Jim Jarmusch beantwortet Fragen seinen Film "Dead Man"
betreffend
Warum
in Schwarzweiss?
Dead Man war von Anfang an als
Schwarzweissfilm geplant. Es gibt verschiedene Gründe für diesen
Entscheid. Der erste war, dass der Film von einem Mann handelt, der eine
Reise erlebt, die ihn weit vom Gewohnten wegträgt. Farbe - besonders in
Landschaften - verbinden wir mit gewohnten Dingen in ihrer gewöhnlichen
Wahrnehmbarkeit, und dies würde dem grundlegenden Gedanken des Inhaltes
zuwiderlaufen.
Ein weiterer Grund ist, dass Dead Man
im 19. Jahrhundert spielt: Indem allzuviel Bildinformation fehlt (die
durch Farbe vermittelt würde) wird eine historische Distanz gewonnen; ein
Einfühlen in Ereignisse und Orte wird so erschwert.
Ebenso ist ein Grund für die
Verwendung von Schwarzweiss, dass seit den 50er-Jahren praktisch alle
Western in immer wieder derselben staubartigen Farbpalette gedreht worden
sind. Ob es sich um einen Film von Leone oder Eastwood oder um die
Fernsehserie "Bonanza" handelte, immer schienen mir die Farben
dieselben. Auch wenn diese Farbgebung den halb- oder unterbewussten
Erwartungen des Publikums entsprechen, bevorzugte ich Schwarzweiss für
Dead Man, das an die Atmosphäre der amerikanischen Filme der 40er und
50er Jahre oder an historische Filme von Kurosawa und Mizoguchi erinnert.
Und
schliesslich und nicht zuletzt wollte ich wiederum mit Robby Muller
zusammen in Schwarzweiss arbeiten. Wie immer photographierte Robby den
Film wunderbar und bearbeitete die Negative so, dass alle Grautöne
erhalten blieben, während das Schwarz und das Weiss hart blieben.
Warum
einen Western?
Der Western als Genre ist für
Metaphorik sehr offen und hat tiefe Wurzeln in klassischen Erzählformen.
Western
enthalten oft Reisen in unbekannte Gegenden und sind oft über
traditionelle Themen gebildet, wie etwa Vergeltung, Erlösung oder Tragödie.
Die Offenheit der Form und die feste Verbindung mit "Amerika" im
weitesten Sinne hat es mir angetan. Ich muss allerdings zugeben, Dead Man
ist kein traditioneller Western - das Genre wurde nur als Ausgangspunkt
benutzt.
Warum
einen Film über den Tod?
Der Tod
ist die einzige Gewissheit im Leben und ist zugleich das grösste
Mysterium. Für Bill Blake steht die Reise des dead man für sein Leben. Für
Niemand ist die Reise eine fortschreitende Zeremonie, deren Zweck es ist,
Blake der geistigen Sphäre der Welt zurückzugeben. Für ihn wurde
Blake's Geist aus seinem angestammten Ort entfernt und irgendwie in den
physischen Bereich zurückgebracht. Niemands nichtwestliche Perspektive -
dass das Leben ein unendlicher Kreis ist - ist zentral für die Geschichte
von Dead Man.
Warum
William Blake?
William
Blake war ein visionärer englischer Dichter, Maler, Buchdrucker und
Erfinder. Sein Werk war revolutionär, und er wurde für seine Ideen
eingesperrt. Ich kann ehrlich gesagt keinen konkreten Grund nennen, warum
er in mein Drehbuch Eingang gefunden hat, ausser etwa, dass mir, während
der Lektüre von Werken von Indianern über indianische Denkweise,
auffiel, dass viele von Blakes Ideen und Texte klingen, als seien sie der
Seele eines Indianers entsprungen. Dies trifft vor allem auf Blakes "Proverbs
from Hell" zu, aber auch auf andere Stellen in seinen Dichtungen,
welche von Niemand während des Films zitiert werden.
Aus
welchem Stamm ist Niemand und welche Sprache spricht er?
Seine
Herkunft ist gemischt - er ist halb "Blood" und halb "Blackfoot".
Diese Stämme gehören zu den Prärieindianern aus den grossen Prärien
der nord- und zentralwestlichen Teile Nordamerikas. Trotzdem ist Niemand
eine unübliche Person - er ist ein Sprachenkenner, der im Verlauf des
Films "Blackfoot", "Cree", "Makah" und
Englisch spricht.
Hatten
Sie die Musik von Neil Young im Kopf, während der Film gedreht wurde?
Ich bin seit vielen Jahren ein Fan
von Neil Young und ich hörte dauernd "Neil and Crazy Horse" während
ich das Drehbuch zu Dead Man schrieb. Wahrend der Dreharbeiten (und während
aller damit zusammenhängenden Reisen) hörten wir ebenso seine Musik.
Crazy Horse trat eben in Sedona, Arizona auf, während wir dort drehten,
und viele Mitglieder unserer Crew waren am Konzert. Ganz vom Anfang des
Projektes an hofften wir, dass Neil Young die Musik zum Film machen würde,
doch ich war nicht sehr zuversichtlich, dass es wirklich klappen würde.
Als Neil eine frühe Version des Films gesehen hatte und seine Mitarbeit
zusagte, war ich sehr begeistert. (Ich muss dies auch Jay Rabinowitz, dem
Editor, zuschreiben, der einige Sequenzen des Films zu instrumentalen
Teilen von Neils bereits existierenden Songs geschnitten hatte, als
Beispiel dafür, wie die Musik zum Film passen würde.)
Neil spielt bei Gelegenheit Orgel, verstimmtes Klavier und
akustische Gitarre, aber die meiste Zeit die elektrische Gitarre. Was er
dem Film beigefügt hat, ist, ihn auf eine andere Ebene zu heben, indem
sich die Seele der Geschichte mit Neils musikalischer Gefühlsreaktion auf
den Film verschränkt - er erlangte tiefe Orte in sich drin, um eine solch
starke Musik für unsern Film zu gestalten.