Ein Labor-Bestimmungsführer
Faktoren, welche die Bildung von Harnkristallen beeinflussen
PH - Wert des Urins
Kühlung
Ernährung
Kombination von Kristallen
Bestimmung von Kristallen
Bilirubin- Kristallurie
Kalziumkarbonat - Kristallurie
Kalziumoxalat - Kristallurie
Kalziumphosphat - Kristallurie
Cholesterol - Kristallurie
Zystin - Kristallurie
Magnesiumammoniumphosphat - Kristallurie
Hippursäure - Kristallurie
Leuzin- Kristallurie
Tyrosin- Kristallurie
Urate: Ammonium - und amorphe Urat - Kristallurie
Harnsäure - Kristallurie
Xanthin - Kristallurie
Schlussfolgerung
Die Entwicklung wirkungsvoller medizinischer Behandlungsschemata zur
Auflösung und Vorbeugung von Harnsteinen bei Hunden und Katzen führte
zu erneutem Interesse an Erkennungen und Interpretation von Kristallurie.
Die Auswertung der Harnkristalle kann dabei helfen,
Erkrankungen zu erkennen, die Tiere für Harnkonkremente prädisponieren,
die Mineralzusammensetzung der Harnkonkremente abzuschätzen, und
den Erfolg, der medizinischen Behandlung auszuwerten, die zur Auflösung
oder Vorbeugung von Harnkonkrementen eingeleitet wurde.
Kristalle bilden sich nur in Urin, der gegenwärtig oder in letzter
Zeit mit kristallogenen Substanzen übersättigt ist bzw. war.
Daher stellt die Kristallurie einen Risikofaktor für Urolithiasis
dar. Jedoch ist die Entdeckung von Harnkristallen weder mit Harnsteinen
gleichzusetzen noch mit den mit ihnen einhergehenden Symptomen. Auch sind
Harnkristalle kein unbedingter Beweis für eine Neigung zur Steinbildung.
Zum Beispiel ist Kristallurie bei Individuen mit anatomisch und funktionell
normalen Harnwegen meist harmlos, da die Kristalle ausgeschieden werden,
bevor sie zu einer Größe anwachsen, die den ungestörten
Harnabsatz beeinträchtigen könnte. Außerdem sind Kristalle,
die sich nach Ausscheidung oder Entfernung des Urins aus dem Patienten
bilden, klinisch nicht bedeutsam. Die Erkennung von Kristallen, die sich
in vitro gebildet haben, rechtfertigt keine Therapie. Andererseits können
von diagnostischer, prognostischer oder therapeutischer Bedeutung sein:
Die Entdeckung bestimmter (z.B. Zystin- und Ammoniumurat-) Kristalle bei
klinisch symptomlosen Patienten, häufige Entdeckung von großen
Kristallansammlungen (z.B. Kalziumoxalat oder Magnesiumammoniumphosphat)
bei klinisch unauffälligen Individuen, oder Entdeckung jeglicher Kristallformen
in frischem Urin bei Patienten mit diagnostizierter Urolithiasis.
Bei Patienten mit diagnostizierter Urolithiasis sollte die mikroskopische
Auswertung der Harnkristalle nicht das einzige Kriterium der Mineralienzusammensetzung
der großen Harnsteine sein. Nur die quantitative Harnsteinanalyse
kann endgültig Auskunft über die Mineralzusammensetzung des ganzen
Steins geben. Jedenfalls lässt die Interpretation von Kristallurie
angesichts anderer klinischer Befunde oft eine Verdachtsbestimmung der
Mineralzusammensetzung des Harnsteins zu, besonders dessen äußerer
Schichten. Daran, ob sich anschließend therapeutisch die Kristallurie
reduzieren oder beenden lässt, kann man den Erfolg von konservativen
Behandlunsschemata ablesen, die zur Auflösung und Vorbeugung von Harnkonkrementen
entwickelt wurden.
Faktoren, welche die Bildung von Harnkristallen beeinflussen In vivo
und in vitro Variable
Obwohl keine direkte Beziehung, zwischen Kristallurie und Urolithiasis
besteht, beweist die Entdeckung von Kristallen im Urin, dass die Urinprobe
mit kristallogenen Substanzen übersättigt ist. Jedoch kann Übersättigung
als Resultat von in, vitro zusätzlich zu, oder anstatt von, in vivo
Ereignissen auftreten. Daher muss Sorge getragen werden, die Bedeutung
von Kristallurie nicht überzuinterpretieren.
