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Ein kurzer Text über Rhetorik und Werbung

(2003; Neufassung 2004)
Uta Mommert

Rhetorik und Werbung

Daß der Mensch mit Sprache nicht nur Informationen austauscht, sondern soziale Aktivitäten ausführt, ist nicht neu. Sprache verführt, überzeugt, beeinflußt, warnt – nichts, was sie nicht vermag. Und so verwundert es nicht, daß sich schon vor Zeiten die Kunst herausgebildet hat, optimal mit Sprache umzugehen – die Rhetorik. Und was ist mit Werbung? Versucht nicht auch sie, den Adressaten zu überzeugen, indem sie Sprache einsetzt? Ist Werbung also nicht mehr und nicht weniger als eine Kunstform, deren Wurzeln weit in die Vergangenheit hineinreichen?

Jedoch steht auch die klassische Redekunst nicht unbescholten da – auch ihr Nutzen wurde immer wieder in Frage gestellt. So wurde die Rhetorik immer wieder als substanzlose Manipulation der Sprache – und damit der Menschen – verurteilt. Schon Sokrates warf den Sophisten vor, die Manipulationskraft der Redekunst zu ihrem eigenen Gewinn auszunutzen. Andererseits jedoch betrachtet man sie als unentbehrliches Mittel der wirksamen Wissens- und Informationsvermittlung.
Und Werbung? Man definiert sie als persuasive Information, die zum Erwerb einer Ware oder einer Dienstleistung verleiten soll. Somit könnte Werbung wohl als die jüngste und auffälligste Form der Rhetorik betrachtet werden. In der Rhetorik ist die wichtigste Aufgabe des Redners, die Zustimmung des Publikums zu erreichen – nicht anders als in jeder Anzeige.

Die Aufteilung einer Anzeige ähnelt häufig der Dreiteilung der klassischen Rede: Sie beginnt mit einem Clincher, der die Aufmerksamkeit des Empfängers auf sich ziehen und ihn zum Weiterlesen, -hören oder -sehen animieren soll, fährt fort mit der Produktreferenz oder -information und endet mit der wichtigsten Information – dem Namen des Produktes. Die Nennung des Namens geschieht meistens in Verbindung mit einem Slogan, der wiederum ein wichtiges Merkmal des Produktes rekapituliert und betont, oder sich affektiv an den potentiellen Käufer wendet. Auch die drei grundsätzlichen Funktionen der Rede finden sich in der Werbung – wie in der klassischen Rhetorik – wieder: Die Anzeige soll belehren, indem sie den Empfänger über das Produkt informiert, sie soll bewegen, indem sie an die Gefühle des Empfängers appelliert und ihn zum Erwerb anregt, und sie soll ergötzen, indem sie seine Sinne erfreut. Letzteres wird besonders deutlich, beachtet man die häufi-ge Verwendung von Humor, Musik oder Bildern. Hier wie dort wird der Text gern mit rhetorischen Figuren und Tropen ausgeschmückt – das spricht an, weckt Interesse, bringt eventuell gar zum Lachen.

Man kann es der Werbung nicht zum Vorwurf machen, daß sie sich die Regeln der Rhetorik zunutze macht – schließlich steht dies jedem frei, dem begnadeten Redner wie auch dem Werbetexter. Denn vom “hehren Ziel” kann es wohl nicht abhängig gemacht werden, wer gute Überzeugungsarbeit leistet und wer nur manipuliert. Und was auch angeboten wird, Werbung verspricht immer Vorteile für den Käufer.

So abwegig es nun wäre, zu behaupten, dass die klassische Redekunst und die moderne Werbung zwei voneinander unabhängige Systeme sind, so zu kurz gegriffen wäre es, Werbung lediglich als die logisch-historische Fortführung der Rhetorik aufzufassen. Trotz aller Übereinstimmungen zwischen diesen beiden Systemen scheint die sinnvollste Schlussfolgerung die, dass die antike appellative Rede und die ‘Werberede’ zwei verschiedene Unterformen im Rhetorikdiskurs sind, welche eben aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu derselben Diskursklasse ähnlichen Gesetzmäßigkeiten gehorchen.


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