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SvB #1b: Serie D

©1989 by Shavana & Stayka


 

Es war Suuntag, der 50. Vembari 3761 Galakta-Zeit.

An diesem Morgen stand die Eröffnung des neuen Kindergartens für die Kinder der Angehörigen der Blade Enterprises auf dem Stundenplan.

Nardia Blade überreichte gerade feierlich die Schlüssel des Gebäudes an die zukünftige Leiterin. Die Menge applaudierte stehend, und Nardia wünschte sich einfach nur weit, weit fort. Diese Langeweile war einfach nicht zu ertragen. Ihr Bruder Tony stand neben ihr und musterte mit unverhohlener Bewunderung Alycia, ihrer beider Halbschwester, die sich heute wieder einmal selbst übertroffen hatte. Ihr Outfit war einfach phänomenal.

Der Schnitt ihres Overalls war im Prinzip absolut schlicht zu nennen - hätte nicht der Stoff die Eigenschaft gehabt, in satten Farben zu leuchten, die auch noch in regelmäßigen Zeitabständen einmal das gesamte Spektrum durchwanderten. Auch ihre neongelben Haare waren diesmal mit einem dezenten Leuchteffekt versehen, nur ihre neonblauen Augen strahlten wie auch sonst immer.

Wie üblich hatte sich Nardia entschieden, die wandelnde Neonleuchtreklame zu ignorieren. Man mußte Acy eben nehmen, wie sie war - oder wie sie eben kam... Aber sonst war sie ja wirklich nett. Sie verstand es auch immer wieder, Nardias diverse Verehrer zumindest temporär zu verschrecken, indem sie ihnen von ihren eigenartigen abstrakten Gemälden und deren metaphysisch-esoterischen Hintergründen erzählte, die sie meist genau in diesem Augenblick erfand. Apropos erzählen - hoffentlich hörte diese Madame Dings (sie hatte den Namen schon wieder vergessen) bald auf zu reden. Nardia wollte endlich nach Hause!

Noch zehn Minuten... Ah, jetzt aber nichts wie heim! Ihre beiden Geschwister begleiteten sie noch nach Blade Manor.

"Wie war das - heute abend steigt dieser Maskenball bei dir?" erkundigte sich Alycia und stellte den Leuchteffekt ihres Overalls auf aus. Nun war der Stoff nur noch weiß mit sanftem Silberschimmer. Nardia war begeistert. Jetzt konnte sie immerhin erkennen, wohin sie flog.

"Na klar. Wie jede Woche eine Party... Wie ich mich freue", meinte sie resignierend.

"Ich werde kommen und wieder ein paar Bilder mitbringen", bemerkte Acy und grinste Nardia an. "Ich habe einen Antagonismus zu 'Tränen des Roten Kreises' gemalt, und zwar 'Das Grüne Lächeln'. Außerdem ist gestern wieder etwas ganz Revolutionäres entstanden: 'Sonne in der Nacht'!"

"Fein. Ich habe eh schon vier Käufer für deine nächsten Werke. Und dann ist da noch ein ungenannter 'Kunstliebhaber', der eine komplette Reihe von dir haben will..."

"Oh, Dunkle Mutter... Das heißt wieder Arbeit... Eine ganze Reihe?"

"Ja, sein Vertreter sagte mir, er wolle so 10-12 Bilder. Er beabsichtigt, bis 50 Millionen zu zahlen."

"Ayée, Inflation! Und ich dachte, 200.000 Credits wären schon ein guter Preis für eins meiner Machwerke... - Aber gerne! Er wird dann die komplette grün/violette Phase von mir bekommen, die ich speziell für ihn kreieren werde." Sie grinste immer noch. "Dann bekommt er wirklich etwas Einzigartiges..."

"Ich werde ihm Bescheid geben. Wirst du den vollen Preis ausschöpfen?"

"Nun, ich werde mal nicht so sein... Er bekommt zwölf Bilder für je vier Millionen - macht also 48 Millionen Credits. Ist doch fair, oder?"

"Sicher. Ich mache ihm klar, welch ein Sonderangebot das ist!"

"Bloß nicht! Kein Sonderangebot - das ist ein exklusives Werk...! - Hach je... Was kann ich mir denn diesmal kaufen, damit die Steuern mich nicht auffressen?" Sie überlegte einen Moment. "Ich glaube, langsam ist eine Zweit-Sternenyacht fällig. Mein herzallerliebster Sir Cayvyn bastelt ja ständig hingebungsvoll an der Dreamsong herum - vielleicht werde ich sie ihm dann schenken... Ay, ich werde mal wieder diese Nobel-Firma Comtesse Chambleau kontaktieren und mir diesmal ein goldenes Schiff mit grünem Interieur bestellen..." Alycia seufzte innerlich. Ihre Sammlung an dekadent-schauderhaften Fahrzeugen wuchs. Erst die Dreamsong (schneeweiß mit rosarotem Plüsch-Innenleben), jetzt die geplante Lovelight mit französisch-grünem Interieur, und nicht zu vergessen das halbe Dutzend planetengebundener Aero-Shuttles in den entsetzlichsten Coleurs... Sie setzte eine betont enthusiastische Miene auf.

"Wirklich hübsch!" Nardia konnte sich des Ekels kaum erwehren. Grausig, gräßlich, einfach furchtbar scheußlich...!

"Dann wird es wohl in drei Wochen fertig sein!" Und das alles nur wegen ihrem chaotischen Image! Manchmal verfluchte sich Alycia für diese Idee.

'Na, dann bleibt wenigstens eine Gnadenfrist', dachte Nardia und lächelte unverbindlich.

Tony sah seine Halbschwester wie stets bewundernd an und beschloß, daß er auch einmal wieder einen neuen Raumgleiter brauchte. Am besten einen TMW der 1000er Reihe... Er dachte an ein sportliches, dezent orangegelbes Modell mit blauen Ledersitzen, pinkfarbenen Teppichen und grünen, von außen verspiegelten Sichtscheiben. Das würde Alycia bestimmt beeindrucken, wenn er sie zu einer Probefahrt einladen würde. Tony wollte nichts mehr, als von Alycia Cherylla anerkannt zu werden. Sie war alles, was er an einem Menschen bewunderte. Acy war selbständig, eigenwillig - und vor allem war sie ein Star, der von ungezählen Leuten förmlich angebetet wurde. Was würde er darum geben, so sein zu können wie sie!

Hm. Er müßte nur Nardia von der unbedingten Notwendigkeit einer solchen Anschaffung überzeugen, da er sein Konto für diesen Monat schon wieder rettungslos überzogen hatte. Er konnte doch einfach nichts sparen, wo es so viele hübsche Mädchen, schnelle Gleiter, exklusive Spielkasinos und teure Luxus-Ferienorte gab. Wie sollte er da mit seinen läppischen fünf Millionen im Monat auskommen? (Dabei bedachte er allerdings nicht, daß 100 Arbeiter bestimmt ein Jahr von diesem Betrag lebten. Nun, ihm war das Wort 'Arbeit' allein ohnehin gänzlich unbekannt.)

"Nadi... Würdest du..." begann er zögernd.

"Nein!" erwiderte Nardia präventiv.

"Ich brauche es aber!" quengelte er.

"Wieviel?"

"Fünf Millionen...!"

"Nein."

"Bitte! - Nadi...!"

"Wofür?"

"Ich will einen neuen Gleiter."

"Wozu? Tony, wofür habe ich dir eigentlich schon die ganze Garage gefüllt?"

"Es sind doch nur 15 Stück. Außerdem will ich Rennpilot werden."

Nardia blickte erstaunt auf. Das war das erste Mal in seinen 21 Lebensjahren, daß Anthony überhaupt eine Art Berufswunsch außer Playboy geäußert hatte. Das mußte man ausnutzen.

"Na gut. 2.5. Aber zu meinen Bedingungen!"

"Hm." Tony sah seine Schwester mißtrauisch an. "Was für Bedingungen?"

"Keine Strafzettel in den nächsten drei Monaten, im nächsten Monat keine Fehlstunden bei deinen Privatlehrern und mindestens ein halbes Jahr keinen neuen Gleiter."

"Das ist hart! - Aber ich akzeptiere..."

"Gut."

Inzwischen waren sie am Portal von Blade Manor angekommen. Die schneeweiße, nur etwa 20 Meter lange Sternenyacht Dreamsong stand auf dem Parkplatz vor dem monumentalen Gebäude. Mit je einem hingehauchten Kuß verabschiedete sich Alycia von ihren beiden Halbgeschwistern, um sich zu ihrer Orbitalvilla zurückzuziehen. Schließlich mußte sie sich noch für den geplanten Maskenball dekorieren.

"Bis heute abend!" flötete sie und verschwand in der Dreamsong.

* * *

Die Lightning stand in einem Orbit um den Planeten Endjas V/Khemarra. Die berüchtigte Raumpiratin (& Erpresserin & Diebin & was der Titel mehr für sie existierten...) Blackfire war mit ihrem TM-Gürtel auf den Planeten hinuntergesprungen, weil sie eine ziemlich geheimnisvoll klingende Einladung bekommen hatte. Im Raumschiff saß ihr Partner Ryko Maiell - genannt Infinity - und überwachte die Spezialfrequenz, auf der er alles mithören konnte, was über Blackfires Funkanlage ging.

(TM-Gürtel - Transmit-Gürtel)

"Seien Sie gegrüßt, Mademoiselle Blackfire", ertönte eine männliche Stimme. Infinity ließ sie vom Computer analysieren und hob fasziniert die Augenbrauen. Leider bekam er kein Bild über die kleine Anlage von Blackfire, aber die Stimmerkennung war eindeutig positiv.

Auf dem Planeten stand Karylla Noir alias Blackfire sieben Gestalten gegenüber, die allesamt in bodenlange, purpurfarbene Kapuzenmäntel gehüllt waren.

"Auch ich grüße Sie, Messieurs", entgegnete sie. "Aus welchem Grund haben Sie mich zu sich gerufen?"

"Sie werden vermutlich schon vom Konsortium D gehört haben... Wir brauchen den besten Dieb in der FGS, um einen wichtigen Auftrag zu erledigen."

(FGS - Freie Galaktische Sternenrepublik)

"Der steht vor Ihnen." Blackfire verschränkte die Arme vor der Brust und sah die Kapuzentypen selbstbewußt aus ihren mitternachtsfarbenen Augen an. "Worum geht es?"

"Wir benötigen einen Satz geheimer Unterlagen aus dem Hochsicherheitstrakt des tarishaanischen MCL." Ein anderer Kapuzenmann war vorgetreten. "Es handelt sich um einen Satz Formeln. Sie erscheinen uns als die ideale Person, diese Requisition durchzuführen, da Sie in der Regel diskret vorgehen und außerdem über schier unerschöpfliche Ressourcen an Ideen verfügen, auch als perfekt gesichert geltende Objekte zu entwenden."

(MCL - Militärisches Chemo-Labor)

"Zuviel des Lobes..." Blackfire lächelte die Gestalten abschätzend an. "Soweit ich weiß, sind Sie mit der Herstellung und dem Vertrieb von Drogen beschäftigt. Ist das korrekt?"

"Das ist für Sie uninteressant."

"Nicht ganz..." Sie setzte ein angewidertes Lächeln auf. "Ich arbeite nämlich nicht mit Leuten wie Ihnen zusammen. - Leben Sie wohl!" Blackfire tippte an den Schalter ihres TM-Gürtels, um wieder zur Lightning zurückzukehren - doch nichts geschah.

Erschrocken blickte sie auf die Statusanzeige des Gürtels.

"Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, daß Sie uns nicht verlassen werden, meine Liebe", meinte der erste Sprecher, und man konnte sein triumphierend-bösartiges Grinsen förmlich hören. "Wir haben uns erlaubt, Ihren TM-Peilstrahl zu stören. Sie werden uns helfen, ob Sie es freiwillig tun oder nicht."

Aus dem Nichts erschienen plötzlich mehrere Männer, die Blackfire ergriffen und ihr den TM-Gürtel abnahmen.

"Infi, Code 7!" rief sie kurzerhand, bevor man ihr auch noch das Funkgerät entfernte.

In der Lightning kam noch der letzte Satz Karyllas an - und dann war nur noch das Rauschen der Statik zu hören. Einen Augenblick blieb Ryko unschlüssig sitzen.

Gut, Blackfire hatte Code 7 durchgegeben, das hieß, er solle fliehen und sich später um sie kümmern, wenn sich die erste Aufregung gelegt hatte. Nur war das Konsortium D leider nicht mit einer planetarischen Polizei zu vergleichen. Im Gefängnis wäre Karylla sicher - was man bei diesem Mordsgesindel nicht erwarten durfte.

In einer solchen Situation konnte er Kary doch nicht im Stich lassen! Aber andererseits - was sollte er alleine unternehmen? Einer gegen alle...?

Ryko verzog das Gesicht. Selbst bei seinen nicht unbeträchtlichen Fähigkeiten war das ein aussichtsloses Unterfangen!

Und dann hatte er plötzlich eine Idee...

* * *

Am Abend bevölkerten unzählige merkwürdige Gestalten Blade Manor. Nardia, die als Gastgeberin als einzige unmaskiert und in einem schimmernden, tiefgrünen Abendkleid herumlief, gab eben noch einigen Androiden-Bediensteten letzte Anweisungen, bevor sie genervt auf gut zwei Dutzend neonblauer Gestalten mit wüsten neongelben Locken blickte. Eine Alycia war doch schon mehr als genug! Unter diesen ganzen Doppelgängerinnen hatte sie ihre Schwester noch gar nicht herausgefunden, aber man würde es ja sehen, sobald sie wieder einen ihrer Anfälle bekam und entweder einen ätherischen Tanz ablieferte oder Aktionskunst betrieb. Hektisch dirigierte sie ihre Bediensteten hin und her. Sie hatte mal wieder doppelt so viele Gäste wie erwartet bekommen. Diese dummen Maskenbälle!

Plötzlich kam ein Südstaaten-Dandy auf sie zu. Nardia fiel beinahe das Champagner-Glas aus der Hand, denn dieser verzückt-idiotische Blick war einmalig. Thorn Graven.

"Ah, Mademoiselle Blade, wie überaus reizend, Sie zu sehen! Ihre Augen leuchten heute wieder einmal wie die strahlendsten Sterne am Abendhimmel - Nein, was sage ich, ihr Glanz könnte mit der Sonne konkurrieren...!"

"Sehr angenehm, Monsieur Graven. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden... Ich habe noch einige Anweisungen zu geben..." Nardia flüchtete, nur um einem anderen männlichen Wesen in die Arme zu laufen.

"Mademoiselle Blade?"

"Ja!" meinte Nardia genervt. Sie blickte den silbernen Mann an. Bis auf die schwarzen Verzierungen an seinem Overall, das schneeweiße Gesicht und die strahlend violetten Augen war er wirklich ganz silbern.

"Mademoiselle, könnte ich Sie bitte einen Moment sprechen?"

"Natürlich", sagte sie gezwungen höflich. Sie sah noch ein zweites Mal hin und überlegte angestrengt, welcher ihrer Gäste die Frechheit besaß, als Infinity hier aufzutauchen, der ja immerhin gemeinsam mit seiner Partnerin Blackfire der meistgesuchte Verbrecher in der FGS war.

"Es handelt sich um eine vertrauliche Angelegenheit."

"So?!" Sie blickte den Mann sehr zweifelnd an. Ein Thorn-Verschnitt...?

"Mademoiselle Blade, Sie sind doch die Schirmherrin der ISPC, nicht wahr? Als solche können Sie doch sicherlich Vorschläge für die Einsätze der ISPC-Agenten machen..."

(ISPC - Interstellar Society of Protection and Crime-fighting - eine private Organisation zur Verbrechensbekämpfung, die immer dann in Erscheinung tritt, wenn die lokalen planetarischen Polizeitruppen der Freien Galaktischen Sternenrepublik hilflos sind.)

Nardia sah erstaunt auf. Was war das? Sowas war ihr noch nie untergekommen. Aber das war nun wirklich nichts für ein Gespräch vor Publikum.

"Äh ja... Kommen Sie mit!" Sie packte seine Hand und zerrte ihn in Richtung See ins Gebüsch. 'Infinity' hob amüsiert die Augenbrauen. In einer lauschigen Ecke blieb Nardia stehen.

"So, und nun im Klartext. Wer sind Sie, und was wollen Sie von mir?"

Ryko überlegte. Wie würde Nardia Blade reagieren, wenn er ihr eröffnete, daß er tatsächlich Infinity war...? Er zuckte nur mit den Schultern. Egal. Hier ging es um eine große Sache, und außerdem war Blackfire in Gefahr.

"Also gut. Ich bin Ryko Maiell, und ich hätte eine interessante Aufgabe für die ISPC. Blackfire ist vom Konsortium D entführt worden, und ich habe anhand einer Stimmanalyse der Funkübertragung mit 99.96%iger Sicherheit herausgefunden, daß sowohl der Justizminister von Tarishaan, Elgison Inishda, als auch der ISPC-Departmentleiter von Endjas V/Khemarra, Laris Mandrass, mit in die Angelegenheit verwickelt sind."

"Ach ja...?" machte Nardia. Sie glaubte ihm natürlich erst einmal kein Wort. Blackfire entführt. So ein Schwachsinn! Blackfire wurde nicht entführt - sie entführte höchstens selbst! "Und um mir das zu erzählen machen Sie so einen Aufstand?"

Ryko seufzte schwer. Das zerrte sogar an seinen Nerven. Karylla war in Lebensgefahr (so, wie er sie kannte, hatte sie sich bestimmt schon absolut unbeliebt bei diesen Typen gemacht), und Nardia Blade hielt ihn für einen Aufschneider! Hm. Vielleicht hatte er es auch ein wenig ungeschickt angefangen - aber das Problem hatte er hin und wieder...

"Mademoiselle Blade... Wie kann ich Ihnen meine Identität beweisen? Haben Sie vielleicht Zugriff auf die Daten, die CASS I aufgezeichnet hat?"

(CASS - Computerized Aero-Shuttle System, Bezeichnung der Einsatzfahrzeuge der ISPC-Spezialagenten.)

"Nein, CASS I ist das persönliche Eigentum unserer Top-Agentin Stardust. Seine Speicher sind absolut separat."

"Dann hilft es wohl nur, wenn Sie Stardust selbst herbeiholen würden. Ist sie nicht mit den anderen CASS-Piloten auf Ihrer Party?"

"Äh, nein... Stardust hat abgesagt. Sie hatte zuviel zu tun. Aber..."

Es krachte im Gebüsch. Nardia sah sich um. Soeben tauchte Thorn Graven hinter einer Mauer unter. Grrrr, dieser Schnüffler...! Dabei hatte sie gerade zustimmen wollen, Stardust zu rufen! Das war jetzt allerdings unmöglich, da Thorn im Grünzeug lauschte.

Infinity runzelte die Stirn. Die Sache entwickelte sich ganz und gar nicht so wie er geplant hatte. Und jetzt hockte da noch dieser ...Typ im Gebüsch! Ryko machte zwei schnelle Schritte, packte Thorn am Kragen und hob ihn in die Höhe.

"Interessant! - Was haben wir denn da...?"

"Äh... Ich suche..." stotterte Graven verlegen.

Infinity ließ den Kragen los, und Thorn Graven plumpste wie ein nasser Sack auf den Boden. Als Ryko ihn überaus indigniert musterte, beschloß Thorn, sicherheitshalber sofort einen geordneten Rückzug anzutreten.

Nardia war froh, da sie das vermutlich für immer von Graven befreit haben dürfte. Naja gut, aber wenigstens für diesen Abend. Sie wollte jetzt lieber zusehen, wie sie Stardust herbekam.

"Folgen Sie mir, Monsieur Maiell." Nardia trabte wieder in Richtung Haus.

"Sehe ich das recht, daß Sie doch beschlossen haben, mir Glauben zu schenken, Mademoiselle Blade?"

"Vielleicht. Ich werde auf jeden Fall für ein Gespräch mit Stardust sorgen. Überzeugen Sie sie!"

"Vielen Dank, Mademoiselle Blade." Infinity setzte ein überaus charmantes Lächeln auf und folgte ihr auf dem Fuße. "Und wo kann ich Stardust treffen?"

"In der Bibliothek. Warten Sie bitte dort. Sie wird sich über Viphon melden."

"In Ordnung. - Ähm, wo ist die Bibliothek?"

Nardia schleifte ihn quer durch den Ballsaal, sehr zum Erstaunen der übrigen Gäste, da sie doch erst vor wenigen Minuten mit ihm in den Garten verschwunden war. Ein halbes Dutzend Klatsch-Reporter, die auf einem Ball dieser Größenordnung natürlich nicht fehlen durften, beschlossen, sich daraufhin auf das offensichtliche 'glückliche Paar' zu stürzen.

"Mademoiselle Blade...!"

"Oh nein! Nicht auch noch das...! - TURBO!" meinte Nardia nur und zerrte Infinity hinter sich in einen Raum, bevor sie die Tür vor den Reportern zuknallte und zuschloß.

Infinity fand das Ganze überaus amüsant, und er grinste Nardia nur belustigt an.

"Das ist zwar nicht die Bibliothek, sondern ein..." Sie sah sich um und stellte interessiert fest, welche Tür sie auf der Flucht erwischt hatte. "...Schlafzimmer, aber hier gibt es auch ein Viphon! Ich verschwinde, äh, ich rufe erst Stardust an und verschwinde dann...!"

Nunmehr vollkommen verwirrt, trat sie zum Viphon und tastete eine Kombination ein. Kurze Zeit später erschien Stardusts weißmähniges Konterfei auf dem Schirm.

"Bitte!" meinte Nardia und räumte den Platz.

"Danke. - Mademoiselle Stardust, ich weiß, daß es ein etwas ungewöhnliches Ansinnen ist, aber es ist sehr wichtig, daß Sie mich identifizieren."

"Sie sind Ryko Maiell, genannt Infinity. - Wie kommen Sie auf diese Frequenz?"

"Mademoiselle Blade hat mir die Freundlichkeit erwiesen, mir eine Verbindung zu Ihnen zu erstellen." Bei sich dachte Ryko, daß es sicherlich etwas seltsam auf Stardust wirken mußte, daß er aus einem Schlafzimmer von Blade Manor aus anrief.

"Nun gut. Was kann ich für Sie tun? Ich habe nur wenig Zeit."

"Blackfire ist vom Konsortium D entführt worden, und ich habe anhand einer Stimmanalyse der Funkübertragung mit 99.96%iger Sicherheit herausgefunden, daß sowohl der Justizminister von Tarishaan, Elgison Inishda, als auch der ISPC-Departmentleiter von Endjas V/Khemarra, Laris Mandrass, mit in die Angelegenheit verwickelt sind."

"Ja? Interessant! Ich werde einige Informationen überprüfen. Ich rufe Sie morgen zurück."

"Hier?" Ryko konnte sein Amüsement über diese Tatsache nicht verbergen.

"Natürlich nicht! Ich rufe selten in anderer Leute Schlafzimmer an. Es provoziert manchmal peinliche Augenblicke." Stardusts Blick ging an Ryko vorbei, wo Nardia gerade durch das antike Schlüsselloch spähte. "Ich würde sagen, wir vereinbaren eine Frequenz und einen Code."

"Einverstanden." Ryko grinste nur, als er Nardias resignierten Gesichtsausdruck registrierte, bevor er die Modalitäten mit Stardust abklärte.

"Gut. Also bis dann!" verabschiedete Stardust sich noch und schaltete ab. Infinity wandte sich an die Hausherrin von Blade Manor.

"Ich danke Ihnen, Mademoiselle Blade. - Allerdings scheint es mir, daß sich jetzt ein anderes Problem aufgetan hat. Wie gelingt es uns, diesen Raum unauffällig wieder zu verlassen?"

"Tja! Nur eine Tür, und das Fenster liegt fünf Meter über dem Boden. Es bleibt uns nur der eine Weg..." Sie deutete auf die Türe. Ryko hob die Augenbrauen.

"Sie sind sich über die Konsequenzen im Klaren?"

"Ich fürchte, ja..." erwiderte Nardia fatalistisch. "Aber je länger wir warten, desto schlimmer wird es."

Infinity schüttelte überaus amüsiert den Kopf.

"Ihrer Beurteilung unserer Situation kann ich mich nicht entziehen. Wenn es denn sein muß..." Er bot ihr grinsend seinen Arm an, woraufhin Nardia erst einmal hektisch nach dem riesigen Schlüssel suchte, den sie zwecks Durchgucken entfernt hatte.

"Mademoiselle Blade, Sie scheinen ein wenig derangiert zu sein. Sie sollten sich bemühen, etwas mehr Fassung zu bewahren. Der Schlüssel befindet sich auf der Kommode."

"Ach ja? - Tatsächlich!"

Sie sah Ryko maßlos irritiert an und machte sich dann auf, den Schlüssel zu holen. Vorsichtig drehte sie das monströse Teil im Schlüsselloch herum. Es klickte. Zögernd drückte Nardia die Klinke herunter.

"Ich hasse Reporter", meinte sie inbrünstig.

"In diesem Punkt kann ich Ihnen nur zustimmen, Mademoiselle Blade." Infinity blickte Nardia halb entschuldigend an. "Allerdings sehe ich im Augenblick keine Alternative, als uns den Gegebenheiten - und seien Sie noch so desperat - zu stellen."

"Was sein muß, muß sein!" Sie straffte die Schultern und riß die Tür auf, woraufhin etwa anderthalb Dutzend Reporter zu ihren Füßen landeten. Ryko betrachtete diese interessiert von oben herab.

"Tarishaan-News, 10 Tage, WEEK-END, Star, Express... Sofern ich die Damen und Herren korrekt identifiziert habe, heißt das. - Ich wünsche Ihnen einen Guten Abend. Was bringt Sie in diese indezente Lage?"

