Aus dem HdF-Universum
Künstlerpech
(c) 1985 by Stayka Quest
"Schwesterherz, gib mir doch mal bitte einen Tip, was ich heute
abend zu der Party anziehen soll!" Sayéstra streckte sich
wohlig in ihrem silbrigvioletten Färbebad aus, wobei sie peinlich
darauf bedacht ist, ihre hochgesteckte, rotgolden getönte
Mähne nicht zu verfärben.
"Laß mal sehen -- wie siehst du denn gerade aus?"
Vanváya steckt ihren orangeroten Schopf durch den flimmernden
Energievorhang, der das Bad vom übrigen Teil der Wohnung abtrennt.
"Ah, noch immer im Metallic-Look", kommentiert sie den Anblick
ihres Zwillings. Üblicherweise wären Haut- und Haarfarbe bei
allen Bewohnern des Planeten Bator VIII/Fezea reinweiß, doch auf
der Fezea, die einst eine Künstlerkolonie des Alten Volkes
der Veriní war, gilt der Anblick eines ungefärbten Menschen
-- bis auf wenige Aufnahmen -- als aäußerst unschicklich.
"Wie wäre es denn mit deiner neuen Silberrobe",
schlägt Vanváya vor. Sie trägt bereits ihre
Party-Bekleidung, die -- wie üblich -- ausgesprochen
revolutionär ist: ein flammenfarbener Overall! Normalerweise
trägt kein Fezeaner, ob männlich oder weiblich, ein
Kleidungsstück mit langen Hosen. Lediglich Vanváya ist die
ewige Ausnahme -- aber was soll man bei der einen Hälfte der
'wilden Zwillinge' anderes erwarten?
"Holst du mir das Kleidchen bitte?"
Vanváya macht ein zustimmendes Geräusch und erscheint kurz
darauf mit einem wallenden Gewand über dem Arm. "Hier
bitte!"
"Ich danke dir." Sayéstra steigt aus der Wanne und
erstrahlt in schimmerndem Violett.
"Was meinst du, Van, ob die Fête heute mal interessanter
wird?"
"Was weiß ich? Momentan ist auf der Fezea ja nicht viel los.
-- Und das im Monat der Inspiration!"
"Wie recht du hast." Sayéstra gähnt ungeniert.
"Wir sollten uns mal wieder etwas einfallen lassen."
"Jaja... -- Wer kommt denn eigentlich noch alles?"
"Ich denke, Hályos wird auf jeden Fall kommen..."
"Ach, deshalb bist du wieder in Metall...! Hal sieht sicherlich
immer noch aus wie eine Bronzestatue, nicht wahr?"
Sayéstra schüttelt den Kopf.
"Nein, als ich ihn heute früh sah, schillerte er türkis
oder hellblau -- auf alle Fälle etwas in dieser Richtung."
Mittlerweile ist sie voll angekleidet und bemüht sich, ihre
hüftlange, dichte Haarflut unter Kontrolle zu bringen.
"Soll ich dir helfen, Say?"
"M-mh", winkt sie ab. "Es geht schon."
"Beeil dich doch ein bißchen", drängelt
Vanváya. "Wir sind schon spät dran!"
"Bei der Imayna, wir sind noch nie pünktlich gekommen! Warum
sollen wir also ausgrechnet heute mit unseren Gewohnheiten
brechen?"
"Auch richtig..."
* * *
Irgendwann gelingt es ihnen dennoch, sich aufzuraffen, um der Party
beizuwohnen. Die orangegelbe Sonne Bator steht bereits tief über
dem Horizont und vergoldet die hellgrauen Wolken im weißblauen
Firmament. Noch wirkt der Trümmerring um die Fezea wie ein blasses
Band am Himmel, doch in der Nacht wird er zum diamantfunkelnden Diadem
in der Dunkelheit des Alls.
Der Schweber der Zwillinge parkt auf einem Landefeld neben der
tiefblauen lumineszierenden Kuppel des Festsaales. Im Zentrum des
Gebäudes herrscht Schwerelosigkeit, was von den
Freiflug-Tänzern weidlich genutzt wird. Sayéstra sichert
den Gleiter, und die Schwestern betreten die Kuppel.
Sie blicken sich suchend um, dann deutet Vanváya auf einen der
rauchquarzfarbenen Schwebetische, an dem bereits zwei junge Männer
sitzen.
"Da sind Hályos und Lúthian!"
Ersterer -- tatsächlich mit metallictürkis gefärbter Haut
und silbrig violetten, schulterlangen Haaren -- steht auf, und bietet
seiner Freundin Sayéstra galant eine Sitzschale an. Er
trägt die momentan topmodische knielange Tunika und einen
bodenlangen, silbernen Umhang, den er umständlich ordnet, bevor er
wieder Platz nimmt. Lúthian, der Jüngste in
Sayéstras Clique, nippt an einem hohen Glas mit einer
amethystfarbigen Flüssigkeit. In seinem bodenlangen, weißen
Gewand, das einen aparten Kontrast zu seinem metallicschwarzen Teint
bildet, wirkt er wie ein Engelchen -- ein Eindruck der durch seine
hüftlangen, silbrig schimmernden Locken noch verstärkt wird.
"Hi!" begrüßt er sie mit einem lässigen
Grinsen. Vanváya mustert ihn kritisch.
"Nanü, wo hast du denn deine Lichtharfe gelassen,
Lú?"
Der Jung-Musiker verzieht schmollend den Mund.
"Die wollten mich nicht mit dem Instrument hier reinlassen..."
Die anderen grinsten ihn an. Seine Vorliebe, überall
herumzududeln hat sich anscheinend schon herumgesprochen.
"Kommt Athon eigentlich noch?" erkundigt sich der feuerfarbene
Zwilling. Hályos breite unschlüssig die Arme aus.
"Mir hat er nichts gesagt."
Sayéstra kichert mit einem belustigten Blick auf Lúthian
los.
"Gib's zu, Lú, du bist ihm beim Unterricht so sehr auf die
Nerven gegangen, daß er dich heute abend nicht noch einmal
ertragen konnte..."
"Er hat mich ja als Maler-Elèven angenommen...! --
Es ist also alles seine eigene Schuld..."
"Uuh, ich finde es langweilig hier", beschwert sich
Sayéstra. "Warum hat denn keiner mal eine sensationelle
Idee? Wir brauchten mal wieder ein echtes Großkunstwerk, oder
sowas..."
Übermütig springt Lúthian auf und macht eine ausladende
Handbewegung. "Hey, ein Großprojekt willst du,
Sayéstra? Malen wir doch einfach ganz Fezea an!"
Die blickt ihn entgeistert an. "Lúthian, das ist
es!"
"Hä?! Was ist was?" fragt Hályos seine
Gefährtin.
"Na, unser Großprojekt! Wo steckt bloß Athon?
Schließlich ist er doch unser Gaschromatist..."
"Sicherlich ist er Luftmaler -- aber weshalb?"
Gaschromatistik ist eine Aktionskunst, bei der der Maler kurzlebige,
farbige Gasgebilde schafft. Der Grundstoff der Luftmalerei ist eine
farblich variierende chemische Verbindung namens Méovan, die
für Mensch, Tier & Pflanze völlig ungefährlich ist.
"Leute, warum sollten wir nicht mal Luftmalerei in wirklich
großem Maßstab durchführen?"
"Say, auch wenn du hauptberuflich Projektleiterin für
Großkunstwerke bist -- was willst du denn mit viel
Luftkunst?" Hályos schüttelt verständnislos den
Kopf.
"Na, genau as Lú vorschlug: die Fezea einfärben!"
"Ah, ich war mal wieder gut, was?" Lúthian wirft sich
in die Brust. Hályos macht eine bezeichnende Handbewegung.
"Tok tok tok...!" kommentiert er trocken.
"Gruß euch, Freunde." Ein blaßvioletter Mann mit
blauschwarzen, kurzen Locken und türkisblauer Chlamys tritt an den
Tisch und organisiert sich eine weitere Sitzschale.
"Ah, Athon!" wird er vielstimmig begrüßt.
"Was tuschelt ihr denn so geheimnisvoll herum? Ich dachte, ihr
seid zum Tanzen hier... Oder habt ihr wieder etwas ausgeheckt?"
Lúthian grinst ihn über alle vier Backen an.
"Ich will die Fezea kolorieren, und Sayéstra wird das
Projekt organisieren..."
"Oh." macht Athon fassungslos. "Und wie?"
"Ja", plaudert Sayéstra, "da sollst du uns
beraten..."
"Ich?" Athon reißt geschockt seine dunkelvioletten Augen
auf.
"Na, wer denn sonst? Du bist in unserer Clique der einzige, der
vernünftig mit Méovan umgehen kann. Lú ist ja noch
Elève..."
Hal stützt ungäubig den Kopf auf der Tischplatte auf, wobei er
beinahe Sayéstras irisierenden Crashing Rainbow-Likör
umgeworfen hätte.
"Say... Du hast das doch nicht etwa wirklich vor?
"Ja, warum denn nicht? Wir machen ine Eingabe beim Haus des Rates
und warten ab, was Unsere Schlafende Herrin dazu sagt."
"Die Imanya wird dich für verrückt erklären!"
"Ah, Hályos, charmant wie eh und jeh..." sagt
Vanváya trocken.
"Die Imayna hat noch immer weise entschieden. Bei einer
Angelegenheit, die den ganzen Planeten betrifft, wird Unsere Schlafende
Herrin vermutlich direkt eine Gesamtumfrage starten."
"Mhm", stimmt Say ihrer Schwester zu. "Morgen früh
fliegen wir nach Tazea-Central zum Haus des Rates. Kommt ihr alle
mit?"
"Was dachtest du denn?" Hal legt einen Arm um seine Freundin.
"Aber jetzt tanzen wir eine Runde, hm, ma-délha?"
"Ah, gerne, Hal."
Sie begeben sich zu den Freiflug-Tänzern und schweben unter
samtblau leuchtenden Kuppel herum. Auch die drei anderen verbringen so
ihre Zeit.
* * *
Am nächsten Tag begeben sich die Mitglieder von Sayéstras
Clique zum Nachbarkontinent Tazea, wo sich am Ufer eines Binnenmeeres
das Haus des Rates befindet, in dem die Imanya der Fezea residiert. Die
Gründer der Künstlerkolonie waren sich im Klaren darüber,
daß ihre Nachfahren sicherlich mehr mit der Kunst als mit der
Erhaltung der Kolonie beschäftigt sein würden. Daher
beschlossen sie, das Wohl des Planeten in die bewährten
Schaltkreise eines quasi-intelligenten Zentralcomputers zu legen.
Dieser Supercomp organisiert seither alles, was die Fezeaner bei
Ausübung ihrer künstlerischen Fähigkeiten stören
könnte. Auch die 'Regierung' wird vom Computer gestellt, und zwar
in Form einer fiktiven Person, der Imayna der Fezea. Diese Imayna
fungiert als Beraterin, Schieds- und sonstige Richterin, Orakel und was
der Dinge mehr sind. Alle Belange, die die gesamte Bevölkerung des
Planeten betreffen, werden über das allgemeine Kommunikationssystem
geleitet und per Knopfdruck von sämtlichen erreichbaren Fezeanern
abgestimmt. Dabei gilt die einfache Mehrheit der Stimmen. Im Laufe der
Jahrhunderte, welche die Kolonie selbstständig existierte, ist es
größtenteils in Vergessenheit geraten, daß die Imayna
eine einfache Projektion ist. Mittlerweile wird die geheimnisvolle
Beraterin, die bereits seit Anbeginn der Kolonie immer wieder eingreift,
auch als Unsere Schlafende Herrin auf dem Regenbogenthron bezeichnet und
mancherorst gar als eine Art Göttin verehrt.