Als in vivo Variable, die Kristallurie beeinflussen, sind zu nennen:
die Konzentration von kristallogenen Stoffen im Urin (welche ihrerseits
beeinflusst wird von ihrer Ausscheidungsrate und der Wassermenge, in der
sie ausgeschieden werden),
PH des Urins (Tab. 1) <hill02.htm>
die Löslichkeit von kristallogenen Stoffen im Urin, und
die Ausscheidung von d i a g n o s t i s c h e n Substanzen (wie Röntgenkontrastmitteln
) und Medikamenten (wie Sulfonamiden).
Als in vitro Variable, die Kristallurie beeinflussen, sind zu nennen:
Temperatur,
Verdunstung,
PH-Wert und
die Methode der Probenverarbeitung (z.B. Zentrifugieren oder nicht,
und Menge des untersuchten Urins).
Es sei betont, dass in vitro Veränderungen, die nach der Probennahme
auftreten, die Bildung oder Auflösung von Kristallen fördern
können. Obwohl in vitro Veränderungen benutzt werden können,
um das Entdecken bestimmter Kristallarten zu fördern (z.B. Ansäuerung,
um Zystinausfällung zu bewirken), hat in vitro Kristallisation möglicherweise
keine klinische Bedeutung für die in vitro auftretende Kristallbildung
im Urin.
Wo es von besonderer Bedeutung ist, die in Vivo Harnkristallart zu
kennen, sollten frische Proben serienweise untersucht werden. Anzahl, Größe
und Struktur der Kristalle sollten ausgewertet werden, ebenso ihre Neigung
zur Zusammenlagerung.
PH - Wert des Urins
Bildung und Bestehen einiger Kristallarten werden vom PH-Wert beeinflusst.
Daher ist es oft von Nutzen, den PH-Wert bei der Interpretation von Kristallurie
mit zu beachten (Tab. 1 <hill02.htm>).
Verschiedene Kristalle tendieren dazu, sich in bestimmten PH-Bereichen
zu bilden und zu bestehen, obwohl es Ausnahmen gibt. Diese können
von großen Konzentrationen an kristallogenen Stoffen im Urin herrühren
oder von in vivo oder in vitro Veränderungen des Urin-PH in jüngster
Vergangenheit.
Kühlung
Kühlung ist eine ausgezeichnete Methode, um viele physikalische,
chemische und morphologische Eigenschaften von Harn und Harnsediment zu
erhalten. Jedoch muss sie mit Vorsicht angewandt werden, wenn man Kristallurie
von qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten auswertet. Obwohl Kühlung,
von Urinproben wahrscheinlich die Bildung, verschiedener Kristallarten
fördert, hat dieses Geschehen möglicherweise keine Ähnlichkeit
mit den Vorgängen im Körper des Patienten.
Ernährung
Kristallurie kann auch durch die Ernährungsweise beeinflusst werden
(Wasseraufnahme eingeschlossen). Der Einfluss der Ernährung auf Kristallurie
ist von diagnostischer Bedeutung, weil die bei hospitalisierten Patienten
mit Klinikfütterung auftretenden Harnkristalle sich von jenen Kristallen
unterscheiden können, die bei Fütterung zu Hause entstehen.
Medikamente
Wenn ungewöhnliche Kristalle im Urin von solchen Patienten entdeckt
werden, die Medikamente erhalten, sollte überlegt werden, ob es sich
bei den Kristallen um Metaboliten der Medikamente handeln könnte.
Bei Hunden und Katzen beschriebene medikamentenbedingte Kristallurie umfasst
Sulfadiazin und seine Metaboliten. Die bei Menschen beschriebenen medikamentenbedingten
Kristallurien umfassen Ampicillin, Ciprofloxazin, Röntgenkontrastmittel,
Primidon, 5-Fluorocytosin und 6-Mercaptopurin.