Nardia klammerte sich noch immer an der Türklinke fest und war viel zu geschockt, um irgendetwas zu äußern. Ryko zuckte nur indigniert mit den Schultern und bahnte sich wie ein Eisbrecher einen Weg durch das Reporterknäul. Er wollte versuchen, irgendwie in dem Getümmel am Kalten Buffet unterzutauchen. Nardia hingegen trennte sich endlich von der Klinke, hob den langen Rock ihres Abendkleids an und stieg über die diversen Reporter. Noch waren diese viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um irgendetwas zu unternehmen, also nichts wie weg! Leider waren aber die darniederliegenden Typen nicht die einzigen Vertreter der Regenbogenpresse, und so wurden Infinity und Nardia doch noch auf halbem Wege abgefangen. Ryko seufzte schwer und überlegte, daß er sich am besten sofort eine weitere Pseudo-Identität zulegen sollte.

Nardia fühlte sich in dem Wust Reporter auch nicht gerade wohl. Wie sollte sie bloß entkommen? Man ließ ihr keinen Zentimeter Freiraum.

"Mademoiselle Blade...?" Jetzt war es soweit! Der erste Zeitungsheini hielt ihr ein Mikro unter die Nase. "Stimmt es, daß Sie sich vor zwei Monaten heimlich verlobt haben?"

Nardia blickte den Mann geschockt an, nur um sofort wieder intensivst das Muster des Fußbodens zu studieren. Am besten tat sie absolut schüchtern.

"Mademoiselle Blade - ein verläßlicher Informant hat uns berichtet, daß Sie angeblich noch vor zwei Tagen mit ihm verlobt waren..."

"Ach ja...?" Nardia betrachtete immer noch fasziniert das antike Parkett. "Davon weiß ich ja gar nichts!"

Ein weiterer Reporter drängelte sich vor.

"Und wer ist dieser Mann mit dem Sie diesen eleganten Fluchtversuch unternommen haben? Wen wollen Sie hier verstecken, Mademoiselle Blade?"

"Was? Ich habe niemanden versteckt!"

"Mademoiselle Blade - geben Sie zu, daß Sie in Wahrheit Blackfire sind?!"

"Wie???"

Nun hatten auch die anderen Reporter etwas aufgeschnappt. Einer von den hinteren Typen stieß seinen Nebenmann an.

"Hast du gehört, Mann? Nardia Blade ist Blackfire!"

Ryko, der noch immer von der größten Aufmerksamkeit verschont geblieben war, mußte schwer an sich halten, um nicht laut loszuprusten. Wenn hier jemand Blackfire kannte, dann war er das, und Nardia Blade und Blackfire hatten soviel gemeinsam wie... ihm fiel kein passender Vergleich ein. Aber damit war er wieder beim Thema. Er mußte endlich etwas unternehmen, um Karylla zu befreien! Leider standen jedoch einige Reporter vor jedweder Aktion seinerseits...

"Jetzt reicht's aber!" meinte Nardia energisch und bahnte sich einen Weg durch die Meute. "Ich werde keine weiteren Fragen beantworten. Entschuldigen Sie, aber ich habe Gäste."

Die Mienen der Reporter verdüsterten sich frustriert. Ihre Redakteure waren bestimmt nicht begeistert, wenn sie keine First Hand-Informationen liefern konnten. Aber was sollte es - was nicht war, könnte man im Zweifelsfall dazu erfinden, fand ein Teil der Typen und düste schon einmal in Richtung Viphon. Und die anderen beschlossen, daß sie ja noch ein zweites Opfer hätten... Ryko blickte resigniert auf die Zeitungsfritzen, die nun offenbar ihn aufs Korn nehmen wollten.

"Entschuldigen Sie, Monsieur - wie heißen Sie noch gleich?" überfiel ihn der Reporter an der Spitze. Ryko lächelte betont unverbindlich und schlüpfte in seine gerade erfundene neue Identität.

"Alec Morris, Monsieur. - Und wie heißen Sie?"

"Stuart Janusen, vom Telestar."

"Sehr angenehm, Monsieur Janusen. Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?"

"Gut, danke - aber das interessiert doch keinen! Die Frage..."

"Oh doch!" meinte Ryko voller Anteilnahme und guckte wie die Unschuld vom Land. "Mich interessiert es! Ihr Gleiter war doch der Dunkelblaue neben meinem, nicht wahr?"

"Nein. Meiner ist gelb. Und was ich fragen wollte..."

"Ah, stimmt!" Ein begeistertes Strahlen erhellte Rykos Gesicht. "Der gelbe TMW-Rallye war mir vorhin sofort aufgefallen. Sehen Sie, ich fliege einen CB11000, das rote Fahrzeug, das weiter hinten geparkt war!"

"Ich habe einen gelben VG-Floh!"

"Oh, das tut mir aber leid..." Mittlerweile machte Infinity die Sache richtig Spaß. Mal sehen, ob er dem Typen einen neuen Gleiter andrehen könnte... "Sehen Sie, Sie sollten sich überlegen, ob Sie sich beim nächsten Mal einen CB anschaffen. Die kleineren Modelle sind schon relativ preisgünstig zu erwerben, und ihre Lebensdauer übersteigt die der Billig-Gleiter um einiges!"

"Das ist ein Geschäftswagen! Und außerdem habe ich noch einiges zu tun. Entschuldigen Sie, ich muß noch meinen Redakteur anrufen..."

Ryko sah Stuart leicht bedauernd hinter her, als dieser entnervt die Flucht ergriff.

"Das ist aber schade..." Er machte einige Schritte in Richtung Ausgang. Die Reporter unterließen es, ihn weiter zu bedrängen - aber dafür lief er nun einer Horde interessierter Damen in die Arme.

Infinity stieß für heute bestimmt den 50. zutiefst leidenden Seufzer aus. Nicht auch noch das! Er beschloß, zumindest den Schein zu wahren und setzte präventiv sein charmantestes Lächeln auf, um die Ladies nicht zu enttäuschen. In Nullkommanichts war er eingekreist und wurde von allen Seiten mit Fragen bestürmt. Die Menge drängte ihn sanft aber bestimmt in Richtung einer abgeteilten Ecke.

"Ähem... Aber, meine Damen...!" Ryko versuchte, sich elegant herauszuwinden, was ihm aber vollkommen mißlang. Er kam einfach nicht gegen die geballte Horde an. Die Damen versuchten weiter freudestrahlend, ihn auszuquetschen.

Sie wollten alles wissen. Vom Tag der ersten Begegnung bis zum Datum der Hochzeit. Infinity schluckte schwer. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Allerdings vermutete er nicht zu unrecht, daß ihm vehemente Dementis ebensowenig helfen würden wie ein angebliches Zugeständnis...

Nardia hatte das Treiben aus sicherer Entfernung beobachtet. Da die Reporter anscheinend alle telefonieren waren, wagte sie sich wieder in den Saal. Unverbindlich lächelnd schob sie sich durch die Menge, um Infinity zu retten. Sie fand, er hätte besseres zu tun als ihren Fanclub zu unterhalten. Im Prinzip war Ryko ganz und gar Nardias Meinung, doch das Mädchen, das mittlerweile auf seinem Schoß saß und die andere Lady, die sich entschieden an seinen Hals gehängt hatte, waren da gänzlich anderer Ansicht.

Nardia konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, wie Ryko mit leicht gequältem Lächeln dorten saß und einfach nicht in der Lage war, der akkumulierten holden Weiblichkeit zu entkommen. Und das, wo ausbruchssichere Gefängnisse dagegen eine Trivialität für ihn bedeuteten!

Schließlich machte Nardia ein der Lage angemessenes, entrüstetes Gesicht. Peinlich war nur, daß ihr beim besten Willen nicht der von Ryko genannte Name einfiel. Wohl oder übel blieb ihr nichts anderes übrig, als...

"Liebling! Komm doch bitte mal. Wir haben noch etwas zu besprechen."

Nardia mußte sich zusammennehmen, um nicht laut zu lachen, als sie Rykos mild erstaunten Blick und die fragend erhobenen Augenbrauen sah. Schnell korrigierte er seinen Gesichtsausdruck zu betont ernsthaft und meinte: "Aber sicher...meine Liebe!" Er befreite sich von den anhänglichen Ladies und eilte zu Nardia herüber, um sich dezent zu ihr herunter zu beugen und ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Die versammelten Damen von Nardias Romantik-Fanclub spitzten die Ohren, konnten aber kein Wort verstehen.

"Mademoiselle Blade, es reicht, wenn Sie mich in irgendein abgelegenes Zimmer befördern. Ich trage einen TM-Gürtel..."

"Okay!" Sie warf ihm kurz ein für das Publikum bestimmtes liebevolles Lächeln zu, bevor sie losmarschierte und die Tür zur Bibliothek öffnete. Der Raum war riesig und gähnend leer wie immer. Ryko schüttelte nur den Kopf.

"Diese Türe hätten Sie zu Beginn benutzen sollen. Dann wären uns einige Inkommoditäten erspart geblieben."

"Tja! Schicksal!" bemerkte Nardia und grinste Ryko an. Dieser blickte belustigt zur Decke und stieß einen Seufzer aus.

"Ich wage nicht, mir vorzustellen, was morgen in den Zeitungen und sonstigen Klatschmagazinen über 'uns' berichtet wird..." Er schüttelte den Kopf. "Ich glaube, ich will es wirklich nicht wissen..."

"Ich schon! Schließlich sollte man über sich Bescheid wissen!"

"Das entbehrt nicht einer gewissen Plausibilität. - Wenn ich bedenke, was die Presse bereits an interessanten ...Details über mich veröffentlicht hat..." Er schob Nardia sanft aber bestimmt in die Bibliothek. "Wir sollten die Türe sinnvollerweise schließen. Ich hoffe, daß dieser Raum über mehrere Ausgänge verfügt, damit meine spätere Abwesenheit kein weiteres Aufsehen erregt?"

"Er hat noch einen rückwärtigen Ausgang, und zudem sind da noch einige andere Möglichkeiten..." Nardia lächelte verschwörerisch.

"Beruhigend." Ryko erwiderte ihr Lächeln, immer noch zutiefst amüsiert. "Dann möchte ich Ihnen noch einmal meinen ehrlichst empfundenen Dank aussprechen, Mademoiselle Blade. Auf Wiedersehen."

"Adieu!"

Infinity tippte auf den Auslöser seines TM-Gürtels und sprang in die Lightning, die unter ihrem Tarnschild auf Inyana, dem kleineren der beiden Monde Tarishaans, geparkt stand.

Als Ryko verschwunden war, schob Nardia eines der Bücherregale beiseite und verschwand in einem engen Gang, bevor sich die Geheimtür wieder schloß.

* * *

Blackfire saß auf einer Pritsche in einer hellbeleuchteten Zelle und fragte sich, was Ryko wohl gerade trieb. Es dürfte nicht so einfach für ihn werden, sie aus dieser mißlichen Situation zu befreien. Sie lehnte sich zurück und schüttelte genervt den Kopf. Wie eine blutige Anfängerin hatte sie sich einfangen lassen!

Hoffentlich fiel Ryko etwas ein. Er hatte sie bis jetzt noch nie im Stich gelassen. Zwar war er manchmal geradezu nervtötend, vor allem, wenn er wieder sein übliches, unendlich amüsiert-überlegenes Lächeln aufsetzte (dann überkamen auch Karylla hin und wieder mörderische Gelüste...), aber sie konnte sich darauf verlassen, daß er im Zweifelsfall immer mit irgendeiner Lösung aufwartete.

Eigentlich waren sie ein perfektes Team. Sie hatte die Ideen, wie man an das Geld kam, und Ryko hatte die Ideen, wie er sie wieder aus der Patsche holen konnte... Es kam nur auf das Timing an. Blackfire hoffte, daß es auch diesmal klappte.

Mitten in ihre diesbezüglichen Gedanken erklang das Zischen der Tür, und zwei dunkelblaue Kapuzenmänner zerrten sie aus der Zelle...

* * *

Stardust saß in ihrer Starcave (Dieser Name hatte sich irgendwann einmal für ihre Werkstatt/Höhle eingebürgert) vor dem Terminal. Sie hatte die Füße auf den Tisch gelegt und wühlte sich durch die Tagespresse.

"NARDIA BLADE ALS BLACKFIRE ENTLARVT", las sie Cass vor.

"Daß ich nicht lache! Blackfire und Nardia - Nie!", kommentierte Cass. "Sie sind sich doch gar nicht ähnlich!"

"Wozu gibt es Make-Up?"

"Es war auf die Persönlichkeit bezogen", erwiderte Cass belehrend.

"Und hier: NARDIA BLADE HEIRATET INFINITY - Wie hat der berühmt-berüchtigte Gangster es geschafft, das Herz der Milliardenerbin zu erobern?"

Cass quietschte vor Vergnügen.

"Einfach lächerlich" meinte er. "Da steht noch was: INFINITY AUF ABWEGEN - HAT ER BLACKFIRE VERLASSEN?"

Stardust krümelte sich vor Lachen.

"MILLIARDENERBIN NARDIA BLADE HEIRATET EINFACHEN GLEITER-VERKÄUFER! - Ein Märchen wird wahr!" Jana hieb voller Freude auf die Tastatur ihres Terminals, wobei ihr einfiel, daß Cass ihr ja gesagt hatte, daß sie noch Infinity anrufen müßte. Cass hatte an ihrer Stelle das Gespräch geführt, da sie beschäftigt gewesen war. Er hatte ein Computerbild von ihr eingespielt und ihre Stimme synthetisiert. Jana tippte den Code ein.

Sogleich erschien das Konterfei des silberhaarigen Mannes mit den tiefvioletten Augen auf dem Schirm. Infinity guckte reichlich gestreßt.

"Mademoiselle Stardust."

"Wann ist es denn soweit?" fragte Stardust anzüglich. Ryko blickte kurz verdutzt, dann erspähte er die zuoberst liegende Zeitung auf Stardusts Schreibtisch, in der seine baldige Hochzeit mit Nardia angekündigt wurde. Er setzte seine beste Leidensmiene auf.

"Ich wage nicht daran zu denken, wie sehr sich Karylla darüber amüsieren wird, wenn sie hiervon erfährt... - Mademoiselle, haben Sie einen Entschluß gefaßt? Werden Sie mir helfen, dieses Konsortium D unschädlich zu machen?"

"Ja. Ich werde Ihnen helfen. Allerdings ist mir noch schleierhaft, warum Blackfire von denen entführt wurde."

"Nun, sie bekam den Auftrag, einige Formeln für das Konsortium zu requirieren, und sie lehnte dieses Ansinnen ab."

"Und warum das? Sonst stiehlt sie doch alles, was nicht niet- und nagelfest ist!"

Ryko lächelte etwas gequält.

"Ich muß Sie korrigieren, sie ist durchaus auch in der Lage, etwas zu ...organisieren, das fest angebracht und gesichert ist... Aber im Ernst, es gibt einige Sparten in diesem Geschäft, die wir nicht unterstützen, und Mord&Drogen gehören dazu. Das dürfte die Mitglieder des Konsortiums ein wenig irritiert und gegen Karylla aufgebracht haben."

"Verstehe. Und was soll ich für Sie tun?"

"Mir helfen, Karylla zu befreien und als Nebeneffekt a) einen korrupten Justizminister und b) einen vom Pfad der Tugend abgewichenen ISPC-Departmentleiter seiner gerechten Strafe zuführen. Reicht das?"

"Grummel! Das weiß ich doch! Ich meine, was soll ich tun?"

"Mitkommen. Wir müssen einen Plan ausarbeiten, wie wir Karylla finden und befreien können. Ferner müssen wir Beweise finden, mit denen wir Inishda und Mandrass überführen können. Und wir sollten zusehen, daß wir die Drogenlabors und die Großdealer auffliegen lassen."

"Aha. Wohin soll ich mitkommen?" erkundigte sich Stardust.

"Nach Endjas V/Khemarra. Ich würde vorschlagen, CASS I entweder an die Lightning zu koppeln - oder daß ich mit CASS I mitfliege und die Lightning per Fernsteuerung nachhole."

"Ich lasse mich nicht an so ein dummes Teil ankoppeln!" warf Cass ein.

"Somit wäre diese Frage geklärt. Wir fliegen mit Cass."

"Und wo soll ich zusteigen? Ich bezweifle irgendwie, daß Sie mir die Sprungkoordinaten für Ihre Basis verraten werden..."

"Stimmt genau. Ich werde in etwa zehn Minuten am Privatflugplatz von Blade Manor warten. Dort kennen Sie sich ja offensichtlich aus..."

Infinity verzog zum wiederholten Male gestreßt das Gesicht.

"Sicherlich. Ich werde dort sein."

* * *

Stardust schaffte es sogar in 9 1/3 Minuten, am Flugplatz zu sein. Der ganze Platz war leer, und plötzlich stand Infinity da wie angeknipst.

Er trug den obligatorischen strahlend silbernen Overall mit dem schwarzen Blitz, der ihm auf dem Maskenball auf Blade Manor zu seinem dramatischen Auftritt verholfen hatte. Stardust grinste in sich hinein, während Cass die Beifahrertür öffnete. Infinity zog den Kopf ein und stieg in den Gleiter.

"Seien Sie gegrüßt, Mademoiselle Stardust, CASS I."

"Hi!" meinte Stardust, und "Guten Morgen!" kam es von Cass.

"Es wäre angebracht, wenn wir uns auf den Weg machen. Die Lightning ist bereits unterwegs nach Khemarra. Ich hege die Befürchtung, daß Karylla sich in ernsthafter Gefahr befindet."

Er reichte Jana eine Folie mit den exakten Koordinaten, an denen seine Partnerin abhandengekommen war, und Cass scannte die Daten ein. Stardust trat aufs Gaspedal, und der Gleiter schoß davon. Innerhalb kürzester Zeit waren sie an ihrem Ziel, da Cass sofort bei Erreichen der nötigen Geschwindigkeit das TM-System ausgelöst hatte. Jana bremste und blieb dann an einem abgelegenen Platz stehen.

"Und nun?"

"...müssen wir versuchen, Karyllas Spur aufzunehmen." Ryko war sich langsam gar nicht mehr so sicher, ob es ein so guter Einfall gewesen war, die ISPC miteinzubeziehen.

"Blackfire war vor genau 13 Stunden, 87 Minuten und 73 Sekunden an dieser Stelle", erörterte Cass.

"Das ist korrekt", erwiderte Ryko unbeeindruckt. "Jetzt wäre es interessant, ob wir herausfinden können, wo sie hingebracht wurde. Die Gleiter sind mit Tarnschild abgeflogen. Da die Lightning im Orbit stand, konnte ich leider keine exakte Peilung vornehmen, und wenn ich mit dem Schiff gelandet wäre, hätte ich etwaige Spuren sofort verwischt."

"Die von mir georteten Restpartikel der Gleiterantriebe führen in nord-östliche Richtung. Wie ich den Karten entnehme, liegt dort eine Stadt namens Antira. Weiter kann ich die Spuren nicht verfolgen, meine Reichweite ist zu begrenzt."

"Dann wäre es sinnvoll, wenn wir uns dorthin begeben würden. Vielleicht ergeben sich so weitere Anhaltspunkte."

"Okay!" Stardust flog in Richtung Antira und schlug einen weiten Bogen um die Stadt.

"Ich habe die Spur wieder aufnehmen können", meldete Cass. "Es geht weiter in östlicher Richtung. Die nächste Stadt ist Selene."

"Ich hoffe, das Spiel setzt sich nicht über den halben Planeten fort", seufzte Ryko und blickte angestrengt zum Sichtfenster hinaus.

Nach 6 weiteren Städten verkündete Cass: "Bingo! Es führen keine Spuren heraus! Sie müssen noch in Chicolita sein."

"Fein. Mir tut schon alles weh! Und Hunger habe ich auch", nörgelte Stardust. Infinity sah sie indigniert an. Was waren schon läppische acht Stunden, wo es doch um Karyllas Leben ging?

"Ich weigere mich, noch einen Meter ohne Essen zurückzulegen", sagte Stardust entschieden und blickte Ryko an.

"Offensichtlich." Den Stoßseufzer 'Tarishaaner!' unterdrückte er geflissentlich. Jana parkte Cass vor einem MacGalax-Schnellrestaurant. Mann, hatte sie Hunger!

Seit gestern abend nichts mehr zu futtern... In Gedanken stellte sie bereits eine Liste der Eßwaren auf, die sie sogleich verdrücken würde. Sie blickte Infinity von der Seite an.

'Wer weiß, wann ich wieder was bekomme', dachte sie. Die beiden stiegen aus und betraten das Restaurant.

Stardust beschloß, sich einmal die Karte rauf und einmal runter zu arbeiten. Ohne den Salat natürlich. Grünzeug, pfui! Sie orderte also alles zweimal, das gesamte Programm. Infinity hob fasziniert die Augenbrauen, bevor er sich entschloß, es ihr am besten gleich zu tun. Er hatte zwar nicht direkt Hunger, aber Vorrat war immer gut.

Die beiden belagerten gleich zwei Tische, um das vierfache Programm unterzubringen. Stardust kaute schon an ihrem 4. Starburger, bevor sie die anderen Schachteln öffnete. Infinity hatte seinen Part (außer den beiden Starburgern, aber dafür mit Janas Salaten) vertilgt und sah Stardust erwartungsvoll an.

"Können wir jetzt weitermachen?"

"Hm!" machte Stardust und schob eine Apfeltasche in den Mund. "Den Rest nehme ich mit!"

Sie packte die übriggebliebenen Teile in eine große Tüte und fragte sich, wer hier wohl Hunger gehabt hatte. Von Infinitys Anteil war nämlich rein gar nichts mehr übrig. Jana sah ihn irritiert an, sagte aber doch lieber nichts.

Als alles in ihrer Tüte verstaut war, stand Ryko bereits an der Tür des Restaurants. Stardust beeilte sich, ihm zu folgen. Mein Gott, hatte dieser Typ eine Energie! Sie war nach dem Essen hundemüde.

Im Wagen lehnte sie sich in den Sitz zurück und überließ Cass das Fahren. Infinity schüttelte zum wiederholten Male den Kopf. Top-Agentin der ISPC? Er seufzte schwer. Karylla war viel aktiver!

Stardust hatte sich unterdessen zusammengerollt und war sofort eingeschlafen.

"Niedlich!" meinte Cass. Ryko sah interessiert herüber und hob die Augenbrauen.

"Ich bin geneigt, dem zuzustimmen. Ist sie eigentlich immer so schnell geschafft?"

"Nein. Nur wenn sie 40 Stunden auf den Beinen war. Wir hatten massig zu tun."

"Aha. Wie sieht es mit Karyllas Spur aus?"

"Noch deutlich zu erkennen. Aber es wird schwieriger, da sich die Partikel hier nicht lange unverfälscht halten. Zuviel Verkehr."

"Wir sollten sie also soweit verfolgen, wie es aktuell möglich ist und dann weitersehen..."

"Okay. Ich werde etwas an Geschwindigkeit zulegen." Cass schoß durch die Straßen, bis er schließlich an einer großen Kreuzung stehenblieb.

"Hier endet die Spur. Nichts mehr zu erkennen."

"So etwas stand zu befürchten. Jetzt müssen wir uns wirklich etwas überlegen." Ryko sah zum Fenster hinaus. "Offensichtlich bricht gerade die planetarische Nacht herein. Stardust schläft zur Zeit, deshalb schlage ich vor, daß du auf einen Parkplatz fährst, während ich mich schon einmal ein wenig hier umsehen werde."

"Okay." Cass folgte Infinitys Vorschlag und fuhr auf einen Parkplatz.

* * *

Stardust gähnte ausgiebig und streckte sich.

"Guten Morgen! Ausgeschlafen?" fragte Cass.

"Jaaa..." Jana stieg aus, um einige Übungen zu machen. Sie war immer noch ganz steif, aber wenigstens wach. Und ihr knurrte schon wieder der Magen. Cass öffnete den Kofferraum, aus dem Stardust sich auch sofort einiges zum Frühstück fischte. Sie setzte sich wieder in den Wagen, um dort in Ruhe zu futtern.

"Wo ist eigentlich Ryko?" erkundigte sie sich.

"Er wollte sich schon etwas umsehen."

"Hm. Der ist wohl überhaupt nicht kaputtzukriegen!"

In diesem Moment erschien Infinity auf dem Parkplatz. Sein strahlend silbernes Haar war hoffnungslos verstrubbelt, und auch sein Overall wirkte reichlich mitgenommen. Er schien eine interessante Nacht gehabt zu haben.

"Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Guten Morgen, Mademoiselle Stardust!" Er lächelte versuchsweise.

"Guten Morgen! Etwas erfahren?" fragte Stardust fröhlich.

"Negativ, obwohl ich mich durch die wildesten Ecken von Chicolita gefragt habe..."

"Man sieht's", meinte Stardust naserümpfend.

"Ich bedaure zutiefst, daß mein Exterieur etwas beeinträchtigt wurde. Wenn Sie mich zehn Minuten entschuldigen würden? Die Lightning steht im Orbit. Ich werde mich umziehen und etwas frischmachen." Er transmittierte auf das Schiff und kam exakt zehn Minuten später geschniegelt&gestriegelt in einem schwarzen Overall und mit schwarzen Haaren zurück.

"Schon besser! Das Silber gefiel mir eh nicht." Stardust grub eine Bürste aus dem Handschuhfach und begann, ihre Mähne zu bearbeiten. Infinity sah sie zum x-ten Male kopfschüttelnd an.

"Die Angelegenheit wird offenbar komplizierter als befürchtet."

"Stimmt. Wie sollen wir Blackfire in dieser Stadt entdecken? Wir könnten ewig hier herumfahren, ohne sie zu finden!"

Infinity sah sie mehr als nur gestreßt an.

"Eigentlich hatte ich die ISPC deshalb kontaktiert, weil ich mir Hilfe bei diesem Job versprochen hatte..."

"Ich bin nicht die ISPC! Und außerdem helfe ich doch", schmollte Stardust.

Ryko sah sie entschuldigend an.

"Es tut mir leid, Mademoiselle Stardust, verzeihen Sie meine Unbeherrschtheit. Ich bin lediglich um meine Partnerin besorgt..."

"Schon gut!" Stardust stieg aus und sah sich um. Hm, wenn ihr doch nur irgendetwas einfallen würde!