Die beiden Schweber von Sayéstra und Athon gehen auf dem kleinen
Landefeld neben dem Haus des Rates nieder. Das Regierungsgebäude
wird wenige oft besucht, als man das vielleicht vermuten sollte. Die
meisten Fezeaner kümmern sich nicht um irgendwelche schwerwiegenden
Beschlüsse, so lange sie ihrer Kunst nachgehen können.
Nachdem die Schweber gesichert sind, steigen Say & Co. die
rubinfarbenen Kristallstufen zum Haus des Rates hinauf. Lúthian
bestaunt es ehrfürchtig. Bis jetzt war er noch nicht hier gewesen.
Haus des Rates... Tempel wäre eine zutreffendere Bezeichnung!
Anmutig schwingt sich das schneeweißschimmernde Gebäude in
den hellblauen Morgenhimmel empor.
Etwa auf einem Drittel der Höhe durchzieht ein breiter
Amethyststreifen das Haus. Sayéstra macht eine ungeduldige
Handbewegung, da Lú immer noch wie festgewachsen auf den Stufen
steht.
"Na, komm schon, Kleiner!"
"Äh, ja, ich komme..." Er reißt sich von dem
faszinierenden Anblick los und stürmt durch das Marmorportal mit
den kupfernen Einlegearbeiten. Als er die Höhe des Tores erreicht,
flammt ein tiefblauer Blitz auf, sichtbares Anzeichen dafür,
daß Lúthian einer Scanner-Prüfung unterzogen wird.
Der Junge wird als einer der momentan 23 Millionen Fezeaner
identifiziert, was bedeutet, daß er unbehelligt passieren darf.
Durch eine niedrige Vorhalle betreten Say und ihre Freunde den riesigen
Ratssaal, dessen Wände von fünfeckigen, opalisierenden
Plättchen bedeckt sind. Der Boden besteht aus sternglitzerndem,
tiefschwarzen Stein, während die zeltartige Decke aus
eisweißem Quarz geformt ist. Die Stirnwand des Saales wird von
einem Thron aus regenbogenfarben irisierendem Kristall eingenommen, auf
dem eine unwirkliche Gestalt sitzt. Allen Konventionen zum Trotz sind
Haut und Haar der alterslosen Frau schneeweiß, ebenso wie ihr
silbrig überhauchtes, fließendes Gewand. Fast hat es den
Anschein, als würde die Imayna von innen heraus leuchten. Mit
ruhigen, silbernen Augen blickt sie die Ankömmlinge gelassen an und
macht eine einladenge Geste, auf die hin sich fünf Schwebesessel
aus dem Boden schieben.
"Ich grüße euch, Kinder der Fezea", beginnt sie mit
melodischer Stimme. "Was wünscht ihr von mir?"
Sayéstra wird einen kurzen Seitenblick auf Hályos, bevor
sie sich räuspert und zu sprechen beginnt.
"Äh, wir haben eine Idee... Ist es möglich, die gesamte
Atmosphäre der Fezea einzufärben..." Erts jetzt kommt es
ihr richtig zu Bewußtsein, was sie da eigentlich im Sinne
haben.
So entsteht eine kurze Pause, die von der hellen Stimme der Imayna
unterbrochen wird.
"Mit Méovan?" erkundigt sie sich sachlich.
"Ja, Imayna." Was wird die Schlafende Herrin dazu sagen? Sie
auslachen? Für verrückt erklären? Doch ihre Antwort
kommt unverzüglich und völlig unbeeindruckt, als ob der
Vorschlag, den ganzen Planeten zu kolorieren, etwas völlig
alltägliches wäre.
"Die Durchführung des Projektes ist prinzipiell möglich.
Auch wenn die benötigte Méovan-Menge beträchtlich ist,
so kann sie zur Verfügung gestellt werden. Die einzige
Schwierigkeit besteht in der Bereitstellung geeigneter
Trägerraketen, die das Gas gleichmäßig in der
Atmosphäre verteilen können."
Lúthian winkt großzügig ab.
"Och, das ist doch nun überhaupt kein Problem..."
"So?" erkundigt sich die Imayna belustigt.
"Na, gestern nachmittag war doch im Trivid der große Bericht
über den Planeten Sann III/Téllus, der nach
mehrhundertjähriger Zersplitterung in diverse Machtblöcke
endlich zu einer Einigung gekommen ist..." Lú holt tief
Luft.
"Und?"
"Na, die haben doch jetzt massenweise Interkontinentalraketen zu
verschrotten... Ich glaube, die überlassen sie uns ziemlich
billig. Natürlich ohne Sprengköpfe..."
"Du scheinst dich ja sehr mit diesen kriegerischen
Frühzivilisationen befaßt zu haben..."
"Och, damit nerven die uns am Lehrcomputer doch dauernd!"
"Nun gut. -- Aber dein Vorschlag ist einer Prüfung wert,
Lúthian."
"Dann könnte es klappen, die Fezea einzufärben?"
"Sicherlich würde es funktionieren. Du darfst aber nicht
vergessen, daß die restliche Bevölkerung des Planeten
darüber zu bestimmen hat. ich werde euren Vorschlag gleich
veröffentlichen. Dann müssen wir die Reaktion darauf
abwarten." "Mh, ja sicher..."
"Daccù, habt ihr sonst noch etwas auf dem Herzen, meine
Kinder?"
Ächzend erhebt sich Sayéstra aus ihrem Sessel.
"Nein", sagt sie abschließend. "Ich danke dir,
Imayna."
Says Freunde folgen ihrem Beispiel und verabschieden sich von der
Schlafenden Herrin, bevor sie das Haus des Rates verlassen, unter dem
sich der fezeanische Zentralcomputer befindet.
* * *
Die Clique versammelt sich in der Wohnung der Zwillinge, die sich am
Rande der Ansiedlung Aython auf der Großinsel Málkyon
befindet. Eine echte Stadt existiert auf der Fezea nicht. Selbst die
Gründungssiedlung der Kolonie, Tazea-Central, verfügt
über nicht mehr als 7600 Einwohner. Die meisten Fezeaner wohnen
weitverstreut über die drei Kontinente Tazea, Alyéstra und
Lánathon, sowie auf Málkyon, der Lánathon
vorgelagerten, großen Insel.
Aython erstreckt sich rechts und links des Flusses Málvyon, der
die umliegende braun/grau/grüne Wiesenebene bewässert.
Erstaunlicherweise tragen die wenigsten Blumen farbige Blüten, und
insgesamt wirkt die Flora und Fauna der Fezea ausgesprochen trist.
Gerade ist Hályos damit beschäftigt, eine olivgrüne
Klettenranke, die von einem Blumenkasten der Wohnzimmerdecke
herunterhängt, mit orangeroter und goldener Farbe anzupinseln, als
Vanváya per Fernsteuerung ein Schwebetablett mit Erfrischungen
herandirigiert.
"Hályos! Du tropfst den ganzen Boden voll!"
empört sie sich.
"Hm?" macht der Angesprochene und dreht sich um, wobei er den
orangegefüllten Farbtiegel vom Tisch katapultiert.
"Oh..."
Lúthian grinst wie üblich von einem Ohr zum anderen.
"Tropfen allein genügt ihm nicht", bemerkt er trocken.
Van verzieht säuerlich das Gesicht. "Ich habe es
gesehen."
Sie ordert einen Reinigungsrobot.
"Ich glaube, das ist seine Rache dafür, daß du ihm
letzte Woche seinen Moorsinger blaugestrichen hast", erklärt
Sayéstra beslustigt. Ihre Schwester schiebt schmollend die
Unterlippe vor.
"Ich mag nunmal keine braungrauen Vögel..."
"Ist dein Genetikprogramm immer noch nicht einsatzbereit?"
erkundigt sich Athon. "Wenn du es schaffen würdest, die Tiere
ordentlich genetisch umzuprogrammieren, brauchtest du doch nicht immer
zu Pinsel und Farbe zu greifen..."
"Ich bin zwar Bioformerin aber keine echte Genetikerin",
erinnert Van ihn. Jeder Künstler hat zwei Fachbereiche: ein rein
künstlerisches und ein (meistens) naturwissenschaftliches Gebiet,
das sein/ihr Kunstfach möglichst ergänzt. So ist
Vanváya beispielsweise Bioformerin/Faunatristin, während
Hályos sich in Flortatristik und Genetik betätigt.
Faunatristik ist eine Kunstform, die sich mit der Gesatltung von Tieren
beschäftigt, sowohl durch genmanupulative Tätigkeiten als auch
durch rein äußerliche Veränderungen, wie etwa das
Umfärben von Fell oder Federn etc.. Floratristik ist die
entsprechende, auf Pflanzen bezogene Kunstform.
"Aktiviere doch mal einer das Trivid", nörgelt
Lúthian.
"Immer mit der Ruhe, Kleiner", wird er von Sayéstra
gebremst. Sie gibt das Akustik-Kommando für die Holoprojektion.
Die fünf scharen ihre Sessel um das Hologramm in der Raummitte,
sogar Hal löst sich von seiner Pflanzen-Malerei. Aus einem
Farbkaleidoskop formt sich das Bild der Imayna. Say macht eine
triumphierende Geste.
"Na bitte. Das nenne ich perfektes Timing!"
"Ich hätte auch keine Lust gehabt, jetzt irgendein
hochklassisches Konzert vorgedudelt zu bekommen", meint
Lúthian und blickt sich suchend um. "Apropos Konzert... Wo
habe ich bloß meine Lichtharfe gelassen...?"
Athon sieht ihn genervt an.
"Wenn du es wagen solltest, hier und jetzt gleich deine Klampfe
anzuwerfen, dann passiert ein Unglück! Ich will nämlich
wissen, was die anderen zu unserer Idee sagen und nicht Hals Gejaule zu
deinen hypermodernen Rhythmen hören..."
"Na gut." Lú zieht eine Schnute und flegelt sich in
einem Sessel herum. Mittlerweile hat die Schlafende Herrin auf dem
Regenbogenthron der fezeanischen Zuhörerschaft die Idee der
Färbeaktion dargelegt und wartet auf die Abstimmung.
Lúthian sprintet zum Computerterminal der Wohnung, legt seine
Hand auf den Identifikaionssensor und haut auf die Taste für
'Zustimmung'. Athon schüttelt nur den Kopf.
"Die Leitung ist noch nicht freigegeben...! Du mußt dich
noch ein paar Sekunden gedulden, Lú..."
"Och, schade..."
"Es gibt keinen Preis für den ersten Wähler",
versichert Vanváya dem Jungen kichernd. Endlich wird der Beginn
der Abstimmung angezeigt. Alles stürzt sich auf das Terminal.
Einige Zeit später ist die Imayna bereits in der Lage, die
Auswertung bekannt zu geben. Lächelnd blickt sie von Trivid.
"Die gesamte Wahlbeteiligung machte 56,7 Prozent aller Fezeaner
aus, von denen 94,83 Prozent für das Projekt
'Gesamtkunstwerk Fezea' votierten. Ablehnend entschieden 2,66 Prozent,
während der Rest sich enthielt. Damit kann das Projekt als
angenommen angesehen werden. Die Organisation übernimmt die
Künstlergruppe
Sayéstra/Vanváya/Athon/Hályos/Lúthian, von
deer die Idee stammte. Sofern Rückfragen auftauchen, bitte ich den
Betreffenden, sich mit mir in Verbindung zu setzen."
