Die Hüter des Friedens - Amyshica!
Im Brennpunkt der Kräfte
(c) 1984 by Stayka Quest
Man schreibt den 18:06:2248TZ.
Zur Zeit befinde ich mich auf Accra II/Kara, dem 'Planeten der
Wissenschaft' in der Galaktischen Union (GU) von
Nehgqù-Xuqù (Milchstraße). Kara, der zweite der
fünf Trabanten des blauweißen B7-Sterns Accra, den die Sol
III/Terraner als Elnath oder Beta Tauri bezeichnen, wird häufig
auch als Hauptwelt der GU betrachtet. Die Karane -- meistens mehr oder
minder fanatische Forscher -- machen sich jedoch nicht sehr viel aus
solchen Rangeinstufungen.
Ayée. vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen: Keryam
T-S'cèr-Coroun, Friedenshüterin von 'Beruf', und wenn jetzt
irgendjemand sagt "Ach so, die Tochter von S'ci Coroun und Fyu
T-S'cèr" -- dann werde ich rechtschaffend wütend!
Schließlich will jeder ganz gerne mal aus dem Schatten seiner
(wenn auch berühmten) Eltern heraus.
Zu meiner Person: Da meine Mutter eine
Karanéa/Terranerin/Amyshica und mein Vater ein
Karanyo/Terraner/Marsianer ist, bin ich nunmehr ein
Kara/Terra/Mars/Amyshica-Mischling. Um ein wenig Ordnung in dieses
transgalaktische Chaos zu bringen, nenne ich mich -- nicht zuletzt wegen
meiner leuchtend dunkelroten Haare -- eine Karanéa, obwohl ich
auf der Amyshica geboren bin und auch die typisch amyshicaan
metallicblauen Augen sowie eine für Karane oder Terraner viel zu
helle Hautfarbe habe. Karanischer Tradition zufolge habe ich eine
wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen. Allerdings konnte ich mich
bis dato nicht zum spezialisierten Studium einer einzigen Fachrichtung
entschließen.
Momentan bin ich ziemlich an den biologischen Daten von Success
XI/Surprise interessiert und deshalb gerade auf dem Weg zum Archiv von
Keara-Lerát, einer Metropole auf der Südhalbkugel Karas. In
diesem Ableger der planetenumspannenden Kara-University befindet die
Abteilung Planetologie, Untergruppe Biologie.
Zugegeben, ich hätte die Daten auch via Viphon abrufen können,
aber manchmal ist es ganz nett, sich persönlich dorthin zu begeben,
da man dann auch weitere ähnliche interessierte Leute trifft.
Also stehe ich gerade auf einem relativ schnellaufenden Transportband in
Richtung Archiv Keara-Lerát/26-r-II. Mißtrauisch blicke
ich zum Himmel -- nichts da von wegen weißblaues Firmament.
Einige höchst verdächtige, düstergraue Wolken schieben
sich vor die gleißende, riesige Sonne. Da rihh, habe ich doch
schon wieder vergessen, mich nach dem heutigen Wetter zu erkundigen!
Für morgen haben unsere Wettermacher jedenfalls Sonnenschein
versprochen. Wie tröstlich, wo just in diesem Augenblicke ein
vehementer Sturzbach herunterprasselt und sich unter anderem auch
über meine werte Person ergießt.
Endlich taucht der Eingang zum Archiv vor mir auf. Uneingeweihten
käme die Landschaft hier sicherlich lediglich wie ein Park vor --
ganz Kara ist vorwiegend von Grünanlagen etc bedeckt -- aber jeder
Karane weiß, daß sich alle Anlagen der Universität
(auch Fabriken u.ä.) unter dem ganzen Grün-- und Bunt-Zeugs
befinden. Das Portal ist über eine in den Boden eingelassene Rampe
zu betreten, Ich flüchte mich vor dem Regen hinein. Einige weitere
Archiv-Benutzer mustern mich vernichtend, während ich immer noch
leise vor mich hintropfe (und fluche). Also erste Handlung: In den
Waschraum hier düsen und versuchen, mich wenigstens etwas
von dem ganzen Wasser zu befreien.
Als ich wieder den Bibliotheks-Raum betrete, bin ich wieder leidlich
trocken, bis auf meine langen Haare, die naturgemäß
länger brauchen. Ein Kara-Mädchen, das von Kopf bis Fuß
in eine enganliegende, pinkfarbene Plastikmontur gehüllt ist,
grinst mich schadenfroh an. Sie ist unmittelbar vor mir ins Archiv
gekommen, aber schon wieder vollkommen trocken. Ich verziehe
gequält das Gesicht, während sie leise vor sich herkichert.
"Tja, márvha, Wetterinfos beachten!"
"Haha, ich lach mich krümelig." Ich weiß ja,
daß ich selbst dran schuld bin. Meine Äußerung
reißt sie zu weiteren Heiterkeitsstürmen hin. Okay, ich gebe
zu, ich sehe bestenfalls aus wie ein nasser Bhatee -- aber trotzdem!
(Bhatee - ein kuscheliges Pelztier, das angefeuchtet nicht gerade die
beste Figur macht)
Das Mädchen rollt die Kapuze herunter und schüttelt ihren
blauschwarzen Pagenkopf in Form. Sie ist ungefähr so alt wie ich,
also etwa zwanzig Jahre nach terranischen Maßstäben.
"Sei beruhigt, der Regen hört in einer halben Riòli VZ
auf." In 25 Terra-Minuten also -- das freut mich zu hören.
"Varys! -- Gut." Ich atme auf. "Wie heißt
du?" erkundige ich mich.
"Lyriélla Ay t'Anhayn. -- Und du?"
"Keryam T-S'cer-Coroun." Ich kann mir ihre Reaktion schon
denken.
Doch -- oh, Wunder! -- sie kommentiert es nur mit einem trockenen:
"Aha." Dennoch mustert sie mich neugierig.
"Was machst du denn hier im Archiv? -- Und noch dazu so
naß?"
"Ich tropfe", bemerke ich sarkastisch. "Nein, ich wollte
ein paar Daten bezüglich Success XI/Surprise abrufen."
"Das Success-System? Ist das nicht von den Raicoli besiedelt
worden?"
"M-mh", schüttele ich den Kopf. "Das waren Sol
III/Terraner, vor 200 Terrajahren oder so." Ich bin mir nicht ganz
sicher. Geschichte hat noch nie zu meinen Lieblingsfächern
gehört.
"Moment." Lyriélla sprintet zu einem der durch einen
Energievorhang von der Umwelt abgeschotteten Data-Outputs und gibt
über den Akustik-Modus ihre Frage ein. Per Display und
Folienausdruck gibt der Comp seine Informationen zum besten. Sie
ignoriert den Bildschirm geflissentlich und pflückt die Folie aus
der Ausgabe.
"Hier steht's. Success-System. In 2083TZ vom Explorer
Astrion unter Commodore Toshiro McDouglas erkundet. In 2100TZ
erstes Kolonistenschiff, die Durga unter Captain Sarasvati
Takhalla. Dabei landete Captain Takhalla auf Success V/Home, die
Planeten VI/Aquon, IX/Change und XI/Surprise wurden noch im gleichen
Jahr von weiteren Kolonistenraumern angeflogen." Auf der Datenfolie
ist noch umfangreiches weiteres Material aufgelistet, doch
Lyriélla winkt ab. "Uh, der Rest besteht aus Listen von
Personen und Raumern -- und was weiß ich noch alles."
"Dank für die Infos, Lélla!" Ich blicke zum Boden,
wo ich einiges an feuchten Flecken verursacht habe. --
"Ayée... Und was hat dich hier in Archiv getrieben?"
"Mein Planetologie-Examen. 'Wahrscheinliche Entwicklungstypen
für Planeten mit Halogenatmosphäre' -- damit schlage ich mich
zur Zeit herum. Ejáh, voll stressig!"
"Glaube ich dir unbesehen. Eine Freundin von mir wollte mal
versuchen, mir ein paar Grundbegriffe in dieser Richtung beizubringen.
Ich danke!"
"Ah, Grundbegriffe!" Lyriélla rümpft die Nase.
"Weißt du, Planetologie ist eine Wissenschaft, die erst
interessant wird, wenn man in die Details einsteigt. Nimm alleine die
geologischen Formationen auf Planeten des Bébalh-Typus."
Accra IV/Bébalh ist ein Gasriese, der in vielen Einzelheiten dem
Sol V/Jupiter ähnelt. Lyriélla hat sich gerade richtig in
Fahrt geredet und gestikuliert wild in der Gegend herum. Ehrlich gesagt
verstehe ich hauptsächlich Raumhafen und Fehlstarts. Mir
fehlen eben die Grundbegriffe, so daß ich mit den Details
nicht sehr viel anfangen kann. Ich versuche Lyriélla das
schonend beizubringen, doch meine zaghaften Einwände beirren sie
nicht im Geringsten.
Nach einer Viertelstunde beschließt Lyriélla ihre Vorlesung
über die 'zyklische Neubildung von Ammoniakstrukturen auf
bébalhoiden Planeten'."
"Nun?" fragt sie gespannt.
"Dein letztes Examen behandelte wohl Welten des
Bébalh-Typus", lautet meine trockene Entgegnung.
"Naja." Sie blickt mich schuldbewußt an. "Das ist
nun mal mein Lieblingsgebiet." Sie schaut auf das Holo in der
Raummitte, das in pastellenen Tönen die Uhrzeit anzeigt.
"Oh", macht sie überrascht, "So spät
ist es schon? Ay, Kerry, ich muß sofort zu meinem Seminar.
Weißt du, ich habe bei Prof. Shalannah D'únhaym. Und wenn
ich bei der zu spät komme... -- Ay j'éesha!"
Wir verabschieden uns rasch, und Lyriélla spurtet full speed
davon.
So, jetzt komme ich endlich dazu, meine Daten einzusammeln. Innerhalb
weniger Minuten habe ich das Material beisammen. Mit meinem
Allzweck-Stab -- einem ausgesprochen nützlichen Gerät aus der
Trickkiste der Alten Völker -- speichere ich die
Informationen ab. Den 'Stab' wickele ich mir wie eine Schlange um den
Unterarm, über meinen schwarzen Overall. Jetzt wirkt er wie ein
simples silbernes Schmuckstück.
Nachdem ich mich vergewissert habe, daß der Regen tatsächlich
beendet wurde, begebe ich mich auf den Rückweg. Ich könnte
zwar genausogut ein Transmit-Feld anfordern, das mich in Nullzeit zu
meinem Rihkuun (Einsatzbeiboot) Atlantis befördern
würde, aber manchmal macht es mir auch Spaß, die guten, alten
Transportbänder zu benutzen. Vor allem, wenn die Gegend nach einem
Regenguß wie frisch gewaschen aussieht und Accras weißblaue
Pracht beginnt, sie wieder zu trocknen (und mich auf dem Weg hoffentlich
auch).
Ich springe von dem mittelschnellen Gleitband auf das langsamere und
dann ganz hinunter. In südöstlicher Richtung existiert ein
Weg durch eine Blumen/Wiesenlandschaft, der alleine
Fußgängern vorbehalten ist. Dementsprechend wenige Wesen
spazieren dort entlang, wo doch die Bänder eine viel bequemere
Fortbewegungsmöglichkeit bieten. Ich schlendere auf dem
ockerfarbenen, federnden Kunststoffweg zum Raumhafen
Kara-Central/Keara-Lerát.
Unvermittelt spüre ich, wie mich Blicke von hinten durchbohren und
drehe mich neugierig um. Schock!
Ein junger Mann in meinem Alter steht mit gezogenem Strahler ca. 15
Meter hinter mir. Er ist etwas über 1.90m groß hat
schneeweiße Haare, eine mittelblaue Hautfarbe und trägt einen
schillernden, metallicregenbogenfarbenen Coverall. Natürlich,
Tesco-Avenger L'hèr, ebenso wie ich Abkömmling
berühmter Eltern.
