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Das große Prisma-Interview:

Harald Schmidt über seine Rolle als Markenartikel, seine ultimativen Ziele am Burgtheater und seine Angst vor dem Publikum


Schmidts Traum: Einmal das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker dirigieren
Prisma: Herr Schmidt, Sie gehen hart auf die 750. Sendung zu. Macht es eigentlich noch Spaß, jeden Abend auf Ihrer roten Bühne zu stehen?
Harald Schmidt: Ja, selbstverständlich. Immer mehr. Ich bin ja jetzt in so einer amerikanischen Phase. Am 5. Dezember 2000 laufen wir fünf Jahre, und das nennt man dann amerikanische Dimension. Anfangen mit Late Night kann jeder mal, ein, zwei Jährchen. Aber fünf Jahre, 750, 800, nächstes Jahr im Herbst ist die 1000. Sendung. Dann kriegt man schon ein Gefühl dafür, was Late Night wirklich ist.

Prisma: Das heißt: Gottschalk und Koschwitz waren eigentlich nie amerikanisch.
Schmidt: Nicht was Late Night angeht, ja. Late Night ist ja eine uramerikanische Form. Das Mindeste sind fünf Jahre und 1000 Sendungen. Danach fängt es eigentlich erst an. Das muss man erstmal hinter sich gebracht haben. Wissen Sie, als wir angefangen haben, da gab es noch Lothar Matthäus und Mario Basler und Dieter Bohlen und Verona Feldbusch. Das sind ja alles Themen, die mittlerweile durch sind. Da hat sich in den vier Jahren sehr viel getan. In der Art, wie sich Prominente in der Öffentlichkeit aufführen und wie sie mit der Boulevardpresse umgehen. Das ist auch für den "Express" ein Thema. Die haben ja überhaupt nichts mehr. Die machen nur noch Bingo oder "Hilfe, Prinz in Düsseldorf!" auf der Titelseite. Die Journalisten fotografieren sich schon gegenseitig. Hinzu kommt, dass generell mehr Ironie in der Öffentlichkeit angesagt ist. Jemand wie Olli Kahn lässt mittlerweile allen Angriffen die Luft raus, indem er sagt, dass er über die Witze, die über ihn gemacht werden, lachen kann. Aber in den vier Jahren gab es auch den Kosovo-Krieg, Flugzeugabstürze, Galtür und, und, und. Also Phasen, in denen sich thematisch überhaupt nichts anbietet. Und da wird es für uns ja erst interessant. Wenn Ernst August mal wieder den Schirm auspackt, ist es ein einfacher Tag. Aber den haben wir vielleicht zwanzig Mal im Jahr bei 170 Sendungen.

Prisma: Hat die 750. Sendung ein ganz anderes Gesicht als Ihre allererste?
Schmidt: Ich glaube, es ist letztenendes klarer geworden. Man hat sich die Sendung vielmehr eingeteilt. Ich denke da, wie ein erfahrener Marathon-Läufer. Am Anfang machen Sie das Tempo zu schnell oder Sie glauben, die letzten zwanzig Kilometer werden leichter, oder Sie lassen sich verführen, bei einem Ausreißversuch nach 15 Kilometern mitzugehen. Mittlerweile habe ich die Sendung so intus, dass ich zeitlich sagen kann, wo wir sind, ohne auf die Uhr zu schauen. Das ist ganz wichtig. Es gibt Gäste, wo ich weiß: Wenn Günther Jauch kommt, wird's ein sehr, sehr einfacher Abend für mich. Dann gibt es andere Gäste - das ist die Mehrzahl -, bei denen weiß ich, dass ich für sie ein bisschen Tempo machen muss. Das macht mir wirklich großen Spaß, sich das so physisch einzuteilen. Man geht aber jeden Abend mit der vollen Energie ran.

Prisma: Sie haben gerade Ihre Gäste erwähnt. Nachdem bekannt wurde, dass Schmidt seine Sendung selber produziert, hat man auf bessere, hochkarätigere Gäste gehofft, auf Hollywood-Stars. Wo sind die?
Schmidt: Kann ich Ihnen erklären. Schauspieler, die ich kniend verehre, wie Gérard Depardieu: Quotenflop! Wie haben die besseren Gäste. Bessere Gäste heißt für mich bessere Quote. Es funktioniert alles nicht, was übersetzt werden muss. Es ist deprimierend, dass Gäste, die gedolmetscht werden müssen, überhaupt nichts bringen. Wir hatten sie alle da: Deneuve, Tom Hanks, die ganzen Topmodels, Delon, was weiß ich. Die kriegen Sie ja auch immer angeboten. Ich finde zum Beispiel Isabelle Adjani ganz grandios. Die würde ich aber nie einladen. Man darf sich nicht täuschen, wieviele Leute letztendlich wissen, wer Adjani oder Hanks ist. Das muss man sich mal klar machen. Man redet ja eigentlich immer in einem Medienzirkel. Da kennt jeder Tom Hanks und auch noch drei Filme von ihm, und ein paar wissen, für welche er die Oscars gekriegt hat. Aber in der Show müssen Sie sagen: Hanks war der, der Forrest Gump gemacht hat. Der beste Gast ist ein VIVA-Girlie, das gerade aus dem Eis-Café weg engagiert wurde.

Prisma: Das ist aber dürftig.
Schmidt: Nein, wieso. Wir sind mit der Show im Bewusstsein immer ein Jahr der veröffentlichten Meinung im voraus. Wir wissen längst, was ankommt und was nicht. Schauen Sie hier. Das sind die Quoten von gestern. Minutiös können Sie sehen, ob ein Gast gut ist oder nicht. Wir sehen das als Geschäftsleute. Ich kann Ihnen eine ganz genaue Liste der besten 50 Gäste deutscher Talk-Shows aufstellen. Die stimmt einfach. Warum sollte ich einen Gast nehmen, der einfach nichts bringt? Und bei diesen ganzen Models hören Sie erstmal eines: Die wollen 20000 Dollar und nicht nach ihrem aktuellen Lover gefragt werden.

