SvB #1a: Brutus©1989 by Shavana & StaykaEs war Suuntag, der 10. Vembari 3761 GZ (Galakta-Zeit), und Nardia Blade langweilte sich tödlich. Sie haßte diese Wohltätigkeitsveranstaltungen, die sie gezwungenermaßen - da sie es ihrem Image schuldig war - abhalten mußte. Heute waren es einmal nur 150 Gäste die sie nach Blade Manor eingeladen hatte, eine exklusive Gesellschaft, deren Spenden dem Kinderhilfswerk von Allirion IV/Naravina und dem Verband für strahlengeschädigte Bergleute von Saluna VII zugute kommen sollte. Die junge Frau seufzte abgrundtief. Aber solche Veranstaltungen gehörten nun einmal dazu, wenn man Präsidentin eines Unternehmens wie Blade Enterprises, Schirmherrin der ISPC und zudem eine überaus erfolgreiche Autorin war. (ISCP - Interstellar Society of Protection and Crime-fighting - eine private Organisation zur Verbrechensbekämpfung, die immer dann in Erscheinung tritt, wenn die lokalen planetarischen Polizeitruppen der Freien Galaktischen Sternenrepublik hilflos sind.) Sie blickte über die Masse der reichen Langweiler, die den Ballsaal bevölkerten und gähnte diskret, bevor sie sich auf den Weg zum Kalten Buffet machte, dem einzigen einigermaßen interessanten Teil dieses Wohltätigkeitsballs. Sie raffte ihr raffiniertes, metallicgrünes Gewand zusammen, das die smaragdene Farbe ihrer Augen auf das Vorteilhafteste unterstrich, und beschleunigte ihre Schritte, um Thorn Graven zu entgehen, der schon wieder in ihre Richtung strebte. Oh Graus... Alycia Cherylla Blade, ihres Zeichens ebenfalls Abkömmling des als 'interstellaren Playboy' verschrienen Jeremy Blade (es gab deren mehrere Dutzend, aber Acy war die älteste bekannte leibliche Tochter - wenngleich Nardia das älteste eheliche Kind Jeremys war), befand sich derzeit ebenfalls am Buffet, da sie diesem ohnehin in der Regel lieber Beachtung schenkte als irgendwelchen neureichen oder adligen Ärgernissen. Der berühmt-berüchtigte Kunstkritiker Irigon Delphis belagerte sie hartnäckig, da er unbedingt einige metaphysische Implikationen, die sich aus ihrem neuesten abstrakten Kunstwerk 'Zwei Hände, drei Minuten vor Mitternacht' seines Erachtens ergaben, erörtern mußte. Die Malerin lächelte ihn lediglich schmelzend an, schlug dezent ihre neonblaugeschminkten Augenlider nieder und sagte lieber gar nichts. Das Gemälde hatte nämlich überhaupt keinen metaphysischen Hintergrund, sondern war in der Tat entstanden, als sie eben schnell 3 Minuten vor Mitternacht beide Hände in grüne und gelbe Farbe getaucht und dann in unregelmäßigen Kreisen über die Leinwand gezogen hatte. Aber der Kritik gefiel es offenbar, und die Baronin der Randkolonie Esharite VII/Osikka hatte immerhin 245.000 Credits dafür hingeblättert. Als er Alycia nur ein paar rätselvolle, mystische Blicke entlocken konnte, verzog sich Irigon wieder. Sein Platz wurde kurz von Nardia eingenommen, die aber sofort hinter den gigantischen Blumenarrangements verschwand und verstohlen von diversen Leckereien naschte. Sie grinste ihre Halbschwester entschuldigend an. Alycia sah diesmal aus wie ein vom Wind zerzauster neonblauer Wattepuschel und war demzufolge wie üblich nicht gerade unauffällig, und Nardia verspürte im Augenblick keinerlei Lust, direkt im Rampenlicht zu stehen, vor allem, wo sie ja immer noch auf der Flucht vor diesem gräßlichen Thorn Graven war. Die extravagante Malerin wandte sich kurz um und grinste verständnisvoll zurück. Mit einer gekonnt affektierten Bewegung warf sie ihre po-lange leuchtweiß/neongelb changierende Lockenpracht nach hinten und schwebte auf Graven zu. "Haben Sie schon mein neuestes Kunstwerk bewundert, Monsieur?" flötete sie. Der Mann blieb mit weitaufgerissenen Augen stehen, als diese neonfarbene Elfengestalt in wallenden, halbdurchsichtigen ...Tüchern frontal auf ihn zusteuerte. "Äh nein...!" war alles, was er herausbrachte. "Ah, böser, böser Junge! - Kommen Sie!" Alycia zerrte den Fassungslosen in den Nebenraum, der der Ausstellung ihrer Kunstwerke vorbehalten war. Gut drei Dutzend ihrer wilden Farbklecksereien warteten dort auf interessierte Kunden, bzw. über die Hälfte war heute schon wieder verkauft worden. Thorn wurde ganz anders, als er gezwungenermaßen von einem 'Kunstwerk' zum anderen geschleift wurde. 'Fünf Finger im Nebel' war noch die harmloseste Création... Entzückt kam Nardia hinter den Blumen hervor. Dieser Typ trat ihr nun schon seit drei Wochen auf den Nerven herum. Sie hatte keine Ahnung, woher er kam. Er war plötzlich dagewesen, hatte sich als 'Thorn Graven' vorgestellt, und nun wurde sie ihn nicht mehr los. Seine ewigen Lobeshymnen auf ihre 'unvergängliche Schönheit' etc. waren einfach grausam, zumal sie eh nur ihrem Geld galten. In der Galerie war ein niederträchtiges Funkeln in Alycias neonblaue Augen getreten, als sie wie ein Wasserfall von den zwar nicht vorhandenen, aber leicht zu erfindenden esoterischen Bedeutungen von 'Schwarze Spuren in rasender Eile' erzählte, das im Prinzip zwischen zwei Brötchen beim Frühstück entstanden war. Nun war sie bereits in der achten Minute ihres Vortrags angelangt, ohne daß