Stardust starrte eine ganze Weile in die Gegend. Schließlich warf sie schwungvoll ihre Haare nach hinten und kehrte zum Gleiter zurück.

"Okay", meinte sie, "nachdem Ihre Methode uns nicht weitergebracht hat, versuchen wir es mal mit meiner. Mal sehen, was ich herauskriege."

Bevor Cass oder Infinity irgendwelche Einwände erheben konnten, war Jana schon auf dem Weg.

"Ich bleibe über Incom mit Cass in Verbindung und bin spätestens morgen früh wieder da", rief sie über die Schulter zurück.

(Incom - Interne Communication, u.a. ein Funkgerät, mit dem sie über Normalfunk mit Cass verbunden ist.)

"Typisch!" sagte Cass. "Sie hat das Vergnügen, und ich kann hier warten, bis ich Pink werde. Keine Dankbarkeit und keine Rücksicht auf andere Lebensformen."

"Womit du nicht ganz unrecht hast..." Infinity grinste in sich hinein.

* * *

Stardust entfernte gerade das ISPC-Emblem von ihrem Overall und verstaute es in der Innentasche. Da sie gegen den Auftrag der ISPC hier war - sie sollte sich eigentlich um den Minenarbeiteraufstand auf Saluna XXVIII kümmern - konnte sie auch nicht ihre Vollmachten benutzen. Das würde ohne einen ziemlichen Ärger geben.

Wenn sie nicht hieb- und stichfest beweisen könnte, daß ein Mitglied der ISPC-Führungsspitze am Konsortium D beteiligt war, dann stand es verdammt schlecht um ihren Job. Und dann würde sie mit dem größten Vergnügen überprüfen, ob jemand anders hieb- und stichfest war.

Dieser Ryko Maiell war sowieso ein absolut eingebildeter Typ. Ha, sie würde es ihm zeigen!

Die nächsten Stunden verschwanden in einer endlosen Wanderung durch zig Behörden. Da Stardust offiziell nichts machen konnte, mußte sie sich auf Schmeichelei, Drohungen, Bestechung, Erpressung und Diebstahl umstellen.

Aber schließlich machte sich die Mühe bezahlt, und sie bekam die Informationen, die sie brauchte. Der Schlüssel zum Konsortium D war Monsieur Mario Alnetti, ein Großdealer und Gangster. Alles wies darauf hin, daß dieser auch der Verteiler der Produkte des Konsortium D war.

Möglich, daß sie von diesem etwas über den Hauptstützpunkt des Konsortiums erfahren konnte. Es hieß, daß dies ein Großlabor in der Nähe der Stadt Chicolita war. Stardust war sich sicher, daß Blackfire dort gefangengehalten wurde. Nur - wo war das nun genau?

Polizei und Behörden konnten ihr natürlich nicht weiterhelfen - diese Informationen würde sie alleine von der Gegenseite bekommen.

Stardust sah an sich herab. In ihrem jetzigen Outfit kam sie garantiert nicht in die exklusiven Clubs, in denen Alnetti&Co. verkehrten. Sie begab sich zu einem Hotel, von dem sie erfahren hatte, daß dort Leute der Szene verkehrten. Möglichst unauffällig trieb sie sich in der Eingangshalle herum. Schließlich entdeckte sie eine Frau, die ungefähr Stardusts Figur und Größe hatte und mit unzähligen Koffern angereist war. Es war kein Problem, einen der Koffer vom Gepäckrobot zu entfernen.

Nach dieser Aktion begab sich Jana zur Rezeption und nahm ein Doppelzimmer unter dem Namen Madame und Monsieur Ryko Duncan. Die falschen ID-Karten hatte sie schon vor ihrer Abfahrt von Cass anfertigen lassen.

Sie erfreute sich schon jetzt an dem Gedanken, daß Ryko die Rechnung des durchaus exklusiven Zimmers begleichen mußte, da sie die Nummer eines seiner realen Kontos angegeben hatte, die ihr Cass ermittelt hatte.

Sofort zog sie sich auf das Zimmer zurück, wo sie erst einmal ihre weiße Perücke abnahm. Erleichtert seufzte Stardust auf und nahm schnell eine Dusche. Soviel Zeit mußte sein, dachte sie.

Kurz darauf inspizierte sie den Inhalt des Koffers und blickte überaus zweifelnd auf die Auswahl Miniröcke und Microshirts. Sie entschloß sich zu einem neonblauen Lackrock.

'Noch einen Millimeter kürzer, und es wäre ein toller Gürtel', dachte Stardust und versuchte verzweifelt, das Ding in die Länge zu ziehen. Das weiße Hemdchen reichte ihr nicht mal bis zum Bauchnabel.

Sie kramte weiter in dem Koffer herum und entdeckte eine Kosmetiktasche. Ob sie sich schminken sollte? Lieber nicht, sie fiel so schon genug auf... Als sie aber eine Flasche neonblauen Haarsprays entdeckte, konnte sie doch nicht widerstehen und verzierte ihre Perücke mit neonblauen Strähnchen, bevor sie sich das Teil wieder überstreifte.

Nachdem Stardust entschieden hatte, daß es jetzt gut war, machte sie sich auf den Weg in die Unterwelt. Es schien ihr ein endloser Weg zu werden, da sie erstens die hohen Schuhe nicht gewohnt war, und zweitens, da anscheinend niemand etwas über Blackfires Verbleib wußte.

Endlich - es war schon knapp vier Uhr morgens - stieß sie auf eine Spur.

Man hatte gesehen, wie der Gleiter mit ihr und den Typen vom Konsortium D in der Stadt ankam, und es gab auch einen Hinweis darauf, daß sie dann mit einem anderen Gleiter wieder aus Chicolita herausgeschafft worden war. Ferner gab es Gerüchte, daß sie im KD-Labor festgehalten wurde.

'Ha!' dachte Stardust, 'habe ich doch gesagt!' Aber den Ort selbst zu finden, schien unmöglich zu sein. Alle Spuren führten nur zu einem Punkt: Mario Alnetti, der Chef-Dealer des Konsortium D, mußte die Koordinaten des Labors haben.

Wenig später schlich Jana um sein Haus, doch hier und jetzt war erst einmal gar nichts zu machen. Stardust hatte sich von Cass per Incom eine Analyse des Gebäudes erstellen lassen. Es wurde von gut zwei bis drei Dutzend Wachen beschützt und war auch sonst noch elektronisch abgesichert. Nur an einer einzigen Stelle befand sich eine Lücke in dem engmaschigen Überwachungsnetz, ein winziges Badezimmer-Lüftungsfenster, bei dem die Alarmeinrichtung einen Defekt aufwies. Leider lag dieses aber zu hoch, als daß sie es alleine schaffen könnte, es unbemerkt aufzubrechen und einzusteigen.

Sie beschloß, zu Cass zurückzukehren, um dann vielleicht mit Infinity eine Lösung zu finden. Obwohl es ihres Erachtens völlig ausreichen würde, wenn er die Leiter für sie spielte.

'Oh mein Gott', dachte Jana, 'tun mir die Füße weh!' Sie ließ sich in den Fahrersitz fallen und zog die Schuhe aus, die sie kurzerhand in den rückwärtigen Raum warf. Zum Glück beschwerte Cass sich nicht permanent über das Gerümpel, das sich dort ansammelte.

"Selbst schuld", meinte Cass, der ihren schmerzerfüllten Seufzer auch vernommen hatte, mit ironischem Unterton.

"Sei still! Sag mir lieber, was die Daten ergeben haben." Stardust versuchte, wieder Gefühl in ihre Füße zu bekommen, legte sie dann auf das Armaturenbrett und ließ den Sitz in Liegeposition zurückgleiten. "Nun?" fragte sie ungeduldig.

"Es gibt nur die eine Möglichkeit, an die Koordinaten des KD-Labors zu kommen: Der Computer in Alnettis Büro. Er koordiniert mit dem Gerät all seine Geschäfte."

"Die Frage ist nur - wie komme ich hinein? Ganz zu schweigen davon, daß wir den Comp auch noch überlisten müssen..."

"Wir? Du meinst mich? Aber über Incom kann ich nur Anweisungen geben. Wir werden mehr Zeit benötigen, als wir haben!"

"Wo steckt eigentlich Infinity? Er soll doch so gut mit Computern auskommen..." Die Ironie in Janas Stimme entging Cass keineswegs.

"Er soll nicht nur - er tut es!"

"Nun schnapp nicht gleich ein, wenn ich etwas gegen Infinity sage. Ich kann ihn eben einfach nicht ausstehen. Aber wo ist er nun?"

"Er ist noch einmal losgezogen, um Blackfire zu finden."

Wenige Minuten darauf ertönte Rykos gut gelaunte Stimme schon von weitem.

"Seien Sie gegrüßt, Mademoiselle Stardust!" rief er. Jana stieß genervt die Luft aus. Es war so schön ruhig gewesen, als Ryko Maiell nicht in der Nähe war. Von ihr aus hätte er gerne noch die nächsten Wochen weit fort bleiben können.

Als Infinity in Reichweite kam, um in Cass' Interieur spähen zu können, erblickte er Stardust in Neonblau und Weiß. Sie hatte ihre Beine auf den Armaturen abgelegt, und bis auf ihre äußerst...hm...wenig vorhandene Bekleidung erinnerte sie ihn ziemlich an Karylla.

"Ist Ihnen der Stoff ausgegangen, oder warum haben Sie sich mit diesem Minimum an Bekleidung versehen?"

Da war es wieder! Stardust biß die Zähne zusammen. Diese ewige spöttelnde Niedertracht war einfach nicht auszuhalten!

"Keineswegs. Und es geht Sie überhaupt nichts an, welche Kleidung ich trage, Monsieur Maiell!"

Infinity grinste sie nur mittelschwer belustigt an.

"Entschuldigen Sie, Mademoiselle Stardust, aber Ihr etwas ...ungewohnter Anblick sprang mir derart ins Auge. - Um zu unserer Aufgabe zurückzukommen, ich habe eine Möglichkeit gefunden, den derzeitigen Aufenthaltsort meiner Partnerin zu ermitteln. Ich habe die Datennetze einiger zwielichtiger Händler angezapft, und alles deutet daraufhin, daß ein gewisser Mario Alnetti der Hauptverteiler der Produkte des Konsortium D ist. Als solcher hat er auch die Koordinaten der wichtigsten KD-Stützpunkte."

"Ach ja? Das habe ich auch schon herausgefunden. Welche Maßnahmen schlagen Sie nun weiter vor, Monsieur Maiell?"

"Die Daten, die ich ermitteln konnte, deuten darauf hin, daß das Haus Alnettis stark befestigt ist. Es ist unter anderem gegen Transmissionen gesichert; ich habe also nicht die Möglichkeit, mit meinem TM-Gürtel hineinzuspringen. Sowie es uns - respektive mir - gelingt, in das Gebäude einzudringen, ist es allerdings eine Trivialitat, die benötigten Informationen zu erlangen, sowie das Anti-TM-Gitter zu desaktivieren, um wieder via TM herauszukommen."

"Wie schön für Sie! Und mir haben Sie jetzt sicher die Aufgabe zugedacht, einen Weg hineinzufinden, nicht wahr, Monsieur Maiell?"

"Selbstverständlich, Mademoiselle Stardust." Das 'zu irgendetwas müssen Sie ja auch gut sein', ließ er sicherheitshalber dezent weg.

"Nun, es gibt nur eine Möglichkeit, unbemerkt in das Haus zu gelangen, und zwar durch das Badfenster. Ein bislang nicht behobener Defekt hat die Verbindung zur zentralen Überwachung unterbrochen. Es müßte einfach sein, die Elektronik außer Kraft zu setzen und das Fenster von Hand aufzuschieben."

"Sehr gut. Machen wir uns auf den Weg."

"Cass, bitte bring uns zu der Seitenstraße hinter Alnettis Haus."

"Klar!" Der Gleiter schoß davon.

* * *

Cass war in der bewußten Seitenstraße stehengeblieben und überwachte die Gegend, während Stardust Infinity zu dem Badezimmerfenster führte. Sie deutete nach oben.

"Das ist es!"

"Sind Sie in der Lage, das Fenster zu öffnen, wenn ich Sie hinaufhebe, Mademoiselle Stardust?"

"Natürlich!" sagte Jana entrüstet.

"Dann nehmen Sie die Angelegenheit in Angriff", empfahl Infinity und hob sie kurzerhand in die Höhe.

"Hups!" machte Stardust erschrocken, bevor sie das kleine Gerät, das sie bereits in der Hand hatte, an das Fenster klebte. Es klackte leise, und die Verriegelung rastete aus. Stardust schob das Fenster nach innen.

"Sie können mich herunterlassen, Monsieur Maiell."

"Sehr wohl, Mademoiselle." Infinity löste seinen Griff und ließ sie einfach fallen. Stardust grinste ihn nur an.

"Worauf warten Sie?" erkundigte sie sich und deutete auf das offene Fenster.

"Darauf, daß Sie sich sinnvollerweise zurückziehen. Wenn ich die erforderlichen Informationen habe, werde ich sofort zu CASS zurückspringen, und da wäre es unklug, wenn Sie noch hier herumstünden. Ich schlage als Treffpunkt den Parkplatz vor, wo Sie letzte Nacht Ihr Nickerchen abgehalten haben."

Jana überlegte. Was sollte diese Anspielung schon wieder bedeuten? Ah, er nervte sie kolossal!

"Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken um mich, Monsieur. Ich bin schon weg!" Stardust verschwand um die nächste Ecke, aber keineswegs, um zu Cass zurückzukehren. Dazu war sie doch viel zu neugierig.

Ryko sah sich die Fensteröffnung kurz an und berechnete Winkel und Entfernung, bevor er sich nach einem gutgezielten Sprung an den Rahmen klammerte. Scheinbar mühelos zog er sich hoch und kletterte hindurch.

Eine Sekunde später ertönte ein unüberhörbares Platschen.

Stardust grinste heimtückisch. Es war doch eine gute Idee gewesen, die in den Boden eingelassene, wohlgefüllte Riesenbadewanne nicht zu erwähnen.

Infinity befreite sich aus dem opulenten Crèmeschaumbad und schüttelte sich. Ein Schaumkrönchen saß auf seinem Haupte, und als er dies in der zimmerhohen Spiegelwand erblickte, verzog er belustigt-genervt das Gesicht. Nein, davon würde er weder Karylla noch Stardust ein Sterbenswörtchen erzählen. Wie peinlich! Ryko machte sich weiter auf den Weg, wobei er eine unübersehbare Tropfenspur hinterließ. Nach fünf Wachposten (die hinterher allesamt selig schliefen und den tropfenden, schwarzen Mann lieber als Alptraum abtaten) erreichte er den gesuchten Computer.

Es war ein portables Gerät, und Infinity beschloß, nicht lange herumzuprobieren, sondern lieber gleich den ganzen Apparat mitzunehmen. Da er ferner zufällig an Alnettis Safe vorbeikam, entschloß er sich, diesen zusätzlich um seine Wertsachen zu erleichtern, wo er doch gerade dabei war. Außerdem würde das von seinem Datenklau ablenken.

Mit dem Computer unter dem einen und einer Tasche mit Geld, Schmuckstücken und Wertpapieren unter dem anderen Arm, machte er sich auf den Weg zur Sicherheitszentrale des Hauses, wobei er noch drei weitere Wachen im Land der Träume zurückließ.

Nachdem er das Anti-TM-System desaktiviert hatte, konnte er zur Lightning zurückspringen, wo er sich des Diebesgutes entledigte und rasch einen trockenen schwarzen Overall&Stiefel überzog. Wieder mit dem Computer unter dem Arm sprang er zu CASS zurück.

Stardust wartete bereits. Sie musterte ihn kurz und sagte nichts. Daß Infinity immer noch den PC unter den Arm geklemmt hatte, besagte gar nichts. Sie war sich nämlich sicher, daß er sich auf der Lightning umgezogen hatte. Inzwischen hatte sich Jana auch wieder in einen ihrer abgewetzten, schwarzen Overalls geworfen.

"Wie ich sehe, haben Sie die erforderlichen Daten, Monsieur Maiell", sagte sie anzüglich. Ryko sah auf den portablen Computer und lächelte entschuldigend.

"Oh, ich muß eben noch zur Lightning, um die Daten zu analysieren. Ich war noch nicht dazu gekommen..."

"Stimmt! Sie mußten sich ja umziehen!" Stardust grinste über das ganze Gesicht. Infinity sah sie gekonnt verständnislos an, was Jana aber nur noch mehr erheiterte.

'Dieses Biest', dachte Ryko verstimmt. 'Sie hat es gewußt und mir nichts gesagt! Das gibt noch eine Revanche...' Er beschloß, das Thema vorerst fallen zu lassen.

"Ich werde die Daten jetzt analysieren. Wenn Sie sich einen Moment gedulden würden, Mademoiselle Stardust..."

Ryko sprach's und ward verschwunden, und Stardust prustete los.

"Du bist gemein!" tadelte Cass,

"Ach ja? Er hackt doch pausenlos auf mir rum!"

"Nun gut, sagen wir, unentschieden."

"Waffenstillstand - zumindest, bis Blackfire gefunden ist. Nicht eine Minute länger!"

Sieben Minuten und 47 Sekunden später war Infinity wieder da. Diesmal waren seine Haare demonstrativ wieder strahlendstes Silber, und er trug auch erneut seinen silbernen Einsatzcoverall, in dem er sein gesammeltes Werkzeug in geräumigen Taschen an den Oberschenkeln untergebracht hatte. Triumphierend drückte er Jana eine Folie in die Hand.

"Bitte sehr, Mademoiselle Stardust. Die exakten Koordinaten. Der Computer selbst ist wieder dort, wo er hingehört, in Alnettis Büro. Es steht zu vermuten, daß niemand damit rechnet, daß mein Einbruch nur den Daten und nicht eigentlich seinen Wertsachen galt."

"Fein. Steigen Sie ein, Monsieur Maiell. Ich möchte fahren."

"Sehr wohl, Mademoiselle Stardust." Infinity leistete der Aufforderung unmittelbar Folge. Unterdessen hatte Jana Cass die Koordinaten übermittelt, und dieser startete sogleich.

* * *

In gebührendem Sicherheitsabstand zu dem errechneten Punkt hielt Cass an. Weit und breit war nur Wüste zu sehen - und auf der Ortung visuell unsichtbare elektronische Sperrgitter. Stardust blickte sich um.

"Und Sie haben die exakten Koordinaten ermittelt, Monsieur Maiell?"

"Sicherlich, Mademoiselle Stardust. Karylla befindet sich im Augenblick 1972m nord-östlich von uns, in circa 324m Tiefe."

"Schön! Und wie gelangen wir dorthin? Graben?"

"Es steht Ihnen frei, es auf diesem Wege zu versuchen, Mademoiselle Stardust. Ich hingegen präferiere eine direktere Methode."

"Monsieur Maiell, darf ich Sie darauf hinweisen, daß es hier weder eine Tür noch irgendeinen natürlichen Eingang gibt? Was also wollen Sie tun?"

"Dieser Laborkomplex wird sowohl von Zulieferern für die Grundstoffe als auch von Abtransporteuren der fertigen Produkte und sonstigen Mitgliedern des Konsortium D frequentiert. Wir sollten uns also unter diese mischen."

"Hier ist weit und breit niemand. Und außerdem gibt es keine Spuren eines Weges."

"Unter den Daten in Alnettis Computer befanden sich auch die Transport-Modi - welche Zulieferer zu welchen Zeiten hier zu erscheinen haben, et cetera. Wir sollten also warten, bis der nächste Termin gekommen ist und ein Team ...ersetzen. Wenn wir zwei Personen finden, deren Identität wir übernehmen können, ist es einfach, hineinzugelangen."

"Hoffen wir es! Hm. Da es ja noch dauern kann, werde ich eine Ruhepause einlegen." Stardust rollte sich wie üblich auf dem Sitz zusammen.

"Ich werde mich so lange auf die Lightning zurückziehen", beschloß Ryko. Es waren noch einige Vorarbeiten zu berücksichtigen, so zum Beispiel die Organisation geeigneter Perücken und Make-Up-Utensilien, die er aus verschiedenen Geschäften in verschiedenen Städten Khemarras requirierte, da auf der Lightning zwar eine recht große, aber nicht unbegrenzte Auswahl an Verkleidungen vorhanden war.

Die in ihrem Falle geeignetsten Personen der Transporteure war das Team Sirian Demoir und Merris Baer, die in etwa ihre Statur und Größe hatten. Aber Infinity hatte sicherheitshalber auch zwei Alternativen ausgemacht, denn in der Regel konnte es immer zu dummen Pannen kommen. Am Schluß hatte er insgesamt sechs Make-Up-Kits zusammengestellt, die er in eine große Tasche packte. Insgesamt fünf Stunden, nachdem er sich verabschiedet hatte, kehrte er zu CASS zurück.

"Mademoiselle Stardust. Es ist an der Zeit."

Jana brummelte nur etwas und drehte sich auf die andere Seite. Ryko sah sie fasziniert an. Fünf Stunden sollten doch wirklich ausgereicht haben! Er tippte vorsichtig an ihre Schulter.

"Mademoiselle Stardust - entschuldigen Sie meine indezente Annäherung, aber es wäre angebracht, wenn Sie Ihre Schlafphase terminierten und sich wieder der Arbeit zuwendeten."

Stardust dachte nicht daran aufzuwachen. Sie hatte einen festen Schlaf. Infinity sah sie indigniert an. Bedauerlicherweise hatte er kein Wasserbehältnis mit entsprechendem Inhalt dabei. Andererseits konnte er eine solche Brachialmethode aber auch nicht mit seinem Image vereinbaren, sonst wäre er noch einmal kurz zur Lightning zurückgesprungen, um dem Mangel abzuhelfen. Er würde es anders anfangen.

"CASS, würdest du mir bitte beim Wecken von Mademoiselle Stardust assistieren?"

"Wenn du darauf bestehst... Sie ist dann immer unausstehlich."

"Soll ich Sie vielleicht wachküssen?" Ryko verzog das Gesicht. Mademoiselle Stardust ging ihm derart auf die Nerven, daß er hin und wieder geneigt war, überaus ungalante Methoden anzuwenden. Er beschloß, sich lieber zusammenzureißen und ihr weiter mit ausgesuchtester Höflichkeit zu begegnen. Das würde sie vermutlich mehr ärgern als alles andere.

Cass dachte über Rykos Vorschlag nach, aber er kam zu der Konklusion, daß es für sie alle besser wäre, wenn er Stardust weckte. Ein kreischendes Geräusch ertönte, und Jana schoß in die Höhe.

"Ich bin ja wach! Stell das Ding ab", maulte sie und sank wieder in ihren Sitz zurück.

"Mademoiselle Stardust..."

"Nein! Halten Sie den Mund! Ich weiß schon, was Sache ist. Was soll ich tun?" Ryko ignorierte sie geflissentlich und wandte sich an CASS.

"Jetzt verstehe ich deinen Einwand. Sie ist unausstehlich, wenn sie aufgeweckt wird."

"Ich verbitte es mir, über mich hinwegzureden, Monsieur Maiell! Wenn Sie Zeit haben, mit Cass zu plaudern, hätte ich ja noch eine Runde schlafen können!"

"Ich muß Sie korrigieren, Mademoiselle Stardust, ich habe nicht über Sie hinweggeredet, da Sie ja links neben mir liegen und das Mikrophon von CASS sich direkt vor mir befindet. Ich kann also bestenfalls an Ihnen vorbeigeredet haben", bemerkte Infinity trocken.

"Das ist mir ganz egal! Um mit mir zu streiten, dafür werden Sie mich doch bestimmt nicht geweckt haben?!" Stardust war nun wirklich ärgerlich.

"Natürlich nicht." Ryko sah sie überaus amüsiert an. "Der Termin des nächsten Abtransports liegt in zwei Minuten ab jetzt. Ich dachte, Sie wären bei der Aktion lieber von Anfang an dabei - oder sollte ich mich getäuscht haben, Mademoiselle Stardust?"

"Nein, Sie haben sich nicht getäuscht, Monsieur Maiell. Aber trotzdem würde... - Ach, vergessen Sie es!"

"Wenn Sie es sagen, Mademoiselle Stardust", meinte Infinity belustigt, und Jana sah ihn strafend an.

"Ich denke, wir sollten uns lieber um den Transport kümmern. Streiten können wir uns auch später noch genug!"

"Ich weise Sie darauf hin, daß ich mich bis jetzt noch nicht mit Ihnen gestritten habe, Mademoiselle Stardust. Zumindest nicht, soweit es mich betrifft. - Es wäre sinnvoll, wenn CASS einen praktikablen Ort für einen Überfall fände, damit wir unseren Plan ausführen können."

Stardust ignorierte diesen Kommentar. Je schneller sie Blackfire befreiten, desto eher würde sie Infinity los.

"Cass?" meinte sie. Cass, der amüsiert dem Schlagabtausch gelauscht hatte, erwiderte:

"Okay. Der geeignetste Platz liegt knapp einen Kilometer süd-westlich von hier. Eine unübersichtliche Hügelkette mit relativ dichtem Pflanzenbewuchs." Er fuhr sogleich in diese Richtung los. Kurz darauf hatten sie ihr Opfer gestellt. Es war der letzte von etwa zehn Gleitern, die in elf-Minuten-Abständen anscheinend aus dem Nichts aufgetaucht waren. Cass stellte sich quer vor den Gleiter, mit einer sehr eleganten Schwenkung des Hecks, wie er meinte. Er hatte schon zu Beginn der Aktion die Funkverbindung des KD-Gleiters gestört und desaktivierte nun dessen Antrieb, bevor er beide Türen aufschwingen ließ.

Die Insassen waren völlig überrascht (nebenbei bemerkt, auch die von Cass, die von seinem Schleudermanöver recht unsanft durch die Gegend katapultiert worden waren). Stardust und Infinity rappelten sich wieder auf und sprangen aus Cass, um die beiden Transporteure des Konsortium D zu überwältigen.

