Schnell ließ Tanyuk seinen Blick über den Tisch schweifen. Hm, dürfte ausreichen.

"Guten Morgen", rief er fröhlich, bevor er sich auf die Fressalien stürzte. Andra schüttelte nur den Kopf.

"Morgen!" grumpfte sie. Es war noch soooo früh...

Jaynevra lehnte ausgesprochen müde an ihrem Gefährten.

"Moin", machte sie verschlafen, während sie sich an ihrem Kaffeebecher festhielt. Vor der zweiten Tasse war es immer ein Risiko, sie anzusprechen. Alayvyn hob eine Augenbraue. Sie sollte zusehen, daß sie auch morgens sorgfältig auf ihre Tarnung achtete!

Andra schaute die Prinzessin verwundert an. Das paßte irgendwie so gar nicht zu einer Naravina aus dem Hochadel. 'Sehr verdächtig', dachte sie. Zudem kam ihr dieser Alayvyn immer bekannter vor. Nachdenklich lud sie sich den Teller voll.

Prinzessin Jaynevra wählte ein paar Gurkenstückchen und einige Löffel Obstsalat aus. Sie hatte zwar inzwischen ein Kilo abgenommen, aber drei sollten noch folgen. Sie sah ihren Gefährten fragend an, und dieser nahm einen gefüllten Extrateller zu seinem vorigen und folgte ihr zu einem unbesetzten Tisch.

Andra war erstaunt. Das kam ihr doch sehr suspekt vor. Sollten es wirklich...? Das bedurfte einer Überprüfung. Sie folgen den beiden, und Tanyuk, der sich derweil ebenfalls zwei Teller beladen hatte, schloß sich ihr an.

"Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?" erkundigte sich Andra höflich.

'Wenn es denn unbedingt sein muß', dachte Jaynevra genervt und setzte ein strahlendes Lächeln auf. So eine Anstrengung um diese unheilige Uhrzeit! "Aber natürlich!" entgegnete sie. "Ich bin entzückt, daß Ihr uns Gesellschaft leisten wollt!"

"Sicherlich", stimmte Alayvyn zu.

"Ich danke Euch", sagte Andra und nahm Platz. Tanyuk setzte sich ebenfalls und betrachtete seine Freundin nachdenklich. Sie hatte irgendetwas vor.

Jaynevra war sich mittlerweile sicher, daß es sich bei Tanyuk um Firestar handelte. Cays Ausweichversuch hatte ihren Verdacht nur bestätigt. Sie fragte sich bloß, ob diese Lady wirklich die war, die sie unter dem ganzen Make-Up vermutete.

"Vielleicht sollten wir uns ja erst einmal vorstellen", schlug sie vor. "Ich bin Jaynevra, Prinzessin zu Amriella und Allamira, und dies ist mein geliebter Gemahl, Prinz Alayvyn."

"Mein Name ist Andra Oliveri, und das ist Tanyuk Hegyi", erwiderte Andra. Es schien ihr, daß ihr Verdacht nicht unbegründet war. Dem ganzen Benehmen des Mannes nach zu schließen, konnte es sich bei ihm eigentlich nur um Sir Cayvyn handeln. Und dann mußte die Frau unbedingt Acy sein. Aber wozu diese Maskerade?!

"Sehr erfreut, Mademoiselle Oliveri, Monsieur Hegyi", gab Jaynevra huldvoll von sich, bevor sie sich an ihren Prinzen wandte. "Mylord Alayvyn, seid Ihr so lieb und holt mir noch einen Kaffee?"

"Selbstverständlich, Mylady!" Er machte sich sogleich auf den Weg, und Jaynevra sah ihm liebevoll hinterher. Jetzt war sich Andra vollkommen sicher. Das war Acy!

"Habt Ihr schon etwas von Monsieur Coderay gehört?" fragte Tanyuk.

"Noch nicht, Monsieur Hegyi. Ich muß Euch allerdings gestehen, daß ich ein höchst ungutes Gefühl habe, wenn ich an denselben denke. Habt Ihr eventuell bereits Nachricht von ihm erhalten?"

"Nein. Aber ich bin überzeugt, daß er etwas plant."

"Dies ist auch unsere Befürchtung", stimmt Jaynevra ihm zu, als Alayvyn mit ihrem Kaffee zurückkehrte. Sie strahlte ihn an. "Habt Dank, Licht meines Lebens!" Diesem gelang es nur gewaltsam, sein Grinsen zu unterdrücken.

"Ich fürchte, Monsieur Coderay beabsichtigt, einen Anschlag auf uns zu inszenieren. Wir scheinen ihn in Panik versetzt zu haben", führte Tanyuk seine Gedankengänge aus.

"Ich gehe gänzlich mit Euch konform", beteiligte sich nun auch Alayvyn an der Unterhaltung. "Es wäre vielleicht sinnvoll, wenn wir die Damen bis auf weiteres in Sicherheit brächten und uns einmal darum kümmerten."

Jaynevra war kurz davor, einen Wutanfall zu bekommen, aber als naravinische Prinzessin geziemte es sich nicht für sie, an irgendwelchen gefährlichen Aventüren teilzunehmen.

"Keine schlechte Idee", erwiderte Tanyuk. Ihm war es bedeutend lieber, wenn Andra sich außerhalb der Schußlinie befand.

"Mylord, ich möchte Euch dennoch begleiten", äußerte Jaynevra mit ziemlich unerbittlichem Unterton, obwohl sie weiterhin freundlich lächelte. Wenn es nach ihr ginge, würde sie diese Aktion leiten, dachte sie grimmig. So gut ihr Partner auf seinen Gebieten war, so sehr mangelte es ihm an wirklich genialer Kreativität, der Eigenschaft, die ihren Plänen (falls vorhanden) in der Regel die völlige Unberechenbarkeit verlieh.

"Ich werde auch mitkommen!" Andra sah es gar nicht ein, daß sie irgendwo deponiert wurde und wieder nichts von der Action mitbekam.

"Meine Damen..." begann Alayvyn beschwichtigend.

"Nein, mein Schatz, ich bin dabei", schnurrte Jaynevra gefährlich leise, und Alayvyn breitete resignierend die Arme aus. Sie wäre in dieser Stimmung nicht einmal davon abzuhalten, einen Durchflug durch einen roten Überriesenstern zu versuchen.

"Wie Ihr meint, Mylady..."

Tanyuk zuckte mit den Schultern. Dann kamen sie eben mit... Auf diese Weise konnte man wenigstens verhindern, daß die beiden Ladies irgendwelche Dummheiten machten, wie zum Beispiel auf eigene Faust loszuziehen.

"Können wir uns nun auf den Weg machen?" erkundigte er sich.

"Nein. Ich muß mich noch umziehen", bemerkte Jaynevra und sah an ihrem zwar sehr dekorativen aber zu einem Einsatz völlig ungeeigneten Gewand herunter. Tanyuk blickte sie ausgesprochen genervt an. Frauen...!

"Oh ja! Dieses Kleid ist ebenfalls ausgesprochen unpraktisch", stellte Andra fest. Dem konnte Tanyuk zwar nur zustimmen - aber trotzdem...

"Nun gut. Ich gebe Ihnen 25 Minuten, meine Damen", beschloß er. "Keine Sekunde mehr!"

Jaynevra und Andra trollten sich. Exakt 24 Minuten und 99 Sekunden später waren sie wieder da. Die Prinzessin trug nun einen mitternachtsfarbenen Freizeitcoverall, gleichfarbige Handschuhe & Stiefel und hatte ihre goldenen Locken zu einem festen Dutt aufgesteckt, den sie unter einem Haarnetz gesichert hatte. Andra war in einen dunkelgrünen Overall gehüllt und hatte ihr langes, feuerrotes Haar zu einem Zopf geflochten.

"Ihr seid überaus pünktlich", lobte Tanyuk die beiden.

"Nun - wo geht's lang?" wollte Jaynevra wissen.

"Ich würde sagen, erst einmal zu Coderays Kabine."

"Okay. Folgt mir!" bestimmte die Prinzessin und setzte sich forsch an die Spitze. Die anderen mußten sich beeilen, mit ihr Schritt zu halten. Tanyuk hoffte, sie hatte keinen Plan.

Jaynevra nahm schnurstracks Kurs auf Deck V. Vor einer Wartungsklappe machte sie halt.

"Alayvyn!" sagte sie, und dieser grub einen kleinen Werkzeugsatz aus einer seiner Hosentaschen, bevor er sich daranmachte, die Klappe zu entfernen. Andra rümpfte die Nase. Sie hatte es geahnt! Auch Tanyuk war nicht gerade begeistert, mußte aber zugeben, daß diese Methode besser war als noch einmal auf direktem Weg bei Pierre Coderay einzufallen.

Jaynevra kletterte als erste in den Schacht. Sie haßte Wartungstunnels. Bislang hatte sie wohl noch kein Abenteuer hinter sich gebracht, in dem sie nicht mindestens einmal durch verdreckte Gänge oder gar Abwasserkanäle krauchen mußte. Alayvyn grinste sie an und stieg ebenfalls durch die Öffnung, und die beiden anderen krabbelten hinterher. Andra hatte das Gefühl, ihr halbes Leben in irgendwelchen Schächten zu verbringen. Für Tanyuk hingegen war es eine völlig neue Erfahrung. Er bevorzugte sonst andere Methoden der Annäherung.

"Wo sind wir, mein Schatz?" fragte Jaynevra Alayvyn. Dieser überlegte kurz.

"Zehn Meter vor uns sollte eine Abzweigung sein. Dort geht es nach rechts, und dann müßte ein vertikaler Schacht nach unten existieren, welcher direkt in Coderays Kabine führt", erwiderte er.

"In Ordnung." Sie robbten weiter.

"Na, hoffentlich ist er wenigstens nicht da", ertönte Andras Stimme aus dem Hintergrund.

"Mhm", machte Jaynevra-Alycia nur. Andra war erstaunt, welche Aktivität ihre Schwester an den Tag legte. Ts, sonst war sie doch nicht so...

Inzwischen fand Tanyuk die Idee mit dem Schacht gar nicht mehr so toll. Es dauerte viel zu lange und war zudem ausgesprochen langweilig.

Endlich gelangten sie an das gesuchte Lüftungsgitter. In Coderays Kabine war keine Beleuchtung aktiviert, und man konnte von außen rein gar nichts erkennen. Jaynevra fluchte lästerlich.

"Alayvyn, guck du doch bitte einmal nach!" Dieser tat, wie ihm geheißen und scannte das Quartier im Infrarotbereich.

"Soweit ich sehen kann, ist niemand da."

"Geht's endlich weiter?" Andra hielt sich krampfhaft an der Leiter fest.

"Jawohl." Jaynevra klappte das Lüftungsgitter beiseite und zwängte sich durch die enge Öffnung, die zum Glück direkt über dem Fußboden endete. 'Die drei Kilo müssen unbedingt runter', dachte sie gestreßt, als ihr Partner wieder einmal nachschieben mußte. Alayvyn und Andra folgten durch das Loch, während Tanyuk den Abschluß bildete. Endlich standen alle vier im Zimmer.

"Macht doch mal jemand Licht! Ich sehe hier rein gar nichts", beschwerte sich Andra und stolperte gleich gegen Alayvyn.

"Mademoiselle, paßt auf!" bemerkte er vorwurfsvoll und tippte an den Sensor der Kabinenbeleuchtung. Sofort begann Andra, diverse Schränke und Kommoden zu durchsuchen. Tanyuk sah sich erst einmal genauer um, während Alayvyn bereits einen Minicomputer auf dem Schreibtisch entdeckt und aktiviert hatte. Jaynevra ging zu ihrem Gefährten, stützte sich auf seinen Schultern auf und beobachtete, was er unternahm.

Tanyuk hatte eine Idee. Er sah hinter dem ausgesprochen scheußlichen Bild nach, das wenig dekorativ über dem ausgedehnten Bett hing. Wie vermutet, befand sich dort ein Tresor wie in allen Kabinen dieser Kategorie. Sogleich machte er sich daran, den Safe zu öffnen.

Derweil hatte Alayvyn sämtliche gefundenen Daten vorsorglich kopiert und begann mit der Analyse. Jaynevra hatte nichts zu tun und beschloß, das Bad zu durchsuchen. Sie fand nichts von Interesse.

Inzwischen war es Tanyuk gelungen, das Schloß zu überlisten. Sein langjähriges Training mit Tresoren aller Art machte sich wieder einmal bezahlt. Er räumte den gesamten Inhalt des Safes auf den Tisch. Neben einigen Wertsachen waren diverse Papiere dabei und eine nachlässig gebundene Kladde mit rotem VERTRAULICH-Stempel. Rasch sah Tanyuk die Blätter durch.

"Hm. Diese Aufzeichnungen beschreiben die geplante Reiseroute des Filmteams", bemerkte er.

"Hm-hm", machte Alayvyn. "Ich habe die Daten von Coderays Computer analysiert. Sie sind nicht sehr aufschlußreich. Es handelt sich um Anforderungsbögen für verschiedenes Filmzubehör wie Kameras, Scheinwerfer et cetera. Ansonsten sind hier nur die Besetzungslisten der aktuellen Coderay-Filme abgespeichert. Bei Return of Firestar ist die Titelrolle derzeit nur mit einem Ersatzmann besetzt", erwähnte er mit hochgezogener Augenbraue. Tanyuk war noch bei der Reiseroute.

"Hier sind einige Orte mit Kreuzen markiert. Aber was soll das bedeuten? "Oha! Hier ist übrigens auch eine Kopie des Drehbuchs!" Tanyuk konnte der Versuchung nicht widerstehen, es kurz durchzublättern. Er hob irritiert die Augenbrauen. "Also wirklich...!"

"In den Schränken ist nichts besonderes", verkündete Andra und sah neugierig auf das Drehbuch. Was stand denn da, das Tanyuk so amüsierte? Alayvyn streckte seine Hand nach der Kladde aus.

"Darf ich?" Tanyuk reichte ihm das Teil. Auch Alayvyn ging es kurz durch, und ein breites Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Jaynevra stampfte verärgert mit dem Fuß auf. Sie wollte auch wissen, was da drin stand. Aber leider hatte sie bei weitem nicht Cays Lesegeschwindigkeit, und einfach mitnehmen wäre wohl zu verdächtig. Frust. Andra war genauso sauer, daß Tanyuk ihr das Buch unter der Nase weggezogen hatte. Gemeinheit!

"Die Wahrheit..." meinte Tanyuk mit einem tragischen Seufzer.

"Tja!" sagte Alayvyn und betrachtete seine Gefährtin sowohl belustigt als auch nachdenklich. Also, daß sie... Ts ts ts.

"Ich will wissen, was da drin steht", beschwerte sich Andra.

"Wir haben jetzt keine Zeit dazu", meinte Tanyuk und packte den gesamten Tresorinhalt sorgfältig wieder zurück. Jaynevra blickte dem Drehbuch sehnsüchtig hinterher. Aber vielleicht gelang es ihr ja, ihren Gefährten dazu zu überreden, die Daten in den Computer ihres Quartiers einzuspeisen, damit sie sich ein Solido davon ausdrucken konnte... Andra hegte ähnliche Gedanken. Sie war zu neugierig auf den Inhalt des Films.

"Ich glaube, wir sollten langsam wirklich verschwinden", äußerte sich Tanyuk auf einmal. "Es kommt jemand."

"Akzeptiert." Alayvyn baute sich vor der Luke auf und schob seine Partnerin hindurch, bevor er hinterher kletterte. Tanyuk, der wieder die Nachhut bildete, verschloß das Gitter sorgfältig hinter ihnen.

"Okay, wir können."

Nach wenigen Minuten befanden sie sich erneut auf Deck III.

"Ich glaube, ich schiebe langsam Kohldampf", bemerkte Alayvyn. Andra seufzte, als Tanyuk Gleichlautendes äußerte. Die waren einfach nicht zu bremsen.

"Ich denke, es gibt noch etwas in der Kantine", sagte Tanyuk.

"Gut. Gehen wir", bestimmte Alayvyn. Jaynevra blickte an sich herab. Sie waren allesamt total verdreckt von der ganzen Kraucherei.

"Also, ihr könnte gerne so losziehen", meinte sie und sah angewidert in die Runde. "Ich jedenfalls werde mich erst duschen und umziehen."

"Nun... Ich glaube, es wäre nicht unsinnig, diesem Vorschlag Folge zu leisten. Damit dürften wir dumme Fragen vermeiden können..." Tanyuk fand, daß sie eh schon genug Probleme hatten.

"Gut. Wir treffen uns dann in einer halben Stunde am Buffet."

* * *

Diesmal trug Prinzessin Jaynevra ein verschwenderisch mit Kupfer und Silber besticktes Gewand aus einem schimmernden, türkisfarbenen Stoff, während Alayvyn weiterhin Schwarz vorzog. Tanyuk hatte sich für einen silber/blauen Overall entschieden, und Andra war in ein goldenes Kleid gewandet, das anscheinend nur aus Streifen bestand.

"So." Alayvyn hatte sich vier Steaks auf seinen Teller getürmt und war mit den Beilagen aus Platzgründen auf einen zweiten Teller ausgewichen. Jaynevra schluckte dezent und knabberte weiter Gurken und ein ganz mageres Stück Synthofleisch.

Zu ihrer Beruhigung war Tanyuk gleichfalls völlig unbescheiden und lud sich zwei Teller bis zum Rand voll. Andra seufzte und beschränkte sich auf Grünzeug.

"Also, was für einen Weg gedenken diese Filmfreaks einzuschlagen?" erkundigte sich der naravinische Prinz. Tanyuk zitierte die einzelnen Stationen der Route, wobei er die markierten Orte besonders erwähnte.

"Hm-hm." Alayvyn überlegte kurz. "Viel bringt uns das leider nicht. Ich werde dir die Daten übertragen, die ich aus dem Computer abgezogen habe." Er ließ den Worten die Tat folgen, und Andra fühlte sich irgendwie übergangen. Tanyuk versuchte nun seinerseits, etwas aus den Informationen zu schließen, doch es gab anscheinend keinerlei Zusammenhänge.

"Es macht einfach keinen Sinn!" erklärte er schließlich.

"Bedauerlicherweise sehe ich mich gezwungen, dir zuzustimmen", gab Alayvyn zu. Jaynevra war frustriert. Manchmal war es einfach schrecklich, wenn ihr werter Gefährte alle seine Fähigkeiten bis ins Detail ausspielte. Sie kam sich dann immer furchtbar nutzlos und unterlegen vor.

"Wir brauchen mehr Informationen", sagte Tanyuk und machte eine unschlüssige Geste. Jaynevra lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und wippte mit dem Fuß.

"Ich habe eine Idee", verkündete sie plötzlich.

"Was?" fragte Tanyuk mißtrauisch, während er einen höchst bedeutsamen Blick mit Alayvyn wechselte.

"Ich werde mich in das Filmprojekt einschmuggeln."

Tanyuk zog die Augenbrauen hoch. "Als was?"

"Ich werde die weibliche Hauptrolle übernehmen - was sonst?"

"Oh-oh...!" Tanyuk grinste äußerst anzüglich.

"Dann bestehe ich darauf, die männliche Hauptrolle zu spielen", erklärte ihr Gefährte kategorisch. Tanyuk guckte ihn amüsiert an. Damit hatte er irgendwie gerechnet... Andra fand das Ganze einfach witzig.

"Wieso?" wollte Jaynevra wissen. "Es reicht doch völlig, wenn ich mich einschmuggele und du wie üblich die Rückendeckung machst..."

"Kommt gar nicht in Frage! Glaubst du, ich lasse es zu, daß du mit irgendeinem dahergelaufenen Typen die ganzen Liebesszenen spielst...?!"

Jaynevras Kinnlade klappte herunter.

"Liebesszenen?!"

Alayvyn nickte stumm. Andra sah sie irritiert an. Was entging ihr da schon wieder? Sie mußte dieses Drehbuch lesen! Tanyuk lachte. Damit hatte Jaynevra anscheinend nicht gerechnet.

"Von mir und Firestar?!"

Alayvyn nickte ein zweites Mal. Tanyuk konnte sich nicht mehr beherrschen und prustete los. Alycia gönnte er das, auch wenn er es gar nicht witzig fand, was man ihm da unterstellte. Er wurde plötzlich ernst. Hm, irgendwie mußte er etwas gegen dieses Machwerk unternehmen. Nur was? - Und Cayvyn als Firestar...! Tse. Allerdings würde er wohl von allen dem Original am nächsten kommen... Aber schon alleine aus Prinzip hatte Tanyuk vor, dazwischen zu funken.

"Hm. Ich bin mir im Augenblick nicht mehr ganz so sicher, ob das eine gute Idee von mir war", überlegte Jaynevra eher kläglich. Sie setzte sich bei Alayvyn auf den Schoß und legte ihren Kopf an seine Schulter.

"Aber wenn wir herausfinden wollen, was da faul ist", gab ihr Gefährte zu bedenken. "Und daß etwas faul ist, scheint mir sonnenklar."

"Stimmt. Ich glaube, nur im Filmteam kann man an die Informationen kommen", sagte Tanyuk nachdenklich. "Und wir brauchen diese einfach!"

"Hm-hm... Nun gut. Ich muß herausfinden, wie ich da am besten einsteigen kann. Vor allem sollten wir Gloria Malé unauffällig ausschalten."

"Das dürfte das geringste Problem sein." Tanyuk grinste.

"Die Betonung lag auf dem unauffällig!"

"Hm, das müßte auch zu machen sein. Ihr Vertrag verbietet doch sicher, etwas über den Film zu erzählen, und wenn wir nun ein Gerücht verbreiten..." überlegte er laut.

"Erledigt", stimmte Jaynevra zu. "Ay. Ich muß nur zusehen, daß Monsieur Coderay tatsächlich mich einstellt und nicht so ein anderes Starlet vorzieht..."

"Ich bin sicher, Ihr könnt ihn überzeugen!" Tanyuk lächelte sie an.

"Ich danke für Euer Vertrauen", meinte Jaynevra mit einem schiefen Grinsen.

"Bitte! Aber wir sollten das möglichst bald erledigen!"

"In Ordnung. Kümmert Ihr Euch um das Drehbuch, ich sorge für den Schauspieler-Ersatz."

Das 'Prinzenpaar' stand auf und ging zu seinem Quartier zurück.

* * *

Innerhalb kürzester Zeit war das Drehbuch im Umlauf. Return of Firestar war das Thema des Tages; alle sprachen darüber. Irgendwann bekam auch Pierre Coderay eine Kopie zu Gesicht. Er sprühte vor Zorn.

"GLORIA!"

"Pierre?" fragte sie zaghaft.

"Du bist gefeuert!" Er warf ihr seine erbeutete Drehbuch-Kopie vor die Füße. "Grund: Vertragsbruch. Hau ab, ich will dich hier nie mehr sehen!"

Vollkommen am Boden zerstört, verließ sie das Quartier.

Tanyuk grinste zufrieden, als er davon hörte. Morgen früh sollte Jaynevra auf den Plan kommen...

* * *

3762/09/38 GZ

Müde und zufrieden hatte sich Jaynevra in Alayvyns Armen zusammengerollt und schlief den Schlaf der Gerechten. Alayvyn strich vorsichtig ein paar ihrer Haarsträhnen aus seinem Gesicht und rekapitulierte noch einmal die Angelegenheit Pierre Coderay.

Es gab einfach keinen Ansatzpunkt außer einem vagen unguten 'Gefühl', und dies irritierte Alayvyn. Es war ihm lieber, wenn er rationale Fakten als Grundlage für ein etwaiges Handeln einsetzen konnte. Zumindest hatte Firestar ebenfalls noch nichts herausgefunden.

Alayvyn überlegte, ob er sich in das bordinterne Kommunikationsnetz einklinken sollte, um die Zeit bis zu Jaynevras Erwachen herumzubringen. Manchmal war es schon unpraktisch, daß seine Gefährtin eine normale menschliche Frau war. Wenn er sich vorstellte, daß er gut ein Drittel seines Lebens verschlafen müßte... Nein, er fand seinen Aufbau entschieden sinnvoller als die voll-organische Hardware eines Menschen. Obwohl diese natürlich auch über gewisse Qualitäten verfügten... Zum Beispiel bereitete es ihm Freude, wenn Jaynevra im Schlaf glücklich lächelte und seinen Namen flüsterte. Sie bewegte sich leicht und kuschelte sich enger an ihn. Unbewußt registrierte er ihre Körpertemperatur - 4.9 Grad C höher als seine - Herzschlag, Atemfrequenz... Auf einmal runzelte er die Stirn. Seine Sensoren meldeten einen starken Anstieg der CO-Konzentration in der Luft. Er war davon nicht betroffen, aber in ein bis zwei Minuten würde das Gas Jaynevra vergiftet haben.

Alayvyn sprang aus dem Bett und ging zielstrebig zum Kleiderschrank. Unter den unzähligen Accessoires suchte er zwei schwarz/silberne Gürtel heraus, wobei er einen selbst umlegte und den anderen um Jaynevra schlang.

Eilig tippte er zunächst bei seiner Gefährtin zweimal auf den Violett-Sensor des Gürtels, bevor er einen Mikropeilsender heraussuchte, das Gerät aktivierte und ihr nachfolgte.

Jaynevra wachte auf, als sie auf dem kühlen Bodenbelag der Lightning materialisierte. Sie schüttelte benommen den Kopf.

"Umpf - wo bin ich?" Nun realisierte sie, daß sie bis auf ihren TM-Gürtel gänzlichst unbekleidet war. "Ryko!" rief sie lautstark. Verdammt, woher kamen nur diese höllischen Kopfschmerzen? Außerdem war ihr furchtbar übel, irgendetwas flimmerte unablässig vor oder in ihren Augen herum, und Ohrensausen hatte sie auch. Graaa! Endlich kam ihr Partner aus der Medo-Station. Er war mit einem bleistiftförmigen Hochdruckinjektor bewaffnet, den er ihr an den Hals setzte.

"Was soll das?" Ryko verpaßte ihr eine Ladung eines Antidots, bevor er sie in die Arme nahm und festhielt.

"Kary, man hat versucht, uns mit Kohlenmonoxid zu vergiften."

"Wie bitte?" Sie spürte, wie ihr ein eisiger Schreck in die Glieder fuhr. Sie hatte fest geschlafen, und wenn Ryko nicht gewesen wäre, hätte das Gift schleichend seine Wirkung getan, und sie wäre nie mehr aufgewacht... Sie schlang schutzsuchend die Arme um ihn (diese dummen TM-Gürtel waren äußerst unbequem, stellte sie fest) und schmiegte sich an ihren Partner. "Mh, Ryko... Ich liebe dich."

Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Alycia-Karylla-Jaynevra war so leicht verletzbar. Am liebsten würde er es ihr untersagen, ständig bei allen noch so gefährlichen Unternehmungen an vorderster Front zu stehen, aber er wußte, daß sie in dieser Sache niemals auf ihn hören würde. Er wunderte sich über sich selbst. Erst seit der letzten Zeit überkamen ihn derart merkwürdige Anwandlungen, und er wußte einfach nicht, was er davon zu halten hatte. Endlich hatte sich Blackfire wieder soweit gefaßt, daß sie in der Lage war, ihren obligatorischen Wutanfall ob einer solchen Frechheit wie einem Attentat zu bekommen.

"Das war bestimmt dieser Coderay!" fauchte sie und löste sich aus Rykos Umarmung, um wie eine gereizte Tigerin in der Zentrale ihres Raumers auf und ab zu marschieren. Sie beglückwünschte sich zu ihrer Idee, die Lightning via Autopilot an die Couronne de l'Espace zu hängen; frau konnte nie wissen, ob es nicht irgendwann einmal notwendig war, seine Einsatzbasis griffbereit zu haben. Ryko musterte seine Partnerin unterdessen amüsiert; es sah zu albern aus, wie sie - nur mit ihrem TM-Gürtel bekleidet - durch den Leitstand wetzte. Dann allerdings sah er an sich herab und zuckte mit den Schultern. Er gab wohl auch kein besseres Bild ab.

"Ich stimme dir zu", meinte er. "Was gedenkst du zu unternehmen?"

"Ich werde ihn in kleine Stückchen zerhacken und an ein paar sinhalonische Zahnranken verfüttern", knirschte sie. "Aber vorher werde ich ihn auf einige interessante und höchst schmerzhafte Weisen zu Tode bringen..."

"Zügele deine niederen Triebe", meinte Ryko mit hochgezogenen Augenbrauen. "Ich meine, was willst du ernsthaft unternehmen?"

"Hm. Keine Ahnung... Laß mal überlegen..." Karylla legte ihren TM-Gürtel ab und deponierte ihn auf dem Solido-Printer. "Sag mal, wo werden eigentlich etwaige Leichen auf der Couronne aufbewahrt?"

"Wie kommst du denn jetzt darauf?" Ryko hatte wieder einmal Mühe, den verwirrenden Gedankengängen seiner Partnerin zu folgen. "Ich denke, das Schiff müßte ein, zwei Stasiskammern besitzen."

"Wie lange kann ein Mensch im künstlichen Winterschlaf in den Stasiskammern am Leben bleiben?"

"Einige Monate bestimmt - Was hast du vor, Kary? Du planst etwas Verrücktes, soviel ist mir klar... Verrätst du mir, was?!" Er trat zu ihr hin und streichelte sie zärtlich. Dieser Methode hatte sie noch nie widerstehen können.

"Mmmmh", seufzte sie behaglich. "Sag mal, könntest du den 'trauernden Witwer' spielen?" Karylla schmiegte sich an ihn, wobei sie den Verschluß seines TM-Gürtels öffnete und das Teil einfach fallen ließ. Sie rieb ihre Wange an seiner Brust und atmete seinen Duft ein.

"Ich denke schon - warum?"

"Oh, mein Prinz Alayvyn, Eure Gemahlin Jaynevra ist heute nacht einem bedauerlichen Unfall zum Opfer gefallen..."

"Du willst doch nicht tot spielen und dich für den Rest der Reise in Stasis begeben?!" Ryko war ehrlich entgeistert.

"Nein!" Karylla sah ihn belustigt an. "Ich dachte, du kennst mich besser. Ich suche mir einfach eine alleinreisende Lady in meinem Alter etc., packe sie in eine der Stasis-Kammern - natürlich als Jaynevra zurechtgemacht - und schlüpfe selbst in deren Rolle."

"Das wirst du wohl nie lassen können..." Ryko schüttelte amüsiert den Kopf, bevor er in Gedanken die Passagier- und Crewliste durchging. "Ich wüßte auch schon jemanden für dich. Helena LaFeurelle, 3. Funkerin der Couronne de l'Espace. Sie ist zwar kein Passagier, aber diese Kreuzfahrt ist ihr erster Flug auf diesem Schiff."

"Wie sieht sie aus?"

Ryko hielt seine Partnerin auf Armeslänge Abstand und betrachtete sie eingehend.

"Nicht halb so gut wie du." Er zog sie wieder zu sich heran, hob ihr Kinn an und gab ihr einen sanften Kuß auf die Lippen. Karylla spürte, daß sie wieder einmal drauf und dran war, seiner unglaublichen Anziehungskraft zu erliegen. Dabei sollten sie lieber zusehen, ihr neustes Spielchen im Detail vorzubereiten. - Aber Rykos Nähe, sein superschlanker und doch so männlicher Körper... 'Nana', rief sie sich zur Ordnung. 'Jetzt nicht!'