Thorn auch nur ein Wort dazwischen bekommen hätte. Nach zwanzig Minuten gelang es dem mittlerweile völlig geschafften Mann, sich höflich aber bestimmt von Alycia zu lösen. Er konnte an nichts anderes mehr denken, als schnellstens die Flucht aus Blade Manor anzutreten. Nur noch nach Hause! Die ganze Nacht dröhnte ihm noch der Kopf von den mystisch-esoterischen Worten Alycias. Inzwischen hatte sich Nardia wieder ihren Gästen zugewandt. Sie wünschte sich sehnlichst das Ende dieser öden Party herbei. Alycia war unterdessen ebenfalls in den Ballsaal zurückgekehrt, wo sie zur Abwechslung wieder einmal eine ihrer Solo-Tanzvorführungen zum besten gab. Da ja sie in ihrer Jugend eine intensive Ballett-Ausbildung genossen hatte, schwebte sie nun, einer ätherischen, neonblauen Elfe gleich, über das Parkett. Nardia schüttelte nur den Kopf. Typisch Alycia! Zum Glück war sie die Vorführungen ihrer Halbschwester zur Genüge gewohnt. Einige der Gäste hingegen starrten die Erscheinung offenen Mundes an und geizten nicht mit Applaus. Alycia ließ sich davon nicht im mindesten beeindrucken und schwebte mit dem Ende des Musikstücks schnurstracks wieder zum Buffet, wo sie da weitermachte, wo sie von Thorn Graven unterbrochen worden war. Die Gäste waren begeistert. Ihre Meinung über die exzentrische Malerin war wieder einmal bestätigt worden. Alycias Fan-Club hatte wieder einige Mitglieder gewonnen. Nardia war derweil auf die Terrasse gegangen. Sie lehnte an der Brüstung und sah abwechselnd hinaus in den Park mit dem dezent beleuchteten See und in den Ballsaal hinter den zimmerhohen Fenstern. Schließlich ging sie zum See hinunter, in der Hoffnung, daß ihre Gäste ihr mal fünf Minuten Ruhe gönnen würden. Als Alycia den zweiten Becher neonblauen Sekts geleert hatte, kam wie auf Bestellung (Um der Wahrheit Genüge zu tun - er kam tatsächlich auf Bestellung. Sie hatte diese Zeit mit ihm vereinbart.) ihr Lebensgefährte Sir Cayvyn hereingeschneit. Er war in einen eleganten grüngoldenen Overall gehüllt und wirkte mit seinen kupferrotgoldenen Haaren, dem elfenbeinernen Teint, seinen leuchtend grüngoldenen Augen und dem überaus aristokratischen Gesichtsausdruck fast ebenso extravagant wie Alycia. Zielstrebig steuerte Cayvyn auf sie zu, deutete einen formvollendeten Handkuß an und meinte: "Mylady Alycia, es ist an der Zeit, diese Festivität zu verlassen. Denkt daran, Ihr habt morgen einen schweren Arbeitstag." Die Malerin sah bedauernd in die Runde. "Oh meine Lieben", rief sie an alle und niemanden gewandt aus, "ich muß euch nun verlassen... So lebt denn wohl bis zum nächsten Treffen, das der Schicksalsmeister uns einberaumt hat...!" Mit diesen Worten stürmte sie in den Garten, um sich von ihrer Schwester zu verabschieden. Nardia zuckte resigniert mit den Schultern, als ein leuchtend hellblauer Wirbelwind auf sie zukam. Alycia packte sie und drehte sich wild mit ihr im Kreis, wobei sie fast im See gelandet wären. Die Verabschiedung kam wie üblich zwischen zwei Umdrehungen, und dann verschwand der Wirbelwind schon wieder. Ein neonblauer Pompon hüpfte die Terrassentreppen hinauf und verlor sich im Saal. Nardia seufzte noch einmal und fuhr träumerisch mit der Hand durch das Wasser. 'Manchmal', dachte sie, 'würde ich auch gerne einfach so verschwinden...' Sir Cayvyn geleitete Alycia in ihre schneeweiße Raumyacht Dreamsong, und Acy verzog wieder einmal angeekelt das Gesicht. Dieses dekadente Interieur aus rosarotem Plüsch war derart scheußlich, daß es jeglicher Beschreibung spottete. 'Naja, eigene Schuld!', dachte sie belustigt. 'Schließlich hast du dir dieses Image selbst aufgebaut...' Es hatte allerdings auch seine Vorteile. Immerhin besaß sie nahezu absolute Narrenfreiheit in der feinen Gesellschaft. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte - im Zweifelsfall wurde es eben als neuer Spleen der exzentrischen Milliardenerbin und Malerin Alycia Cherylla Blade angesehen. Und so fiel es auch nicht weiter auf, wenn sie einfach einmal ein paar Tage völlig von der Bildfläche verschwand. Aus Lust und Laune hatte Alycia irgendwann einmal beschlossen, sich eine zweite Identität zu verschaffen, wenn sie des ganzen Pomps und Luxus' wieder einmal überdrüssig war, und zwar als Ingenieurin und Computerspezialistin Helice Enarayn Anvarsin, die als freie Mitarbeiterin bei der ISPC tätig war. Sie lehnte sich bequem im Co-Pilotensitz zurück und wandte sich seufzend an Cayvyn. "Okay, dann ab nach Hause, Cay!" Dieser nickte belustigt; er wußte genau, wie Alycias Einstellung zu diesem dekadenten Milliardärsleben war. Aber sie hielt es eisern durch, das mußte er ihr schon zugestehen. Abgesehen davon hatte es auch hin und wieder seine Vorteile. Die Dreamsong nahm Kurs auf die Villa Alycia, einen prunkvollen Raumstation-Villenkomplex, der in einem geostationären Orbit Acys Wahlheimat Suune III/Tarishaan umkreiste. Das Gebäude war ein neonblauer Oktaeder, der mit granatfarbenen Verzierungenen versehen war und maß etwa 300m in der Längsachse und 200m an den Kanten der Pyramiden-Basisflächen. Die Dreamsong schwebte in ihren