Sirian Demoir und Merris Baer waren völlig geschockt. Zuerst versperrte ihnen ein kohlrabenschwarzer Gleiter den Weg, und dann stürzten sich zwei Typen auf sie, die ganz offensichtlich niemand anders als die FGS-weit bekannten Stardust und Infinity waren - wobei diese doch normalerweise genau auf den entgegengesetzten Seiten des Gesetzes arbeiteten! Das war einfach nicht zu fassen!

Weder Sirian noch Merris kamen überhaupt auf den Gedanken, Gegenwehr zu leisten, und binnen 23 Sekunden waren sie überwältigt. Weitere 79 Sekunden, und Jana & Ryko waren über die notwendigen Sicherheitscodes informiert, und noch 96 Sekunden später lagen die beiden KD-Leute gefesselt und ihrer Monturen beraubt im Gebüsch. Infinity drückte Jana den dunkelgrünen Coverall von Sirian Demoir und eins der vorbereiteten Schminkpakete in die Hand.

"So, Mademoiselle Stardust, Sie werden jetzt Mademoiselle Sirian Demoir, während ich mich als Merris Baer zurechtmache."

Er holte auch sein Make-Up-Paket aus CASS, bevor er den Coverall kurzerhand über seinen Einsatzanzug streifte. Stardust überlegte gerade angestrengt, wie sie, möglichst ohne aufzufallen, die Perücken wechseln konnte. Sie betrachte die Verkleidungsutensilien stirnrunzelnd, bevor sie hinter den nächstgelegenen Büschen verschwand. Als sie zurückkam, stand Ryko bereits mit dunkelbrauner Haut, schwarzen Haaren und tiefbraunen Augen da. Sie selbst hatte nun knallrote Haare, türkisfarbene Augen und bronzefarbene Haut - und fragte sich, ob diese Farbe jemals wieder abging. Infinity nahm die restlichen Make-Up-Utensilien wieder in Empfang und steckte sie in eine der voluminösen Taschen seines ebenfalls dunkelgrünen Coveralls.

"CASS, würdest du diese beiden Personen", Ryko deutete auf die Originale, "bitte irgendwo zwischenlagern? Sie dürfen frühestens morgen abend wieder auftauchen."

"Würde ich gerne tun, aber ich bin nun mal ein Gleiter, das heißt, ich brauche jemanden, der mich wieder von diesem Gesindel befreit."

"Dann fliege nach Mesalica, Rue Talsanik 37. Dort wohnt ein Mann namens Zelgar Algaron, der Karylla und mir noch einen Gefallen schuldet. Sag ihm, daß Blackfire und ich dich geschickt haben und er die Typen für 20 Stunden verschwinden lassen soll. Danach kann er sie der Polizei übergeben oder mit ihnen machen, was er möchte."

Infinity beförderte Sirian und Merris in den Gleiter.

"Gut. Ich bin so bald als möglich zurück", sagte Cass und verdüste sich.

"Nach Ihnen, Mademoiselle Stardust!" Ryko hielt ihr galant die Beifahrertür auf.

"Danke!" grumpfte Stardust und stieg ein. Infinity sah ihr amüsiert hinterher, bevor er um das Fahrzeug - einen gelben Mittelklasse-Gleiter vom Typ Antaris-Reflex Alpha 7 - herumging und auf dem Pilotensitz Platz nahm. Er steuerte die Stadt an, in der die Gleiter entladen werden sollten.

"Wir haben 17 Minuten verloren. Wir sollten uns also etwas als Entschuldigung überlegen."

"Dann lassen Sie sich etwas einfallen, Monsieur Maiell. Wie ich gehört habe, sind Sie doch nie um Ausreden verlegen." Jana grinste ihn anzüglich an.

"Seien Sie unbesorgt, Mademoiselle Stardust. Selbstverständlich habe ich bereits eine passende Entschuldigung", erwiderte Ryko elegant von oben herab.

"Wie ich es mir dachte. Wozu sollte ich mir da noch etwas einfallen lassen! Was dann sowieso nicht Ihre Zustimmung finden würde", fügte sie noch spitz hinzu.

"Ich wollte Ihnen lediglich wieder einmal die Möglichkeit geben, Ihre Kreativität unter Beweis zu stellen, Mademoiselle Stardust." Infinity lächelte sie gekonnt herablassend an. Nun konnte sich Stardust doch ein Grinsen nicht verkneifen. Er fand aber auch immer einen Weg zurückzuschlagen. Nun, es war noch nicht aller Tage Abend... Also schwieg sie erst einmal.

Endlich waren Sie an dem Privatraumhafen von Mario Alnetti angelangt. Dort lag bereits die schnelle Raumyacht Whitelady von Alnetti, mit der die Serie-D-Drogen durch die gesamte FGS verteilt wurden. Da die Verladung ohnehin etwas in Zeitverzug gekommen war, stellte auch niemand Fragen wegen der Verspätung von Demoir&Baer. Um genau zu sein, niemand hatte dies überhaupt bemerkt.

"Soweit wären wir also", stellte Ryko fest, nachdem ihre Lieferung in der Whitelady verschwunden war. "Jetzt müssen wir nur noch die Zeit bis morgen totschlagen."

Stardust sah eine unendliche Zeitspanne auf sich zukommen. Wie sollte sie Infinity nur bis morgen ertragen? Hoffentlich beschloß er, sich zu verziehen.

"Gut", sagte sie nur.

"Nun stellt sich lediglich die Frage, wo wir die verbleibende Zeit verbringen, Mademoiselle Stardust..."

Stardust sah ihn erstaunt an. Tse, sonst fragte er doch auch nicht.

"Ich habe keine Ahnung." Ryko seufzte.

'Erst beschwert sie sich, daß ich sie nie frage, und wenn ich es tue, dann hat sie keine Ahnung!' dachte er indigniert.

"Im Zweifelsfall sollten wir die Zeit hier in diesem Gleiter verbringen, Mademoiselle Stardust."

Jana blickte Infinity voller Entsetzen an. Oh Gott, nur das nicht!

"Es steht Ihnen frei hierzubleiben, Monsieur Maiell. Ich werde mich nach der Kantine umsehen."

"In Ordnung. Ich werde Sie begleiten", beschloß Ryko, nachdem er festgestellt hatte, daß es nicht schaden würde, erneut ein gewisses Quantum an Nahrungsmitteln zu inkorporieren.

'Grumpf', dachte Stardust. Sie wurde ihn einfach nicht los!

"Okay. Dann lassen Sie uns gehen, Monsieur Maiell."

"Sehr wohl, Mademoiselle Stardust." Die beiden verließen den Gleiter. Jana sah sich suchend um. Irgendwo mußte hier doch eine Kantine oder so etwas für die Fahrer des Konsortium D sein! Endlich entdeckte sie einen entsprechenden Hinweis und stürmte sogleich los. Infinity trabte hinter ihr her. Offensichtlich wußte sie immer genau, wo es etwas zu essen gab...

In der Kantine sichtete Jana erst einmal die Speisekarte. Schließlich orderte sie einen der Menüvorschläge. Ryko beschloß, den umfangreichsten derselben in Angriff zu nehmen. Er begleitete Stardust zu einem freien Tisch und schob ihr galant den Stuhl zurecht.

"Bitte sehr, Mademoiselle Demoir", sagte er mit vollendeter Höflichkeit.

"Danke sehr, Monsieur Baer", erwiderte Jana mit einem schmelzenden Lächeln. Der Servier-Robot brachte die georderten Speisen.

"Ich wünsche Ihnen einen Guten Appetit, Mademoiselle Demoir", fügte Ryko noch charmant hinzu.

"Danke gleichfalls." Stardust legte sorgfältig ihr Besteck zurecht. Nach etwa fünf Minuten weiterer Artigkeiten begannen sie endlich mit dem Mahl.

Als sie geendet hatten, stellte sich erneut die Frage: Was nun?

"Was werden wir nun unternehmen, Monsieur Baer? Wir können nicht stundenlang hierbleiben, ohne aufzufallen."

"Sicherlich nicht, Mademoiselle Demoir. Was hielten Sie von einem Besuch eines Cafés oder einer ähnlichen Institution?"

"Sie möchten schon wieder essen, Monsieur Baer? Halten Sie das nicht für ...etwas übertrieben?"

"Sprach ich vom Essen? Oh, Mademoiselle Demoir, verzeihen Sie mir inständigst, sollte ich mich so ungenau ausgedrückt haben. Selbstverständlich dachte ich an eine Örtlichkeit, in der wir unter anderem gepflegter Konversation frönen können..."

Stardust wünschte sich zwar genau das Gegenteil, nämlich möglichst kein weiteres Wort mit Ryko wechseln zu müssen, aber im Interesse ihrer Tarnung... Wenn es denn sein mußte! Sie verzog das Gesicht.

"Aber natürlich, Monsieur Baer, wie konnte ich Sie nur mißverstehen! Es würde mir eine Freude sein, mich weiter mit Ihnen zu unterhalten."

Stardust setzte ihr charmantestes Lächeln auf.

"Ihr Kompliment ehrt mich zutiefst, Mademoiselle Demoir. Wenn ich nun bitten dürfte..." Er stand auf und bot Jana galant einen Arm an. Er wußte genau, daß sie innerlich kochte, aber das geschah ihr nur Recht. Sie hätte ihm wirklich von der Badewanne erzählen sollen...

Stardust hakte sich bei ihm unter und sah ihn erfreut an, wobei sie im Geiste die gräßlichsten Mordmethoden an ihm zelebrierte, die ihr bekannt waren.

Die beiden zogen also in Richtung Chicolita-City los. An einem lauschigen Café, dessen Tische draußen unter mächtigen Bäumen standen, deren türkisfarbenes Blätterdach erfrischenden Schatten spendete, blieb Infinity stehen.

"Was meinen Sie, Mademoiselle Demoir - wäre Ihnen dieser Platz angenehm?"

"Aber sicher, Monsieur Baer. Ein wunderschöner Ort, nicht wahr?"

"Sie haben ja so recht, Mademoiselle Demoir!" sagte Ryko, und sein Lächeln hatte eine überaus niederträchtige Qualität.

Etwa drei Stunden vergingen mit weiterer angeregter Konversation und dezenten ...Nettigkeiten. Ryko bemerkte mit mildem Amüsement, wie Stardust immer genervter wirkte, obwohl sie die Show eisern aufrecht erhielt. Er liebte es, sie zu quälen...

Endlich hatte Stardust wirklich die Nase voll von Rykos perfekt gespielter Galanterie.

"Monsieur Baer, was würden Sie von einem Holorama-Besuch halten?"

Stardust lächelte unverbindlich. Ryko runzelte mißtrauisch die Stirn. Sie hatte etwas vor. Nur was? Er erwiderte ihr Lächeln dezent.

"Dieser Vorschlag aus Ihrem Mund verspricht ein exquisiter Genuß zu werden. Sicherlich! Wählen Sie Ihr Programm!"

Jana grinste sadistisch und schleifte ihn zum gegenüberliegenden Holorama-Palast, der heute eine Spezial-Romantik-Nacht im Programm hatte. Sieben Stunden non-stop die absonderlichsten Liebesschnulzen. Das bedeutete, sie würde diese Nacht doch noch zu ihrem verdienten Schlaf kommen...

Ryko saß neben Jana in dem riesigen Holorama-Saal und bereute seinen Vorschlag seit fünf Stunden bitterlich. Noch zwei weitere Stunden Ödnis und Schweigen, und Stardust hing in ihrem Sessel und schlief...

Oh, wie er doch das Ende dieser Filmnacht herbeisehnte! Infinity verzog das Gesicht. Dieser Punkt ging eindeutig an Jana Star.

Aber sie sollte sich nur vorsehen, morgen war auch noch ein Tag!

Als der Abspann des letzten Filmes vorbeiflimmerte und Stardust immer noch schlief, beschloß Infinity, sie dezent aus dem Kino zu tragen.

Jana war wach, aber sie fand es eigentlich ganz nett, getragen zu werden. Also tat sie weiterhin, als wäre sie im Tiefschlaf.

Ryko trug sie kurzerhand zum nächstbesten exklusiven Hotel, wo er ein Zimmer für Madame&Monsieur Baer verlangte und Janas ISPC-Spesenkonto mit der Rechnung belastete.

* * *

Am frühen Vormittag des nächsten Tages machten sie sich wieder auf den Weg. Ryko war etwas unzufrieden ob der Tatsache, daß sich ihm noch keine weitere Möglichkeit geboten hatte, Stardust eins auszuwischen

Aber dann rief er sich zur Ordnung. Er sollte sich langsam wirklich daran machen, sich eine effektive Möglichkeit zur Befreiung seiner Partnerin - und zwar Karylla! - überlegen. Er seufzte abgrundtief.

Jana blickte sinnend Ryko an. Was der immer zu seufzen hatte? Ihr knurrte jedenfalls der Magen, und sie machte sich wieder schnurstracks auf den Weg zur Kantine.

Ryko zuckte elegant mit den Schultern und nahm sogleich die Verfolgung auf. Nach einer weiteren von Courtoisien etc. garnierten Mahlzeit, machten sie sich wieder auf den Weg zu ihrem Gleiter, um damit zeitplangemäß zu dem Laborkomplex des Konsortium D zurückzukehren.

* * *

Der Gleiter fuhr durch eine desolate Steinwüste.

"Jetzt müßten wir den von CASS angemessenen elektronischen Sperrzaun erreicht haben", bemerkte Infinity. Im selben Augenblick gab es einen kurzen Ruck, und das Fahrzeug befand sich in einem hellerleuchteten Tunnel.

"Jetzt verstehe ich auch, von was für 'Kontrollposten' die zwei KD-Typen geredet hatten", meinte Stardust.

"Hier konnte Cass natürlich nichts orten. Das scheint alles perfekt abgeschirmt zu sein."

"Dort kommt besagter Kontrollposten No.1. Falls uns Demoir und Baer inkorrekte Codes genannt haben, sehe ich ein gewisses Problem", stellte Ryko fest.

"Dem kann ich nur zustimmen. Hoffen wir das beste!" Jana gähnte diskret. Sie war müde. Die ganze Nacht hatte sie nicht schlafen können. Mit Infinity in einem Zimmer eingesperrt, da sollte man sich zur Ruhe begeben! Zumal, wo dieser unentwegt hin und her gerannt war. Außerdem traute sie ihm partout nicht über den Weg.

Ryko hielt den Gleiter am Posten an. Dieser erwies sich als vollständig automatisiert, und nachdem Stardust die ID- und Passier-Karten in die dafür zuständigen Schlitze gesteckt und Sekunden darauf zurückerhalten hatte, konnten sie anstandslos passieren. Auch die darauffolgenden sieben Posten bildeten kein Hindernis.

Endlich hielt Infinity den Gleiter auf einem markierten Feld an. Das Fahrzeug sank zu Boden, und seine beiden Insassen stiegen aus. Zwei Gestalten in dunkelbraunen Kapuzenmänteln winkten sie zu sich.

"Demoir, Baer, ihr geht nach A27 und holt die 200er-Kisten. Die sollen nach Sunpoint gebracht werden!"

Stardust sah die Typen verständnislos an und fragte sich, ob das Ganze wirklich so eine gute Idee gewesen war. Ryko schien es überhaupt nicht zu irritieren. Obwohl er zunächst auch gestutzt hatte, befand er, daß Frechheit in der Regel siegte.

"Okay, Boß!" rief er und trabte von dannen, wobei er Jana dezent mit sich zog.

"Und wie finden wir jetzt Blackfire?" fragte sie und blickte frustriert auf die zig Gänge, die alle völlig gleich aussahen. Ryko dachte einen Augenblick nach.

"Sie ist derzeit 123m südlich und 197m unter uns situiert", verkündete er dann. Ein zweifelnder Blick traf Infinity. Woher wußte der das schon wieder?

"Gut! Ich würde vorschlagen, den Lift zu benutzen." Sie wies mit der Hand in die entsprechende Richtung.

"In Ordnung. Fürderhin wäre es sinnvoll, zwei dieser ...Zipfeltypen von ihren Kutten zu entfernen. Eventuell wäre ein Dritter noch anzuraten, da wir dann Karylla ebenfalls tarnen könnten."

"Okay! Und wo bekommen wir welche her? Hier scheint weit und breit niemand zu sein!"

Der Aufzug kam. Die Tür öffnete sich, und wie auf Bestellung traten zwei dunkelblau gewandete Gestalten heraus, nur um im selben Augenblick wieder in den Lift zurückzufliegen, da Infinity beinahe ohne Verzögerung reagiert und sie beidesamt frontal erwischt hatte. Stardust war wieder einmal etwas irritiert über diesen Ryko Maiell, beeilte sich aber dann doch, ihm in den Lift zu folgen.

Infinity hielt die Aufzugskabine zwischen zwei Stockwerken an, nachdem er den Alarmgeber derselben mit wenigen Handgriffen desaktiviert hatte. Nun konnte er die KD-Kapuzenmänner, die völlig k.o. darniederlagen, von ihren Kutten befreien. Zu seiner Überraschung waren es eine Frau und ein Mann.

"Das bringt mich auf eine Idee..." Er wühlte in den Taschen seines Coveralls herum und förderte die Reste der Make-Up-Ausrüstung zu Tage, bevor er die grüne Kombination und seine Perücke loswurde, um sie dem Mann überzustreifen. Der war zwar etwas kleiner als Ryko, und der Coverall stauchte bedenklich, aber was sollte es? Nun noch das Make-Up und die Kontaktlinsen, und fertig war der Surrogat-Merris-Baer. Nachdem Infinity den dunkelblauen Kapuzenmantel übergestreift hatte, wandte er sich an Jana.

"Jetzt Sie, Mademoiselle Stardust!"

Diese blickte Infinity entrüstet an.

"Würden Sie bitte die Freundlichkeit besitzen, Ihre Verkleidung abzulegen und diese Kutte überzustreifen, Mademoiselle Stardust?"

Jana überlegte noch verzweifelt, wie sie dem entkommen könnte.

"Kommt gar nicht in Frage!" meinte sie erst einmal.

"Wissen Sie vielleicht, wie wir sonst wieder fliehen können?"

"Nein. Aber es kommt trotzdem nicht in Frage."

"Und warum nicht?" Ryko sah sie sehr gestreßt an. Schließlich konnte er den Fahrstuhl nicht auf unbegrenzte Zeit blockieren.

"Es geht nicht." Stardust suchte krampfhaft nach einem Ausweg. Wenn Infinity sie ohne Perücke und Kontaktlinsen sehen würde, wäre ihre ganze Tarnidentität hinüber!

"Meine Liebe, wenn Sie es nicht freiwillig tun, werde ich Sie persönlich ausziehen und in die Kutte stecken!"

Jana zog sich an die Wand zurück.

"Wagen Sie es nicht, mich anzufassen!"

"Dann erledigen Sie es eben selbst." Ryko machte einen drohenden Schritt auf sie zu. "Oder...!"

Leider konnte Stardust nicht weiter zurückweichen, und sich mit Infinity anzulegen, schien ihr doch etwas zu gefährlich. Er war mit Sicherheit im Vorteil. Das war einfach nicht fair!

"Nun gut", gab sie nach. "Aber umdrehen!"

Das war es also. Ryko konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Stardust war etwas ...schüchtern!

"Nun?" Jana stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf.

"Wenn es Sie glücklich macht, Mademoiselle Stardust..." Ryko tat wie ihm geheißen. Rasch entledigte sich Jana Perücke, Kontaktlinsen und Overalls, um schnell in die Kutte zu schlüpfen. Sie zog die Kapuze bis zur Nase, um ja keine Strähne ihres weißblonden Haars oder die grauen Augen zu zeigen.

"Fertig". meinte sie dann.

"Sehr gut." Infinity gestaltete nun auch die ehemalige Kapuzenlady um, bevor er den Aufzug wieder freigab. Auf dem untersten Level stiegen die beiden aus und schickten den Lift wieder ganz nach oben zurück.

"Karylla ist auf dieser Etage untergebracht", sagte Ryko. "Wir müssen nur etwa 115m in südliche Richtung gehen, dann erreichen wir die Örtlichkeit, in der sie festgehalten wird."

Stardust erwiderte gar nichts; sie hatte genug damit zu tun, nicht vor irgendeine Wand zu rennen, da sie doch kaum etwas sah.

"Kommen Sie, Mademoiselle Stardust." Infinity zog sie hinter sich her, als er mit energischen Schritten in die Richtung eilte, wo er seine Partnerin wußte. Jana stolperte gezwungenermaßen hinterher. Warum war dieses Ding nur so lang?

Vor einer Reihe elektronisch verriegelter Türen blieb Ryko stehen. Er runzelte kurz die Stirn, dann steuerte er zielstrebig auf die siebte Tür von links zu.

Stardust blickte ihm fasziniert aus der Kapuze heraus nach und folgte ihm auf dem Fuße.

Vor der Tür hob er seine Kutte an, um an die Werkzeugtaschen seines darunter befindlichen Einsatzcoveralls zu kommen. Allerdings war dies bei weitem keine leichte Übung, da dieser Kapuzenmantel beharrlich wieder herabzufallen suchte. Ryko hoffte inständigst, daß niemand vorbeikam, als er mit dezent geraffter Kutte in seinen Taschen herumwühlte, um an den Allzweck-Dietrich zu gelangen.

Jana fuhr fort, Infinity interessiert zu mustern.

Endlich hatte er ein bleistiftgroßes Stäbchen aus amethystfarbenem Kristall in der Hand, das an seinen Seiten farbige Markierungen aufwies. Er tippte an das Codeschloß, und ein wildes Farbmuster leuchtete auf dem violetten Stab auf. Rykos Finger berührten die Markierungen in einer komplizierten Abfolge, bevor er abermals das Codeschloß antippte. Sofort glitt die Tür auf.

"Sie ist dort", vermeldete Infinity nach einem Blick in die Zelle. Stardust spähte neugierig in den Raum, vorbei an Ryko, der die Tür natürlich komplett blockierte.

Blackfire lag auf einer Pritsche und schien zu schlafen.

"Und was ist mit ihr?" fragte Jana.

"Entweder ist sie betäubt, sie schläft normal oder sie hat ihren Selbst-Hypnose-Mechanismus aktiviert." Infinity trat ein und rüttelte seine Partnerin nachdrücklich. Nichts.

'Komisch, Infinity schüttelt sie, und mich piekt er', dachte Stardust verwundert.

"Vielleicht sollten Sie etwas anderes probieren, Monsieur Maiell", schlug sie vor.

"Das werde ich."

Ryko sah kurz zu Jana herüber, dann beschloß er, daß sie das Codewort zum Aufheben der Schutz-Hypnose ruhig hören könnte. Im Zweifelsfall würde Karylla ein neues Schaltwort auswählen.

"Enmaris'ilvashar!" sagte er im Kommandoton zu Blackfire, die prompt die Augen aufschlug.

Verwirrt blickte sie umher. Wo war sie? Ach ja, das Konsortium D hatte vorgehabt, sie einer hochnotpeinlichen Befragung zu unterziehen, wie der Haupt-Kapuzi ihr angedroht hatte. Daraufhin beschloß Karylla, daß ihr dies nicht genehm wäre, und sie hatte sich in Schutz-Trance fallen lassen. Und wenn sie jetzt wieder wach war, dann konnte das nur bedeuten...

"Ryko?" Sie schüttelte benommen den Kopf und setzte sich auf. Himmel, war ihr schwindlig! Diese Selbst-Hypnose hatte ein Problem. Es war ihr nicht möglich, selbst wieder aufzuwachen, und offenbar hatte sie sich beinahe zu lange in Trance befunden. Ihr war ganz flau im Magen. Sie sah zur Tür, wo zwei dunkelblaue Kuttenheinis standen. Der vordere schlug seine Kapuze zurück und entpuppte sich als Infinity mit dunkelbraunem Teint, was bei seinen silbernen Haaren und den herrlich violetten Augen einfach nur albern aussah.

"Was hast du denn angestellt?" erkundigte sie sich höchst interessiert.

Stardust grinste und versteckte sich noch tiefer in der Kutte. 'Bloß nicht auffallen', dachte sie. 'Was das mit dem komischen Wort auf sich hatte?' Aber sie würde lieber später fragen. Jetzt würde Infinity sie höchstens merkwürdig angrinsen, und Blackfire schien noch nicht ganz momentan zu sein.

Ryko lächelte seine Partnerin ein wenig belustigt-leidend an.

"Karylla, ich habe unsägliche Strapazen und die Hilfe von Mademoiselle Stardust auf mich genommen, um dich hier herauszuholen..."

"Du hast was?" Blackfire versuchte aufzustehen, plumpste aber erst einmal wieder auf die Pritsche zurück. Ihr war schlecht, und sie mußte auf die Toilette. Außerdem könnte es ihr auch nicht schaden, wenn sie sich eine Ladung eiskalten Wassers ins Gesicht genehmigte. Karylla spähte zu der winzigen Hygienekabine herüber, die das Konsortium D ihr zugestanden hatte. Ob sie es in einem Stück dorthin schaffte? Es drehte sich immer noch so einiges um sie, vor allem der Boden war entschieden wacklig.

"Ich habe die ISPC gebeten, mich bei deiner Rettung zu unterstützen."

"Und sie haben zugestimmt?! Faszinierend." Blackfire schwang sich von der Liege und machte einen Schritt. Der Boden schien sich etwas beruhigt zu haben.

"Wenn ihr mich einen Augenblick entschuldigt?" Sie verschwand in dem winzigen Kabuff. "Ich glaube, ich bin gerade dabei, mich halbwegs wieder zu erholen", erklang ihre Stimme durch die dünne Wandung.

"Die Typen wollten mich ein wenig foltern und sonstwie quälen, und da hatte ich beschlossen, mal wieder meinen persönlichen aus-Schalter zu benutzen... Ein Glück, daß du mich tatsächlich gefunden hast, Ryko, sonst hätte ich ein ernsthaftes Problem bekommen..."