Während meine aber zu den 'guten' Friedenshütern gehören,
sind die von Tesco eindeutig der anderen Seite zuzuordnen: Cvoa-L'yyn
und T'yla Brit-T'hèr. Letztere wurde jedoch vor geraumer Zeit
aus dem Verkehr gezogen und auf Anraten eines Teils der
Friedenshüter zum 'Guten' 'umprogrammiert'.
Während ich den jungen Mann mustere, muß ich feststellen,
daß Tesco tatsächlich genauso unverschämt gut aussieht
wie sein Daddy. Amyshica! Ich fürchte, da kommt noch einiges auf
die Friedenshüter zu. Wenn der auch noch so intelligent ist wie
Cvoa... Mit einem Gedankenimpuls habe ich schon gleich zu Beginn meinen
Schutzschild eingeschaltet, doch Tesco hat immer noch nicht auf den
Auslöser gedrückt. Das irritiert mich nun doch.
"Na, schieß doch, du eayo!"
"Ich hatte mich gerade dazu entschlossen, dich nicht um
die Ecke zu bringen, aber wenn du mich noch einmal 'Schönling'
nennst, überlege ich es mir doch anders!" Trotzdem
läßt er seine Strahlkanone sinken.
"Ich weise darauf hin, daß ich einen SETA-Kombi-Schild
trage."
"Da kann man wohl nichts machen." Seufzend steckt er den
Strahler weg. Remis! Ich warte einen Moment, dann desaktiviere ich
meinen Schirm. Per Gedankenbefehl bin ich damit eh schneller als Tesco
mit seinem Blaster. Tesco sieht mich neugierig an.
"Du hast eine bemerkenswerte Hautfarbe. Noch heller als es hier
'normal' ist." Er macht ein paar Schritte zu mir hin.
"Ach nee... Irgendwie kommt es mir vor, als ob deine Hautfarbe
auch nicht allzu gewöhnlich ist."
Er scheint allerdings äußerst fasziniert zu sein, tritt auf
mich zu und streicht mir leicht über die Wange. Bash! Verpasse
ich ihm eine Ohrfeige, die es in sich hat. Ich lasse mich doch nicht
von jedem dahergelaufenen Blauling betatschen! Das scheint Tesco zu
verdrießen, und er verpaßt mir ebenfalls einen Schlag. Ich
mache einen Schritt zurück, stolpere und lande auf meinem werten
Hinterteil. Na warte, Bursche! In Nullkommanochweniger bin ich wieder
auf den Beinen und hebele ihn mit einem überraschenden
Hüftwurf von den Haxen. Ich verliere ebenfalls das Gleichgewicht
und lande auf meinem rechten Arm. Verflucht, tut das weh! Garantiert
verstaucht. Aber Tesco ist es noch schlechter ergangen.
Während ich noch meine Hand begutachte (nichts gebrochen, puh!),
fliegt er recht unsanft mit dem verlängerten Rückgrat voran in
ein wundervoll mauvefarben blühendes Dorngebüsch. Voller
Schmerz und Ärger schreit er auf. Och, tut er mir leid! (Meine
leicht sadistische Veranlagung schlägt wieder durch...)
Fluchend befreit er sich aus den Dornen. Während er sich mit einer
Hand sein arg mitgenommenes Hinterteil reibt, droht er mir mit der
anderen und bedenkt mich mit wüsten Verwünschungen. Das
Temperament scheint er von seiner Mutter geerbt zu haben.
"Thraska! F'ej-Khun! Wenn du kein Mädchen wärst, wurde
ich dich zum Duell fordern!"
"Duell? Wo hast du denn diese dumme Idee her?"
"Stand in einem Geschichtsbuch und hörte sich höchst
interessant an."
"Ach nee! Und wann und wo?"
"Stop! Wenn, dann habe ich dich gefordert, also darfst du
Waffe und so weiter wählen."
"So?" Wenn er meint. Jee, was nimmt man so zu einem Duell?
Ah!
"Als Waffe schlage ich eine Vétha vor." Tesco macht
keinen sehr intelligenten Gesichtsausdruck.
"Das ist eine uralte karanische Waffe, ein 1.33 m langes, leichtes
Kunststoffrohr. Zeit -- in zwei Wochen Terrazeit. Ort...
Wüßtest du etwas Passendes?"
"Tíraan I/Raicol. Dort sind Duelle so etwas wie ein
Volkssport."
"Gut. In 02:07:2248TZ auf Sirius -- äh, Tíraan --
I/Raicol mit der Vétha."
Tesco ist einverstanden. Er verbeugt sich steif und stolziert von
dannen. Ich blicke ihm sprachlos nach, bevor ich nun doch ein
Transmit-Feld von Coat -- dem Bordcomputer meines Rihkuun -- anfordere.
In Nullzeit befinde ich mich an Bord meines Raumers.
"Hallo Coat!"
"Hallo Keryam", lautet die Entgegnung des Computers. Seine
Stimme klingt ganz und gar nicht maschinenhaft aber dennoch neutral.
"Hast du deine Daten bekommen?"
"Was dachtest du denn?" Ich nehme meinen Allzweck-Stab und
wedele damit in der Luft herum. "Hier sind sie."
Ich steige auf die obere der beiden Ebenen der Zentrale und lasse mich
in meinen Sessel fallen. Genau vor mir ragt die riesige
Direktsichtscheibe auf, die zur Zeit das weite Landefeld von
Kara-Central/Keara-Lerát zeigt. Das Steuerpult, an dem ich
sitze, ist desaktiviert, die Kontrollschirme fluoreszieren in neutralem
Dunkelviolett.
"Weißt du was, Coat?"
"Was sollte ich wissen?"
"Mir ist gerade Tesco-Avenger L'hèr über den Weg
gelaufen."
"Cvoa-L'yyns Sohn? Warum hast du ihn nicht festgenommen?"
Coats Tonfall ist eindeutig mißbilligend. Ich neige verdutzt den
Kopf und sehe auf einen dunklen Monitor.
"Komisch. Daran habe ich gar nicht gedacht." Der Comp
schweigt ebenfalls irritiert. Nach einer Weile meldet er sich wieder zu
Wort.
"Was gedenkst du jetzt zu tun, Keryam?"
"Ich fliege nach Sna-Tgyhl. Zoom hat mit mir gewettet, daß
es auf Success XI/Surprise keine Pflanzen der Ficidaecis-Gruppe geben
könnte. Ich habe nun den Beweis, daß es auf Surprise doch
welche gibt."
"Du und deine ewigen Wetten! Fast so schlimm wie dein Vater."
"Haha! Setze bitte den Kurs nach Viresta I/Sna-Tgyhl, Coat."
"Aguqù. Do'i", bestätigt der Computer.
Das Schiff hebt ab. Zum Glück haben wir Hüter des Friedens es
mittlerweile durchgesetzt, daß die Raumer der Vhaaki -- unserer
Flotte -- auf allen Planeten der Galaktischen Union ohne
größere bürokratische Hindernisse starten und landen
können.
Außerhalb der Kara-Atmosphäre aktiviert Coat den
Transmit-Feld-Antrieb. Im gleichen Augenblick steht das Rihkuun bereits
im Viresta-System, das immerhin 720 Kiloparsec entfernt ist und zu der
Galaxis Cirenn-S'cirain (M33/NGC598) gehört.
Genau zwischen den beiden einzigen Planeten des dunkelroten
Überriesen kommt das Schiff aus dem T-Raum. Im Umkreis um Viresta
strahlt das All in allen Farben des Spektrums. Die Atlantis
materialisiert in flammendem Orange und nimmt Kurs auf den
gold/grünen Ball von Sna-Tgyhl, der durch einen silbrigen
Schutzschirm vor der intensiven Strahlung des M7-Sterns geschützt
wird.
Auf dem gelbleuchtenden Landefeld des Vakuum-Raumhafens Sna Space-Center
setzt der Raumer auf. Per Transmit-Feld springe ich in den
Orangefarbenen Turm, wo mich unser Biologe Zoom bereits erwartet. Auch
er gehört zur zweiten Generation Friedenshüter. -- Naja,
okay, genaugenommen ja sogar zur... Moment! Cleo und C'olin waren die
ersten, dann kamen Elaine & Robin als nächste, und nach ihnen
S'ky, Ky -- die Generation meiner Eltern. Daccù, also sind wir
Numéro vier. Da aber Elaine, Robin, Allayn und Keryam
Laèj nun schon seit geraumer Zeit tot sind, wird jetzt von S'ci,
Fyu & Co. an gezählt. Der dunkelhäutige und --haarige
Zoom sieht mich fragend an.
"Nun?" erkundigt er sich gespannt. Ich blicke triumphierend
zurück.
"Ha! Ich habe gewonnen!" Zoom verzieht das Gesicht.
"Ich war mir so sicher..."
"Und ich wußte es genau."
Zoom schaut betrübt aus der Wäsche. Jetzt darf der Junge den
nächsten Auftrag übernehmen, den ich nicht haben will.
Die Schiebetür gleitet auf und ein goldhaariger, hellhäutiger
junger Mann tritt herein: Laè Al Tais-Sadir, mein Team-Partner.
Zoom und ich begrüßen ihn. Laé runzelt die Stirn.
"Na, heimliches Rendezvous?"
"Weißt du was, Schatz, deine ewige Eifersucht geht mir ganz
schön auf den Geist", bemerke ich leicht genervt. "Wenn
du so weitermachst, brauchst du dich nicht zu wundern, wenn ich mich
tatsächlich demnächst auf und davon mache!"
"Wage es!" Laé hebt drohend den Zeigefinger.
"Mir droht man nicht délho", sage ich kühl.
Amyshica! Manchmal könnte ich ihn mit Vergnügen durch das
nächstgelegene Schwarze Loch schießen. Ob Tesco auch so
eifersüchtig wäre? -- Verdammt, was denke ich da?
Ein Glück, daß ich gegen Telepathie abgeschirmt bin. Wenn
Laé den Gedanken aufgefangen hätte -- weia, weia!
Aber ich muß gestehen, ich freue mich schon auf das 'Duell' mit
Tesco-Avenger L'hèr.
* * *
Man schreibt den 02:07:2248TZ. Auf Kara habe ich mir eine goldfarbene
Vétha beschafft. Nun kreist meine Atlantis seit einer
guten Stunde TZ im Orbit von Raicol, dem innersten der fünf
Planeten des A1-Sterns Tíraan oder Sirius für die Terraner.
"Willst du hier wirklich auf diesen Tesco-Avenger L'hèr
warten?" erkundigt sich der Bordcomputer wenig begeistert.
"Und ob ich das will." Meine Stimme läßt keinen
Widerspruch zu.
"Wie du meinst."
Wir warten. Endlich meldet Coat Tescos Raumschiff Else-X, kurz
EX. Tesco meldet sich über comset, den lichtschnellen
Normalfunk. Er wirkt etwas überrascht.
"Ich grüße dich, Keryam T-S'cèr-Coroun. Ich
habe, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet, dich hier
anzutreffen."
"Ich halte mein Wort, Tesco."
"Man sieht's. Wo tragen wir unseren Händel aus?"
"Wo hast du bloß diese ganzen altmodischen Ausdrücke
her?"
"Aus einem terranischen Geschichtsbuch."
"Buch?"
"éthá, eine Info-Cassette, wenn du es genau wissen
willst. Wo duellieren wir uns also?"
"Ich habe mich schon ein wenig auf Raicol umgesehen -- in der
Nähe von Laidon gibt es einen wundervollen Duell-Platz. Es
wäre am sinnvollsten, auf Laid-Raumhafen zu landen."
"Gut." Tesco unterbricht die Verbindung.
Auf dem Raumhafen treffen wir uns. Der blauhäutige junge Mann hat
sich eine silberne Vétha zugelegt und wirbelt sie lässig in
der Luft herum.
"Gruß dir, Keryam."
"Hi, Tesco."
"Gehen wir?"
"Was sollten wir sonst tun? -- Wie läuft unser Fight ab?
Wann machen wir Schluß?"
"Hast du Angst?" erkundigt er sich.
"Was denkst du von mir?" frage ich zurück.
"Mein Vorschlag: wir prügeln uns, bis du aufgibst." Meint
er.
"Du hast wohl nicht mehr alle Beiboote im Hangar, Tess! Wenn du
glaubst, daß ich so schnell klein beigebe..."