Hangar an einer der Seiten ein und setzte sanft auf. Nardia tauchte erst wieder auf, als James, ihr Butler, die letzten Gäste aus dem Haus ließ. Sie wünschte eine Gute Nacht und begab sich in die obere Etage des Hauses. Kurze Zeit später leuchtete das Licht in ihrem Schlafzimmer, dann verlosch es. Jeder mußte denken, daß Nardia Blade zu Bett gegangen war - doch dem war nicht so. Leise klappte eine Geheimtüre, und ein leeres Zimmer blieb zurück. Im Prinzip war Alycia Blade relativ geschafft. Sie wollte nur noch in ihr Bett! Aber vorher mußte sie doch noch ihrem Image gerecht werden und zumindest ein Kunstwerk produzieren. Cay wollte noch ein bißchen an der Dreamsong herumwerkeln. Er fand, daß die Beschleunigung von Null auf 1/3 LG (Lichtgeschwindigkeit) in 2 Stunden doch etwas zu wünschen übrig ließ. Sollte er nur basteln! Solange er das Teil nachher immer wieder zum Fliegen und durch den TKD bekam... (TKD - Technischer Kontroll-Dienst, sowas wie der TÜV in Sol III/Terra; Germania) Naja, sie ohnehin noch einiges zu tun. 'Wie sagte schon der alte Meister Apelles? Nulla dies sine linea!' dachte Acy amüsiert. 'Kein Tag ohne Strich!' Sie ging ins Bad, um erst ihre neonblauen Kontaktlinsen und die neongelb/weiße Perücke loszuwerden, bevor sie ihren wüsten Fummel gegen einen einfachen schmuddeligen Malerkittel eintauschte und zu ihrem Atelier trabte. Gähnend stand sie vor der ebenfalls gähnend leeren 2m x 1m großen Leinwand und griff wahllos nach drei Tuben Farbe. Es waren Purpur, Grellgelbgrün und Ockerbraun. Kurzerhand leerte sie diese in unregelmäßigen Mustern auf dem ehemals jungfräulich weißen Untergrund aus und wischte mit ein paar lässigen Handbewegungen darüber. Fertig war das neuste Kunstwerk von Alycia Cherylla Blade: 'Der Traum vom Tiefen Schlaf'. Anschließend duschte sie (die Farbe war ziemlich hartnäckig) und ließ sich in die Federn fallen. Nardia Blade bewegte sich noch im Halbschlaf durch die Zentrale des ISPC. Warum hatte sie sich nur zu einem Besuch am Morgen nach der Party überreden lassen? Sie stürmte das Büro des ISPC-Departmentleiters für Tarishaan, um die Sache möglichst schnell hinter sich zu bringen. "Guten Morgen, Madame Blade", sagte Joël Lasalle, ein ergrauter Mittfünfziger. "Wie nett, daß Sie uns mit Ihrem Besuch beehren." Nardia versuchte, eine widerspenstige Locke ihres welligen, braunen Haares an ihren Platz zurück zu bugsieren. Ihre Gedanken waren dabei schon wieder anderswo gewesen. Irritiert blickte sie Lasalle an. "Was gibt es neues zu berichten?" fragte sie und blickte ihn aus strahlend grünen Augen an. "Alles läuft wie geschmiert. Die Entwicklungsabteilung hat einige Erfolge bei der Erweiterung des TM-Systems erzielt. Soll ich es Ihnen vorführen lassen?" (TM-System - Transmit-System, das dazu dient, interstellare Strecken in Nullzeit zu überspringen.) "Nein, danke. Ein anderes Mal vielleicht. Ich habe heute noch einen Termin beim Friseur." Nardia lächelte ihn huldvoll an und rauschte aus der Zentrale. Helice Anvarsin saß an ihrem Computerterminal und sichtete die Einsatzpläne der Spezialagenten, die die CASS-Fahrzeuge steuerten. (CASS - Computerized Aero-Shuttle System) CASS IX und CASS XIII waren im Augenblick in Reparatur, und Lady Melisande Harrison (Codename: Duchesse), die Fahrerin von CASS IX hatte zur Zeit das Ersatzfahrzeug CASS XII zugeteilt bekommen. Insgesamt gab es dreizehn CASS-Gleiter, den Prototypen CASS I, sowie 12 'normale' Modelle, von denen regulär nur zehn geflogen wurden. CASS XII und CASS XIII waren in der Regel als Ersatzfahrzeuge gedacht, wenn wieder einmal eines der anderen Aero-Shuttles im Einsatz zu Schaden gekommen war. Hm, ansonsten schien sich alles in normalen Bahnen zu bewegen. Helice beschloß, daß sie sich die Zeit so lange mit aktuellen Forschungsberichten vertreiben könnte. Gerade betrat Jana Star (Codename Stardust), eine weitere Spezialagentin der ISPC, den Raum. Ihre hüftlangen, weißen Haare wippten fröhlich, und die eisblauen Augen blickten unternehmungslustig in die Runde. "Ein neuer Auftrag?" fragte sie und zog die schwarzen Handschuhe aus, um sie hinter ihren Gürtel zu klemmen. Helice tippte rasch auf die Funktionstaste, die etwaige verfängliche Daten vom Bildschirm löschte und durch die aktuellen Terminpläne ersetzte. Sie wandte sich mitsamt ihrem Drehsessel um, und ihre kurzen, fransigen knallroten Haare wichen nicht einen Millimeter von ihrem zugewiesenen Platz ab. "Mam'zelle Star, Sie sind heute zu einer Proberunde mit dem neuen TM-Peilsystem eingeteilt. CASS I wartet bereits auf Sie." Jana hob irritiert eine Augenbraue. "Wie kommt Cass hierher? Er hatte doch versprochen, zu Hause zu warten. - Typisch!" "Ich habe ihn auf der Alpha-Frequenz gerufen, und er war begierig, das Gerät eingebaut zu bekommen. Sein altes Peilsystem erreichte nur etwa 50% der Leistung des neuen Systems", bemerkte die Technikerin. Jana blickte nur noch verwunderter. Seit wann ließ sich Cass irgendetwas von der ISPC einbauen? Sonst durften die Leute hier nicht einmal einen flüchtigen Blick in seine Innereien werfen! Naja, wenn