Endlich kehrte Blackfire zurück. Sie sah Ryko kopfschüttelnd an und fuhr mit dem Zeigefinger leicht über seine Wange, um diesen dann kritisch zu beäugen.

"Nee. Heute kriegst du keinen Kuß. Du färbst ab."

Ryko grinste sie nur an, und aus Stardusts Kutte drang ein leises Kichern. Jana verfluchte die Tatsache, daß sie sich nicht zeigen konnte. Daran war nur dieser Infinity schuld, mit seinen dummen Einfällen. Obwohl sie zugeben mußte, daß diese Erfolg hatten. Aber das hieß noch lange nicht, daß sie sie gut finden mußte!

"Okay, dann wollen wir mal!" Das kalte Wasser hatte ihr gut getan, und Blackfire marschierte mit neuem Elan aus ihrer Zelle. Plötzlich fiel ihr Blick auf Jana in der Kutte. Genauer: auf die Kutte um Jana.

"Stardust? Wo bist du?" rief sie hinein.

"Wo schon?" grummelte aus dunklen Tiefen.

"Ah! Ich höre dich. Du bist wirklich da drin...!"

"Nein. Ich bin überhaupt nicht hier. Ich bin mein Geist."

"Aha. Habt ihr mir nichts zum Verkleiden mitgebracht? - Ts ts..."

Karylla steckte immer noch in ihrem silbernen Einsatzcoverall mit dem schwarzen Blitz. Zum Glück war das Teil sowohl knitterfrei als auch sonst so gut wie unverwüstlich.

"Erwähne bloß nichts von Verkleiden! Mir reicht's für die nächsten Jahre! Frag doch lieber deinen Partner. Monsieur Maiell ist doch sonst nie um eine Lösung verlegen", schlug sie frech vor.

"Mhm. Monsieur Maiell. Was hat denn das zu bedeuten, mein Schatz?" Karylla musterte ihn prüfend und auch ein wenig amüsiert.

Infinity sah Blackfire unendlich gestreßt an. Karylla war fasziniert. Normalerweise war Ryko doch durch überhaupt gar nichts aus der Ruhe zu bringen!

"Karylla, würdest du Mademoiselle Stardust bitte sagen, daß ihre impliziten Angriffe auf meine werte Person enervierend sind?"

Karyllas linke Augenbraue schoß höchstgradig belustigt in die Höhe.

"Blackfire, würdest du Monsieur Maiell sagen, daß seine anzüglichen Bemerkungen völlig fehl am Platze sind? Das Öffnen der Tür hat einen Alarm ausgelöst. Wir werden wohl bald Besuch bekommen." Jana deutete auf ein Alarmlicht, das freudig orangerot blinkte.

"Ich sehe, ihr beiden habt euch während meiner Abwesenheit wahrhaft kennen- und liebengelernt..." Karylla steuerte auf den nächsten Gang los. Hauptsache, erst einmal weg von hier. Stardust raffte ihre überlange Kutte und folgte ihr, wobei sie irgendetwas vor sich hinmurmelte.

"Ryko, hast du die Pläne dieser Station gelesen?"

"Sicherlich."

"Dann bringe uns bitte zum nächsten Wartungsschacht."

Stardust fluchte unterdrückt. Jetzt auch noch dieses...! Ryko öffnete eine Klappe in der Wand, die gerade einem von ihnen Durchlaß gewährte.

"Nach dir, Karylla, nach Ihnen, Mademoiselle Stardust!"

"Ich danke Ihnen, Monsieur Maiell." Jana rollte das untere Ende ihres Mantels hoch und kroch hinter Blackfire her.

Infinity stieg zunächst aus seiner Kutte, bevor er den Abschluß bildete. Das dunkelblaue Teil ließ er auf den Schachtboden fallen, bevor er die Klappe sorgfältig wieder verriegelte. Und jetzt hieß es...

"Wir müssen 316m geradeaus, und dann geht es 324m die Leiter hoch!"

Stardust sah Ryko Maiell geschockt an, behielt ihre Meinung über das Ganze aber dann doch lieber für sich. Hätte sie bloß nie 'Ja' zu diesem Job gesagt! Sie verfluchte den Tag, an dem sie zum ersten Mal etwas von Blackfire und Infinity gehört hatte.

"Welch erhebende Vorstellung", seufzte Karylla. "Was hältst du davon, mich zu tragen, Ryko? Ah, ich sehe schon: nichts... Muß ich also selbst klettern..."

Jana war ebensowenig von der Kletterpartie begeistert. Völlig außer Puste kam sie oben an. Infinity atmete natürlich nicht einmal ein bißchen schneller. Sie wußte auch nicht, warum sie alles an ihm so aufregte. Tse...

"Okay, Ryko, wie geht es weiter?" Blackfire stand ebenfalls ziemlich geschafft vor einer Ausstiegsluke und lehnte sich an die Wand.

"Wie sieht es dahinter aus?" Sie deutete mit dem Daumen auf die verriegelte Tür vor ihr.

"Nun, hier tut sich ein weiteres Problem auf", bemerkte Infinity stirnrunzelnd. Blackfire fand seine derzeitige Hautfarbe absolut unpassend.

"Was für ein Problem?"

"Dort befindet sich die Gleiterstraße, die den Laborkomplex mit der Außenwelt verbindet. Nebst der Gefahr durch die hindurchfliegenden Gleiter haben wir nun mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß sich von diesem Punkt aus genau fünf Kontrollposten zwischen uns und dem Gleiterlift, der endgültig an die Oberfläche führt, befinden."

"Das klingt wahrlich nach einem Problem." Blackfire sah sich gestreßt zu Stardust um. "Irgendeine Idee?"

"Nein! Außerdem bin ich nicht für die Ideen zuständig. Monsieur Maiell hat ja immer etwas daran auszusetzen!"

"Da Ihre Ideen in der Regel nicht sonderlich elegant sind, Mademoiselle Stardust... Was hielten Sie davon, CASS herbeizurufen, um uns abzuholen?"

"Nichts. Ich denke nicht daran! Ich lasse mich doch nicht von jedem anpflaumen!" fauchte Jana Infinity ärgerlich an.

"Mademoiselle Stardust, dürfte ich Sie höflichst darauf hinweisen, daß ich nicht jeder bin?"

Karylla Noir verdrehte gestreßt ihre weltraumschwarzen Augen. Das konnte ja noch heiter werden! Sie befanden sich in höchster Gefahr, Feinde von unten, hinten & vorne, und Ryko mußte sich mit Stardust streiten!

"Nein? - Ja, natürlich sind Sie einzigartig. Aber das heißt noch lange nicht, daß ich tue, was Sie sagen, Monsieur Maiell!"

Blackfire atmete tief durch.

"Infi, gib mir doch bitte deinen Strahlschneider, ja? Dann kannst du dich gerne weiter mit Stardust unterhalten." Ryko reichte ihr das Gewünschte, bevor er sich wieder an Jana wandte.

"Es ist ja ohnehin offensichtlich, daß Sie sich nicht um die Stimme der Vernunft kümmern, Mademoiselle Stardust."

Blackfire hatte unterdessen die obere Notluke, die sie nach kurzer Inspektion als ideal für ihren Zweck eingestuft hatte, von ihren Alarmdrähten befreit und war eben dabei, dieselbe aufzuschweißen.

"Vernunft? Sie reden von Vernunft? Ich kann nicht finden, daß Sie sich eine Meinung darüber erlauben können, Monsieur Maiell."

Blackfire tippte Stardust kurz an.

"Jana, würdest du mir bitte kurz die Incom reichen? - Danke." Die ISPC-Spezialagentin hielt ihr den Arm mit der Incom entgegen, und Karylla rief kurzerhand CASS herbei, da seine Fahrerin ja anderweitig beschäftigt war, bevor sie die Notluke aufklappte.

"Mademoiselle Stardust, ich behaupte, daß Ihre irrationalen emotionellen Ausbrüche eine wunderbare Zurschaustellung der Tatsache sind, daß Sie über ein gerüttelt Maß an Unvernunft verfügen." Ryko sah sie auf seine unnachahmliche Art kühl von oben herab an (äußerst wirkungsvoll bei seinen 1.95m) und brachte sie damit erst recht zur Weißglut.

"Hey, Kinders! Einmal durchklettern!" warf Blackfire zwischendurch ein, und Stardust&Infinity folgten ihr, ohne voneinander abzulassen.

"Monsieur Maiell, Ihre Meinung über meine Vernunft oder auch Unvernunft hat keinerlei Hintergründe. Sie sind keineswegs so kühl und rational wie Sie tun, denn dann würden Sie Ihre unbegründeten Verdachte gegen mich ungeäußert lassen. Ich schreibe Ihre Angriffe auf meine Person Ihrer Unfähigkeit und Eitelkeit zu!" giftete Jana Infinity an.

Karylla sah von Stardust zu Ryko und hielt sich den Bauch vor unterdrücktem Lachen. Irgendwie hatte sie den nicht unbegründeten Verdacht, daß Jana gar nicht genau wußte, was sie da so keifte, und das erheiterte Blackfire nur noch mehr. Ryko straffte seine Schultern und sah Stardust erneut gekonnt herablassend an.

"Über Ihre nichtigen Anfeindungen bin ich weit erhaben."

"Ach? Diese ganze Angelegenheit gilt doch nur der Befriedigung Ihrer profanen Rachegelüste!"

Mittlerweile saß Blackfire auf dem steinigen Wüstenboden. Stardust sah so albern aus, mit der bis zur Taille hochgerollten Kutte und der bis zur Nasenspitze herabfallenden Kapuze, vor allem, wo sie auch noch die Hände wütend auf die Kuttenwurst gestützt hatte...!

Ryko wollte gerade zu einer passenden Erwiderung ansetzen, als CASS' Stimme alles übertönte.

"Würdet ihr allesamt die unendliche Güte besitzen, endlich einzusteigen? Ich warte bereits zwei Minuten, und hinter der nächsten Ecke kommen schon die Verfolger."

Stardust drehte sich wortlos um und stieg ein. Am liebsten wäre sie alleine losgedüst, aber das ließ ihr Auftrag leider nicht zu - und Cass vermutlich auch nicht. Er hatte so seine Prinzipien. Blackfire beschloß, sich ganz auf die rechte Seite zu setzen und Ryko in die Mitte zu lassen. Falls die zwei anfingen, sich zu schlagen, wollte sie wenigstens aus dem Weg sein.

"Na endlich! Kann ich jetzt starten?" erkundigte sich Cass ironisch.

"Okay." Stardust betätigte einige Tasten.

"Benehmt euch wenigstens, solange ihr bei mir seid. Denkt daran, ich habe einen schönen, dunklen Kofferraum."

"Püh! Na und wie gedenkst du jemanden dorthin zu befördern?" Janas Stimme troff förmlich vor Ironie.

"Ich brauche nur Infinity darum zu bitten."

"Den? - Das würde dir so passen!"

"Wir Männer müssen schließlich zusammenhalten."

"Haha! Allesamt Chauvis. Jawohl! Und du bist auch keinen Deut besser als Monsieur Maiell!"

"Das gehört sich ja auch so. Solange du darauf bestehst, dich als meine ...Fahrerin zu bezeichnen. Assistentin wäre doch so viel passender!"

"Cass, ich warne dich! Noch ein Wort, und wir sind geschiedene Leute!"

"Na gut. Aber hier wird sich benommen, klar?"

"Wer benimmt sich hier nicht?"

Inzwischen war Cass bereits in Chicolita angekommen. Gerade noch rechtzeitig hielt Blackfire Infinity fest, der sich schon wieder in Richtung Stardust drehte, da deren letzter Kommentar doch immer noch einer Erwiderung bedurfte.

"Ryko, mein Schatz, du kommst jetzt mit mir mit", sagte sie mit sanftem Lächeln und überaus bedrohlichem Unterton. "Du solltest dich erst einmal von dieser dummen Farbe befreien, und dann habe ich noch ein paar Takte mit dir zu reden..."

Infinity sah sie an wie die Unschuld persönlich.

"Warum?"

"!"

Jana beschloß, sich lieber herauszuhalten. Ganz zu schweigen davon, daß sie es ziemlich eilig hatte, wieder in ihr Make-Up zu kommen, und vor allem aus diesem Teil heraus. Sie blickte genervt an sich herab.

"Stardust, liegt hier zufällig noch einer von meinen alten TM-Gürteln herum?"

"Keine Ahnung, grab mal ein bißchen da hinten."

Karylla warf sich in das Gerümpel hinter den Sitzen und förderte sechs der von Stardust in letzter Zeit konfiszierten Transmit-Gürtel hervor. Sie legte sich einen davon um und sah Infinity sinnend und lange an.

"Wir sehen uns auf der Lightning, mein Lieber! - Stardust, Treffpunkt für die weiteren Aktionen?"

"Ich werde hier in Chicolita im Hotel Transgalaxis sein, Zimmer 98371."

"Okay. Bis dann." Karylla tippte auf den Auslöser. Die fünf anderen Gürtel hatte sie natürlich auch direkt eingesteckt.

Ryko saß noch auf dem Beifahrersitz und wollte Jana eigentlich noch etwas sagen, aber diese lächelte ihn liebenswürdig an.

"Blackfire wartet, Monsieur Maiell", meinte sie dezent.

"Ich bin überglücklich, mich aus Ihrer Gesellschaft befreien zu dürfen, Mademoiselle Stardust", versicherte Infinity ihr mit seinem charmantesten Lächeln, bevor er ebenfalls verschwand.

"Endlich!" stieß Jana hervor und wühlte sich aus dem Kuttenteil.

"Aha. Ich dachte schon, das sei hier so Mode", bemerkte Cass.

"Du sei ganz still!" Stardust kramte hektisch im Gerümpel nach einer der weißen Ersatz-Perücken und einem neuen Set ihrer eisblauen Kontaktlinsen. Die Farbe würde sie später abwaschen. "Bring mich zum Hotel!"

"Aye, aye, Sir", meinte Cass mit mehr als nur einem Hauch von Ironie.

* * *

Blackfire war gerade dabei, ihren Einsatzcoverall loszuwerden. Das Teil mußte entschieden in die Wäsche, hatte Karylla beschlossen - und sie auch. Ihre Stiefel, der TM-Gürtel und ihre pechschwarze, wüste Perücke lagen in einer Ecke der Zentrale herum; sie würde es nachher alles wegräumen. Im Augenblick stand sie barfuß, nur mit ihrem silbernen Untershirt bekleidet, in der Zentrale der Lightning, als Infinity materialisierte.

"Hallo Karylla", erklang es hinter ihr. Blackfire drehte sich um.

"Hi, Ryko, ich habe ein ernstes Wörtchen mit dir zu reden - in punkto 'professionelle Haltung während eines Einsatzes'..."

Infinity sagte lieber gar nichts und setzte eine zerknirschte Miene auf. Karylla sah sich um und beschloß, die Sachen doch sofort wegzuräumen. Sie haßte Unordnung auf ihrem Schiff.

Wie hielt es Stardust nur in so einer Gleiter-Rumpelkammer aus? Blackfire rauschte an Ryko vorbei, Coverall über dem Arm und Stiefel, Gürtel & Perücke in den Händen.

"Es war eine einzige Peinlichkeit, was du dir da geleistet hast", fuhr sie ungerührt fort, als sie zurückkehrte. "Anstatt deine Aufmerksamkeit auf die wichtigen Probleme zu richten, ergehst du dich in einer verbalen Prügelei mit Stardust!"

"Kary...! Du weißt doch, daß ich mehrere Dinge gleichzeitig bearbeiten kann...!" versuchte Infinity einen eher zaghaften Einwurf.

"Das steht hier nicht zur Debatte!"

"Aber du mußt doch zugeben, daß mir gelungen ist, was ich vorhatte..."

"Aber nur, weil ich am Ende den ganzen Mist erledigt habe!"

Blackfire war reichlich ungehalten und funkelte Infinity verärgert an.

"Das habe ich gerne", meinte Ryko schmollend. "Ich rette dich, und du machst mich nieder!"

Karylla versuchte, nicht in seine riesigen, phantastisch violetten Augen zu sehen, denn sie wußte genau, daß er wußte, wie er ihr den Wind aus den Segeln nehmen konnte. Vor allem, wenn er sie wieder genau auf diese Art anblickte, als könne er kein Wässerchen trüben.

Blackfire verschränkte die Arme vor der Brust und bemühte sich um eine möglichst autoritäre Haltung, auch wenn das in ihrem knappen silbernen Teil sowieso nicht allzu seriös wirkte. Offensichtlich fand Ryko dies ebenfalls, denn er beschloß, sie liebevoll und dabei äußerst amüsiert anzulächeln.

"Verdfluxt, Infi, guck mich nicht so an", beschwerte Karylla sich. "Wie soll ich dir da die Leviten lesen?"

"Gar nicht." Nunmehr ziemlich breit grinsend, ging er an Blackfire vorbei in Richtung auf sein Quartier, nicht ohne ihr noch einen Kuß auf die Nase zu geben. "Ich werde mich dann am besten erst einmal von dieser Farbe befreien", meinte er.

Karylla stemmte die Arme in die Seiten und sah ihm leicht fatalistisch nach. Er schaffte es aber auch immer wieder! Seufzend begab sie sich in ihr Quartier, wo sie sich erst einmal mal eine ausgiebige Duschorgie genehmigte, gefolgt von einem frugalen Mahl.

Letzteres war natürlich wieder einmal damit verbunden, daß sie den Nahrungsmittelsynthetisizer der Lightning zunächst freundlich dazu überreden mußte, ihr das zu produzieren, was sie explizit haben wollte. Das Gerät wollte immer alle Ingredienzen peinlichst genau angegeben haben, zumindest wenn es sich um eine ihm neue Speise handelte.

Schließlich gab sie den Versuch auf, einen dvarisianischen Cocktail zu ordern und kehrte zu einem Riesen-Starburger zurück, den der Synthi immerhin beherrschte.

Inzwischen hatte sich Infinity - endlich wieder mit seinem normalen, schneeweißen Teint - zu ihr gesellt. Er orderte seinen Special-Cocktail, der ihm weitaus genehmer war als alle anderen Nahrungsmittel, vor allem, weil dieser trotz relativ geringer absoluter Menge weitaus energiereicher war als die meisten anderen Substanzen.

Blackfire betrachtete das heute türkisfarben leuchtende Gebräu wie stets überaus mißtrauisch. Ryko lächelte sie entschuldigend an.

"Unterwegs gibt es in der Regel nur äußerst geringfügig brauchbare Stoffe für mich, wie du weißt..."

"Sicher. Obwohl ich immer wieder finde, daß das Zeug verdammt gefährlich aussieht!"

"Ich würde dir auch unter allen Umständen von einer Probe dieser Substanz abraten. Deinem Organismus würde sie schwerlich bekommen."

"Ich weiß..." Langsam machte sich der Streß der letzten Tage bei Karylla bemerkbar, und sie fühlte sich doch ziemlich erschöpft. Sie stand auf, ging um den Tisch herum und legte von hinten die Arme um Ryko, bevor sie ihr Gesicht in seinem strahlend silbernen Schopf vergrub.

"Ryko, ich mache mich für ein paar Stündchen davon. Weckst du mich morgen früh um fünf Uhr?" murmelte sie schläfrig.

"Sicherlich, Kary." Er strich sanft über ihre Arme.

"Gut. Danke." Blackfire löste sich von ihm und marschierte schnurstracks zu ihrem Bett, ließ sich hineinfallen und war sofort eingeschlafen.

* * *

Am Morgen des 3761/10/03 GZ materialisierten Blackfire & Infinity im Foyer des Hotels Transgalaxis. Selbstverständlich erregten sie ein nicht unbeträchtliches Aufsehen in ihren nicht gerade unauffälligen Einsatzcoveralls, und die Leute steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten herum, was wohl diese zwei hier vorhatten.

"Wo steckte Stardust?" erkundigte sich Karylla.

"Zimmer 98371, das heißt Zimmer 371 im 98. Stockwerk. - Dort ist der Lift." Ryko deutete auf eine Wand, in der immerhin sieben Lifttüren sichtbar waren. Die zweite von rechts glitt gerade auf.

"Also dann!" Blackfire steuerte hinein, und Infinity beeilte sich, ihr zu folgen. Mit den beiden waren noch sechs andere Personen im Aufzug, die sie mißtrauisch beäugten.

Ob Blackfire beabsichtigte, sie allesamt zu kidnappen? Fast hofften sie auf ein solches Ereignis; das hätte jedenfalls eine interessante Story für ihre Kinder/Nachbarn/Freunde/Bekannten gegeben. Beinahe zu ihrem Bedauern tat sich gar nichts in dieser Richtung.

Karylla legte ihre Hände auf Rykos Schultern und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm wenigstens halbwegs gerade in die Augen sehen zu können. Zwanzig Zentimeter Größenunterschied waren nun einmal zwanzig Zentimeter...

"Ryko, eins möchte ich dir noch sagen... Heute gibst du keine neue Vorstellung mit Stardust ab, ja?"

Der Lift hielt mittlerweile zum vierten Mal auf irgendeiner Etage. Sie hatten vermutlich den langsamsten der Lifts erwischt, den, der wirklich in jedem Stockwerk hielt...

"Ich will mich bemühen", versicherte Infinity mit einem überaus treuherzigen Blick. Karylla seufzte.

"Versprochen, mein Schatz?"

"Na gut..."

Lift-Stop Nummer 14, diesmal auf Etage 37. Karylla warf kurz einen Blick auf die Seite. Doch, die Sensortaste von Level 98 war aktiviert.

"Gut." Hoffentlich blieb Stardust ebenfalls halbwegs friedlich, sonst würde Infinity sich genötigt sehen, Jana dennoch gehörig kontra zu geben.

Blackfire legte ihren Kopf an Rykos Schulter. Bis der Lift im richtigen Stockwerk war, dürften noch Stunden vergehen! Vor allem, wo das Teil schon wieder hielt... Infinity grinste nur, als er ihren genervten Seufzer vernahm und legte die Arme um sie.

Die übrigen Lift-Benutzer wirkten etwas irritiert. Irgendwie paßte das Ganze nicht so hundertprozentig zu dem Bild, das die diversen Info-Gruppen und sonstigen Presse-Leute von den 'gefährlichsten Verbrechern dieses Jahrzehnts' gezeichnet hatten.

Etwa 8 Minuten später erreichten sie mit dem 57. Stop die 98. Etage, und weitere 6 Minuten darauf gelangten sie (nach mehreren Irrwegen durch die Labyrinthe der Zimmerfluchten) an Zimmer Nummer 371. Blackfire betätigte den Türsummer.

"Ja? Wer da?" fragte Jana und rubbelte sich weiter trocken. Sie war gerade aus der Dusche gekommen. 'Wieder mal verschlafen!' dachte sie ein wenig genervt.

"Karylla Noir - und Monsieur Ryko Maiell", kündigte Blackfire an. Ihr breites Grinsen war laut und deutlich zu vernehmen.

"Moment!" rief Jana und machte sich unverzüglich auf die Suche nach Perücke und Kontaktlinsen. Dummerweise waren ihre Haare noch naß, so daß sie einige Probleme mit ihrer falschen weißen Mähne hatte. Sie fluchte unterdrückt. Immer, wenn man es eilig hatte!

Endlich sah sie Stardust wieder ähnlich - aber leider konnte sie partout ihren Overall nicht finden. Nachdenklich stand sie da, nur in ihr Handtuch gewickelt.

"Jana, was treibst du da drinnen?" Blackfire hatte einige der Flüche gehört und amüsiert die Augenbrauen gehoben. Frau lernte immer etwas dazu... Ryko grinste niederträchtig.

"Sie ist doch so ...schüchtern", sagte er so laut, daß Stardust es auf jeden Fall hören mußte. "Bestimmt findet sie ihren Overall nicht..."

"Monsieur Maiell, behalten Sie Ihre Meinung für sich!" rief Jana und fischte ihren Overall unter dem Bett hervor. Triumphierend stieg sie hinein. Es störte sie dabei gar nicht, daß das Teil zu seinem ohnehin schon abgewetzten Aussehen nun auch noch total staubig war. Endlich öffnete sie die Tür.

"Einen wunderschönen Guten Morgen wünsche ich Ihnen, Mademoiselle Stardust", sagte Infinity anzüglich. "Sie sehen heute wieder einfach ...umwerfend aus!"

"Dieses Kompliment kann ich nur zurückgeben", meinte Jana. "Hi, Blackfire, wie geht es dir?"

"Danke, ganz gut. - Das heißt, wenn man die psychischen Schäden durch eure dezenten ...Nettigkeiten außer Betracht läßt... Wir sollten unser weiteres Vorgehen besprechen."

"Nun gut. Dir zuliebe! Wir müssen irgendwie an die Beweise kommen, oder ich habe ein echt schwerwiegendes Problem", sagte Stardust, Infinity geflissentlich ignorierend.

"Okay. Also, ich habe diese Kapuzis immer nur mit Kutten gesehen, aber Ryko", sie warf ihm einen warnenden Blick zu, als sie seinen tückischen Blick in Richtung Jana auffing, "erwähnte, daß er durch die Stimmanalyse Elgison Inishda und Laris Mandrass identifizieren konnte. Wir sollten einmal zu deren Wohnsitzen springen und vor Ort nach etwaigen Beweisen suchen."

"Keine schlechte Idee. Vielleicht finden wir ja etwas, das uns den Weg ins Labor zurück erspart."

"Nun, ich habe von Bord der Lightning aus einige Info-Netze angezapft. Dieser ISPC-Typ Mandrass hat offenbar ein Faible für Damen, die dem ...käuflichen Gewerbe nachgehen. Wir werden also gut verkleidet", sie grinste Stardust an, "bei ihm aufkreuzen und einfach für genügend Ablenkung sorgen, damit Infinity in aller Ruhe Mandrass' Computer durchsuchen kann."

"Einverstanden. Aber was verstehst du unter 'gut verkleidet'?" fragte Jana neugierig.

"Einen Sprung in Ganzkörper-Farbe, eine elegante Perücke und wieder einmal andersfarbige Kontaktlinsen. Entsprechende Kleidung nicht zu vergessen..."