Prisma: Die 20000 könnten Sie aber locker bezahlen.
Schmidt: In einem gewissen Rahmen könnten wir das bezahlen. Und ich würde es auch bezahlen, wenn ich wüsste, dass es Quote bringt. Unser Job ist es aber, Gäste zu erfinden. Wir hatten die meisten dreimal da. Ich kann Ihnen auch eine Liste vorlegen mit Gästen, die einfach nichts mehr bringen. Das mach ich aber nicht. Denn die werden alle von einer Agentur vertreten, wo auch Gäste sind, die gut sind. Also, ich muss da sehr diplomatisch denken. Wir brauchen ja 340 Gäste im Jahr.

Prisma: Und Sie würden sich nicht mal einen persönlichen Wunsch erfüllen und Robert De Niro an Ihren Schreibtisch bitten?
Schmidt: Doch. Das ist völlig klar. Auch Regisseur Martin Scorsese würde hier natürlich sitzen, auch wenn nur noch ein Zuschauer dabei wäre. Es gibt eine Reihe von Prominenten, über die man gar nicht diskutieren braucht: Die würden kommen.

Prisma: Sie mussten ja zu Beginn Ihrer Show sehr viel Prügel einstecken. Vieles hätten Sie aus Amerika abgekupfert...
Schmidt: Alles.

Prisma: Alles sogar. Haben Sie sich mittlerweile eine eigene Identität erschaffen können? Ist der Name "Schmidt" vor der "Show" mittlerweile gerechtfertigt?
Schmidt: Ja, definitiv. Da bin ich mir absolut sicher. Wir haben halt damit angefangen, das Format aus Amerika zu übernehmen. Aber mittlerweile sind wir was ganz eigenständiges. Die Prügel gehörten einfach dazu.

Prisma: Gab es irgendwann mal einen Punkt, an dem Sie gesagt haben: "Ich höre auf!"?
Schmidt: Nein, nie. Warum sollte ich? Das ist doch ganz einfach. Ich zeichne die Sendung auf, und der Sender strahlt sie aus. Alles andere ist letztenendes Girlande. Das ist so ähnlich wie bei einem Spitzenpolitiker. Solange Sie nicht abgewählt werden oder zurücktreten, machen Sie weiter. Kohl hat 16 Jahre lang weggesteckt, was in der Presse über ihn gestanden hat.

Prisma: Kohl hat ja mal gesagt: "Was schert sich eine Eiche, wenn sich eine Sau dran reibt".
Schmidt: Das hat er von Shakespeare. Das habe ich zufällig mal gelesen.

Prisma: Aus welchem Drama?
Schmidt: Ich glaube, King Lear. Bin ich mir aber nicht sicher. Aber dieses Zitat würde ich öffentlich nie sagen. Das könnte einem ja als Arroganz ausgelegt werden. Aber heimlich denke ich's natürlich.

Prisma: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie Medienschelte bekommen? Zuletzt beispielsweise im Stern. Ich zitiere: "Die Schmidt-Show ist so vorhersehbar wie eine Jeckensitzung" oder es ist die Rede von einer "humoristischen Komepetenz einer Abendveranstaltung von Robinson-Club-Animateuren".
Schmidt: Wissen Sie, das gehört zum Geschäft. Das habe ich ungefähr zweimal pro Jahr. Und ich versuche immer abzuschätzen, in welcher Phase das kommt. Kommt's in einer Phase, in der wir gerade mal ein bisschen rackern müssen. Oder kommt es in einer Phase, in der wir einen guten Lauf haben.

Prisma: Lassen sowas an sich ran oder sagen Sie sich: Hier will der Journalist nur seinen Neid gegenüber Schmidt ablassen?
Schmidt: Für mich geht's eigentlich immer nur darum, meinen Marktwert abzuchecken. Was ich in solchen Fällen nie mache, ist, darauf zu reagieren. Das wäre das Ulla-Kock-am-Brinck-Syndrom.

Prisma: Das müssen Sie erklären.
Schmidt: Ja, das heißt, versuchen, Sachen in der Öffentlichkeit klarzustellen: "Da habt Ihr mich falsch verstanden. Oder: Soll ich mal für Euch kochen?" Für mich gilt das Prinzip von Prinz Charles: "Never explain, never complain". Es ist doch völlig Okay, was geschrieben wird, weil ich doch sowieso am längeren Hebel sitze. Außerdem: Wenn man von außen angegriffen wird, geht immer ein positiver Ruck durchs Team. Und: Ich spare mir viele tausend Mark für einen Unternehmensberater.

Prisma: Wie sieht denn Ihre Mediennutzung aus. Hier liegt beispielsweise der Wirtschaftsteil der Süddeutschen vor Ihnen...?
Schmidt: Ja, FAZ, Feuilleton, Wirtschaftsteil, Seite Drei, alles nach demselben Schema.

Prisma: Lesen Sie dann nur mit beruflichem Auge oder auch privat?
Schmidt: Natürlich auch privat. Ich fahre im Urlaub 15 Kilometer, um mir FAZ und SZ zu kaufen, an dem einzigen Kiosk, der sie hat. Aber ich stelle mittlerweile fest, dass mich nicht mehr wirklich interessiert, was eigentlich in der Welt passiert, sondern der Aspekt der Nutzung für die Sendung. Reine Verwertung. Und ich lese nichts lieber als die Hinrichtung von Kollegen.

Prisma: Weil Sie dann weniger Konkurrenz haben.
Schmidt: Nein. Weil ich mir sage: "Der braucht's mal wieder. Gebt's ihm!" Deshalb darf ich mich auch nicht beschweren, wenn ich selber mal dran bin.

Prisma: Interessiert es Sie noch, ob über Sie wieder mal was in den Zeitungen steht?
Schmidt: Ja. Da habe ich inzwischen die Höchstform der Eitelkeit erreicht. Ich kucke nicht mehr in den Fernsehkritiken, ob mein Name auftaucht, sondern in welchen Artikeln im Wirtschaftsteil das der Fall ist. Das passiert ja immer häufiger: "...auch die Harald-Schmidt-Show nahm darauf Bezug..." Wenn Sie also in Artikeln stattfinden, die gar nichts mehr mit Ihrer Branche zu tun haben, dann ist das schon schön.