"Ryko, hast du ein Bild von dieser Helena LaFeurelle?" wechselte sie das Thema. Dieser ließ sie los und klinkte sich über den Lightning-Bordcomp in den Zentralcomputer der Couronne ein. Kurz darauf zierte ein hübsches, von kurzen, goldblonden Haaren umrahmtes Frauengesicht den Zentralmonitor. Helena hatte große, leuchtendblaue Augen und einen goldrotgeschminkten Kußmund.

"Hm, das müßte zu machen sein", überlegte Blackfire. Die Uniform würde sie auf dem Liner einkassieren... Apropos Uniform - sie sollte sich endlich etwas überziehen. Um genau zu sein, sollte sich vor allem Ryko etwas anziehen. Sie ließ einen begehrlichen Blick über sein Exterieur schweifen, bevor es ihr gelang, sich wieder zusammenzureißen. "Ryko, was meinst du, wann wird man den Mordversuch entdecken? Ich meine, wieviel Zeit habe ich, um Helena als 'Opfer' vorzubereiten?"

"Ich denke, sechs oder sieben Stunden", erwiderte Ryko.

"Hm. Das wird ziemlich knapp. Wir sollten uns also an die Arbeit machen." Karylla verschwand in ihrem Quartier und frequentierte erst einmal das Bad. Diesmal verzichtete Ryko darauf, ihr Gesellschaft zu leisten, aber das war ganz gut so, sonst würden sie sicherlich wieder alle guten Vorsätze vergessen und sich lieber anderweitig beschäftigen.

* * *

Kurz darauf steckte sie in einem weißen Freizeitcoverall. Der Einfachheit halber beschloß sie, ihre eigenen Haare goldblond einzufärben, Ryko müßte ihr nur noch Helenas Frisur verpassen. Sie war nicht sehr begeistert, ihre mittlerweile ein paar Zentimeter nachgewachsenen Haare schon wieder einer neuen Verkleidung zuliebe opfern zu müssen - aber naja... Wenige Minuten später war es geschafft. Nun noch das Make-Up, et voilà! Aus dem Spiegel schaute ihr Helena LaFeurelle entgegen.

Karylla packte die Jaynevra-Perücke, eine der dazugehörigen Roben und ein kleines Make-Up-Kit zusammen, um nunmehr die Funkerin der Couronne in die naravinische Prinzessin zu verwandeln. Sie legte ihren TM-Gürtel um und sprang in ihr Quartier, wo sie eine Intercom-Verbindung zur Kabine Helenas herstellte. Die Sichtverbindung ließ sie desaktiviert, dafür lief ein Aufzeichnungsgerät für die Stimme mit. Karylla war zwar recht gut darin, fremde Stimmen zu imitieren, aber dies über einen längeren Zeitraum durchzuhalten, war so gut wie unmöglich. Daher hatte sie ein Gerät entwickelt, mit dem sie in der Lage war, ihre Stimmlage je nach Bedarf an die Situation anzupassen, einen sogenannten Stimmband-Tuner. Dieser ist ein winziges Instrument, das auf die Stimmbänder aufgeklebt wird und dort das Stimmuster verändert. Leider war das Anbringen des Tuners eine etwas komplizierte Angelegenheit. Naja, Ryko würde sich schon darum kümmern, wenn er mit dem Abhören der Organet- und Freenet-News nach etwaigen Informationen über ein von Pierre Coderay geplantes Unternehmen durch war.

(Das sind die beiden Kommunikations- und Informationssysteme des organisierten bzw. freien Verbrechertums, deren Ruffrequenz nach einen bestimmten Schlüssel in unregelmäßigen Zeitabständen permanent geändert wird.)

"Funkoffizier LaFeurelle", meldete diese sich. "Sie wünschen, bitte?" Ihre Stimme klang ein wenig verwundert, offenbar weil sie ihr Gegenüber nicht sehen konnte.

"Könnten Sie bitte nach III/37 kommen? Es ist dringend."

"Ja - warum?"

"Es ist privater Natur, und ich möchte die Angelegenheit nicht über Intercom erörtern."

"Nun gut..." Man hörte Helenas Schulterzucken förmlich.

"Ich danke Ihnen. Wann werden Sie hier sein?" Blackfires Stimme klang drängend.

"Wenn es so wichtig ist - in fünf Minuten."

"Ich erwarte Sie." Karylla schaltete ab. Ts, die hatte noch nicht mal nach ihrem Namen gefragt... Sie wühlte ihren Pfeilwerfer aus dem Schrank und begab sich in Position.

Der Türsummer erklang, und Karylla bat Helena herein. Die Funkerin starrte geschockt auf ihr Ebenbild, doch bevor sie ein Wort von sich geben konnte, lag sie von einem Lähmkristall betäubt am Boden.

Mit geübten Handgriffen trug Blackfire der Frau das Jaynevra-Make-Up auf. Es war zwar etwas mühselig, der Bewußtlosen das metallicblaue Gewand anzulegen, doch auch dies war bald darauf geschafft. Ächzend zerrte Karylla sie auf das Bett. Sie hätte Helena besser so erwischen sollen, daß sie direkt darauf gefallen wäre, überlegte sie gestreßt. Oder sie hätte auf Ryko kontaktieren sollen... Auch egal, jetzt hatte sie es auch so geschafft und sprang kurz zur Lightning. Eine Viertelstunde später hatte Ryko ihr den Stimmband-Tuner eingesetzt. Wenigstens hatte sie es letztlich geschafft, die Sache mit diesem dummen Juckreiz zu beheben, der bei den ersten Versuchen mit dem Gerät permanent aufgetreten war. Aber nachdem sie sich die ganze Zeit während der KD-Angelegenheit damit herumgeplagt hatte, mußte sie einfach etwas daran ändern. Schließlich transmittierte sie zur Couronne zurück.

Es waren erst etwa anderthalb Stunden vergangen, seit Karylla die Aktion begonnen hatte, und die verkleidete Helena begann, sich wieder zu rühren, obwohl sie eine doppelte Ladung des Betäubungsmittels abbekommen hatte. Blackfire wühlte im Make-Up-Kit herum, sie hatte doch irgendwo den Hochdruckinjektor... Ah!

Triumphierend zog sie das Gerät hervor und überprüfte Inhalt und Dosiseinstellung. Mhm, okay. Sie setzte das Instrument an Helenas Hals an und verpaßte ihr eine Ladung eines Mittels, das ihre Körperfunktionen derart verlangsamte, daß sie bei einer flüchtigen Untersuchung als tot gelten dürfte. Und wenn der Bordarzt sie sich vornahm, würde Ryko in ihrer Nähe bleiben und die medizinischen Geräte entsprechend manipulieren.

Das Medikament wirkte im Normalfall etwa 30 Stunden, aber sobald Helena in der Stasiskammer steckte, könnte sie unter Einwirkung dieser Substanz einige Monate gefahrlos im künstlichen Winterschlaf bleiben.

Karylla sah sich noch einmal um und beseitigte auch die letzten Spuren, ehe sie in Helenas Quartier ging, das nun für die nächste Zeit ihr Domizil war. Ryko würde wohl auch schon wieder auf der Couronne sein und sich kurz in Speisesaal und Observations-Lounge sehen lassen, bevor er hierher kam und den 'Mord' entdeckte.

* * *

Alan saß am Computer, da er die diversen Daten über Coderay noch einmal durchgehen wollte. Nardia hatte natürlich mal wieder die Hälfte ihrer Sachen im Speisesaal liegen lassen. Wie konnte man nur so vergeßlich sein! Die Daten brachten ihn genauso wenig weiter wie bei den Malen zuvor. Irgendwie hatte er das Gefühl, alle hätten sich gegen ihn verschworen. Wie lange brauchte Nardia denn noch, um das Täschchen einzusammeln? Er seufzte abgrundtief.

Auf einmal bemerkte Alan, daß die Zusammensetzung des Luftgemisches sich bedrohlich änderte. Ein Mensch würde innerhalb weniger Minuten ersticken. Was für ein Glück, daß Nardia nicht hier war! Hoffentlich blieb sie noch einige Zeit fort, bis er sich um das Problem gekümmert hatte. Er machte sich sogleich auf den Weg zur Zentrale des Lebenserhaltungssystems.

Dort lag ein bewußtloser Techniker vor einem Terminal. Eine kurze Untersuchung ergab, daß von hier aus die tödliche Manipulation vorgenommen worden war. Alan stellte die Standardwerte wieder her und machte sich daran, Nardia zu finden.

Diese hatte sich nach erfolgreich beendeter Aktion in ein Gespräch mit Gloria Malé verwickeln lassen. Die Schauspielerin war vollkommen am Boden zerstört, und Nad bemühte sich vergeblich, sie abzuwimmeln. Gloria mußte einfach jemandem ihr Herz ausschütten, und Nardia schaffte es nicht, sie zum Schweigen zu bringen. Nun saß sie schon eine geschlagene Stunde hier und hörte sich ihre Klagen an.

Als Alan auftauchte, begann Gloria gerade mit einer neuen Litanei über die Gemeinheit Coderays. Nardia blickte Firestar gequält an. Hoffentlich konnte er sie hier loseisen. Doch Gloria ließ ihn gar nicht zu Wort kommen und wiederholte speziell für ihn die ganze Geschichte.

Endlich gelang es ihnen, von Gloria loszukommen, ohne daß diese in Tränen ausbrach. Firestar war sehr ungeduldig, da er unbedingt nachsehen wollte, was mit Cayvyn und Alycia los war. Ob auf sie wohl ebenfalls ein Anschlag verübt worden war? Er erzählte Nardia von dem Vorfall, und die beiden machten sich gleich auf den Weg. Firestar betätigte den Summer an der Kabine von Cay und Acy. Sir Cayvyn öffnete. Er sah völlig verzweifelt aus.

"Alan, Nardia", begann er stockend. Nad schaute ihn irritiert an. Was war geschehen? "Jaynevra ist tot", meinte er nur.

Nardia sah Cayvyn entsetzt an. Das konnte doch nicht sein! Alan runzelte die Stirn.

"Auch CO?"

"Ja. Dafür wird Coderay bezahlen", sagte Cayvyn tödlich ruhig. Alan verstand nicht ganz, warum Cayvyn nichts bemerkt hatte. Obwohl, vielleicht war er ja zur Zeit des Attentats nicht anwesend gewesen?!

"Es tut mir leid", meinte er. "Kann ich dir irgendwie helfen?" Nardia war immer noch in Gedanken versunken; sie konnte es nicht fassen, daß Alycia tot sein sollte.

"Ich wüßte nicht, wie", erwiderte Cayvyn hilflos. "Ich werde Acys Plan ausführen und mich bei Coderay einschmuggeln, damit er seine gerechte Strafe bekommt."

"Gut", sagte Firestar. Irgendetwas war an der Sache komisch. Eigentlich würde er erwarten, daß Cayvyn schnurstracks zu Pierre Coderay ging und diesen unverzüglich zur Verantwortung zöge. Hm. Nardia hatte sich an ihn gelehnt und sagte immer noch nichts. "Gehen wir in unsere Kabine", meinte er zu ihr. Zu Cayvyn gewandt, bemerkte er noch: "Falls du meine Hilfe doch brauchen solltest, du weißt, wo ich zu finden bin."

"Danke." Cayvyn blickte den beiden nach, als sie aus seinem Quartier verschwanden. Es tat ihm leid, daß er Alycias Schwester vormachen mußte, daß diese nicht mehr am Leben sei. Wenn er es recht bedachte, hatte er nicht einmal gelogen, als er verkündete, daß Jaynevra tot war. Die naravinische Prinzessin hatte ausgedient und würde nicht mehr lebendig auf der Bildfläche erscheinen, und von Acys Tod hatte er niemals gesprochen...

Er hoffte, daß seine Partnerin langsam fertig war. Sie hatte sich eine hübsche kleine Geschichte zurechtgelegt, von wegen, daß sie Sylvia LaFeurelle sei, die Zwillingsschwester der Funkerin Helena LaFeurelle, die von dieser erfahren hatte, daß der berühmte Produzent Pierre Coderay an Bord der Couronne de l'Espace war. Und da Sylvia gerne einmal im Licht der Öffentlichkeit stehen wollte, bat sie Helena, ihr deren Papiere als Funkerin auszuleihen, um auf die Couronne zu gelangen, wo sie an Coderay heranzutreten beabsichtigte. So weit, so gut. Ein Glück, daß niemand die Story nachprüfen konnte, da Helena erst für diesen Flug von der Astra zur Couronne versetzt worden war und niemand hier sie kannte...

Auf jeden Fall hatte Acy jetzt erst einmal eine Schicht in der Funkzentrale zu absolvieren, und danach gedachte sie, sich auf der Lightning für ihren Auftritt bei Coderay fertigzumachen.

* * *

Captain Roussel blickte genervt auf, als zum vierten Mal kurz hintereinander der Summton der Intercom ertönte. Beim ersten Mal hatte Gräfin Evvilan von Osikka die Entführung ihrer delvanischen Eiskatze gemeldet, was sich insofern als blinder Alarm herausstellte, da ihr Tierchen offenbar den Reizen des Bordmaskottchens, eines stattlichen orangefarbenen Katers, erlegen war und sich deshalb unbemerkt aus dem Quartier der Gräfin entfernt hatte. Anruf Nummer zwei war die Beschwerde einer Mutter, die behauptete, daß die Schokolade an Bord entweder verdorben oder vergiftet sei, da es ihrem Sohn davon entsetzlich schlecht geworden war. Eine genauere Nachforschung ergab, daß es offenbar nicht so sehr an der Qualität, denn an der Quantität der verzehrten Süßigkeit gelegen haben mußte. Beim dritten Ruf handelte es sich um einen falsch gewählten Code. Was mochte Nummer vier ihm bringen? Er betätigte den Connect-Sensor.

"Captain Roussel hier. Was ist Ihr Begehr?"

Der kupferhaarige Naravino auf dem Monitor wirkte völlig aufgelöst.

"Ich bin Alayvyn zu Amriella und Allamira... Oh, Monsieur le Capitaine, etwas Furchtbares ist geschehen... Meine Gemahlin... Sie ist tot!"

Roussel sah den Prinzen schockiert an. Das durfte doch nicht wahr sein! Das war jetzt sein 3. Flug auf dieser Linie, und schon wieder ging etwas schief... Beim letzten Mal hatte dieser dumme Kahn auf halber Strecke Triebwerksschaden, die Tour davor setzte der Nahrungsmittelsynthetisizer aus und produzierte nur grünviolette Pampe, die zwar ausgesprochen nahrhaft aber grauslig anzusehen war, und dieses Mal ein toter Passagier! Dabei hatte er sich extra von seinem früheren Kommando, einem Patrouillenschiff der Weltraumpolizei, getrennt, um in Ruhe seinen Lebensabend fristen zu können... 'Warum immer ich?' dachte er resignierend. Vielleicht sollte er es demnächst mit einem Müllfrachter probieren...

"Ich bin sofort bei Ihnen, Monsieur Alayvyn." Roussel erhob sich und verständigte den Schiffsarzt und die Chefin der Bordpolizei, ehe er aus der Passagierliste das Quartier von Alayvyn heraussuchte.

Zehn Minuten später standen der Captain und Cyndri Meriann von der Bordpolizei vor dem betreffenden Quartier. Dr.Quirin erschien unmittelbar nach ihnen.

Alayvyn spielte seine Rolle hervorragend. Er erzählte, wie er noch rasch eine Mahlzeit zu sich genommen hatte, und als er zurückkehrte, fand er Jaynevra so vor...

Der Schiffsarzt beugte sich über die Frau und las ein paar Werte von seinem Scanner ab, dann schüttelte er bedrückt den Kopf, wie es Ärzte immer taten, wenn sie den Tod eines Patienten feststellten.

"Ich kann nichts mehr für sie tun", stellte er leise fest. Ryko hätte am liebsten erleichtert aufgeatmet. Die Manipulation des Scanners war tatsächlich problemlos gelungen. Er ließ sich dramatisch neben dem Bett auf die Knie sinken und ergriff 'Jaynevras' Hand, bevor er ein paar absolut echt wirkende Tränen produzierte.

Die drei Leute der Schiffsbesatzung betrachteten ihn mitfühlend, und Cyndri Meriann kündigte umgehende Untersuchungen an. Dr.Quirin forderte eine Antigrav-Bahre an und transportierte die Leiche in den Frachtraum B, wo in einer separaten Nische sechs transparente Stasiskammern untergebracht waren. Jaynevra wurde in Nummer 1 gesteckt.

Captain Roussel und Cyndri Meriann kamen überein, daß sie die Angelegenheit lieber nicht an die große Glocke hängen wollten, bis sie nicht ein eindeutiges Ergebnis bekommen hatten. Ein unerklärlicher Todesfall machte sich auf einem Kreuzfahrtschiff nicht sonderlich gut.

* * *

Nardia war immer noch restlos geschockt von Sir Cayvyns Eröffnung. Sie hatte sich auf das Bett geworfen und starrte die Decke an. Acy tot? Nein, das konnte einfach nicht sein! Sie weigerte sich, diese Tatsache anzuerkennen. Alan strich über ihre Wange, doch sie regte sich nicht. Am besten wäre es wohl, wenn er sie erst einmal in Ruhe ließe. Er sollte sich lieber darum kümmern, daß kein weiterer Anschlag verübt wurde. Coderay würde nun sicherlich zu noch drastischeren Maßnahmen greifen, und Alan hatte nicht vor, in irgendeine Falle zu tappen. Aber er wollte Nardia auch nicht allein lassen. Er zog sie in seine Arme, und sie schmiegte sich an ihn. Seine Nähe tröstete sie schon ein wenig.

* * *

Cayvyn saß im Frachtraum vor der durchsichtigen Stasiskammer und betrachtete die als Prinzessin Jaynevra zurechtgemachte Gestalt. Es war beängstigend, fand er. Diese Frau, die dort in der todesähnlichen Starre des künstlichen Winterschlafs lag, sah seiner Partnerin derart ähnlich, daß man wahrhaft meinen könnte, es sei Alycia. Wenn er sich vorstellte, daß diese vielleicht irgendwann einmal ebenso da liegen könnte... Er runzelte die Stirn und versuchte, seine Gefühle genauer zu analysieren.

Alan und Nardia betraten den Frachtraum B und traten an die Kammer mit Acy heran. Stumm blickte Nardia auf die reglose Gestalt. Jetzt mußte sie es wohl glauben - ihre Schwester war tot.

Firestar sah nachdenklich von Cayvyn zu der Person in der Stasiskammer. Hm, er war immer noch nicht überzeugt. Blackfire war bekannt für ihre Tricks, und er würde erst einmal abwarten, was sich ergab.

"Wirst du nun die Rolle in Coderays Film annehmen?" erkundigte er sich schließlich.

"Ja." Cayvyn wandte den Blick nicht von der gläsernen Kammer. Er würde es doch nicht zulassen, daß seine Gefährtin sich alleine in die Höhle des Löwen begab! Und außerdem gefiele ihm der Gedanke ganz und gar nicht, daß sie und irgendein anderer die ganzen pikanten Szenen spielten...

Firestar sah noch einmal zu der Toten, dann verließ er den Raum. Er wollte hier weg, und außerdem hatte er noch etwas zu tun. Cayvyns Benehmen schien ihm eigenartig. Wäre Blackfire wirklich tot, würde dieser ganz anders handeln. Nardia konnte sich nicht entschließen, jetzt schon zu gehen.

Eine Viertelstunde später erhob sich Sir Cayvyn schweigend und ging zu seinem Quartier zurück, von wo aus er zur Lightning transmittierte.

* * *

Karylla hatte gerade die Malerei an ihrem Gesicht abgeschlossen und stieg in ihre über kniehohen, neonpinkfarbenen Stiefel, als Ryko hinter ihr materialisierte. Er sah sie tadelnd an.

"Du willst doch wohl nicht in diesem Fummel", er deutete auf das kaum vorhandene (bzw. halb durchsichtige, wo vorhanden), neonpinke Gewand, in das sie sich geworfen hatte, "zu Pierre Coderay gehen?"

Er ging einmal um sie herum und versuchte, das Superminiteil etwas tiefer zu zupfen. Karylla trug zu den goldblonden Haaren strahlend blaue Kontaktlinsen und stülpte als letzte Aktion ihre taillenlange, neongelbe Alycia-Perücke über, bevor sie sich im Spiegel betrachtete.

"Warum nicht? Ich will schließlich diese Rolle kriegen."

"Aber deshalb mußt du doch nicht nackt dahin gehen!"

"Ich bin angezogen!"

"Wo?"

"Grummel..." Aller Proteste Rykos zum Trotz machte sich Karylla auf den Weg nach Deck IV. Ein Glück, daß sie angeblich tot war und weder Firestar noch Nardia sie in diesem Outfit sehen würden.

* * *

Alan schlich in der Nähe von Coderays Kabine herum. Es mußte doch eine Möglichkeit geben, etwas über dessen Pläne zu erfahren! Leider war das im Moment nicht so einfach, da die Kabine des Regisseurs einem Taubenschlag glich. Pausenlos marschierten irgendwelche 'Damen', die von Glorias Rausschmiß gehört hatten und nun ihr Glück hier machen wollten, zu Coderay, um ohne Rücksicht auf ihre Eignung oder bisherigen Beruf zu versuchen, die freigewordene Rolle zu ergattern. Tse, Alan interessierte mehr, was Coderay in bezug auf Nardia und ihn plante. Und daß dieser etwas in dieser Richtung vorhatte, war mehr als sicher.

Karylla warf ihre Neon-Mähne zurück und stolzierte mit gewagtem Hüftschwung zur Kabine IV/24.

Schon wieder eine, dachte Firestar. Aber die sah wenigstens ganz niedlich aus. Der neonpinke Minirock war einfach faszinierend, und sie ähnelte Acy sogar halbwegs. Er lehnte an der Wand und betrachtete sie eingehend.

"Noch nie zuvor ein Mädchen gesehen, was?" erkundigte sich Blackfire frech. Firestar war und blieb ein absoluter Weiberheld. Arme Nardia... Alan grinste.

"Ich überlege nur, ob das ein Rock oder ein Gürtel ist."

"Ein Lendenschurz, was sonst?" kam es zurück.

"Faszinierend! Man lernt doch immer wieder dazu..."

"Tja. Und was treiben Sie hier? Wollen Sie sich für die Rolle als Firestar bewerben?" Sie ließ ihren Blick ungeniert über sein Exterieur schweifen. Was der durfte...

"Ich? Aber nein, das ist nichts für mich", wehrte Alan ab. Das würde ihm noch fehlen!

"Wie schade... Ich glaube, es wäre sehr amüsant, mit Ihnen zu spielen..." Karylla grinste ihn herausfordernd an und trat auf ihn zu.

"Ach ja, wäre es das?" Diese Frau kam ihm bekannt vor.

"Sicherlich..." Sie warf ihm einen koketten Blick zu. Wie üblich konnte Firestar nicht widerstehen und legte die Arme um sie. Tse, und sie kam ihm doch bekannt vor.

"Ach, wollen Sie die Szenen schon mal durchprobieren?" erkundigte sich Blackfire belustigt.

"Warum nicht?"

"Das ist eine durchaus berechtigte Frage", stimmte Karylla zu. Sie verstand einfach nicht, aus welchem Grund sie andauernd so auf Alan reagierte. Irgendwie machte es ihr Spaß, mit ihm herumzuflirten, obwohl sie genau wußte, daß sie niemals Ryko für ihn verlassen würde. Hm, und andererseits konnte sie Alan nicht ausstehen. War das wieder mal kompliziert...

Während sie noch solch tiefschürfenden Gedanken nachhing, beschloß Firestar, sie zu küssen. Karylla fand die ganze Situation urkomisch. Ein Glück, daß diesmal weder irgendwelche Reporter noch Ryko in der Nähe waren... Sie schlang die Arme um Alan und erwiderte seinen Kuß leidenschaftlich, dann grinste sie ihn noch eine Spur frecher an.

"Nicht schlecht...!" kommentierte sie.

"Blackfire!" meinte Firestar gestreßt. Warum fiel er bloß immer wieder auf sie herein?! Aber wenn sich gerade die Gelegenheit bot... Er wollte doch schon immer wissen, was Ryko an ihr fand. Er küßte sie ein zweites Mal.

Plötzlich waren Schritte zu hören. Alan sah auf. Eine weitere 'Anwärterin' auf die Alycia-Rolle stöckelte heran. Diese hatte allerdings gut den doppelten Umfang der richtigen Acy und starrte die beiden mit offenem Mund an.

"Was gucken Sie so?" erkundigte sich Karylla. "Wir proben gerade eine Schlüsselszene!" Sie beschloß, sich ein weiteres Mal auf Firestar zu stürzen; schließlich war sie neugierig, wie er zu seinem Ruf als Frauenheld gekommen war.

Dieser Herausforderung konnte Alan sich nicht entziehen. Die Möchtegern-Schauspielerin starrte noch einige Zeit, beschloß dann aber doch lieber, bei Pierre Coderay anzuklopfen.

Geraume Zeit später stürmte sie empört wieder heraus, und Karylla kam zu dem Schluß, daß es langsam Zeit wurde, sich um ihren Job zu kümmern. Sie löste sich aus Firestars Armen und zwinkerte diesem zu.

"Ich glaube, ich sollte mich langsam um die Filmrolle kümmern", bemerkte sie trocken.

"Sicher. Ich würde sagen, du hast gute Chancen."

Blackfire konnte sich ein Kichern nicht verkneifen und warf Alan einen ziemlich verbotenen Blick zu, bevor sie sich mit elegantem Hüftschwung zur Tür begab.

Firestar grinste und lehnte sich wieder an die Wand. Ein Rätsel war gelöst. Deshalb also Cayvyns merkwürdiges Verhalten. Allerdings fand er das Täuschungsmanöver ziemlich gemein Nardia gegenüber.

Er seufzte. Jetzt mußte er nur noch herausfinden, was Coderay plante und vor allem, was faul an dem Filmprojekt war.

* * *

"Monsieur Coderay", begann Karylla mit kehliger Stimme. "Ich hörte von dem Mißgeschick, das Sie Ihrer Hauptdarstellerin für den Firestar-Film beraubte..."

"Ja", gab er einsilbig von sich und bemühte sich, keine neue Schimpfkanonade bezüglich Gloria Malé von sich zu geben. "Und was kann ich für Sie tun?" Es waren bestimmt schon drei Dutzend völlig ungeeigneter Bewerberinnen an ihm vorbeidefiliert. Aber diese Kleine hier war wirklich ganz niedlich, und vor allem schien sie der Person, die sie verkörpern wollte, vom Aussehen her recht nahe zu kommen.

"Ich bin Sylvia LaFeurelle, Schauspielerin. Und ich finde, ich wäre die Ideal-Besetzung für die Rolle der Alycia Blade." Sie sah ihn höchst eindrucksvoll aus leuchtendblauen Augen unter neonpinken Augenlidern an.

"Nun..." Sie sah dieser Alycia Blade wirklich ähnlich! "Wo haben Sie denn bereits mitgewirkt?"

"In einigen leider sehr unbedeutenden Billigproduktionen", seufzte sie. "Hier hätte ich einmal die Chance, eine richtige Rolle zu bekommen..."

Coderay dachte angestrengt nach. Er wollte eigentlich einen Teil der Aufnahmen bereits an Bord drehen, vor allem, da er dann eine Begründung für einen Austausch seiner Filmausrüstung beim nächsten Zwischenstop hätte. Wenn er erst wartete, bis er einen geeigneten Ersatz für Gloria einsammeln konnte, käme er in ein gewaltiges Zeitproblem. Und vielleicht würde eine hübsche, echt wirkende Alycia Blade sogar besser ankommen als ein reiner Name...

"Hm", machte er gedehnt. "Wir werden am besten einige Testaufnahmen machen", beschloß er dann. "Kommen Sie morgen früh um 06:00 Uhr in den Frachtraum A, dort sind bereits einige Dekorationen aufgebaut. Ich werde mich nach dem Verlauf der Proben entscheiden."

"Wirklich?" Karylla warf ihm einen strahlenden Blick zu und fuhr sich mit beiden Händen durch die wüste Mähne.

"Ja, und wenn Sie halten, was Sie versprechen..." Er tätschelte sie hingebungsvoll.

'Umpf', dachte Karylla zornbebend. Am liebsten hätte sie diesen Typen mit einem gewaltigen Schwinger zu Boden gestreckt, aber leider war sie im Moment nicht Blackfire, sondern Sylvia LaFeurelle, ein kleines Starlet, das für eine gute Rolle so einiges tat... So lächelte sie nur betont schüchtern. "Aber nicht doch, Monsieur..."

"Sie können zuversichtlich sein, Mademoiselle. Ich erwarte Sie morgen früh im Frachtraum A."

"Ich werde dort sein." Erleichtert flüchtete Karylla aus Coderays Quartier. Dieser war erfreut, so schnell einen durchaus guten Ersatz gefunden zu haben.

Auf dem Flur wartete Firestar.

"Nun? Sind wir drin?" Er wollte Acy und Ryko unbedingt im Kostüm sehen.

"Morgen beginnen die Probeaufnahmen."

"Fein. Ich freue mich darauf."

"So?!"

"Aber ja! Ich bin sicher, sie werden eine Liebesszene proben, und das möchte ich um nichts in der Welt verpassen..."

"Ach?!" Sie trat zu ihm hin und schaute ihm tief in die Augen, bevor sie einen abgrundtiefan Seufzer von sich gab. Firestar sah sie forschend an.

"Oh, Alan, ich muß mich doch auf die morgigen Szenen einstimmen", meinte Karylla kichernd.

"Mit mir?" fragte er belustigt.

"So steht es im Drehbuch."

"Stimmt." Alan grinste. Er wäre wirklich nicht abgeneigt, noch einiges daraus zu proben...

"...doch es dauert mich gar sehr, Monsieur, daß ich mich nun verabschieden muß." Blackfire sah ihn dramatisch an.

"Ich bin zutiefst betrübt."

"Ich dachte es mir!" Karylla mußte schwer an sich halten, um nicht vor Lachen zu platzen.

"Ach ja?" Firestar hob fragend eine Augenbraue. Diese Situation war einfach komisch.

"Nun denn - Adieu, Monsieur!" Karylla drehte eine rasante Alycia-Pirouette und schwebte von dannen. Irgendwie wirkte das bei ihrer derzeitigen Bekleidung äußerst gewagt, fand Alan.

"Adieu, Mademoiselle."

* * *

In einem leeren Gang transmittierte Karylla zur Lightning zurück. Sie wollte endlich aus diesem dummen Fummel heraus. Ts, wie kam Firestar eigentlich dazu, sie andauernd zu küssen?! Sie warf sich in die rote Funkerinnen-Bordkombination und kehrte auf die Couronne zurück in Rykos und ihr Quartier.

"Und?" fragte dieser.

"Ich denke, ich habe die Rolle. Ich soll morgen zu Probeaufnahmen kommen."

"Dann wird es höchste Zeit, daß ich mich um die männliche Hauptrolle bemühe..."