"Meinst du etwa, du könntest mich besiegen, Keryam?"
"Warum denn nicht?"
Wir steuern auf den Duell-Platz zu, den ich uns auserkoren habe. Er ist
unbesetzt, wie ich erwartet habe.
Tess und ich stellen uns in etwa zwei Metern Entfernung voneinander auf.
Ich muß vorsichtig sein. Tesco hat eine größere
Reichweite. Zum Glück ist die Vétha eher ein
Sportgerät als eine mörderische Waffe. Nichtsdestotrotz sind
Treffer mit dem Rohr ziemlich schmerzhaft, Nachdem wir uns einige Male
umkreist haben, beginnen wir, mit den Véthyee aufeinander
einzudreschen.
Tescos Kampfweise ist elegant aber unorthodox, und ehe ich mich versehe,
hat er mir zwei Hiebe verpaßt. Na warte! Eine unerwartete
Drehung, und ich habe seine Deckung unterlaufen. Nun bekommt Tesco auch
seinen Anteil. Verbissen kloppen wir weiter.
Nach einer Dreiviertelstunde hebt Tess atemlos seine Vétha. Auch
ich bin völlig außer Puste und nicht unglücklich
über die Unterbrechung. Außerdem habe ich das Gefühl,
daß nicht ein einziger Quadratzentimeter meines Körpers von
den Schlägen verschont geblieben ist. Aber Tesco ergeht es nicht
besser, wie man an seinem Gesichtsausdruck ablesen kann.
"Hey, Tess, meinst du, daß es sinnvoll ist, wenn wir uns noch
weiter duellieren? Ich habe das Gefühl, wir sind gleichwertige
Gegner."
Der junge Mann nickt zustimmend.
"Das wollte ich auch gerade vorschlagen. Thraska, deine Treffer
waren nicht von schlechten Eltern!"
"Du hast aber auch nicht gerade zart zugeschlagen, Tesco!"
Ächzend schlurfe ich auf eine der Zuschauerbänke am Rande des
Platzes zu und lasse mich darauf nieder. Ayée, mir tut alles
weh! Tesco setzt sich ganz vorsichtig neben mich. Auch er wirkt
ziemlich mitgenommen. Er sieht mich anerkennend an.
"Weißt du, daß du mir gefällst, Kerry? Ich habe
mir schon immer gewünscht, mal eine Frau kennenzulernen, die es mit
mir aufnehmen kann."
"Wäre das nicht auch ohne Schlägerei gegangen?" Ich
fühle mich reichlich geschafft und lehne mich an ihn. Tesco sieht
mich durchaus angenehm überrascht an -- und legt einen Arm um mich.
"Mh, Tess, bist du mir noch sauer wegen der Ohrfeige?"
"Karmasha, die habe ich schon längst vergessen." Einige
Raicoli, die unseren Fight beobachtet haben, schauen etwas irritiert zu
uns herüber. Ärgerlicherweise erreicht mich plötzlich
ein mecon-Ruf von Laé.
"mecon; Laé an Keryam: Bitte kommen!" vernehme
ich in meinen Gedanken.
"Hallo Laé! Was gibt's?"
"Hm?" macht Tesco verwirrt. Ich lege ihm einen Finger auf die
Lippen und bedeute ihm, einen Moment still zu sein.
"Hey, Keryam", 'höre' ich meinen Team-Partner.
"Hast du Lust, mit mir nach Cenvay IV/Vie zu kommen?"
Ayée, ehrlich gesagt habe ich ja keine Lust, aber ich will
Laé nicht verärgern.
"Okay, délho, ich springe mit der Atlantis gleich
ins Cenvay-System."
"Ah, gut, Liebling", lautet die zufriedene Antwort.
"Bye, Keryam."
"Bye, Laé", seufze ich. Die Verbindung fällt
zusammen.
"Was ist, Kerry?" Tesco konnte die Gedankenfunk-Verbindung
nicht mitverfolgen. Ich erkläre ihm kurz die Situation. Er sieht
mich bedauernd an.
"Schade. -- Aber wir könnten uns mal wieder treffen,
hm?"
"S'cérta -- sicherlich. Wann?"
"Wenn es geht, morgen."
"Warum nicht?"
"Auf Accra II/Kara, wie vor zwei Wochen?"
"Ich werde dort sein." Langsam stehe ich auf. Ich versuche
angestrengt festzustellen, was mir nicht weh tut. Von Coat fordere ich
ein Transmit-Feld zum Schiff an. Sofort beginnt es vor mir,
grünlich/golden zu flimmern.
"Bis morgen, Tess."
"A-tás, Kerry. Bis morgen." Er zieht mich an sich und
gibt mir einen sanften Kuß. Dann trete ich durch das
Transmit-Feld und materialisiere in der Atlantis. Amyshica,
ich habe das Gefühl, ich befinde mich in einer höchst
ungemütlichen Situation.
Am besten, ich erzähle Laé gar nichts, und lasse vorerst
alles (fast) so, wie es vorher war. Ich kann mir auch ganz gut das
Skandälchen vorstellen, wenn es bekannt würde, daß sich
eine Friedenshüterin ganz offensichtlich in diesen Verbrecher
Tesco-Avenger L'hèr verknallt hat.
"Hallo Coat, setze bitte Kurs ins Vie-System... äh, ins
Cenvay-System."
"Was ist denn mit dir los, Keryam?"
"Das erzähle ich dir nur, wenn du versprichst, es garantiert
niemandem weiterzusagen -- niemandem, Coat!"
"Ich verspreche es dir -- also, was ist?"
"Ich bin verliebt."
"Doch nicht in Cvoas Sohn?" fragt der Computer ahnungsvoll.
"Doch, genau in den."
"Bist du von allen guten Geistern verlassen?"
"Nein -- ich sagte doch, ich bin verliebt."
"In Tesco-Avenger L'hèr. Wenn Laé das
erfährt," orakelt Coat düster.
"Mein lieber Coat", doziere ich, "Laé wird --
zumindest vorerst -- nichts erfahren. Und du wirst ebenfalls nichts
sagen. Denk dran -- du hast etwas versprochen."
"Leider." Ich klopfe belustigt auf die Steuerkonsole.
"Ah, Coat, mach dir nichts draus. Freu dich doch einfach mit
mir!" Ich blicke verträumt in weite Fernen.
"Wir sind im Cenvay-System. Laés Lemuria kreuzt
zwischen den fünf Monden von Vie herum."
"Danke." Per comset nimmt Laé mit mir Kontakt
auf.
"Du hast dir ja ziemlich viel Zeit gelassen!"
Schöne Begrüßung! Irgendwann explodiere ich noch.
Ayée, ich wünschte, es wäre schon morgen.
"Liebster Laé", beginne ich frostig, "ich
würde dir raten, mich nicht unentwegt als deinen persönlichen
Besitz zu betrachten."
"Schon gut, schon gut, délha -- es war doch nicht so
gemeint."
"Okay."
Ich lasse mir vom Atlantis-Bordcomputer ein Transmit-Feld in
die Lemuria errichten. Ein Schritt und ich bin in Laés
Rihkuun. Er nimmt mich in die Arme und küßt mich reichlich
routinemäßig.
Ein Glück, daß er meine Gedanken nicht lesen kann. Auf Vie
besuchen wir eine Sitzung des Rats der Planeten der Galaktischen Union,
in der es über die Einrichtung einer wirkungsvollen Weltraumpolizei
geht. Aber wie üblich reden sich die Räte fest, bis Admiral
Tooyam D'Shanley -- die erste Marsianerin auf diesem Posten -- die
Sitzung zum wiederholten Male vertagt. Soweit ich weiß,
bemühen sich die Räte jetzt seit gut sechzig Jahren TZ, eine
derartige Ordnungstruppe ins Leben zu rufen. Ohne irgendeinen Erfolg.
Also verlassen wir Cenvay IV/Vie und fliegen zu unserem Domizil auf
Yalena III/Keryna.
Am nächsten Morgen mache ich mich sofort auf nach Accra II/Kara.
Tesco erwartet mich schon in Keara-Lerát.
In der folgenden Zeit treffen wir uns regelmäßig, aber ich
habe immer noch nicht den Mut, Laé reinen Wein einzuschenken.
Tesco macht es jedoch nichts aus, denn er weiß, daß ich ihn
liebe.
* * *
Dieser eigentlich eher unhaltbare Zustand bleibt über immerhin zwei
Terrajahre stabil. In 17:06:2250TZ sehen Tess und ich uns auf dem Sol
IV/Mars in Elysia, einer der großen, marsianischen
Kuppelstädte auf der Ebene von Elysium.
"Hallo Tesco."
Er legt mir die Arme um die Taille und sieht mir besorgt in die Augen.
"Was hast du, Kerry? Du klingst nicht übermäßig
glücklich."
"Ay dhévho", seufze ich. "Die Sache liegt so: Ich
bekomme ein Kind von Laé. Ehrlich gesagt, von dir wäre es
mir lieber, aber ich glaube, das würde doch irgendwie
auffallen..."
Tesco kichert unterdrückt.
"Das würde ich auch so sehen. -- Wo liegt also das Problem,
dhévha?"
"Laé ist beinahe außer sich vor Glück. Er
hütet mich wie seinen Augapfel -- ein Wunder, daß ich ihm
heute noch einmal unbemerkt entwischen konnte! Ich befürchte,
daß wir uns in nächster Zeit kaum noch treffen
können."
"Das fände ich aber sehr bedauerlich, Keryam!"
"Glaubst du, mir gefällt diese Aussicht?" Ich halte ihn
so fest, als ob ich ihn nie wieder loslassen wollte, "Aber du
weißt doch auch, was los wäre, wenn ich mich von Laé
trennen würde."
"Sicherlich." Verdammt, warum ist Tess nur immer so
unglaublich verständnisvoll?
Also ist diese Begegnung unsere letzte für einen längeren
Zeitraum.
* * *
22:01:2251TZ kommt auf Viresta I/Sna-Tgyhl Kerryth Al T'oroun zur Welt,
doch anstatt die Beziehung zwischen Laé und mir zu verbessern,
erreicht Kerryths Geburt eher das Gegenteil.
Ich werde Tag für Tag gereizter, bis mich Witch von Veen, eine
wunderschöne, grünhäutige Veena-Hexe mit beinahe
knielangen, tief purpurfarbenen Haaren anspricht. Sie gehört nun
auch schon seit zehn Jahren TZ zu den Friedenshütern und hat mich
in der letzten Zeit aufmerksam beobachtet. Mit ihrer sanften,
seidenweichen Stimme erklärt sie mir orakelhaft:
"Das ist dein Amyshica-Blut, Keryam. Du entstammst in direkter
Linie der Familie von V'árhain sha N'ynhain von Amyshica."
Ich furche die Stirn. Warum wissen eigentlich immer alle Bescheid, nur
ich nicht?! Seufz.
"V'árhain sha N'ynhain? Was für ein Name!"
"Nun, die Wesen von Außenwelt kennen sie als Verén
deNinén, die abtrünnige Hohe Priesterin der Amyshica.
Später nannte sie sich Verén Coroun; sie ist die
Großmutter deiner Mutter S'ci Coroun."
"Und was hat das mit mir zu tun, Witch von Veen?"
"Geh zur Amyshica und befrage das Große Muster."
"Was, bei den Meeren von Aquon, ist das Große Muster?"
erkundige ich mich genervt bei der Veena.
"Geh zur Amyshica", lautet ihre Antwort. Mehr will die
halbenergetische Hexe nicht verraten. Dies gibt sie mir dadurch zu
verstehen, daß sie sich in eine Regenbogenechse verwandelt und
davonhuscht. Daccù, wenn sie mich derart dringend darum
ersucht...
Ich transmittiere in mein Rihkuun und weise Coat an, den Kurs ins
Rákhiswala-System zu setzen. Rákhiswala oder auch Zeta
Gruis ist ein tiefgelber G4-Stern mit 9 Planeten, von denen
IV/Ellykádja, V/Ssapájja und VI/Amyshica bewohnt sind.