Prisma: Eine Art Adelung im ökonomischen Ressort.
Schmidt: Ja, genau. Oder anderes Beispiel. Wenn Götz Alsmann ein Interview gibt, dann kucke ich, wie oft meine Name drin vorkommt. Dass ich erwähnt werde, setze ich voraus. Wichtig ist auch, ob ich in der Überschrift stattfinde: "Götz Alsmann über Schmidt, seine Programme und sich".

Prisma: Das liegt auch daran, weil Sie schon so eine Art Markenartikel sind.
Schmidt: Ja, ja. Ich habe sozusagen die Nische des Dirty Harry besetzt.

Prisma: Der Dirty Harry, der sich im verschwitzten Unterhemd rasiert und seine Bartstoppeln aufs Brot streut, sind Sie ja nicht mehr.
Schmidt: Ganz genau. Aber das ist das, was ich mit vorausschauendem Planen meine. Wir werden eines Tages die Sendung sein, die man sich als einzige geschmacklich zumuten kann. Soweit wird es kommen. Es dauert noch ein paar Jährchen. Das ist ganz spannend. Ich sehe mich ja auch gar nicht mehr als einen Teil des Fernsehens. Wir machen da halt unser eigenes Ding. Das ist ein unglaubliches Privileg. Wir befinden uns fast im rechtsfreien Raum. Wer hat schon jeden Tag die Gelegenheit, seine eigene Meinung unters Volk zu bringen.

Prisma: Sie haben mal gesagt, dass Sie sich mittlerweile als Intellektuellen sehen, weil um Sie herum das Niveau sinkt. Sehen Sie Ihre Show auch als eine Oase des Intellekts?
Schmidt: Nein, das lass ich nur immer so ein bisschen raushängen.

Prisma: Wir haben eben den Markenartikel Schmidt angesprochen. Ein Markenartikel muss immer gleich sein. Und Veränderungen sind sehr schwierig.
Schmidt: Die wären sogar tödlich, ja. Die Formel heißt: "Persil bleibt Persil".

Prisma: Und Schmidt bleibt Schmidt.
Schmidt: Selbstverständlich. Warum sollte Coca Cola sagen: "Wir machen die Cola ein bisschen heller"? Es hat lange genug gebraucht, um Coca Cola zu werden.

Prisma: Das heißt: Was können Sie sich als Markenartikel Schmidt nicht leisten?
Schmidt: Nein, das ist ja das Schöne. Das spielt ja keine Rolle. Wenn ich einen Gast frage: "Wollen Sie einen Schluck Wasser?", glauben die Leute ja immer: "Schöne Gemeinheit".

Prisma: Kann man sich denn als Marke überhaupt noch wohlfühlen?
Schmidt: Ja, davon lebe ich ja. Sie müssen ja sehen, dass das Fernsehgeschäft unglaublich ausgeufert ist. Viele Sendungen, viele Sender. Wenn Sie aber jemanden fragen: "Wer ist Schmidt", dann werden Sie fast von jedem eine Meinung dazu bekommen. Ob die positiv ist oder negativ, ist erstmal zweitrangig.

Prisma: Die Marke Schmidt muss aber gehörig aufpassen, für welche Marke sie selbst Werbung macht.
Schmidt: Ich meine, für die meisten Produkte würde ich überhaupt keine Werbung machen. Weil's mir einfach zu poplig ist. Auch das ist ja eine Frage der Eitelkeit. Das muss immer die erste Garnitur sein. Es muss die Größenordnung des Produkts stimmen. Am liebsten ist mir ein Weltkonzern als Marktführer. In der Größernordnung sehe ich mich ja auch . Wie wird die Überschrift Ihres Artikels lauten? "Der Demütige", oder?. Und die zweite Sache ist das Geld. Es geht nicht darum, die letzten 50 Mark herauszuholen, sondern darum, sich nicht den Preis kaputtzumachen. Wenn Sie einmal anfangen, in eine Vorabend-Star-Kategorie zu gehen, dann können Sie das beim zweiten Mal nicht mehr wieder hochziehen.

Prisma: Thema: Image. Früher wusste man über Schmidt relativ wenig. Neuerdings erfährt man in Ihrer Show immer mehr Mosaiksteinchen aus Ihrem Leben, die sich zu einem Bild "Schmidt" zusammenfügen. Ist das eine Strategie?
Schmidt: Es ist zum einen Strategie. Und es ist zum anderen so eine Art Selbsttherapie. Wenn ich zum Beispiel den Gast frage: "Stehst Du nachts auf, weil Dein Kind schreit?", dann kann ich schlecht sagen: "Ich möchte nicht drüber sprechen!", wenn der Gast mich fragt, ob ich das denn mache. Und es entsteht - wie Sie sagen - ein Bild. Aber dieses Bild kann ich beeinflussen. Ich bestimme, was gesagt wird. Und ich bestimme auch, inwieweit dieses Bild entsteht. Und ich sage es ja in der Sendung, nicht in einer Homestory.

Prisma: Eine Homestory würden Sie doch nie machen.
Schmidt: Nein, definitiv nicht. Wozu?

Prisma: Anfragen gibt's doch bestimmt.
Schmidt: Natürlich. Auch Drohungen. Man versucht, mir Deals anzubieten: "Ihre Quoten sind ja gerade nicht so toll. Da brauchen Sie doch jetzt mal eine große Geschichte." Und da sage ich: "Ne, Irrtum!" "Ja, wieso nicht?" "Das ist doch ganz einfach", sage ich dann, "ich zeichne auf, SAT.1 sendet es und überweist. Wo fehlt in dieser Kette eine Homestory?" Es ist also relativ einfach einzusehen, dass eine Homestory gar nichts bringt. Um so mehr sagen dann Journalisten: "Aber in Ihrer Sendung sagen Sie doch auch private Sachen!" Ja, da ist es aber Material. Und am nächsten Tag behaupte ich das Gegenteil.