Schon bei der Nennung der positiven Prozentzahlen liegen sich Say &
Co. in den Armen. Als sie dann auch noch hören, daß
tatsächlich sie die Organisation übernehmen sollen, kennt ihr
Jubel keine Grenzen mehr. Hályos schüttelt ungläubig
den Kopf.
"Wißt ihr was, Leute -- ich habe das Gefühl, wir werden
erühmt!"
"Wollt ihr ein Autogramm von mir?" Lú läßt
ein Zahnpastalächeln aufblitzen. Athon läßt sich wieder
in seinen Sessel fallen.
"Was wir vorhaben ist Wahnsinn", stöhnt er.
"Wie konnte ich nur so verrückt sein, und mich der
Künstlergruppe der 'wilden Zwillinge' anschließen..."
"Weil bei uns immer etwas los ist", verkündet
Vanváya strahlend. Sayéstra grinst ihn
niederträchtig an.
"Sei froh, daß Lady Rainbow nicht mehr bei uns ist...!"
Crystálya -- genannt Lady Rainbow -- ist eine der exzentrischten
Figuren auf dem Kübstlerplaneten -- und das will etwas heißen
auf Bator VIII/Fezea. Crya läuft überall mit ihrer
Sechsfarb-Sprühpistole herum, und verziert alles, was ihr vor die
Düsen kommt mit Regenbogen -- seien es Menschen, Tiere, Pflanzen,
gebäude oder Gesteinsformationen. Sobald irgendwo eine
regenbogenfarbig gekleidete Gestalt mit himmelblauer Haut und rubinroten
Haaren aufkreuzt, die mit einem breiten Silbergürtel voller
Farbpatronen und einer Spritzkanone bewaffnet ist, tut man gut daran, so
schnell wir möglich in Deckung zu gehen.
"Das bin ich auch -- Crys ist ja überhaupt nicht
auszuhalten..."
"Welche Farbe sollen wir unserem Planeten eigentlich
verpassen?" will Hályos wissen. Vanváya blickt
schwärmerisch zum großen Panoramafenster des Wohnzimmers
hinaus.
"Flammendes Orange...!"
Athon starrt sie schockiert an.
"Bei der Imayna! Was für eine Vorstellung... Auch wenn das
deine Lieblingsfarbe ist, stell dir das einmal vor! Orange von morgens
bis abends... Das wäre ja nicht auszuhalten...!"
"Und was schlägst du vor?" fragt Van leicht beleidigt.
"Zartgrün natürlich. Das beruhigt."
"Ohne mich!" erklärt Sayéstra entschieden.
Lúthian grinst.
"Ich bin für poppiges Pink", wirft er ein.
Alle anderen mustern ihn indigniert. Pink...
"Was haltet ihr von Türkis?" erkundigt sich
Hályos.
"Klingt schon besser", sagte Sayéstra gnädig.
"Ich bin aber für helles Violett. Zyklamen oder so..."
"Und was nun?" will Hál ratlos wissen.
"Wir würfeln!" schlägt Lúthian mit
großartiger Gebärde vor und zieht einen hellblauen Oktaeder
aus seinem Gewand, dessen Seiten von 1 bis 8 durchnummeriert sind.
"Wer fängt an?"
Das Spiel endet damit, daß Sayéstra gewinnt. Sie setzt ein
triumphierendes Lächeln auf.
"Also Zyklamen", verkündet sie.
Derweil hat Athon sich an den Computer begeben und etwas durchgerechnet.
Er dreht sich zu den Freunden um.
"Wenn ist Sayéstras Vorschlag durchführen, bedeutet
das, daß wir eine vergleichsweise geringe Móvan-Menge
brauchen. Für die intensiveren Farben wie Leuchtorange und dichtes
Pink benötigten wir viel mehr Gas. Außerdem werden bei
blaßviolettem Himmel auch die Wolken eine mehr oder minder starke
rötlich Tönung annehmen. Hm, was meint ihr?"
Hályos nickt zustimmend.
"Klingt nicht schlecht. Jetzt müssen wir sehen, daß wir
die Raketen bekommen..."
"Das wollte Unsere Schlafende Herrin erledigen." wird er von
Lúthian aufmerksam gemacht. "Außerdem wird sie
veranlassen, daß die ausreichende Menge Méovan
bereitgestellt wird."
Vanváya hat sich derweil an der Hausbar ein Gläschen eines
tiefrote Likörs mit dem sinnigen Namen Happy Dreams Red getastet.
Unmittelbar darauf erscheint ein hochstieliges Glas in der Ausgabe. Sie
nippt kurz daran und bemerkt dann verärgert:
"Und was haben wir noch zu tun? -- Organisation! Pah!"
Sie schüttelt den Kopf mit ihrer signalorangefarbenen,
schulterlangen Haarpracht. "Von uns ist die Idee, okay, aber em
Endeffekt erledigt doch alles die Imayna!"
"Dann stell du dich in die Labors, produziere Unmengen
Méovan-Zyklamen, organisiere die Trägerraketen, betanke sie,
rechne die optimale Verteilung aus, übernimm die Fernsteuerung und
so weiter, und so fort...!" weist Athon sie zurecht.
"Okay, okay..." gibt sie nach.
Und so laufen die Vorbereitungen zum Einfärben der Atmosphäre
automatisch und im Verborgenen ab.
* * *
Pojehda II/Kaskà ist eine Welt, die normalerweise gar nicht
kolonisiert worden wäre, wenn der Mutterplanet V'arásta
II/M'yrta nicht unter katastrophaler Überbevölkerung gelitten
hätte. Dabei waren die M'yrtaz selbst auch nur Abkömmlinge
des Alten Volkes von S'selite, was bedeutete, daß sie der
zweiten der drei großen Blutlinien der humanoiden Völker in
diesem Galaxienbund angehörten, welche sind:
1) die Cyrea-Linie (rotes - Hämoglobin - Blut);
2) die S'selite-Linie (grünes - Chlorocruorin - Blut); sowie
3) die Laan-Linie (blaues - Hämocyanin - Blut)
So gehören beispielsweise die Fezeaner zur Cyrea-Linie, wie auch
die Sol III/Terraner oder die Accra II/Karane, während Comaany der
Laan-Linie zugeordnet werden und M'yrtaz, sowie Kaskàez der
S'selite-Linie.
Im Gegensatz zu den meisten s'selitez'schen Kolonien entwickelten sich
die M'yrtaz auf allen Gebieten stark zurück. Als die rapide
Bevölkerungszunahme nicht mehr unter Kontrolle zu bringen war,
entschloß man sich zu drastischen Maßnahmen.
Es wurden Notstandsgesetze ausgerufen und große Teile der
Einwohner zwangsweise umgesiedelt. Da die Raumfahrttechnik der M'yrtaz
ebenso degeneriert war wie ihr moralisch-ethnisches Empfinden, setzten
sie die Kolonisten auf den schnellstmöglich erreichbaren Welten ab.
Die Wahl fiel auch auf Pojehda II/Kaskà, einen Planeten, der von
seinem Muttergestirn -- einem dK4p-Stern -- ein beträchtliches
Quantum Strahlung empfängt, die für alle normalen Menschen der
grünblütigen S'selite-Line absolut tödlich wäre.
Aus diesem Grund wurden die Zwangsaussiedler mit einer
widerstandsfähigen Schuppenhaut versehen, die ihrer
ursprünglichen Hautfarbe entsprechend mittelgrün war, aber bei
Lichteinfall metallisch regenbogenfarbig irisierte. Lediglich die
schwarzgrünen Augen und die strahlend pinkfarbenen Haare zeugen
noch von der s'selitez/m'yrtaz'schen Abkunft der Kaskàez. Durch
diese aufgezwungene Mutation hat sich bei den Bewohnern Kaskàs
ein neurotischer Komplex herausgebildet: sie halten ihre Schuppenhaut
für einen Makel. Dies versuchen sie dadurch zu kompensieren,
daß sie auf geistigem Nivea -- genauer: auf dem Gebiet der
schönen Künste -- 'Vollkommenheit' zu erreichen trachten.
Ihre Einstellung wäre prinzipiell nicht zu verurteilen, hätte
sich nicht zusätzlich noch die Überzeugung eingebürgert,
man müsse wahrhaft einzigartig sein...
* * *
Die Ehrwürdige Dame Kaskàs sitzt hinter ihrem
volumniösen Schreibtisch und klopft einen ungeduldigen Rhythmus auf
die Kupferrote Kunstholzplatte. Nach terranischen Maßstäben
wäre sie Anfang oder Mitte Vierzig, was man ihr aber Dank
raffinierter kosmetischer Tricks überhaupt nicht ansieht. Sie
trägt ihr hüftlanges, dunkelrosafarbenes Haar offen über
einem schlichten, schwarzen Overall und blickt immer wieder ungeduldig
zur Tür.
Endlich gleitet diese in die Wand und A'Vydhes Adjutant Saralh betritt
das Arbeitszimmer.
"Sind die Senatoren nun vollzählig?"
"Ja, Ehrwürdige Dame A'Vydhe. Sie erwarten Euer
Erscheinen."
Der blauuniformierte junge Mann tritt wieder ab. Die Vorsitzende des
Senats erhebt sich von ihrer Sitzgelegenheit und geht in den nebenan
liegenden Versammlungsraum, wo sie von den 16 weißgewandeten
Senatoren respektvoll begrüßt wird. A'Vydhe nummt ihren
Platz an der Spitze des ovalen Sitzungstisches ein und läßt
ihren Blick über die sieben Frauen und neun Männer schweifen.
Senatorin T'Lenya ist wie üblich von Kopf bis Fuß mit
geradezu unglaublich kitschigem Schmuck behängt, während
Senator Cawarl hingebungsvoll seiner Naschsucht frönt und eine
Süßigkeit nach der anderen vertilgt. R'Ianha wirkt
griesgrämig wie eh und je, wogegen Corryn ihr zutiefst gelangweilt
gegenüber sitzt. Es verspricht wieder mal, eine überaus
interessante Ratssitzung zu werden. A'Vydhe tippt auf eine Sensortaste,
woraufhin laut und vernehmlich der Gong des Beginns ertönt.
"Hochgeehrte Senatoren, ich habe Euch zusammengerufen, weil mir
durch einige Informaten zu Gehör gekommen ist, daß auf dem
Planeten Bator VIII/Fezea ein Projekt vorbereitet wird, das in
nachgerade unverschämter Art und Weise unsere Vormachtstellung als
Planet der schönen Künste in Frage stellt..."
Senator Corryn hebt arrogant eine Augenbraue.
"In der Tat? Dagegen muß etwas unternommen werden."
"In der Tat", sagt A'Vydhe bestätigend und mit leicht
ironischem Unterton. "Deshalb seid Ihr hier versammelt."
"Erledigen wir sie einfach ein für alle Mal!" zischt
R`Ianha boshaft, was ihr einen vernichtenden Blick von Senator Cyralh
einträgt.
"Warum müßt Ihr nur immer alles
'erledigen'?" erkundigt er sich indigniert.
Die Ehrwürdige Dame Kaskàs betätigt energisch ihren
Gong, um sich wieder Gehör zu verschaffen.
"Ruhe, verehrte Senatoren! Ich werde Euch zunächst einmal mit
den Fakten des fezeanischen Projekts vertraut machen..."