es aber wirklich so eine Verbesserung war... - sie würde ja sehen. Eilig machte sie sich auf den Weg zur Werkstatt. Cass wartete schon gespannt. Kein Techniker war weit und breit zu sehen, aber der Gleiter wirkte eindeutig frisch geputzt. Die seidigschwarze Karosserie glänzte wie neu. Er maß 10m von der Spitze bis zu den Heckspoilern und schwebte bereits ungeduldig etwa 15cm über dem Boden. Kaum daß Stardust auf ihn zu trat, klappte eine der Flügeltüren einladend auf. "Let's go!" meinte Cass und vibrierte ein bißchen, woraufhin sich Jana schnell hineinschwang. Ihm war zuzutrauen, daß er alleine abdüste. "Was soll das mit dem neuen Teil?" fragte sie und polierte den Staub von ihrer schwarzen Lederkombi. "Top secret!" Cass klang eindeutig amüsiert. Manchmal wünschte sich Jana, daß er einen Hals hätte, damit sie ihm diesen umdrehen könnte - obwohl das mit Sicherheit unpassend aussehen würde, wie sie kichernd bedachte. "Worüber lachst du?" fragte Cass neugierig. "Top secret!" gab Jana ironisch zurück. Cass gab ein eingeschnapptes Geräusch von sich und beschleunigte, daß seine Fahrerin in den Sitz geknallt wurde. "Wir sollten sehen, daß wir unser Ziel noch heute erreichen", sagte er. "Das ist kein Grund, mein Rückgrat zu verbiegen", maulte Jana. "Was soll das für ein Test sein?" "Der neue TM-Peiler soll unbefugte Transmissionen anmessen. Es ist eine verbesserte Version." "Aha!" "Vielleicht gelingt es dir jetzt einmal, die Lightning von Blackfire zu erwischen..." "Mir? Du behauptest doch immer, kein Fahrzeug könne dir entwischen!" "Mir entwischt kein Gleiter. Ich bin nun einmal nicht so sonderlich raumtüchtig. Es ist deine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Lightning nicht abheben kann." "So? Und wie, du neunmalkluges Gerät? Soll ich sie mit einem Seil einfangen und festbinden?" "Wer ist hier der Intelligentere von uns beiden? Laß deinen menschlichen Verstand arbeiten. Ihr habt doch Phantasie. Ich nicht. Ich bin nur ein armer kleiner Computer." "Ach?!" Cass enthielt sich vorsichtshalber eines weiteren Kommentars. Sie flogen eine Zeitlang durch die Stadt. "Die ISPC schickt gerade die erste Testsonde los. Soll ich sie einpeilen?" "Seit wann fragst du sowas?" "Du bist der Pilot." "Soso...?" Jana blickte auf den Autopilot-Anzeiger. Ihr schien es, als wäre dieser aktiviert. "Naja. Offiziell wenigstens. Obwohl ich es eigentlich für überflüssig erachte, einen Piloten zu haben. Eine Assistentin für die mir unmöglichen Arbeiten würde völlig genügen." "CASS!" Jana blickte drohend auf die tanzenden Säulen, die Cass' Anwesenheit anzeigten. "Hallo, Mademoiselle Stardust, CASS I - wir beginnen jetzt mit den eigentlichen Tests", erklang eine Stimme über Funk. "Versuchen Sie, CASS IV zu folgen!" Jana drückte einige Tasten, und auf dem Bildschirm erschien eine Grafik, die den Standort von CASS IV wiedergab. Ohne Probleme bekam sie ein klares Echo, obwohl der Gleiter etwas mehr als 35pc entfernt war. Bisher hatte Cass' TM-Peiler eine Reichweite von 15pc gehabt. Sie legte einige Schalter um und aktivierte das TM-System, um CASS IV hinterherzuspringen. Schon konnte sie Aero-Shuttle Nr.4 vor sich sehen. Der ätzendrosafarbene Kugelgleiter schoß über eine dezent orangerote Wiese. Ein grauenhaftes Bild. "Diese Schüssel verdient es nicht, meinen Namen zu tragen", meinte Cass angewidert. "Nun stell dich nicht so an! Eine neue Lackierung ist eh bald fällig", meinte Jana niederträchtig. "Und wenn du dich weiter daneben benimmst, könnte ich mich für neongrün mit rosa Tupfen entscheiden." Cass schwieg geschockt. "Das ist meiner unwürdig. Ich würde die Arbeit verweigern!" "Aber Kumpel, du kannst dich doch gar nicht sehen!" "Es gibt schließlich Spiegel." "Aber Cass! Du bist doch nicht etwa eitel?" "Ähem... - Ich muß auf mein Image achten." Stardust sah auf ihren Bildschirm. "Ich glaube, wir können uns langsam auf den Heimweg machen." "Schon? - Zur ISPC oder heim?" "Zur ISPC. Ich muß noch etwas erledigen." "Na gut. Obwohl es mir widerstrebt, neben diesem ...Karren in der Garage zu warten!" "Was hast du gegen CASS II?" "Sie ist dumm und aufdringlich!" "Mein armer Cass... Du tust mir ja so leid!" Jana grinste. "Püh! Und ich mag sie nicht." "Ooch... Und ich hatte mich schon so auf einige kleine Cassies gefreut!" Cass knurrte und schoß in die Garage, wo er neben CASS II eine Vollbremsung machte. "Und du beherrschst dich!" funkte er seine Nachbarin unfreundlich an. "Bis gleich." Jana klopfte auf das Dach und verschwand im Fahrstuhl. Karylla Noir - den Bewohnern der Freien Galaktischen Sternenrepublik eher als Blackfire bekannt - lag im Maschinenraum ihres Raumers Lightning halb unter einer Konsole vergraben und hantierte mit einigen Spezialinstrumenten an diversen Verbindungen herum. Ihre wüste, schwarze Mähne war zu einem strengen Knoten zusammengepackt und unter einem Haarnetz gesichert. Schon wieder sprühte es Funken. "Ryko! Jetzt hilf mir endlich hier!" "Einen Moment, ich bin noch bei der Funkanlage beschäftigt", kam es aus dem Vorderteil des Schiffs. Karylla fluchte. Ihre letzte Flucht