Kombination von Kristallen
Kristalle bilden sich in einer komplexen Umgebung, die durch ständige
Urinproduktion wechselnder Zusammensetzung gekennzeichnet ist, bei der
der Urin verschiedene Anteile der oberen und unteren Harnwege durchfließt.
Mehr als eine Kristallart kann möglicherweise in einer Urinprobe beobachtet
werden. In menschlichen Urinproben beobachtete Kombinationen von Bruschit-(Kalziumhydrogenphosphatdihydrat
, ein in saurem Urin ausfallendes Mineral) und Kalziumapatit- (Kalziumphosphat)
Kristallen stärkt diese Hypothese, da Bruschitbildung nicht in der
alkalischen Umgebung erwartet würde, die zur Ausfällung von Kalziumapatit
nötig ist.
Kristalle unterschiedlicher Zusammensetzung können sich auch an
gleicher Stelle bilden. Zum Beispiel können infektionsbedingte Magnesiumammoniumphosphat-Kristalle
gleichzeitig mit Metabolitkristallen entstehen (z. B. Kalziumoxalat, Kalziumphosphat
und Ammoniumurat).
Bestimmung von Kristallen
Habitus des Kristalls
"Habitus" ist der von Mineralogen im allgemeinen verwendete Begriff,
mit dem charakteristische Formen von Mineralkristallen beschrieben werden,
und er wird gewöhnlich als Index von Kristallzusammensetzung benutzt.
jedoch lässt die mikroskopische Auswertung der Harnkristalle nur eine
Annäherung an eine Bestimmung ihrer Zusammensetzung zu, weil variable
Bedingungen, die sich auf Entstehung, Wachstum und Auflösung der Kristalle
auswirken, ihr Erscheinungsbild verändern können. Daher hängt
die endgültige Bestimmung der Kristallzusammensetzung ab von optischer
Kristallographie, Infrarot- Spektrophotometrie, Thermalanalyse, Röntgenpulverdiffraktometrie,
Elektronenstrahlmikrosondenanalyse oder einer Kombination dieser Methoden.
Wird eine Bestätigung der Zusammensetzung der mikroskopischen Kristallurie
gewünscht, kann es von Wert sein, durch Zentrifugieren einer entsprechenden
Urinmenge in einem spitzen Zentrifugenröhrchen zu versuchen, eine
große Kristallkugel zu erhalten. Deren Auswertung durch für
Harnsteinanalyse entwickelte quantitative Methoden liefert möglicherweise
bedeutsam Information über die mit Harnsteinen einhergehende Kristallurie.
Jedoch gibt die so bestimmte Kristallart vielleicht nur die äußere
Schicht des Harnsteins wider. Die folgende Diskussion über Harnkristalle
ist alphabetisch geordnet. Die Mineralzusammensetzung der Kristalle wurde
von einer oder mehr der folgenden Methoden bestätigt: Optische Kristallographie,
Röntgenpulverdiffraktometrie, Infrarotspektroskopie und Energiedispersive
Röntgenspektroskopie wenn nicht anders angegeben.
Bilirubin- Kristallurie
Bilirubin kann in Urin unter Bildung von gelbroten oder rötlichbraunen
Nadeln oder Körnern aus kristallisieren (Abb. 1 <hill03.htm>).
Bilirubin - Kristalle können in hoch konzentriertem Urin von klinisch
unauffälligen Hunden beobachtet werden. Wenn sie in großer Zahl
in Reihenharnproben gefunden werden, lässt das eine Störung des
Bilirubinstoffwechsels vermuten.
Kalziumkarbonat - Kristallurie
Kalziumkarbonat kann im Harn von Pferden, Kaninchen, Meerschweinchen
und Ziegen auskristallisieren und große, gelbbraune oder farblose
Kugeln mit radiären Streifen bilden, oder kleinere Kristalle mit runden,
eiförmigen oder hantelartigen Formen (Abb. 2 u. 3) <hill03.htm>.
Kalziumkarbonat - Kristalle sind nicht in Harn von Hunden oder Katzen gefunden
worden. Hantelförmige Kristalle, die in Hunde- oder Katzenharn gefunden
werden, sind mit größerer Wahrscheinlichkeit Kalziummonohydrat
als Kalziumkarbonat.