A'Vydhes sechsfingrigen Hände huschen über die Sensortasten an
ihrem Platz, woraufhin eine Holokugel mitten über dem Tisch
projiziert wird, die die Vorbereitungen der Fezeaner zeigt. Senator der
Kunstaufsicht Cawarl stopft sich zwei Pralinen gleichzeitig in den Mund
und nuschelt anerkennend:
"Ein grandioses Unternehmen!"
"Grandios nennt Ihr das?!" stößt A'Vydhe
entsetzt hervor. "Ihr seid Senator der Kunstaufsicht, Carwarl,
also fällt diese Angelegenheit in Euer Metier." Sie deutet auf
die Projektion, die das voraussichtliche Endergebnis der fezeanischen
Bemühungen widergibt. "So geht das nicht. Räumt die
Fezeaner endlich aus dem Weg, Senator!"
Die alte Senatorin R'Ianha klatscht begeistert in die Hände.
"Das ist ein Vorschlag nach meinem Geschmack!"
"Was kann ich denn unternehmen?" rätselt Cawarl halblaut.
"Das liegt ganz in Euerem Ermessen, Senator Cawarl."
Nachdem A'Vydhe die Versammlung aufgehoben hat, kehrt Cawarl in sein
Büro zurück, wo er sich sofort seiner weißen Toga
entledigt und in einen schreiend bunten Kimono klettert, in dessen
weiten Taschen er ungeahnte Mengen Süßigkeiten deponiert hat.
Er läßt seine nicht unbeträchtliche Masse in einen
Polstersessel plumpsen und beschließt, erst einmal in aller Ruhe
bei einem kleinen Imbiß nachzudenken. Das beste wäre wohl,
das Team um Captain Zelath mit der Angelegenheit zu betrauen. Er hat
bis jetzt noch die kompliziertesten Aufträge mit Bravour
gelöst. Gut. Er würde also Captain Zelath
verständigen...
Wie üblich erscheint Zelazth auf die Sekunde pünklich. Cawarl
blickt auf seine Uhr, während er an einem Glas Schwarzbeerensirup
nippt. Keine Minute zu früh und keine Minute zu spät...
"Zu Befehl, Senator Cawarl!" Der Captain salutierte und blickt
sich suchend um. Seine beiden Mitarbeiter sind noch nicht zu sehen.
Wie üblich. Er nimmt sich zum wiederholten Male vor, Lieutenant
Zykalh und Lieutenant D'Lynth zur Ordnung zu rufen. Cawarl mustert
Zelath nachdenklich. Mit 1,85m ist er nur unwesentlich
größer als der durchschnittliche Kaskàezzo. Er
trägt eine langärmlige, weiße Tunika, Stiefel, sowie
einen pinkfarbenen, bodenlangen Mantel ohne Ärmel, dessen
Tönung genau seiner Haarfarbe entspricht. Leicht verärgert
blickt er immer wieder zu der Tür, durch die mit fünf Minuten
Verspätung der erste Mitarbeiter Zelaths eintrudelt: die
Wissenschaftlerin und Medizinerin D`Lynth. Sie ist in einen hellblauen
Overall gekleidet und wirft ihrem Captain einen entschuldigenden Blick
zu.
"Tut mir leid, Zelath, aber ich war mit einem Experiment
beschäftigt und konnte es nicht einfach abbrechen..."
Er holt tief Luft, um sie ob ihrer ständigen Unpünktlichkeit
zurechtzuweisen, als last but not least Zykalh aufkreuzt -- seines
Zeichens Pilot aller Klassen und Spezialist für Nahkampftechnik.
Wie auch Zelath ist er in eine knapp knielange Tunika gekleidet, nur
daß seine helltürkis gefärbt ist.
"Ich hatte einen kleinen Disput mit einer der
Senatswachen...", kommentierte er sein reichlich spätes
Eintreffen. "Man wollte mich partout nicht einlasen..."
"Kein Wunder bei der Aufmachung", sagt D'Lynth pikiert und
deutet auf die beiden unterschiedlichen Stiefel: rechts weiß und
links pink. Außerdem wirkt Zykalhs schulterlange Mähne auch
nicht sehr gekämmt.
"Äh", macht er verlegen, "ihr habt mich halt zu
einer äußerst unpassenden Zeit aus dem Bett geholt..."
"Jetzt?!" erkundigt sich D'Lynth indigniert.
"Es ist früher Nachmittag!"
"Schicksal", erwidert Zykalh achselzuckend.
"Worum geht es überhaupt?" Jetzt, da seine Leute anwesend
sind, kommt Zelath zur Sache. Der Senator weiht ihn in die frevelhafte
Machenschaften der Fezeaner ein. Captain Zelath hört aufmerksam zu
und sieht Cawarl erwartungsvoll an.
"Und was ist nun unser Auftrag, Senator?"
"Äh, nun", beginnt dieser irritiert und schiebt einen
Schokokeks ( beziehungsweise das kaskàez'sche Pendant dazu) in
den Mund. "Eigentlich hatte ich gedacht, Ihr wüßtet,
was zu unternehmen ist... Gut. Also. Ihr habt freie Hand. Ihr sollt
die Fezeaner aus dem Weg räumen..."
"Na, das ist ein Wort!" Zykalh ist begeistert. "Sprengen
wir die Fezea in den freien Raum!"
"Ah, das hat doch aber überhaupt keinen Stil", meint
Zelath verweisend. "Wir werden uns eine subtilere Methode
ausdenken."
"Wir sabotieren sie", schlägt D'Lynth vor.
"Genau daran dachte ich", stimmt ihr der Captain zu.
"Das klingt vielverprechend", äußert sich nun auch
Cawarl und fegt ein paar Krümel von seinem Kimono. "Ihr
mögt abtreten." Er macht eine huldvolle geste, woraufhin die
drei knapp salutieren und das Büro verlassen. Sie
beschließen, sich zunächst einmal vor Ort auf der Bator
VIII/Fezea umzusehen.
* * *
Auf dem Raumhafen von Tazea-Central landet der Schnelle Kreuzer
T'Synth einer kaskàez'schen Künstlerdelegation.
Offiziell besteht ihre Absicht darin, sich ein Bild von der aktuellen
Arbeit auf dem Planeten der Kunst Fezea zu machen. Inoffiziell lautet
ihr Auftrag durchaus ähnlich, doch mit eindeutig bestimmtem,
destruktivem Ziel.
"Und nun?" will D'Lynth wissen, als sie sich mit Zelath und
Zykalh am Raumhafenterminal als Besucher ausgewiesen haben.
"Wir sollen hier auf zwei Leute warten, die uns ein wenig
herumführen!" erinnert Zelath. "Ich glaube, da kommen
sie!"
Zwei junge Frauen steuern zielstrebig auf die drei Kaskàez zu.
Die eine ist vom Kopf bis zu den Fußsohlen zartrosé
gefärbt, bis auf ihr wallendes, zyklamengetöntes Haar und ein
gleichfarbiges, knöchellanges Kleid, die andere dagegen leuchtet in
Flammenfarben und trägt einen enganliegenden Overall. Die
Flammenfarbige beginnt zu sprechen.
"Ich grüße euch, Künstler von Kaskà. Ihr
wollt die neusten Projekte auf unserem Planeten besichtigen?"
"Auch wir entbieten Euch Gruß. Ich bin Zelath, dies ist
D'Lynth und dies Zykalh..."
"Ich bin Vanváya, und die Imayna betraute mich damit, euch
das Vorhaben meiner Clique vorzustellen." Sie blickt zu der anderen
Frau, auf deren Schulter ein kleines, blaßviolett getöntes
Tierchen sitzt und leise gurrt. "Meine Freundin Shalánna
wird euch das Projekt ihrer Gruppe zeigen."
"Wir betreuen zur Zeit die einzigen wirklichen Großprojekte
auf der Fezea", erläuterte Shalánna. "Vanas
Schwester leitet die Kolorierung der gesamten Atmosphäre unserer
Welt! Meine Clique ist lediglich damit beschäftigt, die Mittsteppe
des Kontinents Lánathon mit Zierpflanzen und -tieren zu
bevölkern..."
"Na, stell euer Licht mal nicht so unter den Scheffel, Shal!
Immerhin habt ihr schon aus dem Seengebiet von Tazea ein wahres
Kunstwerk gemacht..."
"Ja, Tánalhon ist ein begabter Floratrist, auch wenn er erst
13 Kleinjahre alt ist", stimmt ihr Shalánna zu.
(Ein Jahr auf der Fezea ist zwölf Terrajahre lang und wird in zehn
Kleinjahre unterteilt, die wiederum zehn Monate haben. Ein Monat
gliedert sich in 5 Wochen zu 8 Tagen.)
Abrupt wechselt Vanváya das Thema. "Wohin wollt ihr
zuerst?" wendet sie sich an die drei Kaskàez, die nie damit
gerechnet hätten, sämtliche Informationen förmlich auf
dem Silbertablett geliefert zu bekommen. D'Lynth meldet sich zu Wort.
"Mich persönlich würde dir Neugestaltung jener
'Mittsteppe' interessieren", meint sie. Zelath stimmt ihr zu. Die
'Färbeaktion' würde ihnen ja nicht weglaufen, und ein paar
Tage vollbezahlter Urlaub -- warum nicht?
"Dann kommt mit. Mein Schweber steht draußen auf dem
Parkplatz." Shalánna dirigiert Van und Zelaths Leute in
einen geräumigen Luftgleiter und beginnt sogleich mit ihren
Erläuterungen.
"Die Ider zu unserem Projekt stammte -- wie meistens -- von
Cálvyos, dem hauptberuflichen Projektleiter in unerer Clique.
Vor neun Wochen, also am 5.Astáre im Monat der Musik, schlug er
vor, wir könnten uns einmal daranmachen, die triste Landschaft der
lánathonischen Mittelsteppe zu verschönern. Mal sehen...
Heute ist der 3.Dárye im Monat der Inspiration... Wnn wir
Glück haben, sind wir in zwei oder drei Wochen fertig."
Zehn Minuten später hat der Schweber den bräunlichgrünen
Ozean überquert. D'Lynth erscheint es merkwürdig, daß
die so farbenfrohen Fezeaner auf einem derart trist kolorierten Planeten
leben. Kein Wunder, daß sie versuchen wollen, zumindest die
Atmsphäre ihrer Welt anzufärben... Unter dem Gleiter zieht
ein Vulkangebiet vorbei, die Bruchzone, die ihren Anfang bereits auf
Tazea nimmt und sich durch das Meer bis durch Lánathon hindurch
erstreckt.
Endlich landen sie auf einem freien Feld am Ran eines kupferfarbenen
Wädchens, dessen Bäume von silbernen Blüten
übersät sind. Der Boden ist von einem perlmuttschimmernden
Moos bedeckt.
"Hier haben wir mit unserer Arbeit angefangen", erläutert
Shal. Eine goldene Frau, die nur mit einem Lendenschurz und
hüftlangen, strahlend silbernen Haaren bekleidet ist nähert
sich zusammen mit einem hochgewachsenen, schwarzen Mann mit goldenen
Haaren und gleichfarbiger Tunika. Shalánna springt aus dem
Fahrzeug und begrüßt die zwei, bevor sie sie mit den
Neuankömmlingen bekannt macht.
"Das sind Marváya und Cálvyos. Cal ist der Leiter
hier, und Mar als Floratristin und Virologin für den Haupteil der
Arbeit zuständig. -- Wie geht es voran?"
