Das große Prisma-Interview:
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Prisma: Das heißt:
Gottschalk und Koschwitz waren eigentlich nie amerikanisch.
Schmidt: Nicht was Late Night angeht, ja. Late Night ist ja eine
uramerikanische Form. Das Mindeste sind fünf Jahre und 1000 Sendungen.
Danach fängt es eigentlich erst an. Das muss man erstmal hinter sich
gebracht haben. Wissen Sie, als wir angefangen haben, da gab es noch
Lothar Matthäus und Mario Basler und Dieter Bohlen und Verona
Feldbusch. Das sind ja alles Themen, die mittlerweile durch sind. Da hat
sich in den vier Jahren sehr viel getan. In der Art, wie sich Prominente
in der Öffentlichkeit aufführen und wie sie mit der Boulevardpresse
umgehen. Das ist auch für den "Express" ein Thema. Die haben
ja überhaupt nichts mehr. Die machen nur noch Bingo oder "Hilfe,
Prinz in Düsseldorf!" auf der Titelseite. Die Journalisten
fotografieren sich schon gegenseitig. Hinzu kommt, dass generell mehr
Ironie in der Öffentlichkeit angesagt ist. Jemand wie Olli Kahn lässt
mittlerweile allen Angriffen die Luft raus, indem er sagt, dass er über
die Witze, die über ihn gemacht werden, lachen kann. Aber in den vier
Jahren gab es auch den Kosovo-Krieg, Flugzeugabstürze, Galtür und,
und, und. Also Phasen, in denen sich thematisch überhaupt nichts
anbietet. Und da wird es für uns ja erst interessant. Wenn Ernst August
mal wieder den Schirm auspackt, ist es ein einfacher Tag. Aber den haben
wir vielleicht zwanzig Mal im Jahr bei 170 Sendungen.
Prisma: Hat die 750.
Sendung ein ganz anderes Gesicht als Ihre allererste?
Schmidt: Ich glaube, es ist letztenendes klarer geworden. Man hat
sich die Sendung vielmehr eingeteilt. Ich denke da, wie ein erfahrener
Marathon-Läufer. Am Anfang machen Sie das Tempo zu schnell oder Sie
glauben, die letzten zwanzig Kilometer werden leichter, oder Sie lassen
sich verführen, bei einem Ausreißversuch nach 15 Kilometern
mitzugehen. Mittlerweile habe ich die Sendung so intus, dass ich
zeitlich sagen kann, wo wir sind, ohne auf die Uhr zu schauen. Das ist
ganz wichtig. Es gibt Gäste, wo ich weiß: Wenn Günther Jauch kommt,
wird's ein sehr, sehr einfacher Abend für mich. Dann gibt es andere Gäste
- das ist die Mehrzahl -, bei denen weiß ich, dass ich für sie ein
bisschen Tempo machen muss. Das macht mir wirklich großen Spaß, sich
das so physisch einzuteilen. Man geht aber jeden Abend mit der vollen
Energie ran.
Prisma: Sie haben gerade
Ihre Gäste erwähnt. Nachdem bekannt wurde, dass Schmidt seine Sendung
selber produziert, hat man auf bessere, hochkarätigere Gäste gehofft,
auf Hollywood-Stars. Wo sind die?
Schmidt: Kann ich Ihnen erklären. Schauspieler, die ich kniend
verehre, wie Gérard
Depardieu: Quotenflop! Wie haben die besseren Gäste. Bessere Gäste
heißt für mich bessere Quote. Es funktioniert alles nicht, was übersetzt
werden muss. Es ist deprimierend, dass Gäste, die gedolmetscht werden müssen,
überhaupt nichts bringen. Wir hatten sie alle da: Deneuve, Tom Hanks,
die ganzen Topmodels, Delon,
was weiß ich. Die kriegen Sie ja auch immer angeboten. Ich finde zum
Beispiel Isabelle
Adjani ganz grandios. Die würde ich aber nie einladen. Man darf
sich nicht täuschen, wieviele Leute letztendlich wissen, wer Adjani
oder Hanks
ist. Das muss man sich mal klar machen. Man redet ja eigentlich immer in
einem Medienzirkel. Da kennt jeder Tom Hanks und auch noch drei Filme
von ihm, und ein paar wissen, für welche er die Oscars gekriegt hat.
Aber in der Show müssen Sie sagen: Hanks war der, der Forrest Gump
gemacht hat. Der beste Gast ist ein VIVA-Girlie, das gerade aus dem
Eis-Café weg engagiert wurde.
Prisma: Das ist aber dürftig.