Ich bin in der Nähe von Rákhiswala IX/Riannavenna aus dem
T-Raum gekommen, einer unwirtlichen Eiswelt des Sol IX/Pluto-Typus.
"Coat, transmittiere bitte zur Amyshica. Danke."
Der Computer bestätigt. In Nullzeit erreichen wir die Bahn von
Ashca, dem einzigen Mond der Amyshica. Der Planet selber ist ein Rausch
von Violett in allen Schattierungen. Zyklamenfarbene Kontinente in
blauvioletten Ozeanen, darüber das Firmament in Lavendel und
Zartrosé bis Weiß, und die Flora der Amyshica basiert
ebenfalls auf Farbtönen wie Lila, Veilchen und Mauve.
Wenn Sol III/Terra der blaue, Accra II/Kara der türkisfarbene und
Cenvay IV/Vie der goldene Planet ist, so kann man die Amyshica nur als
den Amethysten des Weltraumes bezeichnen.
"Coat, bittest du freundlicherweise um Landeerlaubnis? Ich
weiß nicht, an wen ich mich wenden sollte. Danke."
"Keryam", die Stimme des Comps klingt überrascht,
"auf dieser Welt gibt es nur einen einzigen interstellaren
Raumhafen!"
"Merkwürdiger Planet."
Nach längerem Verhandeln wird uns die Landeerlaubnis für
Valayn erteilt. Das Rihkuun taucht in die Atmosphäre ein und
steuert auf die angewiesenen Koordinaten zu. Auf dem malvenfarbenen
Landefeld setzt das Schiff auf.
"Und was gedenkst du nun zu tun, Keryam?" will Coat wissen.
Ich zucke mit den Schultern.
"Aussteigen, mich umsehen und dann nach dem ominösen
Großen Muster -- was immer das ist -- fragen." Ich blicke zur
Direktsichtscheibe hinaus.
"Ay, wie ist denn das Wetter draußen?"
"Temperatur 23 C, Luftfeuchtigkeit 60 Prozent,
schwachwindig..."
"Ich danke dir. Na, mal sehen, was ich mir dann anziehe." Ich
entscheide mich für eine einfache schwarze Tunika, silberne Stiefel
und Handschuhe.
"Wenn du nicht kara-rote Haare hättest, könnte man dich
beinahe für eine Amyshica-Frau halten", bemerkt Coat erstaunt.
"Nur deine Hautfarbe ist ein Ideechen dunkler als die der
Amyshicy."
"Immerhin hat Witch behauptet, ich besäße
Amyshica-Blut." Ich breite unschlüssig die Arme aus.
"Über die Amyshica sind eigentlich nur Gerüchte bekannt
-- bis auf die Serie Amyshica! im All-Star vor zig
Jahren TZ. Ich habe sie vor ein paar Monaten einmal im Archiv
Mars/Olympia abgerufen. Recht apart, möchte ich sagen. Der
Reporter, der diese Reihe verfaßte -- ein Vérryth
Y'Cárrhyn -- behauptet, er sei der erste Außenweltler
gewesen, der jemals die Amyshica wieder verlassen hat und darüber
berichten konnte."
Ich zucke erneut mit den Schultern und versuche, die Hände in die
Hosentaschen zu stecken, wobei ich feststellen muß, daß
meine kurze Tunika über keine Taschen verfügt. Da rihh! Ich
transmittiere aus dem Rihkuun und stehe auf dem Landefeld, wo ich mich
neugierig umblicke.
Unvermittelt flimmert die Luft vor mir, und das Imago einer Priesterin
erscheint. Die Frau ist unbestimmbaren Alters, mit glatten, langen
Haaren in dem unverwechselbaren, metallischen Rubinrot, das alleine den
Amyshicy zu eigen ist. Ihre Hautfarbe ist reinstes
Titandioxid-Weiß und ihre Augen sind -- wie meine -- silbrigblau.
Ein langes, fließendes, schneeweißes Gewand mit
Silberschimmer vervollkommnet ihr unwirkliches Aussehen.
"Sei gegrüßt, Tochter der Amyshica. Wir erwarteten
deinen Besuch." Ich blicke das Imago sprachlos an. Es wirkt leicht
durchscheinend, fast als ob ein Lufthauch es wegwehen könnte.
"Auch ich grüße Euch, Priesterin", beginne ich
zögernd. Wie spricht man das Imago einer Amyshica höflich an?
"Du kommst, um zu fragen -- daher bitte ich dich, mir zum Tempel
des Universums zu folgen. Dort mag vielleicht deine Antwort
liegen."
Das Geistbild der Priesterin macht eine elegante Handbewegung und
bedeutet mir mitzukommen. Sie schreitet schwebend auf einen freien
Platz zu und bittet mich, in einen schnittigen Zweipersonenschweber zu
steigen. Hm. Ich kann es nicht beschwören, aber ich habe das
Gefühl, daß ich das Fahrzeug gerade erscheinen sehen habe.
Zwar nur aus dem Augenwinkel... Aber nein, das ist Quatsch! -- Oder
vielleicht doch nicht? Das Imago nimmt auf dem Co-Pilotensitz Platz,
wenn man das bei einen Geistbild so bezeichnen kann.
Der Kurscomputer des Fahrzeugs ist bereits programmiert, und ich brauche
nur den Startbefehl zu geben. Zusammen mit dem Priesterinnen-Imago
fliege ich über den amethystfarbenen Ozean zu einem
Nachbarkontinent, wo sich laut der Priesterin die Traumebene mit dem
Tempel des Universums befindet.
Nach kurzem Flug erreichen wir die vollkommen glatte, hellviolette
Ebene, in die das ausgedehnte, gleichseitige Fünfeck des Tempels
eingelassen ist. Vier Stufen von jeweils 1.33m Höhe bilden den
äußeren Rahmen, der an den fünf Spitzen des Bauwerks von
je einer mattweißen Rampe durchbrochen wird. Im Zentrum des
lavendelfarbenen Tempelbodens schimmert ein milchweißes
Fünfeck, das von heller strahlenden Energielinien durchzogen wird.
Im Mittelpunkt dieser Fläche wiederum steht meine Führerin mit
hocherhobenen, bloßen Armen. Sie ist durch flimmernde
energetische Ströme mit einer gewaltigen, immateriellen schwarzen
Kugel verbunden, die wie ein Hologramm eines kleinen Auschnittes des
Weltraums wirkt. Ich kneife die Augen zusammen. Irgendwie ist es mir
unmöglich, die genaue Ausdehnung des Gebildes zu erfassen.
Einmal erscheint es mir winzig klein im Verhältnis zur
Größe des Tempels, doch dann wiederum, wenn ich mich auf
Einzelheiten des Musters konzentriere, kommt es mir vor, als sei es der
Raum selbst, den die Priesterin in ihren Händen hält. Ein
kurzer Blick zur Seite zeigt mir, daß die Amyshica ihr Imago
zurückgenommen hat: ich bin alleine. Der Schweber setzt
automatisch auf einem Platz wenige Meter vom Tempel entfernt auf. Ich
klettere aus dem Fahrzeug und bemerke erstaunt, daß es
förmlich im Boden versinkt. Demnach besteht die Ebene -- zumindest
hier -- vermutlich aus Formenergie, und darunter liegen Gleiterhangars.
Ich gehe eine der Rampen hinunter und bleibe vor den silbernen
Begrenzungslinien des weißen Fünfecks stehen.
Die Priesterin schlägt die Augen auf und lächelt mich an. Wie
auf einen unsichtbaren Wink eilt ein weißgekleideter Priester
herbei. Der Amyshico wartet darauf, daß die Frau die
phosphoreszierende Fläche verläßt und betritt sie im
gleichen Augenblick. Hm. Betreten ist wohl kaum der richtige Ausdruck
dafür. Es kam mir eher vor, als hätten sie ihre Plätze
auf beinahe magische Weise getauscht. Die Amyshicy haben
offenbar nicht umsonst einen sehr geheimnisvollen Ruf.
Während der Priester nach den Energieströmen greift, streift
sich die Frau ein paar lange, silberne Handschuhe über und tritt
auf mich zu.
"Sei gegrüßt, C'árjhain sha S'ceyh." Ich
mache kein sehr intelligentes Gesicht.
"Wie?"
"Oh, du wunderst dich über die Anrede C'árjhain sha
S'ceyh -- C'árjhain, die Tochter der S'ceyh?" Ich nicke
stumm.
"Du bist eine Amyshica, auf dieser Welt geboren, ebenso wie deine
Mutter, deren Mutter und alle weiteren Vorfahren der weiblichen
Linie."
Wir setzen uns auf die erste der Tempelstufen.
"Deine Mutter heißt S'ci Coroun, doch ihr wahrer Name auf der
Amyshica ist S'ceyh sha C'aoyhm. S'ceyh, die Tochter der C'aoyhm, die
wiederum die Tochter der V'árhain sha N'ynhain ist. Keryam ist
eine außenweltlerische Entsprechung des Namens
C'árjhain."
"Und wie heißt Ihr, Priesterin?" Sie macht eine
komplizierte Geste, die wohl Entschuldigung bedeuten soll.
"Ich bin C'éridhain sha Y'seyhs. Und bitte nenne mich nicht
immer 'Priesterin'. Ich weiß, daß die Außenweltler
diese Bezeichnung für uns geprägt haben, aber du bist ein Kind
der Amyshica. Hier sind die Amyshicy, die die Fähigkeit besitzen,
das Große Muster zu halten, die
asthéryée."
"Acù -- gut, asthérys C'éridhain.
Hat Euer Name auch eine 'außenweltlerische Entsprechung'?"
"Sicherlich, kleine C'árjhain. Ich bin auch Ceridaine
deyIsis."
"Warum erkanntet Ihr mich sofort, als ich auf der Amyshica landete?
Nach meiner Geburt war ich bisher noch nicht zurückgekehrt."
"Du stehst im Großen Muster einbeschrieben, kleine
C'árjhain, als die Mutter von S'cávhal, 'tai
scérca' -- 'der Sucherin'." Geschockt starre ich die
Priesterin -- asthérys! -- an.
"Wie bitte? Ich weise daraufhin, daß ich einen Sohn habe --
zugegeben -- aber der reicht mir voll und ganz! Vor allem, da ich
seinen Daddy mittlerweile am liebsten in die nächste Supernova
schießen würde!"
Die Amyshica-Frau lächelt schon wieder hintergründig und
leicht amüsiert. Das nervt mich!
"Ich weiß, C'árjhain sha S'ceyh. Aber es gibt einige
Lebewesen, die mit einer Handbewegung mehr verändern können,
als andere in hundert Leben. Siehst du, heute ist nach terranischer
Zeitrechnung der 10:02:2251TZ. Vor etwa zweieinhalb Terra-Jahren hast
du mit einer Entscheidung die universalen Prinzipien bis in die
Grundfesten erschüttert. Nun mußt du diesen Weg weitergehen,
ob es dir gefällt oder nicht. Du bist von Amyshica-Blut,
C'árjhain, und doch bist du von Außenwelt, das macht dich
zu etwas Besonderem. V'árhain, die abtrünnige
asthérys, hat mit ihrer Tat diesen Fluch über ihre Kinder
gebracht."
"Aber warum ich und nicht meine Mutter oder deren Mutter?"
C'éridhain macht eine Geste des Bedauerns.
"C'aoyhm hatte die Anlage dazu, doch sie kehrte zu spät zur
Amyshica zurück."
Die Frau wirft einen kurzem Blick auf das Große Muster, das
über dem Tempel 'schwebt'.
"Wir wären zwar noch in der Lage gewesen, einiges zu retten,
doch dann geschah dieses Unglück, als der Liner Belle
étoile von einem Meteoriten getroffen wurde und C'aoyhm
dabei starb."
"Und was ist mit S'ci, meiner Mutter?"
"Auch sie kam zu spät zurück. Als wir das Große
Muster befragten, erschien es uns sinnvoll, auf dich zu warten."
"Das klingt fast, als zieht ihr die Fäden, und wir sind
bloß Marionetten in euerem Spiel!" Ich bin ehrlich
empört.
"Nun, Fäden ziehen läge in unserer Macht, doch wir sind
durch das Große Muster gebunden zu beobachten und nicht zu lenken.