"Optimal." Cal wirkt mehr als nur zufrieden. "Mar hat
endlich das Viroid zusammengebastelt, das es uns ermöglicht, das
gelbe Steppenrispengras orange zu färben!"
"Das hat mich auch genug Mühe gekostet. Außerdem hat
Cal ebenfalls einen guten Teil dazu beigetragen, indem er den
genetischen Code der Pflanze entschüsselte..."
Jetzt hält es D'Lynth für angemessen, sich auch einmal
einzumischen. "Haltet ihr es nicht für gefährlich, am
Genom von Lebewesen -- seien es nun Pflanzen oder Tiere --
herumzupfuschen?!"
"Hey, hey!" empört sich Cálvyos. "Wir
pfuschen nicht! Wir sind Künstler!" Sein Tonfall
läßt deutlich erkennen, daß er keine Lust hat, sich auf
eine Diskussion über die ethischen Implikationen seiner
Tätigkeit einzulassen. Dennoch läßt D'Lynth nicht
locker. "Ihr spielt mit den Erbanlagen von Lebewesen
herum! Haltet ihr das nicht für unmoralisch?!"
"Wieso unmoralisch? Wir benutzen diese Techniken
ausschließlich zur Gestaltung -- im Gegensatz zu diversen
kriegerischen Rassen!"
D'Lynth breitet unschlüssig die Arme aus.
Was sollte man darauf erwiedern? Auf Kaskà sind genetische
Manipulationen seit Jahrhunderten verpönt -- nicht zuletzt wegen
der leidvollen Erfahrungen der Kaskàez. Vor allem sie als
Medizinerin macht die Leichtfertigkeit der Fezeaner in dieser Hinsicht
betroffen. Gut, auch auf Kaskà sind weder Genetik noch
Molekularbiologie in Vergessenheit geraten, doch die Forschungen werden
nur noch in geheimen Labors durchgeführt, von denen die
Öffentlichkeit nicht unterrichtet ist. Sie, D'Lynth, wurde im
Laufe ihrer Tätigkeit bei der Spezialeinheit unter Captain Zelath
davon in Kenntnis gesetzt, doch an einem tiefergehenden Einblick in
diesen verrufenen Zweig der Wissenschaft war sie nicht interesiert. In
Gedanken versunken läßt D'Lynth das weitere Gespräch
unbeachtet an sich vorbeifließen. Irgendwann steigen die drei
Kaskàez und Vanváya wieder in den Schweber.
Shalánna bleibt bei ihrer Clique zurück. Die flammenfarbige
Frau steuert das Fahrzeug auf die Großinsel Málkyon zu.
"Hier ist also unser 'Hauptquartier'", bemerkt Vanváya
gerade.
"Nebenbei, was läuft denn gerade so auf Kaskà, was
größere Projekte betrifft?"
"Nun... Wir haben eine Gruppe, die sich bemüht, das
Magnetfeld unseres Planeten zu manipulieren, um damit interessante
farbige Leuchteffekte zu erzielen, zumal die Korpuskularstrahlung
unserer Sonne bereits in den magnetischen Polgebieten derartige
Phänomene erzeugt. Allerdings hat diese Künstlergruppe
mindestens ebensoviele Gegner wie Anhänger, die negative
Auswirkungen auf die Biosphäre Kaskàs befürchten. Ich
muß gestehen, daß auch mit dieser Gedanke nicht sonderlich
gefällt." Zelath schüttelt ernst den Kopf. Die vier
Leute verlassen den Gleiter, der neben dem Haus der Zwillinge gelandet
ist. Neugierig blicken sich die Kaskàez um. Dies ist das
'Haupquartier' jenes ehrgeizigen Projektes?! Nun ja -- man würde
sehen...
Nachdem alle Neuankömmlinge begrüßt worden sind und
Platz genommen haben, bietet Hályos ihnen einige Erfrischungen
an. Van nippt an einem hochstieligen Glas mit orange fluoreszierendem
Inhalt. "Übrigens, wir waren bei Shalánna und
Company", erzählt sie ihren Freunden. "Die sind in
vielleicht zwei, drei Wochen mit ihrer Sache fertig. Wir lange brauchen
wir denn noch?"
Ihre Schwester macht eine unschlüssige Geste.
"Rechnen wir mal mit fünf Wochen."
Begeistert schlägt Lúthian einen Akkord auf seiner
Lichtharfe an. "Hey, in fünf Wochen? Am 3.Dárye im
Monat der Gestaltung werde ich 14 Kleinjahre alt! Das wäre doch
was, oder?"
"Mach dir keine allzugroßen Hoffnungen, Lú! -- Wer
weiß, vielleicht schaffen wir es ja bis zum 3.Súnyare --
und da haben wir Geburtstag..." grinst Say den
silberlockigen Jungen an.
"Ooch, die zwei Tage...!" schmollt er und läßt
einen dunklen Akkord erklingen. Ein Monat fezeanischer Zeitrechnung --
also etwas weniger als anderthalb Trisíradí VZ... Das
läßt ihnen weniger Zeit als zunächst angenommen. Zelath
seufzt unhörbar. Die Tage Sonderurlaub, die er sich ausgemalt
hatte, kann er jetzt doch wieder streichen...
In den folgenden Stunden horchen die drei Kaskàez ihre
fezeanischen Gastgeber unauffällg aus. Am nächsten Tag, dem
4.1.3.72/10 (oder, in der poetischen Aussprache der Fezeaner, am 4.
Astáre im Monat der Inspiration, im 72.Jahr des Nachtsterns)
machen sich Zelath und seine Leute mit ihrem Raumer T'Synth auf
den Rückweg nach Pojehda II/Kaskà. W&huml;rend D'Lynth sich
um die Pflanzen kümmert, die sie für ihre Sammlung exotischer
Floren mitgebracht hat, beraten sie, was für eine Aktion gegen die
Fezea wohl am wirkungsvollsten wäre, doch die Diskussion
verläuft ergebnislos.
"Und nun?" Captain Zelath ist ratlos. Selbst bei 'Helden'
soll so etwas schon einmal vorkommen...
"Hm..." brummt Zykalh. "Und wenn wir uns ganz einfach
der Methode der Fezeaner bedienen und die Leute mit einem programmierten
Virus erledigen?" D'Lynth springt schockiert auf.
"Niemals! Da mache ich nicht mit -- genmanipulierte
Viren... Bist du denn noch zu retten, Zykalh?" Sie nimmt wieder
Platz.
"Außerdem -- wir wollten sie sabotieren, nicht
umbringen."
"Hm..." macht nun Zelath. "Die Sache mit dem Virus ist
eigentlich gar nicht so dumm..."
"Abgesehen davon basteln die Fezeaner an Viroiden"
stellt die Medizinerin noch richtig. Zyklah blickt sie irritiert an.
"Na und? Wo liegt da der Unterschied?"
"Ein Virus besteht aus einer Nucleinsäure im Core und einem
darumliegenden Capsid auf Protein, während Viroide lediglich
'nackte' Nucleinsäureketten darstellen..."
"Hä?!" ist die einhellige Meinung von Zelath und Zykalh.
D'Lynth winkt ab. "Nicht so wichtig... Ein Viroid ist mehr oder
weniger ein Mini-Virus..."
"Aha." Zelath lehnt sich in seinem Sessel zurück.
"Zykalh, was macht das Schiff?"
"Es fliegt."
"Haha. -- Wie weit sind wir noch von Kaskà entfernt?"
"26 Parsec. Bis morgen Mittag sind wir da."
"Gut. -- Also, woran ich dachte, war, daß wir doch eventuell
einen Virus oder Viroid oder was weiß ich in den
Méovan-Gasbehältern praktizieren könnten, aus dem die
Verteiler-Raketen betankt werden. Diese Vanváya war ja so
freundlich, und überall herumzuführen..."
"Was für einen Virus?" D'Lynth ist immer noch
strikt dagegen.
"Bei den Planetformern von S'selite, stell dich doch nicht so an!
Jetzt haben wir eine Möglichkeit, gegen die Fezeaner vorzugehen,
und du..."
"Wertester Captain Zelath -- solcherart Methoden sind
unethisch!"
"Aber erfolgreich", kommentiert Zykalh trocken.
"Was würdest du denn tun?" will Zelath wissen.
"Nun..." D'Lynth vollführt eine unschlüssige
Gebärde mit einer sechsfingrigen Hand. "Ach, was weiß
ich!"
"Du hast also keinen besseren Vorschlag. Fein. Also werden wir
die Virus-Methode anwenden."
"Und wer soll euch da helfen?"
"Kennst du Professor D'Lanha?"
"Die ist forschungsbesessen und kümmert sich nicht um die
Folgen ihrer Arbeit", stellt D'Lynth mehr als nur vernichtend fest.
"Ja, der traue ich es ohne weiteres zu, am Genom eines Virus
herumzupfuschen..."
"Was meinst du, D'Lynth, ist es möglich, damit die Flora der
Fezea zu schädigen? Und das in einem Ausmaß, daß es
die Fezeaner zeitlebens daran hindert, unserer Welt als
Künstlerplanet in die Quere zu kommen?"
"Sicherlich ist es möglich", bestätigte die
Wissenschaftlerin widerwillig. Zykalh sieht sie kopfschüttelnd an.
"Mach doch nicht so einen Aufstand, Deely... Du bist ohnehin
überstimmt!"
"Leider!" Verärgert verläßt sie die
Kommandozentrale der T'Synth und zieht sich in ihre Kabine
zurück. Zykalh breitet fatalistisch die Arme aus. "Ich
glaube, sie ist wütend..."
Bis zur Landung läßt D'Lynth sich nicht mehr sehen.
* * *
Die T'Synth setzt auf dem großen Interstellar-Raumhafen
Kaskà-Central/C'ardaz auf. Dort wartet bereits ein
Senatsschweber auf die drei 'Spione', um sie in die kaskàez'sche
Hauptstadt Kaskàrya zu befördern, wo sich der Regierungssitz
des Planeten befindet.
Zelath erstattet Senator Cawarl in dessen Büro Bericht. Die
darauffolgende Senatssitzung ist in der Rekordzeit von fünf Stunden
(allerdings mit zwei Vertagungen) beendet. Man kommt zu dem
Entschluß, daß der Vorschlag, die fezeanische Flora zu
infizieren, eine akzeptable Lösung zur Ausschaltung des
konkurrierenden Künstlerplaneten ist. Lediglich D'Lynth und
Cyralh, der äußerst kunstliebende Senator für
Geisteswissenschaften, wenden ein, daß es ein schweres kulturelles
Vergehen wäre, einen Planeten der Kunst wie die Bator VIII/Fezea
auszulöschen, und noch dazu mit solch verpönten Methoden wie
einem manipulierten Virus. Wie nicht anderz zu erwarten, werden sie von
den übrigen Senatoren einfach überstimmt.
* * *
Noch am selben Tag fliegen Captain Zelath und seine beiden Mitarbeiter
nach T'áryth, dem Wissenschaftszentrum auf dem Nachbarkontinent
S'yllóne. Ungeachtet des Protests der Wissenfsachtlerin, hat
Zelath ihre Sammlung fezeanischer Pflanzenexemplare für
Versuchszwecke konfiziert.
"Du...du...unverschämzer Pfriemel, du...!" D'Lynth ist
rechtschaffen wütend. Zelath macht eine beschwichtigende Geste.
"Tut mir leid, aber es muß sein... Wir haben einen Auftrag,
wenn ich dich daran erinnern darf, meine Liebe..."
"Langsam reicht es mir!" faucht sie. "Ich werde meinen
Abschied nehmen und mich als Lichtkünstlerin zur Ruhe
setzen..."