Schmidt: Nein, wieso. Wir sind mit der Show im Bewusstsein immer
ein Jahr der veröffentlichten Meinung im voraus. Wir wissen längst,
was ankommt und was nicht. Schauen Sie hier. Das sind die Quoten von
gestern. Minutiös können Sie sehen, ob ein Gast gut ist oder nicht.
Wir sehen das als Geschäftsleute. Ich kann Ihnen eine ganz genaue Liste
der besten 50 Gäste deutscher Talk-Shows aufstellen. Die stimmt
einfach. Warum sollte ich einen Gast nehmen, der einfach nichts bringt?
Und bei diesen ganzen Models hören Sie erstmal eines: Die wollen 20000
Dollar und nicht nach ihrem aktuellen Lover gefragt werden.
Prisma: Die 20000 könnten
Sie aber locker bezahlen.
Schmidt: In einem gewissen Rahmen könnten wir das bezahlen. Und
ich würde es auch bezahlen, wenn ich wüsste, dass es Quote bringt.
Unser Job ist es aber, Gäste zu erfinden. Wir hatten die meisten
dreimal da. Ich kann Ihnen auch eine Liste vorlegen mit Gästen, die
einfach nichts mehr bringen. Das mach ich aber nicht. Denn die werden
alle von einer Agentur vertreten, wo auch Gäste sind, die gut sind.
Also, ich muss da sehr diplomatisch denken. Wir brauchen ja 340 Gäste
im Jahr.
Prisma: Sie mussten ja zu Beginn
Ihrer Show sehr viel Prügel einstecken. Vieles hätten Sie aus Amerika
abgekupfert...
Schmidt: Alles.
Prisma: Alles sogar. Haben Sie
sich mittlerweile eine eigene Identität erschaffen können? Ist der Name
"Schmidt" vor der "Show" mittlerweile gerechtfertigt?
Schmidt: Ja, definitiv. Da bin ich mir absolut sicher. Wir haben halt
damit angefangen, das Format aus Amerika zu übernehmen. Aber mittlerweile sind
wir was ganz eigenständiges. Die Prügel gehörten einfach dazu.
Prisma: Gab es irgendwann mal
einen Punkt, an dem Sie gesagt haben: "Ich höre auf!"?
Schmidt: Nein, nie. Warum sollte ich? Das ist doch ganz einfach. Ich
zeichne die Sendung auf, und der Sender strahlt sie aus. Alles andere ist
letztenendes Girlande. Das ist so ähnlich wie bei einem Spitzenpolitiker.
Solange Sie nicht abgewählt werden oder zurücktreten, machen Sie weiter. Kohl
hat 16 Jahre lang weggesteckt, was in der Presse über ihn gestanden hat.
Prisma: Kohl hat ja mal gesagt:
"Was schert sich eine Eiche, wenn sich eine Sau dran reibt".
Schmidt: Das hat er von Shakespeare. Das habe ich zufällig mal gelesen.
Prisma: Aus welchem Drama?
Schmidt: Ich glaube, King Lear. Bin ich mir aber nicht sicher. Aber
dieses Zitat würde ich öffentlich nie sagen. Das könnte einem ja als Arroganz
ausgelegt werden. Aber heimlich denke ich's natürlich.
Prisma: Was geht in Ihnen vor,
wenn Sie Medienschelte bekommen? Zuletzt beispielsweise im Stern. Ich zitiere:
"Die Schmidt-Show ist so vorhersehbar wie eine Jeckensitzung" oder es
ist die Rede von einer "humoristischen Komepetenz einer Abendveranstaltung
von Robinson-Club-Animateuren".
Schmidt: Wissen Sie, das gehört zum Geschäft. Das habe ich ungefähr
zweimal pro Jahr. Und ich versuche immer abzuschätzen, in welcher Phase das
kommt. Kommt's in einer Phase, in der wir gerade mal ein bisschen rackern müssen.
Oder kommt es in einer Phase, in der wir einen guten Lauf haben.
Prisma: Lassen sowas an sich ran
oder sagen Sie sich: Hier will der Journalist nur seinen Neid gegenüber Schmidt
ablassen?
Schmidt: Für mich geht's eigentlich immer nur darum, meinen Marktwert
abzuchecken. Was ich in solchen Fällen nie mache, ist, darauf zu reagieren. Das
wäre das Ulla-Kock-am-Brinck-Syndrom.
Prisma: Das müssen Sie erklären.
Schmidt: Ja, das heißt, versuchen, Sachen in der Öffentlichkeit
klarzustellen: "Da habt Ihr mich falsch verstanden. Oder: Soll ich mal für
Euch kochen?" Für mich gilt das Prinzip von Prinz Charles: "Never
explain, never complain". Es ist doch völlig Okay, was geschrieben wird,
weil ich doch sowieso am längeren Hebel sitze. Außerdem: Wenn man von außen
angegriffen wird, geht immer ein positiver Ruck durchs Team. Und: Ich spare mir
viele tausend Mark für einen Unternehmensberater.