Prisma: Sie spielen damit.
Schmidt: Genau. Mal sage ich, dass ich spüle. Mal sage ich, dass ich eine Spülmaschine habe. Dann habe ich plötzlich eine Allergie. Wie es halt gerade gebraucht wird.

Prisma: Die Zuschauer glauben also nur, Schmidt zu kennen. Der wahre Schmidt bleibt Ihnen weiterhin verborgen.
Schmidt: Wer weiß das schon, was man wirklich ist. Es geht ja nur darum: Cola gibt's in Büchsen und in Flaschen. Und auch als Bärchen. Es geht für die Zuschauer einfach darum: "Can't beat the feeling!" . Ich bin halt eine Fernsehfigur. Da kann jeder reininterpretiern, was er will.

Prisma: Diese Fernsehfigur werden Sie privat ja nicht sein. Was passiert nach der Show? Sie setzen sich abends um sieben in Ihr Auto und fahren nach Hause?
Schmidt: Ja, ich fahre sofort nach Hause.

Prisma: Was fahren Sie für einen Wagen?
Schmidt: Einen Audi A8, als wirtschaftlich günstiges Modell des Firmen-Leasings. Ich habe aber auch einen Kombi. Damit fahre ich zum Beispiel zum Getränkemarkt.

Prisma: Um Coca Cola in Flaschen oder in Dosen zu kaufen.
Schmidt: Ne, Mineralwasser, wo es preislich am günstigsten ist.

Prisma: Welches ist das momentan.
Schmidt: Das sage ich nicht. Wenn ich eine Firma nenne, dann soll die auch dafür bezahlen.

Prisma: Kriegen Sie zu Hause den Show-Schmidt schnell aus dem Kopf?
Schmidt: Ja, relativ schnell. Wissen Sie, das ist ein Job. Clint Eastwood läuft auch nicht zu Hause in Cowboy-Stiefeln rum.

Prisma: Aber es gibt genügend Geschäftsleute, die sich ihre Arbeit mit nach Hause bringen.
Schmidt: Ja, aber die machen irgendwas falsch, oder? Ich habe letztens ein Buch über einen Super-Manager gelesen, der erzählte, dass er in 30 Jahren kein einziges Mal am Wochenende im Büro war.

Prisma: Sie kommen also zur Tagesschau-Zeit nach Hause.
Schmidt: Ganz genau. Da kuck ich rein unter dem Gesichtspunkt: "Steckt da schon ein Thema für morgen drin?"

Prisma: Also arbeiten Sie doch ein bisschen zu Hause. Kann eines Ihrer Themen tatsächlich in der Tagesschau stecken?
Schmidt: Ja, sehr häufig. Beim Schäuble-Rücktritt habe ich jede Stunde Nachrichten geschaut. Klar ist das ein Thema für uns.

Prisma: Okay, Sie zappen abends viel rum. Was machen Sie noch, um sich vom Show-Stress zu erholen.
Schmidt: Indem ich was lese oder Klavier spiele. Aber ich habe eigentlich gar keinen Stress. Der Job ist ein unablösbarer Teil von mir. Das ist mein Ding. Wenn Sie Maler sind, dann sind Sie Maler. Da wird einfach gemalt. Mal in der Schweiz, mal in der Provence, mal in Paris. Aber Sie sind Maler. Ich bin ja nicht einer von denen, die so zufällig ins Fernsehen gespült wurden. Das ist mein eigentlicher Job.

Prisma: Was spielen Sie denn abends auf dem Klavier?
Schmidt: Bach. Oder auch, ganz peinlich: Billy Joel nach Noten. Ich hätte gerne das absolute Gehör, so dass ich Lieder von der Platte runterspielen könnte. Aber ich kann es leider nur nach Noten.

Prisma: Singen Sie auch zu Billy Joel?
Schmidt: Ja, klar.

Prisma: Zum Beispiel?
Schmidt: Zuletzt waren es "New York State Of Mind" und "Just The Way You Are".

Prisma: Wenn Sie vor dem Fernseher sitzen oder Klavier spielen, sind Ihre Kinder wohl schon im Bett?
Schmidt: Ja, die sind ja noch klein, ein und vier Jahre alt.

Prisma: Haben Sie sich mal Gedanken darüber gemacht, unter welchem Druck und welcher Beobachtung Ihre Kinder aufwachsen müssen?
Schmidt: Ja, aber, wissen Sie, das tangiert nicht. Ich habe gerade mit meinem Anwalt telefoniert, weil die Gala ein Foto gebracht hat, wo man uns komplett vor unserem Haus abgeschossen hat. Mit den Kindern. Ich habe vor einer Woche ein Urteil gelesen, dass es verboten ist, ohne Einwilligung der Eltern Kinder zu fotografieren. Was mich persönlich angeht, mache ich schon lange nichts mehr gegen die Presse. Das ist mir Wurscht. Aber wenn's um die Kinder geht, werde ich aktiv. Es gibt überhaupt keinen Grund, Bilder von meinen Kindern zu machen. Ich halte meine Kinder so weit raus, wie es geht. Die wachsen in einem völlig normalen Umfeld auf. Kinder nehmen das ja letztenendes immer nur in der Form wahr, in der man es ihnen auch schildert.

Prisma: Gehen Sie zu Elternabenden?
Schmidt: Ja, klar. Und die anderen Eltern treten mir da ganz normal gegenüber. Ob das nun ein Handwerksmeister ist, der da sitzt, oder ich, das ist vollkommen egal. Ich bewege mich völlig normal in der Öffentlichkeit.

Prisma: Das war ja nicht immer so. Sie hatten Probleme in der Konfrontation mit der Öffentlichkeit.
Schmidt: Stimmt.

Prisma: Hat sich das geändert?
Schmidt: Ja, es ist eine Erfahrungssache. Ich bin ja jetzt sehr viel mehr präsent als zu "Verstehen-Sie-Spaß?"-Zeiten. Ich sehe das mittlerweile als Teil meines Jobs. Wenn ich wohin komme, wollen die Leute halt ein Autogramm. Und wenn ich in ein Kaufhaus gehe, dann fahren mir die Kinder auf der Rolltreppe hinterher. Es ist halt so. Wenn ich keinen Bock habe, gehe ich eben nicht ins Kaufhaus. Und wenn, dann weiß ich, was passiert, und dann gebe ich auch den Fernsehonkel und haue ein paar Sprüche raus.