Zykalh seufzt gelangweilt auf. "Beim Trümmerring von Blexann,
das versprichst du uns jetzt schon seit gut zwei Jahren, Deely! Wann
löst du das Versprechen endlich ein?"
"Du nervst mich!" Schmollend wendet sie sich ab und blickt aus
dem Seitenfenster des Fahrzeugs. Gerade überqueren sie die Gipfel
eines Hochgebirges. Im Hintergrund kommt die Halbinsel in Sicht, wo die
militärische Sperrzone beginnt, in der sich die
unterkaskàez'schen Laborkomplexe des Wissenschaftszentrums
befinden. Nachdem sie glandet sind, werden die drei von zwei
schwerbewaffneten Wachoffizieren in blaßroségetönten
Uniformen in Empfang genommen und zur Sicherheitskontrolle gebracht.
Ohne größere Verzögerungen identifiziert man sie als
Zutrittsberechtigte, und Zelath atmet auf. Bei letzten Mal waren sie
aufgrund eines Mißverständnisses erst einmal für mehrere
Tage inhaftiert worden.
Professort D'Lanha erwartet Zelaths Team in ihrem spartanisch
eingerichteten Büro. Die Zahl der bunten Notizzettel auf ihrem
Schreibtisch scheint sich im Laufe der Zeit mindestens um den Faktor
vier vervielfacht zu haben, stellt D'Lynth fest. Die Leiterin des
Forschungszentrums sieht unfreundlich von ihren Unterlagen auf.
"Ich hoffe, Ihr habt mich nicht grundlos während meiner Arbeit
gestört", beginnt sie anstelle einer Begrüßung.
"Wir kommen im Auftrag der Ehrwürdigen Dame A'Vydhe",
entgegnet Captain Zelath knapp. Zykalh straft die arrogante Professorin
mit diskreter Mißachtung. "Seid Ihr in der Lage, einen Virus
zu züchten, der die gesamte Flora eines Planeten zerstören
kann?" erkundigt sich der Captain.
"Sicherlich. Habt ihr Unterlagen über den Planten und
Probeexemplare der Flora?"
Zelath breitet D'Lynths Errungenschaften auf dem Schreibtisch auf dem
Schreibtisch aus.
Mit einem wütenden Seitenblick bringt D'Lanha ihre Zettel in
Sicherheit. "Was soll ich damit", faucht sie den Captain an.
"Schickt das zu Professor Ceranh! Er wird sich mit Eurem Problem
befassen." Sie ruft einen Assistenten, der die Pflanzen einsammelt
und ihrer Bestimmung zuführt. D'Lynth blickt ihnen wehmütig
nach.
* * *
Drei Wochen fezeanischer, beziehungsweise achteinhalb Tris VZ nach
kaskàez'scher Zeitrechnung, nachdem sie von der Bator VIII/Fezea
zurückgekehrt sind, hält Zelath die etwa 20cm lange Ampulle
mit dem Killervirus in der Hand. Fasziniert betrachtet er den
bläulich schimmernden Metallbehälter, der die völlige
Vernichtung der fezeanischen Flora entält. Jetzt stellt sich nur
noch die Frage, wie er die Viren am Sinnvollsten in den Zentraltank des
Färbegases Méovan befördern kann. Zelath ruft seine
Leute zusammen.
"So", beginnt er, als D'Lynth und Zykalh (letzterer schwer
verschlafen) in seiner Wohnung versammelt sind, "wir fliegen jetzt
zum zweiten und letzten Mal zur Bator VIII/Fezea. Um unseren Auftrag
anzuschließen, müssen wir noch den Virus loswerden..."
"Und dann ade, Künstlerplanet Fezea", vollendet Zykalh
gähnend. "Mußtest du mich schon wieder aus dem Bett
schmeißen?"
"Was hat denn das schon wieder mit der Fezea zu tun?"
erkundigt sich D'Lynth pikiert.
"Nichts, aber ich bin müde."
"So kommen wir doch nicht weiter", macht Zelath wieder auf
sich aufmerksam. "D'Lynth, kann der Virus eigentlich auch eine
Gefahr für die Floren anderer Planeten darstellen, wenn die
Fezeaner ihren Planeten verlassen?"
"In seinem jetzigen Zustand nicht. Aber er könnte
mutieren", unkte die Wissenschaftlerin.
"Wird er schon nicht", meint Zykalh. "Sonst hätte
dieser Professor Ceranh die Biester nicht rausgerückt, würde
ich sagen."
"Was soll's?! Morgen starten wir wieder zur Fezea", bestimmt
Zelath kurzerhand. "Ich bitte euch, wenigstens einmal
pünklich zum Start zu erscheinen..."
* * *
Am nächsten Morgen startet die T'Synth, natürlich mit
zehnminutiger Verspätung.
"Und was sagen wir den Fezeanern, warum wir sie ein zweites Mal
innerhalb eines Trisíradí VZ heimsuchen?" will
D'Lynth wissen. Zelath blickt von den Kontrollen auf.
"Nun, wir wollen uns über ihre Fortschritte informieren. Ist
doch ganz logisch..."
"Und wie kommen wir an den Gastank?"
"Sind wir ein Spezialkommando, oder nicht?"
"Äh, Zelath", meldet sich Zykalh, "aber wie
kommen wir an den Tank?"
"Nun, also", macht der Captain leicht verlegen. "Ach, es
wird uns schon etwas einfallen!"
* * *
Auf der Bator VIII/Fezea schreibt man den 2.Fúrane im Monat der
Gestaltung, im 72 Jaht des Nachtsterns (kurz: den 2.2.4.72/10FZ), als
die T'Synth auf dem Raumhafen von Tazea-Central landet. Wieder
werden die drei Kaskàez von der flammenfarbigen Vanváya in
Empfang genommen.
Diesmla steigt sie nicht in Begleitung von Shalánna aus ihrem
Schweber, sondern es folgt ihr ein bronzehäutiger Junge mit
tiefblauen, schulterlangen Haaren in einer weißen Tunika.
"Ich grüße euch, Künstler von Kaskà",
begrüßt sie die drei Saboteuere. "Was führt euch
ein zweites Mal auf die Fezea?"
Wie üblich ergreift Captain Zelath das Wort.
"Auch wir entbieten Gruß, Vanváya..." Er
zögert kurz. "Das war doch dein Name?"
"So ist es. Lú dürftet ihr wohl auch noch
kennen..."
"Äh, das ist Lúthian?" fragt Zykalh
entgeistert.
"Sicher", grinst der Junge, zückt seine Lichtharfe und
dudelt ein psychedelisches Musikstück, indem er die
perlmuttfarbenen Sensortasten berührt, die anscheinend wahllos auf
dem dunkelvioletten, dreieckigen Instrument verteilt sind.
"Man hört es", bemerkt Zykalh trocken duchr die
undefinierbaren Klänge, die wie eine Mischung aus Glöckchen,
Harfe und Synthesizer tönen. Vanváya schüttelt nur den
Kopf.
Die fünf Leute steigen in Vans Gleiter und machen sich auf den Weg
zur Großinsel Málkyon.
Im Domizil der Zwillinge angekommen, erkundigen sich die Kaskàez
nach den Fortschritten der Clique. Sayéstra -- mittlerweile
rothäutig, mit goldenen Zöpfen und in einem zur Haarfarbe
passenden Kleid -- lehnt sich bequem in ihrem Schwebesessel zurück
und nippt an einem türkis phosphoreszierenden Getränk.
"Wir sind fast fertig. Das Méovan ist bereitgestellt, die
Verteilung der Raketen berechnet, und die Bevölkerung ist
einverstanden. Das einzige, was noch nicht soweit ist, ist der Umbau
der Interkontinentalraketen als 'Gasverteiler'. Aber die Imayna meinte,
in einer Woche wäre auch das geschafft. Am 3.6.4.72/10, also in
anderthalb Wochen, an Vans und meinem 23.Geburtstag, wird das Projekt
beendet."
Zelath atemt innerlich auf. Eine Woche fezeanischer Zeitrechnung bleibt
ihnen noch, um die Viren in den Tank zu praktizieren. Es
müßte doch machbar sein, das in dieser Spanne abzuwickeln!
"Wenn es euch nichts ausmacht, werden wir noch bis dahin auf der
Fezea bleiben", sagt er.
"Warum sollte es uns etwas ausmachen?" will Say wissen.
"Im Gegenteil, wir freuen uns darüber!"
* * *
Drei Tage nach diesem Gespräch, am 2.5.4.72/10FZ, schleichen sich
Zelath und Zykalh aus dem Haus der Zwillinge. Auf Málkyon ist
gerade Mitternacht, was aber zur Folge hat, daß auf dem Kontinent
Tazea, wo sich der Hauptverteiler befindet, hellichter Tag ist. Nun
können die beiden Männer nicht abwarten, bis es hier dunkel
ist, sonst würde ihr Verschwinden Sayéstras Clique
auffallen. Ob dieser Tatsache gibt der Captain erst einmal einige
saftige Flüche zum besten.
"Und nun?" erkundigt sich Zykalh erwartungsvoll.
"Und nun, und nun...!" äfft Zelath ihn nach.
"Laß dir doch auch einmal etwas einfallen!"
"Du bist der Captain", grinst Zykalh. Sein Gegenüber
schüttelt nur den Kopf. Er balanciert die Ampulle auf der rechten
Handfläche und macht eine Geste mit der anderen Hand.
"Dabei brauchen wir nur diesen Zylinder in den Gastank
befördern! Er wird per Zeitzünder geöffnet,
versprüht seinen Inhalt und vernichtet sich danach
automatisch...!"
"Tjam wir müssen uns eben in die Fabrikationsanlage
einschmuggeln. Das müßte doch zu schaffen sein! Die ist
nicht irgendwie geheim, und ich bezweifle, daß diese degenerierten
Fezeaner irgendwo Wachen aufgestellt oder Alarmanlagen installiert
haben."
"Warum nicht", überlegt Zelath. "Treten wir eben
die Flucht nach vorne an -- immer nach dem Motto 'Frechheit
siegt'..." Er deutet auf den unbewachten Eingang. "Schmeit
mal deinen Abtaster an, ob du irgendwelche Sicherungsanlagen orten
kannst."
Zykalh zaubert ein flaches Kästchen aus seinem
Ausrüstungskoffer hevor, das er langsam vor der Eingangstür
umherschwenkt. Die Anzeige leuchtet violett auf. "Alles
klar."
"Na, dann los!"
"Momentchen..." Zykalh entnimmt seiner Tasche einen
spindelförmigen Sensor und fährt über das Tastenfeld des
Türöffners. Nur Sekunden später hat der Sensor den Code
erfaßt und strahlt ihn ab. Lautlos gleitet die Tür beiseite.
Zykalh verastaut sein Werkzeug in seinem Koffer. "Ich bitte
einzutreten..."
Zelath sichert noch einmal nach allen Seiten, dann schleichen sie sich
in die unterfezeanischen Industrieanlagen.
"Äh, Zelath, ich möchte dich ja nicht verunsichern, aber
weißt du eigentlich genau, wo dieser Riesentank steht, den uns
Vanváya gezeigt hatte...?"
"Nun..." zögert der Captain, "so in etwa..." Er
deutet schräg nach links unten. "Versuchen wir es da
lang..."
"Wenn du meinst... Du kannst doch die fezeanischen Schriftzeichen
entziffern, nicht wahr?"
"Doch. Hast du einen Wegweiser oder so etwas gefunden?"