Prisma: Wie sieht denn Ihre
Mediennutzung aus. Hier liegt beispielsweise der Wirtschaftsteil der Süddeutschen
vor Ihnen...?
Schmidt: Ja, FAZ, Feuilleton, Wirtschaftsteil, Seite Drei, alles nach
demselben Schema.
Prisma: Lesen Sie dann nur mit
beruflichem Auge oder auch privat?
Schmidt: Natürlich auch privat. Ich fahre im Urlaub 15 Kilometer, um mir
FAZ und SZ zu kaufen, an dem einzigen Kiosk, der sie hat. Aber ich stelle
mittlerweile fest, dass mich nicht mehr wirklich interessiert, was eigentlich in
der Welt passiert, sondern der Aspekt der Nutzung für die Sendung. Reine
Verwertung. Und ich lese nichts lieber als die Hinrichtung von Kollegen.
Prisma: Weil Sie dann weniger
Konkurrenz haben.
Schmidt: Nein. Weil ich mir sage: "Der braucht's mal wieder. Gebt's
ihm!" Deshalb darf ich mich auch nicht beschweren, wenn ich selber mal dran
bin.
Prisma: Interessiert es Sie
noch, ob über Sie wieder mal was in den Zeitungen steht?
Schmidt: Ja. Da habe ich inzwischen die Höchstform der Eitelkeit
erreicht. Ich kucke nicht mehr in den Fernsehkritiken, ob mein Name auftaucht,
sondern in welchen Artikeln im Wirtschaftsteil das der Fall ist. Das passiert ja
immer häufiger: "...auch die Harald-Schmidt-Show nahm darauf
Bezug..." Wenn Sie also in Artikeln stattfinden, die gar nichts mehr mit
Ihrer Branche zu tun haben, dann ist das schon schön.
Prisma: Eine Art Adelung im ökonomischen
Ressort.
Schmidt: Ja, genau. Oder anderes Beispiel. Wenn Götz Alsmann ein
Interview gibt, dann kucke ich, wie oft meine Name drin vorkommt. Dass ich erwähnt
werde, setze ich voraus. Wichtig ist auch, ob ich in der Überschrift
stattfinde: "Götz Alsmann über Schmidt, seine Programme und sich".
Prisma: Das liegt auch daran,
weil Sie schon so eine Art Markenartikel sind.
Schmidt: Ja, ja. Ich habe sozusagen die Nische des Dirty Harry besetzt.
Prisma: Der Dirty Harry, der
sich im verschwitzten Unterhemd rasiert und seine Bartstoppeln aufs Brot streut,
sind Sie ja nicht mehr.
Schmidt: Ganz genau. Aber das ist das, was ich mit vorausschauendem
Planen meine. Wir werden eines Tages die Sendung sein, die man sich als einzige
geschmacklich zumuten kann. Soweit wird es kommen. Es dauert noch ein paar Jährchen.
Das ist ganz spannend. Ich sehe mich ja auch gar nicht mehr als einen Teil des
Fernsehens. Wir machen da halt unser eigenes Ding. Das ist ein unglaubliches
Privileg. Wir befinden uns fast im rechtsfreien Raum. Wer hat schon jeden Tag
die Gelegenheit, seine eigene Meinung unters Volk zu bringen.
Prisma: Sie haben mal gesagt,
dass Sie sich mittlerweile als Intellektuellen sehen, weil um Sie herum das
Niveau sinkt. Sehen Sie Ihre Show auch als eine Oase des Intellekts?
Schmidt: Nein, das lass ich nur immer so ein bisschen raushängen.
Prisma: Wir haben eben den
Markenartikel Schmidt angesprochen. Ein Markenartikel muss immer gleich sein.
Und Veränderungen sind sehr schwierig.
Schmidt: Die wären sogar tödlich, ja. Die Formel heißt: "Persil
bleibt Persil".
Prisma: Und Schmidt bleibt
Schmidt.
Schmidt: Selbstverständlich. Warum sollte Coca Cola sagen: "Wir
machen die Cola ein bisschen heller"? Es hat lange genug gebraucht, um Coca
Cola zu werden.
Prisma: Das heißt: Was können
Sie sich als Markenartikel Schmidt nicht leisten?
Schmidt: Nein, das ist ja das Schöne. Das spielt ja keine Rolle. Wenn
ich einen Gast frage: "Wollen Sie einen Schluck Wasser?", glauben die
Leute ja immer: "Schöne Gemeinheit".