Ryko stürmte von dannen. Er erzählte Pierre Coderay, daß er es sich anders überlegt habe. Er wollte versuchen, sich mit dieser schweren Arbeit vom allzu plötzlichen Tode seiner geliebten Gemahlin Prinzessin Jaynevra abzulenken. Der Produzent war offenbar sehr daran interessiert, ihn als Firestar zu bekommen, und so sollte er ebenfalls am nächsten Morgen zu den Probeaufnahmen erscheinen.

* * *

3762/09/39 GZ

Es war 07:00 Uhr früh, und Pierre Coderay hatte seine Leute und die Kulissen etc. im Laderaum A aufgebaut.

Alan und Nardia beschlossen, sich frühzeitig auf den Weg zu machen, um bloß nichts zu verpassen. Nad war ausgesprochen guter Laune, da Alan ihr erzählt hatte, daß Acy doch nicht tot war. Es würde sie allerdings interessieren, wie ihre Schwester es geschafft hatte, diese Show derart perfekt abzuziehen. Hm. Eigentlich hätte sie ihr so etwas nicht zugetraut.

Das Kamerateam hatte sich derweil in der Nähe einer Galerie eingerichtet, welche einen üppigen Blumengarten mit diversen lauschigen Plätzen darstellen sollte. Alan war sofort klar, welche Szene geprobt werden sollte, als er die Dekoration sah. Nur die Schauspieler fehlten noch. Schließlich tauchte Cayvyn auf. Alan war fasziniert, wie ähnlich er Firestar mit dem passenden Make-Up tatsächlich sah. Auch den übrigen Anwesenden fiel dies sofort auf.

Dann kam Acy aus der Garderobe. Dieses Farbspektakel in Neon war grauenhaft. Immer diese Übertreibungen! Die echte Alycia war ja schon schlimm - aber das übertraf sie noch um Größenordnungen.

Schließlich startete der Regisseur die Aufnahmen, nachdem er Cay und Acy in die Deko plaziert hatte. Nardia beugte sich vor. Endlich ging es los. Auch Alan war äußerst gespannt.

'Nun gut', dachte Karylla. 'Augen zu und durch...' Sie beschloß, den ganzen Kamerakrempel und das Filmteam einfach zu ignorieren. Wenn sie sich ganz alleine auf Ryko konzentrierte, schaffte sie es vielleicht sogar, das Kichern zu unterdrücken, das schon wieder in ihr aufstieg, als sie diesen albernen Dialog rekapitulierte.

"Oh, Alan!" hauchte sie demzufolge und schmiegte sich an Ryko, der keine Miene verzog. Offenbar hatte er aus Sicherheitsgründen auf reines 'Programm' umgeschaltet, um keinen Lachanfall zu bekommen. "Es war gefährlich, daß du heute zu mir gekommen bist. Die Weltraumpolizei ist auf deiner Fährte, und man hat uns bereits im Verdacht..." Sie sah sich dramatisch um und klammerte sich an ihn.

"Oh, Alycia!" erwiderte Ryko und hob ihr Kinn an, damit sie ihm in die derzeit stahlblauen Augen sah. Sein Firestar-Outfit sah dem echten mehr als nur täuschend ähnlich, mußte auch Blackfire zugeben. Ts ts ts.

"Meine Liebe zu dir läßt mir jegliche Gefahr als nichtig erscheinen!"

Dem heroischen Blick von Ryko folgte ein tragischer Seufzer von Karylla und anschließend ein ziemlich hingebungsvoller Kuß, der eindeutig nichts mit einem Filmkuß zu tun hatte.

Mmmmh, Ryko gefiel ihr doch entschieden besser als dieser Alan Dale, stellte Karylla wieder einmal fest.

"Gut, danke!" rief Pierre Coderay endlich.

Nardia war begeistert; sie liebte Schnulzen. Alan hingegen fand es gar nicht mehr witzig. Er würde sich doch nie so benehmen! Alycia zwinkerte dem echten Firestar zu. Sie konnte sich vorstellen, was er von diesem Streifen hielt. Sein Gesicht sprach Bände.

'Wenn ich wenigstens etwas davon hätte', dachte Alan. Aber so?! Das war eine Beleidigung. Er mußte dringend etwas daran ändern...

Unterdessen rief Pierre Coderay Prinz Alayvyn und Sylvia LaFeurelle zu sich.

"Ihr beide wart großartig!" verkündete er. "Sie sind auf der Stelle engagiert. Die Verträge liegen bereits bei meiner Sekretärin. Sie müssen nur noch unterschreiben..."

Die Versammlung löste sich auf, und Alan hatte es auf einmal unheimlich eilig.

* * *

"Tja, mein Schatz", begann Karylla. "Jetzt sind wir also im Showgeschäft... Ich hoffe, daß wir bald herausfinden, was faul an Coderay ist..."

"Ich ebenfalls!" sagte Ryko inbrünstig. "Dieser Kitsch ist in der Praxis noch schlimmer als auf dem Papier..."

* * *

Inzwischen war Firestar eingefallen, was er unternehmen könnte. Wenn sich schon alle auf seine Kosten amüsierten, dann würde er dafür sorgen, daß er auch seinen Spaß hatte. Blackfire hatte ihm die ganze Sache eingebrockt, also beschloß er, sich ein bißchen bei ihr dafür zu revanchieren...

Er wußte auch nicht, was ihn permanent an ihr reizte, aber Acy war einfach eine Herausforderung, der er nicht widerstehen konnte. Dabei konnte er sie nicht einmal besonders leiden.

Er würde kurzerhand Ryko aus dem Verkehr ziehen und dafür den Platz einnehmen, der rechtmäßig ohnehin nur ihm zustand, egal wie dämlich der Film war.

Mit einem äußerst heimtückischen Grinsen holte er ein paar Handschellen aus seinem Gepäck, die eine wichtige Rolle in seiner Beziehung zu Nardia gespielt hatten.

* * *

Karylla hatte derweil das Drehbuch durchgelesen und festgestellt, daß es stellenweise noch schlimmer war, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie hob belustigt eine Augenbraue. Kein Wunder, daß ihr Partner darauf bestand, daß er den den Part von Firestar übernehmen wollte... Aber was sollte es? Es gab ohnehin die abenteuerlichsten Gerüchte bezüglich ihrer angeblichen Beziehung zu Alan Dale, und da würde ein Film mehr oder weniger auch nichts ausrichten.

Und da der echte Firestar offenbar höchst verärgert über diesen Streifen war, gefiel ihr die Sache umso besser. Heute nachmittag sollten die ersten richtigen Proben laufen.

* * *

Alan fing Ryko auf dem Weg zum Laderaum A ab.

"Kann ich dich mal kurz sprechen?" fragte er.

"Hm? Ja, sicher. Was willst du?"

"Nun, ich habe da etwas entdeckt." Firestar öffnete die Tür zu einer Abstellkammer. Ryko war irritiert. Was wollte Alan dort? Dieser schob ihn hinein und schloß die Tür hinter sich. Bevor Ryko irgendetwas sagen konnte, waren die Handschellen zugeschnappt.

"Tut mir leid, aber du störst momentan meine Pläne", eröffnete Firestar und machte sich vorsichtshalber sofort auf den Weg. Er hatte nicht vor, sich auf einen Kampf einzulassen, das war zu gefährlich.

Ryko war zunächst völlig perplex, dann stieß er den fürchterlichsten Fluch aus, den er bislang von Karylla gehört hatte. Die Handschellen waren diese uralten Spezialteile, die sogar Androiden halten konnten! Grumpf. Er gab es auf, daran herumzuzerren, sondern aktivierte sein eingebautes Mikro-TM-Aggregat. Innerhalb der Couronne genügte dessen geringe Reichweite zum Glück. Er suchte das Signal des Peilsenders, der immer noch aktiviert war und sprang in sein Quartier. Dort hatte er geeignetes Werkzeug, mit dem er die Handschellen wieder los werden könnte, und dann würde Alan etwas erleben...

* * *

Unterdessen war Alan in sein Firestar-Outfit geschlüpft und begab sich zum Drehort. Hoffentlich reichte die Zeit. Leider hatte er keine Ahnung, welche Szene heute dran war, da Coderay dies meist erst kurz vor Drehbeginn entschied. Kaum hatte der Regisseur ihn entdeckt, als er schon in die Kulisse gescheucht wurde, wo Alycia bereits wartete.

Sie war von Coderay auf ein monumentales Bett drapiert worden und trug einen interessanten Hauch von neonviolettem Nichts. Alan hob die Augenbrauen. Diese Szene...!

"Action!" rief Coderay von seinem Sitzplatz aus.

"Oh, meine Geliebte, wie habe ich mich nach dir gesehnt!" begann Alan mit seinem Text und ließ sich auf dem Bett nieder. Alycia setzte ein glückseliges Lächeln auf, obwohl sie sofort merkte, daß das nicht Ryko war. Alan roch anders, und außerdem war er wärmer. Sie mußte sich schwer anstrengen, um sich nicht zu verraten.

'Wo steckt nur Ryko?' überlegte sie. Hm. Bestimmt hatte Alan diesen kurzfristig beiseitegeschafft. Naja, ihr Partner würde schon wieder da herauskommen, befand sie. Aber wenn Alan meinte, dann sollte er eben sein Schauspiel bekommen... Sie zog ihn zu sich herunter.

"Mein Begehren nach dir kennt keine Worte", hauchte sie. Wenn Ryko hier erschien, bekäme Firestar diesmal wirklich Ärger.

Mittlerweile fand Alan seine Idee gar nicht mehr so gut. Die Kameras nervten ihn, und dann dieser Text... Zudem mußte er sich ja streng an das Script halten, da Coderay sie nicht aus den Augen ließ.

"Alycia!" seufzte er tief und zog an den neonvioletten Hemdchen. War diese Szene dämlich! Aber es hatte es sich ja selbst eingebrockt...

"Alan!" Acy mußte sich beherrschen, nicht loszukichern, als sie sich am Verschluß seines knallroten Overalls zu schaffen machte. Das Teil war bestimmt nicht aus der Requisite, und sie fragte sich, wie er das später den Leuten in der Garderobe klarmachen wollte...

"Alycia...!" Firestar wünschte sich weit weg. Hoffentlich bekam Nardia nie heraus, was hier lief, und Ryko sollte besser auch nicht auf dem Set erscheinen. Er flüsterte (natürlich laut genug für die Mikros) Alycia weiter idiotische Bemerkungen zu.

"Oh Alan!" Acy bemerkte, wie sehr Alan offensichtlich litt. Wahrscheinlich bereute er seinen kleinen Auftritt hier bereits bitterlich... Alycia weidete sich an seinen Qualen und widmete sich Firestar noch intensiver als es das Drehbuch vorschrieb.

'Das stand aber nicht in den Anweisungen', dachte Alan, als Alycia ihm im toten Winkel der Kameras ein paar zusätzliche Streicheleinheiten verpaßte und ihn somit ziemlich in Verlegenheit brachte. Hoffentlich war Coderay bald zufrieden, denn die Zeit lief weiter...

* * *

Ryko war in der Zwischenzeit die Handschellen losgeworden und stürmte zum Drehort. In der Tür blieb er stehen, als wäre er vor eine Mauer gerannt.

Die Zuschauer der Proben starrten gebannt auf eine monumentale Liegewiese, auf der sich Blackfire und Firestar offenbar eingehend miteinander beschäftigten. Und da er im Augenblick nicht dort war, konnte es sich bei dem Mann nur um Alan handeln. Das waren also seine 'Pläne'...!

'Na warte', dachte Ryko und sprang auf die Lightning, um sich umzuziehen. Als er wieder auf der Couronne auftauchte, hatte er blonde Haare, dunkelblaue Augen und sah exakt wie Tanyuk Hegyi aus. Er machte sich auf die Suche nach Nardia.

* * *

Nardia Ashni Blade befand sich im Speisesaal des Luxusliners, da Alan wieder einmal ohne Angabe von Gründen oder Aufenthaltsort verschwunden war. Er teilte ihr ohnehin äußerst selten mit, wohin er ging, also hatte sie beschlossen, sich mit diversen Leckereien zu trösten - auch wenn das ihre ganze Diät einmal mehr zunichte machen würde.

Nach einigen Irrwegen war Ryko ebenfalls dort angekommen. Ah, da war Nardia! Er trat neben sie an das Buffet.

"Hallo Nardia." Er nahm einen Teller und häufte sich allerlei Kleinigkeiten darauf. Nad sah ihn irritiert an. Auch wenn der Mann wie Tanyuk aussah, das war ganz bestimmt nicht Alan! Nur - wer war es dann?

"Hi", erwiderte sie. Ryko sagte erst einmal gar nichts, sondern vernichtete die Fressalien auf seinem Teller, bevor er Nachschub holte. Er war ausgesprochen wütend auf Alan und beschloß, sicherheitshalber ein paar Energiereserven anzulegen, falls sie sich wieder duellieren mußten.

Nardia war es inzwischen klar, daß es sich nur um Cayvyn in Maskerade handeln konnte. Aber was sollte das? Sie beobachtete ihn mißtrauisch.

"Was hältst du davon, auf das Filmset mitzukommen?"

"Hm. Okay." Das war immer noch besser als essen. Ryko legte einen Arm um sie und dirigierte sie zum Frachtraum A. Nardia blieb abrupt stehen, als sie des Spektakels ansichtig wurde. Moment, wenn Cayvyn hier neben ihr stand, dann... Nad war mehr als wütend. Sie würde Alan mindestens massakrieren, wenn sie ihn in die Finger bekam. Was fiel ihm eigentlich ein, hier mit Acy herumzumachen?!

Unterdessen erspähte Alycia Nardia unter den Zuschauern. Völlig perplex entdeckte sie Tanyuk neben dieser. Aber - Alan lag doch hier bei ihr in der Kulisse... Das konnte nur bedeuten, daß...

'Oh-oh', dachte sie ahnungsvoll. Alan war die Ankunft der beiden auch keineswegs entgangen. Er steckte ganz schön tief in der Misere. Tiefer als tief... Wie sollte er sich da bloß wieder rausreden?

Cayvyn schaute kurz zu Nardia herunter, bevor er sie sachte an sich zog. Diese ließ es geschehen, da sie in Gedanken immer noch diverse Mordmethoden an Firestar zelebrierte. Cay meditierte gleichfalls darüber, wie er Alan demontieren konnte. Hm. Aber wahrscheinlich würde es diesen mehr ärgern, wenn er sich liebevoll um Nardia kümmerte. Er schloß sie in die Arme und strich ihr sanft über die Wange. Nad schaute Cayvyn wütend an. Was dachte der sich?! Sie hatte das dringende Bedürfnis, irgendetwas kurz und klein zu schlagen.

Alycia wünschte sich nichts sehnlicher, als daß die Szene allmählich abgedreht wäre. Sie wollte am liebsten unter die Bettdecke kriechen und nie mehr hervorkommen. Und Alan war inzwischen der Meinung, daß es viel besser gewesen wäre, wenn er die FGS niemals betreten hätte.

'Wie werde ich es schaffen, Cayvyn jemals wieder zu versöhnen?' überlegte Alycia. Vielleicht sollte sie versuchen, ihm glaubhaft zu versichern, daß sie Alan nicht erkannt habe. Hm, nein, lieber nicht. Vermutlich würde ihn das noch mehr treffen als alles andere. Aber was sollte sie tun? Was?

Alan hegte ähnliche Gedanken. Er war sich sicher, daß Nardia ihm nicht verzeihen würde. Warum war er bloß so impulsiv? Das brachte ihn doch andauernd in Schwierigkeiten.

Cayvyn beugte sich zu Nardia herunter.

"Mademoiselle Blade, was hielten Sie davon, wenn wir Monsieur Dale und Alycia eine kleine Lektion erteilten?" Nardia war der Meinung, eine kleine 'Lektion' wäre viel zu wenig.

"Und wie?" fragte sie neugierig. Cayvyn warf Firestar und Alycia kurz einen Blick zu, bevor er Nardia zärtlich küßte. Erst wollte sie ihn abwehren, doch dann dachte sie: 'Warum nicht?' Das würde Alan sicherlich am meisten ärgern. Cay legte Nad einen Arm um die Schulter und beschloß, mit ihr davonzuziehen. Mochten Acy und Firestar denken, was sie wollten. (Am besten nur das Schlimmste!) Auch Nardia hoffte, daß Alan alles mitbekam. Sie war immer noch ausgesprochen sauer. Ha, sie würde es ihm schon zeigen! Was er konnte, konnte sie schon lange...

* * *

Cayvyn wußte nicht so recht, wo sie nun hinsollten. Er stand mit Nardia im Gang vor seinem Quartier und sah sie nachdenklich an. Bislang war er außer mit Alycia noch nie mit einer anderen Frau zusammengewesen. Ob er die Gunst der Situation nutzen sollte, um diesem Mangel abzuhelfen?

Nardia schaute zu Cayvyn herauf. Er wirkte äußerst unschlüssig. Wie sollte es nun weitergehen? Sie hatte auf keinen Fall vor, hier auf dem Flur stehenzubleiben. Das würde doch die ganze Sache verderben. Entschlossen zog sie Cay zur Tür.

Dieser hob eine Augenbraue. Nardia nahm ihm offenbar die Entscheidung ab. Als sich die Tür wieder hinter ihnen geschlossen hatte, zog er die junge Frau vorsichtig an sich. Er fand es überaus ungewohnt, nicht Acy in den Armen zu halten, und Nad war irritiert. War Sir Cayvyn etwa schüchtern?

Sie wurde sogleich eines besseren belehrt, als er sie ausgiebig küßte, bevor er sie auf die Arme hob.

'Tse', dachte Nardia, 'irgendwie sind doch alle gleich...' Sie schlang die Arme um seinen Hals und wurde von ihm in Richtung Bett transportiert. Nardia wog exakt 2.74 kg mehr als Alycia, stellte Cayvyn beiläufig fest.

Irgendwie fand Nad es seltsam, daß Cay momentan wie Tanyuk aussah.

Cayvyn legte sie behutsam auf den Laken ab und betrachtete sie eingehend. Dafür daß die beiden nur Halbschwestern waren, sah Nardia Acy wirklich ziemlich ähnlich. Die roten Haare wirkten etwas störend, aber die könnte er ja intern wegfiltern und durch ihr normales Aussehen ersetzen.

Nardia seufzte. Diese Perücke nervte sie, da sie pausenlos mit den langen Haaren festhing. Grummel. Sie sah Cayvyn genauer an. Seine Ähnlichkeit mit Alan schien ihr mit jedem Mal größer.

Cay fuhr sanft mit der Hand über Nads Hals und Schulter. Acy hatte diese Lektion verdient, fand er, während Nardia seine Zärtlichkeiten erwiderte.

'Wenn schon, dann richtig', dachte sie. Sie hatte schon immer wissen wollen, was Acy an ihm fand.

Cayvyn war erstaunt. Es 'fühlte' sich ganz anders an, als wenn er mit Alycia zusammen war. Sicherlich, seine physischen Reaktionen waren prinzipiell identisch, aber trotzdem fehlte da etwas. Er zuckte gedanklich mit den Schultern und begann, Nardia von ihren Kleidungsstücken zu befreien. Nad tat es ihm gleich. Sie fand es ausgesprochen interessant, in dieser Beziehung hatten Cayvyn und Alan kaum Gemeinsamkeiten. Sie verfluchte erneut die Idee, eine so lange Perücke aufzusetzen, da sie schon wieder festhing.

Cayvyn strich Nardia die Haare aus dem Gesicht und gab ihr einen langen Kuß, bevor er begann, ihren Körper ausgiebig mit seinen Händen zu erkunden. Nad schmiegte sich an ihn. Er war ein paar Grad kühler als ein normaler Mensch, ein überaus erregendes Gefühl.

Die augenblickliche Situation war höchst informativ, befand Cay. Nardia reagierte in ziemlich ähnlicher Weise auf seine Aktionen wie Alycia, und trotzdem war es anders. Er beschloß, diese Tatsache eingehend zu analysieren, während er sich weiter mit Nad beschäftigte. Diese überlegte gerade, was sie eigentlich gegen Cay gehabt hatte. Er war doch ganz niedlich...

Geraume Zeit später stellte Cayvyn fest, daß Nardia ihre bisherigen Differenzen offensichtlich zumindest zeitweilig beiseite gelegt hatte. Immerhin kuschelte sie sich ziemlich hingebungsvoll an ihn. Er legte die Arme um sie und hielt sie einfach nur fest.

Nad seufzte zufrieden. Wenn sie doch nur diese blöde Perücke loswerden könnte! Es war nunmal eine reine Steh-Perücke, und so verspeiste sie andauernd Haare. Pfui. Ach, eigentlich war es auch egal, ob er ihr echtes Outfit sah. Sie befreite sich aus Cayvyns Armen. Dieser betrachtete sie kritisch. Ihre Perücke hing schief. Entschlossen zog Nardia das Teil vom Kopf. Welch eine Wohltat! Sie ließ sich wieder in die Kissen fallen. Cayvyns rechte Augenbraue schoß in die Höhe.

Nardia hatte auch weißblonde Haare?! Ts, dann war das braunhaarige Outfit ebenfalls eine bloße Maskerade, konstatierte er verwundert. Er strich sanft über ihre Wange. Das war ja unglaublich - sie könnte beinahe Alycias Zwillingsschwester sein!

Nardia hatte ihn amüsiert beobachtet. Das hatte ihn verblüfft... Sie kuschelte sich an ihn. Was Alan und Acy wohl gerade taten?

* * *

Diese hingen derweil immer noch im Laderaum A und kochten innerlich. Wann war dieser Drehtag nur zu Ende? Alycia setzte ein zuckersüßes Kameralächeln auf und flüsterte Alan schwülstige Liebkosungen ins Ohr. Firestar sah sich um. Wo war die Kamera?

"Schnitt!" rief Coderay wieder einmal. "Die ganze Szene noch einmal! Kinder, legt euch doch etwas mehr ins Zeug... Denkt dran, ihr seid ganz wild aufeinander und habt euch wochenlang nicht gesehen..."

Alan seufzte ergeben. Nicht nochmal... Die Szene war doch schon siebenmal drangewesen, und er hatte einfach keine Lust mehr. Schauspieler war nicht sein Traumberuf, das stand fest.

Alycia fragte sich, was Cayvyn gerade anstellte. Und falls er es wagen sollte, irgendetwas mit ihrer Schwester anzufangen, dann... dann... würde sie geeignete Maßnahmen ergreifen. Sie wußte zwar noch nicht, was, aber es würde ihr sicherlich etwas einfallen - und es würde garantiert fürchterlich werden.

Alan verdammte diesen blöden Film. Er wollte wissen, wo Nardia war. Wenn sie es wagte, mit Cayvyn anzubandeln... Er wußte nicht, wen er dann zuerst zur Rechenschaft ziehen sollte. Vor allem ging ihm dieser Coderay auf die Nerven. Nie konnte man ihm etwas recht machen!

"Action!" brüllte der Regisseur gerade erneut.

Alycia stürmte also auf Firestar zu, sprang in seine Arme um warf ihn um, so daß sie auf dem Bett zu liegen kamen.

'Grumpf', dachte sie genervt. Coderay hatte nicht die geringste Ahnung, daß so etwas bei einem Androiden eine absolut ungeeignete Methode war. Morgen hatte sie bestimmt massenhaft blaue Flecken überall. Alan haßte es, sich andauernd fallen lassen zu müssen, vor allem, weil er peinlich darauf achten mußte, Acy nicht versehentlich zu verletzen. Und der Text wurde beim achten Mal auch nicht besser. Wann war diese Tortur endlich vorbei?

* * *

Nardia warf einen Blick auf die Uhr. Hm, sie sollte besser hier verschwinden, bevor der Drehtermin zu Ende war. Es wäre taktisch äußerst unklug, wenn sie bliebe.

"Ich sollte jetzt lieber gehen", meinte sie.

"Du hast recht", stimmte Cayvyn zu. Er konnte allerdings nicht widerstehen, sie noch einmal hingebungsvoll zu küssen. Es war zwar anders als mit Alycia, aber er bereute keine Sekunde, stellte er fasziniert fest.

Nardia seufzte und stand auf, um ihre Sachen zusammenzusuchen. Es wäre sinnvoll, wenn sie nichts liegen ließe. Cayvyn sprang rasch ins Bad, um sich die Maskerade abzuschrubben. Als er zurückkehrte, hatte er wieder kupferfarbene Haare und die eigenwilligen, türkisfarbenen Augen mit Kupferschimmer. Nardia hatte sich bereits in Andra zurückverwandelt.

"Das steht dir eindeutig besser", meinte Nardia. "Ich gehe nun." Sie zögerte kurz an der Tür. Warum wußte sie eigentlich selbst nicht.

"Was ist?" Cayvyn stieg in das metallicschwarze naravinische Outfit.

"Nichts!" sagte sie schnell. "Bis dann." Sie verließ eilig das Zimmer. Cayvyn zuckte mit den Schultern. Frauen! Auf jeden Fall sollte er Alycia besser nichts von dieser Episode erzählen...

* * *

Endlich war Coderay zufrieden. Alan seufzte erleichtert. Er würde sich nie wieder als Schauspieler betätigen. Der Produzent strahlte, als er an das monumentale Lager trat, in dem Alycia und Firestar fix und fertig herumlagen.

"Ihr wart grandios!" Ich glaube, nicht einmal Alycia Blade und Firestar hätten es besser machen können..."

Alan konnte gerade noch eine Erwiderung verschlucken, aber er sah äußerst gequält aus. Acy ging es nicht anders. Sie rollte sich zu Firestar herüber.

"Rette mich, bevor ich ihn umbringe", flüsterte sie.

"Wozu? Ich werde ihm den Hals umdrehen..." Falls ihm nicht noch etwas besseres einfiel, überlegte er grimmig.

"Hm. Dann sind wir also ausnahmsweise einmal einer Meinung..." Alycia legte ihren Kopf an seine Schulter, während die Requisiteure um sie herum die Kulisse abbauten.

"Ich will hier raus", verkündete Alan und erhob sich.

"Okay." Acy raffte ihr sündhaftes Negligé zusammen und stieg ebenfalls aus den Federn. Alan packte seine Klamotten ein und steuerte erst einmal in Richtung Garderobe.

'Seufz', dachte Alycia und begab sich zur Maskenbildnerin. Es war eigentlich albern, daß sie sich großartig abschminken mußte, denn schließlich sah sie unter dem ganzen Make-Up genauso aus...

Firestar hatte noch einen Kampf mit der Garderobiere, die partout sein 'Kostüm' wiederhaben wollte. Schlußendlich flüchtete er gestreßt.

Alycia war gleichfalls irgendwann fertig - vor allem mit den Nerven. Völlig erledigt wankte sie nach Hause. Erst im letzten Moment erinnerte sie sich daran, daß sie ja jetzt in II/11 wohnte, da sie Helena LaFeurelle war. Oh, Dunkle Mutter, dabei fiel ihr zusätzlich ein, daß in zwei Stunden ihr Dienst in der Funkstube begann. Und sie war doch jetzt schon absolut hinüber...

Firestar lief auf dem Weg in seine Kabine auch noch einer Horde Autogrammjäger in die Arme. Das hatte ihm gerade noch gefehlt... Und dazu mußte er mit diesem elend langen naravinischen Namen unterschreiben! Grumpf. Endlich konnte er die Tür seiner Kabine hinter sich schließen. Nardia war nicht da. Wo sie sich wohl herumtrieb? Er machte sich rasch wieder als Tanyuk Hegyi zurecht. Besser, er suchte sie gleich.

Acy steckte unterdessen erneut in der Funkerinnen-Uniform und beschloß, noch einmal kurz bei ihrem Lebensgefährten vorbeizusehen. In zwei Stunden war es ohnehin illusorisch, noch etwas zu schlafen... Als sie ihn in seinem Quartier nicht antraf, machte sie sich auf zum Speisesaal. Das war Cayvyns zweitwahrscheinlichster Aufenthaltsort.

Auch Alan sah dort nach, da er Nardia sonst nirgends finden konnte. Zudem hatte er gehörigen Hunger nach den Strapazen des heutigen Tages.

Tsayée! Alycia ließ eine steile Furche auf ihrer Stirn entstehen, als sie Cayvyn an einem der Tische an den Aussichtsfenstern erspähte. Er saß dort mit Nardia zusammen und schien sich ausnehmend gut zu amüsieren. Gefrustet lud sie sich drei große Stücke Schokotorte auf einen Teller und steuerte auf die beiden zu.

Alan entdeckte Nardia, nachdem er sich den Teller vollgepackt hatte. Da Acy sich ebenfalls in diese Richtung bewegte, folgte er ihr unauffällig. Das wurde ja immer besser, jetzt ging sie schon mit Cayvyn essen!

Im letzten Moment fiel es Alycia ein, daß sie ja gar nicht mehr Prinzessin Jaynevra war - beziehungsweise ihr Partner nicht Sir Cayvyn. So konnte sie ihm noch nicht einmal eine richtige Szene machen! Frust. Sie trat an den Tisch.

"Seid begrüßt, Prinz Alayvyn, Mademoiselle..."

Nardia blickte die rotuniformierte Frau erstaunt an. Dem Dienstabzeichen nach war es eine Funkerin. Sollte sie die Dame kennen?

"Guten Abend", sagte sie. Tanyuk-Alan war indes auch am Tisch angekommen.

"Ich wünsche einen guten Abend." Er setzte sich. Acy war einen Augenblick unschlüssig, was sie tun sollte, dann beschloß sie, daß sie ja eigentlich niemand daran hindern könnte, ein kleines Schwätzchen mit ihrem Filmpartner zu halten. Hm, obwohl ja eigentlich Alan heute neben ihr gespielt hatte und nicht Cayvyn, wie sie etwas ungehalten bedachte.

"Darf ich mich zu Euch setzen?"

"Sicherlich, Mademoiselle LaFeurelle, nehmt Platz." 'Prinz Alayvyn' verzog keine Miene.

'Sonderbar', wunderte sich Alycia. 'Und höchstgradig verdächtig.'

'Schon wieder Acy', dachte Nardia irritiert. In wie vielen Verkleidungen würde sie noch auftauchen?

"Danke." Alycia ließ sich nieder und lächelte Alayvyn an. "Es ist mir ein ausgesprochenes Vergnügen, mit Euch zusammen in diesem Film zu spielen", bemerkte sie zuckersüß. Ihr Gefährte neigte hoheitsvoll den Kopf.

"Ich danke Euch, liebwerte Demoiselle."

'Frechheit', dachte Acy empört und machte dennoch weiter gute Miene zum bösen Spiel. Hatte Cayvyn das etwa mit Alan abgesprochen?

Firestar schaute Cayvyn forschend an. Es war hier etwas mehr als nur merkwürdig. Blackfires Partner regte sich weder auf, noch ließ irgendwas vermuten, daß er sauer war. Dennoch war Alan sich sicher, daß Cayvyn sich rächen würde - oder vielleicht schon gerächt hatte? Prinz Alayvyn erhob sich.

"Darf ich Euch etwas zu trinken holen, Mesdemoiselles?" erkundigte er sich galant. Acy runzelte die Stirn. Was sollte das nun wieder?

"Ja, bitte", entgegnete sie verwundert. "Würdet Ihr so liebenswürdig sein und mir ein Glas dieses vorzüglichen naravinischen Blauweins mitbringen?"

"Danke, ich möchte nichts", lehnte Nardia ab. Sie hatte momentan überhaupt keinen Appetit. Am liebsten hätte sie Alan auf der Stelle zur Rechenschaft gezogen, aber leider mußte sie warten, wenn sie sich nicht absolut blamieren wollte.

