Ein Anwender-Bericht für Praktiker

Den Entschluß, EDV in meiner Praxis einzusetzen, habe ich eigentlich nie bereut, auch wenn mal etwas nicht gleich auf Anhieb klappte. Zum Beispiel war es schon eine Umstellung, die Karteikarte komplett „elektronisch" zu führen. Ich bin damit aber schneller als früher, als ich alles handschriftlich gemacht habe. Zum Beispiel werden Medikamente per Kürzel oder direkt aus der Dauermedika-mentenliste des Patienten aufgerufen, automatisch im Krankenblatt dokumentiert, auf das Rezept gedruckt und für die Statistik zugänglich gemacht. Besonders deutlich empfinde ich die Zeitersparnis beim Wiederholungsrezept oder bei komplexen Rezepturen oder bei der Verordnung von physikalischen Anwendungen. Durch die integrierte Arztbrieffunktion kann ich dem Patienten sofort ein „Beratungsrezept" mit auf den Weg geben. Die hilft Arzneikosten zu senken, die Arzt-Patienten-Bindung zu erhöhen und den Therapieerfolg zu sichern. Ich setze ein bis drei Seiten umfassende Beratungstexte etwa bei Patienten mit Obstipation, Fettstoffwechselstörungen, Hypertonie, Magen-Darm-Störungen und so weiter ein.

Der Ausdruck erfolgt individualisiert mit dem Namen des Patienten innerhalb weniger Sekunden oder Minuten durch den Drucker im Anmeldebereich; die Helferin händigt den Text dann aus. Wahlweise kann ich den Text jedoch auch durch meinen Drucker im Sprechzimmer ausdrucken lassen. Hier kann ich ebenso Rezepte, Überweisungen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und anderes sofort ausdrucken. Die KV-Abrechnung läuft zur Zeit noch über Krankenscheinaufkleber, aber an dem Feldversuch der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinhessen (Mainz) mit Disketten-Abrechnung nehme ich seit dem 4. Quartal 1989 teil. Die Datenfernübertragung mit der Laborgemeinschaft wird wohl in Kürze realisiert, dann ist sichergestellt, daß keine Laborziffer mehr in der Abrechnung vergessen wird, Befunde können nicht mehr falsch zugeordnet werden, weil alles automatisch läuft. Durch das Betriebssystem TB/OS sind die Programme nach meinen Vergleichen etwa drei- bis viermal schneller als UNIX oder XENIX. Diese brauchen etwa drei bis vier MB RAM,TB/OS nur ein Viertel, was sich in größerer Schnelligkeit und geringeren Kosten niederschlägt. Preislich liegt meine Lösung auf dem Niveau der Mitbewerber, ist allerdings nicht an den Kauf (überteuerter) Marken-Geräte gebunden, bei der der Name oft mitbezahlt werden muß. Ich habe bei einem Mainzer Computer-Haus die komplette Hardware preisgünstig gekauft und bin sehr zufrieden: Schneller Rechner, 100 Prozent kompatibel, Wangtek-Streamer, Epson-Drucker und Qume-Terminals. Meine Helferinnen und ich haben die von Adamed mitgelieferten umfangreichen Medikamente-, Diagnosen-, Befund, Rezepturen-, Krankenkassen- und Textdateien enorm erweitert und ich möchte sie allen interessierten Kollegen gerne zum Kopieren anbieten. Erfaßt wurden fast alle gängigen Diagnosen und Medikamente einer Allgemeinpraxis, viele mit Eingabe von Kontraindikationen und Wechselwirkungen, einige hundert Rezepturen (EKG, physikalische Therapie, phytotherapeutische Rezepturen) und mehr als 100 Adressen von Selbsthilfegruppen und Organisationen, die ich sehr einfach abrufen kann.

Auf Tastendruck zeigt das Programm in Frage kommende Medikamente zu bestimmten Diagnosen an. Die Zuordnung kann man selbst anlegen und beliebig abändern oder löschen. Sämtliche Krankenkassen für die südwestdeutsche Region sind erfaßt, einschließlich der wichtigen fünfstelligen normierten Kassennummer, ohne die keine korrekte Disketten-KV-Abrechnung möglich ist. Ich rate, nicht alle rund 1200 deutschen Krankenkassen zu speichern, weil dies die Reaktionszeit des Systems belastet und Speicherplatz raubt.

Viele mitgelieferten und von mir entworfenen Befundmasken erleichtern die Arbeit und erfüllen die Auflagen an die Dokumentationspflicht von bestimmten Leistungen. Da nach dem Eintrag einer bestimmten Leistung automatisch (Prüf-)Diagnosen zur Übernahme vom System angeboten werden und die passende Befundmarke auf dem Bildschirm zum Ausfüllen erscheint, wird jetzt nur noch selten „KV-relevantes" vergessen. Ein On-Line-Informationssystem bringt auf Tastendruck alle relevanten Informationen zur Labordiagnostik: Etwa „Hypertonie" oder „Unklares Fieber" oder „Carditis" oder zu Phytotherapeutika wie Johanniskraut oder Arnika. Ich habe auch einige tausend Phytotherapeutika und Homöopathika gespeichert und den entsprechenden Indikationen zugeordnet. Auf Knopfdruck erscheinen sie zur Auswahl am Bildschirm, drei bis vier weitere Tastendrucke übertragen sie ins Krankenblatt und auf das Rezept. Rund 400 Akupunkturpunkte sind mit Kurzbeschreibungen ihrer Lage abrufbar. Gängige „Akupunktur-Rezepte" für häufige Krankheitsbilder können sofort eingeblendet und im Krankenblatt dokumentiert werden. Da zeigt sich die enorme Flexibilität des Programmes, das ja für Akupunkturanwendungen nicht konzipiert war. Ohne jede Programmierkenntnisse konnte ich es meinen Anforderungen gezielt anpassen. So entstand die wohl größte biologisch-naturheilkundliche Datenbank für eine Arztpraxis-Software, die voll integriert ist im Alltagsbetrieb. Im Computer habe ich auch „Diagnosis" installiert, zur Zeit die wohl mächtigste, umfangreichste und preiswerteste medizinische Datenbank für den „Hausgebrauch". Ein (kostenloses) Prüfprogramm der KBV sorgt dafür, daß ich nur komplett fehlerfreie Disketten zur KV-Quartalsabrechnung gebe. Per BTX kann ich Kontakt zu Europas größter medizinischen Datenbank „DIMDI" in Köln aufnehmen und Daten im Computer zum Speichern oder Ausdrucken übernehmen. BTX bietet jetzt auch den Zugang zum Mailbox- und Telefax-Dienst.

Dieter Wettig prakt. Arzt Bahnhofstraße 13 6500 Mainz

A-1566 (104) Dt. Ärztebl. 87, Heft 19, 10. Mai 1990