"Hm!" machte Stardust und dachte darüber nach. Schon wieder Farbe! Und das, nachdem sie endlich dieses eklige Bronze-Zeug abgeschrubbt hatte!

Sie fragte sich, woher Infinity das Mittel hatte.

"Nun? Was ist? Ich habe auf der Lightning einiges für solche Fälle auf Vorrat."

"Okay, okay! Ich komme ja schon." Karylla ließ sich von Ryko den Ersatz-TM-Gürtel geben, den sie vorsichtshalber mitgenommen hatte und drückte ihn Jana in die Hand.

Die Frauen sprangen auf die Lightning, während Ryko sich schon einmal auf den Weg machte, um Mandrass' Behausung zu inspizieren.

* * *

"Na? Wie findest du mich?" Karylla drehte sich einmal um sich selbst. Ihre helle Haut hatte nun einen metallischen Goldschimmer, und sie trug einen metallicdunkelgrünen Pagenkopf. Auch ihre Kontaktlinsen, die hohen Pumps und die bis auf einige strategisch sinnvolle Stellen durchsichtige Tunika waren von diesem Farbton.

"Nicht schlecht. Ich glaube, das wird wirklich genügend Ablenkung verschaffen..." bemerkte Stardust, die natürlich noch nicht einmal angefangen hatte, sich umzuziehen.

"So, und jetzt deine werte Wenigkeit! Welche Haut- und Haarfarbe willst du?"

"Hm. Keine Ahnung. Ich leide langsam an Ideenlosigkeit. Ich bin dieses ewige Verkleiden ehrlich gesagt leid!"

"Stell dich nicht so an! Es geht schließlich um deinen Job!"

"Ja ja..." Jana bequemte sich endlich aufzustehen und ging zu dem überaus korrekt einsortierten Kostümfundus. Sie griff wahllos hinein und schnappte sich einen der Fummel, egal, was es war. Warum? Warum bloß? dachte sie, bevor sie ins Bad trabte. Schließlich kehrte sie zurück,

Die Haut war zart gebräunt, die Haare dunkelviolett, die Augen amethystfarben und das 'Teil' leuchtete Neonpink mit Metalliceffekt.

Inzwischen war Infinity zurückgekehrt. Er musterte Blackfire amüsiert (hoffentlich brach sie sich nicht den Hals in diesen hochhackigen Schuhen!) und ignorierte Stardust.

"Karylla, ich habe das Haus abgecheckt. Es wird von mehreren Dutzend Leibwächtern bewacht. So komme ich nicht unbemerkt hinein..."

"Ay. Wir werden die Typen für dich ablenken." Sie wußte zwar noch nicht, wie sie sich die Aktion genau vorstellte, aber bis jetzt war ihr immer eine Lösung eingefallen, wenn sie sich vor Ort befand. "In einer halben Stunde ab jetzt werden wir dort unten sein."

"Gut. Also in 50 Minuten!" Ryko verschwand noch einmal in das Labor der Lightning, um sich seine Ausrüstung für den Einsatz zusammenzusuchen.

Derweil hatte Blackfire Jana eine massive, gut 12cm breite Armspange in die Hand gedrückt. Stardust musterte das silberne Ding mit den farbigen Schmucksteinen irritiert. Karylla trug bereits eine ähnliche Armspange in Gold.

"Was ist das?"

"Unsere Rückfahrkarte." Blackfire suchte eine weitere Schmuckspange aus einer Schatulle mit diversen Schmuckstücken, die anscheinend identisch mit dem Teil war, das sich bereits an ihrem rechten Arm befand. "In dieser Spange befindet sich ebenso ein TM-Gerät wie in meinen Gürteln. Leider ist das Ding ziemlich schwer, und ich ziehe daher normalerweise meinen TM-Gürtel vor. Das Teil", sie deutete auf die gerade eroberte Spange, die sie an ihren anderen Arm klipste, "ist nur ein Dummy."

Jana legte die Armspange um das rechte Handgelenk, da die linke Seite schon von der Incom belegt war.

"Wollen wir jetzt gehen?" erkundigte sich Stardust.

"Aye aye..." Karylla ging ins Cockpit der Lightning, und Jana blieb ihr dicht auf den Fersen. Blackfire flegelte sich in den Pilotensitz und tastete ein paar Befehle in das Paneel zu ihrer Linken ein. Sogleich erschien ein Bild der Stadt Enakira auf dem Frontmonitor. Ein weiterer Tastendruck, und Mandrass' Wohnsitz wurde herangezoomt. Ein Schwenk zu einer abgelegenen Seitenstraße... Nun übertrug Blackfire die in diesem Augenblick vom Bordcomputer erstellten Sprungkoordinaten in die TM-Armbänder. Im Prinzip fand sie es umständlich, daß sie immer erst den Comp der Lightning bemühen mußte, um an nicht vorher festeingestellte Koordinaten zu kommen. Aber was ärgerte sie sich? Ihre TM-Gerätschaften waren den 'normalen' TM-Systemen schon durch die geringe Größe haushoch überlegen. Ein regulärer Transmitter war ja in der Regel schrank- bis zimmergroß und brauchte dazu noch eine feste Gegenstation.

"So, jetzt können wir! Aber zunächst noch eins: Du siehst doch die eleganten farbigen Schmucksteinchen auf der Armspange?"

Jana warf einen Blick auf das Teil. Tatsache, da waren genau sechs Edelsteine zwischen zwei Reihen komplizierter Gravuren eingebettet. Ein Amethyst, ein Saphir, ein Smaragd, ein gelber Chrysoberyll, ein Rubin und ein Diamant. - Naja, zumindest sahen sie so aus...

"Das sind die Sensortasten, mit denen die festprogrammierten Sprungziele angewählt werden können. Du brauchst dir nur zu merken, daß du bei zweimaligem Druck auf den violetten Schalter sofort wieder auf der Lightning bist. Andere Koordinaten sind durch Dreierkombinationen abrufbar. Für Monsieur Mandrass mußt du zweimal rot und einmal gelb tippen. Die weiße Taste ist zum Löschen einer etwaigen falschen Kombination, und nachdem du das korrekte Sprungziel eingegeben hast, ist ein weiterer Druck auf den violetten Schalter notwendig."

Stardust blickte zweifelnd auf das TM-Armband, dann auf Blackfire. Sie konnte sich doch sowas partout nicht merken.

"Gut! Laß uns gehen, bevor ich vergesse, was ich drücken muß..."

"Ryko, wir sind unterwegs", rief Karylla in Richtung Labor, bevor sie sich wieder an Jana wandte. "Dann los!"

* * *

Die Seitenstraße war finster und wirkte wie ausgestorben. In diesem Längengrad Khemarras war der Abend schon etwas fortgeschritten.

"Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, müssen wir jetzt geradeaus, dann die dritte Straße rechts, die zweite links, dann sofort nochmal links - und dann sollten wir da sein!"

"Hoffen wir es! Ich werde dir folgen", meinte Stardust.

Mit dezentem Hüftschwung machte sich Karylla auf den Weg. Was hatte Jana nur? Ihr machte diese ganze Verkleiderei ausgesprochen Spaß.

"Nebenbei, wie heißt du eigentlich? Ich habe mich für Tamira Ellanis entschieden."

"Hm. Andyra Tomoe", meinte die ISPC-Lady.

"Nun denn, O Andyra, dann laß uns voranschreiten." Nach drei Runden um den Block (Blackfire hatte sich doch verlaufen) gelangten sie zu Laris Mandrass' Domizil. Karylla sah kurz auf ihr TM-Gerät, tippte an eine der Gravuren, und eine Schrift erschien auf der glatten Unterseite.

"Infinity wird in fünf Minuten ab jetzt hier sein."

Sie hatte beschlossen, ihren kurzen Umweg dezent zu überspielen, aber Stardust grinste sie an und meinte anzüglich:

"Tse, von wegen Gedächtnis..."

Karylla machte eine peinlich berührte Grimasse. Naja. Aber sie hatte das Gebäude schließlich doch noch gefunden. Und sogar innerhalb des mit Ryko vereinbarten Zeitlimits. Apropos 'das Gebäude'...

Höchst interessant. Die Villa bestand aus einem schimmernden, blaßtürkisfarbenen Mineral, das von weißen Adern durchzogen wurde. Die Fenster waren verspiegelt und schimmerten leicht violett. Eine bombastische, schneeweiße Freitreppe führte zu einem monumentalen Portal.

"Wieviel verdienen ISPC-Departmentleiter im Schnitt?" erkundigte sich Blackfire interessiert.

"Nicht soviel, daß sie sich sowas leisten könnten", erwiderte Stardust. "Das übliche Gehalt für leitende Angestellte eben plus Sonderzulagen etc..."

"Hm-hm." Blackfire sah sinnend die Freitreppe hinauf. Sie hatte immer noch keine Idee, was sie vorhaben könnte. - Aber was sollte es?

"Jetzt heißt es hinein in die Höhle des Löwen!"

"Stimmt haargenau! Wie kommen wir nun hinein?" Jana dachte angestrengt nach. Sie bevorzugte eher eine andere Methode, als schnurstracks durch den Eingang zu marschieren. Blackfire sah nach oben. Da ihr immer noch nichts eingefallen war, entschloß sie sich wie üblich zum Frontalangriff.

"Durch die Tür!" entschied sie und wackelte die Treppe hinauf. Sie haßte hochhackige Schuhe!

"Gut. Wie du meinst..." Stardust stiefelte hinterher. Sie grinste über das ganze Gesicht, da Blackfire einige Schwierigkeiten mit ihrer Fußbekleidung hatte. Karylla betätigte den antiken, massiv silbernen Türklopfer, und ein massiger, schwerbewaffneter Typ machte auf.

"Hallo", sagte Blackfire arrogant. "Ich habe gehört, daß wir von Monsieur Mandrass erwartet werden?"

Der Typ blickte sie zweifelnd an, dann schloß er die Tür erst einmal wieder, um nachzufragen.

"Unfreundlich! Nun gut. Warten wir", bemerkte Karylla etwas verärgert. Schließlich wurde die Tür wieder geöffnet, und der Wächter gab diese frei. Blackfire würdigte ihn keines Blickes, sondern spazierte an ihm vorbei in das Haus, als ob es ihr persönlich gehörte. Stardust folgte ihr einfach, da ihr nichts besseres einfiel.

Blackfire steuerte durch die Eingangshalle und tat so, als ob sie sich bestens auskannte. Frechheit siegte bekanntlich immer.

Auf halbem Weg verharrte sie, legte ihr metallicdunkelgrünes Cape ab und drückte es dem Wachposten, der ihr ein wenig irritiert gefolgt war, in die Hand.

"Hängen Sie es auf, damit es nicht knittert. Und dann geleiten Sie mich gefälligst zu Monsieur Mandrass, wie es einer Lady gebührt!" Sie sah ihn um noch 100% arroganter an als zu Beginn. Folgsam hing der Wachtyp das Cape auf, da er das Gehorchen einfach gewohnt war. Anschließend führte er die beiden 'Damen' zu Monsieur Laris Mandrass.

Dieser war ein Mann Anfang fünfzig, mit gebräunter Haut und dunklen Haaren und erwartete sie in seinem Wohnzimmer. Allerdings nicht allein, und die vier bis an die Zähne bewaffneten Gorillas hinter ihm sahen verdächtig so aus, als ob sie keinen Spaß verstünden.

Blackfire schluckte und befand, daß offenbar einiges an ihrem Plan nicht ganz ausgereift gewesen war. Jetzt mußte ihr irgendetwas einfallen, wie sie für genug Rummel sorgen konnte, damit Ryko in Ruhe seinen Untersuchungen nachgehen konnte.

"Seien Sie willkommen, meine Damen", begrüßte Mandrass sie mit genüßlichen Blicken. "Ich kenne Sie zwar nicht, aber vermutlich werde ich das bald geändert haben..."

Stardust fand das Ganze gar nicht mehr lustig. Ihre Aversion gegen diese Idee war also doch richtig gewesen. Unauffällig suchte sie nach einer Möglichkeit, diese Typen zu beschäftigen und den Rest auch noch her zu locken. Es war absolut ein Blackfire-Plan! Jana hatte den starken Verdacht, daß diese in der Regel erst handelte und dann vielleicht über die Konsequenzen nachdachte.

Blackfire zuckte peinlich berührt die Achseln. Sie sollte sich ihre verfluchte Impulsivität doch irgendwann einmal abgewöhnen. Was für ein Glück, daß es Ryko gab, der sie im Zweifelsfall wieder heraushaute! Zumindest hatte sie immer den Vorteil, daß niemand ihre Handlungsweisen vorausberechnen konnte... Apropos Ryko... Er sollte jetzt hoffentlich auch in dem Gebäude sein. Nun mußte sie nur irgendwie die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenken und zusehen, daß sie Stardust dabei nicht verlor. Diese betrachtete Blackfire argwöhnisch. Was Karylla bloß vorhatte? Irgendwie war ihr Plan - falls vorhanden - nicht bis zu Jana vorgedrungen. Stardust haßte es, so in der Luft zu hängen.

Unterdessen hatte Blackfire eine Tür entdeckt, die a) offenstand und b) in den Garten führte. Na bitte! Sie machte einige unauffällige Handbewegungen in diese Richtung, in der Hoffnung, daß Stardust verstand, daß sie in diese Richtung abhauen und dann in irgendeiner Deckung zur Lightning zurücktransmittieren sollte, damit die Wachen einen Grund hätten, den Garten umzugraben, während Infinity in aller Ruhe das Haus durchsuchen konnte.

Stardust hoffte, daß sie verstanden hatte, was Blackfire meinte. Sie trat also der Wache hinter ihnen mit ihren spitzen Absätzen kraftvoll auf den Fuß. Der Mann jaulte gequält auf und hüpfte auf einem Bein herum, während Jana schon zur Terrassentür hinaus war. Karylla atmete auf. Jana hatte verstanden. Nun raste sie hinterher, quer über die Terrasse und durch die violetten, dornigen Almaria-Blumen.

Ihr Galopp über die Wiese wurde etwas durch die Pfennig-Absätze behindert, und plötzlich stolperte sie über einen Stein und verschwand kopfüber im Gartenteich. Gut, das Teil war als Deckung so gut wie alles andere, und Blackfire transmittierte zur Lightning zurück.

Stardust hatte bemerkt, daß Blackfire im Teich verschwunden war. Na, die würde schon wegkommen. Jana beschloß, noch ein bißchen mit den Wachen Fangen zu spielen, um Infinity noch etwas Zeit zu verschaffen. Sie tauchte zwischen einigen Büschen unter. Ha, die Verfolger trennten sich! Das gab ihr einige Möglichkeiten... Sie blickte nach oben. Mh, der Baum schien genau für sie geschaffen zu sein. Ein kurzer Klimmzug, und Stardust machte es sich oben im Geäst gemütlich.

Jetzt brauchte sie nur zu warten, bis jemand vorbei kam. Grinsend wickelte sie ihre Sinya vom Arm, eine fast vergessene, antike Waffe, die wie eine harmlose, 150cm lange Schnur mit 2 speerblattförmigen Spitzen an den Enden wirkte.

* * *

Tropfnaß und fluchend materialisierte Blackfire auf der Lightning. Diese Verkleidung war zum Kämpfen so ungeeignet wie nur irgendwas!

Sie befreite sich von dem unpraktischen Zeug, das sofort in der Konverteröffnung verschwand, rubbelte sich in Windeseile trocken, um in ihr normales Outfit zu steigen. Nun gut, die Hautfarbe mußte erst einmal bleiben, aber der Rest... Sie stieg in ihren Einsatzcoverall und streifte sowohl die schwarzen Handschuhe, als auch die Stiefel über. Normalerweise fand sie die Handschuhe äußerst unpraktisch, aber sobald es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kam, waren sie - ebenso wie ihr Coverall - einfach sinnvoll. Das Material hatte die interessante Eigenschaft, sich stahlhart zu versteifen, wenn es eine bestimmte Menge an kinetischer Energie aufnahm, was einem Schlag von ihr zu wahrhaft fürchterlicher Wirkung verhalf. Und gleichzeitig wurden auf dieselbe Art und Weise Attacken auf sie abgewehrt. Das einzige Problem war, wenn viel Energie auf eine kleine Fläche einwirkte. Das gab immer blaue Flecken von ziemlich astronomischen Ausmaßen... Naja, und Betäubungsstrahlen gingen durch das Material einfach durch. Aber was sollte es? Sie setzte sich wieder den schwarzen Mop - pardon, die schwarze Perücke - auf und transmittierte wieder nach unten. 4 Minuten Umkleidezeit insgesamt - doch, das ging. Hoffentlich war Stardust unterwegs nichts passiert. Sie materialisierte direkt hinter einem der Gorillas und tippte ihm auf die Schulter.

"Suchst du was?" Als der Mann herumwirbelte, landete ein fürchterlicher Schwinger unter seinem Kinn, und er krachte bewußtlos zu Boden.

Das war die Rache für die Tatsache, daß sie a) fliehen mußte und dabei b) ein Bad im Teich verpaßt bekam. Dabei war es Karylla in diesem Zusammenhang egal, daß es eigentlich alleine ihre Schuld gewesen war. Ein Sündenbock war immer gut, fand sie. Ein eleganter Sprung, und sie hockte hinter der nächsten Buschgruppe. Wo Jana nur steckte?

Stardust schlich gerade durch das Gestrüpp. Eine der Wachen hatte sie bereits mit der Sinya mattgesetzt. Sie grinste bei dem Gedanken, daß der Typ auch noch genau unter ihr stehengeblieben war und sie so ohne Probleme eine Schlinge um seinen Hals hatte anbringen können. Gott sei Dank war es ihr diesmal gelungen, nicht zu fest zuzuziehen. Aber er würde wohl nicht so bald aufwachen. Jana hatte auf einmal das Gefühl, als wäre hier noch jemand. Sie duckte sich ganz eng hinter einen Busch.

Blackfire hörte etwas rascheln und wollte sich schon darauf stürzen, als ihr das Neonpink von 'Andyra Tomoe' ins Auge stach.

"Hi Stardust. Ich bin wieder hier - Diesmal in voller Kampfmontur..." Sie hielt einen ihrer beiden Pfeilwerfer in der Hand, einen 30cm langen, 1cm durchmessenden schwarzen Stab, der Lähmkristalle verschießen konnte und normalerweise mit einem Magnetverschluß an ihrem Stiefel befestigt war.

"Fein! Ich dachte schon, du wolltest mich hier lassen. Ich habe nämlich vergessen, auf was ich drücken sollte..." Jana grinste und schubste dann Blackfire in das Grünzeug. Da war doch schon wieder so ein Typ in ihre Richtung unterwegs.

"Besten Dank", flüsterte Karylla und deutete nach vorne. Dort irrten mehrere der Gorillas ziellos umher und stocherten im Gebüsch herum.

"Ich glaube, wir werden denen mal den Tag versüßen. Ich will doch mal ausprobieren, ob ich meine Nahkampf-Techniken noch beherrsche..."

"Nach dir!" Stardust grinste und machte eine einladende Handbewegung zu den Typen hin.

Blackfire befand, daß sie erst einmal die Zahlenverhältnisse zu ihren Gunsten verändern sollte und schoß drei der sechs Männer präventiv mit dem Pfeilwerfer ab. Die würden erst einmal für zwei bis drei Stunden friedlich schlummern! Danach klemmte sie das Ding wieder an ihren linken Stiefel und ging hochaufgerichtet auf die restlichen Männer zu, die das Umfallen ihrer Kollegen mit gemischten Gefühlen betrachtet hatten.

Die Gorillas sahen Blackfire etwas verschreckt an. Der silberne Coverall mit dem schwarzen Blitz war weit und breit bekannt. Doch dann beschlossen sie, sich mit dem Mut der Verzweiflung auf die Lady zu stürzen. Lieber im Kampf untergehen, als von ihrem Boß zu Hackfleisch verarbeitet werden, war die Devise.

Stardust amüsierte sich königlich und lehnte dann gelassen an der Mauer. Sie dachte nicht daran, einzugreifen, bevor Blackfire in Gefahr war. Das war die Revanche für diesen 'Plan'!

Karylla sah zu Jana herüber und funkelte sie wild an. Das war doch wohl eine Frechheit! Sie durfte sich alleine um die Wachen kümmern, und Stardust schien es als amüsante Live-Unterhaltung zu betrachten! Frustriert ließ sie eine rechte Gerade auf Typ Nr.1 niederkrachen, gefolgt von einem kraftvollen Fußtritt an eine strategisch günstige Stelle bei Nr.2. Die armen Kerle wußten gar nicht, wie ihnen geschah, aber man sollte sich eben nicht mit Blackfire anlegen, wenn diese gefrustet oder verärgert war. Der dritte Mann versuchte wenigstens, auch einmal einen Schlag anzubringen, jaulte jedoch gepeinigt auf, als er feststellen mußte, daß seine Gegnerin offensichtlich eine Stahlpanzerung trug. Ein kurzer Handkantenschlag von Karylla beseitigte dann auch das letzte Problem.

Stardust lachte, aber plötzlich bemerkte sie eine Fünfergruppe, die genau auf sie zusteuerte. Sie mußte also doch noch arbeiten. Blackfire hätte sich auch etwas beeilen können (Sie war gerade dabei, Nr.2 gnädigerweise zu betäuben, da dieser sich immer noch auf dem Boden krümmte. Karyllas Tritt hatte seinen männlichen Stolz offensichtlich ziemlich in Mitleidenschaft gezogen.), dann wären sie schon weg gewesen.

Mißmutig stieß Jana sich von der Wand ab und ging den Typen entgegen. Diese stürzten sich mit Gebrüll auf das vermeintlich harmlose Opfer. Stardust ließ sie erst einmal einfach vorbeilaufen, in dem sie rechtzeitig aus dem Weg sprang. Sogleich flogen ihre Schuhe als Wurfgeschosse hinterher. Einer traf immerhin so gut (Absatz gegen Schläfe), daß der Typ zu Boden ging.

'Nur noch vier', dachte Stardust.

Mittlerweile schlummerten alle Gegner Blackfires selig, da sie auch den restlichen Dreien je einen Lähmkristall in den Hals geschossen hatte. Nun stapelte Karylla sie auf dem Rasen und setzte sich obendrauf, um nunmehr Stardust zuzuschauen. Ha!

Jana hatte derweil die Sinya wieder abgewickelt. Sie ließ eine der beiden mit Lähmgift präparierten Spitzen kreisen und grinste niederträchtig. Die Wachen waren etwas irritiert, da ihnen dieses völlig suspekt war. Sie verfolgten fasziniert das Kreisen des Speerspitzen-Teils, doch Stardust hatte unterdessen mit dem anderen Ende zugestochen. Nun standen ihr nur noch drei Gegner gegenüber. Der nächste Gorilla bekam die Sinya - durch eine rasche Drehung zu einem festen Stab versteift - als Speer nachgeworfen, und die beiden letzten Wachen legte Jana mit einigen Tritten und Schlägen auf den Rasen. Dann sammelte sie ihre Sinya ein und wickelte sie wieder um ihren Arm, wobei sie sorgsam darauf achtete, die spitzen Enden sicher in ihrem Köcher/Täschchen zu verstauen.

"Let's go", meinte sie zu Blackfire. "Welcher Stein war es?"

"Violett, zweimal drücken."

Die beiden sprangen in die Lightning zurück, um sich erst einmal von dem ganzen Make-Up zu befreien.

* * *

Nach ca. einer Stunde waren sie endlich alle Rückstände los. Blackfire lag wie üblich im Co-Pilotensitz und hatte die Beine auf den Leitstand gelegt. Stardust lehnte an der Wand und spielte mit der Sinya.

"Langsam wird es aber wirklich Zeit", sagte sie ungeduldig.

"Hm-hm", machte Blackfire und gähnte. Abgesehen davon hatte sie Hunger.

"Willst du was futtern?"

"Was hast du denn?"

"Einen Nahrungsmittelsynthetisizer", erwiderte Blackfire und grinste etwas gestreßt. "Tipp ein, was du willst, und vielleicht bekommst du es sogar." Oder auch nicht. Wie einen gewissen dvarisianischen Cocktail. Aber sie würde es noch einmal versuchen.

"Pfui! Ich denke, ich werde lieber noch etwas mit dem Essen warten..." Stardust mochte diese Dinger nicht, da sie grundsätzlich nie das bekam, was sie wollte, sondern garantiert irgendetwas, was sie bestimmt nicht ausstehen konnte. Karylla zuckte mit den Schultern und schwang die Beine vom Leitstand, wobei sie den Alarmsensor erwischte, der auch dann funktionierte, wenn das Schiff auf Vollautomatik stand. Ein durchdringender Ton schallte durch die ganze Lightning. Stardust blickte sich irritiert um. Wozu Alarm? Ein Überfall? Karylla sah sie entschuldigend an und desaktivierte den Alarm wieder.

"Sorry, bin mit dem Fuß an die Taste gekommen..." Sie ging zum Speiseraum, wo sie wieder einmal den Kampf mit dem Synthi aufnahm.

Jana blieb einfach dort stehen, wo sie war. Sie hatte keine Lust, noch mehr herumzurennen. Außerdem war das Cockpit der Lightning nicht uninteressant.

Zehn Minuten später kam Blackfire triumphierend mit einem kelchförmigen, großen Glasgefäß zurück.

"Ich hab's geschafft! Dvarisi-Cocktail, im 4. Anlauf!"

Ohne Vorwarnung stand auf einmal Ryko mitten in der Zentrale. Stardust hob nur eine Augenbraue. Sie hatte versprochen, nichts gegen ihn zu sagen.

"Also?" erkundigte sich Blackfire und setzte sich ans Steuerpult, wo sie auch den Cocktail abstellte.

"Ich habe sämtliche Daten kopiert, die ich bekommen konnte", verkündete Infinity.

"Sehr gut. Und?" Ryko lächelte entschuldigend.

"Kein Ergebnis. Kein Hinweis - Gar nichts!"

Stardust sah ihn ärgerlich an, sagte dann lieber doch nichts. Sie hatte es versprochen, rief sie sich ins Gedächtnis.