Du bist hier, C'árjhain, und du handelst. Wir haben
dich beobachtet."
"Ayée, das paßt mir nicht! Wer seid ihr, daß
ihr euch anmaßt, so in die Leben anderer Wesen einzugreifen?"
C'éridhain lächelt geheimnisvoll und stellt mir eine
Gegenfrage:
"Wer lebte vor den Alten Völkern?"
"Vor den Alten Völkern? Sie waren die
ersten, obwohl es Behauptungen gibt, es existierte eine noch ältere
Rasse -- die Av'emtyi oder Ahnen. Aber diese
Av'emtyi sind nur Legende! Das sagt Euch jeder seriöse
Historiker!"
Die asthérys schüttelt belustigt den Kopf und legt die
Handflächen aneinander.
"Das Volk der Sage lebt, kleine Cárjhain."
"Also, jetzt mach mal halblang, Ceridaine", knurre ich
ungehalten (und auch ziemlich unhöflich). "Du willst doch
wohl nicht behaupten, daß ihr die Av'emtyi
seid?!" C'éridhain breitet die Arme aus.
"Wir sind es", sagt sie ruhig, fast beiläufig.
"Ich glaube dir nicht."
"Warum sollte ich dich belügen?"
Sie streift den linken, metallischen Handschuh ab und berührt mit
den Fingerspitzen meine Stirn. C'éridhains Gedanken liegen
strahlend und offen vor mir, wie meine vor ihr.
Als sie ihre Hand wegzieht, muß ich meine Ansicht revidieren.
"Nun?"
"Was fragt Ihr, asthérys C'éridhain?" Ich
schließe die Augen die News muß ich erst einmal
verdauen.
Als ich sie wieder öffne, sitzt die Priesterin immer noch mit
untergeschlagenen Beinen vor mir auf der Stufe. Ich schüttele den
Kopf, um meine Gedanken wieder ein wenig zu ordnen.
"C'éridhain, wie konntet Ihr mit mir telepathischen Kontakt
aufnehmen? Ich weiß, daß jeder Telepath, der es ohne
mecon-Sender versuchte, durch eine unerklärliche
telepathische Rückkopplung das Bewußtsein verlor."
"Auch das liegt an deinem Amyshica-Blut. Deine Mutter ist
ebenfalls Telepathie-geblockt, ist es nicht so?"
"Doch, das stimmt!"
"Das liegt an euerer unausgebildeten Viláyan-Fähigkeit.
Normalerweise wird jede Amyshica und jeder Amyshico vom 11
Tríradí VZ an darin ausgebildet, seine Fähigkeiten zu
kontrollieren.
Nach 18 Tríradí VZ Training ist ein 'Priester' voll
ausgebildet und darf sich asthéro beziehungsweise asthérys
nennen. Allerdings erreichen viele Amyshicy nicht die 3. Stufe der
Priesterschaft; sie beschließen ihre Lehrzeit als
dérastherà bzw. dérastheràlth."
11 Tríradí VZ entsprechen etwa 9.4 Jahren TZ; 18
Tríradí VZ sind ungefähr 15.4 Jahre TZ.
"Verzeiht, asthérys C'éridhain, aber ich habe
herzlich wenig von Euren Ausführungen verstanden."
"Nun, wo fange ich am besten an? -- Was hast du nicht verstanden,
C'árjhain?" erkundigt sie sich ruhig.
"Diese Viláyan-Fähigkeit -- was ist das?"
Die Amyshica streicht ihren langen Handschuh glatt, den sie sich wieder
übergezogen hat.
"Manche nennen sie auch Geist-- oder Astralreisen. Das
Bewußtsein kann sich vom Körper lösen und durch Raum,
Zeit und Ebenen reisen. Doch viláyanim oder
vhílyim bedeutet auch, in der Lage zu sein, das
Große Muster zu halten und zu träumen."
"Was ist das Große Muster?"
"Das Große Muster ist ein ...Symbol", beginnt sie
zögernd. "Es spiegelt das wider, was als Realität
angesehen wird und doch nicht mehr als ein Traum ist -- was wir als
Realitraum bezeichnen. Wenn unser Bewußtsein das
Universum durchstreift, aktivieren wir das Große Muster, wenn wir
das Große Muster halten und beobachten, erforschen wir das
Universum. Alles, was wir im Großen Muster sehen, entspringt
unseren Träumen -- also träumen wir das Universum. Was
weißt du über die universalen Prinzipien,
C'árjhain?"
"Nicht sehr viel, ehrlich gesagt. Es gibt VARYS und
TESCIA, die man sich vereinfacht vorstellen kann wie 'gut' und
'böse', wobei es jedoch auf den Standpunkt des Betrachters ankommt,
was man nun tatsächlich als 'gut' oder 'böse' ansieht.
Außerdem existiert STAIE, 'tai khésta' -- 'die
Frage', die die Verkörperung der Letzten Frage und andauernd auf
der Suche nach der Letzten Antwort ist. Naja..." Ich zucke die
Achseln.
"Das ist wirklich nicht viel", bemerkt C'éridhain
trocken. "Es gibt Sechs Prinzipien:
- CEVEDÙ, 'tai scymálth' -- 'der
Träumer';
- STAIE, 'tai khésta' -- 'die Frage';
- ISTHÁNYA, 'tai dooya' -- 'die Aktion';
- SHAVAL, 'tai scérca' -- 'die Sucherin';
- VILAYA, 'tai vhílya' -- 'die Reisende'; und
- LARIKÙ, 'tai ascyálth' -- 'der, der die
Antwort ist'.
CEVEDÙ ist das Prinzip des Beginns, durch den
Traum, der sich durch das Ende jedes universalen Zyklus' träumt,
entsteht stets das nächste Absolut-Universum.
Das Zweite Prinzip ist STAIE, die versucht, den Sinn
zu ergründen. Durch STAIE wird das vormalige
Gleichgewicht gestört, was ISTHÀNYA auf
den Plan ruft.
'tai dooya' ist das Prinzip der Aktivität und der
Wirklichkeit, der Gegenpol zu CEVEDÙ. Durch
ISTHÀNYA entstehen zwei Kräfte, die sich
gegenseitig die Waage halten:
SHAVAL und VILAYA, die Verkörperungen des
VARYS-- und TESCIA-Prinzips
Irgendwann, in ferner Zukunft, am Ende eines jeden Zyklus, wenn
Iqùnah, das Gleichgewicht wiedergefunden ist,
wird das Auftauchen 'der Antwort' den nächsten Zyklus beginnen,
wobei aus den sechs Prinzipien das Universum hervorgeht, dessen
Anfang durch den Träumer bestimmt wird."
Ich blicke die Amyshica-Priesterin fassungslos an.
"Soll das heißen, daß ihr das Erste Prinzip
seid?"
"Wir sind unmittelbar durch das Erste Prinzip entstanden,
und aus uns wird es wiedererstehen, doch die Zeit ist noch lange nicht
reif dafür."
"Zumindest erklärt das, warum ihr die Av'emtyi
seid."
"So ist es. Av'emtyi -- die von Av'emta, der
Entstehung. Du mußt mich aber jetzt entschuldigen,
kleine C'árjhain, denn ich werde verlangt. Ich muß nach
Lashidya, zur Halle des Rates, V'árhiko wird dir alle weiteren
Fragen beantworten."
Sie deutet auf einen Amyshico, der die Rampe hinunter geht und auf uns
zusteuert. Wie restlos alle Bewohner der Amyshica ist V'árhiko
hochgewachsen, besitzt schneeweiße Haut, metallicdunkelrote Haare,
silbergesprenkelte, blaue Augen und wirkt völlig alterslos. Er
trägt einen schwarzen Overall, gleichfarbige Stiefel und Handschuhe
derselben Machart wie C'éridhain.
Amyshica! Ich habe das Gefühl, eine Zeit-Bombe hat
eingeschlagen -- und hege die Befürchtung, ich habe mich soeben
wieder einmal unsterblich verknallt. Ansgerechnet in einen amyshicaan
asthéro!
"Sei gegrüßt, C'árjhain sha S'ceyh", sagt er
mit melodischer Stimme und lächelt mich an. Ay djárr...
"Auch Ihr seid gegrüßt, veyrán
asthérys-sâvhys C'éridhain sha Y'seyhs."
Er neigt hochachtungsvoll den Kopf vor der Priesterin, die allem
Anschein nach eine höheren Rang bekleidet als ich gedacht hatte.
C'éridhain verabschiedet sich hastig und eilt zu der Stelle, wo
sich der kleine Schweber in Nichts aufgelöst hatte, der mich
herbrachte.
"Äh, hallo, asthéro V'árhiko, beeile ich mich,
den jungen (?) Mann zu begrüßen. Der schüttelt
abwehrend den Kopf.
"Laß doch den 'asthéro' weg! Daccù, die Hohe
Rätin meinte, ich solle dir sämtliche Fragen
beantworten."
Irgendwie scheint er nicht ganz bei der Sache zu sein. Jee... So
könnte ich mir 'den Träumer' Cevedù
vorstellen.
"Was willst du also wissen, C'árjhain?" Seine Frage
reißt mich aus meinen Betrachtungen.
"Hohe Rätin sagtest du? -- Ayée, und ich habe
sie gerade ganz schön angepflaumt", murmele ich zerknirscht.
V'árhiko sieht ausgesprochen erheitert aus.
"Das geschieht ihr einmal recht. Im Rat wagt ihr kaum jemand zu
widersprechen."
"Naja, wenn ich gewußt hätte, wer sie ist..."
"Glücklicherweise wußtest du es nicht", meint er
grinsend. Er läßt sich ebenfalls auf der Tempelstufe nieder.
"Nun?"
Ayée, was soll ich fragen? -- Jeih, ich muß mich
zusammenreißen. "Ja... -- Ay, warum tragt ihr alle diese
langen, silbernen Handschuhe?"
"Wir lernen es, unsere Viláyan-Fähigkeit soweit zu
kontrollieren, daß alleine unsere Hände bis etwa zu den
Unterarmen als Energieleiter zum Halten des Großen Musters dienen.
Unter normalen Umständen können wir die uns innewohnende
Energie mit unserer Geisteskraft abschirmen. Wenn wir aber das
Bewußtsein verlören oder unsere Konzentration massiv
gestört würde, könnte diese Energie anderen
gefährlich werden. Die Handschuhe wirken als Isolatoren."
Meine Handschuhe sind nur Zierde...
"Das war wohl auch der Grund warum Céridhain erst einen
Handschuh auszog, bevor sie mit mir in telepathischen Kontakt
trat."
"Korrekt. -- Du besitzt übrigens auch die
Amyshica-Fähigkeit. Wenn man dich ausbilden würde,
könntest du ebenfalls das Große Muster halten und das
Universum träumen."
"C'éridhain sagte auch, das sei die Ursache dafür,
daß kein Telepath mit mir Verbindung aufnehmen kann, ohne einen
derartigen Energierückschlag zu erhalten, der ihn umwirft."
"So ist es, C'árjhain. Ein echter Telepath ohne
Viláyan-Fähigkeit würde sterben, versuchte er, die
Amyshica zu betreten."
"Ay jéesha... Aber Empathie und Amyshica-Fähigkeit
vertragen sich, nicht wahr?" Das konnte ich zumindest bei
Tesco-Avenger feststellen, der von seinem Vater die empathischen Talente
der syaanischen Rasse geerbt hat. Ayée, Tess... Wie lange habe
ich dich jetzt nicht mehr gesehen, dhévho? Fast ein Terra-Jahr.
Dafür könnte ich Laé... Ah, lassen wir das! Ich werde
Tesco wiedersehen. Irgendwo, irgendwann -- aber bestimmt.
Abgesehen davon, momentan finde ich V'árhiko ausgesprochen
interessant.
"Sicher vertragen sich diese beiden PSI-Begabungen. Sie sind
nämlich beide 'passive' Talente und interferieren deshalb
nicht." Mh, ich bezweifle, daß ich mit V'árhiko
interferieren würde. Ayée, bleib cool, Kerry!
"Welchen Rang -- oder wie man das bei euch nennt -- bekleidest du
innerhalb der Priesterschaft?"