'Grrr...' Alycia brannte es auf der Zunge, ihren Lebensgefährten zur Rede zu stellen. Was hatte er sich nur bei seinem Auftritt mit Nardia gedacht? Leider war dies hier etwas deplaciert; sie sollte warten, bis sie mit ihm alleine war. In unangenehme Gedanken, Cays Zukunft betreffend, versunken, sah sie ihm hinterher, als er zum Buffet stiefelte, bevor sie sich daran machte, das erste Tortenstück zu vertilgen.

Auch Alan wollte allein mit Nardia reden. Sie war ihm viel zu gelassen. Wenn sie ihm hier und jetzt an die Gurgel gegangen wäre, okay, das hätte er begriffen - aber diese Gleichgültigkeit verwirrte ihn doch. Er verstand sie einfach nicht.

Als Cayvyn zurückkam, nahm Acy ihm das Glas aus der Hand und kippte den blauviolett schimmernden Inhalt in einem Zug herunter. Sie hatte eine Idee...

"Prinz Alayvyn, was hieltet Ihr davon, wenn wir uns zurückzögen, um noch ein paar Details des Drehbuches zu besprechen?"

"Wie Ihr es wünscht, Mademoiselle LaFeurelle." Er neigte dezent den Kopf. Acy nahm ihren Teller und stand auf.

"Dann kommt mit, mein Prinz!" schnurrte sie gefährlich leise.

"Wir sollten uns ebenfalls zurückziehen", meinte Tanyuk und erhob sich. Nardia tat es ihm gleich.

* * *

Alycia schob Cayvyn durch die Tür, während sie mit der anderen Hand den Teller balancierte. Mit einem Fuß tippte sie auf den Sensor, der die Pforte hinter ihnen schloß.

"So, und jetzt raus mit der Sprache, mein Schatz!" Acy baute sich drohend vor ihm auf. "Was sollte das mit meiner Schwester?!"

"Moment, moment..." Cay nahm ihr den Teller aus der Hand und stellte ihn auf dem Tisch ab, bevor er sie behutsam aber fest an den Oberarmen packte. "Und wie war das mit Alan?"

"Ich konnte doch während der Dreharbeiten nicht abhauen und lautstark verkünden, daß der Schauspieler nicht du gewesen bist! Zwei Männer, die Firestar zum Verwechseln ähnlich sehen, wären doch irgendwie verdächtig, meinst du nicht auch, mein Herzchen?!"

"Naja..." Irgendwie hatte sie nicht ganz unrecht, mußte Cayvyn zugeben. Er hatte so ein seltsames ...Gefühl - ob das ein schlechtes Gewissen war? Verwirrt ließ er sie wieder los und blickte auf den Monitor, der die Sternkonstellationen in Flugrichtung der Couronne zeigte.

"Cayvyn, ich hoffe für dich, daß du nichts mit meiner Schwester angestellt hast...!"

"Ähm..." Er dankte seinen Konstrukteuren (peinlich, daß es ausgerechnet der alte Firestar und Acy waren...) dafür, daß er nicht rot werden konnte.

"Cayvyn...!" Alycia sah ihn warnend an. "Hast du - oder hast du nicht?"

"Was...?" versuchte er abzulenken und schaute seine Gefährtin an, als könnte er kein Wässerchen trüben. Acy reichte es. Sie kannte ihn mittlerweile zu gut, als daß er allzuviel vor ihr verbergen konnte, und wenn er versuchte, einer ihm unangenehmen Antwort auf diese Art auszuweichen, dann war das so gut wie ein Schuldbekenntnis.

"Du Schuft!" Sie griff nach dem Teller und warf ihm die restlichen beiden Tortenstücke ins Gesicht. Cayvyn sah sie verletzt an.

"Aber das, was du da mit Alan getrieben hast..." Er wischte sich die Schokocrème aus dem Gesicht.

"Ich habe gar nichts mit ihm getrieben!" Alycia stampfte wütend mit dem Fuß auf. "Wir haben lediglich unsere Rollen gespielt, und das hat überhaupt nichts mit echten Gefühlen zu tun. Was du dagegen mit Nardia angestellt hast..." Sie holte tief Luft, um ihn weiter zu beschimpfen, doch plötzlich konnte sie ein Kichern nicht unterdrücken. Cay sah einfach albern aus, wie er da total schokoladenverschmiert mitten im Raum stand und einen reichlich geknickten Eindruck machte. Verdammt, warum gelang es ihm bloß immer wieder durch seine reine Anwesenheit, ihren kompletten Ärger in Nichts aufzulösen?! Sie schüttelte den Kopf, strich mit dem Zeigefinger über seine Wange und schleckte diesen ab.

"Cay, du bist einfach süß!" Sie gab ihm einen hingebungsvollen Kuß, was dazu führte, daß sie nun ebenfalls absolut negermäßig aussah, bevor sie ihren Lebensgefährten in Richtung Dusche schleppte. Cayvyn blickte sie hoffnungsvoll an und entfernte ein paar Schokostückchen aus ihren Haaren.

"Lisha, heißt das, daß du mir verzeihst?" Er sah sie aus seinen riesigen türkis-kupfernen Augen an, und Acy spürte, wie sie wieder schwach wurde.

"Hm. Das weiß ich noch nicht... Kommt drauf an, was du mir für ein Friedensangebot machst."

"Abwarten..." Cayvyn stieg aus seinen Klamotten, warf diese in den Reiniger und aktivierte die Dusche. Acy tat es ihm gleich und trat zu ihm. Sie würde ihm schon zeigen, was er an ihr hatte! Pah, mit ihrer Schwester mußte er sich einlassen! Grrrr...

"Wie war es denn - mit ihr?" fragte sie spitz. Cayvyn hob eine Augenbraue und ließ seine Hände an ihren Seiten entlanggleiten.

"Ich habe dich auch nie gefragt, was du mit einen früheren Freunden angestellt hast."

"Püh!" Alycia wollte gerade zu einem weiteren Kommentar ansetzen, als Cayvyn sie elegant zum Schweigen brachte. Und wie er dann begann, sie liebevoll abzuschrubben, brach jeglicher Widerstand von Acy endgültig wie ein Kartenhaus zusammen. Aber das hieß noch lange nicht, daß alles vergeben und vergessen war, ermahnte sie sich. Doch als Cayvyn sie kurz darauf auf seine Arme hob und zu ihrer Liegestatt transportierte, wo er sie mit seinen Zärtlichkeiten überschüttete, gerieten auch ihre fester gefaßten Vorsätze ins Wanken. Zumindest für heute...

* * *

Nardia folgte Alan, der ausgesprochen eilig ihrer Kabine zustrebte. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, als er sie an den Schultern packte.

"Ich will wissen, was los war!"

"Wieso?" gab Nardia zurück und wand sich aus seinem Griff.

"Was war zwischen Cayvyn und dir?" Nad mußte sich das Grinsen verkneifen. Alan war eindeutig eifersüchtig!

"Ich wüßte nicht, was dich das angeht", bemerkte sie kühl. Alan sah ausgesprochen wütend aus.

"Du gehörst zu mir!"

"Ach?" Nardia stemmte die Hände in die Hüften. "Ich würde sagen, du spinnst. Ich gehöre niemandem, und dir schon gar nicht! Wie ich es schon mal gesagt habe - wir passen einfach nicht zusammen. Du kannst es nicht lassen, und ich denke nicht daran, zu tun, was du willst... Und außerdem, wie ist das noch mit Acy und dir?" Dazu sagte Alan erstmal nichts. Das Thema wollte er momentan nicht erörtern. Trotzdem mußte er Gewißheit haben, aber er war sicher, daß Nardia nichts sagen würde.

"Ich möchte zu gerne wissen, was Coderay in bezug auf uns plant", wechselte er abrupt das Thema.

'Aha', dachte Nardia, 'er versucht abzulenken.'

"Dann find es raus", meinte sie. "Ich habe noch etwas zu erledigen." Sie wollte das Zimmer verlassen, doch Alan hielt sie zurück. Er dachte nicht daran, sie aus den Augen zu lassen.

"Du gehst nicht!" Das war genau das, was sie erwartet hatte.

"Nein?" fragte sie herausfordernd.

"Bitte", sagte er zögernd.

"Nun?" Nardia sah ihn erwartungsvoll an.

"Es war eine blöde Idee, und ich entschuldige mich." Sowas war nicht gerade seine Stärke.

"Fein. Und keine Fragen mehr?"

"Okay." - 'Jetzt nicht', dachte Alan, was aber nicht hieß, daß er so schnell aufgab.

"Was unternehmen wir nun?" wollte Nardia wissen. Sie schlang die Arme um seinen Hals. Hoffentlich war diese Maskerade bald überflüssig, denn sie fand sein derzeitiges Outfit gräßlich.

"Keine Ahnung." Er sah sie fragend an. Nardia seufzte und küßte ihn. Daß sie aber auch nie lange standhalten konnte, wenn er sie so anguckte! Es war schon schlimm mit ihr. Aber die Lektion hatte er verdient - wenn es auch kaum etwas nutzen würde. Firestar blieb Firestar.

* * *

3762/09/40 GZ

Als Karylla aufwachte, bemerkte sie mit Schrecken, daß sie ihre komplette Dienstschicht verschlafen hatte. Sie räkelte sich wohlig. Mmmmh... Aber es hatte sich gelohnt...!

"Wieder wach?" erkundigte sich Ryko und streichelte sie zärtlich.

"Mhm..." Karylla war sich immer noch nicht ganz schlüssig darüber, ob sie ihm seinen Seitensprung verzeihen sollte. Dabei war sie sich so sicher gewesen, daß sie diesen Teil der alten Programmierung von Firestar komplett ersetzt hatte! Naja, offenbar doch nicht komplett... Sie betrachtete ihn ausgiebig. Es war einfach unfair, stellte sie fest. Grundsätzlich vereinigte Ryko in ihren Augen sämtliche Vorzüge, die sie an einem Mann finden konnte - und das war in ihrem Fall auch das größte Problem. Wie sollte sie es da schaffen, ihm auch nur einmal zu widerstehen?! Karylla verfluchte zum x-ten Mal die Tatsache, daß sie ihn so perfekt gestaltet hatte.

"Was hast du?" Ryko strich über ihren Rücken, und sie seufzte behaglich.

"Ich ärgere mich über mich selbst", sagte sie gefrustet. "Und außerdem müssen wir gleich wieder in das 'Filmstudio'", versuchte sie, zu einem anderen Thema überzugehen.

"Warum ärgerst du dich über dich selbst?"

"Verdammt, ich liebe dich, auch nach all dem, was du mir angetan hast", fauchte Karylla ihn wütend an.

"Moment, dir habe ich doch nichts angetan", korrigierte Ryko mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Püh!" Karylla sprang auf und warf ihm ein Kissen an den Kopf.

"Ich weise darauf hin, daß ich bislang noch keine Vergleichsmöglichkeiten hatte, und mir ist nun eine Sache klar geworden", meinte er, nachdem er das Teil mit Effet zurückgeschmissen hatte. Um ein Haar hätte es Karylla aus dem Gleichgewicht geworfen. Sie ruderte wild in der Luft herum, bis sie sich wieder fing.

"Was denn?" fauchte sie. Zwei weitere Kissen folgten. Ryko seufzte und befreite sich von ihnen.

"Kary - ich liebe dich!"

"Wie bitte?" Das war bestimmt wieder ein Trick, befand sie, griff nach einem neuen Kissen und warf sich samt dem Ding auf ihren Partner.

"Ich ergebe mich!" Ryko wühlte sich nach oben und hob die Arme. "Was kann ich nur tun, um dich von meiner Lauterkeit zu überzeugen?"

"Hm." Karylla überlegte. "Was schlägst du vor?"

"Hey, ich will dich überzeugen!" Er warf ihr einen seiner üblichen unwiderstehlichen Blicke zu, und Karylla verzog das Gesicht.

"Vertagen wir das auf die Zeit nach dem Drehtermin. Vielleicht fällt mir bis dahin etwas ein..." Sie küßte ihn. "So. Und jetzt zu etwas anderem... Wie lange dauert es, bis die Couronne ihren ersten Zwischenstop einlegt?"

"In zwei Tagen sind wir auf Khemarra."

"Khemarra... Oh-oh - ich ahne fürchterliches", seufzte Blackfire.

* * *

Nardia knurrte unwillig. Sie hatte überhaupt keine Lust, sich aus dem weichen, warmen Bett zu erheben, doch Alan zerrte gnadenlos ihre Decke weg.

"Wir haben zu tun!" machte er sie ungeduldig aufmerksam.

"Ich bin noch so müde", brummelte sie.

"Oooch, mein armer Schatz!" Alan zerzauste liebevoll ihre Haare. Nardia versuchte, ihn zu sich herunterzuziehen. "Oh nein", meinte er vergnügt. "Ich habe das Gefühl, daß Coderay nun lange genug Zeit hatte, sich etwas auszudenken."

Seufzend verschwand Nardia im Bad, um wieder in die Maskerade der Andra Oliveri zu schlüpfen. Wäre sie doch bloß nie auf die Idee gekommen, Urlaub zu machen! Sie hatte in den letzten vier Tagen mehr Streß gehabt als sonst in ebensoviel Monaten.

"So, ich bin fertig", verkündete sie schließlich und stülpte sich die rote Perücke über.

"Dann laß uns gehen." Die beiden machten sich auf den Weg zum Speisesaal. Plötzlich horchte Firestar auf. Das Geräusch hatte er schon des öfteren vernommen. Er gab Nardia einen Schubs, so daß sie gegen die Wand prallte. Der Strahl des Lasers brannte eine Furche in die Verkleidung des Ganges. Bevor der Attentäter einen zweiten Schuß abfeuern konnte, war es Firestar gelungen, sich auf ihn zu stürzen und ihn zu überwältigen. Nardia hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt.

"Also, langsam wird es lästig", nörgelte sie und versuchte, ihr Kleid und die Frisur wieder zu richten.

"Stimmt. Was mache ich jetzt mit dem Knilch?" Alan betrachtete den verschlagen aussehenden Typen nachdenklich. Plötzlich fielen ihm die Stasiskammern im Frachtraum B ein, und kurzerhand warf er sich den Mann über die Schulter. Wie gut, daß der Korridor verlassen war.

Im Laderaum verstaute er ihn in einer der sechs Stasiszellen, die sich in einer abgeteilten Nische befanden. Als er ein weiteres Mal die Frau in Kammer 1 inspizierte, stellte er irritiert fest, daß diese keineswegs tot war. Er hatte den Verdacht, daß es sich bei ihr wohl um die echte Funkerin der Couronne handeln mußte.

"Ich hoffe nur, Coderay versucht es nicht noch einmal", bemerkte Nardia nachdenklich.

"Er wird... Er scheint mir ziemlich determiniert zu sein. Allerdings kann er es kaum noch mal hier auf dem Schiff versuchen. Ich nehme an, er wird eine Möglichkeit auf dem Planeten suchen."

"Am liebsten würde ich diese ganze Maskerade schmeißen", meinte Nad. Dieser Urlaub wurde langsam gefährlich.

"Mir gefällt es auch nicht. Aber wir brauchen eine passende Gelegenheit, um Andra und Tanyuk verschwinden zu lassen."

"Stimmt auch wieder. Können wir jetzt zu den Dreharbeiten gehen?" fragte sie ungeduldig, da sie keine Szene versäumen wollte.

"Gut." Zwar fand Alan das Ganze immer noch ausgesprochen dämlich, aber so lange er nicht mitwirken mußte... Sie machten sich also auf den Weg.

* * *

Derzeit durften Ryko und Karylla eine dramatische Auseinandersetzung spielen, so nach dem Motto:

"Bleib doch bei mir!"

"Oh, nein, ich muß gehen, Geliebte!"

Blackfire fand es entsetzlich, vor allem, weil sie immer noch darüber meditierte, wie sie ihrem Partner eins auswischen könnte.

"Schnitt!" Coderay wedelte hektisch mit den Armen herum, und ein ganzes Rudel Maskenbildner stürzte sich auf seine beiden Hauptdarsteller, um sie wieder entsprechend zu arrangieren. "Gut gemacht! So, jetzt kommt die Szene, wo die Weltraumpolizei Alycias Haus stürmt..."

Nardia und Alan waren gerade angekommen und hatten sich hinter die Kameras plaziert. Zum Glück hatte Coderay nichts gegen Zuschauer auf dem Set, seit das Drehbuch ohnehin die Runde gemacht hatte.

Firestar grinste, als er Coderays Anweisungen hörte. Weltraumpolizei, so ein Quatsch! Diese Szene war nicht nur absolut übertrieben, er konnte sich nicht einmal im entferntesten vorstellen, auf welche reale Begebenheit sie sich beziehen sollte. Nardia schaute gespannt auf die Kulisse. Was jetzt wohl kam? Sie hatte das Drehbuch doch noch immer nicht ganz gelesen, sie fand einfach keine Zeit dazu.

Unterdessen hatte sich Karylla in einem feudalen Wohnzimmer auf eine neongrüne Couch drapiert. Sie schnitt eine Grimasse. Was die sich unter ihrer Heimstatt vorstellten! Offenbar hatte Coderay beschlossen zu ignorieren, daß die Villa Alycia kein Haus, sondern eine Raumstation war, und was die Einrichtung derselben betraf... Nun ja, die war ebenfalls etwas anders...

Ryko stand in voller Firestar-Montur in einer Ecke und blickte zu einem Fenster heraus. Fenster! Bei ihr gab es nur Monitore, und von dort hatte man einen herrlichen Blick auf den Planeten Tarishaan - und nicht auf so einen dekadenten Blumengarten!

Auch Nardia und Alan amüsierten sich königlich über die Aufbauten. Was für Vorstellungen Drehbuchautoren hatten! Und natürlich entsprach alles der reinen Wahrheit...

Plötzlich wurde eine Tür aufgerissen, und es gab ein buntes Special-Effects-Feuerwerk, als etwa zwei Dutzend Weltraumpolizisten hereingestürmt kamen und Firestar unter Beschuß nahmen. Dieser zog zwei gewaltige Blaster und feuerte wild zurück. Karylla mußte unter dem Sofa in Deckung gehen und hielt sich beide Hände vor das Gesicht - aber nicht vor Entsetzen, wie es das Drehbuch vorschrieb, sondern weil sie sich diesen Schwachsinn nicht mehr angucken konnte.

Alan konnte sich gleichfalls nicht mehr beherrschen, er vergrub das Gesicht in Nardias Haar. Diese grinste. War das bescheuert! Wer, um Himmelswillen, lief mit zwei Blastern herum?! So ein Unfug, vor allem, da Alan Waffen nicht mochte und eigentlich nie eine benutzte.

Es wurde noch etwas herumgeballert, dann verschwand Firestar mit einem gewagten Sprung durch das Fenster in den Garten. Karylla gluckste unterdrückt; zum Glück ging das in der Special-Effects-Knallerei unter.

'Ab durch den Monitor', dachte sie in Gedanken an ihre echte Behausung.

Alan schüttelte nur den Kopf. Solch eine Idiotie! Er würde kaum durch ein Fenster springen, wo er doch so eine sinnvolle Erfindung wie ein TM-Aggregat sein eigen nannte.

"Schnitt!" brüllte der Regisseur gerade wieder. "Leute, das war genial! Ich sehe es schon, der Film wird alle Kassenrekorde brechen..."

'Mit Sicherheit', dachte Alan. Sowas mußte ankommen. Je dümmer die Story, desto lieber mochte das Publikum sie. Irgendwie konnte Firestar das nicht verstehen.

Den lieben langen Tag ging es so weiter, ebenso den darauffolgenden. Karylla und Ryko gelang es einfach nicht, auch nur das Geringste herauszufinden, und sie waren entsprechend frustriert.

* * *

3762/09/42 GZ

Die Couronne de l'Espace machte den ersten Zwischenhalt auf Endjas V/Khemarra. Dort sollte sich für die normalen Touristen ein paar Tage Sonnenurlaub in den Oasen der Elhaev-Wüste ergeben, und das Filmteam beschloß, die Szenen vom Kampf gegen das Konsortium D-Rauschgiftlabor von Chicolita in der gelben Steinwüste von Enakira zu drehen. Coderay stellte sich das Ganze folgendermaßen vor:

Blackfire wurde dort gefangengehalten, und Firestar sollte sie befreien, wobei er von der ISPC-Agentin Stardust gejagt und daran gehindert werden sollte, da sie ihm Kontakte mit dem KD unterstellte.

Nardia konnte diesen Teil der Story überhaupt nicht verstehen. Wie kamen die nur darauf? Zu dieser Zeit war Firestar doch noch nicht einmal in der FGS gewesen! Und Stardust und Firestar fangen - hatte sie nicht sogar deshalb kurzfristig den Dienst in der ISPC quittiert, weil sie sich weigerte, dies zu tun?! Tse. Außerdem hatten die Drehbuchautoren offenbar Infinity durch Firestar ersetzt.

Das konnte ja nur noch schlimmer werden! Alan überlegte, was die ihm noch alles anhängen würden. Es wurde Zeit, daß er langsam wirklich etwas unternahm. Auch Ryko war leicht ungehalten. Irgendwie fühlte er sich in der ganzen Story etwas übergangen. Dabei war es doch bis zu Alans Auftauchen in der gesamten FGS (und darüber hinaus) bekannt, daß er, Ryko Infinity Maiell, der Partner von Blackfire war! Grumpf. Wenn er jemals diese beiden Drehbuchautoren - Shina Monique Jardin und Michel-Victor Saccard - in die Finger bekam... Naja, aber die hatten ja auch schon eine fürchterliche Trilogie über den alten Firestar verbrochen...

Andra Oliveri und Tanyuk Hegyi hatten den Zwischenstop ausgenutzt, das Schiff vorzeitig zu verlassen. Sie gaben gesundheitliche Gründe dafür an, was ja noch nicht einmal ganz unzutreffend war, wenn man die diversen Attacken auf ihr Leben in Betracht zog. In neuer Verkleidung sahen sie nun den Dreharbeiten zu. Unauffällig versuchten sie noch immer, etwas über Coderays Pläne zu erfahren. Durch das Verschwinden von Andra und Tanyuk war ja wohl die Gefahr der Anschläge gebannt.

Prinz Alayvyn nutzte derweil die Gelegenheit, um Prinzessin Jaynevras 'Leiche' loszuwerden. Er hatte einen kleinen Raumkreuzer angefordert, der angeblich Jaynevra nach Naravina überführen sollte, aber tatsächlich die echte Helena LaFeurelle - mit einer angemessenen Entschädigung natürlich - nach Tarishaan zurückbrachte. Alayvyn selbst mußte ja wegen seines Filmvertrags auf der Couronne bleiben.

Karylla wiederum beichtete dem Captain des Liners, daß sie gar nicht Helena, sondern Sylvia LaFeurelle sei, die ihrer Zwillingsschwester deren Papiere entwendet habe und nur wegen Coderays Firestar-Film an Bord gekommen sei. Es gab zwar einigen Wirbel darum, aber da Captain Roussel ein großer Coderay-Fan war, ließ er die Sache schlußendlich doch auf sich beruhen, da er sich nicht nachsagen lassen wollte, ein derart großes Filmprojekt dadurch torpediert zu haben, daß er die Hauptdarstellerin hinter Gitter brachte.

Nachdem sie so ihre Angelegenheiten geregelt hatten, konnte es weitergehen...

* * *

3762/09/43 GZ

Karylla hatte an diesem Tag Drehpause. Sie war angeblich bei dem zuletzt gedrehten 'Überfall' der Weltraumpolizei verwundet worden, und würde erst wieder bei den Einstellungen auftauchen, die während des Fluges nach Enmisar II/Sinhalon im Schiff gedreht würden. Irgendwie fand sie ihre Rolle ausnehmend anspruchsvoll...

Dafür kamen mit Tanya Ricard und Susan Colvin zwei neue Schauspielerinnen auf den Plan, die Blackfire und Stardust verkörpern sollten.

Nardia konnte über diese beiden Ladies nur den Kopf schütteln. Sie waren derart kurvenreich, daß sie nie durch irgendeinen Wartungsschacht passen würden, und eine Chance in einem Zweikampf räumte sie ihnen auch nicht ein. Sie waren vollkommen unsportlich und brachen in Tränen aus, wenn ihnen nur ein Fingernagel abbrach. Einfach lächerlich, fand Nardia. Zudem war Susan Colvin mindestens zehn Zentimeter kleiner als sie.

Als Karylla zum ersten Mal der Blackfire-Darstellerin über den Weg lief, hätte sie beinahe einen Lachkrampf bekommen. Diese war ein gutes Stück größer als sie und füllte ihren Silber-Overall in solch beängstigendem Maße aus, daß das Teil bei der geringsten falschen Bewegung aufplatzen dürfte. Tsayée! Und dann diese knallbunte Kriegsbemalung! Schauderhaft, das paßte doch gar nicht zu Karylla Noir! Außerdem hatte sie viel zu lange Haare, und da diese offenbar sogar echt waren, fragte sich Karylla, wie Tanya jemals eine Perücke darüber bekommen wollte.

Alan hatte beim Anblick der beiden 'Damen' bloß amüsiert die Augenbrauen hochgezogen. Der Film nahm immer kuriosere Formen an. Warum gelang es ihm nur nicht, endlich etwas über die wahren Absichten Coderays herauszubekommen? Aber nein, er tappte weiterhin völlig im Dunkeln.

Inzwischen hatte Pierre Coderay sein gesamtes Aufnahmeteam ausgewechselt, weil die Leute angeblich auf Innenaufnahmen spezialisiert waren und er lieber vor Ort mit einem einheimischen Team arbeiten wollte, das die hiesigen Gegebenheiten besser kannte. Mittlerweile hatte man Ryko Tanya Ricard und Susan Colvin vorgestellt. Er lächelte sie sehr höflich an und dachte sich seinen Teil.

Heute sollten die Drehorte besichtigt und die ersten Einstellungen geprobt werden. Als erstes wurde die 'Festung' des KD in Augenschein genommen. Hierzu diente eine Burgruine, die mitten in der gelben Steinwüste stand und mit vielen kleinen Türmchen und Erkern verziert war. Nardia schüttelte den Kopf. Sie konnte sich noch entsinnen, wie sie durch ein Bergwerk in das unterirdisch angelegte KD-Labor eingedrungen war...

Karylla hatte sich einen Klappstuhl organisiert und diesen unter einem Sonnensegel aufgebaut. Als sie sich hineinfallen ließ, sackte das Teil erst einmal ein paar Zentimeter durch, bevor es wieder seine normale Schwebehöhe einnahm. Karylla beugte sich nach unten, um die Antigraveinheit zu inspizieren. Sie war offenbar antik, stellte sie fest.

Mit gerunzelter Stirn sah sie zu, wie Coderay Ryko und Tanya die Rettungsszene erklärte. Grummel, er sollte schon wieder den großen Verführer spielen und sich die Lady krallen... Am liebsten würde sie die Rollen von Blackfire und Stardust auch noch übernehmen, nur aus Prinzip.

Nardia und Alan hatten es sich im Schatten eines großen Felsbrockens bequem gemacht und beobachteten das Spektakel. Die beiden hatten sich weite, khemarrische Wüstengewänder übergeworfen und die zugehörigen Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Plötzlich stand Alan auf. Ihm war etwas eingefallen. Als Nardia ihm folgen wollte, schüttelte er den Kopf. Sie zuckte mit den Schultern. Dann eben nicht! Außerdem war es hier im Schatten kühler.

* * *

Unvermutet tauchte ein Khemarrer in Wüstenkleidung neben Karylla auf.

"Mademoiselle?"

"Hmpf?" Sie blickte auf und sah eine beigevermummte Gestalt mit stahlblauen Augen, die ihr verdächtig bekannt vorkamen. Da sie gerade von einigen Leuten beobachtet wurden, bat Firestar sie um ein Autogramm. Blackfire grinste schwach und erfüllte seinen Wunsch, bevor sie in eine Richtung deutete, wo sich außer einigen großen Felsen und Steinhügeln nichts befand. Sie erhob sich und bewegte sich langsam dorthin, ehe sie in einem schmalen Gang zwischen zwei eigenwillig geformten Brocken verschwand.

Kurz darauf folgte Alan ihr möglichst unauffällig, wobei er einen kleinen Umweg machte.

"So - und was gibt es?" fragte Karylla, als Alan bei ihr eingetroffen war.

Sie fächelte sich mit dem Drehbuch etwas Luft zu und hoffte, daß sie sich bei ihrer mehr als luftigen Bekleidung keinen Sonnenbrand zugezogen hatte. Besser, sie suchte sich einen schattigen Felsvorsprung aus.

"Die Frage ist, wie weit ihr inzwischen gekommen seid", begann Firestar. "Es wird Zeit, daß wir etwas unternehmen oder wenigstens Coderay weiter unter Druck setzen."

"Nun, ich habe Coderays Sekretärin etwas ausgehorcht. Sie sagte mir, daß er auf Sinhalon ebenfalls ein neues Aufnahmeteam angeheuert hat. - Ich denke mit Grausen daran, daß die dort mitten im Dschungel drehen wollen..."

Alan grinste breit.

"Es soll da ja besonders interessante Spinnen geben", meinte er vollkommen ernst. "Hm, ich finde es merkwürdig, daß Coderay sich nicht ein einziges Kamerateam zugelegt hat, das sowohl innen als auch vor Ort filmen kann."

"Mhm", machte Blackfire. "Was die sinhalonischen Spinnen angeht, so habe ich schon eingehende Erfahrungen gemacht." Sie schüttelte sich angeekelt. "Das mit den Aufnahmeteams werde ich noch genauer untersuchen."

"Gut", meinte Alan. "Ich werde zusehen, ob ich nicht noch etwas Druck auf Coderay ausüben kann. - Übrigens, hier gibt es auch welche!" Er fixierte einen Punkt hinter Blackfire. Diese sah sich um und entdeckte fünf monströse Spinnen (ca. 5cm groß). Karylla quietschte entsetzt und sprang auf Firestar zu.

"Hilfe!"

"Ich wußte, du magst sie!"

"Tu doch lieber was!" Sie drängte sich an ihn. Alan blickte auf die Tierchen.

"Ich werde sie nicht entfernen, falls du das meinst." Sie hatten doch niemandem etwas getan.

"KREISCH!"

"Ist ja gut... Jetzt ist mein Ruf schon wieder dahin", seufzte er und hob Karylla hoch.

"Ich dachte, das wäre dein Ruf - arme, wehrlose Frauen zu retten..." Sie schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich schutzsuchend an ihn. Wenn es um Spinnen ging, setzte immer etwas bei ihr aus.

"Frauen!" meinte er bloß und brachte Blackfire zu ihrem Platz zurück. Es war ihm eh egal, was die Leute dachten. Ihn erkannte ja diesmal ohnehin niemand. Als Firestar Karylla abgesetzt hatte, warf sie ihm noch einen schmelzenden Blick zu, bevor sie sich neuerlicher Autogrammjäger erwehren mußte.

Einige Reporter waren gleichfalls neugierig geworden und umringten Blackfire und Firestar wie eine Mauer. Alan sah sich gestreßt um. Mittlerweile hatte er begonnen, Reporter zu hassen. Wie kam er jetzt bloß weg, ohne zuviel zu sagen? Die Typen schoben ihn unaufhaltsam näher zu Karylla zurück. Graaa, er wollte in die andere Richtung!