"Toll!" rief Blackfire genervt aus. "Wofür haben wir dann die ganzen Gefahren, Kloppereien und so weiter auf uns genommen?" Sie trommelte gereizt auf den Sensortasten des Tarnschilds herum. Glücklicherweise war die manuelle Eingabe bei Vollautomatik-Betrieb der Lightning komplett blockiert. Jana konnte ihr nur zustimmen. Die ganzen Anstrengungen umsonst! Sie würde Infinity gerne mal ihre Meinung dazu sagen...

"!+#$%* - ?$&*%@# - *?!@%#$", ließ Blackfire ein paar wahrhaft lästerliche Flüche los. "Und was machen wir nun?"

Jana hob erstaunt die Augenbrauen. Da waren doch schon wieder einige neue Flüche dabei. Tse...

"Uns bleibt nichts anderes übrig, als ins Labor zurückzukehren, da ein Versuch bei Monsieur Inishda vermutlich genauso wenig bringen wird", meinte sie.

"Wie mich das freut!" rief Karylla mit übertriebenem Enthusiasmus aus. Ryko enthielt sich eines passenden Kommentars. Er hatte es Karylla versprochen.

"Ich kann es auch kaum erwarten! Aber trotzdem, ich brauche diese Beweise, und ich werde sie auch bekommen", sagte Stardust ärgerlich.

"Sicherlich. Und ich habe dir ja auch gesagt, daß mir ebensoviel wie dir daran liegt, diese Typen auffliegen zu lassen!" Blackfire war nicht minder ungehalten. Infinity sagte immer noch nichts, sondern meditierte über den genauen Wortlaut dessen, was er Karylla versprochen hatte...

"Ich weiß! Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Ich bekomme das Zeug. Alleine, um die ISPC zu säubern, ist es mir die Sache wert!"

'Ganz zu schweigen von meinen persönlichen Gefühlen in der Sache', dachte Jana.

"Nun gut. Ich glaube, ich habe eine Idee", begann Blackfire.

"Schön! Dürfte ich diesmal erfahren, was deine Idee ist?" wollte Stardust ironisch wissen.

"Sicher. Es geht schließlich auch um CASS..."

"Ach? Irgendwie habe ich das geahnt...!"

"Nun, dieses Labor ist doch nur durch einen getarnten Gleitertunnel zugänglich. Ryko hat die Koordinaten des Einstiegs und seines Verlaufs bis zum internen Hangar aufgezeichnet. Wenn wir mit CASS hinter den letzten Kontrollposten springen, dann können wir unbemerkt in das Labor hinein."

"Hm!" Stardust zweifelte an dem Gelingen des Plans. Es gab mit Sicherheit Probleme. Sie war sich sicher, daß das Überwachungssystem gegen TM-Sprünge eingerichtet war, und das sagte sie auch Blackfire.

"Hm-hm. Da hast du einen Punkt. Aber wenn wir einen Zeitpunkt abpassen, an dem das System abgeschaltet ist?"

"...können wir immer noch nicht hinein. Wir können keinen Gleiter ersetzen, und das mit dem Austauschen eines Teams wird auch nicht ein zweites Mal gelingen."

"Hm-hm. - Ah, ich glaube, ich habe eine andere Idee!"

Jana sah sie sehr zweifelnd an. Diesmal bestand sie auf einen bis in alle Einzelheiten erörterten Plan. Noch einmal würde sie nicht an so einem Hoppla-Hopp-Unternehmen teilnehmen. Sie war doch nicht lebensmüde!

"Ich werde in einen der Gleiter springen, sobald sie das TM-Sperr-Gitter außer Kraft gesetzt haben, und zwar in den Laderaum, der beim Einflug ja in der Regel nur teilweise belegt ist. Von dort werde ich mich irgendwie zur Sicherheitszentrale durchschlagen und das Anti-TM-System des Komplexes sabotieren."

"Ach?! Ein toller Plan! Ich gebe dir fünf Minuten, bis sie dich einkassiert haben!"

"Wollen wir wetten?"

"Es ist nicht mein Leben, das du wegwirfst!"

"Wieso? Über kurz oder lang funktioniert alles, was ich mir überlege."

"Na, einmal wird auch dein Glück ein jähes Ende haben."

"Dann laß bitte deinen Plan hören."

"Wieso? Ich denke nicht daran, dir meine Pläne zu unterbreiten!"

"Und warum, bitte, soll ich das dann tun?"

"Eben. Ich sehe in dieser Zusammenarbeit eh keinen Sinn mehr. Ich habe nur für deine Befreiung zugesagt. Das weitere ist allein meine Sache!"

"Ach? Wenn du es so siehst... Dann bitte sehr, meine Liebe! Ich für meinen Teil weiß jetzt nämlich, wie ich die Sache in Angriff nehmen muß, um mein Ziel zu erreichen!" Blackfire funkelte Jana abschätzig an.

Ryko guckte erstaunt. Er sollte nicht mit Stardust streiten aber Karylla durfte?!

"Ach ja? Deine Pläne bestehen doch eh immer aus Handeln und nachträglichem Überdenken der Situation!"

"Immer noch besser, als ein vergeblicher Versuch, überhaupt zu denken und dann doch nichts zu tun, Mademoiselle Stardust!"

"Sie halten sich da ganz raus, Monsieur Maiell! Ihre Meinung ist überhaupt nicht gefragt!"

"Bei mir schon! Außerdem stimme ich voll und ganz mit ihm überein!" Sie warf Ryko einen zustimmenden Blick zu, und dieser nickte nur. Er hatte seiner Abneigung gegenüber Stardust nur vorübergehend Zügel angelegt, und wenn Karylla einverstanden war...

"Danke. Also, was ich Ihnen noch sagen wollte, Mademoiselle-"

Stardust hatte nicht vor, sich wieder mit ihm zu streiten. Sie aktivierte das TM-Armband, das sie immer noch trug. Egal wohin, nur weg!

Sie landete mitten in der Wüste, dort, wo geraume Zeit vorher die Typen vom Konsortium D Blackfire einkassiert hatten. Jana verzog das Gesicht und rief Cass herbei, der sie innerhalb kürzester Zeit abholte.

* * *

"Ay, die wären wir los", seufzte Karylla und lehnte sich im Co-Pilotensitz zurück, wo sie sich auch endlich ihres Cocktails erbarmte. Ryko verschwand kurz aus dem Cockpit, nur um sofort mit einem seiner Specials zurückzukommen. Diesmal war das Gebräu so strahlend violett wie seine Augen. Karylla fand das ungerecht. Ryko schaffte es immer, genau das zu bekommen, was er haben wollte... Er nahm in seinem Sessel Platz und drehte nachdenklich sein Glas in der Hand.

"So, jetzt würde es mich in der Tat interessieren, auf welchem Wege du in das Labor einzudringen beabsichtigst."

"Im Prinzip auf genau demselben Weg, wie wir hinausgekommen sind. Du hattest die genauen Pläne des Labors gesehen, nicht wahr? Die Betonung liegt auf dem genau."

"Sicherlich." Ryko nahm einen Schluck aus seinem Trinkbehältnis.

"Wie viele Stellen gibt es, an denen die Wartungsschächte bis an die Oberfläche führen?"

Ryko dachte kurz nach.

"Fünf", erwiderte er.

"Wenn wir nun an zweien davon Sprengladungen anlegen, die ausreichen, um sie zu öffnen, dürfte es einen Alarm geben. Und wenn wir dann die Frechheit besitzen, durch die von uns gestern aufgebrochene Wartungsluke einzusteigen, rechne ich uns gute Chancen aus. - Was meinst du, Ryko?"

"Diese Idee ist zumindest eine genauere Überprüfung wert. Wir sollten das Areal mit den Abtastern untersuchen - ob der Wartungsschacht neu versiegelt wurde, et cetera." Er leerte sein Glas und stand auf. "Einen Augenblick, ich bringe nur mein Glas weg."

"Nimmst du meins bitte mit?" Karylla drückte ihm ihren Cocktail-Kelch in die Hand.

"Danke."

Im Nu war Infinity zurück und nahm seinen Platz wieder ein. Blackfire hatte derweil die Abtaster aktiviert und das entsprechende Gebiet herangezoomt. Sie schaltete um auf einen höherfrequentischen Scanstrahl, und der Bordcomputer gab auf dem Frontschirm der Lightning ein holographisches Modell des ursprünglichen Bildes wider, bei dem die oberste Schicht transparent wirkte und einen Blick auf fünf Schachtausgänge freigab.

"Wir kommen nur bis zur allerobersten Ebene", beschwerte Karylla sich. "Darunter verwischt der laboreigene Ortungsschutz alle Daten!" Sie tippte auf der Computertastatur herum, und der restliche Laborkomplex erschien in einem durchsichtigen Rot auf dem Schirm. "Das ist die Simulation des Labors, die aus den Informationen von Alnettis Computer gewonnen wurde - aber leider können wir dort keine Bewegungen von Personen bestimmen oder aktuelle Änderungen der Situation überwachen."

"Das heißt also, wir müssen wieder einmal alles auf eine Karte setzen, hm?" Infinity sah seine Partnerin belustigt an. "Das sieht dir ähnlich..."

"Hast du eine bessere Idee?" Sie blickte ihn herausfordernd an.

"Hm. Ich würde vorschlagen, daß wir drei Sprengladungen anbringen und an zwei Punkten die Schlösser überlisten. Und zwar, indem wir zwei meiner Allzweck-Dietriche dort installieren, die die Luken automatisch entriegeln. Und wenn wir die Angelegenheit entsprechend timen, können wir mit den TM-Gürteln in einen der Transport-Gleiter springen und uns - wie du ganz zu Anfang einmal vorgeschlagen hattest - auf diese Art und Weise einschmuggeln. Die werden genug Probleme mit dem Alarm haben und sich nicht mehr so sorgfältig um die Gleiter kümmern. Ich werde anhand der Labor-Pläne einige Sprungkoordinaten für unsere TM-Gürtel festlegen, so daß wir innerhalb des Komplexes im Notfall herumspringen können, was vor allem für das Verlassen des Transport-Gleiters unumgänglich ist. Allerdings sollten wir wirklich nur im Notfall auf die TM-Gürtel zurückgreifen, da die KD-Leute mit Sicherheit entsprechende Ortungssysteme besitzen. Wir werden also auch wieder einen Großteil der Wege in den Wartungsschächten zurücklegen."

"Hm-hm. Klingt nicht schlecht. Es ist wirklich wieder einmal eine echte Frage des Timings. Die Sprengladungen usf. sollten etwa 50 Sekunden vor dem Eintreffen des ersten Gleiters hochgehen. Ich nehme an, dann haben sie noch keine Zeit, die Gleiter wieder zurückzurufen, aber der erste Alarm dürfte somit schon durchgekommen sein."

"Dieser Zeitraum erscheint auch mir realistisch. Was hast du im Labor explizit vor?"

"Wir müssen alle verfügbaren Daten über weitere Labors und etwaige Mitglieder des Konsortium D ermitteln und danach irgendwie die Selbstzerstörungsanlage - ich nehme ja schwer an, daß die sowas haben - präparieren, damit wir den Komplex von hier sprengen können. Und wir geben keine Warnung an die Leute heraus. Es ist vielleicht brutal, aber ich will ein Exempel statuieren. Wenn diese Drogenproduzenten nur inhaftiert werden, kommen sie durch ihre Spitzenanwälte spätestens ein paar Jahre darauf wieder aus dem Gefängnis - wenn sie überhaupt erst hineinkommen. Wenn sie dagegen ihres Lebens nicht mehr sicher sein können, überlegen es sich einige vielleicht zweimal, bevor sie überhaupt in dieses Geschäft einsteigen. Ich glaube, mein Vater hätte auch so gehandelt..."

Ryko runzelte die Stirn, nickte dann aber.

"Ich glaube, du hast recht, Karylla. Machen wir es so."

Infinity ging aus der Zentrale. Am Hauptschott drehte er sich noch einmal um. "Ich kümmere mich schon einmal um die Ausrüstung. Du programmierst die TM-Gürtel und legst den exakten Zeitplan fest?"

"Mache ich", bestätigte Blackfire und bearbeitete die Computertastatur. Nach einer halben Stunde blickte sie geschafft auf.

"Fertig!"

"Dito", erwiderte Infinity aus dem Hintergrund, "Ich war bereits unten und habe sowohl die Bomben als auch die Allzweck-Dietrich-Konstrukte installiert. Sie warten nur auf einen Funkimpuls."

"Maßarbeit, Ryko! Wir brauchen nicht einmal nach unten zu transmittieren und auf die Gleiter zu warten. Ich habe den Bordcomputer der Lightning mit einem entsprechenden Programm versehen, daß er die Gleiter in der Ortung hält, und sobald der erste springt, werden die TM-Gürtel automatisch ausgelöst und wir in den entsprechenden Gleiter geschickt. Eine halbe Minute vorher sind dann bereits die Ablenkungsmanöver ausgelöst worden..."

"Perfekt, Karylla." Blackfire steckte ihre Handschuhe in eine flache, silberne Tasche, die sie mit einem Klettband an ihrem rechten Oberschenkel befestigte.

"Wir haben noch etwa 84 Minuten", sagte sie dann nach einem kurzen Blick auf den Chronometer am Leitstand, "Ähm, ich glaube, ich verschwinde noch mal kurz eben..." Sie machte sich auf in Richtung Toilette. Es war immer dumm, wenn es einen unterwegs mitten bei einem heiklen Einsatz überkam. Kurz darauf war sie wieder in der Kommandozentrale der Lightning.

"Ich bin eben deine Sprungkoordinaten durchgegangen", bemerkte Ryko. "Ich habe noch einen der Wartungsschachtausgänge hinzugefügt. Blau-blau-grün", gab er die Code-Kombination an, mit der man das Sprungziel abrufen konnte.

"Okay. Die anderen Codes hast du gelesen?"

"Sicherlich."

"Dann heißt es jetzt warten..."

Blackfire beschloß, daß sie - wenn sie schon noch 77 Minuten hier ausharren mußte - sich diese Wartezeit so angenehm wie möglich gestalten könnte. Sie strahlte Ryko an, setzte sich kurzerhand bei ihm auf den Schoß und kuschelte sich in seine Arme. Infinity schüttelte wie so so oft hochgradig amüsiert den Kopf. Das war wieder so typisch Karylla!

Noch 75 Minuten...

* * *

Stardust hatte es sich in Cass bequem gemacht. Sie grübelte darüber nach, wie sie nun am besten in das Labor gelangen konnte. Sie hatte natürlich keinen Plan. Aber sich noch einmal Blackfire anschließen? Nie!

"Cass, hast du irgendeine Ahnung, wie wir in den Laborkomplex hineinkommen können?" erkundigte sie sich frustriert.

"Das ist wieder typisch! Du tönst groß herum, und ich darf die Arbeit machen!" Er legte eine Kunstpause ein. "Nun ja, als ich die Daten durchstöberte, ist mir aufgefallen, daß sich das Labor des Konsortium D in unmittelbarer Nähe eines alten Bergwerkstollens befindet. Die vorliegenden Informationen besagen, daß die Möglichkeit besteht, an einem exponierten Punkt eine Verbindung zu schaffen."

"Aha?" machte Stardust. Cass ließ sich nicht beirren, sondern dozierte munter weiter.

"Es gibt nämlich eine Stelle, an der ein begonnener Gang des Labor-Komplexes bis auf knapp einen Meter an einen der alten Schächte geführt wurde. 'Begonnen' deshalb, da 1. ein baldiger Einsturz drohte und 2. die Befürchtung bestand, daß noch jemand in die alten Stollen eindringen könnte", erläuterte er.

"Fein! Dann laß uns dorthin springen!" Cass machte sich sogleich auf den Weg. Sie landeten in einem düsteren Stollen. Überall lag loses Gestein herum. Vorsichtig manövrierte Cass um die Felsbrocken herum.

"Hier ist die Stelle", bemerkte Cass schlußendlich. "Leg bitte eine Atemmaske an, bevor du aussteigst. Der Sauerstoffgehalt der Umgebungsluft ist ausgesprochen gering."

"Gut." Stardust stülpte sich das Gerät über. "Und was nun?"

"Bring bitte eine Sprengladung an dieser Wand an."

Jana stieg aus, wühlte eine Universal-Sprengladung aus dem Kofferraum und plazierte diese an der von Cass vorgeschlagenen Stelle, bevor sie wieder in den Gleiter zurückkehrte.

"Okay." Sie schloß die Tür. "Jetzt aber erst mal weg von hier!"

Cass legte eine nicht unbeträchtliche Distanz zwischen sich und den Sprengsatz, ehe er beschloß anzuhalten. Derweil hatte Jana den Innenraum des Gleiters wieder mit Atemluft geflutet und ihre Maske abgenommen.

"Wie lange noch?" wollte sie wissen.

"43 Minuten und 87 Sekunden."

"Warum gerade dann?"

"Weil es eben dann ideal ist!" erwiderte Cass.

Sie warteten. Stardust blickte angeödet auf die Anzeige, die mit provozierender Langsamkeit den Countdown herunterzählte. Knappe 10 Sekunden vor der Detonation des Sprengsatzes hörten sie ein Geräusch wie von einer Explosion - doch es schien aus einer größeren Entfernung zu kommen. Als Jana noch über die Bedeutung des Lautes meditierte, ging ihre Sprengladung hoch. Im selben Augenblick war Cass bereits unterwegs. Er fegte aus dem roh behauenen Bergwerksstollen in den ebenso düsteren, stillgelegten Gang der KD-Anlage. In der Nähe eines Schotts blieb Cass stehen.

"Dahinter liegt der eigentliche Labortrakt", sagte Cass. "Du mußt versuchen, an ein Computer-Terminal zu kommen, damit ich mich über das Transfergerät einloggen kann. Am besten versuchst du es durch die Wartungs- und Lüftungsschächte. - Und vergiß das Transfergerät nicht!"

"Ja ja!" grummelte Stardust und klemmte sich das Gerät, sowie ein Werkzeugset an den Gürtel. Das behinderte zwar ihre Bewegungsfreiheit ein bißchen, aber es war wichtiger, die Hände frei zu haben. Sie öffnete die Luke des Abluftschachts und verschwand darin.

"Beeil dich lieber etwas", tönte Cass ihr hinterher.

* * *

Die letzte Minute war angebrochen. Der Bordcomputer zählte die Sekunden durch.

99 - 98 - 97 - 96 - 95 - 94 - 93 - 92...

Bei 50 explodierten die Sprengsätze in der Wüste, und Blackfire und Infinity machten sich bereit.

13 - 12 - 11 - 10 - 9 - 8 - 7 - 6 - 5 - 6 - 3 - 2 - 1 -

Auf einmal fanden die beiden sich in dem wider Erwarten doch ziemlich vollgestopften Laderaum eines Gleiters wieder. Karylla balancierte verzweifelt auf ein paar Kisten herum, und Ryko zog sie gerade eben noch in eine stabile Lage, bevor sie mit lautem Getöse herunterpurzeln konnte.

"Scht!" meinte er grinsend. Karylla machte eine entschuldigende Geste. Sie war halt etwas unglücklich materialisiert...

"So, ich würde sagen, daß wir noch zehn Sekunden warten sollten und dann zum Sprungziel blau-blau-gelb transmittieren", sagte sie leise. Das war eine Position in einem Wartungsschacht, ganz in der Nähe von einem laut Alnettis Daten meist wenig frequentierten Terminalraum. Als sie dort materialisierten, schallte der Alarm durch den Laborkomplex.

"Hm-hm", kam es von Blackfire. "Jetzt müßte man wissen, wem oder was der explizit gilt... Den Sprengladungen, unserem Sprung in den Gleiter, unserem Sprung aus dem Gleiter, unserer Anwesenheit hier in-" Sie brach ab, als Ryko sie zu einer Lüftungsklappe winkte. Durch die Lamellen konnte man in den angrenzenden Gang sehen. Es schien alles ruhig zu sein.

Infinity öffnete die Klappe und sprang elegant hinunter, bevor er Blackfire galant heraushalf. Die gegenüberliegende Tür glitt anstandslos auf, als sie in den Erfassungsbereich des Türsensors kamen. Blackfire hielt bereits ihren Pfeilwerfer in der Hand und legte die beiden Technikerinnen schlafen, die dort an zweien der gut zwanzig Terminals saßen. Ryko ging an das ihm nächste Terminal und loggte sich mit Alnettis Sicherheitscode ein. Es klappte! Offenbar hatte wirklich niemand mit einem Datenklau gerechnet, nachdem er auch noch sämtliche Wertgegenstände aus Alnettis Villa mitgehen ließ. Infinity war beruhigt. Das ersparte ihm viel Arbeit hier. Er hatte unlimitierte Zugriffsberechtigung zu allen Daten des Labors. Rasch setzte er einen Speicherkristall ein und kopierte sämtliches Material. Kurz darauf ersetzte er den Kristall gegen einen neuen.

"Ryko, jetzt mach endlich! Wir können nicht bis in alle Ewigkeit hier herumstehen!"

Infinity hob entschuldigend die Arme. Das Kopieren von Daten ging nun einmal nicht in Nullzeit vonstatten. Endlich war der letzte Kristall gefüllt. Nun ließ Ryko seine Finger in einem Wahnsinnstempo über die Tastatur huschen.

"Ich versuche gerade, den Sprengmechanismus an ein weiteres Kommando zu binden", kommentierte er seine Aktionen. Blackfire trommelte gereizt auf dem Monitor herum und blickte sich nervös um. Noch keine Kapuzentypen.

"So, das wäre es", sagte Infinity endlich. Wenn wir jetzt einen Codeimpuls abstrahlen, der von der Funkanlage zur Entschlüsselung in den Hauptcomputer geschickt wird, triggert dieser eine andere Codesequenz, die dann vom Sprengmechanismus als Aktivierungssignal gedeutet wird. Gleichzeitig fängt meine Spielerei hier auch jeden Abbruchbefehl ab..."

"Gut! - Und jetzt mit Full Speed wieder raus!"

Sie jagten aus dem Terminalraum. Karylla sah sich hektisch um, denn sie hatte ein ungutes Gefühl. Ryko blickte auf sein handliches Abtastgerät, das er aus einer seiner voluminösen Hosentaschen gewühlt hatte.

"Ich orte etwa 7 Personen, die sich auf unseren Standort zu bewegen", eröffnete er Blackfire.

"Das klingt, als hätten wir ein Problem..."

* * *

Stardust kroch durch einen engen Gang. Über Incom gab Cass ihr Anweisungen.

"Jetzt links!"

"Links? Es geht nicht nach links", beschwerte sich Stardust und blickte sich nach einer Öffnung um.

"Es muß! Vielleicht ist der Eingang verschlossen worden. Klingt die Wand hohl?"

Jana klopfte gegen die Wand. Tatsache, hohl! Sie schob und drückte, und schließlich gab das Ding nach. Stardust polterte samt Abdeckung mit lautem Getöse in einen hellerleuchteten Flur.

"Nun gut. Es gab doch eine Luke", bemerkte sie und rappelte sich vom Boden auf.

"So, jetzt durch die zweite Tür von rechts", ordnete Cass an.

"Ja ja... Ich bin unterwegs!"

Stardust öffnete die Tür und begab sich in den leerstehenden Raum.

"Nun?" fragte Cass.

"Du hattest recht, hier stehen einige Terminals."

"Dann bau den Sender ein und schließ das Transfergerät an!"

"Ja doch!"

Sie packte ihr Werkzeug aus und fing an, die Konsolen auseinanderzunehmen.

"So. Schon erledigt", meinte sie nach einiger Zeit. Jetzt war die Reihe an Cass. Dieser arbeitete fieberhaft, um an die gesuchten Daten zu gelangen, während Stardust den Flur im Auge behielt.

"Ich hab's!" erklang Cass zufrieden. "Du kannst das Transfergerät wieder abkoppeln."

Jana seufzte. Sie kam sich wie ein Handlanger vor.

"Und jetzt?" erkundigte sie sich.

"Zurück in den Schacht. Ich lotse dich zu mir."

Stardust klemmte Werkzeug und Transfergerät an ihren Gürtel und kletterte wieder in den Schacht.

'Grummel', dachte sie.

* * *

Infinity sah sich rasch um, bevor er einen geeigneten Seitengang entdeckte. Während seiner Computerspielereien hatte er auch die Bewegungen der zentral über den Hauptcomputer gesteuerten Wachposten memoriert.

Dummerweise rannten aber immer auch noch Leute ohne Befehl von oben durch die Gänge, die nicht vorausberechenbar waren. Er sah sich um. Karylla war ihm dicht auf den Fersen; sie hatte einen ihrer beiden Pfeilwerfer schußbereit in der Hand.

Der Seitengang war glücklicherweise frei. Infinity öffnete einen der Wartungsschächte und hob Blackfire mühelos hinein, bevor er hinterherkletterte. Sorgfältig verschloß er die Luke wieder hinter sich und folgte seiner Partnerin, die wie üblich schon vorausgekrabbelt war.

Plötzlich kam eine Biegung, und Blackfire bog schwungvoll ab - nur um frontal mit jemandem zuammenzukrachen.

"Humpf", machte Stardust und rieb sich den Kopf.

"Ups!" gab Blackfire von sich und schüttelte sich benommen.

"Was ist los, Karylla?" erkundigte sich Ryko besorgt.

"Ryko, halt mich fest", stöhnte Blackfire genervt. "Halt mich fest, bevor ich ihr die Gurgel umdrehe!"

Infinity verstand natürlich gar nichts, er war ja auch noch nicht um die Ecke gebogen.

Unterdessen dachte Stardust darüber nach, Blackfire am Spieß zu rösten. Alles drehte sich um sie. Argh!

"Was ist los?"

"Stardust!" stieß Karylla hervor und rieb sich den Kopf. Das würde eine Beule geben! Jana hatte einen echten Holzschädel.

"Geh mir aus dem Weg!" knurrte Stardust.

"Kommt gar nicht in die Tüte!" fauchte Karylla zurück. "Du machst mir die Bahn frei!"