"Ich? Ich bin ein asthéro, also ein 'Priester der 3.
Stufe' ohne weitere Verpflichtungen."
"Ay, das ist beruhigend."
"Beruhigend? -- Daß ich nicht dem Rat der Amyshica
angehöre?"
"Mhm", mache ich zustimmend. "Hohe Tiere machen mich
immer so nervös." (Nebenbei, V'ai auch, obwohl er kein 'Hohes
Tier' ist.) Auf meinen trockenen Kommentar hin bricht V'árhiko in
schallendes Gelächter aus.
"Und warum? Meine liebe ...Keryam." Er spricht meinen
marsianischen Vornamen mit amyshicaan Akzent aus. Einfach
hinreißend, dieser asthéro. "Denke daran, du bist als
Friedenshüterin immerhin auch so etwas wie eine
Respektsperson."
"Ich und eine Respektsperson?!" Jetzt pruste ich aber
auch los.
"Ay djárr..." Nachdem wir uns wieder beruhigt haben,
setze ich mein Verhör fort -- doch mehr aus Verlegenheit.
"Wie ist eigentlich die Hierarchie der Priesterschaft
aufgebaut?"
V'árhiko verzieht sein makellos weißes Gesicht.
"Da hast du dir etwas herausgesucht. Acù, C'árjhain,
von Anfang an..."
Er setzt sich bequem zurecht.
"Mit elf Tríradí VZ beginnt die Ausbildung. Die
Schülerin wird déristharyna, also
'Elevin-Anwärterin' genannt. Zu diesem Zeitpunkt erlernen die
Kinder die erforderliche Konzentration und Kanalisation ihrer
Kräfte. Nach sechs Tríradí VZ erreicht die
Schülerin über die Ränge der istharyna
(Elevin-Lehrling) und isthárys (Priesterin-Lehrling) die
'1. Stufe der Priesterschaft' als inh-asthérys. Diese
'Priesterin der ersten Weihen' ist in der Lage, mit ihrem
Bewußtsein den Raum zu durchstreifen.
Weitere sechs Tríradí VZ später wird sie nach
bestandener Prüfung zur elh-asthérys der
'Priesterin der vorletzten Weihen'. Diese 'Priesterin der 2. Stufe'
vermag mit ihrem Geist durch Raum und Zeit zu reisen. Mit der
Prüfung zur elh-asthérys verbindet sich
gleichzeitig ein Test über die Belastungsfähigkeit der
jeweiligen Priesterin. Wenn er positiv ausfällt, schließen
sich an die 2. Stufe noch sechs Tríradí VZ der Ausbildung
zur asthérys, der 'Priesterin der 3. Stufe' an,
ansonsten fünf Tríradí VZ bis zum Rang der
dérastherà oder 'Tempelpriesterin'.
Die asthérys kann das Potential der
Viláyan-Fähigkeit voll ausschöpfen, während es der
dérastherà nicht möglich ist, das
Große Muster zu halten. Sie kann nur passiven Kontakt mit ihm
aufnehmen, wenn eine asthérys es hält. Mit 29
Tríradí VZ oder entsprechend 24.8 Jahren TZ ist die
Ausbildung einer asthérys abgeschlossen."
(Nebenbei: 1 Tríradí VZ entspricht ca. 312 Tagen TZ.)
"Gibt es auch Amyshicy, die keine 'Priester' sind?"
"Nur negative Mutanten, denen die Viláyan-Fähigkeit
nicht vererbt wurde. Man erkennt sie daran, daß sich auch keine
metallisch roten Haare haben, da bei uns die PSI-Begabung
hauptsächlich an jenes Gen gekoppelt ist. In der Alten
Zeit wurden sie auf der Raccis-Vála V/S'sápadya und
der IV/A'licadja ausgesetzt. Mit der Zeit sind so die S'sápadyyi
und die A'licadjy entstanden. Heutzutage könnten die Mutanten auf
der Auyshica bleiben, sie ziehen es aber dennoch vor, auf die beiden
Schwesterplaneten auszuweichen."
"Naja... Das klingt nicht so begeisternd."
V'árhiko macht eine unschlüssige Handbewegung.
"Es ist nunmal so."
"Ay..." Ich überlege kurz. "Wie alt bist du
eigentlich? Ich vermute mal -- etwa 25 Terra-Jahre?"
"In etwa", grinst er mich an. "Soll ich dir mal was
verraten? Ich werde in sechs Dí VZ genau 108
Tríradí VZ."
Ich starre ihn entgeistert an. 92 Terra-Jahre? Vom Äußeren
her wirkt er wie bestenfalls Anfang bis Mitte 20. Er amüsiert sich
köstlich über meine Fassungslosigkeit.
"Ich lüfte dir mal eins von C'éridhains
Staatsgeheimnissen, C'ári. Die Hohe Rätin dürfte
irgendetwas um 1200 Tríradí VZ alt sein."
"Oh! -- Wie alt könnt ihr denn werden?" Mir
schwant böses.
Várikho breitet die Arme aus.
"Das bleibt jedem selbst überlassen."
Amyshica! Das ist ein Ding. Ich sehe ihn eine ganze Zeit lang
sprachlos an, obwohl ich beinahe etwas in dieser Richtung geahnt hatte.
V'ai steckt seine Hände wieder in die Hosentaschen seines Overalls.
"Ayée... Sag mal, V'árhiko, wie hoch schätzt du
meine Lebenserwartung ein? Meine Urgroßmutter war eine
Amyshica."
"Ehrlich gesagt, das weiß ich nicht." Er betrachtet mich
nachdenklich.
"Du hast Amyshica-Blut, das sieht man an der fast-weißen
Hautfarbe und den metallicblauen Augen. Auch deine Haare schimmern
stärker als man es bei Karanen erwarten sollte. Aber du bist ein
Abkömmling in vierter Generation. Daccù, auf jeden Fall
wirst du weitaus länger leben als eine Karanéa
normalerweise."
"Apart."
V'ai legt den Kopf schräg und mustert mich genauer.
"Ayée... Du bist exotisch, C'ári. Beinahe
amyshicaan und doch wieder nicht..."
"Ts! Das ist auch mal was neues -- 'exotisch'. Weißt du,
man hat mich schon als Gespenst bezeichnet, als Amyshica-Hexe, als
'bemerkenswert' -- aber 'exotisch'?!" Ich schüttele belustigt
den Kopf. "Ich habe einige Zeit auf Sol III/Terra gelebt; da
bezeichnete man üblicherweise dunkelhäutige Personen
als 'exotisch'."
"Im Vergleich zu mir bist du dunkelhäutig,
C'árjhain." Er tippt auf meinen silberbehandschuhten Arm.
"Werd' den mal eben los..."
"Okay."
Auch V'árhiko entledigt sich seiner Handschuhe und hält
einen strahlendweißen Arm neben meinen, der tatsächlich
dunkler ist. V'ais Berührung verursacht ein eigentümlich
prickelndes Gefühl, fast wie eine elektrostatische Ladung.
Fasziniert fahre ich mit den Fingerspitzen über seinen Unterarm.
"Liegt das etwa auch an der Amyshica-Fähigkeit?"
"Korrekt." Plötzlich grinst er mich schelmisch an.
"Du kannst gerne weitermachen", kommentiert er die Tatsache,
daß ich immer noch leicht abwesend über seinen Arm streiche.
"Ä-hem." Verlegen ziehe ich die Hand weg.
"Ay, C'ári", so war das doch auch nicht gemeint!"
Er faßt unter mein Kinn und hebt es an, bis ich ihm wieder in die
silbergesprenkelten, tiefblauen Augen sehe. Leicht überrascht
bemerke ich, daß ich auf ihn anscheinend einen ebenso starken
Eindruck gemacht habe, wie er auf mich.
"Wie war das? Du sollst 92 Terra-Jahre alt sein?" erkundige
ich mich mit kokettem Augenaufschlag.
"Auf der Amyshica ist das so gut wie nichts."
"Scheint mir auch so. -- Ay, ich mag dich, V'ai."
"Ich weiß." Er küßt meine Fingerspitzen.
"Du hast mehr Amyshica-Blut in dir als du glaubst."
"Hm? Wie meinst du das?"
"Zum Beispiel heißt es 'Eine Amyshica kann man nicht in
Fesseln legen'." Er sieht mich belustigt an. "Soweit ich
weiß hast du doch einen 'Lebensgefährten', nicht wahr?"
"Wenn du meinen Team-Partner meinst -- den kannst du
vergessen", erkläre ich schulterzuckend. "Und was Tesco
angeht, daccù, den habe ich leider bereits seit geraumer Zeit
nicht mehr gesehen."
"Ay djárr, deine Antwort zeigt deine Abstammung ganz
offensichtlich."
Mir schwant etwas...
"Und was ist mit dir?"
"Was soll mit mir sein? Ich bin auf der Amyshica aufgewachsen,
délha!" Ts! Der scheint sich ja sehr sicher zu sein.
'Geliebte Freundin' nennt er mich!
"Und ich bin die Amyshica, die in Außenwelt aufgewachsen
ist." Mein Tonfall ist ziemlich bissig.
"Und?" V'árhiko blickt mich fragend an.
"Tu nicht so unschuldig, V'ai", sage ich schärfer als ich
es beabsichtigt hatte. "C'éridhain sagte mir so ziemlich
wörtlich, ich sei 'im Großen Muster einbeschrieben als die
Mutter von S'cávhal, 'der Sucherin'." Meine Stimme trieft
vor Ironie. "Und so wie ich diese Hohe Rätin kennengelernt
habe, vermute ich einmal ganz zart, daß du der Vater sein
sollst!"
V'árhiko verzieht leicht säuerlich sein elfenhaft
weißes Gesicht.
"Glaube bloß nicht, daß ich anfangs sehr
begeistert war!" Er funkelt mich wütend an. "Und was
mich dabei noch mehr ärgert, ist, daß C'éridhain
wieder einmal keinen Fehler bei ihrer Auswahl gemacht hat."
"Jee, womit du nicht ganz unrecht hast. Vom sachlichen Standpunkt
aus würde ich dich am liebsten in den freien Raum schießen,
aber andererseits..." Ich breite hilflos die Arme aus und lasse sie
wieder sinken. Abwesend wickele ich eine Haarsträhne um meinen
Zeigefinger, bevor ich mir einer Spur von Sarkasmus bemerke "Es
sieht so aus, als wären wir Leidensgenossen, V'ai."
Er fixiert einen Punkt am Horizont.
"Und was gedenkst du nun zu unternehmen, C'ári?"
"Frag lieber 'was können wir unternehmen',
délho..."
Überrascht begegnet er meinem Blick.
"Trotz allem nennst du mich délho?" fragt er erstaunt.
Im Gegensatz zu márvho, das 'Freund' im Sinne von
'Kamerad' bedeutet, heißt délho 'geliebter
Freund', allerdings eher unverbindlich. Die intime Form für
'gewählter Lebensgefährte' wäre dhévho.
"Ja", sage ich einfach und leicht ironisch. "Denk dran,
ich bin von Amyshica-Blut."
V'árhiko wirkt sprachlos. "Das merkt man."
Er befestigt beide Handschuhe am Gürtel. Seine Hände scheinen
von einem unwirklichen, weißen Schimmern umgeben zu sein, doch
ganz sicher bin ich mir nicht. V'ai nimmt mein Gesicht in beide
Hände und küßt mich leicht. Ich kann die ihm
innewohnende Energie direkt physisch spüren. Was für ein
Gefühl! Leidenschaftlich erwidere ich seinen Kuß. Mit der
Reaktion hat er wohl nicht gerechnet.
"Amyshica! Du bringst mich völlig durcheinander,
C'árjhain."
"Sollte man nicht auch manchmal das Nützliche mit dem
Angenehmen verbinden, V'ai? -- Ich vermute, ich kann meinem Schicksal
hier doch nicht entgehen."
"Nicht wenn es im Großen Muster einbeschrieben ist",
seufzt er.
* * *
Daccù, zu meiner Schande muß ich gestehen, daß die
Planung der Hohen Priesterin C'éridhain sha Y'seyhs voll und ganz
aufgegangen ist...