"Mademoiselle LaFeurelle!" Ein grellgeschminkte Khemarrerin hielt Blackfire ein Mikro unter die Nase. "Wer ist Ihr heimlicher Geliebter?" Karylla starrte sie zunächst verdattert an, dann grinste sie breit und beschloß, die Typen ein wenig auf den Arm zu nehmen.

"Firestar persönlich - wer sonst?" meinte sie mit unschuldigstem Gesichtsausdruck. Alan war schockiert, aber er hatte sich gut genug in der Gewalt, um sich nicht zu verraten.

"Mademoiselle LaFeurelle, bleiben Sie doch ernsthaft - wer ist er wirklich?" Vorsichtshalber beschloß Alan, nichts zu sagen. Das konnte man dann auch nicht falsch auslegen.

"Das darf ich Ihnen nicht sagen. Privatsache, verstehen Sie?"

"Aber Mademoiselle, da Sie nun im Rampenlicht stehen, können Sie doch Ihre Fans nicht enttäuschen!"

"Fragen Sie ihn doch selbst", bemerkte Karylla dezent niederträchtig.

"Monsieur?" wandte sich die Reporterin an Alan.

"Ich werde meinen Namen nicht preisgeben!" Er saß schon wieder in der Klemme!

"Nun gut..." Völlig überraschend stürzte sich die Khemarrerin auf Alans Kapuze und zog sie herunter. Firestar sah sie nur herausfordernd an. Dann eben nicht... Jetzt sollte die dumme Pute mal zusehen, was sie machte. Die Reporterin riß ihren Mund auf und starrte ihn sprachlos an. Damit hatte Alan gerechnet. Jetzt mußte er nur noch seinem Image gerecht werden. Er warf das Wüstengewand von sich und stand in seinem feuerroten Firestar-Outfit inmitten der verblüfften Menge, bevor er Blackfire an sich zog und heftig küßte. Nun hatten die Reporter, was sie wollten. Karylla fand das Ganze ausgesprochen amüsant und konnte einfach nicht widerstehen, seinen Kuß hingebungsvoll zu erwidern.

"Tschüs, mein Schatz", meinte Alan schließlich und wollte verschwinden. Leider hatte er sein TM-Gerät nicht angelegt, stellte er unerwartet fest. Und mit seinem internen Aggregat kam er nicht weg, weil die Distanz bis zur Fireflash einfach zu groß wer. Schöner Mist. Was konnte er jetzt tun? Blackfire grinste. Offenbar hatte Firestar sein TM-Gerät vergessen...

"Warum willst du schon gehen, mein Geliebter?" rezitierte sie einen Satz aus einer der letzten Szenen, die sie in der Couronne abgedreht hatte. Alan hob die Augenbrauen. Das kannte er doch...

"Es ist zu gefährlich!" erwiderte er drehbuchgemäß.

"Nun denn, dann eile hinfort, und sollte mein Herz auch brechen bei dem Gedanken an die vielen einsamen Nächte ohne dich..." Sie setzte eine krampfhaft ernsthafte Miene auf. Die Reporter nahmen es ihnen anscheinend voll und ganz ab. Alan mußte wider Willen grinsen. Jetzt aber richtig!

"Oh, meine Liebste, ich kann dich nicht verlassen, wenn du traurig bist!"

"Oh, Alan!" Blackfire warf sich erneut in seine Arme.

Die Fotografen waren eifrig bei der Arbeit, stellte Firestar fest, aber ihm war immer noch keine Idee gekommen, wie er sich davonmachen könnte. Hier war nichts außer Wüste, Felsen und der Ruine. Hm. Er nahm Karylla fest in die Arme und sah sich dabei weiter um. Hoffentlich kam das Filmteam nicht so schnell zurück. Ryko und die beiden Damen drehten zum Glück in einiger Entfernung.

* * *

Nardia hatte das Ganze von ihrem leicht erhöhten Platz an dem gegenüberliegenden Felsbrocken beobachtet. Selber schuld, dachte sie. Sie hatte ja versucht, ihn zu einer anderen Verkleidung zu überreden, und nun fiel ihr siedendheiß ein, daß er sein TM-Gerät nicht angelegt hatte. Sie mußte dringend etwas unternehmen, überlegte Nad und lief zu einer freieren Fläche, bevor sie sich an ihrem Handgelenk zu schaffen machte.

Karylla hoffte indes, daß Ryko noch nicht so bald zurückkam. Irgendwie stand diese Kreuzfahrt nicht unter dem besten Stern. Sie zuckte die Achseln und legte den Kopf an Alans Schulter. Im Prinzip hatte Firestar Glück, denn er war neben Ryko der einzige Mann, der es wagen durfte, sie anzufassen, ohne von einem fürchterlichen Schwinger niedergestreckt zu werden. Naja, abgesehen davon hätte es ohnehin wenig Sinn, sich mit Alan zu prügeln, da es ihm kaum etwas ausmachen dürfte... Hm, aber irgendwie wurde es langsam öde. Die Reporter hatten doch wohl nun genug Bildmaterial!

Mittlerweile hatte Stardust Cass über Incom herbeigerufen. Der schnittige schwarze Gleiter materialisierte prompt in der Nähe des Reporterknäuls. Alan erblickte CASS I mit Erleichterung und ließ Karylla los.

"Ich fürchte, ich muß dich nun doch verlassen."

"Seufz", machte Blackfire und konnte sich endgültig das Grinsen nicht mehr verkneifen.

"Übrigens kommt Ryko gerade", flüsterte Alan ihr zu, bevor er sich durch die Menge wühlte und in Cass stieg.

"Oh-oh...!" Karylla wandte sich um und breitete fatalistisch die Arme aus.

"Ka-", begann Infinity höchst ungehalten, unterbrach sich aber im letzten Moment. "Ich wünsche Euch einen wunderschönen guten Tag, Mademoiselle LaFeurelle", sagte er gefährlich ruhig.

"Oh, mein Prinz Alayvyn..." Blackfire wurde knallrot.

* * *

Firestar war inzwischen von Cass auf die Fireflash gebracht worden, die ihnen schon die ganze Zeit gefolgt war. Nardia erwartete ihn bereits, da sie ein TM-Gerät mitgenommen hatte. Alan schwor sich, nie mehr ohne dieses irgendwohin zu gehen.

"Dir macht das wohl Spaß?!" fragte Nad ärgerlich.

"Hm", brummte Alan. "Eigentlich nicht. Es war nicht geplant." Und das war sogar die Wahrheit.

"Das sagst du. Ich bin da anderer Meinung! Dir passieren in letzter Zeit zu viele Zufälle in bezug auf Acy!"

"Aber es sind Zufälle!" Er konnte doch auch nichts dafür, daß er immer in Schwierigkeiten kam, wenn Blackfire in der Nähe war.

"Ich soll das glauben?" erkundigte sich Nardia entrüstet.

"Ich lüge nie!" empörte sich Firestar.

"Nein - du sagst nur die Wahrheit in mißverständlicher Weise", stellte sie ironisch fest. Alan beschloß, wie üblich das Thema zu wechseln. Meist ging sie darauf ein.

"Ich glaube, ich weiß, was Coderay plant."

Nardia ließ ihn einfach stehen und sprang zum Drehort hinunter. Sie hätte ihn einfach in der Patsche sitzen lassen sollen, aber nein, sie mußte ja unbedingt helfen. Selbst schuld, schimpfte sie.

* * *

"Wie lange, sagtet Ihr, sei die Drehpause?" erkundigte sich Ryko bei Pierre Coderay. Dieser sah ihn leicht verwundert an.

"Zwei Stunden, Prinz Alayvyn."

"Gut. Das reicht." Ryko ergriff seine Partnerin und warf sie sich kurzerhand über die Schulter. Jetzt war ihm egal, was die anderen denken mochten. "Mademoiselle LaFeurelle und ich haben etwas Wichtiges zu besprechen." Er nahm mit ihr Kurs auf das Shuttle der Couronne, in dem sich die Garderoben der Schauspieler befanden.

Als die Reporter den echten Firestar und Alayvyn in Firestar-Maskerade so kurz hintereinander sahen und damit eigentlich direkt vergleichen konnten, stellte sich ihnen ein neues Rätsel. Schon beim Vergleich der Fotos von Alan Dale und Alayvyn ohne Make-Up war eine verblüffende Ähnlichkeit der beiden zu Tage gekommen - aber im Kostüm sahen sie wie Zwillinge aus! Das eröffnete überaus interessante Perspektiven... Zudem schien Firestar eine neue Flamme zu haben, und auch Prinz Alayvyn, der doch angeblich in Trauer war, jagte hinter der Darstellerin von Alycia Blade her. Also hieß die nächste brennende Frage: Wer war Sylvia LaFeurelle?

Selbstverständlich stürzten sich die Reporter sogleich auf Sylvia und Alayvyn und hielten ersterer ein Mikro unter die Nase. Karylla verdrehte die Augen und winkte ab. Nicht jetzt und hier und in dieser dummen Lage!

"Keine Autogramme, bitte", meinte sie und fuhr fort, wild mit den Beinen herumzustrampeln. Dies nervte ihren Partner derart, daß er ihr einen Klaps auf das Hinterteil gab. Graaaa!

"Monsieur Alayvyn", begann nun ein anderer Reporter, "ist es wahr, daß Sie Firestars Bruder sind?" Um ein Haar hätte Ryko Karylla fallen gelassen.

"Wie bitte?"

"Aber natürlich", bemerkte eine weitere Reporterin. "Sogar die Namen klingen ähnlich: Alan beziehungsweise Alayvyn..."

'Grumpf', dachte Ryko. Das war ein echter Zufall, da sein angeblicher Großvater auf Naravina so hieß und ihm dieser Name als erster eingefallen war. Die Typen von den diversen Info-Gruppen ließen nicht locker. Noch gut eine weitere Viertelstunde nervten sie mit unablässigen Fragen, und Karylla fand ihre Position immer unbequemer.

Inzwischen war auch Nardia wieder am Drehort angekommen. Sie beobachtete das Schauspiel mit Genuß. Daß Acy das aushielt! Tse. Sie freute sich schon auf die morgige Tagespresse. Plötzlich hörte sie von der Vermutung der Reporter, daß Alan und Cayvyn Brüder waren. Na, so unrecht hatten die gar nicht... Im gewissen Sinne hatten die beiden ja den gleichen 'Vater'. Nad war gespannt, wie sich das Ganze weiterentwickeln würde.

"Mesdemoiselles et Messieurs, wenn Ihr mich nun bitte entschuldigen würdet...?" Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, stolzierte er an den Pressefritzen vorbei und verschwand in seiner Garderobe, wo er Karylla auf der Couch ablud.

"Langsam finde ich das nicht mehr witzig", meinte er verärgert.

"Ooooch, tust du mir leid!" fauchte Blackfire zurück. "Mir Vorwürfe wegen eines winzigen Flirts zu machen, während du ein reguläres Schäferstündchen mit meiner Schwester abhältst!"

"So, einen 'winzigen Flirt' nennst du das, wo du dich pausenlos von Alan abknutschen läßt?!"

"Was heißt hier pausenlos?! Außerdem hat er angefangen." Auch die folgenden Minuten vergingen mit dem Austausch dezenter Nettigkeiten, bis sie überein kamen, sich zur Abwechslung mal wieder zu versöhnen, ehe sie noch einmal von vorne mit der Streiterei begannen...

Triumphierend schwang ein Reporter seinen Recorder, auf dem er das Gespräch verewigt hatte. Das gäbe eine Story... Allerdings fragte er sich, was mit dieser Schwester war. Das bedurfte noch einiger Nachforschungen.

Endlich war die Pause vorüber. Karylla war schon ganz heiser und auch sonst ziemlich geschafft, daher beschloß sie, sich erst einmal etwas zur Ruhe zu begeben. Am liebsten würde sie Ryko rädern, auspeitschen, vierteilen und anschließend den khemarrischen Wüstengeiern zum Fraß vorwerfen, aber in der Praxis war dies leider nicht so einfach wie in der Theorie.

* * *

3762/09/44 GZ

"Da!" mokierte sich Ryko. "Sieh nur, was du wieder angerichtet hast!"

SYLVIA LaFEURELLE VERDREHT ZWEI MÄNNERN DEN KOPF!
Wer wird das Rennen machen? Firestar oder Prinz Alayvyn?

"Püh", machte Karylla. "Ich bin vollkommen unschuldig. Da waren lauter Spinnen..."

"Spinnen, wie? Und was haben die armen Tierchen mit der Show zu tun, die du wieder mit Alan abgezogen hast?!"

"Er hat mich gerettet."

"Und deshalb führt ihr da eine Liebesszene vor, wie sie schlimmer nicht in diesem Film vorkommt..."

"Aber die war aus dem Film", protestierte Blackfire.

"Das tut hier gar nichts zur Sache!"

"Ryko...!" Sie sah ihn treuherzig an. "Ich habe doch eh gar nichts damit zu tun. Das war alles Sylvia LaFeurelle..."

"Ach?!" Ihr Partner blickte sie zweifelnd an. "Und wo liegt da der Unterschied?"

"Ich bin Blackfire..."

"Spätestens seit diesem Machwerk von Film werden sowieso alle Leute glauben, daß da etwas zwischen dir und Alan ist..."

"Pah! Ich kann ihn doch noch nicht mal ausstehen!"

"So?! Also, für mich sah das irgendwie anders aus..."

"Ich wollte ihn nur ärgern. Er mag mich nämlich auch nicht."

Rykos Blick sprach Bände.

"Aber du! Guck doch mal hier", meinte Blackfire.

FIRESTARs BRUDER - ODER RIVALE?
Wie aus informierten Kreisen bekannt wurde, handelt es sich bei Prinz Alayvyn um den leiblichen Bruder Alan Dales, der nun erschienen ist, um seine rechtmäßige Position einzufordern...

"Dazu muß ich doch wohl nichts sagen", seufzte Ryko gestreßt.

* * *

Nardia hatte soeben die Solidos aus dem Printer gezogen, als ihr auch schon eine Schlagzeile ins Auge fiel:

FIRESTAR HAT EINE NEUE FLAMME!
Wer ist Sylvia LaFeurelle wirklich?

"Hast du schon die Zeitung gelesen?" fragte sie Alan, der gerade am Leitstand saß.

"Nö! Warum?" Er ahnte fürchterliches.

"Du solltest dir die Schlagzeilen ansehen." Sie hielt ihm die Folie unter die Nase.

"Ach das", meinte er abfällig. Damit hatte er ja gerechnet.

"Mehr hast du dazu nicht zu sagen?"

"Wozu? Du glaubst mir doch eh wieder nicht."

"Ach? Das muß schließlich einen Grund haben. Vielleicht solltest du es mal mit der Wahrheit versuchen."

"Die glaubst du ja erst recht nicht."

"Hast du es denn schon mal damit probiert?" Sie sah ihn prüfend an.

"Seufz!" Frauen waren verdammt nervtötend. Warum hatte er sich jemals mit ihnen eingelassen?

* * *

3762/39/49 GZ

Endlich waren die Dreharbeiten auf Khemarra abgeschlossen. Sämtliche Gerätschaften waren verpackt, die Passagiere an Bord, also stand dem Weiterflug nichts mehr im Weg. Die Couronne de l'Espace nahm Kurs auf Enmisar II/Sinhalon.

"Ich hasse diesen Planeten", seufzte Karylla inbrünstig und schmiegte sich in Rykos Arme. Irgendwie waren sie nicht in der Lage, irgendeinen Krach länger als ein paar Stunden oder im schlimmsten Fall vielleicht einen Tag durchzuhalten.

"Jetzt kommen erst einmal wieder fünf Tage Innenaufnahmen", stellte Ryko gestreßt fest. "So wie ich das gesehen habe, wollen sie sich Web Omega vornehmen..."

"Hm..." Karylla räkelte sich schläfrig. "Was für ein Glück, daß heute frei ist." Sie erhob sich ächzend. "Was machen wir denn jetzt mal?"

"Am besten holen wir uns etwas zu essen." Ryko verschränkte die Arme hinter dem Kopf und ließ seinen Blick über Karyllas Proportionen wandern. Warum sie immer abnehmen wollte?! Blackfire kicherte.

"Wie immer..."

Kurz darauf befanden sie sich im Speisesaal der Couronne.

* * *

Alan und Nardia folgten der Couronne de l'Espace in größerer Entfernung mit der Fireflash. Sie versuchten immer noch, einen Grund für den merkwürdigen Austausch der Kamerateams zu finden, doch bislang ohne Erfolg. Alan war sich sicher, daß es irgendwas mit Schmuggel zu tun hatte. Nur was?

"Ist dir schon etwas eingefallen?" fragte Nardia.

"Nein. Ich komme einfach nicht weiter", meinte Alan seufzend.

"Vielleicht am nächsten Halt", hoffte sie.

"Bis dahin sind es noch fünf Tage!"

"Du langweilst dich wohl?" erkundigte sich Nardia ironisch. Alan sah sie an. "Na, wo du doch jetzt nicht mehr Acy zufällig treffen kannst..." Sie konnte es nicht unterlassen, ihn pausenlos damit zu ärgern.

"Das war Zufall!" brauste Alan auf. Das Thema wer immer noch nicht erledigt, und es war auch der Grund gewesen, warum sie nicht noch einmal unter neuen Namen auf die Couronne zurückgekehrt waren. Er zog es vor, eine möglichst große Entfernung zwischen Cayvyn und Nardia zu wissen.

"Wenn ich wenigstens die Sachen der Aufnahmeleute untersuchen könnte", bemerkte er.

"Nein. Ich gehe!" ereiferte sich Nardia. Sie würde ihn nicht alleine auf das Schiff gehen lassen, schließlich war Acy dort.

Alan sah sie mit einem sehr eigentümlichen Blick an.

"Wie du willst." Er fragte sich zwar, wie sie etwas zu finden gedachte, aber wenn sie unbedingt wollte... Er würde sie sicher ohnehin wieder raushauen müssen. Nardia zog sich schon um, um dann auf den Luxusliner zu springen.

* * *

Teller Nummer 3, zählte Karylla belustigt. Rykos Appetit war wieder einmal gewaltig. Jetzt, wo er wußte, daß Firestar und Nardia nicht mehr an Bord waren, fühlte er sich etwas beruhigt. Er kehrte zu seiner Partnerin zurück. Diese unterhielt sich gerade mit Teresa Al Marez, der zweiten Kamerafrau des Filmteams, einer von nur fünf Mitarbeitern, die - wohl aufgrund ihrer erstklassigen Leistungen auf allen Gebieten - seit Anfang bei Coderays Produktion dabeigewesen und nicht ausgetauscht worden waren. Außerdem saß noch Tanya Ricard, die Blackfire-Darstellerin, mit am Tisch. Jene warf Ryko permanent begehrliche Blicke zu, bemerkte Karylla stirnrunzelnd.

"Ich hasse es, mit Coderay zu filmen", bemerkte Teresa seufzend. "Aber es bringt immer gutes Geld."

"Was ist denn daran Schlimmes?" erkundigte sich Karylla stirnrunzelnd.

"Hach, jedes Mal, wenn wir irgendwo zwischengelanden, muß ich mich auf eine neue Kameraausrüstung einstellen..."

"Wieso denn das?" Blackfire verstand nicht ganz.

"Na, der Typ hat so einen Spleen, daß er jedes Mal, bei jedem Halt, den ganzen Filmkrempel komplett auswechseln läßt."

"Hat das eine besondere Bewandnis?"

"Nein. Es ist halt so ein Spleen von ihm."

"Naja", machte Karylla mitfühlend. "Reiche Männer..." Dabei überlegte sie fieberhaft. Das war eine wirklich interessante Information. Irgendwie klang das verdächtig nach Schmuggel. Aber wer würde Filmausrüstungen schmuggeln? Wohl kaum jemand. Aber was könnte man darin verbergen? Nicht schon wieder Drogen, dachte sie genervt. Aber vielleicht Diamanten, seltene Elemente oder Mikrotechnologie?

* * *

Nardia war in einen leeren Raum transmittiert und machte sich nun auf den Weg zum Speisesaal. Bei den vielen Passagieren auf der Couronne fiel einer mehr oder weniger gar nicht auf. Sie hatte derzeit lockiges, kupferfarbenes Haar und rotbraune Augen; dazu trug sie ein metallicviolettes Kleid.

Beim Anblick des Buffets seufzte sie. Endlich mal kein Synthetisizer-Essen! Das schmeckte immer so komisch, jedenfalls auf der Fireflash. Sie hatte bestimmt schon abgenommen, also lud sie ihren Teller voll und sah sich neugierig um.

"Entschuldigt mich bitte, meine Lieben", meinte Karylla plötzlich. "Ich bin etwas müde von den Strapazen der letzten Tage - ich hoffe, es kränkt euch nicht, wenn ich mich zurückziehe?" Sie gab Ryko einen sanften Kuß auf die Lippen. "Au revoir, mein Prinz!" Mit diesen Worten erhob sie sich und ging aus dem Speisesaal.

Nardia überlegte, wie sie am besten an die diversen Gerätschaften herankam, ohne aufzufallen. Ganz schön kompliziert, stellte sie fest.

Standhaft nahm sie Abstand von einem zweiten Teller. Nein, sie würde nichts mehr essen - schon allein aus dem Grund, daß das Kleid garantiert aus den Nähten platzen würde. Seufz! Vielleicht sollte sie ein bißchen am Drehort herumschnüffeln.

* * *

Karylla wanderte zum Frachtraum A. Dort stand der ganze Krempel ständig offen herum, vermutlich aufgrund der Tatsache, daß Dinge, die jederzeit zugänglich waren, kaum Reiz für Neugierige boten. Falls jemand sie erwischte, würde sie eben vorgeben, daß sie sich schon mal die Kulissen für den nächsten Drehtag ansah.

Nardia zögerte noch. Vielleicht sollte sie doch lieber noch etwas essen?! Wer wußte schon, wann sie wieder was Gescheites bekam, und die Bordküche der Couronne war einfach phänomenal. Endlich hatte sich Nad dazu durchgerungen zu gehen. An diversen Tischen saßen einige der Schauspieler und auch der Aufnahmeteams herum. Anscheinend war heute drehfrei, oder sie fingen erst später an. Na, egal. Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg durch die Menge. Nun entdeckte sie auch Cayvyn, nur von Acy war weit und breit nichts zu sehen. Tse! Aber das war jetzt gleichgültig, sie war ja gekommen, um die Ausstattung der Kameraleute, Beleuchter etc. zu untersuchen.

Blackfire huschte in den Laderaum. Sie zog eine Grimasse - Das sollte Web Omega darstellen?! Sie erblickte ein paar Korridore, die in seltsamen Winkeln durch den Frachtraum führten. Sie hatten eher die Form ihrer geliebten Wartungsschächte. Vollidioten! Karylla kletterte auf eine Empore, von der sie einen besseren Überblick über den Raum hatte. Wie sollte sie nur unauffällig an die Scheinwerfer und Kameras kommen, die mit Antigrav in der Luft schwebten?

Auch Nardia war inzwischen dort angelangt. Dummerweise hatte sie nicht daran gedacht, daß die Teile ja nicht auf dem Boden waren. Wie kam sie nur da ran? Schließlich fand sie ein Gerät, das lediglich etwa einen Meter über ihrem Kopf schwebte. Jetzt mußte sie es bloß noch einfangen. Suchend sah sie sich nach etwas Brauchbarem um.

Karylla hatte unterdessen die Idee. Sie kletterte auf das Geländer der Empore und sprang auf einen Scheinwerfer, der nur anderthalb Meter unter ihr schwebte. Unter ihrem Gewicht sackte das Teil zu Boden.

Nad zuckte zusammen, als etwas lautstark schepperte, aber die Aufbauten verhinderten, daß sie die Ursache des Krachs sehen konnte. Sie hatte derweil eine Schnur gefunden, also ignorierte sie das Geräusch und fing ihren Scheinwerfer ein. Mit etwas Mühe zog sie ihn nach unten und schaltete das Antigrav-Aggregat aus, woraufhin der Apparat zu Boden platschte.

Blackfire thronte auf ihrer Eroberung und fand die Idee mittlerweile gar nicht mehr so gut. Ihr Hinterteil schmerzte gewaltig. Dabei hatte sie immer gedacht, sie hätte genügend Fettpölsterchen, die so etwas abfedern konnten.

Naja, egal, der Scheinwerfer war in ihrer Gewalt, und sie machte sich an die Arbeit, das Gerät soweit zu demontieren, wie sie konnte. Leider war Ryko mit seinem Werkzeug-Arsenal nicht hier...

Jetzt hatte Nardia so ein Teil - und nun? Was machte sie bloß damit? Hm, am besten, sie nahm das Ding mit auf die Fireflash. Leider war dies jedoch leichter gesagt als getan, da sie das Teil kaum unter den Arm klemmen konnte. Es wäre wohl am sinnigsten, wenn sie den Scheinwerfer mit dem TM-Gürtel zu Alan schickte und dann wartete, bis dieser sie abholte. Sie hatte schon öfter Gegenstände mit dem Gürtel transmittiert. Hm, es war zu dumm, daß dessen Kapazität nicht ausreichte, sie und ihre Beute zu transmittieren, aber der Scheinwerfer war einfach zu groß. Sie drapierte den TM-Gürtel irgendwie um das Teil und schickte es los. Jetzt brauchte sie nur noch auf Alan zu warten, und dies tat sie am besten im Speisesaal. Sie hatte noch immer Hunger.

Unterdessen war Karylla zu einer der Wartungsluken des Frachtraumes gegangen und organisierte sich das dort standardmäßig untergebrachte Notfallwerkzeug. Somit war es ein Leichtes für sie, den Scheinwerfer bis zum letzten Einzelteil zu demontieren. Je weiter sie kam, desto größer war ihre Verwunderung. Hierbei handelte es sich offenbar nur am Rande um ein Beleuchtungsgerät! Der Rest war eher ein Arsenal für Elektronik-Elemente. Sie packte die Stücke aus dem Gerät und überblickte die Ansammlung mit gerunzelter Stirn. Da waren mehrere Hochenergie-Phasenwandler, einige Fokussierkristalle, diverse Mikro-Energiezellen und weitere elektronische Bauteile - alles in allem beinhaltete dieser Scheinwerfer gut drei Strahlenkarabiner! In Windeseile baute sie das Gerät wieder zusammen und beseitigte auch die sonstigen Spuren ihrer Aktion, bevor sie zu Ryko zurückkehrte.

Alan war irritiert, als ein Scheinwerfer im Leitstand der Fireflash materialisierte, aber als er den Gürtel entdeckte, war ihm alles klar. Er machte sich gleich daran, das Ding auseinanderzubauen. Erstaunt musterte er die Teile. Das war offenbar kein Scheinwerfer, sondern ein Baukasten für Waffen! Er packte Nardias TM-Gürtel und wollte gerade zur Couronne, als ihm einfiel, daß er sich wohl besser vorher verkleiden sollte. Schnell veränderte er sein Aussehen; er hatte nunmehr schwarze Haare und Augen und trug einen ebensolchen Overall. Jetzt aber schnell, dachte er. Wer wußte, was Nardia sonst wieder anstellte.

Blackfire war zu Rykos Tisch zurückgekehrt und setzte sich bei ihrem Partner auf den Schoß.

"Ich habe mich zu sehr nach Euch gesehnt, mein Prinz!" gab sie als Begründung für ihre allzu rasche Wiederkehr an. Zum Glück nahm ihr das jeder sofort ab.

Nardia hatte sich inzwischen wieder zum Buffet begeben. Sie machte sich über diverse Leckereien her. Alan brauchte einige Zeit, um sie zu finden, dabei hätte er sich eigentlich denken können, wo sie steckte. Er kam an dem Tisch von Cayvyn und Alycia vorbei und konnte es nicht unterlassen, sie anzugrinsen, bevor er sich dem Buffet zuwandte. Ryko grinste angriffslustig zurück, ehe er Karylla demonstrativ heiß und innig küßte.

'Das war deutlich', dachte Alan. "Was sollte der Quatsch?" meinte er zu Nardia.

"Nun, was ist es?" fragte sie neugierig zurück.

"Ein Waffenbausatz, könnte man sagen."

"Toll. Ich hoffe, wir können Coderay jetzt den Hals umdrehen!"

"Allein? Wohl kaum. Er hat zu viele Leute hier, von denen er sich ja in letzter Zeit kaum getrennt hat."

"Was tun wir dann?" fragte Nardia enttäuscht. Sie hatte sich schon so gefreut, diesem ekligen Kerl den Garaus zu machen.

"Die Sache melden oder Hilfe besorgen", meinte Alan nachdenklich. "Aber zuerst sollten wir von hier verschwinden. Bei meinem Glück kriege ich bloß wieder Ärger."

"Okay." Nardia wollte das Schiff möglichst schnell verlassen, bevor wieder ein Unglück geschah.

Als Karylla etwas zu Atem gekommen war, sah sie ihren Partner mit hochgezogenen Augenbrauen an. Was sollte das schon wieder?! Naja, egal... Sie kuschelte sich an ihn.

"Mein Prinz, was haltet Ihr davon, wenn wir uns zurückziehen?"

"Wie Ihr es wünscht, meine Liebste."

In ihrem Quartier gab Karylla ihrem Gefährten zunächst einmal das Zeichen, daß er Ausschau nach etwaigen Abhörgeräten halten sollte. Es war immer möglich, daß sich jemand von Coderays Bande hereinschlich und die Kabine verwanzte. Ryko schüttelte den Kopf.

"Okay", sagte sie. "Ich habe folgendes herausgefunden: Coderay schmuggelt Waffen." Sie erläuterte ihm, was sie gefunden hatte.

"Eine geschickte Masche", stellte Ryko fest. "Hast du einen Plan?"

"Noch nicht, mein Schatz." Karylla schlang die Arme um seine Mitte und legte ihren Kopf an seine Schulter. "Coderay hat offenbar einen gewaltigen Mitarbeiterstab, und ein Teil weiß von seinen Machenschaften, ein Teil nicht. Am besten wäre es, wenn wir uns zehn- oder noch mehrteilen könnten, um alle zu überprüfen."

"Hm. Das klingt nach einem Problem."

"Sag ich doch. Ich muß mir unbedingt etwas einfallen lassen."

* * *

Auf der Fireflash diskutierten Alan und Nad heftig über die Lösung der Angelegenheit.

"Wir brauchen einfach Hilfe", stellte Firestar fest.

"Aber von wem?"

"Polizei kommt nicht in Frage, die glauben ja eh nie was." Er hatte ausreichend Gelegenheit gehabt, das festzustellen.

"Die ISPC scheidet auch aus, da sie zu lange brauchen würde, um hierher zu kommen."

"Was bleibt uns also?" erkundigte sich Alan.

"Hm. Ich weiß nicht... Können wir nicht morgen darüber nachdenken?" Nardia schmiegte sich an ihn.

"Du bist einfach..." Alan kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Nun gut, dachte er, manchmal war es schon äußerst praktisch, wenn man mehrere Sachen gleichzeitig erledigen konnte...