Kalziumoxalat - Kristallurie
Habitus
Kalziumoxalatdihydrat - Kristalle (Weddellit) sind normalerweise farblos
und
haben eine charakteristische achtflächige oder Briefumschlagsform
(Abb. 4-11) <hill03.htm>. Unter dem Lichtmikroskop ähneln sie kleinen
oder großen Quadraten, deren Ecken von sich kreuzenden Diagonalen
verbunden werden. Kalziumoxalat - Kristalle wurden in sauren, neutralen
und alkalischen Harnproben gefunden.
Kalziumoxalatmonohydrat - Kristalle (Whewellit) variieren in der Größe
und können Spindel -, Ei- (Hanfsamen-) oder Hantelform haben (Abb.
12) <hill04.htm>. Kalziumoxalatmonohydrat - Kristalle mit morphologischen
Charakteristika der Hippursäure wurden auch bei Hunden gefunden, besonders
bei Tieren mit Äthylenglykolvergiftung (Abb. 13-17) <hill05.htm>.
Sie lösen sich in Salzsäure, sind aber unlöslich in Essigsäure.
Sie können gemeinsam mit Kalziumoxalatdihydrat- und anderen Kristallarten
auftreten.
Interpretation
Kalziumoxalatdihydrat - Kristalle können bei klinisch unauffälligen
Hunden und Katzen auftreten, und bei Hunden und Katzen mit vorwiegend aus
Kalziumoxalat zusammengesetzten Harnsteinen. Obwohl sie bei mit Äthylenglykol
vergifteten Hunden beobachtet werden können, sind sie weniger häufig
als Kalziumoxalatmonohydrat - Kristalle. (Äthylenglykolvergiftung
kann auch ohne Kristallurie auftreten.) Kalziumoxalatmonohydrat - Kristalle
können allein oder in Verbindung mit Kalziumoxalatdihydrat - oder
anderen Kristallarten auftreten. Große Mengen von Kalziumoxalatmonohydrat-
(oder - dihydrat -) Kristallen in frischem Harn sollten zur Erwägung
von Hyperkalziurie oder Hyperoxalurie führen (wie z.B. Äthylenglykolvergiftung),
besonders wenn sie zusammengelagert auftreten oder sehr groß wachsen.
Kalziumphosphat - Kristallurie
Habitus
Es gibt viele verschiedene Arten von Kalziumphosphat - Kristallen.
Sie scheinen unterschiedlich beschrieben zu werden als amorphe Phosphate
und Kalziumphosphate. Mit Ausnahme von Bruschitneigen Kalziumphosphat -
Kristalle dazu, sich in alkalischem Urin zu bilden. Unter dem Lichtmikroskop
ähneln amorphe Phosphate den amorphen Uraten (Abb. 18-21 <hill05.htm>).
Jedoch bilden sich amorphe Phosphate typischerweise in alkalischem Urin
und lösen sich in Essigsäure. Dagegen haben Urate oft gelbes
körniges Aussehen und lösen sich nicht in Essigsäure, aber
in Laugen bei 60° C.
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von amorphen Phosphaten, die
in menschlichem Urin gefunden wurden, enthüllten, dass sie normalerweise
kugelig erscheinen, aber auch Ring- oder Gußform annehmen können.
Nur bei Hund en haben wir den kugelförmigen Habitus von Kalziumphosphat
beobachtet. Kalziumphosphat kann auch lange, dünne farblose Prismen
bilden, manchmal mit spitzem Ende. Diese Kristalle können sich zu
Rosetten zusammenlagern oder als Nadeln auftreten. Kalziumphosphat kann
auch als längliche lattenförmige Bruschitkristalle in saurem
Urin ausfallen (Abb. 22-23) <hill06.htm>. Es wurde erwogen, dass, wenn
Kalziumphosphat aus einer wässrigen hoch übersättigten Lösung
einem pH > 7 ausfällt, anfangs amorphen Kristalle auftreten. Der amorphe
Niederschlag kann sich durch Auflösung, Umsetzung und Kristallwachstum
langsam in einen stabilen kristallinen Niederschlag umwandeln. Die Geschwindigkeit
dieser Umwandlung ist pH-abhängig, weil die Stabilität amorpher
Phosphate bei hohem pH verstärkt wird.