Prisma: Sie haben früher sogar mal einen Psychologen aufgesucht, weil Sie sich von Menschen bedrängt fühlten.
Schmidt: Ja. Ich hatte eine Zeit lang mal so richtige klaustrophobische Zustände, was komischerweise viele Leute in unserem Job haben. Das war so, dass ich zum Beispiel auf Flughäfen so richtige Panikattacken bekommen habe. Kurioserweise hatte ich nie Probleme, in einer Halle vor 5000 Leuten zu stehen. Aber auf dem Flughafen kannst du ja immer unvorbereitet angesprochen werden. Der Psychologe hat mir dann beigebracht zu denken: "Die Situation hat einen Anfang und ein Ende!" Das hat geholfen. Ich rechne mittlerweile damit, in der möglichst härtesten Form angesprochen zu werden. Dann trifft Sie das nicht mehr so. Es gibt Leute, die haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, mir mal zu sagen, wie Scheiße sie mich finden. Aber sie sind normalerweise morgens um acht auf dem Flughafen nicht in der Lage zu hören, dass Sie jemand nicht ausstehen kann. Sie müssen aber damit rechnen, dass der Typ, der Ihren Mantel durch den Scanner laufen lässt, sagt: "Sie sind ein Arschloch!" Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Sie regen sich auf. Oder Sie sagen: "Junge, das Recht steht Dir absolut zu, das zu sagen. Du kontrollierst hier Dein Leben lang Mäntel und ich fliege mal eben nach Amerika und bin morgen wieder zurück."

Prisma: Das sagen Sie oder denken Sie das nur?
Schmidt: Das denke ich natürlich nur. Ich würde immer nur den Eindruck erwecken: "Kann ich verstehen. Ich mag auch nicht alles." Das ist die ideale Tour. Und dieses Verhalten ist jetzt einfach professionalisiert. Sobald ich das Haus verlasse, weiß ich: "Jetzt bin ich im Dienst. Jetzt kommt die öffentliche Meinung auf Dich zu." Und da muss man auf vieles gefasst sein. Es ist ja erwiesen, dass viele Menschen sagen: "Dieses Arschloch kann ich nicht ertragen" und schalten trotzdem jeden Abend ein. Taxifahrer zum Beispiel schimpfen generell über das Fernsehen. Zurecht.

Prisma: Mal ehrlich. Ist nicht das Privatfernsehen im Niedergang begriffen? Man muss sich doch nur mal diesen Comedy-Boom ansehen.
Schmidt: Ach, wissen Sie. Das sind Phasen. Sie müssen nur den richtigen Sender kucken. Wir haben nun mal die Öffentlich-Rechtlichen. Und wenn ich mich politisch informieren will, kucke ich die ARD, die Tagesthemen, Monitor, den Brennpunkt. Für mich gibt's ja nicht den Grund zu fragen: "Warum kann ich das nicht auf RTL sehen?" Wenn es die ARD nicht mehr geben würde, dann müsste man sich Gedanken machen. Aber die Gefahr besteht gottseidank nicht mehr.

Prisma: Apropos ARD, WDR, Feuerstein. Er sagte mir letztens, dass er sich zum 10-jährigen Schmidteinander- Jubiläum mit Ihnen ein Revival vorstellen könnte.
Schmidt: Nein, das würde ich nie machen. Man muss "Schmidteinander" in der Verklärung belassen, in der es ist. Vorbei ist vorbei. Und nirgendwo ist es etwas so vorbeier als im Fernsehen. Die Leute sollen "Schmidteinander" ruhig verklären. Früher hat man geschimpft, heute jubeln alle, dass das Kult sei. Sollen sie doch reden. Feuerstein und ich heute, das käm rüber wie ein Altherrenspiel mit Buffi Ettmeyer und Hansi Müller. Warum sollen wir uns sinnlos dem Vergleich aussetzen. Ich staune ja, was da mittlerweile so alles reininterpretiert wird. Das ist auch gut so. Was sollte mich reizen, diese Illusion zu zerstören? Es interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht mehr. Aber ich distanziere mich nicht von der Zeit. Ich war damals eben der Schmidt mit langen Haaren und Jeans. Heute bin ich der mit kurzen Haaren und Anzug. Alles zu seiner Zeit. Im Fernsehen zählt nur, was sie aktuell machen. Alles andere ist noch nicht mal Schnee von gestern.

Prisma: Der große Show-Rückblick im ZDF mit Thomas Gottschalk und Frank Elstner hatte aber sehr gute Quoten. Die Zuschauer finden anscheinend doch Gefallen an der Vergangenheit. Es wird gewollt.
Schmidt: Definitiv.

Prisma: Aber ohne Sie.
Schmidt: So isses.

Prisma: Ihr alter Schauspiellehrer hat mal gesagt, dass es schon ein früher Wunsch von Ihnen war, berühmt zu werden.
Schmidt: Ja, stimmt, klar. Ich verstehe auch nicht, warum man den Beruf sonst machen sollte. Ich glaube, keiner geht zum Fernsehen und denkt: "Hoffentlich kriegt's keiner mit."

Prisma: Sie sind jetzt berühmt, Sie sind Multi- Millionär und zufriedener Familienvater. Eigentlich ist das doch das Endstadium der Glückseligkeit.
Schmidt: Fast. Ich bin noch nicht schwul. Das fehlt noch zur völligen deutschen Medienabrundung.

Prisma: Ist Schwulsein derart en vogue?
Schmidt: Ja. Gerade in Köln gibt es viele Modeschwule. Die sind gar nicht richtig schwul, haben aber so einen leichten Medienschwuchtel-Touch, weil sie glauben, dass sei angesagt.