* * *

3762/09/50 GZ

Die Uhr zeigte 04:00 Uhr, und Karylla war bereits auf den Beinen. Ryko sah sie sehr erstaunt an. Gut, sie waren gestern schon ausgesprochen zeitig zu Bett gegangen, aber das hieß bei seiner Partnerin eigentlich gar nichts - eher im Gegenteil... Naja. Im Augenblick tigerte sie in ihrem Quartier auf und ab und meditierte über ihre Vorgehensweise im Fall Coderay.

Es war frustrierend, ihr fiel einfach keine erfolgversprechende Methode ein!

"Hey, Kary, wir müssen doch erst um 06:00 Uhr bei unserem Drehtermin sein", machte Ryko sie dezent aufmerksam und klopfte auf die Matratze neben sich. "Wolltest du den Rest der Zeit herumjoggen, oder hättest du nicht Lust, sie sinnvoller zu verbringen?"

"Schlag du doch mal etwas vor!" Karylla war immer noch bei dem, was sie in Sachen Coderay unternehmen könnten. Ryko nicht.

"Hm... Du kommst jetzt wieder zu mir ins Bett, und wir..."

"Ryko...!" Sie schüttelte belustigt den Kopf, beschloß dann aber, seiner Aufforderung Folge zu leisten. Vielleicht kam ihr ja so noch eine Idee...

* * *

Firestar wälzte das gleiche Problem. Es gab keine andere Möglichkeit, Coderay zu erwischen, als mit Ryko und Blackfire zusammenzuarbeiten. Es sei denn, sie warteten ab, bis sie an einem Planeten mit ISPC-Stützpunkt vorbeikamen, und das war erst in gut einer Woche. Aber wenn er Nardia diesen Vorschlag machte... Er war sicher, sie wäre dagegen. Im Augenblick schlief sie noch, aber... Hm, vielleicht würde er ja Karylla überzeugen können, bei Ryko hingegen bezweifelte er es stark. Dieser war anscheinend immer noch sauer, wenn er dessen Blicke richtig deutete. Böse Falle... Es gab aber einfach keine andere Lösung, egal, wie lange er noch darüber nachdachte.

* * *

"Ryko, ich habe die Lösung!" Karylla schmiegte sich eng an ihn.

"Und?"

"Du bist leider dagegen." Sie gab ihm einen zärtlichen Kuß.

"Kary, du hast bis jetzt noch nicht einmal gesagt, was du vorhast..."

"Du bist ja doch dagegen", seufzte sie.

"Wenn die Idee gut ist...?"

"Ich glaube nicht, daß du zustimmst." Karylla streichelte ihn an einigen strategisch äußerst günstigen Stellen.

"Und wenn doch?" Ryko spürte, wie seine automatischen Reaktionen die Oberhand gewannen, aber er gedachte nicht, den Override zu aktivieren. Dazu gefiel es ihm zu gut.

"Glaube ich nicht." Sie sah ihm tief in seine herrlichen Türkisaugen.

"Und wenn ich verspreche, daß ich zustimme?" Ryko war im Augenblick zu sehr anderweitig beschäftigt, um an eine etwaige Hinterlist Karyllas zu denken.

"Wirst du nicht."

"Doch!"

"Nein!"

"Doch!"

"Ja?"

"Sicher!"

"Versprochen?" Karylla ließ ihre Hände an seiner Wirbelsäule entlanggleiten. Irgendwie hatte sie ein etwas schlechtes Gewissen, daß sie Ryko auf diese Art und Weise austrickste, aber anders würde er nie zustimmen.

"Ja!" Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Okay. - Wir sollten mit Firestar und meiner Schwester zusammenarbeiten." Ryko hielt empört inne.

"Nein!"

"Sagte ich doch." Sie zog ihn zu sich herunter und küßte ihn. "Aber du hast es versprochen."

"Aber ich wußte doch nicht..." protestierte Ryko.

"Du hast es trotzdem versprochen." Karylla verwuschelte seinen kupferroten Schopf.

"Grummel..." Schmollend akzeptierte er sein Schicksal, und seine Partnerin kam nicht umhin, ihn ausgiebig zu trösten.

* * *

Alan hatte beschlossen, Nardia einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen und gar nicht zu erwähnen, wen er um Hilfe angehen wollte. Außerdem wußte er ja nicht, ob die beiden zustimmten, und dann konnte er es ihr immer noch sagen. Jetzt war nur die Frage, wie er sich bei Karylla und Ryko erkundigen sollte. Tauchte er auf der Couronne auf, so gab es bestimmt Schwierigkeiten. Hm, darüber mußte er noch nachdenken.

* * *

"Und wie willst du Alan und Nardia kontakten? Sie sind doch nicht mehr auf der Couronne." Ryko hielt seine Gefährtin in den Armen und konnte es nicht fassen, wie sie ihn elegant um den Finger gewickelt hatte.

"Hm. Mir wird schon etwas einfallen. Sag mal, kannst du Alan nicht erreichen?"

"Kary, so groß ist meine Reichweite auch nicht, daß ich ohne weiteres bis zur Fireflash durchkomme..." Abgesehen davon, auch wenn er versprochen hatte, mit Alan zusammenzuarbeiten, so hieß das noch lange nicht, daß er diesen auch noch kontaktieren mußte.

"Hm", überlegte Karylla. "Ich glaube, wir sollten langsam aufstehen und uns für den Drehtag fertig machen."

"Stimmt." Ryko strich noch einmal sanft über Karyllas Hals und Wange, bevor sie sich erhoben.

* * *

Alan hatte Nad schlafen lassen und war auf die Couronne de l'Espace gesprungen - aber erst, nachdem er sich gründlich verkleidet hatte. Er würde nicht noch einmal denselben Fehler machen.

Am Drehort machte er sich auf die Suche nach Blackfire. Leider war es nicht so einfach, sie allein zu erwischen, da ja gedreht wurde. Blieb nur die Mittagspause. Firestar wartete am Buffet auf sie.

* * *

Mittagspause! Karylla düste mit Turbotempo zum Buffet. Jetzt mußte sie unbedingt etwas essen! Ryko war noch im Laderaum A, da er selbst ein paar Untersuchungen bezüglich der Filmausrüstung anstellen wollte. Blackfire organisierte sich das gewaltigste Steak auf dem Tisch.

"Tse tse", machte Alan. "Das würde ich nicht tun."

"Und warum nicht?" Karylla blickte nicht auf, als sie die Gabel mit Nachdruck in dem Fleisch versenkte.

"Du wirst zu dick!" Sie wirbelte herum. Das war nicht ihr schlechtes Gewissen, sondern ein hochgewachsener, schlanker Mann mit hellbraunen Haaren und grüngrauen Augen.

"Ein Steak alleine hat nicht allzu viele Joule", bemerkte sie genervt. "Und außerdem, was geht Sie meine Figur an?"

"Hm. So sieht es besser aus." Er ließ seinen Blick über ihre Formen wandern.

"Aha. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?"

"Rate doch!" Er war gespannt, ob sie es herausbekam.

"Später." Karylla widmete sich erst einmal ihrem Essen.

"Nein! Ich habe nicht soviel Zeit. Jetzt." Bevor Ryko auftauchte, hieß das. Alan wollte ihm nicht unbedingt begegnen.

"Hm." Sie musterte ihn kritisch. "Thorn Graven?"

Alan sah sie ausgesprochen genervt an. "Nein!" Wie konnte sie nur?! Leider waren schon wieder einige Leute auf sie aufmerksam geworden, und er wollte keinen neuen Skandal.

"Irigon Delphis?"

"Auch nicht. Letzter Versuch!" Er sollte diese Spielchen wirklich unterlassen.

Karylla schaute ihn gestreßt an, und dabei kam ihr plötzlich eine Eingebung. Das konnte doch nur... Sie packte ihn am Kragen, zog ihn zu sich heran und küßte ihn.

"Hab ich's mir doch gedacht!" meinte sie befriedigt.

"Bah, und das war dann wieder alles meine Schuld..." protestierte er.

"Du wolltest doch, daß ich rate!" Alan sah sie gequält an. Warum nur? Warum machte Blackfire immer Schwierigkeiten?

"Also, was willst du?"

"Deine Hilfe, und sonst nichts", beteuerte Alan. Wo Nardia doch gerade halbwegs versöhnt war...

"Aha." Karylla hob eine Augenbraue. "Wobei brauchst du meine Hilfe, Held des Weltalls?"

"Laß den Quatsch. Ich kann Coderay alleine wohl kaum überwältigen, bei dem ganzen Schwarm Leibwächter."

"Hm. Was würdest du sagen, wenn ich dich genau aus demselben Grund ebenfalls kontaktieren wollte?"

"Daß ich das vermutet habe, was sonst. Ihr schafft es alleine ja auch nicht."

"Hm-hm. Ich gebe es ungern zu, aber so ist es. Hast du einen Plan?"

"Momentan noch nicht. Ich wußte ja nicht, ob du zustimmst."

"Naja. Also, ich grübele jedenfalls noch. Es sollte auf alle Fälle radikal werden."

"Dem kann ich nur zustimmen. - Ryko kommt."

"Ich hoffe, er macht mir nicht schon wieder eine Szene", seufzte Karylla. Als Ryko bei ihnen eingetroffen war, nahm er erst einmal seine Partnerin in die Arme und zog sie ein Stück von Firestar weg.

"Hi Alan", begrüßte er diesen frostig.

"Hi", erwiderte Alan vorsichtig. Er traute dem Frieden nicht.

"Was machst du auf der Couronne?" erkundigte sich Ryko mißtrauisch.

"Ich versuche, mir Hilfe für mein Unternehmen zu beschaffen."

"Hast du es also geschafft", meinte Ryko kühl zu seiner Gefährtin. Diese verdrehte die Augen.

"Er hat mich gefragt!"

"Ach?!"

"Ich habe gefragt", bestätigte Firestar. Warum konnten sie nicht endlich zur Sache kommen? Ryko legte seine Hände auf Karyllas Schultern.

"Wo können wir die Angelegenheit ungestört besprechen?" erkundigte diese sich. "Die Couronne ist mir zu unsicher. Mein Schiff steht in TM-Reichweite."

Alan schnitt eine Grimasse. Ein Besuch bei Blackfire hatte ihm gereicht - aber zu ihm auf die Fireflash kam nicht in Frage, Nardia würde höchst ungehalten reagieren.

"Okay", stimmte er zu.

"Gut. Komm mit!" Blackfire stürmte voran zu ihrem Quartier, um sich ihren TM-Gürtel zu holen. Ryko folgte, und Alan tat es ihm gleich. Ryko übertrug Firestar die temporären Sprungkoordinaten in dessen TM-Gerät, und die drei sprangen auf die Lightning.

Sie waren im Leitstand des Raumers materialisiert, und Alan sah sich neugierig um. Das Interieur ähnelte der Fireflash ziemlich, nur herrschten hier die Farben Dunkelblau, Violett und Schwarz vor, während sein Schiff in Silber, Schwarz und Rot gehalten war.

"Nun gut", begann Karylla. "Dann sollten wir uns über unsere Vorgehensweise einigen. Was macht eigentlich deine werte Freundin, Alan?"

Firestar zuckte mit den Schultern.

"Sie schlief noch, als ich ging." Warum interessierte Blackfire das, wunderte er sich.

"Meinst du nicht, sie wäre auch interessiert daran, was wir planen?"

"Sie weiß nichts davon, daß ich dich um Hilfe gebeten habe." Alan fand es merkwürdig, daß Karylla Nardia dabei haben wollte. Diese hatte schließlich keine Ahnung von Alycias und Cayvyns Doppelleben. Aber vermutlich hatte sie wie üblich nicht an so etwas gedacht...

"Aha. - Willst du dein Gesicht vor ihr nicht verlieren?" Blackfire sah ihn amüsiert an.

"Nein! Ich wollte mir einen Wutanfall von ihr ersparen."

"Da steht sie nicht alleine da", bemerkte Ryko düster.

"Das dachte ich mir. Aber deshalb lasse ich sie da, wo sie ist."

"Nun gut. Nachdem das also geklärt ist..." Karylla seufzte und lehnte sich an Ryko, "...sollten wir allmählich zur Sache kommen."

"Okay. Was können wir also unternehmen, um Coderay und seine Leute zu erwischen?" Alan musterte sie erwartungsvoll.

"Hm. Laß mich überlegen. Mir fällt bestimmt gleich etwas ein."

Alans Blick wechselte zu stark zweifelnd. Das würde bestimmt wieder so ein Blackfire-Plan. Da ihm jedoch rein gar nichts einfiel, warum sollte er sich nicht einmal eine Idee von ihr anhören?

"Ich glaube, ich hab's! Was spricht dagegen, den gesamten Frachtraum A während der Dreharbeiten unter Betäubungsgas zu setzen? Damit dürften wir so gut wie alle auf einen Schlag erwischen." Karylla ärgerte sich im Nachhinein schwer über sich selbst. Wäre ihr das früher eingefallen, hätte sie die Sache auch alleine erledigen können.

Alan gelang es nicht, einen Fehler an diesem Plan finden. Verdächtig. Sollte es einmal eine durchführbare Aktion sein?!

"Nun gut", meinte er. Ryko blickte mißtrauisch von Alan zu Karylla. Ts! Das hätten sie doch auch ohne Unterstützung erledigen können! Es sah verdächtig danach aus, als ob sie nur einen Vorwand dafür gesucht hatten, um mehr Zeit miteinander verbringen zu können.

"Ich bestehe darauf, daß du Nardia einweihst!" meinte Ryko plötzlich. Alan schaute Infinity irritiert an. Sein Wunsch erschien ihm irgendwie suspekt. Jetzt bestand auch Ryko darauf, tse. Das verstand er nun überhaupt nicht.

"Warum?" erkundigte er sich vorsichtig.

"Damit du nicht permanent Annäherungsversuche bei Karylla startest!"

Alan sah Ryko betont unschuldig an. "Ich?" Da bestand kaum Gefahr. Blackfire fing doch immer an!

Infinity enthielt sich eines weiteren Kommentars, und Karylla kicherte. Alan war immer noch dagegen, Nardia einzuweihen. Vor allem wollte er sie aus Rykos Nähe verbannen. Das war wieder überaus kompliziert. Darüber mußte er noch gründlich nachdenken.

"Nun? Wie ist es?" wollte Ryko wissen.

"Was?" Firestar war immer noch keine plausible Begründung eingefallen, um Nad fernzuhalten.

"Daß du Nardia verständigst!"

"Wozu?"

"Damit du gefälligst Karylla fernbleibst!" Ryko funkelte Alan angriffslustig an, und seine Partnerin kriegte sich vor Lachen kaum mehr ein. Männer!

"Ich komme ihr schon nicht zu nahe", versicherte Firestar. Er hatte momentan andere Probleme.

"Hoffentlich."

"Meine Herren", begann Blackfire süßlich und gab Ryko einen belustigten Kuß auf die Lippen. "Was haltet ihr davon, wenn wir langsam mal anfangen?"

"Ich hatte nie etwas dagegen", meinte Alan, was wieder einen tödlichen Blick von Ryko provozierte.

"Okay. Ihr wartet lieber hier, und ich kümmere mich um alles", bestimmte Karylla und betrachtete die beiden Männer mit in die Seiten gestützten Armen.

"Die Idee gefällt mir gar nicht", bemängelte Firestar. Er wollte auch etwas unternehmen!

"Ihr habt doch ohnehin nichts anderes zu tun als herumzustreiten."

"Ich streite nicht", protestierte Alan. Ryko hackte doch pausenlos auf ihm herum!

"Ach?!" Karylla befreite sich aus Rykos Armen und spazierte aus der Kommandozentrale der Lightning, um ein paar notwenige Kleinigkeiten zu organisieren, ihren Einsatzcoverall und das Blackfire-Make-Up anzulegen und zur Couronne de l'Espace zurückzuspringen.

Alan sah ihr nach. Und was nun? Er hatte keinesfalls vor, hier dumm herumzustehen, sich von Ryko angiften zu lassen und auf Blackfires Rückkehr zu warten. Wer war er denn?

"Ich werde mich auch auf den Weg machen", äußerte er schließlich und transmittierte von dannen.

'Aha!' dachte Ryko. 'Na warte...' Firestar war bestimmt auf ein Rendezvouz mit Karylla aus. Kaum daß dieser verschwunden war, machte er sich als Infinity zurecht, mit schneeweißer Haut, strahlend silbernen Haaren und tiefvioletten Augen, bevor er ebenfalls zur Couronne sprang. Alan konnte noch etwas erleben!

* * *

Auf der Fireflash warf sich Alan unbemerkt von Nad in sein Firestar-Outfit, ehe er nun auch zur Couronne de l'Espace sprang. Er wollte dabei sein, wenn etwas geschah. Er ließ sich doch nicht einfach irgendwo abstellen! Obwohl die Maskerade vielleicht etwas unglücklich war. Manchmal wäre es doch angebracht, vorher zu überlegen.

Im Frachtraum A waren die Vorbereitungen für den zweiten Teil des Drehtages in vollem Gange. Pierre Coderay wetzte hektisch durch die Dekoration. Wo steckte bloß sein Hauptdarsteller? Auf einmal erspähte er ihn, glücklicherweise bereits im Firestar-Kostüm, hinter einer Verstrebung. Der Regisseur zerrte ihn hervor und schob ihn in Richtung Aufbauten.

"Monsieur Alayvyn, jetzt kommen Sie endlich! Wo haben Sie nur die ganze Zeit vertrödelt?"

Verdammt! Warum mußte er ausgerechnet Coderay in die Arme laufen? Alan blickte diesen leidend an. Wie kam er bloß hier weg?

"Ist es denn schon so spät?" fragte er.

"Jawohl! Wenn Sie sich nun dort hinein begeben würden? Mademoiselle Ricard wartet bereits sehnsüchtig auf Sie!" Coderay deutete auf das Korridorgewirr, das Web Omega darstellen sollte.

'Grumpf', dachte Firestar. Er konnte diese Frau nicht ausstehen, und dann mußte er ausgerechnet so eine blöde Rettungsszene mit anschließendem herzzerreißenden Happy-End drehen... Gezwungenermaßen begab er sich in den ersten Tunnel.

Die engen Gänge waren von Dutzenden von Statisten belagert, die irgendwelche Feinde darstellen sollten, und Tanya Ricard steckte in einer winzigen, dunklen Zelle, in deren Seitenwand er einen Durchschlupf brennen mußte, um sie dann herauszuholen.

Alan grub sich durch die Menge, um Tanya zu retten. Das Ganze war ihm überaus peinlich. Er packte die Blackfire-Imitation und wollte sie durch die präparierte Öffnung schieben, doch anscheinend hatten die Kulissenbauer nicht mit Tanyas extravaganten Formen gerechnet. Ihr Hinterteil steckte fest. Da Firestar nicht einsah, irgendetwas dagegen zu unternehmen, stand er einfach da, grinste heimtückisch und wartete.

"Schnitt! - Das war einfach furchtbar", beschwerte sich Coderay. "Requisite! Könnte mal bitte irgendwer vorbeikommen und Mademoiselle Ricard befreien? Und verbreitert diese verdammte Luke!"

Tanya brach in Tränen aus, die ihr Make-Up völlig verschmierten. Schniefend versuchte sie, sich selbst herauszuwinden - vergeblich.

Alan stand nur da und schüttelte den Kopf. Diese Frau war einfach zu dämlich! Hoffentlich unterbrach Coderay nun die Aufnahmen, damit er wieder verschwinden konnte.

Endlich tauchten drei Bühnenarbeiter auf und zerrten Tanya heraus, wobei einer ihrer Fingernägel abbrach. Dies hatte eine neuerliche Tränenflut zur Folge. Alan wollte nur weg von hier.

"Monsieur Coderay, ich mache eine Pause, bis Mademoiselle Ricard wieder drehbereit ist."

"Gut... Ach, vergeßt es - wir machen Schluß für heute!" brüllte der Regisseur entnervt. Hätte er sich doch nie von seinem Kumpel Davide Aronde dazu überreden lassen, dessen Lieblings-Starlet Tanya Ricard zu verpflichten...!

Firestar flüchtete, bevor Coderay es sich anders überlegte. Er fragte sich, wo Blackfire steckte.

* * *

Karylla hing in einem Lüftungsschacht und spähte durch eine Wartungsluke in die Zentrale des Lebenserhaltungssystems der Couronne de l'Espace.

Endlich war nur ein Techniker dort an den Kontrollen, der prompt von einem Betäubungspfeil ins Land der Träume geschickt wurde. Karylla schlüpfte in den Raum und rief die Menus des Hauptcomputers ab. Ah, dort war es möglich, einzelne Räume des Schiffes abzusperren und separat mit Atmosphäre zu versorgen... Sie wählte das entsprechende Programm aus, isolierte Frachtraum A und leitete ein Betäubungsgas hinein. Jetzt mußte sie nur noch ein Weilchen warten, und sie hatte Coderay und dessen ganzen Stab in der Hand...

* * *

Da Pierre Coderay unerwarteterweise Schluß gemacht hatte, war der Großteil seiner Crew in den Speisesaal geströmt. Auch die übrigen Leute verteilten sich bald. Tanya flennte immer noch, und diverse Maskenbildnerinnen versuchten angestrengt, sie sowohl zu trösten als auch wieder herzurichten.

Als Karylla das Set betrat (das Gas war bereits wieder abgesaugt und durch normale Atemluft ersetzt worden), fand sie nur gähnende Leere vor. Völlig verwirrt wanderte sie nun auch zum Speisesaal.

* * *

Da Alan Blackfire nicht finden konnte, war er ebenfalls zum Buffet gegangen. Er wollte die Gelegenheit nutzen und stapelte sich schon mal den Teller voll.

Karylla schoß in den Raum und erblickte Firestar. Sie rannte auf ihn zu.

"Ich weiß zwar nicht wie, aber du hast meinen ganzen Plan ruiniert! Du Vollidiot! Rindvieh! DILLETANT!"

Alan zog die Augenbrauen hoch. "Ach ja?" Er hatte doch gar nichts getan!

Blackfire stürzte sich auf ihn und packte ihn an seinem knallroten Overall. Naja, sie versuchte es zumindest, denn das Teil war ziemlich eng, und sie bekam den Stoff nicht richtig zu fassen.

"Jawohl! Und ich habe nicht den Schimmer einer Ahnung, wie du unfähiger Trottel es jemals geschafft hast, auch nur halbwegs als Firestar-Imitation durchzugehen..."

"Tse", machte Alan. Blackfire war anscheinend etwas ärgerlich. Dabei war es gewiß nicht seine Schuld. Karylla bedachte ihn mit einigen weiteren wenig schmeichelhaften Bezeichnungen, und als Alan immer noch sein impertinentes Grinsen beibehielt, verpaßte sie ihm eine schallende Ohrfeige.

'Mist-Androide!' dachte sie wütend, als sie feststellen mußte, daß es ihr garantiert mehr weh tat als ihm.

Sie hatte es wieder getan... Alan wurde langsam aber sicher sauer. Erst beleidigte sie ihn, und dann schlug sie auch noch zu. Was fiel Blackfire überhaupt ein?! Er packte sie erstmal, um weitere Angriffe zu unterbinden. Nebenbei bemerkte er, daß inzwischen sämtliche Personen im Saal fasziniert die Szene beobachteten. Er war sich sicher, daß Karylla niemals als Tanya Ricard durchging. Schöner Mist. Jetzt mußte er schon wieder die Flucht ergreifen...

Blackfire hatte derweil etwas bestürzt festgestellt, daß sich offensichtlich sämtliche Aufmerksamkeit im Raum auf sie und Alan gerichtet hatte. Peinlich... Sie blickte an sich herab. Jee, sie hatte gar nicht daran gedacht, daß sie ja ihren allseits bekannten silbernen Einsatzcoverall mit dem dekorativen schwarzen Blitz trug... Karylla verzog das Gesicht und stellte unauffällig etwas an ihrem Gürtel um.

"Das wäre ausgesprochen dumm", bemerkte Firestar.

"Ähm... Du hast nicht ganz unrecht", gab sie zu. So schnell wie sie gekommen war, war ihre ganze Wut verraucht. Sie hatte jetzt ein vordringlicheres Problem... "Wie kommen wir wieder hier heraus?" fragte sie leise. Alan zuckte mit den Schultern. Sie hatte diese Situation provoziert, also sollte sie sich auch etwas einfallen lassen.

"Es sollte nur möglichst bald sein", drängte er.

"Mhm. - Oh-oh..." Karylla erblickte Pierre Coderay, der auf sie zustürmte, da er fand, daß diese Lady, wer immer sie war, Tanya in der Blackfire-Rolle um Längen schlug.

"Ich sehe das Problem", sagte Alan. "Der Typ ist einfach furchtbar! Wahrscheinlich will er dich engagieren."

"Hm, kein Wunder, wenn ich an Mademoiselle Ricard als Blackfire denke... Ay, ich glaube, ich habe eine Idee!"

"Ich denke, ich bin bereit, alles zu akzeptieren, wenn ich nur hier wegkomme..." Er bereute diesen Ausspruch sofort, da Karylla ihn nachdenklich ansah. Das brachte sie noch auf einen ganz anderen Gedanken... Aber jetzt sollten sie erst einmal hier raus. Sie deutete auf einen Hinterausgang.

"Turbo!" rief sie und spurtete los. Firestar folgte ihr, da ihm auch nichts besseres einfiel. Auf jeden Fall waren die Leute derart überrascht, daß sie gar nicht richtig reagierten. Als sich die Tür hinter ihnen schloß, zerrte Blackfire Alan weiter.

'Was denn nun?' dachte dieser. Karylla lächelte spitzbübisch und schob Firestar durch eine Tür. Sie führte ihn in das leerstehende Quartier III/38. So, er war bereit, alles zu akzeptieren...?

Wenn er nur wüßte, was sie denn wollte! Gehörte das noch mit zum Plan? Er schaute sie mißtrauisch an.

Blackfire stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Alan einen Kuß. Das verstand er nun überhaupt nicht. Erst der tätliche Angriff, und nun... Frauen - insbesondere Blackfire! Seufz, er würde sie nie verstehen...

"Ich wollte mich für die Ohrfeige entschuldigen." Sie sah ihn mit einem ziemlich eigentümlichen Blick an.

"Nicht notwendig. Ich gewöhne mich langsam daran", wehrte er ab.

"Oooch!" Sie strich sanft über seine Wange. Alan musterte sie prüfend. Sie hatte etwas vor, garantiert.

Das hatte Karylla allerdings. Sie wollte sich doch immer noch an Ryko rächen, und dann war sie außerdem neugierig, was von Alans berühmt-berüchtigten Image zu halten war. Und überhaupt... Da ihr ganzer schöner Plan ja eh ins Wasser gefallen war - was sollte es? Sie machte einen Schritt auf Alan zu und schmiegte sich an ihn.

'Aha', dachte Firestar. 'Das hatte sie vor.' Nun, so einfach war es aber nicht. Er schob sie von sich.

"Was soll das?" Er hatte eigentlich nicht vor, sich mit ihr einzulassen.

"Ich dachte mir, wo du doch meine ganze Planung ruiniert hast, könntest du mich ruhig trösten..."

"Laß dich doch von Ryko trösten!"

"Nö. Du bist dran schuld, also bist du auch dafür verantwortlich."

"Ach?" meinte er nur. Irgendwie entbehrten ihre Aussagen nicht einer gewissen Logik.

"Mhm." Karylla sah ihn belustigt an und fuhr mit dem Zeigefinger über seine Brust. Alan fand das überhaupt nicht witzig, da er nahe daran war nachzugeben, wenn sie so weitermachte. Aber es kam überhaupt nicht in Frage, daß er es ihr leicht machte. Immerhin war er es seinem Image schuldig, und wenn er an den ganzen Ärger nachher dachte, dann konnte sie sich ruhig etwas anstrengen. Es mußte sich schon lohnen.

"Ts ts..." Karylla schenkte ihm einen verführerischen Blick. "Fast habe ich den Eindruck, du bist schüchtern..." Sie machte einen zweiten Versuch, sich an ihn zu kuscheln. Diesmal ließ er sie gewähren.

"Bin ich nicht! Aber ich denke nicht daran, ein leichtes Opfer zu sein!"

Beinahe hätte Blackfire losgeprustet. Firestar, das leichte Opfer!

"Ooooch...!" Sie küßte ihn noch einmal, im zweiten Anlauf mit etwas mehr Nachdruck.

"Du gibst nicht auf", stellte er fest.

"Korrekt." Sie verpaßte ihm einige weitere Streicheleinheiten. Tse, Blackfire war anscheinend nicht zu bremsen. Trotzdem konnte er keinen Sieg ihrerseits zulassen. Karylla kümmerte sich nicht um Alans schwerwiegende Gedanken. Hm... Wenn er im Prinzip baugleich mit Ryko war, dann hatte sie schon eine Idee, wie sie ihn eventuell doch noch überzeugen könnte...

Alan war fasziniert. Blackfire ließ auch nichts unversucht. Er hatte den Verdacht, daß sie irgendwie zu gut wußte, wie er reagieren mußte.

Unterdessen war Karylla leicht bis mittelschwer genervt. Wenn er den Override aktiviert hätte, wären ihre ganzen Bemühungen ziemlich umsonst. Grumpf. Zur Abwechslung küßte sie ihn noch mal.

Langsam fand Alan es etwas langweilig. Er würde wohl ein wenig entgegenkommender sein müssen, oder sie ließen es gleich. Hm, er konnte sich irgendwie nicht entschließen, sie zurückzuweisen. Er zuckte gedanklich mit den Schultern und erwiderte den Kuß. Karylla sah ihn verwundert an. Sollte er es sich nun doch überlegt haben?! Ts.

Eigentlich hätten sie ja weitaus besseres zu tun, als hier herumzuhängen und Spielchen zu spielen, überlegte Firestar. Zum Beispiel war da immer noch das Problem mit Coderay. Wann würden sie diese Angelegenheit endlich zu einem Abschluß bringen können? Aber Blackfire hatte offenkundig momentan andere Pläne, und irgendwie schien es ihm unwahrscheinlich, daß er sie davon abbringen konnte.

Karylla wuschelte hingebungsvoll in seinen dunkelkupferfarbenen Haaren herum. Alan befand sich schon wieder hart am Rande einer Ohrfeige, dachte sie. Wenn er nicht langsam etwas unternahm...

Irgendwie musterte sie ihn merkwürdig, fand Alan. Er hatte den Verdacht, daß sie leicht gestreßt war. Tse. Blackfire probierte es erneut mit ein paar Streicheleinheiten. Alan guckte belustigt. Er fand Karyllas Versuche, ihn zu überreden, ausgesprochen amüsant, aber sie brachten ihn langsam aber sicher doch in ernste Schwierigkeiten. Wer war eigentlich auf diese dumme Idee gekommen? Eigentlich war es auch egal. Er hatte jedenfalls nicht vor, hier noch länger herumzustehen. Wenn Karylla in der nächsten Minute nichts besseres einfiel, würde er einfach abhauen.

Jetzt reichte es ihr. 'Entweder oder', überlegte sie, gab Firestar einen leichten Schubs, woraufhin dieser auf dem Bett landete. Er sah sie genervt an, das konnte er doch absolut nicht ausstehen. Karylla kniete über ihm und sah ihm tief in die Augen, bevor sie ihn küßte.