Interpretation
Mit Vorsicht muß die Interpretation von amorphen Kristallen geschehen,
die unter dem Lichtmikroskop entdeckt wurden, da sie sich aus einer Vielzahl
von Kristallen bilden, einschließlich Kalziumphosphat, Ammoniumurat
und Xanthin. Nach unseren Erfahrungen wurden große Mengen von vermutlich
aus Kalziumphosphat bestehenden Kristallen beobachtet bei klinisch unauffälligen
Hunden, Hunden mit konstant alkalischem Urin, Hunden mit Kalziumphosphat-Harnsteinen
und Hunden mit Harnsteinen, die aus Kalziumphosphat und Kalziumoxalat gemischt
waren. Kleine Mengen von Kalziumphosphatkristallen können im Zusammenhang
mit infektionsbedingter Kristallurie auftreten.
Cholesterol - Kristallurie
Habitus
Cholesterolkristalle erscheinen typischerweise als große, flache
rechteckige Plättchen mit einer charakteristischen Eckkerbe
(Abb. 24) <hill06.htm>. Unter dem Lichtmikroskop sind sie farblos
und durchsichtig, unter dem Polarisationsmikroskop wird typischerweise
eine Vielzahl leuchtender Farben beobachtet.
Interpretation
Beim Menschen wurde beschrieben, dass Cholesterolkristalle mit ausgedehnten
Gewebsschäden einhergingen, mit dem nephrotischen Syndrom und Chylurie.
Tiermedizinische Erfahrung mit ihnen ist zu beschränkt, um bedeutungsvolle
Verallgemeinerungen zu formulieren. Jedenfalls wurden sie bei klinisch
unauffälligen Hunden beobachtet.
Zystin - Kristallurie
Habitus
Zystinkristalle sind farblos und haben eine charakteristische sechseckige
Form (Benzolring), mit gleichlangen oder ungleichlangen Seiten (Abb. 25-26)
<hill07.htm>.
Sie können einzeln auftreten, lagern sich aber meist zu Schichten
zusammen. Sie lassen sich leichter bei verminderter Lichtintensität
feststellen, denn sie sind dünn. Zystinkristalle bilden sich am häufigsten
in konzentriertem sauren Urin. Wenn deutlich alkalischer Urin als Folge
von Infektion oder Kontamination von urasebildenden Bakterien produziert
wird, kann dies zur Auflösung von Zystinkristallen führen. Der
Zusatz von Eisessigsäure mit anschließender Kühlung und
Zentrifugation kann die Entdeckung von typischen Kristallen in alkalischem
Urin fördern. Zystinkristalle sind unlöslich in Essigsäure,
Alkohol, Azeton, Äther und kochendem Wasser. Sie lösen sich in
Ammoniak und Salzsäure.
Interpretation
Zystinkristallurie ist kein unbedeutsamer Befund. Zystinsteine können
sich bei Hunden und Katzen mit der Stoffwechselstörung Zystinurie
entwickeln, jedoch bilden nicht alle Patienten mit Zystinurie Zystinharnsteine.
(Siehe auch Diskussion von Magnesiumphosphat - und Harnsäure- Kristallurie
bezüglich Einzelheiten über die Differenzierung von Zystinkristallen
von Struvit - oder Harnsäurekristallen).
Einige im Harn ausgeschiedenen Medikamente können Kristalle bilden.
Vielleicht die bekannteste medikamentenbedingte Kristallurie bei . Hunden
und Katzen ist die bei Sulfonamideinnahme auftretende. Sulfonamide können
im Urin in charakteristischen Bündeln von durchsichtigen oder bräunlichen
Nadeln ausfallen, gewöhnlich exzentrisch gebündelt (Abb. 27-29)
<hill07.htm>. Sie können auch als amorphe Kristalle oder Kugeln
mit radiärer Streifung erscheinen (Abb. 30 <hill07.htm>). Ein positiver
Lignintest bestärkt die Diagnose Sulfonamid - Kristallurie.
Bei Menschen zeigen Leuzinkristalle eine ernsthafte Lebererkrankung
an. Die Bedeutung von Leuzinkristallen bei Hunden ist bis jetzt nicht ausführlich
erforscht.