Prisma: Undercover-Schwule?
Schmidt: Nein, leider nicht. Sondern im Gegenteil Oncover-Schwule. Hach und hier und da und toll und dieses Getöle. Mir geht's da hauptsächlich ums Getöle, weil es akustisch so störend ist. Mir ist es vollkommen wurscht, ob jemand schwul, lesbisch oder sonstwas ist. Aber dieses laute Getöle in den In-Kneipen geht mir auf die Nerven: "Hach, ich habe gleich ein Fax geschickt!"

Prisma: Konvertiert die Stimme ins Sanft-Schrille, wenn man schwul wird?
Schmidt: Ich glaube, je weniger schwul, desto mehr wird getölt. Ich kenne ja genügend richtige Homosexuelle, in der Wolle gefärbt seit der Erfindung. Da kommen Sie gar nicht drauf, dass die schwul sind. Die sind völlig normal. Ich rege mich auf über die Kölner Medienschwuchtel.

Prisma: Ein perfektes Objekt, um es in Ihrer Sendung durch den Kakao zu ziehen.
Schmidt: Ja, kommt gut an. Ich glaube, viele Schwule sind begeistert, weil sie glauben, sie könnten mich doch noch rüberziehen. Andere wiederum stehen auf dieses Gequältwerden: "Hach, er hat mich wieder beschimpft. Der Harald ist so gemein. Ich hab nur geheult. Er ist wirklich der Gemeinste von allen."

Prisma: Die Zeit ist wirklich vorbei, in der man sich über solche Gags noch beschwert, oder?
Schmidt: Ja, definitiv.

Prisma: Wer bietet sich aktuell an, verarscht zu werden?
Schmidt: Mein Lieblingspolitiker ist momentan Christian Wulff. Der tritt in Pressekonferenzen immer öfter in Sweat-Shirts auf. Das ist so eine leicht veraltete Form der Anbiederung. Von wem ich mir in dieser Richtung auch viel erhoffe, ist Herr Mertz der neue Fraktionsvorsitzende der CDU.

Prisma: Achten Sie in Ihren Shows auf Ausgewogenheit bei der Auswahl der politischen Gäste: Erst Schlauch, dann Westerwelle, dann Müntefering...?
Schmidt: Nein. Überhaupt nicht. Man kann nicht mit jedem Politiker was anfangen. Es geht rein um den Unterhaltungsfaktor. Aber angesichts der aktuellen Lage, könnte ich mir selbst Frau Merkel als Gast vorstellen.

Prisma: Könnte interessant werden, wenn man sich momentan ansieht, wie gut einige Politiker schauspielern können. Sie selbst sind ja ausgebildeter Schauspieler. Haben Sie Idole?
Schmidt: Ja, viele. Ich gehe generell nur ins Star-Kino. Jack Nicholson, Robert Duvall und natürlich De Niro. Grandios, dass er nicht auf die Berlinale gekommen ist, um sich seinen Preis abzuholen, oder? Alle laufen überall hin und sammeln die Preise ein. Aber De Niro kommt einfach nicht. Das ist doch ganz große Klasse.

Prisma: Wenn Sie das so toll finden: Warum sind Sie dann zur Verleihung des Grimme-Preises gegangen oder zur Goldenen Kamera? Sie haben ja tausend Preise.
Schmidt: Alle! Schreiben Sie bitte, dass ich alle habe und die meisten doppelt. Ich habe 15 insgesamt. Ich gehöre auch nicht zu denjenigen, die originellerweise sagen, dass der Preis über'm Klo hängt. Ich habe ein eigens für diesen Zweck gefertigtes Regal in meiner Wohnung. Da stehen die Preise drin und werden von Fachkräften poliert.

Prisma: Die Fachkräfte sind Ihre Kinder?
Schmidt: Wollen Sie mir unterstellen, dass ich meine Kinder putzen lasse, oder wie? Das ist mein Heer von Angestellten. Oder wie man heute sagt: mein Facility Management.

Prisma: Nochmal zurück zum Kino. War es für Sie ein Schock, als klar war, dass "Late Show" gefloppt ist?
Schmidt: Der Film war ja kein Flop. Ich habe nur damit zu leben, dass der Film überall als Flop bezeichnet wird. "Late Show" war mit 850000 Zuschauern der fünfterfolgreichste Film des vergangenen Jahres.

Prisma: Man hatte natürlich sehr hohe Erwartungen an diesen Film gehabt. Wegen der ganzen PR.
Schmidt: Natürlich. Das war zuviel der Werbung. Aber das ist für mich alles zweitrangig. Für mich waren diese Dreharbeiten ein sensationelles Erlebnis. Mit einem großartigen Helmut Dietl und einem tollen Kameramann Gernot Roll. Alles andere ist Medienmaschinerie. Das ist nicht mehr mein Job.

Prisma: Aber die hohen Erwartungen haben Sie selber zu verantworten gehabt. Indem Sie sich beispielsweise gegenseitig in Ihre Shows eingeladen haben.
Schmidt: Ja, gut. Aber was soll ich machen? Ich habe 45 Einzelinterviews gegeben. Nach dem dritten habe ich schon abgesagt. Zwei Minuten später war Dietl am Telefon und hat gesagt: "Du musst das machen!" Und da dachte ich mir: "Gut, ich verstehe nichts vom Filmgeschäft. Wird schon stimmen. Und dann hab ich's gemacht." Für mich zählen aber die Erfahrungen am Set. Mit da zu stehen, wo nicht Heinzchen Klawuppke mit Fördermitteln auch mal einen Kultfilm machen will, sondern, wo einfach jemand sitzt, der einen gewaltigen Ruf hat. Und das sind für mich Glücksmomente. In dem Film waren auch zuviele Leute dabei, mit denen zuviele Journalisten noch eine Rechnung offen hatten. Was gibt es Schöneres, als so eine Kombination von Leuten auf die Schnauze fallen zu sehen?

Prisma: Es heißt, ein Film bleibt um so mehr in der Erinnerung der Zuschauer, je mehr große Momente er hat, an die man sich nachher erinnert. Einer dieser Momente ist im Falle von "Late Show" sicherlich Ihre Leck-Szene.
Schmidt: Ja, bestimmt. Das hätte ich auch für keinen anderen gemacht als für Dietl. Außer natürlich noch für Martin Scorsese.