Die folgende Zeit pendele ich zwischen Viresta I/Sna-Tgyhl und der
Amyshica hin und her. Laé kommt zwar fast vor Eifersucht um,
kann meine Heimatwelt jedoch nicht betreten, da seine PSI-Begabungen
sich nicht mit den amyshicaan Energieströmen vertragen. Ich werde
von V'árhiko im Gebrauch meiner Viláyan-Fähigkeit
geschult und erreiche schlußendlich immerhin die Stufe der
elh-asthérys, also der 'Priesterin der vorletzten Weihen'.
* * *
In 20:01:2252TZ kommt auf der Raccis-Vála VI/Amyshica meine
Tochter Shayla Varys Al T'oroun zur Welt. Mein heißgeliebter
Team-Partner ist zwar nicht sehr erbaut darüber gewesen (er war der
Überzeugung, Shayla sollte ebenso wie ihr Bruder Kerryth auf
Sna-Tgyhl geboren werden) aber ich habe ihm unmißverständlich
klargemacht, daß sowohl ich als auch sämtliche Vorfahren der
weiblichen Linie Amyshice sind bzw. waren und daß meine Tochter
gefälligst auch eine Amyshica wird.
* * *
In 20:02:2252TZ wird Shayla Varys (die hier den Namen S'cávhal
sha C'árjhain trägt) von C'éridhain getestet.
Anschließend wirkt die Hohe Rätin ziemlich erschüttert.
Sie erklärt, sie habe nicht geglaubt, daß S'cávhal
tatsächlich über eine derart phantastische PSI-Begabung
verfügt.
Die Kleine dürfte in etwa STAIEs Fähigkeiten besitzen
-- und es heißt, daß der 'Frage' nichts unmöglich sei.
Laé ist tatsächlich fest davon überzeugt, Shayla Varys
sei seine Tochter. V'ai und ich wissen es besser.
* * *
In 26:02:2252TZ entschließe ich mich endlich, die Amyshica wieder
zu verlassen. V'ai hat mir erklärt, daß er nicht mehr mit
mir zusammenbleiben kann -- typisch Amyshico.
Er meinte, es wäre ihm ohnehin rätselhaft gewesen, wie er es
ein ganzes Terra-Jahr lang allein mit mir ausgehalten hat. Ich bin ihm
deswegen nicht böse -- warum auch? Die Zeit mit V'ai ist
schön gewesen, aber er ist nun einmal nicht mein dhévho.
Während ich also vorerst wieder zu Laé düse, kehrt
V'árhiko zu seinem délho C'éhadric vy
M'árghain zurück. Ebenfalls vorerst.
* * *
Merkwürdigerweise hat sich mein Verhältnis zu Laé
zwischenzeitlich verbessert, obwohl er sich wie üblich bemüht,
seinen absoluten Besitzanspruch auf mich geltend zu machen. Naja, wenn
er mich zu sehr nervt, mache ich schon mal einen kleinen Abstecher zu
einem Planeten, wo etwas los ist.
Immerhin betätigt er sich zur Zeit als liebevoller Vater, wobei er
Kerryth reichlich bevorzugt.
Ich habe das Gefühl, Shayla ist ihm ein wenig unheimlich. Naja,
sie hat ihm schließlich erst kürzlich durch ihre
Amyshica-Fähigkeit einen Telepathieschock verpaßt, der es in
sich gehabt hat. -- Im Gegensatz zu Keth, der Laés
PSI-Begabungen geerbt hat.
Ich hege ohnehin die Vermutung, daß die Inkompatibilität von
Laés und meinem PSI-Talent es unmöglich machen würde,
daß wir beide eine Tochter haben können, denn Laés
PSI-Gene sind grundsätzlich dominant und meine bei weiblichen
Nachkommen. Aber mein Team-Partner hat zum Glück keine Ahnung von
der besonderen Problematik der Nachkommenschaft einer Amyshica. Sonst
wäre ihm Shayla sicherlich höchst verdächtig vorgekommen.
Die folgenden Wochen und Monate TZ vergehen mit der üblichen
Routine bei den Friedenshütern: Mal hier ein 'kippender' Planet,
dessen Ökologie wir wieder auf Vordermann (--frau) bringen
müssen, mal da ein abgeirrter Planetoid, der sich auf
Kollisionskurs mit einer bewohnten Welt befindet, oder eine bedrohliche
Epidemie auf einem weiteren Himmelskörper. Okay, ich gebe zu, die
Sache mit der 'geklauten Galaxis' war zwar ganz heftig, aber die wurde
ja von Witch, Ench und den anderen Veena in die Hand genommen.
Mittlerweile ist Laé zu der Ansicht gekommen, ich sollte mich
alleine um die Kinder kümmern. Ha! Nicht mit mir. Der kann ruhig
auch mal was machen.
Amyshica! Ich gäbe etwas darum, Tesco einmal wiederzutreffen. Ob
der noch an mich denkt?
Ich hoffe es zumindest.
* * *
Man schreibt den 19:08:2253TZ. Wie so oft sitze ich gedankenversunken
an einem der Tische in unsererm Gemeinschaftsraum auf Sna-Tgyhl und
hoffe, daß mir Laé nicht gerade über den Weg
läuft, da erscheint ein Transmit-Feld, und Ashyra t'Avimer, meine
beste Freundin, tritt hindurch.
Sie hat sich wieder einmal die Haare gefärbt. Normalerweise hat
sie ja metallicviolette Haare und Augen bei sehr heller Hautfarbe, aber
jetzt ist ihre beinahe knielange Haarpracht glänzend blauschwarz,
wie auch ihr enges, ärmelloses, knöchellanges Gewand. Sie
trägt silberne Sandalen, einen gleichfarbigen, schmalen
Gürtel, sowie seltsam geformten Silberschmuck im Haar.
"Darf ich mich zu dir setzen?" erkundigt sie sich höflich
mit ihrer dunklen Stimme.
"Was fragst du, Ashree? Ah, du siehst wieder einmal exquisit
aus."
Sie läßt sich mir gegenüber nieder.
Jetzt bemerke ich auch die breiten Armreifen, die gerade noch von ihrem
langen Haar versteckt waren. Außerdem hält sie ein kleines
Päckchen in der Hand.
"Immer noch im Priesterdress?" Sie deutet auf meine knappe,
schimmernd weiße Tunika. Mittlerweile trage ich auch die
Silberhandschuhe der Amyshica-Priesterinnen -- aus
Sicherheitsgründen.
"Wie du siehst, márvha. -- Was hast du denn dorten
versteckt?"
"Hm? Ay..." Sie hält das Kartenpäckchen hoch und
fächert es auseinander.
"Tarot." erklärt sie geheimnisvoll. "Ich habe es
letztlich im Archiv Terra/Marséy, Bezirk France, entdeckt."
"Ach, und was ist das?"
Ashyra reißt entsetzt ihre langbewimperten, metallschimmernden,
tiefvioletten Augen auf. Ay djárr... Dieses Metallicblauviolett
erinnert mich wieder an Tesco. Ay, Tess, dhévho, ich sehne mich
so nach dir...
"Keryam", sagt Ashyra geschockt. Und noch einmal:
"Keryam." Sie atmet tief durch, bevor sie beginnt, über
'Tarot' zu referieren.
"Das Spiel hat 78 Karten, die man in 22 Große und 56 Kleine
Arkana einteilt." Sie breitet das Spiel schwungvoll vor mir aus.
Sämtliche Karten sind äußerst bunt und mit exquisiten
Bildchen verziert.
"Was ist eine Arkana?" erkundige ich mich.
"Das kommt aus der terranischen Sprache Alt-Italiano von 'arcano'
'Geheimnisträger'. Mit den Tarot-Karten kann man
weißsagen."
"Apart", lautet mein Kommentar. Ashyra läßt sich
nicht beirren.
"Die Kleinen Arkana stehen dabei für die Einzelheiten des
Lebens, während die Großen Arkana die Psyche der/des
Fragenden beschreiben, eben das Gesamtbild."
"Aha", mache ich.
Ashyra mustert mich prüfend und deckt dann eine Karte auf, die ein
rätselhaftes Bild zeigt: Im oberen Drittel der Karte befindet sich
ein Mond, in den ein Gesicht im Profil eingezeichnet ist. Im
Vordergrund sieht man ein Gewässer, aus dem ein Krebs steigt, und
in der Mitte sind ein Hand und ein Wolf, die den Mond anheulen. Die
Karte trägt die Nummer XVIII.
"Du erinnerst mich an La Lune (der Mond), diese Karte
hier", meint sie nachdenklich.
"Hm?!"
"Arkana XVIII La Lune -- Ihr Ursprung ist Le
Diable (der Teufel) und ihre Folge La Monde (die
Welt)."
"Ich verstehe immer noch nichts, márvha."
"La Lune verkörpert das lunare Wissen, die Kraft des
Unterbewußtseins und des Traumes." Des Traumes? Neugierig
mustere ich meine Freundin.
"Was weißt du über die Amyshica?" will ich wissen.
Ashyra sieht mich erstaunt an. "Was hat das mit Tarot zu
tun?"
"Was ist dir über die Amyshica bekannt?" wiederhole ich.
"Rákhiswala VI/Amyshica... Der Planet, der auf eigenen
Wunsch gesperrt ist -- die Syth á'bárrima, wie es
auch heißt. Die Bewohner wollen nichts mit den übrigen Wesen
der Galaktischen Union zu tun haben. Und?"
"Die Amyshica ist der Planet des Traumes. Wir Amyshicy sind im
Brennpunkt der Kräfte und träumen das Universum."
"Wir? Zählst du dich auch zu den Amyshicy?
"Ja -- jetzt schon."
"Ay. Das erklärt zumindest den Traumaspekt von La
Lune. Der andere Aspekt von dieser Arkana ist Veränderung --
Anlaß zur Unsicherheit, zu Reizbarkeit, zu Unruhe..."
"Sag mal, könnte es sein, daß du deinen Beruf verfehlt
hast?"
Sie ist zwar Historikerin, aber ihre Aussagen geben präzise meine
derzeitige Verfassung wider.
"Und was hat das mit den beiden anderen Karten, äh, Arkana auf
sich?"
"Arkana XV -- Le Diable -- ist eine komplexe Karte. Sie
ist der Ursprung von La Lune und warnt vor ungezügelten
Leidenschaften."
Sie wendet die Karte abwesend herum.
"Die Arkana sagt aus, daß es zu einem Bruch kommen wird, wenn
du das Ziel deiner Wünsche erlangst."
Sie macht eine Pause und sieht mich direkt an.
"Weißt du, welchen Preis du zu zahlen bereit bist, damit sich
deine Wünsche erfüllen?"
"Welcher Preis -- welche Wünsche?" frage ich verwirrt.
Ashyra blickt mir ernst in die Augen.
"Das ist etwas, das nur du wissen kannst. Deine Wünsche sind
in dir. Werde dir über sie klar -- erkenne dein Verlangen und dich
selbst darin."
"Kannst du mir raten, Ashree?"
"Ich habe das Gefühl, daß dich irgendetwas förmlich
innerlich zerreißt." Ich stütze mein Kinn auf den
Händen auf.
"Amyshica! Ich glaube, ich sollte dir die Geschichte von Anfang an
erzählen."
Ashyra hört mir aufmerksam zu. Am Schluß pfeift sie leise
durch die Zähne.
"Das nenne ich eine ungemütliche Situation. Und die Ironie
der Sache ist, daß ich etwas für Laé übrig habe,
während er ja bekannterweise dich liebt, aber du dich für
Tesco-Avenger entschieden hast. Was mich dabei interessiert -- warum
hast du Tesco die ganze Zeit nicht wieder getroffen?"
"Ehrlich gesagt, das frage ich mich auch. Immerhin ist er der
Mann, den ich dhévho genannt habe -- und er sagte auch
dhévha zu mir. Ay Amyshica! Ich werde Coat fragen, ob
er Tescos Raumer Else-X irgendwo anpeilen kann."
"Glaubst du, daß er nach drei Jahren TZ noch genauso viel
für dich übrig hat?"