war etwas knapper als beabsichtigt ausgefallen, und die Lightning hatte dabei doch ziemlich gelitten. Nun war der schwarze Blitz, Blackfires 'Wahrzeichen', nicht mehr die einzige Verzierung der ehemals makellos strahlendsilbernen Außenhülle; es waren einige unschöne Laserbrandspuren dazugekommen. Ein Schuß hatte ein Nervenzentrum der Lightning erwischt, bevor Ryko den Tarnschild aktivieren konnte. Naja, zum Glück war es nichts, was nicht innerhalb einiger Wochen behoben werden konnte, und wenn sie dieses verdammte Metallteil aus dem Weg kriegen könnte, damit sie... "RYKO! - Verdfluxt, wie lange brauchst du noch für diese läppische Justierung?" "Bin schon auf dem Weg..." Ein hochgewachsener Mann mit schneeweißer Haut, strahlend silbernen Haaren und blauvioletten Augen vergrub sich nun ebenfalls in dem Instrumentenpaneel. "Was hast du nur für Probleme?!" meinte er belustigt und bog das widerspenstige Teil mit einer Hand zurecht. "Da. Jetzt müßte es gehen." "DANKE." Ryko Maiell - genannt Infinity - tauchte wieder unter der Abdeckung auf und konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen. Blackfire befreite sich nun ebenfalls aus der Konsole und zupfte ihren glänzend silbernen Overall glatt, bevor sie ihre Haare aus dem Netz befreite und ausschüttelte. Infinity lehnte sich an eine Computerkonsole und musterte seine Partnerin mit der typischen, ihm eigenen und manchmal überaus enervierenden Nonchalance. "Was haben wir eigentlich als nächstes vor, Karylla?" "Hm. Ich habe letztlich gehört, daß es da so einen unmöglichen Politiker auf Tallwyn V/Tallwyn gibt... - Carolus Toshiran, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt. Er hat mittlerweile so viele Leute betrogen und Bestechungsgelder kassiert, daß jemand meinte, es wäre an der Zeit, ihm mal einen kleinen Aderlaß zu verpassen..." Die junge Frau setzte sich auf das Geländer, das den unteren Teil des Maschinenraums begrenzte. Sie war zwar erst seit etwas über einem Jahr in ihrem ...Geschäft tätig, aber schon begannen ähnliche Legenden um sie zu ranken, wie damals um ihren Vater, den berühmt-berüchtigten Dieb Firestar. Karylla seufzte kurz. Sie fand es schade, daß sie ihn nicht richtig gekannt hatte, aber die Dinge, die sie über ihn erfuhr, hatten sie dazu bewogen, in seine Fußstapfen zu treten. Firestar war immer auf der Seite der Gerechtigkeit gewesen - was allerdings häufig dazu führte, daß er nicht auf der Seite des Gesetzes war. Zumindest hieß es aber, daß ihn kaum jemand vergeblich um Hilfe gebeten hatte, und Blackfire hatte beschlossen, dies ebenso zu halten. Auch wenn es dazu führte, daß sie nunmehr ebenfalls von den Gesetzeshütern zum Freiwild erklärt worden war... "Toshiran hat ein Papillon-Hündchen, an dem sein ganzes Herz hängt. Wir sollten es entführen. Damit können wir ihn bestimmt um die 10 Millionen Credits erleichtern..." Sie schüttelte amüsiert den Kopf. "Ich glaube, für seine Tochter würde er nicht halb so viel bezahlen!" Blackfire setzte einen heimtückischen Gesichtsausdruck auf. "Ich habe auch schon eine Idee, wie wir das gestalten können..." Nachdem Jana ihre Unterlagen von der ISPC geholt hatte, machte sie sich samt Cass auf den Heimweg. An einer einsamen Straße bog sie plötzlich nach rechts in die Büsche ab. Praktischerweise schoben diese sich blitzschnell zur Seite und gaben einen Höhleneingang frei. Cass schoß hinein, und das Grünzeug kehrte an seinen Platz zurück. Nicht eine Spur verriet, daß hier ein Gleiter durchgeflogen war. Einige Kilometer ging es durch einen engen Tunnel mit diversen Abzweigungen, bis Cass schließlich vor einer Felswand anhielt. Jana tastete eine Kombination in ein verstecktes Paneel ein, woraufhin sich das versteckte Tor nach unten senkte. Vor ihnen lag eine große Höhle, die bis oben hin mit Computern und Elektronik, sowie diversen Maschinen vollgestopft war. Cass parkte an einem freien Platz und ließ sich zu Boden sinken. Jana kletterte hinaus und stopfte die mitgebrachten Unterlagen in ein Lesegerät. Ein fröhliches Piepen ertönte, und ein etwa 1.20m großer Roboter watschelte aus einem Schrotthaufen hervor. (Es sah hier immer etwas unaufgeräumt aus.) "Ja, ich habe den neuen TM-Peiler", meinte Cass und klappte die Motorhaube auf. MARO blickte neugierig hinein. Seine Sensoren tasteten direkt die Änderungen des Systems ab, und er speicherte die Daten zur etwaigen weiteren Verwendung ab. Er piepte fasziniert und verwickelte Cass in eine hochtechnisches Gespräch. (MARO - mobiler Arbeitsrobot) Jana hatte sich mittlerweile vor ein Terminal gesetzt, nachdem sie es unter einem Berg von Gerümpel ausgegraben hatte. Nachdenklich blickte sie auf die Daten. Es war schon so lange still. Wo steckte Blackfire bloß? Nun gut, die Lightning war ziemlich zusammengeschossen worden, nach diesem versuchten Raub der Mayflower-Bridge... Stardust überlegte, was Blackfire wohl damit vorgehabt haben mochte. Es ergab einfach keinen Sinn. Außerdem war sie einfach zu müde, um nachzudenken. Sie schlief vor dem Terminal ein. "Typisch!" meinte Cass. "Schläft einfach ein. Und morgen soll ich wohl das Buch haben!"