"Da ist ein Pfeil, und darunter steht etwas."
"Wo? Ach, da... Äh... Zykalh...! Da steht, wo es zur
Toilette geht..."
"Oh." Zykalh blickt sich weiter um und erspäht eine
Tafel. "Und das da? Ich hoffe, es ist keine Speisekarte, oder so
etwas..."
"Laß mal sehen. Ah, das ist schon eher etwas!" Er
spurtet an die Wand und mustern die fremden Symbole.
"Die Anlage ist in eine ganze Anzahl von Ebenen unterteilt. Ganz
unten scheinen die Kraftwerke und Recyclinganlagen zu liegen.
Darüber sind diverse Stoff-Synthesizer angelegt, die die
Materialien für eine Ebene höher befindlichen industriellen
Fertigungsanlagen bereitstellen... Ah, wir haben es! Oh, direkt hier,
auf diesem Level... Das nenne ich Perfektion. Äh, vielleicht doch
nicht... Wir müssen noch etwa fünf Kilometer
marschieren...!"
Zykalh zieht eine fatalistische Grimasse. "Wandern wir..."
Die beiden machen sich auf den Weg. Die Gänge scheinen völlig
ausgestorben zu sein.
"Zykalh, mir gefällt das nicht. Es ist viel zu einfach!"
"Vielleicht haben die gerade Mittagspause, oder so... -- Das
erinnert mich an etwas... Ich schiebe Kohldampf...!" Er
öffnet seinen Ausrüstungskoffer und nimmte eine länglich
geformte, rosafarbene Frucht heraus, die er genüßlich
verspeist. Zelath sieht ihm kopfschüttelnd zu. "Hast du
für mich auch eine übrig?"
"Sicher", mümmelt Zykalh und reicht ihm eine
quaderförmige gelbe Frucht. "Danke. -- Hm, jetzt
dürften es vielleicht noch zwei Kilometer sein. Und es hat sich
immer noch nichts und niemand hier gerührt. Nicht einmal
Arbeitsrobots! Richtig unheimlich."
Was die zwei Männer nicht wissen, ist, daß in diesem Trakt in
der Tat niemand mehr ist. Der Gasbehälter ist gefüllt, und es
besteht für die Fezeaner keinerlei Notwenigkeit, hier Robots oder
Menschen als Wachen zurückzulassen, vor allem, wo die Künstler
selbst ohnehin an nichts anderem als an neuen Kunstwerken interessiert
sind. Endlich erreichen Zelath und Zykalh ein versiegeltes Schott.
"Und nun?" Zykalh blickt seinen Captain wieder erwartungsvoll
an. Dieser macht eine bezeichnende Geste.
"Dahinter liegt der Tank. Das hatte uns Vanváya zumindest
erzählt."
"Ich checke mal ab, ob bereits der Bereich hinter diesem Schott mit
Méovan geflutet ist, oder ob dert erst der Behälter
beginnt." Zykalh entnimmt seinem Koffer einen Analysator und
richtet ihn auf die massive Metalltür. Er runzelt die Stirn.
"Direkt hinter diesem Schott befindet sich das Gas. So etwas
leichtsinniges! Wenn nun jemand versehentlich den
Öffnungsmechanismus betätigt..."
"Wer?" erkundigt sich Zelath und macht seinen Mitarbeiter
darauf aufmerksam, daß sich doch niemand in diesem Bereich dieser
Anlage befindet, der sich eventuell unbeabsichtigt an dem Schott
zuschaffen machen könnte. Auch Zykalh muß das zugeben.
"So, und jetzt öffnet mal deinen Wunderkoffer", weist der
Captain ihn an. "Wir benötigen eine Minischleuse, einen
Desintegrator und einen 'Korken', um die Sache wieder dicht zu
bekommen..." Zykalh breitet seine Utensilien aus, dann machen sich
die beiden Saboteure an die Arbeit. Der Lieutenant vermißt mit
einem Sensor die Dicke des Schotts und programmiert eine
Desintegratorbombe auf den entsprechenden Radius, bevor er die
Minischleuse über die winzige Bombe stülpt und gasdicht an der
Tür befestigt. Er überprüft sorgfältig den Sitz der
'Bombe' und 'Schleuse', bevor er den Zündungsimpuls gibt. Sofort
bildet sich in dem Schott ein Lock, und Méovan strömt in die
daraufgesetzte Schleuse. Zykalh pumpt sie wieder leer und öffnet
das Außenschott, woraufhin Zelath die Ampulle in der etwa
Halbmeter durchmessenden Kammer deponiert. Mit einem darinbefindlichen
Greifer befördert sein Mitarbeiter den Zylinder in den Gastank,
bevor er abermals den Innenraum der Schleuse leerpumpt und die hintere
Tür schließt. "So", meint er. "Die Ampulle
ist drin. Jetzt müssen wir nur unsere Spuren beseitigen..."
Zelath sieht ihm fasziniert zu, wie er seinem Koffer mehrere
Metallwürfel entnimmt und mit einem Druckstrahler zu einem
passenden Zylinder umformt.
Nachdem er das vollbracht hat, schiebt er ihn in die Schleuse und setzt
ihn in das von der Desintegratorbombe produzierte Loch.
"Paßt. Jetzt muß ich die Angelegenheit nur noch
befestigen, abdichten und die Spuren verwischen..." Er nimmt den
Propfen noch einmal heraus und besprüht ihn mit einem 'Klebstoff',
der seinen Anforderungen entspricht, bevor er ihn endgültig in die
Öffnung einsetzt. Als er die Schleuse wieder abnimmt, kann er aber
nicht verhindern, daß das Méovan aus der Schleusenkammer
entweicht, doch das Gas verflüchtigt sich rasch. Zelath inspiziert
den 'Korken'.
"Aber man kann die Nahtstelle sehen!" bemängelte er.
"Keine Panik", beschwichtigt ihn Zykalh und holt eine
Sprühpistole aus seinem Zauberkasten. Nachdem er das Metall damit
bearbeitet hat, ist nichts mehr zu erkennen. Vielleicht glänzt die
Stelle ein wenig mehr, aber sonst... Wie neu!
"Was hast du eigentlich nicht in deiner Wunderkiste?"
erkundigt sich Zelath fassungslos.
"Wenig", erwidert Zykalh trocken. "Noch eine
Creáve?" Er hält ihm eine weitere gelbe Frucht
entgegen.
"Nein, danke." Zykalh zuckt mit den Schultern und verspeist
das Obst selbst. "Hauen wir wieder ab. Ich bin müde..."
Er gähnt ausgiebig. Zelath schüttelt belustigt den Kopf, und
sie machen sich auf den Rückweg. Abermals verläuft alles ohne
jegliche Hindernisse. Sie sprinten zu ihren versteckten Flugaggregaten
und machen sich auf den Rückweg nach Málkyon, wo sie sich
unbemerkt in ihre Gästezimmer im Haus der Zwillinge verziehen.
* * *
Am nächsten Tag, beim Frühstück, macht Zelath
Sayéstras Clique eine betrübliche Mitteilung.
Er deutet auf den Taschenkommunikator, den er in seiner Rechten
hält.
"Ich habe eine Nachricht von Kaskà bekommen, die besagt,
daß wir umgehend zurückkehren sollen. Es läuft ein
wichtiges Projekt, das unserer Anwesenheit bedarf."
Sayéstras Blick wandert bedauernd über die Kaskàez.
"Schade. Dann werdet ihr gar nicht den krönenden
Abschluß unserer Aktion miterleben. In einer Woche ist es doch
schon soweit!"
Zelath macht eine entschuldigende Geste. "Es tut mir leid."
Er wendet sich an seine Leute. "Wir müsen aufbrechen."
Captain Zelath und Mitarbeiter verabschieden sich von den fünf
Fezeanern und machen sich alsbald auf den Rückflug nach Pojehda
II/Kaskà.
* * *
Im Büro des Senoators erstatten die drei Saboteure Cawarl Bericht.
Dieser beschäftigt sich gerade mit dem Verspeisen einer
süßen Synizh-Pastete und hört dem Captain interessiert
zu.
"Denen habt Ihr aber ein ganz nettes Kuckucksei ins Nest
gelegt", bemerkt er anerkennend. D'Lynth verschränkt die Arme
vor der Brust und setzt eine abweisende Miene auf.
(Eigentlich kein Kuckucksein, sondern eine H'árutha, die
kaskàez'sche Version desselben -- Anm.d.Verf.)
"Ich bitte, in den Abschlußbericht aufzunehmen, daß
diese Vorgehensweise gegen meine Einwände..."
"Schon gut, schon gut", winkt der Senator ab. "Die
Angelegenheit wurde erledigt -- äh, ja, wie funktioniert eigentlich
die Kapsel mit den Bazillen?"
"Viren", wird er von D'Lynth korrigiert.
"Nachdem si in Kontakt mit dem Méovan-Gas gekommen ist,
löst sie sich innerhalb von 10 Minuten spurlos auf",
erläutert Zykalh.
"Gut. So wurde es also erledigt", überlegt der
Senator laut und bemerkt, daß er soeben seine Pastete terminiert
hat. Seufzend greift er nach dem Glas Ceráven-Sirup auf seinem
Schreibtisch.
"Wann geht es denn los?" erkundigt er sich.
"In fünf Fezea-Tagen, respektive etwas mehr als fünf
Dí VZ."
"Schön. Das wird die Ehrwürdige Dame A'Vydhe und den
Senat erfreuen."
* * *
Heute schreibt man den 3.6.4.72/10FZ -- also den 3.Súnyare im
Monat der Gestaltung, im 72.Jahr des Nachtsterns. Dieses Datum soll in
die Geschichte der Bator VIII/Fezea eingehen, bedeutet er doch die
Vollendung des bisher ehrgeizigsten Peojektes in der Geschichte der
fezeanischen Kunst. Die Einwohnerschaft umsteht wohl geschlossen die
Holokugeln des Trivid, als Sayéstra die Ehre obliegt, den letzten
Befehl zum Start des Méovan-Raketen zu geben. Und schon
schießen die Silberpfeile gen Himmel. Über Tazea-Central
steht gerade die Morgensonne und taucht die eher trist gefärbte
Landschaft in goldenes Licht.
An genau berechneten Positionen entledigen sich die Flugkörper
ihrer Ladung, die den ganzen Planeten von Grund auf verändern soll.
Auf der Nachthalbkugel Fezeas wird die anschließende
Zerstörung der Raketen zu einem prächtigen Feuerwerk, das die
Fezeaner ungemein erbaut. Lúthian rennt aufgeregt zwischen
Holoprejektion und Panoramafenster umher.
"Wann siehr man es denn endlich?" quengelt er. Athon verdreht
gestreßt die Augen. "Warte es ab! -- Wo steckt eigentlich
Van?"
"Die ist mal 'für kleine Mädchen'..."
"Aha. Hm... Aber eigentlich müßte man tatsächlich
bald etwas sehen..." Sayéstra schüttelt den Kopf und
lehnt sich in ihrem Schwebesessel zurück.
"Frühestens in ein, zwei Tagen", sagt sie. "Das Gas
muß sich doch erst richtig in der Atmosphäre verteilen."
"Schade..." Lú schiebt schmollend die Unterlippe vor
und angelt nach seiner Lichtharfe, die Ath aus Sicherheitsgründen
in Verwahrung genommen hat.
"Gib mir doch endlich die Harfe wieder!"
"Nein!" Athon klingt unerbittlich. "Du gehst uns nicht
schon wieder mit deinem Gedudel auf die Nerven..."