"Doch. Ah, du kennst ihn ja nicht..."
"Naja. Ich weiß auch nicht, ob ich ihn allzu gerne
kennenlernen möchte. Immerhin ist er der Sohn von diesem
Obergangster Cvoa-L'yyn!"
"Ay djárr! Sag nichts gegen Tesco! Er ist fabelhaft."
"Wenn du davon überzeugt bist..."
"Bin ich." Verträumt blicke ich ins Leere und denke an
Tess. Ashyra schüttelt den Kopf.
Per mecon erkundige ich mich beim Bordcomp meines Rihkuun, ob
er die EX irgendwo entdecken kann. Coat teilt mir mißgelaunt mit,
daß Tescos Raumer auf dem Raumhafen von Accra II/Kara,
Keara-Lerát steht.
"Ashree -- Entschuldigst du mich, márvha? Ich muß
unbedingt nach Kara springen."
"Ich hoffe, du findest deinen dhévho. Jee... Warum habe
ich bloß immer Pech?"
"Ayée, márvha, ich wünschte, ich könnte dir
helfen."
"Ich weiß -- danke, Kerry. Aber du kannst wirklich nichts
tun." Ich verabschiede mich von ihr und transmittiere in die
Atlantis. Coat empfängt mich wieder ziemlich ungehalten.
"Du hast dir offenbar tatsächlich in den Kopf gesetzt, diesen
...Typen wiederzutreffen. Und ich hatte gehofft, du hättest diese
Phase endgültig überwunden."
"Oh, Coat! Du führst dich immer auf", seufze ich
genervt.
"Würdest du bitte Kurs auf Accra II/Kara setzen und
anschließend auf dem Raumhafen von Keara-Lerát
aufsetzen?"
"Ungerne."
"Tu's!"
"Na gut."
Ich versuche angestrengt, alle Zweifel zu verdrängen. Wird Tess
mich noch lieben? -- Ah, wart's doch ab!
"Wir sind im Accra-System", teilt mir der Computer des Schiffs
mit. Kurz darauf befinden wir uns auf dem Landefeld des Raumhafens.
Trotz allem Murren setzt Coat neben der EX auf.
"Kannst du Tesco-Avenger im Schiff einpeilen?"
"Ja", knurrt der Comp. Ob dieses Tonfalls kann ich ein
Kichern nicht unterdrücken.
"Amyshica, Coat, daß du dir deine Vorurteile gegen den Jungen
nicht verkneifen kannst!"
"Der 'Junge'! Pah! Er ist Cvoas Sohn und gefährlich!"
Ich schüttele belustigt den Kopf und schalte eine Funkverbindung
zur Else-X. Prompt erscheint Tescos mittelblaues,
ebenmäßiges Konterfei auf dem Holoschirm. Als er mich
erblickt, leuchten seine metallicvioletten Augen begeistert auf.
"Kerry!" ruft er verblüfft aus. "Dhévha! --
Daß du dich auch mal wieder meldest..."
Ohne große Vorrede fordere ich ein Transmit-Feld an und springe in
seinen Raumer. Stumm fallen wir uns in die Arme.
"Dhévho... -- Jetzt werde ich bei dir bleiben."
"Und dein Team-Partner, Kerry?"
"Ich werde mich von ihm trennen."
"Dhévha, ich bin froh, daß du endlich klare
Verhältnisse schaffen willst." Er legt einen Arm um meine
Taille und fährt mir zärtlich durch die Haare.
"Weißt du, wie lange ich versucht habe, dich zu vergessen?
Drei Jahre, zwei Monate und zwei Tage (TZ)."
Hm. Er scheint sie tatsächlich gezählt zu haben. Zum
Glück ist es ihm aber offenbar nicht gelungen.
"Na, dann komm!" Ich deute auf das Transmit-Feld, das auf
meine Anweisung hin stehen geblieben ist und ziehe ihn in Richtung auf
das grünlich/goldene Schimmern.
"Hey, nicht ganz so eilig, ma-délha! Karmasha, wir haben
uns ja noch gar nicht richtig begrüßt..." Was wir denn
auch nachholen. Aber als wir dann doch an Bord der Atlantis
gehen, fängt der Bordcomputer sofort an herumzumeckern.
"Keryam", sagt er verweisend. "Jetzt hast du diesen
...Typen sogar mit ins Rihkuun gebracht." Langsam werde ich sauer,
Coat!
"Liebster Atlantis-Bordcomp, Tesco-Avenger ist bestimmt
kein 'Typ'. Genauer: Du wirst dich damit abfinden müssen,
daß er jetzt mein Lebensgefährte ist. Hai capisce?"
"Nur unter Protest", erklärt der Computer.
"Das ist mir völlig egal", erwidere ich
ungerührt. "Weißt du, wo meine Eltern zur Zeit
stecken?"
"Auf Sol III/Terra I/Luna, vermute ich. Fyu wollte mal wieder die
Basis Luna-Copernicus heimsuchen."
"Okay, bitte setze Kurs auf den Mond der Erde." Der Comp
bestätigt und vermeldet sogleich, daß wir Luna erreicht
haben. Tess gibt einen anerkennenden Pfiff von sich.
"Nicht schlecht, das Schiffchen", lautet sein Kommentar. Ich
nicke zustimmend und erbitte Landeerlaubnis für die
Copernicus-Basis, deren Chef der Pflegevater von Fyu ist.
Ungehindert fliegen wir in einen Hangar ein. Meine Eltern, Pete und
dessen Lebensgefährtin Gwyneth 'Laser-Gwynny' Shipton erwarten uns
an der Schleuse -- respektive, eigentlich haben sie nur mich erwartet
und sind dementsprechend fassungslos, als Tess zusammen mit mir
materialisiert.
Als sie Tesco erblicken, sind ihre Reaktionen durchaus unterschiedlich.
Laser-Gwynny (trotz ihrer langjährigen Partnerschaft mit Pete immer
noch nicht zahmer geworden) greift sofort zu ihrer Hüfte, muß
aber enttäuscht feststellen, daß sie -- wie auf der BL-C
allgemein üblich -- keinen Strahler trägt.
Fyu gibt ein kräftiges "Verdammt!" von sich, während
S'ci die Situation mit einem entgeisterten "Amyshica!"
kommentiert. Pete sagt erst einmal gar nichts, sondern blickt mich nur
erstaunt an.
"Hi!" begrüße ich sie fröhlich. Tess macht es
mir nach.
"Was soll das?" fragt meine Mutter irritiert.
"Ich wollte euch nur mitteilen, daß Tess und ich uns
entschlossen haben, fortan zusammenzuleben. That's it."
S'ci macht einen Schritt auf uns zu.
"Wie bitte?" ruft sie völlig perplex aus.
"Hört sich irgendwie nach deiner Tochter an", meint Pete
trocken zu ihr.
"Und was sagt Laé dazu?" fragt Fyu stirnrunzelnd.
"Laé! Dem habe ich es noch gar nicht gesagt."
"Sollte dein Team-Partner so etwas nicht zu allererst
erfahren?" will mein Vater wissen.
"Ay jéesha! Ich werde froh sein, wenn ich den los
bin."
Erschüttert wendet sich Fyu an mich.
"Keryam -- aber mußte es ausgerechnet Tesco-Avenger
L'hèr sein? Der Sohn von Cvoa-L'yyn und T'yla..."
S'ci sagt gar nichts und betrachtet Tesco nur nachdenklich.
Tess funkelt die versammelte Mannschaft ärgerlich an. Immerhin
kann man ihm eigentlich kaum andere verbrecherische Tat vorhalten als
die Tatsache, daß er der Sproß einer illustren Sippschaft
ist.
"Athry thraska! Könnt ihr nicht einmal vergessen,
wer meine Eltern sind? Ich liebe Keryam und damit basta."
Er nimmt mich zärtlich in die Arme und küßt mich.
Hingebungsvoll erwidere ich seinen Kuß. Nachdem wir wieder bei
Atem sind, grinst Pete meine Eltern vielsagend an und zwinkert uns
belustigt zu.
"Mir scheint, dem ist nichts hinzuzufügen."
Ay, der alte Raumhase ist großartig! Ich falle dem ewig jung
wirkenden Blondschopf begeistert um den Hals.
"Ah, Pete, du bist super!"
Jetzt überwinden sich auch S'ci und Fyu, letzterer kommt mir zwar
immer noch nicht übermäßig frohsinnig vor, aber er steht
wenigstens nicht mit derart versteinerter Miene da wie Laser-Gwynny.
"Ayée -- Kerry, Tesco-Avenger", seufzt meine Mutter,
"also ich wünsche euch jedenfalls das Beste." S'ci
scheint darüber nachzusinnen, daß sie einmal ziemlich
für Tescos Vater Cvoa-L'yyn geschwärmt hatte...
"Von mir laßt ihr euch bestimmt nicht davon abhalten",
brummelt Fyu, "und es ist schließlich euer Leben!"
"Ah, ihr seid klasse!" verkünde ich strahlend.
"Hey, Gwyneth, mach doch nicht so ein Gesicht! Freu dich lieber
mit uns!"
Nun gibt sogar die Generalin ihrem Herzen einen Stoß. Sie wirft
ihre schulterlangen, kara-roten Haare zurück und salutiert knapp
vor Tesco.
"Willkommen auf der BL-C."
"Ay, Kerry", beginnt S'ci, "da fällt mir gerade
etwas ein."
"Und was?"
"Daccù, du hast dich doch von Laé getrennt,
und das bedeutet, daß er mit hoher Wahrscheinlichkeit das
Sorgerecht für eure Kinder bekommt."
"Ja, für Kerryth. Aber nicht für Shayla Varys."
S'ci sieht mich aus ihren metallicblauen Augen verwirrt an.
"Er hat genausoviel Recht auf Shayla wie auf Keth!"
"Eben nicht", bemerke ich trocken.
"Keryam", beginnt mein Daddy ahnungsvoll.
"Laé hat kein Recht auf Shyl, weil sie nicht seine Tochter
ist", sage ich beiläufig.
"Wie bitte?" fragen meine Eltern wie aus einem Mund.
"Richtig gehört", grinse ich.
"Aber Tesco-Avenger kann auch schwerlich Shaylas Vater sein",
überlegt Fyu.
"Auch richtig."
"Wer dann?" S'ci wirkt schockiert.
"Ich glaube, ihr kennt ihn nicht: V'árhiko vy
R'ávhain, ein wundervoller Amyshico -- aber lange nicht so
fabelhaft wie Tess."
Der ist hinter mich getreten und hat liebevoll seine Arme um mich
gelegt. S'ci und Fyu schütteln nur den Kopf, während Pete
sich amüsiert an seinen Pflegesohn wendet.
"Kleiner, dein Töchterchen scheint es ja faustdick hinter den
Ohren zu haben."
"Na und?!" gibt Tesco belustigt von sich. "Mich
stört es nicht, und das reicht doch wohl?"
"Wenn du es sagst", murmelt Fyu vor sich her. "Und was
nun?"
"Äh ja..." macht Tess sorgenvoll, "da hast du den
Mittelpunkt des Black Holes getroffen, Fyu. -- Kerry, dhévha,
ich bin wirklich gespannt, was Cvoa von der Angelegenheit
hält..."
Fyu schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn und kichert
los.
"S'ci, ma-délha, mir scheint, nicht nur wir haben unsere
liebe Last mit dem Nachwuchs."
Seine Team-Partnerin legt ihm eine Hand auf die Schulter und fährt
ihm durch die leuchtend dunkelroten Haare.
"Ay, das kommt eben in den besten Familien vor", meint sie
grinsend.
"Also, S'ci, Fyu -- und Pete & Gwynny, das war's eigentlich,
was ich euch mitteilen wollte", sage ich abschließend.
"Ich glaube, wir düsen dann wohl von dannen."
"...um meinem Vater die gar fürchterliche Mitteilung zu
machen, daß ich mich in eine Friedenshüterin 'verguckt'
habe", vollendet Tesco.
Also verabschieden wir uns, wobei Laser-Gwynny meinen blauhäutigen
dhévho immer noch ziemlich kritisch mustert.
-- BYE --
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Last modified: 13.04.2002
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