"Ich denke nicht daran! Ich will in diese Richtung, und du wirst mich nicht daran hindern!"

Stardust schob und drückte Blackfire zur Seite, um an ihr vorbei zu kommen. Prompt sah sie Rykos riesige, strahlend violette Augen und dessen schneeweißes Gesicht vor sich. Er war natürlich wie stets maßlos neugierig und hatte ebenfalls versucht, sich an Karylla vorbeizudrängeln.

Stardust knurrte ihn an. Das hatte ihr noch gefehlt! Sie mußte vorbei. Cass hatte es ihr deutlich gemacht, daß sie nur wenig Zeit hatten.

"Lassen Sie mich sofort durch!"

"Nein. Wir beabsichtigen, uns in diese Richtung fortzubewegen." Er richtete seinen Zeigefinger auf Janas Nase. Stardust schlug ihm auf die Hand.

"Und ich will in die andere!"

"Das ist mir vollkommen gleichgültig." Ryko schob sich entschieden vor.

"Umpf!" machte Blackfire, die kaum noch Luft bekam.

Stardust hatte irgendwie Probleme, sich gegen Infinity zu behaupten. Er war entschieden stärker und drängte sie ziemlich gegen Blackfire. Schließlich steckte sie so fest, daß sie weder vor noch zurück konnte.

"Aua!"

"Hilfe!" kam es erstickt von Blackfire.

"Hoppla!" meinte Infinity.

"Grumpf!" machte Stardust, als Blackfire ihr in die Rippen hieb.

"Luft!" beschwerte Karylla sich. Ryko zog sich ein paar Zentimeter zurück. Aber er weigerte sich trotzdem beharrlich, Jana den Weg frei zu machen. Hier ging es schließlich auch ums Prinzip.

Stardust hing immer noch fest, da sich ihr Gürtel anscheinend irgendwie mit dem von Blackfire verhakt hatte.

"Nichts zu machen", meinte sie schließlich resignierend.

Infinity kletterte nun doch zurück und beschloß, daß er etwas unternehmen müßte. Er packte Karylla an den Füßen und begann zu ziehen. Jana jaulte auf.

"Aua! Nicht so fest! Das tut weh!"

Auch Blackfire protestierte energisch.

"Infi! - Autsch!"

"So kommen wir definitiv nicht voran", stellte Stardust fest.

Karylla fummelte mit einer Hand an ihrer Gürtelschließe herum, bis der TM-Gürtel aufging.

"Ryko, jetzt kannst du es noch mal probieren."

Er machte einen zweiten Versuch, und es ruckte.

"JAUL!" - Aber nun waren sie zumindest entkeilt. Karylla setzte sich irgendwie (Betonung auf dem irgendwie!) und bemühte sich, ihren Gürtel erneut zu befestigen. Endlich hatte sie das Magnetschloß arretiert. Stardust seufzte erleichtert, da sie endlich wieder durchatmen konnte, ohne daß ihr der Gürtel in den Bauch drückte.

"Ich will immer noch in die Richtung", sagte sie und deutete nach vorne.

"Und ich weigere mich weiterhin zu wenden - vor allem, da dies hier ohnehin unmöglich ist. Außerdem bin ich in der Überzahl", bemerkte Blackfire entschieden.

"Ach ja? Du verläßt dich doch eh nur auf deine Unterstützung! Wie wäre es, wenn du in den Gang neben deinem Hinterteil zurückkriechen würdest?"

"Nur damit du dann vergeblich versuchst, dich an Ryko vorbeizuquetschen? Wie wäre es, wenn ich ein paar Zentimeter zurückgehe und du dort wartest?"

"Du wolltest doch nicht weichen?! - Wenn du dich entscheiden könntest, den Eingang freizugeben, dann könnte ich mich entschließen, euch vorbeizulassen."

"Wenn sich die Damen einigen könnten?" kam es ironisch von hinten. "Ich glaube, wir werden eingekreist!"

"Ach nein? Warum hatte ich es wohl von jeher so eilig?" meinte Stardust ungeduldig.

"Wir haben nicht die Wachen auf unsere Position aufmerksam gemacht", bemerkte Blackfire genervt. "Ohne deinen Dilettantismus wären wir schon längst unauffällig hier 'raus!" Sie kroch einen halben Meter zurück und funkelte Jana giftig an.

"Ach ja? Ich habe den Alarm ausgelöst? Daß ich nicht lache! Es hat keinen Alarm in meiner Nähe gegeben. Es wird wohl deine übereifrige Natur gewesen sein, die den Alarm auslöste!"

Stardust krabbelte in den Seitengang.

"Wir wissen wenigstens, was wir wollen, meine Liebe!" Mit einem tödlichen Seitenblick kletterte Karylla an ihrer Erzgegnerin vorbei. Infinity folgte ihr, und sein Blick fiel nicht minder vernichtend aus.

Stardust blickte ihnen genervt nach.

"Cass, wieviel Zeit bleibt noch?"

"Drei Minuten und 64 Sekunden."

"Das schaffe ich nie!"

"Du mußt dich halt etwas beeilen."

"Haha!" meinte Stardust und machte sich etwas schneller auf den Weg.

* * *

"Ryko, weißt du noch, wo wir sind? Ich habe mittlerweile endgültig den Überblick verloren", beschwerte sich Blackfire. Dieses Meeting mit Jana Star war ja wohl eindeutig mehr als nur überflüssig gewesen! Sie hatte schon von Anfang an gewußt, daß es eine Schnapsidee von Ryko gewesen war, die ISPC einzuschalten.

"Da vorne geht es nach links, und dann müssen wir zwölf Etagen tiefer."

"Du baust mich wieder so richtig auf", nörgelte Karylla. Sie war schon völlig außer Atem. wenn sie doch nur endlich die Sicherheitszentrale erreichen würden, damit sie das Anti-TM-System ausschalten könnten!

Genervt setzte sie einen Fuß vor den anderen und dachte sich derweil einige noch deftigere Flüche aus, die sie ausprobieren würde, wenn sie wieder besser drauf war.

* * *

"Halt! Wende um 180 Grad!" meinte Cass plötzlich.

"Wieso das schon wieder?"

"Mir ist da so eine Idee gekommen."

"Ach? Und wie bitte soll ich mich hier umdrehen?"

"Na, dann eben rückwärts!"

"Was du so alles verlangst", maulte Stardust und kroch rückwärts.

"Stop! Hier muß eine Luke sein."

"Was soll das schon wieder?"

"Frag nicht! Steig lieber aus dem Wartungsschacht oder du wirst gleich gegrillt." Stardust stieß die Luke auf und kletterte hinaus.

"Warum gegrillt?"

"Die Schächte in dieser Etage werden gleich gereinigt."

"Toll! Und was jetzt?"

"Geradeaus bis zur Flügeltür." Jana machte sich auf den Weg und fragte sich wohl zum hundersten Mal, warum sie bloß auf die Idee gekommen war, hierher zurückzukehren.

* * *

"Und nun?" Karylla hing am unteren Ende der Leiter und wünschte sich nichts mehr als eine Antigrav-Bahre. Infinity wartete ungeduldig.

"Wir müssen uns etwas beeilen, Karylla. Soviel Glück wie wir in den letzten Stunden gehabt haben, verbrauchen andere Leute nicht einmal in einem Jahrzehnt! - Da vorne geht es raus aus dem Schacht. Danach müssen wir durch die automatische Abfüllanlage und am Ende in den nächsten Wartungsschacht. Von dort geht es wieder sieben Etagen hoch."

"Ich sehe, es ist dein voller Ernst!" Ächzend machte sich Blackfire auf, Ryko zu folgen. Sie haßte Leitern. Und vor allem die, die beharrlich nach oben führten.

Als sie den Schacht verließen, hörten sie Schritte auf sich zukommen.

"Zu spät, um in den Schacht zurückzukommen", flüsterte Infinity.

"Laß mich nur machen", meinte Karylla und griff nach dem Pfeilwerfer. Ryko war üblicherweise nie bewaffnet; er schleppte nur Unmengen Werkzeug mit sich herum. In der Regel oblag es Blackfire, etwaige Gegner auszuschalten. Sie streckte sich. Wenigstens etwas Abwechslung nach dem ewigen Herumgekrieche!

Plötzlich standen bestimmt zwanzig dunkelbraune und dunkelgrüne Kapuzis (also die niedrigen Ränge) vor ihnen.

"@#!?$*%!" erprobte Karylla einen ihrer nagelneuen Flüche an ihnen, doch die Zipfeltypen ließen sich davon nicht im Geringsten beeindrucken.

Ryko sah Blackfire auffordernd an. Sie schoß sechs der Typen je einen Lähmkristall in die Kapuzenöffnung, doch dann waren sie auch schon zu nahe heran.

"Oh-oh", meinte Karylla peinlich berührt. "Code Alpha! rief sie dann zu Infinity herüber, und die beiden machten auf dem Absatz kehrt und gaben Fersengeld. Doch nun kamen ihnen auch noch von der anderen Seite KD-Leute entgegen. Und die hatten äußerst letal scheinende Strahlpistolen in den Händen...

* * *

Stardust hielt vor der Tür an. "Was jetzt?"

"Rein! Und den Typ drinnen k.o.-schlagen!" ordnete Cass an.

"Was?" Jana klang ziemlich irritiert.

"Tu einfach, was ich dir sage", empfahl Cass. Stardust seufzte schwer.

"Wo steht er denn?" wollte sie wissen.

"Er liegt, und zwar unter dem Terminal links."

"Schön!" Jana wickelte ihre Sinya aus. Ein Pieks, und die Sache war gegessen. Sie schlich in die riesige Halle und verpaßte dem Wartungstechniker eine Dosis. Neben ihm stand ein Mini-Gleiter, dessen Ladefläche von Unmengen Schrott und Geräteteilen bedeckt war.

"Und jetzt?" Stardust fragte sich wie üblich, was sie eigentlich hier tat.

"Jetzt möchte ich, daß du in den Gleiter steigst, das Kontrollpaneel öffnest und den Codegeber entfernst."

Stardust sagte nichts, sondern pfriemelte das Ding heraus.

"Ich hab's. Und jetzt?" Sie klang leicht genervt. Diesmal hatte Cass es endgültig geschafft, sie zur Assistentin zu degradieren. Aber ohne seine Hilfe würde sie nie hier herauskommen.

"Es wäre nett, wenn du einsteigen würdest", bemerkte er.

"Häh? Wo steckst du?"

"Na, hinter der Tür natürlich!"

Jana war schwer verärgert. Sie lief zu 'ihrem' Gleiter und schwang sich hinein.

"Wenn du eh hier rumkurvst, warum in Himmels Namen, muß ich dann durch die blöden Schächte kriechen?"

"Weil es mir Spaß macht", erwiderte Cass belustigt.

"Na warte... Wenn wir erst hier raus sind, zerlege ich dich in deine Einzelteile!"

"Dazu bist du gar nicht in der Lage!"

"Grrrr! - Und was machen wir jetzt?" wechselte Stardust das Thema.

"Wir machen uns auf den Weg zur Sicherheitszentrale, um das Anti-TM- System zu desaktivieren."

"Fein", meinte Jana ironisch. "Und wozu brauchst du das? " Sie hielt anklagend den Codegeber hoch.

"Das Ding weist uns jetzt als Wartungsfahrzeug aus", dozierte Cass.

"Schön."

* * *

Blackfire und Infinity sahen sich fatalistisch an.

"Blau-blau-rot", sagte Karylla, und beide aktivierten ihre TM-Gürtel. Sie tauchten in einem Wartungsschacht ganz in der Nähe der Sicherheitszentrale auf.

"Ayeé, jetzt müssen wir uns wirklich beeilen. Sicherlich haben die den Sprung angemessen und uns sofort eine weitere Horde hinterhergeschickt", bemerkte Blackfire.

Ryko nickte nur. Deshalb hatte er ursprünglich aus Sicherheitsgründen möglichst gar nicht innerhalb der Station herumtransmittieren wollen. Aber so wie es war, sollten sie versuchen, das beste aus der Situation zu machen.

"Okay. Wir sollten zusehen, daß wir einen Schacht finden, der direkt einen Ausgang in der Sicherheitszentrale hat." Infinity deutete nach links. "Da entlang, dann machen wir einen Bogen und erreichen die von uns aus betrachtet rückwärtige Wand des Raums."

Sie brachten gut zweihundert Meter im Laufschritt hinter sich. Karylla deutete auf eine Lüftungsklappe.

"Hier?"

Ryko dachte kurz nach, dann nickte er zustimmend.

Blackfire hob das Gitter vorsichtig an und spähte hindurch. In der Tat, genau die richtige Stelle! Von hier hatte sie den perfekten Überblick über die gesamte Zentrale. Sie steckte ihren Pfeilwerfer durch die Öffnung und visierte nacheinander die Techniker an. Die Leute wußten gar nicht, wie ihnen geschah, als sie schon vereint im Land der Träume weilten. Endlich war der Weg frei, und Blackfire & Infinity ließen sich aus der Luke herab.

"So, jetzt müssen wir nur noch die Konsole des Anti-TM-Systems finden und das ganze Teil dauerhaft terminieren", stellte Karylla fest. Ryko warf einen Blick in die Runde und steuerte dann zielstrebig auf eine der Konsolen zu.

In demselben Augenblick schoß Stardust durch die Tür und blieb abrupt stehen, als wäre sie vor eine Mauer gerann.

'Die schon wieder...!'

Blackfire hörte etwas kommen und wirbelte mit schußbereitem Pfeilwerfer herum. In letzter Sekunde stoppte sie den Finger vor der Sensorttaste. Das durfte doch nicht wahr sein...!

"Was treibst du denn noch hier? Ich dachte, du wolltest in die andere Richtung?!"

"Ich bin auch in die andere Richtung gegangen!" Stardust blickte sich um. Wo war bloß das dumme Pult, das Cass gemeint hatte?

Inzwischen hatte Ryko sein auserwähltes Opfer von seiner Verkleidung befreit und das Werkzeug neben sich ausgebreitet. Er wollte das Anti-TM-System wirklich ausschalten, was bedeutete, daß er auch die dreifach redundanten Ersatzsysteme komplett demolieren mußte. Manchmal waren Failsafe-Systeme nervig.

Jana hatte mittlerweile befunden, daß die Konsolen alle gleich aussahen.

"Cass, welches denn?" fragte sie entnervt.

"Das dritte von links in der zweiten Reihe von vorne!" Stardust dachte krampfhaft nach, bevor sie die Pulte der Einfachheit halber abzählte.

"Das?" wollte sie wissen.

"Genau das. Du hast es verstanden", stellte Cass zufrieden fest.

"Du mit deinen dummen Ortsangaben", beschwerte sich Jana.

"Jetzt mach es auf und rupfe das dritte blaue Ding von oben heraus."

Stardust tat, wie ihr geheißen und wartete auf irgendeinen Effekt. Nichts passierte.

"Hm?!" machte sie irritiert.

"Gut, du kannst wieder herkommen", sagte Cass.

"Und das verstehe einer...!" Stardust tat dieses jedenfalls nicht.

Unvermittelt begann Rykos Pult, Funken zu sprühen, bevor sich eine dichte, schwarze Qualmwolke erhob und alle Lichtlein in der näheren Umgebung verloschen.

"Ich habe das System komplett kurzgeschlossen", kommentierte Infinity befriedigt das Feuerwerk, das er veranstaltet hatte und dankte insgeheim dem Produzenten des überaus sinnvollen Stoffes seines Einsatzcoveralls. Neben anderer interessanter Eigenschaften war das Teil nämlich absolut hitzebeständig und feuerfest.

"Gut, dann können wir ja wohl verschwinden", bemerkte Blackfire, bevor sie ein paar drohende Schritte auf Stardust zu machte. "Und dir sei gesagt, daß wir es nicht einsehen, dir ständig alle Steine aus dem Weg zu räumen!" fauchte sie giftig. "Wir sprechen uns noch einmal!"

"Ach ja? Wer räumt hier wem die Steine aus dem Weg? Zudem lege ich keinerlei Wert auf irgendwelche weiteren Kontakte zu dir und diesem Monsieur Maiell!" Stardust drehte sich einfach um und ging.

Blackfire tat dasselbe und tippte auf den Schalter ihres TM-Gürtels, der sie zur Lightning zurückbrachte. Ryko materialisierte unmittelbar nach ihr.

Jana stieg wortlos in Cass und beschleunigte sofort, um so rasch wie möglich aus dem Labor zu springen.

* * *

Blackfire saß am Leitstand ihres Raumschiffs und sah auf den Ortungsmonitor.

"Stardust ist draußen. Du kannst den Komplex sprengen."

Ryko tippte auf die Taste, die das Selbstvernichtungssignal auslöste, und eine gewaltige Explosion riß einen tiefen Krater in die Wüstenlandschaft bei Chicolita.

Karylla lehnte sich geschafft zurück.

"Ich fühle mich so kaputt wie selten zuvor", bemerkte sie und sah auf den Bildschirm, der zeigte, wie die Rauchschwaden sich langsam über der Wüste senkten. "Verdammt, ich fühle mich so ...mies, weil ich die Typen umgebracht habe, und trotzdem bin ich der Überzeugung, daß sie es verdient hatten... - Ryko, meinst du, es war richtig, das Labor zu sprengen? So sind zwei- oder dreihundert Leute getötet worden. Aber wenn die nur für eine Woche weiterproduziert hätten, wären vielleicht hunderte anderer Leute neu süchtig gemacht worden oder an den Drogen gestorben... Ach, verdammt!"

Ryko stand auf und ging zu seiner Partnerin hinüber. Er strich ihr sanft über die Wange.

"Kary, denke daran, Firestar wollte, daß du seine Arbeit fortführst. Er hat dir nicht umsonst sämtliche seiner Forschungsunterlagen hinterlassen..."

"Ich weiß... Damit ich mir selbst eine adäquate Ausrüstung zusammenbasteln konnte, um unter anderem mit solchen Typen aufzuräumen..." Sie versuchte sich an einem schwachen Lächeln. "Ich finde es schlimm, daß wir im Prinzip nur Handlanger des Konsortiums erwischt haben", meinte sie schließlich. "Wenn man bedenkt, wer offenbar alles in die Geschichte verwickelt ist... Ein ISPC-Departmentleiter und ein planetarischer Justizminister!" Sie schüttelte den Kopf. "Mein Vater wußte schon, warum ich unabhängig von der ISPC und sonstigen staatlichen Stellen operieren sollte!"

Ryko legte die Speicherkristalle in das Lesegerät des Lightning-Bordcomputers ein.

"Ich will doch mal sehen, was wir hier erbeutet haben." Die Daten huschten über den Schirm, und Infinity betrachtete sie mit wachsender Verärgerung.

Blackfire gesellte sich zu ihm und sah ihm über die Schulter, wobei sie ihr Kinn ebendort aufstützte.

"Und?"

"Diese Leute sind derart vorsichtig, daß sie offenbar in den Computern der einzelnen Labors nur jeweils die Daten von zwei weiteren Stationen abgelegt haben! Es scheint mir beinahe unmögliche, diese Vereinigung effektiv mit Stumpf und Stiel auszurotten."

"Hach, wie liebe ich doch dagegen so triviale Jobs wie das Absägen korrupter Politiker oder Requisitionen auf Bestellung...!"

Karylla ließ sich auf der Lehne von Rykos Sessel nieder. Dieser lächelte ebenfalls etwas gequält.

"Ich schlage vor, daß wir erst einmal nach Nightfall Station zurückkehren. Dort können wir ja abwarten, was als nächstes auf uns zu kommt."

"Ich habe aber zur Zeit Null Bock auf neue Aufträge!" beschwerte sich Blackfire. Ryko sah sie nur belustigt an und steuerte die Lightning in den Asteroidengürtel im Suune-System, wo Nightfall Station, Karyllas Basis, untergebracht war.

* * *

Derweil hatten Stardust und Cass die Starcave erreicht. Cass wertete die mitgebrachten Daten aus und übersandte einen Teil davon gleich an die Behörden, die sich um die Angelegenheit kümmern würden. Auch die ISPC wurde informiert.

Und nun war Stardust hundemüde. Sie schlief schon, bevor sie ganz im Bett lag. Sie wollte nichts mehr hören.

* * *

Mittlerweile war Tenmatag, der 4. Demeri 3761 GZ. Die Schlagzeilen in der Presse überschlugen sich wieder einmal:

GEWALTIGER SCHLAG GEGEN KONSORTIUM D GEGLÜCKT
Stardust, Blackfire & Infinity räuchern Drogennest aus!

JUSTIZMINISTER ALS DROGENBOSS ENTLARVT
Tritt Tarishaans Regierungschefin Kimris zurück?

DAS SCHWARZE SCHAF IN DER ISPC
Nardia Blade von Mandrass' Verrat zutiefst betroffen

Myriella, das hübsche silberhaarige Dienstmädchen auf der Villa Alycia, hatte Alycia Blade die aktuelle Tagespresse als Solido-Kopie vorbeigebracht. Die Malerin lag in einem neonpinkfarbenen Negligé in ihrer riesigen, neonblauen Bettstatt und wühlte in den Zeitungen herum. Endlich hatte sie die Fernbedienung des Viphons entdeckt und aktivierte dieses per Knopfdruck.

"Hallo Nardia!"

"Hi, Acy!" Auch Nardia lag noch in ihrem Bett. Dieses war eine Art von monumentalem Himmelbett, in dem Nad beinahe nicht zu finden war.

"Sag mal, hast du das von diesem ISPC-Typen schon gehört? Skandalös! Und daß Blackfire die Leute erst darauf aufmerksam machen mußte! Ein Unding!" Alycia war aufgesprungen und stand wie eine neonpinke Rachegöttin inmitten neonblauer Kissenwolken.

"Hm. Stimmt schon... Mich wundert ja nur, daß Blackfire mit Stardust zusammengearbeitet haben soll!" Nardia klingelte nach dem Frühstück, und ihre Halbschwester tat es ihr gleich. Sofort brachte Myriella ein Schwebetablett heran und goß Alycia einen Kaffee mit Unmengen Milch ein.

"Danke, meine Liebe", meinte Acy freundlich und sah sich um. Wo blieb Cayvyn nur? Er wollte ihr doch beim Frühstück Gesellschaft leisten. Oder bastelte er schon wieder an der Dreamsong herum? "Also, ich kann es mir auch nicht vorstellen", sagte sie dann zu Nardia gewandt. "Daß Blackfire und Stardust zusammenarbeiten, meine ich." Sie ließ sich wieder in die Kissen plumpsen. Das Schwebetablett blieb unverrückbar auf Position.

"Wirklich merkwürdig", meinte nun Nardia. "Da muß doch mehr hinterstecken... Sag mal, warst du eigentlich auf dem Maskenball? Ich habe dich gar nicht entdeckt!"

"Kannst du dich nicht an die pastellrosafarbene Elfe mit den goldenen Haaren erinnern?"

Nardia dachte nach. Sie hatte bestimmt zwei Dutzend pastellrosafarbene Elfen mit goldenen Haaren gesehen.

"Ich glaube schon", erwiderte sie dann. "Naja, irgendwie war der Abend ohnehin etwas hektisch."

"Mhm..." Alycia sah in weite Fernen. "Sag mal, was ist eigentlich dieser Infinity für ein Typ? Du hattest doch etwas ...intensiveren Kontakt zu ihm?!" Nad grinste bei dem Gedanken.

"Er ist - interessant! Das kann ich auf jeden Fall behaupten. Aber leider war ich zu sehr von den anderen Gästen in Anspruch genommen, um mir eine tiefergehende Meinung bilden zu können. Wir haben nur ein paar Worte gewechselt."

"Das ist schade! - Im Vertrauen..." Alycia blickte sich etwas scheu um. "Ich finde er sieht überaus ...attraktiv aus. Diese Farben...! - Aber du warst ja so schnell mit ihm verschwunden!"

Nardia hob erstaunt die Augenbrauen.

"Wir hatten eine geschäftliche Angelegenheit zu erledigen, und pausenlos ist dieser Thorn Graven aufgetaucht. Da bin ich dann wohl etwas heftig geworden..."

"Aha", machte Alycia leicht anzüglich, "Auf jeden Fall haben mich deine angeblichen Heiratsabsichten ungemein amüsiert. - Und wie stehst du zu dieser Verdächtigung, daß du Blackfire seist?" Sie kicherte albern.

"Lächerlich! Wie sollte ich sowas fertigbringen! Ich habe doch gar keine Zeit für solche Spielchen. Genausogut könntest du Stardust sein!" Nun hätte die Malerin beinahe ihren Kaffee verschüttet.

"Das ist doch nicht dein Ernst!" prustete sie.

"Siehst du!" Nad grinste. "Alleine die Vorstellung ist absurd." Alycia räkelte sich verschlafen und verfehlte das Schwebetablett nur um Millimeter.

"Was planst du eigentlich für die Jahresbeginn-Feier in 4 1/2 Wochen?"

"Es wird natürlich einen großen Gala-Ball geben. Mit 750 Gästen - Das wird wieder ein Streß!"

"Seufz... - Nebenbei, was meinst du - ob Infinity wieder erscheinen wird? Ich fand ihn einfach niedlich." Alycia errötete zart.

"Tja! Da kann ich nichts versprechen... Aber vielleicht...?" Nardia blickte durchaus verträumt in die Gegend.

"Soso." Alycia raffte ihr Nachtgewand zusammen und sprang von ihrer Liegewiese. "Ich werde mich wohl ankleiden... Es stand doch heute eine Fabrikeinweihung auf dem Stundenplan, oder?" Sie hopste durch ihr Schlafgemach und suchte in dem Haufen ihrer zuletzt getragenen Roben nach einem dem Anlaß angemessenen Kleidungsstück. Sie schwankte zwischen Neonblau und Metallic-Neonpink.

"Genau. Leider ist meine Anwesenheit zwingend notwendig", seufzte Nardia. "Ich glaube, ich sollte mich ebenfalls ankleiden. Bis dann!"

"Bis dann...!"

- BYE -

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Last modified: 13.04.2002

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