Blackfire lehnte sich im Co-Pilotensitz zurück, und Ryko schüttelte amüsiert den Kopf. Es war Karylla schon mehr als einmal gelungen, mit den Stiefeln irgendwelche Tasten zu erwischen, wenn sie ihre Haxen so dekorativ auf dem Leitstand ablegte, aber sie ließ es sich dennoch nicht nehmen. 'Es ist gesund, die Beine hochzulegen', war in der Regel ihr diesbezüglicher Kommentar. Infinity checkte erneut die Systeme der Lightning durch, die er teilweise von Grund auf hatte neu einrichten müssen. Beiläufig wandte er sich an Blackfire. "Also, wie hattest du dir die Entführung vorgestellt?" "Ganz einfach. Du parkst die Lightning mit Tarnschild in einem unbewohnten Gebiet, und ich springe mit dem TM-Gürtel zu dem Typen hin. Brutus - so heißt das Hundeviech - ist in der Regel von mindestens einem halben Dutzend schwerbewaffneter Leibwächter umgeben. Aber wenn ich einfach hintransmittiere, mir das Tierchen greife und wieder fortspringe, sollte es keine Komplikationen geben. Vor allem, da ich ja nur in Sichtweite kommen muß und es heraus teletransferieren kann..." Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Vorher werden wir ein Konto bei einer hiesigen Bank eröffnen, mit dem Auftrag daß von jeder eingehenden Summe ein Viertel an die Tierschutzgesellschaft von Tallwyn V geht, ein Viertel an den ISPC-Fundus, ein Viertel an den Grünen Kreis (Eine Gesellschaft, die Verbrechensopfern hilft) und das restliche Viertel wird wahllos auf Konten von irgendwelchen armen Schluckern verteilt - alles immer mit dem Vermerk, daß es sich um eine 'großzügige Spende von Minister Toshiran' handelt..." (Karylla Noir verfügt über ein recht interessantes PSI-Talent. Die Mitglieder der alten Priesterkaste auf dem Heimatplaneten ihrer Mutter verfügten allesamt über die Teletransfer-Fähigkeit, die Fähigkeit, Gegenstände in Sichtweite ohne Berührung zu einem anderen Ort in Sichtweite zu transferieren. Oder von und zu einem Ort, den man bis ins letzte Detail kannte. Und da ihre Mutter ein Abkömmling dieser Priesterkaste war, verfügte sie ebenfalls über dieses Talent - wie jetzt auch Karylla.) Blackfire lächelte zufrieden, und Infinity nickte anerkennend. "Okay. Ich sehe keinerlei Probleme dabei. Machen wir es so!" Er gab den Kurs nach Tallwyn V/Tallwyn ein, und die Lightning schwebte lautlos aus dem Hangar von Nightfall Station, Blackfires Stützpunkt, der sich in dem Trümmerring zwischen dem 7. und 8. Planeten des Suune-Systems befand. Am 3761/09/11 GZ erlitt Monsieur Carolus Toshiran beinahe einen Herzinfarkt, als er erfuhr, daß sein herzallerliebster Brutus aus der Mitte seiner sechs Leibwächter entführt worden war. Und als er dann die Note von Blackfire erhielt, daß er sofort 10 Millionen Credits auf das angewiesene Konto überweisen sollte, falls er seinen Hund nicht geröstet auf einem Spieß wiederfinden wollte, beschloß er, zunächst einmal schockiert in Ohnmacht zu fallen. Die Alarmglocke riß Stardust aus dem Schlaf. Erschrocken stützte sie sich mit beiden Händen auf die Tastatur, was das Gerät mit einem entrüsteten Piepsen und merkwürdigen Hieroglyphen auf dem Monitor quittierte. "Was?" Jana war ganz irritiert. "Blackfire hat einen Hund entführt!" meinte Cass. "Na und?" Stardust gähnte ausgiebig und wuschelte ihre Haare ein wenig in Façon. "Sie fordert 10 Millionen!" "Für den Hund?" "Für den Hund." "Und welcher Idiot soll das zahlen?" "Carolus Toshiran." "Aha. Wird er bezahlen?" "Vermutlich." "Dann ist er ein Idiot." "Trotz allem solltest du einsteigen. Ich habe Blackfires Spur mit dem TM-Peiler bis nach Tallwyn V verfolgt." Jana kletterte in Cass, und dieser stob durch den Tunnel hinaus. Als er die nötige Geschwindigkeit erreicht hatte, transmittierte er nach Tallwyn V, wo er sich unter seinem Tarnschild in der Nähe der angepeilten Stelle niederließ. Plötzlich tauchte Blackfire in größerer Nähe auf als geplant. Sie stand knapp einen Meter rechts von Cass und wollte gerade losspurten, als Stardust aus dem Gleiter kletterte. Blackfire tastete an ihrem TM-Gürtel herum, doch nichts geschah. Es folgten einige exquisite Verwünschungen, und Stardust konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Als sie ihre Erzgegnerin erspähte, setzte Blackfire einen fatalistischen Gesichtsausdruck auf und beschloß, Infinity und die Lightning bis auf weiteres herauszuhalten. Sie machte unauffällig das vereinbarte Codezeichen, das ihren Partner anwies, erst einmal das Weite zu suchen und sich später darum zu kümmern, sie - aus welchem Gefängnis auch immer - wieder herauszuhauen. Erschrocken zuckte Stardust zusammen, als links hinter ihr ein Schiff startete. Jana verwünschte ihre Arroganz. Natürlich hatte die Lightning unter ihrem Tarnschild hier gewartet. Grumpf! Aber zumindest hatte sie Blackfire erwischt - es fragte sich nur für wie lange. Immerhin war diese ihr bis jetzt genauso oft entkommen, wie sie sie eingefangen hatte... Cass ließ den Tarnschild sinken, und Stardust placierte Blackfire hinein. "Hey, Lady - Ich wäre doch freiwillig mitgekommen", meinte diese belustigt. "Grumpf!" machte