Prisma: Aber der hätte nicht mit Jasmin Tabatabai besetzt.
Schmidt: Na gut. Winona Ryder hätte ich auch noch die Zehen geleckt.

Prisma: Lehnen Sie sich eigentlich mal zuhause zurück und sagen sich: "Harald, jetzt hast Du's geschafft!"?
Schmidt: Nein, weil es ja definitiv noch unerreichbare Ziele gibt. Oder, nein. Es sind Träume. Aber man soll sich ja hüten, seine Träume zu erfüllen. Weil es immer desillusionierend ist.

Prisma: Welche Träume sind das?
Schmidt: Eine Hauptrolle am Burgtheater. In einem Ein-Personen-Stück selbstverständlich. Vielleicht auch mal die Wiener Philharmoniker am Neujahrskonzert dirigieren. Und, in einem Scorsese-Film mitzuspielen. Es ist aber bestimmt zehnmal spannender, sich das alles auszumalen, als es zu schaffen. Es sind sicher fantastische Dreharbeiten, aber man sollte sich davor hüten, seine Idole aus der Nähe sehen zu wollen. DeNiro darf einfach nicht zur Berlinale kommen. Vielleicht merkt man auf einmal, dass das ein ganz langweiliger Typ ist. Man lebt vom Geheimnis. Wie lebt wohl DeNiro?

Prisma: Ist das auch ein Erfolgsrezept von Ihnen, dass Sie sich Geheimnisse bewahren?
Schmidt: Nein, ich habe damit nur angefangen, weil ich irgendwann keine Lust mehr hatte, mich nach außen hin darzustellen. Es ist ganz gut, einen Mythos aufzubauen um etwas, wo nichts ist.

Prisma: Bei Ihnen ist also nichts?
Schmidt: Natürlich nicht. Das ist Heinzchen Normalverbraucher.

Prisma: Wären Fans also von Ihnen erschreckt, wenn die wüssten, wie Sie privat leben?
Schmidt: Das glaube ich wiederum nicht. Weil auch dann noch etwas interpretiert würde. Man würde dann sicher sagen: "Der macht doch einen auf normal. Oh, kuck, der hat sich ein Brot geschmiert." Und wenn das aufhört, dann müssen Sie irgendwann ins ZDF zurück. Es muss halt ständig irgendwo was reininterpretiert werden.

Prisma: Aber nochmal zurück zu Ihrer Zukunft. Was wären nach Ihrer Fernsehkarriere wirklich realistische Ziele?
Schmidt: Ach, ich sehe meine Late Night Show nicht vom Ende bedroht. Mich wird es in dieser Show noch geben, wenn schon viele andere in der Rubrik "Was macht eigentlich...?" auftauchen.

Prisma: Wird es jemals soweit kommen, dass auf der letzten Seite im Stern steht: "Was macht eigentlich Schmidt?"
Schmidt: Nein. Nie. Weil es mich länger geben wird als den Stern. Ich bin ja tierisch froh, nicht eine solche wöchentliche Illustrierte rausbringen zu müssen. Wenn die erscheint, sind doch alle Themen schon abgefrühstückt. Wenn bei mir mal eine Sendung nicht so läuft. Dann mache ich's halt am nächsten Tag besser. Wenn der Stern eine Ausgabe nicht verkauft kriegt, dann stehen viele parat, die den Job des Chefredakteurs besser ausfüllen können. Man muss es so sehen: Donnerstags kommt Spiegel-Light raus.

Prisma: Sind Sie sich da so sicher, dass es Sie länger geben wird? Sie sind ein Herzinfarkt-Kandidat. Außerdem sind Sie Hypochonder, was auch nicht gerade förderlich ist.
Schmidt: Hypochonder bin ich keiner mehr. Ich habe mittlerweile eine sehr gute Definition von Gesundheit: Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit. Das heißt: Man muss sich einrichten mit dem, was einem der Körper bietet. Sie können sich unter Umständen mit einem Bein fitter fühlen als mit zwei Beinen. Für mich ist ein Superbeispiel Frank Williams, im Rollstuhl zwischen Reifenstapeln. Oder auch Wolfgang Schäuble. Ich meine das Akzeptieren von Schicksalsschlägen. So was imponiert mir wahnsinnig.

Prisma: Welche körperlichen Schicksalsschläge mussten Sie schon hinnehmen?
Schmidt: Toi, toi, toi. Bisher noch keine. Aber es fängt schon so langsam an. So Geschichten mit vermehrtem Sodbrennen. Das lass ich dann aber alles checken und verändere sofort meine Ernährungsgewohnheiten dementsprechend. Wenn mein Arzt sagt: Lassen Sie Scharfgebratenes weg, dann lasse ich es halt weg. Es ist immer die Frage, wie man sich damit fühlt. Man muss das so sehen: Ein Sinn ist ausgefallen, aber die anderen funktionieren noch. Das ist eine Mentalitätsfrage. Und zum Thema Herzinfarkt kann ich nur sagen, dass man das nie weiß. Letterman hatte ja auch das Herz eines Zwanzigjährigen, wie sein Professor sagte. Und dann hat man ihn bei einer Routineuntersuchung direkt dabehalten und hat ihm fünf Bypässe eingepflanzt. Mein Professor sagte mal zu mir: "Ich brauche Sie auch nicht durchzuchecken. Ich kann Ihnen bestätigen, dass Sie topfit sind. Sie gehen raus und fallen tot um." Gerade beim Herzinfarkt ist ja überhaupt nichts vorauszusehen. Okay, man sagt, wenn Sie sich kaum bewegen, fett essen und rauchen, ist die Wahrscheinlichkeit höher. Muss aber auch nicht sein. Denn jeder kennt einen fetten Kettenraucher, der 95 ist; und einen Top-Sportler, der mit 38 tot umfällt. Wissen Sie, das Leben ist endlich. Ich sehe das ganz locker. Und ich habe auch den Ehrgeiz, nicht krank zu werden. Um die Show nicht ausfallen zu lassen. Ich versuche, die Krankheiten am Wochenende wegzudrücken. Bisher gab es 713 Shows, nur vier musste ich wegen Grippe ausfallen lassen. Um mich im Team ist man ständig krank. Mal hier, mal da, mal dort. Ich bleibe auf der Brücke.