'Dieser Blick', dachte Alan. Es schien doch schwieriger zu werden, ihr zu widerstehen, als er es sich vorgestellt hatte. Blackfire legte den Kopf schief und musterte Firestar ausgiebig. Jetzt oder nie, überlegte sie und machte sich kurzerhand am Verschluß seines Overalls zu schaffen. Immerhin ging es hier unter anderem ums Prinzip.

Nun wurde es wirklich kompliziert, bemerkte Alan. Er konnte beim besten Willen nicht mehr verschwinden. Bei seinem Glück würde er garantiert Nardia in die Arme laufen... Karylla betrachtete Firestar höchst amüsiert. Er schien sich in einem gewaltigen Gewissenskonflikt zu befinden, und außerdem war er es wohl nicht unbedingt gewohnt, selbst verführt zu werden...

Alan fand die Situation überaus unangenehm, da er überhaupt keine Ahnung hatte, wie er sich verhalten sollte. Er wollte standhaft bleiben, verschwinden konnte er nicht, die Umstände waren ausgesprochen ungewohnt, und Karylla hatte auch nicht vor, ihn aus seinen Seelenqualen zu erlösen.

Endlich gab sich Alan einen Ruck. Am besten stellte er diese Gedankengänge erst einmal zurück, er konnte später immer noch darüber meditieren. Da er jetzt schon die Gelegenheit hatte, ohne Kameras... Er zog sie zu sich herunter.

Tsayée, Blackfire hatte schon nicht mehr damit gerechnet, daß sie ihn doch noch herumkriegen könnte. Und sowas sollte Firestar sein, der Frauenheld schlechthin. Pah. Aber was sollte es, vielleicht würde er ja jetzt ein paar Punkte gutmachen...

Da Alan nun endlich eine Entscheidung getroffen hatte, konnte er sich auch ausgiebiger der Sache widmen. Er befreite Karylla aus ihrem Coverall und kümmerte sich intensivst um sie...

* * *

Ryko war unterdessen wieder auf der Lightning gewesen, da ihm irgendwie der Verdacht gekommen war, daß es ungünstig wäre, weiterhin als Infinity durch die Couronne zu spazieren. Er fragte sich, wie er überhaupt auf diese dumme Idee gekommen war. Vermutlich färbte Karylla langsam ab.

Als er wieder zurückkehrte, befand sich niemand mehr auf dem Set. Eigentümlich. Aber es war unmöglich, daß Karylla alleine die ganzen Leute irgendwohin verfrachtet haben könnte, selbst mit Alans Hilfe nicht. Also mußte irgendetwas an ihrem Plan danebengegangen sein. Nochmal eigentümlich, denn diese Idee klang einmal durchaus praktikabel. Er beschloß, sich in den Speisesaal zu setzen und auf Blackfire zu warten. Früher oder später würde sie hier auftauchen.

Inzwischen war Nardia ebenfalls auf der Couronne eingetroffen. Da Alan nicht auf der Fireflash war, hatte sie beschlossen, sich erst mal ein ausgiebiges Frühstück zu genehmigen.

Ryko stand am Buffet und schaufelte einen Berg Pralinen in eine mittelgroße Schüssel. Nardia sah ihm irritiert zu, wie konnte eine Person dermaßen viele Süßigkeiten essen? Als er von den kugeligen Schokoteilen aufblickte, erspähte er Nardia neben sich. Zu seiner Verwunderung war sie diesmal nicht in Maskerade da.

"Mademoiselle!" Er neigte leicht den Kopf.

"Monsieur!" erwiderte sie.

"Ich vermisse Euren Gefährten. Wißt Ihr, wo dieser sich momentan aufhält?" Und wo Karylla war, wollte er auch zu gerne wissen... Wenn sie es wagen sollte...!

"Nein, ich habe keine Ahnung. Er muß schon ziemlich früh verschwunden sein."

"Hm", machte Ryko. Das allerdings. Aber er war auch ziemlich früh von der Lightning verschwunden - ebenso wie Blackfire! "Ferner suche ich Mademoiselle LaFeurelle. Habt Ihr diese vielleicht irgendwo erspäht?"

"Nein", meinte Nardia. Ryko runzelte die Stirn und stopfte zwei weitere Pralinen in den Mund. Wahrscheinlich brauchte er alle Energiereserven, wenn er wieder auf Alan traf - falls dieser sich Karylla indezent genähert haben sollte...

Nardia widmete sich inzwischen ihrem Frühstück. Warum sollte sie darüber grübeln, wo Alan und Acy steckten? Das brachte eh nichts außer Frustrationen, und davon hatte sie eigentlich schon genug.

Ryko fragte sich, ob er sich auf die Suche nach den beiden machen sollte. Nur wo? Er futterte eine weitere Handvoll der Süßigkeiten. Nardia schien es ja nicht sonderlich zu stören, was Alan so trieb.

Mittlerweile hatte Nardia ihr Mahl beendet, und sie beschloß, sich ein wenig auf dem Schiff umzusehen. Vielleicht fiel ihr ja etwas ein, wie man diesen Coderay überführen konnte. Ryko brütete indes weiterhin über die Gemeinheit eines Schicksals nach, das ihm Alan Dale über den Weg geführt hatte. Es war alles so schön überschaubar und klar gewesen, bevor dieser aufgetaucht war... Er klemmte sich die Schüssel mit den restlichen Pralinen unter den Arm und erhob sich, um endlich Karylla einzusammeln. Sofern er sie fand, hieß das.

Nardia machte sich erst einmal auf den Weg zum Set, vielleicht fand sie ja dort etwas Interessantes. Doch als sie im Laderaum A ankam, mußte sie feststellen, daß niemand anwesend war. Komisch, dachte sie. Heute war doch Drehtag. Wo sollte sie nun nachsehen? Unschlüssig blickte sie sich um.

Ryko war derweil durch einige mehr oder weniger bevölkerte Gänge und Aufenthaltsräume gedüst. Nun machte er sich auf den Weg zur Observations-Lounge. Nur wenige Passagiere befanden sich zu dieser Tageszeit in dem weitläufigen Saal, und Ryko trat an eines der Aussichtsfenster, wo er trübsinnig in die Unendlichkeit blickte. Wo steckte Kary bloß?

* * *

Blackfire überlegte. Langsam kamen sie in ein arges Zeitproblem. Wenn dieser Blödmann nicht so lange herumgezögert hätte... Graaa! Sie schmiegte sich an ihn. Es war ungewohnt, Alan war wärmer als Ryko - aber das war auch das einzig Bemerkenswerte an diesem Intermezzo. Hm, also, irgendwie hatte sie sich mehr von Firestar erwartet. Aber was sollte es - es war halt mal eine andere Erfahrung. Blieb nur zu hoffen, daß Ryko nicht zufällig hier vorbeikam...

Plötzlich klingelte es an der Tür, und Alan fuhr zusammen. Im Nu stand ein Putzkommando in dem Quartier und betrachtete die Szenerie eher irritiert.

"Wir sollen hier saubermachen", begann die Lady in vorderster Front und errötete dezent. Blackfire sah sie leicht genervt an.

"Sie haben sich in der Kabine geirrt", meinte sie bestimmt. Sofort kontrollierte jemand die Nummer.

"Nein, wir sind hier richtig. Sie müssen falsch sein."

"Hm-hm. Kommen Sie doch in einer Stunde noch mal vorbei", schlug Karylla vor.

"Nun, äh, ja..." begann die Lady, und dann zog sich der ganze Trupp zurück.

Ausgesprochen ungehalten suchte Blackfire ihre Klamotten zusammen.

"Grumpf", machte sie nur.

"Es war nicht meine Idee", meinte Alan.

"Zugegebenermaßen. Aber wenn du nicht so einen Aufstand gemacht hättest..."

Er sah sie an. "Du hättest dir halt mehr Mühe geben müssen."

"So, hätte ich das?" 'Na warte', dachte sie, warf ihre Sachen beiseite und stürzte sich noch einmal auf ihn.

"Tse." Firestar konnte ihren Gedankengängen mal wieder nicht folgen, da er aber den Verdacht hegte, daß sie mit Sicherheit bald vermißt wurden, gab er sein zurückhaltendes Verhalten nun endgültig auf.

'Warum nicht gleich so?!' dachte Karylla. Ts, dieser Typ war ihr ein absolutes Rätsel. Mal wollte er, mal nicht, und überhaupt. Sie beschloß, nicht weiter darüber nachzudenken, sondern nutzte die Gunst des Augenblicks, um Alan einmal richtig auszutesten...

* * *

Unterdessen wanderte Nardia immer noch durch das Schiff. Ihr fiel absolut nichts ein, wie man Coderay loswerden konnte. Zudem wollte sie wissen, wo Alan sich befand. Er war selbst für seine Verhältnisse ungebührlich lange verschwunden, und das schien ihr doch sehr verdächtig zu sein. Sie beschloß, die Observations-Lounge zu besuchen. Da war es wenigstens nicht so überfüllt wie im Speisesaal. Sie mußte unbedingt in Ruhe nachdenken.

Dort angekommen, ließ sie sich in einen Sessel plumpsen. Endlich Stille. Nardia ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Erstaunt bemerkte sie Cayvyn, der gedankenverloren in den Weltraum starrte. Irgendwie wirkte er höchst geknickt. Mit einem abgrundtiefen Seufzer wandte er sich von der Aussicht ab und wollte wieder von hinnen trotten, als er Nardia erblickte. Er sah sie nur einfach tragisch aus seinen türkis-kupfernen Augen an. Das schien aber ganz schön tief zu sitzen, dachte Nardia.

"Ihr habt sie ebenfalls noch nicht entdeckt?" erkundigte er sich bei ihr. Nardia schüttelte nur den Kopf. Cayvyn gab erneut einen Seufzer von sich und guckte weiter äußerst leidend. "Was können wir nur unternehmen?"

"Warten", meinte Nardia. "Oder das Schiff von oben bis unten absuchen, aber das habe ich schon fast geschafft."

"Ich habe es von unten nach oben durchkämmt. Ebenfalls ohne Erfolg. Fast bin ich versucht, es mit einem Steckbrief zu probieren."

Nardia sah ihn erstaunt an. "Ein Steckbrief? Was sollte das nützen?"

"Es war nur ein Gedanke... Könntet Ihr nicht mit Hilfe Eurer 'weiblichen Intuition' versuchen, den möglichen Aufenthaltsort von Mademoiselle LaFeurelle und/oder Alan zu ermitteln?" Für Karylla wäre das sicherlich kein Problem, dachte er.

"Als wenn ich das nicht schon probiert hätte - aber die beiden habe ich nicht gefunden."

"Seufz."

Nardia überlegte angestrengt, wo sie noch nicht nachgesehen hatte. Hm, ihr fiel momentan nichts ein. Allerdings hatte sie die Kabinen bis jetzt außer acht gelassen, da eine Suche dort äußerst ungünstig wäre. Das brachte zu oft peinliche Situationen mit sich.

"Mademoiselle, darf ich mich zu Euch setzen?" Sir Cayvyn stand immer noch betrübt in der Gegend herum.

"Sicherlich!"

Cay nahm Platz und guckte schon wieder in weite Fernen. Es kränkte ihn ungemein, daß Karylla derart offensichtlich mit Firestar herummachte. Diese Warterei ging Nardia gewaltig auf die Nerven. Lange machte sie das nicht mehr mit. Hätte sie doch nie zugestimmt...

Vielleicht sollte er noch etwas essen, überlegte Cayvyn. Die Schüssel mit den Pralinen war jedenfalls leer. Zum Glück hatte er nicht das Problem, daß er von solcherart Nascherei dick wurde. Er überlegte, ob er doch wieder zum Buffet zurückkehren sollte. Andererseits hatten ihn die Leute dort schon so merkwürdig angesehen...

Nardia dachte darüber nach, ob sie noch länger hier herumhängen sollte oder ob sie etwas unternahm. Nur was? Wenn sie wieder unnütz durch das Schiff lief, brachte das rein gar nichts. Seufz.

Cayvyn erhob sich und deutete eine galante Verbeugung an.

"Ich gedachte, mir etwas zu essen zu holen. Darf ich Euch etwas mitbringen, Mademoiselle?"

"Lieber nicht. Ich glaube, momentan kann ich nicht maßhalten." Sie neigte immer dazu, ihren Ärger durch Essen abzubauen.

"Ich könnte Euch eine kleine Portion organisieren."

"Nun gut, aber eine ganz kleine", meinte sie zögernd.

"Und was?"

"Irgendwas mit Salat." Eigentlich war es ihr egal. Sie würde doch zu gerne wissen, wo Acy und Alan gerade waren.

"Wie Ihr es wünscht." 'Prinz Alayvyn' entfernte sich dezent.

* * *

Als er das Buffet erreichte und Nads Bestellung auf einen Teller gehäuft hatte, erblickte er Blackfire. Oha! Alan konnte er im Moment nicht ausmachen, aber was sollte es. Den würde er sich bei Gelegenheit vorknöpfen. Er nahm Nardias Teller und seinen in eine Hand, düste zu Karylla herüber, klemmte sich diese unter den freien Arm und schleppte sie ungeachtet aller Proteste mit in die Observations-Lounge. Er hatte nicht vor, auf sein Essen zu verzichten, deroweil er sie einem hochnotpeinlichen Verhör unterzog.

Nardia sah zur Tür, als dort ein Tumult entstand. Anscheinend hatte Cayvyn Acy gefunden, anders konnte sie das Bild nicht deuten.

"Euer Salat, Mademoiselle", bemerkte er höflich zu Nardia, wobei er Karyllas wilde Flüche dezent ignorierte. Anschließend stellte er noch seinen Teller ab, bevor er seine Partnerin sinnend betrachtete, die indezent an seiner Seite hing.

"Vielen Dank. Offensichtlich habt Ihr nun doch Erfolg gehabt", stellte Nad fest. Das Bild war zu komisch.

"In der Tat."

Karylla schimpfte weiter wie ein Rohrspatz. "...und außerdem hasse ich es, wenn man sich über meinen Kopf hinweg über mich unterhält", fauchte sie abschließend. Ryko hob eine Augenbraue.

"Ich habe kein Wort über dich verloren", äußerte sich Nad ungehalten. Acy sollte sich gerade beschweren!

"Aber du hast es gemeint!" beschwerte Blackfire sich.

"Auch das nicht. Warum sollte ich dieses tun?" Nardia sah ihre Schwester irritiert an. Acy strampelte immer noch herum.

"Würdest du mich endlich loslassen?" brüllte sie Ryko an. Der überlegte schwer, ob er sie nicht vielleicht tatsächlich einfach zu Boden fallen lassen sollte, entschied sich aber doch dagegen. Karylla würde dann noch unausstehlicher reagieren.

"Mit welcher Begründung soll ich dich loslassen?" wollte er wissen. Blackfire warf ihm einen Blick zu, der eine ganze Armee umgebracht hätte. Irgendwie schien es Nardia, als wenn Acy sich in einer ausweglosen Situation befand. Diese stimmte voll und ganz mit ihrer Schwester überein. Von selbst käme sie garantiert in hundert Jahren nicht frei. Grumpf!

"Und wenn ich dir sage, daß es unbequem ist?"

"Das geschieht dir ganz recht."

"Graaaa!" Sie versuchte, sich irgendwie herauszuwinden. "Du bist gemein!"

"Und als was würdest du dein Dauer-Techtelmechtel mit Alan bezeichnen?"

"Es ist kein Dauer-Techtelmechtel!"

"Und was dann?"

"Er nervt mich immer nur!"

"Ach!" kam es von zwei Seiten.

"Wirklich!" Langsam kam sich Blackfire äußerst dämlich in dieser Lage vor. Nardia glaubte ihrer Schwester kein Wort. Ha, dafür daß Alan sie nur nervte, gingen sie aber ziemlich auf Tuchfühlung.

"Woran liegt es, daß ich dir das nicht abnehme?" fragte Ryko mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Keine Ahnung. Das mußt du doch wissen! Ich will endlich hier runter!"

"Nur, wenn du mir versprichst, daß du keine Alleingänge mehr unternimmst und dich auch von Alan fernhältst!"

'Grummel', dachte Karylla. Wie konnte sie sowas versprechen? Jetzt mußte sie scharf nachdenken. "Also, ich kann dir auf gar keinen Fall versprechen, keine Alleingänge mehr zu machen", stellte sie klar. "Ich habe schließlich einen Job zu erledigen!" Ryko überlegte einen Moment. Tja, da hatte sie einen Punkt.

"Na gut. Das streichen wir. Aber du solltest mir dann zumindest sagen, wo du dich aufhältst."

"Okay." Ha, sie hatte es nicht versprechen müssen! Ätsch.

"Aber was Alan betrifft, lasse ich mich auf keine Kompromisse ein."

"Hm." Was nun? Gut, Karylla hatte eigentlich keine Intention mehr, sich noch einmal mit Alan einzulassen (einmal hatte völlig gereicht; sie fand, er hatte seinen Ruf durch nichts in der Welt verdient), aber das explizit zu versprechen?!

Nardia hatte die Diskussion interessiert verfolgt. Sie war unbedingt dafür, daß Acy in dieser Sache aus dem Weg geräumt wurde. Zumindest hatte sich dann dieses Problem erledigt.

Karylla war es unterdessen gelungen, den schwachen Punkt in Rykos Forderung zu finden.

"Gut, ich verspreche, daß ich mich von Alan fernhalte." Dabei unterlag die exakte Definition des 'wie fern' immer noch ihrem Gutdünken. Praktisch.

"Schön", meinte Ryko befriedigt und stellte sie wieder auf die Beine. Karylla streckte sich erst einmal, denn sie fühlte sich irgendwie ziemlich verbogen, dann erspähte sie die Fressalien auf dem Tisch. Kommentarlos kassierte sie Rykos Teller ein und machte sich darüber her, bevor sie sich dezent zurückzogen.

Über diese Angelegenheit mußte noch ausführlich diskutiert werden.

* * *

3762/10/01 GZ

"Ähm", machte Karylla und versuchte, die aktuellen Solidos heimlich zu vernichten, bevor Ryko sie entdeckte. Das war ja nun ausnehmend peinlich, vor allem, weil es ausnahmsweise einmal den Tatsachen entsprach.

Gerade kam Ryko in den Raum, und Karylla wurde knallrot. Ertappt! Sie versteckte die Folien hinter ihrem Rücken. Ihr Partner guckte neugierig, was sie da vor ihm verbergen wollte.

"Was hast du da?"

"Äh, nichts..."

"Zeig mal her!"

"Äh, nein, lieber nicht..." Sie wurde noch eine Nuance röter. Peinlich, äußerst peinlich...

Ryko entwand ihr die Zeitung und las mit gerunzelter Stirn die Schlagzeile:

BLACKFIRE UND FIRESTAR INFLAGRANTI ERTAPPT!
Augenzeugen berichten von einem innigen Techtelmechtel der beiden...

"Äääääh...! Ich kann alles erklären!"

"So? Ich lausche!"

"Er hat mich verführt!"

"ACH?!" Irgendwie war sich Ryko nicht sicher, ob er seiner Partnerin das glauben sollte. Gut, Firestar war dafür bekannt - aber... Mittlerweile schien es Ryko, als hätte Karylla doch mehr von ihrem Vater geerbt als ihm recht sein konnte. Und zwar nicht nur auf naturwissenschaftlich-technischem Gebiet...

Sie sah ihn ausgesprochen herzzerreißend an.

"Doch", meinte sie kläglich.

"Hm."

"Aber du und Nardia!" meinte sie plötzlich. Ha, so konnte sie die Sache vielleicht doch noch herausreißen.

"Wie bitte?" Ryko blickte sie irritiert an.

"Du hast dich doch auch einfach so mit der vergnügt. Hmpf. Ich wollte dir nur vorführen, wie ich mich gefühlt habe, als ich das herausbekam!"

"Aber immerhin war ich diskret genug, dies nicht als Schlagzeile in die Zeitung zu bringen", bemerkte Ryko mit hochgezogenen Augenbrauen. "Und dann noch im Star!" Diese Info-Gruppe gehörte immerhin zu den verbreitetsten in der ganzen FGS.

"Dafür kann ich doch nichts!"

"Du hättest es sein lassen können."

"Grumpf. Naja, übrigens, zu deiner Beruhigung kann ich sagen, daß du mir weit besser gefällst als Alan."

"Toll. Und deswegen steigst du mit ihm ins Bett!?"

"Naja... Irgendwo braucht frau ja eine Vergleichsmöglichkeit..."

"Ich bin gerührt."

"Können wir das nicht anderweitig besprechen? Wir müssen ins Studio! - Außerdem habe ich hier noch eine Zeitung..."

PRINZ ALAYVYN MIT FILMSTERNCHEN TANYA RICARD ERWISCHT!
Augenzeugen berichten von einer heißen Liebesnacht der beiden...

"Haha!" machte Ryko nur vollends geschafft, bevor sie sich doch langsam zum Frachtraum A aufmachten, wo die heutigen Einstellungen abgedreht werden sollten.

* * *

Auf der Fireflash saß Nardia inmitten eines Stapels von Solido-Kopien. Sie konnte ohne die aktuelle Presse einfach nicht auskommen.

FIRESTAR IN STARLET TANYA RICARD VERLIEBT!
Wohlinformierte Kreise kündigen die baldige Heirat an!

Nardia prustete, als sie das las. Das war absolut lächerlich. Diese dumme Pute! Neugierig sah sie auch die anderen Zeitungen durch. Stirnrunzelnd betrachtete sie eine andere Meldung.

FIRESTAR UND BLACKFIRE
Wildes Liebesspiel im Luxusliner!

Das ging ja nun wirklich zu weit. Erst Acy und jetzt Blackfire! Sie war sprachlos, denn irgendwas mußte an der Angelegenheit stimmen. Das mit Tanya schien ihr völlig aus der Luft gegriffen, aber was Karylla Noir betraf, hatte sie so ihre Zweifel. Nur - was machte Blackfire auf der Couronne? Vor allem kam es ihr mehr als verdächtig vor, daß Alan immer noch nicht wieder aufgetaucht war. Sobald er auftauchte, würde sie ihn darüber zur Rede stellen.

* * *

3762/10/10 GZ

Nach neun weiteren aufreibenden Drehtagen (Karylla meditierte bereits darüber, ob sie nicht vielleicht Coderays gesamte Filmausrüstung inklusive der Beweisstücke einfach demolieren sollte, nur um nicht weiter in diesem niveaulosen Streifen mitwirken zu müssen) erreichte die Couronne de l'Espace Enmisar II/Sinhalon. Ryko hatte es glücklicherweise vorerst unterlassen, seine Partnerin weiter wegen der Sache mit Alan zu nerven (er hatte beschlossen, ihr lieber praktisch zu demonstrieren, welche Vorteile er gegenüber Firestar hatte, und Karylla konnte nicht umhin, ihm in allen Punkten zuzustimmen). Alles war also zur Zeit wie üblich, bis der Raumer im Orbit um den Planeten eintraf.

Die Fireflash war der Couronne vorausgeeilt und wartete bereits in der Nähe von Sinhalon auf diese. Alan geruhte, fünf Tage nach seinem spurlosen Verschwinden wieder aufzutauchen, selbstverständlich ohne ein Wort der Erklärung. Durch die Nachrichten hatte Nardia erfahren, daß er einen Juwelier auf Khemarra erleichtert hatte. Ihr war es schleierhaft, wie er dorthin gekommen war, es sei denn, Cass hatte ihm geholfen. Jener äußerte sich allerdings auch nicht zu diesem Thema. Nad war dermaßen wütend, als Alan zurückkehrte, daß ihr die Worte fehlten, vor allem, da dieser tat, als wäre nichts geschehen.

Auch an dem Tag, als die Couronne in den Sinhalon-Orbit einschwenkte, war Nardia keineswegs versöhnt.

* * *

"Nein!" Karylla stampfte empört mit dem Fuß auf. Sie hatte die Arme in die Seiten gestemmt und blitzte Pierre Coderay giftig an. "Nein und nochmals nein! Keine zehn Robots bringen mich auch nur in die Nähe einer Spinne - und schon gar nicht einer sinhalonischen Riesentarantel!"

"Aber Mademoiselle LaFeurelle, das Tier ist von der berühmten sinhalonischen Trainerin Shan Te-Li dressiert worden - es wird Ihnen nichts tun."

"Es ist eine Spinne - das reicht", fauchte Karylla.

"Mademoiselle", versuchte der Regisseur sie zu beruhigen. "Das arme Tierchen hat doch vor Ihnen mehr Angst als Sie vor ihm..."

"Das wüßte ich aber!"

"Wir müssen die Szene aber drehen!"

"Nicht mit mir." Das klang endgültig. Coderay seufzte. Es hatte so eine schöne Rettungsszene werden sollen. Aber...

"Nun gut. Dann muß ich es wohl mit Ihrem Double versuchen. Aber könnten Sie nicht doch vielle-"

"Niemals! Und schon gar nicht in diesem ...Fetzen!" Blackfire hielt das von der Requisite bereitgestellte Kleidungsstück in die Höhe. Es bestand vielleicht aus der Hälfte des Stoffes, den man normalerweise für einen Tanga aufwenden würde. "Immerhin gibt es auf Sinhalon Moskitos und andere Mikrovampire... Ich gedenke nicht, hier als Lebendfutter für dieses Viehzeug zu enden!" Es gab eigentlich kaum etwas, das sie mehr verabscheute als Insekten.

"Aber Mademoiselle LaFeurelle..."

"NEIN! Nehmen Sie doch Tanya oder Susan für die Szene - aber nicht mich!"

"Hm", überlegte Coderay. "Das wäre eine Idee. Ich schreibe einfach das Drehbuch um und erweitere den Blackfire-Part..." Er sah sich um. "Tanya!"

Doch auch diese schien nicht allzu angetan von der Vorstellung, sich in die Klauen einer etwas über einen Meter großen Spinne zu begeben, so daß Susan Colvin alias Stardust den Zuschlag bekam. Nach dieser kleinen Verzögerung ging es ab in den feuchtheißen Dschungel von Sinhalon...

Nardia hatte sich inzwischen am Set eingefunden, um den weiteren Verlauf der Dreharbeiten zu beobachten. Vielleicht wurde der Film ja tatsächlich fertig, denn es schien niemandem zu gelingen, einen zweckmäßigen Zeitpunkt und Ort zu finden, um Coderay festzunageln.

Höchst amüsiert bemerkte sie, daß nun 'Stardust' den Spinnen-Part bekam. Dabei hatte sie doch nicht die geringste Angst vor diesen Tierchen! Sicher, wenn es sich um irgendwelche Glibberviecher handeln würde, sähe es ganz anders aus - aber so? Einfach lächerlich! Vor allem war es absolut blödsinnig, in so einem Fähnchen durch den Dschungel zu rennen. Sie hatte da so ihre Erfahrungen gemacht... Aber nun wollte sie doch mal sehen, was die Stardust-Darstellerin daraus machte.

Susan Colvin rannte drehbuchgemäß laut kreischend durch das Unterholz, bis sie strauchelte und sich in voller Länge zu Boden begab (dies war ein weiterer Grund für Karyllas Weigerung gewesen - dort gab es Käfer und noch mehr Spinnen). Danach sollte sich die Riesentarantel auf sie stürzen, bis Firestar das Tier mit einem Strahlschuß erlegte.

So etwas Idiotisches hatte Nardia noch nie gesehen! Wer würde schon eine harmlose kleine Spinne erschießen? Na gut, die hier war eine Nummer größer - aber trotzdem. Und das auch noch, wo Firestar entschieden etwas gegen das unnütze Töten von Tieren hatte... Das konnte sie sich nicht mehr mit ansehen, und so kehrte Nardia mit Cass nach Blade Manor zurück. Außerdem hatte sie mittlerweile restlos genug von Alan. Er warf ihr pausenlos irgendetwas vor, also hatte sie nach einem letzten Streit ihre Koffer gepackt und war von der Fireflash verschwunden.

Eine Möglichkeit, Coderay zu schnappen, sah sie nicht. Sollten sich doch andere darum kümmern! Zwar fuchste sie das, aber was sollte sie tun? Zudem blieb Alan ja in der Nähe der Couronne, und falls sich doch noch eine Gelegenheit ergab, so würde er sie zu nutzen wissen.

Leider sah jedoch auch Firestar keine Chance. Er konnte Coderay nicht anzeigen, ohne daß der Verdacht aufkam, er würde das lediglich tun, um die Veröffentlichung des Films zu verhindern. Dabei war dieser ihm inzwischen völlig egal. Er fragte sich, warum er sich eigentlich darüber aufgeregt hatte. Wenn er das Ganze mit ein wenig Humor genommen hätte, wäre ihm ein Großteil des Ärgers erspart geblieben. Alan seufzte. Und dann hatte ihm auch noch Nardia deutlich zu verstehen gegeben, daß sie ihn nie wieder sehen wollte...

* * *

Irgendwie gingen auch dieser und die nächsten Drehtage zu Ende. Bis auf einen verletzten Stuntman (O-Ton Coderay: "Oh, das ist mir aber peinlich... Requisite! Einen neuen Stuntman, bitte!"), einem Sonnenbrand bei Susan, einem Mückenstich in Tanyas Nase und einer völlig mißgelaunten Sylvia LaFeurelle gab es keine nennenswerten Vorfälle.

Coderay war immer noch nicht entlarvt, und der Film neigte sich rascher denn je dem Ende zu. Nach einigen geruhsamen Drehtagen im Schiff (das meiste davon wie üblich im Bett...) und einem feuchten Intermezzo auf der Wasserwelt Antyara II/Enshay ging es 10/34 auf Suune III/Tarishaan weiter.

Einige Tage später, am 3762/10/41 GZ, verkündete Coderay:

"So, meine Lieben, heute war unser letzter Drehtag! Wenn die Couronne morgen die Kreuzfahrt beendet und damit beginnt, die Passagiere wieder auf ihren Heimatwelten abzusetzen, werden wir uns daran machen, das Filmmaterial für die Veröffentlichung vorzubereiten..."

Nardia hatte sich derweil überlegt, daß es eine tolle Idee wäre, wenn sie den Film auf ihrer Jahresbeginn-Feier erstaufführen könnte. Sie bemühte sich um die Rechte, was keine großen Schwierigkeiten bereitete, da sie erstens genug Geld hatte, und zweitens war die Filmgesellschaft sogar über das Interesse von Nardia Ashni Blade erfreut. Das brachte für sie noch einiges an zusätzlicher Publicity für ihr neuestes Werk...

* * *

3762/10/47 GZ

Endlich war der Film 'Return of Firestar' komplettiert. Während Ryko und Karylla in einer abgelegenen Ecke die Abbauarbeiten im Frachtraum A beobachteten, fühlten sie sich leicht frustriert. Sie hatten keine direkten Beweise gegen Coderay, alle Verbindungsleute auf den einzelnen Planeten waren so geschickt gewesen und rasch untergetaucht, daß niemand inflagranti ertappt werden konnte. Und falls sie versuchten, Coderay nur mit dem derzeit vorliegenden Belastungsmaterial anzuzeigen, würde dieser sicherlich behaupten, er habe keine Ahnung von dem Waffenarsenal gehabt, und daß offenbar einer seiner vielen Neider versuchte, sein größtes Projekt auf diese Weise zu diskreditieren et cetera...

Morgen war die Couronne de l'Espace wieder bei Allirion IV/Naravina, wo sie das Schiff offiziell verlassen mußten. Es war einfach nicht fair!