Magnesiumammoniumphosphat - Kristallurie
Habitus
Magnesiumammoniumphosphat- (Struvit-) Kristalle treten typischerweise
auf als farblose, orthorhombische (d.h. mit drei ungleichen Achsen, die
sich in rechten Winkeln überschneiden) sargähnliche Prisrnen.
Sie haben oft drei bis sechs oder mehr Seiten und haben oft stumpfe Enden
(Abb. 23-39) <hill06.htm>. Sechs- bis achtseitige Struvitkristalle bei
Katzen werden manchmal irrtümlich für Zystinkristalle gehalten
(Abb. 40-41) <hill09.htm>. Jedoch treten sie im Gegensatz zu Zystin
gemeinsam mit anderen Formen von Struvit auf und lösen sich umgehend
nach Ansäuerung mit verdünnter Essigsäure. Gelegentlich
lagern sich Struvitkristalle zu farnähnlichen Gebilden zusammen. Die
scharfen Umrisse von Struvitkristallen, die charakteristisch für frischen
Urin sind, im können während der Auflösung federartig oder
mottenzerfressen werden.
Interpretation
Struvitkristalle treten häufig bei Hunden und gelegentlich bei
Katzen, zusammen mit freiem Ammoniak auf, das bei der mikrobiellen von
Urease ausgelösten Hydrolyse von Harnstoff produziert wird. Struvitkristalle
treten häufig bei Katzen und gelegentlich bei Hunden in Abwesenheit
fest- stellbarer Urease auf. In diesem Fall wird die Ammoniakkomponente
des Struvits wahrscheinlich von der Nierentubuli erzeugt.
Zusammengesetzte Harnsteine, die variierende Mengen an Sulfonamiden
enthalten, wurden bei Hunden und Katzen gefunden. Andere Arten medikamentenbedingter
Kristallurie sind nur beim Menschen beschrieben. Röntgenkontrastmittel
wie Urografin® (Schering) und Uromiro® (Heyden) können im
Harn ausfallen als pleomorphe Nadeln, die einzeln oder in Bündeln
auftreten. Ampicillin kann in saurem Urin als dünne farblose Nadeln
ausfallen. Primidon kann als sechseckige Plättchen ausfallen, die
Kalziumoxalatmonohydrat ähneln. Ciprofloxazin kann in alkalischem
Urin als Bündel mit exzentrischer Bindung ausfallen.
Hippursäure - Kristallurie
Hippursäurekristalle sind farblose ländliche Gebilde von
wechselnder Größe. Sie haben gewöhnlich 6 Seiten, die mit
gerundeten Ecken verbunden sind. Sie haben erneutes Interesse in der Tiermedizin
geweckt wegen ihres anscheinenden Zusammenhanges mit Äthylenglykolvergiftungen
bei Hunden und Katzen. jedoch stellten sich in neueren Untersuchungen bei
Hunden und Katzen mit Äthylenglykolvergiftung mittels Röntgenpulverdiffraktometrie
heraus, dass die unter dem Lichtmikroskop für Hippursäure gehaltenen
Harnkristalle aus Kalziumoxalatmonohydrat bestanden. Echte Hippursäurekristalle
sind anscheinend bei Hunden und Katzen selten und daher ist ihre Bedeutung
unbekannt.
Leuzin- Kristallurie
Leuzinkristalle treten typischerweise als große gelbe oder braune
Kugeln mit radiärkonzentrischer Schichtung auf (Abb. 31) <hill08.htm>.
Jedoch bestehen solche Kugelgebilde vielleicht nicht aus reinem Leuzin,
da beschrieben wurde, dass reines Leuzin Kristalle bildet, die sechseckigen
Plättchen ähneln.
Nach unserer Erfahrung können Struvitkristalle beobachtet werden
bei Hunden und Katzen die 1. klinisch unauffällig sind, 2. infektionsbedingte
Struvitharnsteine haben, 3. sterile Struvitharnsteine haben, 4. Nichtstruvitharnsteine
haben, 5. Harnsteine mit Mischzusammensetzung haben (z.B. einen Kern aus
Kalziumoxalat mit einer Hülle aus Struvit) oder 6. Harnwegserkrankungen
ohne Harnsteine haben.