Jana und schmiß sich auf den Fahrersitz, um gleich mit Vollgas durchzustarten. "Mußt du deine Aggressionen immer an mir aus lassen?" Blackfire kicherte dezent. "Richtig so! Gib's ihr!" meinte sie grinsend. "Du hältst dich da mal ganz raus", sagte Cass. "Warum? Schmeißt du mich sonst aus dem Wagen?" erkundigte sich Blackfire mit ironischem Blick auf CASS' Statusanzeigen. "Nein! Aber ich könnte dich anders placieren." "Ts ts... Wo denn, mein Guter?" "Im Kofferraum", kam es knallhart. Karylla prustete los. Janas Gleiter war einfach drollig. "Denkst du nicht, daß derartige ...Intimitäten Stardust irritieren könnten?" kicherte sie. "Kaum, Stardust irritiert nichts." "Stimmt. Sie grumpft ja nur..." "Eben. Das kann sie am besten." "Haha!" Jana fand das gar nicht witzig. Inzwischen hatten sie die nächste Polizeistation von Tallwyn V/Tallwyn erreicht. Cass landete etwa 200m entfernt und wartete, was Stardust diesmal tun würde. Blackfire schüttelte belustigt den Kopf und lehnte sich lässig in den Sitz zurück. "Ah, Lady, sag mal, wozu bringst du mich überhaupt hier hin? Ich vermute, daß Ryko bereits auf mich wartet..." "Ich weiß", stellte Jana fatalistisch fest. "Er gibt sich nicht einmal die Mühe, die Lightning zu tarnen oder sich zu verstecken..." Um genau zu sein, stand er nur ein paar Meter neben Cass, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und grinste in ihre Richtung. Die Lightning befand sich in Warteposition etwa 20km über ihnen und hatte nicht einmal ihren Ortungsschutz aktiviert. Jana seufzte. Da die ISPC eine private Organisation war, durften sie die gefangenen Übeltäter nicht selbst inhaftieren, sondern mußten sie der örtlichen Polizei übergeben. Leider war das in Blackfires Fall so sinnvoll wie Wasser mit einem Sieb zu transportieren. Sie schüttelte genervt den Kopf. "Wieder ein Tag nutzlose Arbeit! Ich sollte mich vielleicht doch selbständig machen...!" "Du kannst gerne bei mir einsteigen", schlug Blackfire amüsiert vor. "CASS wäre in der Tat eine interessante Bereicherung meines Programms." "Nein danke! Das wäre nicht mein Fall!" "Warum eigentlich nicht?" Blackfires mitternachtsfarbene Augen trafen die eisblauen Stardusts, doch Jana winkte ab. "Ich arbeite lieber nur noch für mich. Das erspart Probleme. Außerdem wäre Cass sicher nicht einverstanden." "Hast du ihn denn schon gefragt?" "Nein, hat sie nicht", meldete der Gleiter sich. "Aber zu deiner Information: Ich möchte lieber keine Bereicherung deines Programms werden. Ich bevorzuge es, separat zu funktionieren." "Habe ich gesagt, daß ich dich an die Lightning anbauen will?" "Das nicht. Aber ich würde es doch lieber so lassen, wie es ist. Ich würde mein zu Hause vermissen und MARO und meine persönliche Waschanlage und..." Nun war es gänzlich um Blackfires Fassung geschehen, und sie lachte lauthals los. "Schon gut, schon gut - Ich habe verstanden! Es war ja nur ein Vorschlag..." "Ich weiß. Ich habe ihn ja auch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Ich und Stardust, wir sind ein Team." "Ach ja?" kam es zweifelnd von dieser. "Wie wär's - ihr wolltet mich hier 'rauslassen?" Karyllas Mundwinkel sagten beinahe ihren Ohrläppchen Guten Tag. "Ich möchte meinen Partner nicht warten lassen. Ich muß ihn nämlich noch von einer reißenden Bestie namens Brutus befreien..." CASS öffnete die Tür. "Bitte!" "Ich danke dir!" Sie warf ihm eine Kußhand zu und ging zu Ryko hinüber. Zwischendurch drehte sie sich kurz um. "Nebenbei, ich muß noch zweimal transmittieren. Wollt ihr mich wirklich jedesmal wieder eindosen? Langsam wird's öde..." "Nein", erwiderte Stardust. "Für heute bin ich meinem Image gerecht geworden. Blackfire gefangen, das reicht. Von mehr war in dem Auftrag nicht die Rede." Sie dachte kurz nach, bevor sie den Kopf schüttelte, "Nein, von 'festhalten' oder 'eindosen' stand da nichts... - Übrigens, was wolltest du von dem Viech?" "Von dem Viech selber gar nichts. Von dem Typen, dem es gehörte, zehn Millionen... Du kannst ja mal die Geldbewegungen auf dem Konto Tallwyn; Aniskari-Bank Nr.3X-2789-4B-3889 überprüfen", schlug Karylla mit einem schelmischen Grinsen vor. "Sehr interessant", bemerkte Cass, der das natürlich sogleich ausgetestet hatte. "2.5 Millionen an die ISPC, der Rest an einen Tierschutzverband, an den Grünen Kreis und ein paar weitere Konten..." "Die ISPC dankt dir", sagte Stardust und hob die Augenbrauen. "Somit sind meine Gehaltserhöhungen schon bewilligt..." "Muß wohl mein sozialer Tag gewesen sein", meinte Karylla entschuldigend. "Na denn, mach dich lieber auf den Weg", meldete sich Cass wieder. "Ich habe ein paar Typen in der Ortung, die gleich aus ihrer Polizeistation kommen, um nachzusehen, was hier los ist." "Besten Dank!" Da Stardust es unterlassen hatte, Blackfire den TM-Gürtel abzunehmen (Ihre Sammlung umfaßte bestimmt schon siebzehn Exemplare davon, die nur ihre Höhle blockierten), war diese sogleich in der Lightning verschwunden und wieder auf dem Weg zu Minister Toshirans Gärtchen. Als die Polizisten sich endlich bequemt hatten, den Schauplatz der Ereignisse