"Und was amchen wir bis dahin?" Hal deutet auf das Holobild,
das im Augenblick nichts Weltbewegendes mehr zeigt.
"Abwarten", antwortet Say ihrem Gefährten.
* * *
Als Lúthian zwei Tage später, am 3.8.4.73/10FZ aufsteht,
stürzt er, wie schon gestern, an das Panoramafenster.
"Bei der Imayna!" staunt er andächtig. Die goldene Sonne
steht noch sehr tief, und das Firmament erscheint tiefviolett. Nahe dem
Horizont glüht der Himmel intensiv purpufarben. Dann erst streift
sein Blick den kleinen Hain ehemals olivgrauer Bäume, und er
runzelt die Stirn. "Athon?" ruft er. "Athon!"
Einige Minuten später steht dieser verschlafen neben dem Jungen.
"Hm?" brummt er unwirsch. Lú weist auf die
Dératham-Bäume.
"Sieh dir mal die Dérathams an!"
"Sie sind metallisch türkis, na und?" Er gähnt
herzergreifend, als ihm plötzlich etwas auffällt. "Sie
sind metallictürkis?" Er reißt entgeistert seine
blauvioletten Augen auf. "Sie sind
metallictürkis..." Lú schüttelt grinsend den Kopf.
"Ach nee...!" Athon läßt sich nicht beirren.
"...aber warum sind sie das?!"
Lú macht eine Geste der Unschlüssigkeit.
"Was weiß ich? Das ist doch aber völlig egal! Mir
gefällt's."
"Nun ja..." Athon stimmt ihm nicht ganz zu. Jetzt betritt
auch Hélyos, im Gefolge von Sayéstra den Raum. Beide
blicken erwartungsvoll zum Fenster.
"Wow!" begeistert sich die zur Zeit braunhäutige
junge Frau, dann runzelt sie irritiert die Stirn. "Die
Dérathams sind türkis", stellt sie fest.
"Metallictürkis", wird sie von ihrem
Gefährten korrigiert, der nun gen Horuont zeigt. "Seht ihr,
was ich sehe?"
Lúthian sperrt Mund, Nase, Augen und Ohren weit auf.
"Das Gras -- Auch!" haucht er. "Bei der Imayna,
wer weckt mich mal eben auf?"
"Das verstehe ich nicht", meint Say und streicht sich eine
lange, kupferfarbene Haarsträhne aus dem Gesicht. "Das
Méovan färbt doch nur Gase!"
Ath, seines Zeichens Gaschromatist, breitet ratlos die Arme aus.
"Das hatte ich auch gedacht..."
Kurzerhand begibt sich Sayéstra zum Viphon und stellt eine
Verbindung zur Imayna her. Die Projektion lächelt sie freundlich
an. "Ich grüße dich, Tochter der Fezea. Was
wünscht du von mir?"
Ohne viel Umschweife kommt Say sogleich zur Sache.
"Guten Morgen, Imayna. Wie du sicherlich bereits bemerkt haben
dürftest, ist eine unerwartete Veränderung an verschiedenen
Exemplaren der fezeanischen Flora eingetreten. Kannst du die
Verfärbung der Pflanzen erklären? Wie weit ist die
Pflanzenwelt überhaupt davon betroffen?"
"Die ersten Anzeichen traten vor etwa acht Stunden auf, so
daß die Untersuchungen bereits eingeleitet sind. Es hat den
Anschein, als wäre das Phänomen global. Die genaue Ursache
konnte noch nicht ermittelt werden, als Hypothese jedoch gehe ich von
einer Katalysator-Wirkung des Méovan-Gases aus."
"Ist die Türkisfärbung das Symptom einer Schädigung
der Pflanzen oder lediglich eine ungefährliche Erscheinung infolge
der Gaseinwirkung?"
"Erste Untersuchungsergebnisse zeigen keine Beeinträchtigung
des Pflanzenstoffwechsels auf. Weitere Auswertungen müssen noch
abgewartet werden."
"Und was ist mit den Tieren?" will Hályos wissen.
"Negativ. Es wurden lediglich Veränderungen der Flora
beobachtet."
"Danke."
"Bitte sehr. -- Daccù, habt ihr sonst noch etwas auf dem
Herzen, meine Kinder?"
"Ja", erwidert Sayéstra. "Informiere uns bitte,
sobald du etwas Genaueres weißt." Sie verabschiedet sich von
der Imayna und trennt die Verbindung. Derweil hat sich Lúthian
wieder seiner Lichtharfe bemächtigt und dudelt ein paar Akkorde vor
sich hin. Untermalt von seinen Sphärenklängen fällt ihm
etwas ein...
"Was meint ihr, was werden Cálvyos & Co. dazu sagen,
wenn sich ihre mühsam kolorierte Mittsteppe plötzlich selbst
umgefärbt hat...?" Er grinst über das ganze Gesicht.
"Naja, eigene Schuld -- ich hatte ihnen ja vorgeschlagen, dort
Klangskupturen aufzustellen...!"
Athon hält sich demonstrativ die Ohren zu und blickt gequält
auf Lús Lichtklampfe...
"Kommt, frühstücken wir doch erst einmal!"
Sayéstras Vorschlag wird einstimmig angenommen. Auch
Vanyáya gesellt sich nun zu ihnen.
Kurz nach dem Mittagessen meldet sich die Imayna bei der Clique.
"Das endgültige Resultat meiner Untersuchungen liegt nun vor.
Das Méovan-Gas fungierte tatsächlich als Katalysator. Ein
bis dato schlafender Virus wurde dazu angeregt, die den Pflanzen
innewohnenden Farbstoffe umzustrukturieren. Glücklicherweise
beeinträchtigt das nicht die essentiellen Funktionen der einzelnen
Pflanzen. Die Mutation ist permanent und durch den Virus in das Genom
einbeschrieben worden. Das bedeutet, daß die gesamte fezeanische
Flora nunmehr 'natürlichß eine
Metallictürkisfärbung besitzt." Die Imayna macht eine
kure Pause. "Anbetracht dieser unvorhergesehenen Entwicklung und
der Tatsache, daß wir offensichtlich nur um Haaresbreite an einer
globalen Katastrophe vorbeigekommen sind, werde ich in Zukunft
vergleichbare Großprojekte micht mehr unterstützen. --
Daccù, habt ihr sonst noch etwas auf dem Herzen, meine
Kinder?"
Die fünf Künstler verneinen und sehen sich unbehaglich an.
Offensichtlich war ihr Experiment risikoreicher, als sie oder auch die
Imayna gedacht hatten. Aber wer rechnet schon mit einem schlummernden
Virus, der erst durch ein völlig ungefährliches Gas aktiviert
wird? Auf jeden Fall beschließen Sayéstra & Co., in
nächster Zeit lieber kleinere Kunstwerke zu schaffen.
* * *
Der Senat von Kaskà tagt. Neben den sechszehn Senatoren und der
Ehrwürdigen Dame A'Vydhe sind noch fünf Besucher anwesend:
Captain Zelath, die Lieutenants D'Lynth und Zykalh, sowie die
Professoren D'Lanha und Ceranh. Letzterer ist mit Anfang dreißig
nach terrestrischen Maßstäben noch vergleichsweise jung, sein
struppiges Haar ist jedoch bereits hellrosa. Der lange, schlacksige
Molekularbiologe trägt einen weiten weißen Overall und
scheint sich unter den ganze Senatoren nicht sehr wohl zu fühlen.
Tiefgrün vor Wut sitzt A'Vydhe an der Spitze des ovalen
Versammlungstisches.
"Verehrte Senatoren, vielleicht interessiert es Euch, was der gpd
(Galaktische Pressedienst) an Neuigkeiten von ...'dem' Planeten der
Kunst Fezea zu berichten hat..." Ihre Stimme klirrt wie Eis. Mit
einer Tastenkombination aktiviert sie die Holokugel, und die Anwesenden
können sich persönlich von der Arbeit der 'Killerviren'
überzeugen.
"Was hat das zu bedeuten?" A'Vydhes Blick bohrt sich
abwechselnd durch Cawarl, Captain Zelath und Professor D'Lanha. Der
Senator sieht hilflos zu Zelath hinüber, während D'Lanha keine
Miene verzieht.
"Nun, Senator Cawarl?"
Der Angesprochene zuckt zusammen und macht eine abwehrende Geste.
"Ich habe Captain Zelath völlig freie Hand gegeben. Äh,
Captain?"
Zelath ist sich keiner Schuld bewußt.
"Für die Viren bin ich nicht verantwortlich! Ich habe sie
zwar im Wissenschaftszentrum T'áryth in Auftrag gegeben, aber die
Herstellung oblag den dortigen Wissenschaftlern..."
Die Ehrwürdige Dame wendet sich an die Leiterin des
Forschungszentrums. "Professor D'Lanha?"
Die Frau gibt A'Vydhes weißglühenden Blick aus ihren
dunkelgrünen Augen unbeeindruck zurück.
"Der Auftrag wurde sofort an die Abteilung Molekulargenetik
weitergeleitet... -- Professor Ceranh!"
"Ä-hem -- In der Tat... Die Angelegenheit wurde in meinem
Labor bearbeitet..." Er knetet unbehaglich seine Finger. "Der
Virus war allerdings völlig in Ordnung, als wir ihn in den von
Lieutenant Zykalh gefertigten Behälter transferierten..."
"Anscheinend doch nicht", bemerkt A'Vydhe frostig.
"Der Virus war in Ordnung", beharrt Ceranh. "Es sei
denn, er wurde unsachgemäß behandelt..."
"Ich verbitte mir eine derartige Unterstellung", protestiert
Zelath und verschränkt die Arme vor der Brust.
"Der Virus befand sich während der gesamten Zeit hermetisch
versiegelt ind er Originalverpackung! Von dort wurde er unmittelbar in
den Méovan-Gastank beförd..."
"Wie bitte?" Beide Professoren starren den Captain
schockiert an. "Méovan-Gas?"
"Na und?!" Zelath versteht die Aufregung nicht.
"Es war nie die Rede davon, daß unser Vorus einer
Fremdsubstanz wie Méovan ausgesetzt werden sollte...!"
"Na und?!" wiederholte Zelath.
"Na und!" macht D'Lanha angriffslustig.
"Méovan verfügt über diverse auxo- und
antiauxochrome Gruppen... Diese Substituenten sind vielfach
ausgesprochen reaktiv und können die Virus-DNA angreifen, so
daß beispielsweise das 3'-OH der Pentose, welches nicht durch eine
Phosphodiesterbrücke mit einem weiteren Nucleotid verbun..."
"Äh, Professor", beginnt Zelath zaghaft, "ich
verstehe nur Raumhafen und Fehlstarts..."
"Nun gut. Ich sehe ein, daß sie das nicht verstehen",
gibt D'Lanha großzügig zu. "Um es für Laien
verständlich auszudrücken: Das Gas hat unseren Killervirus
gekillt. Klar?"
"Jetzt schon... -- Und nun?"
"Was und nun? -- Die Bazille ist hin, und wir müssen uns
etwas neues ausdenken, um die Fezea zu erledigen", kommentiert
Zykalh trocken.
"Jawohl", faucht die Ehrwürdige Dame A'Vydhe.
"Ihr müßt einen neuen Plan ausarbeiten, wie man die
Fezea ausschalten kann, verehrte Senatoren! -- Bis dahin ist die
Sitzung vertagt!"
-- BYE --
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Last modified: 13.04.2002
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