Tyrosin- Kristallurie
Tyrosinkristalle erscheinen als feine, stark lichtbrechende farblose
oder gelbe Nadeln, die zu Bündeln oder Haufen zusammengelagert sind
(Abb. 42) <hill09.htm>. Beim Menschen wurde ihr Auftreten bei schwerer
Lebererkrankung beschrieben. jedoch wurden sie nicht häufig bei Lebererkrankungen
von Hunden und Katzen beobachtet.
Urate: Ammonium - und amorphe Urat - Kristallurie
Habitus
Ammoniumurat- (auch Ammoniumbiurat genannt) Kristalle werden häufig
in leicht saurem, neutralem und alkalischem Urin beobachtet. Sie sind gewöhnlich
braun oder gelbbraun und können Kügelchen oder kugelartige Körper
bilden mit langen unregelmäßigen Vorsprüngen (sogenannte
Stechapfelform) (Abb.43-51) <hill10.htm>.
Natrium -, Kalium, Magnesium- und Kalziumuratsalze können in amorpher
Form in saurem Urin aus fallen (sogenannte amorphe Urate). Sie können
amorphen Phosphaten ähneln (Abb. 49) <hill11.htm>, lösen sich
aber in alkalischer Umgebung auf. Wenn die amorphen Kristalle wachsen (Abb.
47-51) <hill10.htm> entwickeln sie eine charakteristische gelbe oder
gelbbraune Farbe. Natriumurat kann auch als farblose oder gelbliche Nadeln
ausfallen oder als schlanke Prismen, die in Bündeln oder Haufen auftreten
(Abb. 52-56) <hill11.htm>.
Ammoniumurat- und amorphe Uratkristalle sind in Essigsäure nicht
löslich. jedoch führt der Zusatz von 1 0 %iger Essigsäure
zu Harnsediment, das diese Kristalle enthält, oft zum Auftreten von
Harnsäure- und manchmal Natriumurat - Kristallen. (Einzelheiten siehe
Diskussion von Harnsäure - Kristallurie.) Der Zusatz von Essigsäure
zu amorphen Phosphat -Kristallen führt zu ihrer schnellen Auflösung,
wohingegen sie in alkalischem Harnsediment bestehen bleiben.
Interpretation
Ammoniumurat und amorphe Urate können bei klinisch unauffälligen
Hunden und Katzen vorkommen, aber sie sind nicht häufig. Sie werden
oft beobachtet bei Hunden mit Pfortaderanoinalien mit oder ohne gleichzeitigen
Aminoniumuratsteinen. Sie werden auch häufig gefunden bei Dalmatimern,
Englischen Bulldoggen und anderen Hunden und Katzen mit Ammoniumurat -
Harnsteinen, die durch andere Erkrankungen als Pfortaderanomalien hervorgerufen
werden.
Harnsäure - Kristallurie
Habitus
Harnsäurekristalle sind oft gelb oder gelbbraun und können
in einer Vielzahl von Formen auftreten. Am typischsten sind diamantförmige
oder rhombische Plättchen, die konzentrische Ringe enthalten können
(Abb. 57-61) <hill12.htm>. Sie können auch als Rosetten auftreten,
die sich aus Zusammenlagerungen vieler Harnsäurekristalle zusammensetzen.
Gelegentlich bilden Harnsäurekristalle rhomboide Plättchen mit
einem oder mehr paarigen seitlichen Vorsprüngen (Abb. 62-63) <hill13.htm>.
Seltener erscheinen sie als sechsseitige Kristalle ähnlich Zystin.
Jedoch treten die sechsseitigen Kristalle gemeinsam mit typischer Diamant-
oder Rhombenform auf. Harnsäurekristalle sind in Natronlauge löslich,
aber unlöslich in Alkohol, Salz- und Essigsäure.