Noch während sie diesen Gedanken nachhingen, fielen plötzlich ohne Vorwarnung gut zwei Dutzend Weltraumpolizisten in ihren schmucklosen, dunkelblauen Uniformen in den Laderaum ein. Karylla kicherte, offenbar wollten die Statisten ein letztes Mal einen großen Auftritt haben!

Doch die Männer und Frauen machten sich unerwarteterweise zielstrebig an der Filmausrüstung zu schaffen! Karylla und Ryko gingen hinter einer Säule in Deckung, wobei Blackfire sich eng an ihren Partner schmiegte. Falls jemand sie entdeckte, waren sie einfach ein verliebtes Pärchen, das hier zufällig ein ungestörtes Plätzchen gesucht hatte...

Die Polizisten machten eifrig Aufnahmen und dirigierten die Arbeiter in eine Ecke, um sie erst einmal präventiv festzunehmen. Vollkommen überraschend erschien Tanya Ricard im Laderaum. Sie trug erstaunlicherweise nicht mehr eins ihrer knappen Glitzerfähnchen, sondern zu der blauen Uniform das silberne Abzeichen eines Captains der Weltraumpolizei. Auch die wilde, schwarze Mähne war einem praktischen Zopf gewichen, ebenso wie das knallbunte Make-Up verschwunden war. Blackfire traute ihren Augen nicht. Diese dumme Nuß war...?

"Ryko, kneif mich mal... Äh, Kommando zurück", meinte sie hastig, da dieser die Aufforderung bestimmt wieder wörtlich nehmen würde.

Captain Ricard dirigierte ihre Leute zu den wichtigsten Beweisstücken, die prompt in geräumige Antigrav-Kisten verpackt wurden.

Karylla konnte es nicht fassen. All der Aufwand, den sie und Firestar getrieben hatten - für nichts?! Das war und war nicht fair. Sie schmiegte sich an Ryko und ließ sich ausgiebig von diesem trösten.

"Wen haben wir denn da?" Die Stimme Tanyas hatte kein bißchen mehr von ihrem naiven Unterton. Ryko sah auf und nahm sogleich seine Prinz Alayvyn-Pose ein.

"Mademoiselle Ricard?" erkundigte er sich milde erstaunt.

"Captain Tanya Ricard von der tarishaanischen Weltraumpolizei. Ich muß Sie bitten, mit mir zu kommen."

"Aber - warum?" Ryko maß sie mit einem irritierten Blick.

"Verdacht auf Kooperation mit Pierre Coderay."

"Aber Mademoiselle - Captain... Ich habe lediglich insofern mit Monsieur Coderay kooperiert, als daß ich die Hauptrolle in seinem Film spielte. Ist das illegal?"

"Das alleine nicht..."

"Immerhin entsinne ich mich, daß Ihr ebenfalls eine Rolle in jenem cineastischen Meisterwerk innehattet. Wäre es dann nicht eine logische Aktion, wenn Ihr Euch ebenfalls inhaftieren ließet?"

"Ich habe alleine im Auftrag der Weltraumpolizei gehandelt", rechtfertigte Tanya sich.

"Nun, ich habe nach meiner reinen Neigung agiert, und dies war in keinster Weise eine kriminelle Aktion", bemerkte Ryko mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Und weshalb befanden Sie sich hier im Laderaum?"

"Entschuldigt meine Indiskretion, mein Herz", deklamierte Ryko und gab Karylla einen Kuß auf die Stirn, bevor er sich an Tanya Ricard wandte. "Mademoiselle LaFeurelle und ich haben vor einiger Zeit erkannt, daß wir einander in innigster Zuneigung verbunden sind, und wir suchten eine Örtlichkeit, an der wir uns diskret einander widmen konnten..."

"Das hier nennen Sie diskret?!" wollte Tanya ungläubig wissen. Offenbar hatten Naraviner eine seltsame Vorstellung von Diskretion. Ryko setzte eine etwas gestreßte Miene auf.

"Dieser Gedanke kam mir bereits ebenfalls." Er sah die Polizistin tragisch an und hielt ihr seine Hände entgegen. "So waltet nun Eures Amtes, Lady Tanya. Hier stehe ich und ergebe mich willfährig in Eure Hände!"

Captain Ricard wandte sich erschüttert ab, vor allem, da 'Sylvia LaFeurelle' sich auch noch schutzsuchend an Alayvyn schmiegte.

"Schon gut... Aber bleiben Sie bitte verfügbar, Monsieur Alayvyn. Ich muß Sie noch einem Verhör unterziehen."

Und so begab es sich, daß Pierre Coderay doch noch verhaftet wurde...

* * *

Alan hatte von seinem Raumschiff aus irritiert verfolgt, wie ein Polizeitransporter an der Couronne de l'Espace anlegte. Hm, was konnte das bedeuten?

Von Neugierde geplagt, transmittierte er auf den Liner, wo er von einem guten Versteck aus die Verhaftung der Filmcrew beobachtete. Die Szene mit Ryko amüsierte ihn köstlich. Tse, er hätte Tanya Ricard nie für eine Polizistin gehalten. Sie war wirklich eine hervorragende Schauspielerin. Vielleicht sollte er ihr dazu gratulieren...

* * *

Nach einigen nervigen Verhören (wie gut, daß Blackfire & Infinity niemals ihre Fingerabdrücke irgendwo hinterließen und auch für diese Tour einen Satz falscher Fingerabdrücke vorbereitet hatten...) erlaubte Tanya ihnen, die Couronne in Richtung Naravina zu verlassen. Bevor sie endgültig gingen, wandte sich Karylla noch einmal an die Polizistin.

"Captain Ricard - ich habe da noch eine Frage... Warum haben Sie eigentlich Coderay nicht schon früher überführt? Sie hatten die Beweise doch schon länger." Nun wurde Tanya leicht rot.

"Naja, wissen Sie... Als Weltraumpolizistin bekommt man nie die rechte Anerkennung... Und ich wollte doch einmal richtig ins Holorama kommen..."

Karylla konnte sich das Kichern nicht verkneifen.

"Und dann ausgerechnet in der Rolle von Blackfire", meinte sie belustigt. Sie verabschiedeten sich, bevor Ryko und Karylla auf die Lightning zurücksprangen.

Kurz darauf brachte ein Bote einen großen Strauß erlesener Orchideen mit einer Karte.

"Für eine grandiose Schauspielerin", stand in Handschrift darauf. "Ich werde die Minuten mit Ihnen nie vergessen - A.D."

Tanya runzelte die Stirn. Hm? A.D. - Wer mochte das sein? Und mit wem hatte sie irgendwelche bemerkenswerten Minuten verbracht? Sie drehte die Karte in den Händen herum. Schlichter weißer Karton mit schwarzer Schrift... Sie musterte diese genauer. Moment! Hatte sie nicht letztlich eine durchaus ähnliche Notiz gesehen? Aber sicher!

A.D. - Alan Dale! Sie ließ sich in ihren Sessel zurücksinken. Firestar... Tanya Ricard hatte vor fast acht Monaten zu der Abteilung gehört, die Firestars Wiederauftauchen untersuchen und diesen festnehmen sollte. Wegen mangelnden Erfolgs war sie nach einiger Zeit abgelöst und auf Pierre Coderay angesetzt worden. Und nun... Aber konnte wirklich der echte Firestar in den Film mitgewirkt haben?

Sie zuckte zusammen. Verdammt, das hieße ja, sie hatte ihn gerade noch in der Hand gehabt und einfach wieder davonspazieren lassen! Dabei war da noch so eine Sache mit einem Überfall auf einen khemarrischen Juwelier offen... Sofort leitete sie eine Großfahndung nach einem Mann ein, der sich als Prinz Alayvyn ausgab, aber in Wirklichkeit niemand anders als Alan Dale sein konnte...

Als Alan von der Großfahndung hörte, runzelte er die Stirn. Das hatte er gar nicht geplant. Naja, egal, es bestand wohl kaum die Gefahr, daß man Ryko erwischte. Aber so, wie es aussah, würden jetzt wohl alle die Vermutung hegen, daß er, Alan Firestar Dale, den ganzen Film gedreht hatte... Er seufzte. Nun denn, viel störte es ihn nicht mehr; er hatte sich mit diesem Machwerk abgefunden. Es würde ohnehin nicht der letzte Film sein, der sich mit seiner Person beschäftigte.

* * *

Auf der Lightning hörte Karylla wie üblich die interessantesten Funkfrequenzen ab. Auf dem Freenet amüsierte man sich königlich darüber, daß Firestar persönlich an solchen einem Schundfilm über sich mitgewirkt haben sollte. Im Organet klang Besorgnis über Coderays Verhaftung an - wen mochte dieser mit seinen Aussagen noch ins Verderben reißen? Sie schaltete um zur Hauptfrequenz der Weltraumpolizei...

"Ryko, wußtest du schon, daß du Firestar bist?"

"Wie bitte?" Ihr Partner kam in die Kommandozentrale des Raumers und stellte sich hinter sie, wobei er seine Unterarme auf der Rückenlehne ihres Sessels aufstützte.

"Na, irgendwie muß da jemandem die Eingebung gekommen sein, daß Firestar sich als Prinz Alayvyn ausgegeben hat. Zumindest wird nach dem gefahndet. Nach Sylvia LaFeurelle übrigens auch..."

"Ach!" Ryko verzog das Gesicht. "Ich und Firestar...?!"

"Naja, du gibst auf jeden Fall eine ziemlich perfekte Kopie von ihm ab."

"Wie mich das freut...! Und jetzt willst du mir sicher erklären, daß du gedacht hattest, Firestar wäre eigentlich ich gewesen, als du mit ihm ins-" Weiter kam Ryko nicht, da Karylla ihn zu sich heruntergezogen und elegant zum Schweigen gebracht hatte.

"Ich dachte, der Punkt wäre mittlerweile abgehakt... Laß uns lieber die Lightning wegbringen und zur Villa Alycia fliegen. In drei Tagen ist die große Jahresbeginn-Feier bei Nad, und bis dahin möchte ich mich noch etwas von unserem Urlaub erholen..."

"Einverstanden." Ryko nahm sie in die Arme und hielt sie fest. Zu Hause würde er sich dann eingehender um sie kümmern können, bis sie wohl oder übel bei Nardia vorbeimußten.

* * *

3762/10/50 GZ

Der große Maskenball hatte schon begonnen. Nardia schob sich durch die Menschenmengen. Diesmal trug sie ein extravagantes, hautenges metallicgrünes Kleid. Schließlich mußte sie demonstrieren, daß ihre Diät endlich Erfolg gehabt hatte. In diesem Jahr waren die Gäste ausgesprochen einfallslos, stellte sie kopfschüttelnd fest.

Etwas über die Hälfte der männlichen Personen waren als Firestar verkleidet, die weiblichen Besucher zumeist als Alycia, Stardust oder Blackfire. Nardia konnte es schon nicht mehr sehen. Bis zur Premiere des Films war ausreichend Zeit, also konnte sie dem Buffet noch einen kurzen Besuch abstatten. Dort fand sie Coryn Arvhayn vor.

'Typisch', dachte sie. 'Verfressen wie immer!' Coryn hatte sich diesmal als sich selbst verkleidet, das war wenigstens kein Aufwand gewesen.

Nun schwebte auch Alycia am Buffet ein. Sie war - bis auf ihre neonblauen Augen und ebenso geschminkte Lippen - schimmernd weiß, vom Scheitel bis zur Sohle. Sogar ihre Haut war schneeweiß eingefärbt, wie auch ihre über po-lange Perücke. Zu allem Überfluß leuchtete ihre duftige, halbdurchsichtige Flattergewandung in milchigem Licht und gab ihr ein wahrhaft ätherisches Aussehen. Cayvyns Hautfarbe war ein schillerndes Perlmutt, und ansonsten trug er tiefstes Mitternachtsschwarz, wobei seine Haare und Augen passend zu seinem restlichen Aufzug coloriert waren. Die Aufmachung sollte die Lichtkönigin samt dem Prinzen der Nacht darstellen, zwei Gestalten aus einer alten enaryshanischen Legende.

Nardia blickte den beiden entgegen. Wenigstens Acy und Sir Cayvyn waren nicht als Alycia und Firestar gekommen. Das wäre eindeutig zuviel für sie gewesen...

"Hi Nad!"

"Einen wunderschönen guten Abend, Lady Nardia!"

"Guten Abend", erwiderte Nardia. "Wie schön, Euch zu sehen!"

"Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite!" Sir Cayvyn ergriff Nardias Hand und zelebrierte einen stilistisch perfekten Handkuß. Alycia runzelte die Stirn. Fing das schon wieder an? Sie schlang die Arme besitzergreifend um ihren Lebensgefährten. Nardia lächelte Cayvyn nur an. Acy guckte so merkwürdig...

"Ich hörte, Ihr bötet uns einen gar besonderen Genuß an dem heutigen Abend, Lady Nardia - erwähntet Ihr nicht, Ihr wolltet jenen grandiosen Film 'Return of Firestar' zum Jahresbeginn vorführen?"

"Ja! Er wird nachher gezeigt. Leider ist es mir nicht gelungen, alle Hauptdarsteller hier auf dem Ball zu versammeln", meinte Nad und grinste dezent. "Sylvia LaFeurelle und Prinz Alayvyn beispielsweise waren verhindert - es hieß, sie wären auf eine ausgedehnte Urlaubsreise gegangen und wollten in einiger Zeit, nach Ablauf der Trauerfrist, einander ehelichen..."

"Das ist aber bedauerlich! - Die Tatsache ihrer Nicht-Anwesenheit, meine ich..." Cay hatte Tanya Ricard in der Nähe erspäht und fuhr laut genug fort, daß diese es hören konnte: "Dabei hätte ich so gerne einmal Mademoiselle LaFeurelle oder den Prinzen von Amriella und Allamira kennengelernt..."

"Ja, das ist wirklich schade", stimmte Nardia zu.

"Vor allem, wo es heißt, daß Alayvyn eigentlich der richtige Firestar ist! Und dann gab es doch noch diese Rätsel um Sylvia LaFeurelle, von denen ich las..."

Nardia nickte. "Es ist alles ausgesprochen geheimnisvoll."

"Und man hat wirklich nichts herausgefunden?" mischte sich Alycia in das Gespräch ein.

"Ich weiß von nichts", bemerkte Nad schulterzuckend. "Vielleicht kann uns Mademoiselle Ricard Auskunft geben?"

Tanya trat zu der kleinen Gruppe hinzu. Auch sie steckte im Blackfire-Kostüm, was aber immer noch nicht viel besser wirkte als bei den Dreharbeiten.

"Es tut mir leid - wir haben lediglich herausgefunden, daß Sylvia LaFeurelle offenbar nicht existiert. Helena LaFeurelle dagegen gibt es tatsächlich, aber diese hat keine Geschwister, und ihre Fingerabdrücke stimmen auch nicht mit denen Sylvias überein.

"Oh!" Acy sah Tanya mit offenem Mund an, bevor sie ihren Block und Stift zückte. "Mademoiselle Ricard, könnte ich bitte ein Autogramm von Ihnen haben?"

Nardia mußte sich stark beherrschen, um nicht laut zu lachen. Komisch, auf der Couronne war ihre Schwester ganz anders gewesen...

"Aber gerne", meinte Tanya geschmeichelt und kringelte ein paar Buchstaben auf den Block.

"Ich danke Ihnen! - Nad, wer ist denn noch von den Schauspielern hier?"

"Susan Colvin und ein paar Nebendarsteller."

"Hm-hm... Tja, aber daß Firestar nicht..."

"Mylady...!" sagte Cayvyn dezent. "Wollt Ihr mir die Ehre eines Tanzes erweisen?" Er zog sie auf das Parkett und nahm sie fest in die Arme. Acy mußte grinsen. - Cay war immer noch eifersüchtig auf Alan... Sie lächelte ihren Gefährten an und gab ihm einen zärtlichen Kuß.

Nardia blickte den beiden hinterher. Anscheinend war das Thema weiterhin nicht restlos vom Tisch - aber das war Sir Cayvyns Problem und nicht mehr ihres. Schulterzuckend wandte sie sich wieder dem Buffet zu, um sich noch ein Glas Wein zu holen.

* * *

Endlich war es soweit. Nachdem die Anwesenden auf das Jahr 3763GZ angestoßen und das prächtige Feuerwerk bewundert hatten, sollte der große Augenblick kommen. Inzwischen war draußen alles für die Aufführung von 'Return of Firestar' bereit. Ein Holoprojektionsfeld schwebte über dem See, Sitzgelegenheiten waren rundherum aufgestellt worden, und Nardia hatte ihre Gäste gebeten, sich nun dorthin zu begeben.

Alycia nahm zunächst auf dem ihr zugewiesenen Stuhl platz, entschied sich dann aber doch, sich lieber auf Cayvyns Schoß zu setzen. Dort gefiel es ihr eindeutig besser als auf dem harten Plastikmöbel.

Nachdem Nardia eine kurze Rede gehalten hatte, begann der Film. Acy sah peinlich berührt an sich herab. Ihr Kleid leuchtete ziemlich in der Dunkelheit, und sie hatte diesmal keinen Schalter eingebaut, mit dem sie den Effekt abstellen konnte. Zum Glück löste Sir Cayvyn das Problem, in dem er sein weites, schwarzes Cape um sie beide wickelte.

Der Vorspann flimmerte vorbei, und Nad bemerkte mit Erstaunen, daß Firestar as himself aufgeführt war. Tse! Aber ganz falsch war es ja auch nicht...

Alycia kuschelte sich hingebungsvoll an ihren Gefährten und erwartete mit Spannung, was da kommen sollte. Bis jetzt hatte sie selbst noch nichts von dem Film auf der Leinwand bzw. dem Holoprojektionsfeld gesehen.

'Oh-oh', dachte sie, als die Szene kam, die sie zusammen mit Alan gedreht hatte. Daß die durch die Zensur gekommen war...!

Nardia war inzwischen klar, warum der Film erst ab 18 Jahren freigegeben war. Auf dem Projektionsfeld sah das Ganze noch verbotener aus. Außerdem war sie ja schon nach den ersten Minuten gegangen und hatte somit das 'Beste' glatt verpaßt...

Acy warf Cayvyn einen verstohlenen Blick zu. Dieser war offensichtlich nicht sehr erbaut über das, was sich dorten abspielte. Naja, er hatte sich ja auch schon ziemlich bald mit Nad davongemacht...

"Acy...!" flüsterte er drohend.

"Cay...!" gab sie zurück. "Das war nur deine Schuld! Wenn du nicht mit meiner Schwester abgehauen wärst, hätte ich meinen Frust nicht an Alan abreagieren müssen..."

"So, 'Frust' nennst du das?!"

"PSSSST!" kam es aus den hinteren Reihen.

Nardia fand ihren Beschluß bestätigt, sich von Alan zu trennen. Das war ja weitaus schlimmer als sie es sich vorgestellt hatte!

Firestar hatte der Versuchung nicht widerstehen können. Er lehnte an einem Baum im Hintergrund und sah sich ebenfalls den Film an. Gerade dachte er wohlgefällig darüber nach, wie gut er sich doch als Filmheld machte. Hoffentlich bemerkte ihn niemand hier.

Unterdessen war Alycia schwer damit beschäftigt, Cayvyn ein wenig von den vorigen Szenen abzulenken. Sie küßte ihn heiß und innig, was dazu führte, daß sie auf dem wackeligen Stuhl das Gleichgewicht verloren und engumschlungen zu Boden purzelten. Nad sah sich um, als es schepperte. Anscheinend hatte der Film Acy vom Sitz gehauen... Und sie leuchtete schon wieder! Grummel.

Alycia dankte ihrem Make-Up, daß man nicht sah, wie rot sie darunter geworden war. Rasch richtete sie sich auf und versteckte sich erneut unter Cayvyns Cape. Aller Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den Film.

'Typisch Acy', dachte Nardia. 'Sie muß immer auffallen!'

Die weiteren Szenen wurden auch nicht besser, und Captain Tanya Ricard machte sich so ihre Gedanken darüber, was wohl ihr Chef bei der Weltraumpolizei dazu sagen würde... Wenn sie nicht alles täuschte, befand er sich auch unter den geladenen Gästen. Sie straffte sich. Sie hatte lediglich ihre Pflicht getan, und das konnte ihr wohl kaum jemand vorwerfen...

* * *

Endlich war es geschafft, und sie hatten 'Return of Firestar' sogar einigermaßen mit Anstand überlebt. Naja, halbwegs mit Anstand, denn Acy hatte es nun doch vorgezogen, sich lieber weiter nach hinten zu verziehen - mit Cayvyn, natürlich, und zwar vor allem, um (allerdings zu 99.99% vergeblich) zu versuchen, ihn ein wenig von den schlimmsten Szenen abzulenken... Er war trotzdem nicht begeistert.

Nardia seufzte erleichtert, sie hatte es überstanden. Der Film in Gänze war ja nicht zum Aushalten. Sie würde sich das nicht noch einmal antun. Und jetzt eine zweite Ansprache...

Langsam wandte sich die gebannte Aufmerksamkeit der Zuschauer (97% der Anwesenden hatten den Film im Gegensatz zu den Akteuren äußerst interessant gefunden...) wieder von dem gewaltigen Holo-Projektionsfeld ab. Auch Tanya beschloß, sich wieder in das Gebäude zurückzuziehen, um auf den Schock (es war schlimmer gewesen, als sie vermutet hatte) erst einmal etwas zu trinken. Plötzlich erspähte sie eine etwas abseits befindliche Gestalt in Firestar-Montur. Dieser Firestar wirkte irgendwie anders als die ganzen Imitationen. Hm. Sie kniff die Augen zusammen. Diese Haltung... Ohne weiter zu überlegen, setzte sie zu einen gewaltigen Spurt an und stürzte in Richtung Alan.

"Firestar!" rief sie angriffslustig.

Alan war geschockt, schon wieder eine Blackfire-Attacke, auch wenn es nicht Karylla war. Dabei hatte er diesmal dezent im Hintergrund bleiben wollen...

"Alan Dale -" Sie wollte ihn schon verhaften, erinnerte sich aber im letzten Moment daran, daß der Haftbefehl mittlerweile aufgehoben war, da der khemarrische Juwelier die Anzeige zurückgezogen hatte. Sie wurde rot. "Äh... - Danke für die Blumen..."

"Bitte, gern geschehen." Und deshalb machte die Frau so einen Aufstand?! Tanya blickte verlegen in Richtung Sternenhimmel, bevor sie Firestar noch einmal richtig in Augenschein nahm. Ts. Irgendwie war sie während der ganzen Dreharbeiten nie dazu gekommen.

'Verdächtig', dachte Alan. Was plante sie jetzt? Zu seinem persönlichen Glück gar nichts, was aber nicht hieß, daß nicht schon wieder einige Reporter aufmerksam geworden wären. Firestar beschloß, diese einfach zu ignorieren. Schlimmer konnte es eh nicht mehr werden.

Als aber nun auch die restlichen Gäste auf das Reporterknäul und Firestar & Tanya Ricard in dessen Mitte aufmerksam wurden, stürzten sie munter hinterher und baten um Autogramme. Alan erfüllte ihre Wünsche diesbezüglich; er hatte nämlich nicht vor, irgendeine Aktion zu starten, die dann wieder falsch ausgelegt würde.

Im Hintergrund stand Sir Cayvyn und grinste über alle vier Backen, als er den 'armen' Alan erspähte, der ja im Prinzip für ihn die Arbeit erledigte. Er beglückwünschte sich insgeheim dazu, daß er nicht andauernd zu solcherart Tätigkeit gezwungen war, denn als Infinity kam er dem Publikum in der Regel nie nahe genug, daß sie ihn überfallen könnten.

Nardia betrachtete das Schauspiel mit sadistischer Genugtuung. Das geschah Alan recht. Warum mußte er auch hier auftauchen?

Alycia besah sich das Spektakel mit einem maliziösen Lächeln. Firestar hatte ihres Erachtens eine bis mehrere Abreibungen verdient - einfach nur so. Und umso mehr, nachdem sie den Film nun in Gänze gesehen hatte... (Obwohl es ihr hauptsächlich um eine Szene am Anfang ging. Für den Rest war ja ihr werter Lebensgefährte mitverantwortlich...)

Alan fühlte sich mittlerweile in seinem Beschluß bestärkt, die Firestar-Rolle an den Nagel zu hängen. Sie hatte ihm genug Ärger bereitet. Zudem war ja der Grund für seine Rückkehr inzwischen beseitigt. Firestar würde einfach wieder verschwinden. Hm. Irgendwie wurde das zur Gewohnheit... Und vor allen Dingen hatte er dann endlich Ruhe vor Blackfire!

Alycia warf einen tragischen Blick zu Sir Cayvyn herüber.

"Was haltet Ihr davon, wenn wir uns zurückziehen, Mylord? Nach diesem cineastischen Machwerk bedarf ich unbedingt der Tröstung!"

Ihr Lebensgefährte stimmte ihr unbedingt zu, und sie begaben sich zur Villa Alycia zurück.

* * *

3763/01/01 GZ

Nardia hatte sich mit einem Berg Solidos eingedeckt. Heute war sie besonders an den Kritiken über 'Return of Firestar' interessiert.

URAUFFÜHRUNG DES SENSATIONELLEN FIRESTAR-FILMS!
Selbst Alan Dale war bei der Premiere auf Blade Manor dabei...

Diesen Auftritt hätte er sich sparen können, dachte Nad naserümpfend. Seine Geltungssucht war unübertroffen. Sie wühlte den Telestar hervor.

ALYCIA BLADE SCHOCKIERT IN OHNMACHT GEFALLEN!
Der neue Firestar-Film zeigt ALLES - und das war wohl zuviel...
Erwägt Alycia Blade gerichtliche Schritte?

Nardia mußte Acy anrufen, das war zu komisch. Deshalb war ihre Schwester ganz bestimmt nicht vom Hocker gefallen. Nad hatte da eine ganz andere Theorie, die sich auf zwei Personen auf einem Stuhl und das daraus resultierende Schwerpunktproblem bezog. Nachdem sie Fernbedienung endlich gefunden hatte, stellte sie die Verbindung her.

"Huhu, Acy!"

"Moin, Nad!" Der Monitor zeigte Alycia, wie üblich in Neonpink (Negligé) in Neonblau (Bett) mit Neongelb (Haare). Ein Tablett mit einem frugalen Frühstück schwebte vor ihr, und sie versuchte gerade, auch noch etwas von den Brötchen abzubekommen, bevor diese gänzlichst von Cay terminiert wurden. "Was gibt's?"

"Hast du schon das gelesen?" fragte Nardia und hielt den Telestar-Artikel hoch.

"Nein. Zeig mal..." Alycia beugte sich vor, während ihre Schwester die Folie vor das Aufnahmegerät klemmte. "Oh. Ich bin doch nicht in Ohnmacht gefallen..." Sie sah bedeutungsvoll zu Cayvyn herüber, der unschuldig gen Decke blickte, während er das vorletzte Brötchen erlegte. Acy stürzte sich verzweifelt auf das letzte Teil. Zu langsam.

"Das habe ich mir gedacht. - Ist bei euch eine Hungersnot ausgebrochen?" wollte Nardia dann wissen.

"Hm... Das nicht gerade... - Aber Cay behauptet, er braucht unbedingt neue Energiereserven. Püh. Und ich darf darben, weil Myriella diesmal nur zehn Brötchen gebracht hat..."

"Ich bedauere dich. Wie kann jemand nur so gemein sein?"

"Naja..." Alycia wuschelte liebevoll in Cayvyns Haaren herum und bewunderte wieder einmal deren faszinierenden Farbton. Von Gold über Kupfer bis hin zu Metallicrot war jede Schattierung vorhanden. "Gemein ist er ja nicht - nur verfressen..." Dies hatte einen höchst amüsierten Blick von ihm zur Folge, bevor er ihr ein halbes Brötchen abgab.

"Sehr großzügig", kommentierte Nardia.

"Sie ist doch immer auf Diät", meinte Cay mit hochgezogenen Augenbrauen. "Ich unterstütze sie lediglich dabei."

"Das kann jeder behaupten. Ich habe entschieden etwas dagegen, wenn meine Schwester verhungern muß."

"Behauptet Ihr, sie würde vom Fleische fallen, Lady Nardia?" Er betrachtete seine Lebensgefährtin eingehend, bevor er den Kopf schüttelte. "In diesem Fall gehe ich keineswegs mit Euch konform."

Acy griff nach einem Kissen und schlug es Cayvyn um die Ohren. Pah! So dick, wie er da wohl andeuten wollte, war sie nun auch wieder nicht!

"Ich bin ganz deiner Meinung", stimmte Nardia Alycia zu, wobei sie eher das reine Faktum meinte, daß Acy Cay das Kissen übergezogen hatte. Sir Cayvyn hob lediglich eine Augenbraue und sah zunächst Acy, dann Nardia betont verständnislos an.

"Ich bin mir keiner Schuld bewußt", beteuerte er.

"Ach? Irgendwie scheint Ihr in dieser Beziehung an Gedächtnisschwund zu leiden", bemerkte Nad ironisch.

"Könnte es sein, daß Ihr beliebt, mir etwas unterstellen zu wollen?"

"Wie käme ich dazu?"

"Tsy", äußerte sich nun Alycia, nachdem sie zumindest das halbe Brötchen vernichtet hatte. "Nebenbei, was ist eigentlich mit Michael? Ich habe ihn in letzter Zeit nicht mehr in deiner Nähe gesehen."

"Der soll es nur wagen, hier aufzukreuzen..." meinte Nardia ärgerlich.

"Wieso denn das?"

"Kein Kommentar."

"Aha." Alycia zuckte mit den Schultern. Was sollte es?! Wenn Firestar nicht mehr mit ihrer Schwester zusammen war, so war die Chance geringer, daß sie ihm wieder über den Weg laufen mußte. Irgendwie hatte Acy beschlossen, daß sie nicht mehr unbedingt an weiteren Kontakten mit ihm interessiert war. Sie schob das Schwebetablett beiseite und lehnte sich an Cayvyn. "Was haben wir heute eigentlich vor?"

"Nichts." Nardia blickte selbst höchst erstaunt auf ihren Terminplan.

"Nichts?!" Alycia richtete sich auf, um auch ihren Kalender zu überprüfen. "Wirklich - nichts! Keine Grundsteinlegung, keine Firmeneinweihung..." Sie ließ sich zurücksinken. "Klingt gut... Ich glaube, ich weiß, was ich heute zu tun gedenke..." Sie warf Cayvyn einen hochgradig illegalen Blick zu.

"Aber erst will ich noch etwas futtern", meinte er dazu.

"Tse. Irgendwie ist es komisch, nichts zu tun zu haben. Ich weiß gar nicht, was ich mit der freien Zeit anfangen soll", überlegte Nardia.

"Wie wäre es, wenn du auch versuchst, dich erst einmal von dem ganzen Urlaub zu erholen", schlug Acy vor. "Schreib doch ein Buch darüber!"

"Kommt nicht in Frage. Ich will damit nichts mehr zu tun haben. Da schlafe ich lieber noch ein bißchen."

Alycia grinste. "Gute Nacht, Nardia!"

"Ich habe es ja gemerkt. Tschüß..."

"Ciao..."

- BYE -

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Last modified: 13.04.2002

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