aufzusuchen, fanden sie nur einen dezentgelben Zettel in Plakatgröße vor: MORGEN NEUER VERSUCH! - STARDUST Plötzlich war die Handvoll Hund mit Namen Brutus wieder da. Überglücklich schloß Carolus Toshiran sein Ein-und-alles in die Arme. Als er später bei seiner Bank die Überweisung wieder rückgängig machen wollte, stellte er fest, daß er offenbar großzügige Spenden im Wert von insgesamt 10 Millionen Credits an diverse wohltätige Vereine und Ähnliches geleistet hatte. Und da er als bekannter Politiker diese schlecht widerrufen konnte, ohne seinem Image zu schaden, fand er sich zähneknirschend mit dem Verlust seines Geldes ab. Doch dann hatte er eine Idee. Immerhin könnte er doch a) die Spenden von der Steuer absetzen und b) als werbewirksamen Publicity-Gag benutzen... Völlig geschafft ging Alycia Cherylla Blade in ihr Atelier zurück. Ihr letztes Gemälde war inzwischen trocken, und Myriella, ihr guter Geist im Haus, hatte mittlerweile die verstreuten Klamotten beiseite geräumt. Acy stieg aus ihrem engen Overall und warf sich eine weite, neonpinkfarbene Robe über. Morgen abend war die nächste Party bei ihrer Schwester, und bis dahin wollte sie zumindest ein weiteres Bild fertig haben. Sie tat wieder ihre neonblauen Kontaktlinsen hinein und stülpte die Neon-Perücke über ihre weißblonden Haare, bevor sie zum Viphon eilte. "Hallo - Nardia?" "Hi!" Nardia versuchte gerade, ihre etwas struppige Mähne aufzustecken; sie hatte den Mund noch voller Klämmerchen. "Wann steigt die Fête morgen abend bei dir?" "So um 18 Uhr, denke ich." "Sag mal, hast du heute in den Nachrichten von dem neusten Coup von Blackfire gehört? Zehn Millionen hat sie kassiert, heißt es..." "Und Stardust soll sie gefangen haben. Aber dann habe die Polizei Blackfire entkommen lassen!" entrüstete sich Nardia. "Man sollte wirklich einmal etwas gegen diese Blackfire unternehmen. Wir reichen Leute sind ja unseres Lebens nicht mehr sicher!" Alycia fuhr sich ein wenig nervös durch das Haar. "Stell dir vor, Blackfire würde die Villa Alycia überfallen! Meine Gemälde sind doch schier unbezahlbar!" "Ganz deiner Meinung! Aber diese dösige Polizei ist einfach völlig unfähig. Auch Stardust erzielt ja kein dauerhaftes Ergebnis... Wofür geben wir eigentlich unser Geld aus? - Übrigens, bringst du morgen ein paar neue Bilder mit? Die paar, die in der Galerie noch zum Verkauf standen, sind mir schon wieder förmlich aus den Händen gerissen worden. Ich habe das Geld - übrigens je 125.000 für die letzten drei Werke auf dein Konto überwiesen." "Gut. Ich bin heute gerade mit meinem neusten Bild fertig geworden. Es sieht ...extravagant aus. Ich glaube, dafür kann ich 200.000 verlangen... Was macht eigentlich dein neuestes Buch - wie hieß es noch?" "'Sturm der Gefühle', Ein echt grandios schwülstiges Werk. Der Verleger wartet schon sehnsüchtig. Diesmal wird es wohl 1.5 Millionen bringen, und zudem noch 10% von jedem verkauften Buch." "Das nenne ich geschicktes Marketing. Hm. Bis morgen habe ich hoffentlich zwei weitere Bilder für dich. Ich dachte an 'Spuren in der Dämmerung' und 'Ekstase in Grü'..." "Eine Fortsetzung zu 'Spuren im Morgenrot' und 'Ekstase in Zartbleu'?" Alycia grinste. "So in etwa. Oder als Ergänzung des unvollendeten Triptychons 'Der Glückstaumel des Gelben Quadrats'..." "Eine interessante Verbindung! Vielleicht kannst du es auch als Allegorie zu 'Das Gelbe Dreieck im Blaugesprenkelten Kreis mit Querbalken' betrachten..." "An etwas in der Richtung dachte ich. Und das schönste ist, daß die Leute dafür ungeheure Mengen an Credits hinblättern..." "Ich hoffe, auch mein allerneuster Roman 'Wunder der Liebe' wird wieder Nummer 1 auf der Bestsellerliste. Ich habe darin diesmal deine Wenigkeit mitverewigt. Als Lady Alicia von Rabendorf, die kühne und extravagante Herrin von Kastell Hohenfels zu Adlerstein. Sehr interessant, vor allem, da Thorn als dein Anbeter dort auftaucht..." "Er tut mir jetzt schon leid... Wieviel hat dir dein Verleger diesmal im Voraus geboten?" "Na, da es der Jubiband ist - 3.5 Millionen." "Nicht schlecht für so einen Käse", kicherte Alycia nur. "Eben. Vor allem, da es bis auf die Namen eh immer dasselbe ist..." "So lange es keiner merkt! Wenn ich daran denke, wie ich das Bild, wo mir der Farbtopf auf die Leinwand gefallen war, als das revolutionäre 'Evolution in Rosa' verkauft habe..." "Marketing ist eben doch alles! Aber nun Ciao, ich muß doch noch zum Friseur... Bis morgen also!" "Ciao!" Der Bildschirm wurde dunkel. Alycia entledigte sich wieder ihrer Perücke und düste ins Atelier zurück. Sie holte die Scherben des Spiegels, der ihr gestern heruntergefallen war, einen großen Topf Sekundenkleber und befestigte die Splitter auf der mittleren Leinwand. Anschließend sprühte sie mit einer Zahnbürste ein paar gelbe, rote und blaue Kleckse drüber, und schon war der 'Spiegel in die Farbenwelt' fertig. Dasselbe auf der rechten, 9m^2-Leinwand ohne Scherben, war logischerweise der 'Traum von einer Welt in Farben'. Fertig. Bis morgen... Last modified: 13.04.2002 |
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