Interpretation
Obwohl bei Menschen häufig, ist natürlich auftretende Harnsäure
- Kristallurie bei Hunden und Katzen ungewöhnlich. Wenn festgestellt,
haben die Kristalle die gleiche Bedeutung wie für Ammonium- und amorphe
Urate beschrieben. Harnsäurekristalle bilden sich schnell nach Zugabe
von 10%iger Essigsäure in von Hunden und Katzen stammendes Harnsediment,
das amorphe Urat oder Ammoniumuratkristalle enthält. Auch Natriumuratkristalle
können auftreten. Oft ist es nötig, die Harnsäurekristalle
für 20-30 Minuten der Essigsäure auszusetzen, bevor sie sichtbar
werden. Sie können zu beachtlicher Größe anwachsen, wenn
sie über Nacht in einer bedeckten Petrischale aufbewahrt werden, die
mit einem in Wasser getränkten Schwamm befeuchtet wird.
Xanthin - Kristallurie
Xanthin kann in amorpher Form in saurem Urin ausfallen, besonders bei
Hund en und Katzen, denen Allopurinol verabreicht wurde. Amorphe Xanthinkristalle
ähneln amorphen Uratkristallen (Abb. 64-66) <hill13.htm>. Die Entdeckung
von Xanthinkristallen läßt die Verabreichung exzessiver Dosen
von Allopurinol vermuten, im Zusammenhang mit der Menge von Purinvorläufern
in der Nahrung. Beim Menschen wurde Xanthin - Kristallurie im Zusammenhang
mit erblicher Xanthinurie beschrieben.
Schlußfolgerung
Mineralien, die in Harn zur Ausscheidung kommen, bilden oft Kristalle
mit charakteristischem Aussehen, das bei ihrer Bestimmung hilft. Die Kenntnis
der Mineralzusammensetzung der Kristalle ist von diagnostischer, prognostischer
und therapeutischer Bedeutung. Jedoch gibt uns die mikroskopische Auswertung,
des Aussehens der Harnkristalle nur einen Anhalt für ihre Zusammensetzung
wegen der veränderlichen Bedingungen, die mit ihrer Bildung, Wachstum
und Auflösung verbunden sind. Endgültige Bestimmung der Kristallzusammensetzung
kann bestätigt werden durch Polarisationsmikroskopie, Röntgenpulverdiffraktometrie
und andere Methoden quantitativer Analyse.
TABELLE 1
Gemeinsame Charakteristika einiger Harnkristalle
pH-Wert am Ort des üblichen Vorkommens
KristallartAussehensauerneutralalkalischAmmoniumuratgelbbraune Kügelchen,
Stechapfelform+++Amorphe Urateamorphe oder kugelige gelbbraune Gebilde+±-Bilirubinrötlich-braune
Nadeln oder Körner+--Kalziumkarbonatgroße gelbbraune Kugeln
mit radiärer Streifung oder kleine Kristalle mit kugeligen ovalen
oder hantelähnlichen Formen-±+Kalziumoxalatdihydratkleine farblose
Briefumschläge (achtflächige Form)++±Kalziumoxalatmonohydratkleine
Spindeln, "Hanfsamen" oder Hanteln++±Kalziumphosphatamorphe oder
lange schmale Prismen±++Cholesterolflache farblose Plättchen
mit Eckkerbe++-Zystinflache farblose sechseckige Plättchen++±Hippursäurevier-
bis sechsseitige farblose längliche Plättchen oder Prismen mit
abgerundeten Ecken++±Leuzingelbbraune Kugeln mit radiärer und
konzentrischer Schichtung+--Magnesiumammonium -phosphat drei- bis sechsseitige
farblose Prismen±++Natriumuratfarblose oder gelbbraune Nadeln oder
schlanke Prismen, manchmal in Bündeln oder Haufen+±-SulfametabolitenNadelbündel
mit zentraler oder exzentrischer Bindung, manchmal fächerförmige
Haufen+±-Tyrosindünne farblose oder gelbe Nadeln, zu Bündeln
oder Rosetten geordnet+--Harnsäurediamant- oder rhombenförmige
Rosetten oder ovale Plättchen, Gebilde mit spitzen Enden gelegentlich
sechsseitige Plättchen+--Xanthinamorphe, kugelige oder eiförmige
Gebilde mit gelbbrauner Farbe+±-Es bedeuten: + = Kristalle treten
gewöhnlich bei diesem pH-Wert auf
± = Kristalle können bei diesem pH auftreten, sind aber
bei anderem pH häufiger
- = Kristalle sind bei diesem pH ungewöhnlich