Prisma: Das ist wohl auch eine Kopfsache.
Schmidt: Absolut.

Prisma: Sie haben hier auf Ihrem Schreibtisch einen Ihrer Preise stehen. Von der GQ. Sie sind zum Mann des Jahres 1999 gewählt worden.
Schmidt: Ja, aber nur im Bereich Krawatte. Dazu gab es dieses Buch über Dress-Codes.

Prisma: Als dieser Schnitt passierte von "Verstehen Sie Spaß?" hin zur Schmidt-Show, mussten Sie doch Ihre komplette Garderobe austauschen.
Schmidt: Ich hatte ja keine. Ich hatte Jeans, Rollkragenpullover. Und Boss war ja so freundlich, mich auszustatten.

Prisma: Bis heute. Ich sehe, Ihr Gürtel ist auch von Boss.
Schmidt: Ja, wobei das meine Schnell-Uniform ist, wo ich morgens reinsteige, ohne genau hinzukucken. Hose: GAP. Schuhe: Salvatore Ferragamo. Socken: auch Boss. Die sind noch von gestern abend von der Show. Und das Hemd heißt Jake. Ist mein Lieblingshemd. Das habe ich schon seit sechs Jahren. Es wurde gewiss schon 600 Mal gewaschen. Habe ich aber wahnsinnig gerne an.

Prisma: Aber die alten Jackets und Hemden aus Schmidteinander-Zeiten tragen Sie nicht mehr?
Schmidt: Nein. Das gehörte ja auch alles dem WDR. Jetzt heißt es: Maßanzug und Hemden. In zunehmendem Alter hört man ja auch auf herumzusuchen. Im Privatbereich bin ich mit zwei Jeans und drei T-Shirts völlig abgedeckt. Der Rest wird hier im Studio ausgewählt. Und es ist doch ein Segen, wenn Sie sich für einen Anzug entschieden haben. Das lässt sich ja auch noch verfeinern.

Prisma: Wie?
Schmidt: Immer bessere Hemden. Immer bessere Anzüge. Immer bessere Schuhe. Und irgendwann sagen Sie dann nur noch: "Gimme the best money can buy!" .

Prisma: Sie wissen, dass Sie sich dann aber von Boss trennen müssen.
Schmidt: Das lass ich mal als These von Ihnen beim laufenden Band so dahingestellt. Aber ich muss sagen: Als junger Journalist sind Sie ein sehr wacher Beobachter.

Prisma: Das könnten Sie in einer Live-Sendung im Radio schlecht sagen. Sie waren ja auch mal beim Hörfunk.
Schmidt: Ja, beim WDR, "Unterhaltung am Wochenende" hieß die Sendung. Aber ich fand mich da nicht so toll. Es gibt andere Leute wie Elmar Hörig, die um Klassen besser rüberkommen.

Prisma: Elmi hat ja jetzt endlich wieder einen neuen Job beim Rockland-Radio.
Schmidt: Ja, find ich toll. Auch für uns mal wieder ein Gast. Ich muss ja mal sagen, dass ich mit Elmi aufgewachsen bin. Ich wollte ja werden wie Elmi. Das muss ich mir mal eingestehen. Ich ging ja noch zur Schule, da war Elmi schon der Superstar. Ich war ja später auch mal Gag-Schreiber von Björn-Hergen Schimpf. Der hat im RTL-Radio "Guten Morgen, Deutschland" moderiert. Während meiner Zeit beim Düsseldorfer Kom(m)ödchen war ich einer aus dem Gag-Schreiber-Pulk und musste meine Gags beim heutigen Komödianten Hans-Werner Olm abgeben. Schimpf hat kaum einen von mir genommen. Ich hatte aber damals das Gefühl, dass da in der Hierarchie was nicht stimmt. Das habe ich immer. Das wird einem zwar immer als Größenwahn ausgelegt. Aber glaube, ich liege da oft richtig.

Prisma: War es für Sie immer ein Ziel, in einer Hierarchie ganz oben zu stehen?
Schmidt: Wissen Sie, für mich gab es immer nur mich, die Bühne und den Scheinwerfer. Alles andere sind Kunstprodukte, die mir nachgesagt wurden. Meine Parole war früher immer: "Seht her, hier kommt der Erfinder des Showgeschäfts!"

Prisma: Und, haben Sie das geschafft?
Schmidt: Ja .

Prisma: War das eigentlich schon in der Schule so?
Schmidt: Ja, definitiv. Selbstzweifel haben mich selten gehindert. Das heißt aber nicht, dass ich sie manchmal habe.

Prisma: Ihren Drang ins Showgeschäft mussten also auch schon Ihre Mitschüler ertragen?
Schmidt: Ja. Wenn wir mit dem Bus nach Südtirol ins Schullandheim fuhren, dann habe ich mir das Mikrofon vom Busfahrer genommen und vier Stunden den Unterhalter gemacht.

Prisma: Sie waren ja in der Schule sehr unbeliebt, weil Sie mit Ihren Witzen Lehrer und Schülerinnen angegriffen haben.
Schmidt: Ja. Dieses Witzereißen entsteht ja aus Folgendem. Derjenige, der in der Schule abräumt, das ist der Sport-Crack. Und wenn man selber den Ball nicht trifft, muss man halt sehen, wie man sonst die Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann. Wenn Sie Leonardo DiCaprio sind, müssen Sie nicht gut reden können. Aber wer will schon Leonardo DiCaprio sein?

Prisma: Sie hatten ja früher wenig Erfolg bei den Frauen. Und sind deshalb so zynisch geworden?
Schmidt: Ja, auch.

Prisma: Jetzt ist alles anders. Sie sind erfolgreich, und Erfolg macht bekanntlich sexy!
Schmidt: Ja. Ich muss abends mit der Sense ums Haus rennen.

Prisma: Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Martin Häusler