Prisma: Kann man sich denn als
Marke überhaupt noch wohlfühlen?
Schmidt: Ja, davon lebe ich ja. Sie müssen ja sehen, dass das
Fernsehgeschäft unglaublich ausgeufert ist. Viele Sendungen, viele Sender. Wenn
Sie aber jemanden fragen: "Wer ist Schmidt", dann werden Sie fast von
jedem eine Meinung dazu bekommen. Ob die positiv ist oder negativ, ist erstmal
zweitrangig.
Prisma: Die Marke Schmidt muss
aber gehörig aufpassen, für welche Marke sie selbst Werbung macht.
Schmidt: Ich meine, für die meisten Produkte würde ich überhaupt keine
Werbung machen. Weil's mir einfach zu poplig ist. Auch das ist ja eine Frage der
Eitelkeit. Das muss immer die erste Garnitur sein. Es muss die Größenordnung
des Produkts stimmen. Am liebsten ist mir ein Weltkonzern als Marktführer. In
der Größernordnung sehe ich mich ja auch . Wie wird die Überschrift Ihres
Artikels lauten? "Der Demütige", oder?. Und die zweite Sache ist das
Geld. Es geht nicht darum, die letzten 50 Mark herauszuholen, sondern darum,
sich nicht den Preis kaputtzumachen. Wenn Sie einmal anfangen, in eine
Vorabend-Star-Kategorie zu gehen, dann können Sie das beim zweiten Mal nicht
mehr wieder hochziehen.
Prisma: Thema: Image. Früher
wusste man über Schmidt relativ wenig. Neuerdings erfährt man in Ihrer Show
immer mehr Mosaiksteinchen aus Ihrem Leben, die sich zu einem Bild
"Schmidt" zusammenfügen. Ist das eine Strategie?
Schmidt: Es ist zum einen Strategie. Und es ist zum anderen so eine Art
Selbsttherapie. Wenn ich zum Beispiel den Gast frage: "Stehst Du nachts
auf, weil Dein Kind schreit?", dann kann ich schlecht sagen: "Ich möchte
nicht drüber sprechen!", wenn der Gast mich fragt, ob ich das denn mache.
Und es entsteht - wie Sie sagen - ein Bild. Aber dieses Bild kann ich
beeinflussen. Ich bestimme, was gesagt wird. Und ich bestimme auch, inwieweit
dieses Bild entsteht. Und ich sage es ja in der Sendung, nicht in einer
Homestory.
Prisma: Eine Homestory würden
Sie doch nie machen.
Schmidt: Nein, definitiv nicht. Wozu?
Prisma: Anfragen gibt's doch
bestimmt.
Schmidt: Natürlich. Auch Drohungen. Man versucht, mir Deals anzubieten:
"Ihre Quoten sind ja gerade nicht so toll. Da brauchen Sie doch jetzt mal
eine große Geschichte." Und da sage ich: "Ne, Irrtum!" "Ja,
wieso nicht?" "Das ist doch ganz einfach", sage ich dann,
"ich zeichne auf, SAT.1 sendet es und überweist. Wo fehlt in dieser Kette
eine Homestory?" Es ist also relativ einfach einzusehen, dass eine
Homestory gar nichts bringt. Um so mehr sagen dann Journalisten: "Aber in
Ihrer Sendung sagen Sie doch auch private Sachen!" Ja, da ist es aber
Material. Und am nächsten Tag behaupte ich das Gegenteil.
Prisma: Sie spielen damit.
Schmidt: Genau. Mal sage ich, dass ich spüle. Mal sage ich, dass ich
eine Spülmaschine habe. Dann habe ich plötzlich eine Allergie. Wie es halt
gerade gebraucht wird.
Prisma: Die Zuschauer glauben
also nur, Schmidt zu kennen. Der wahre Schmidt bleibt Ihnen weiterhin verborgen.
Schmidt: Wer weiß das schon, was man wirklich ist. Es geht ja nur darum:
Cola gibt's in Büchsen und in Flaschen. Und auch als Bärchen. Es geht für die
Zuschauer einfach darum: "Can't beat the feeling!" . Ich bin halt eine
Fernsehfigur. Da kann jeder reininterpretiern, was er will.
Prisma: Diese Fernsehfigur
werden Sie privat ja nicht sein. Was passiert nach der Show? Sie setzen sich
abends um sieben in Ihr Auto und fahren nach Hause?
Schmidt: Ja, ich fahre sofort nach Hause.
Prisma: Was fahren Sie für
einen Wagen?
Schmidt: Einen Audi A8, als wirtschaftlich günstiges Modell des
Firmen-Leasings. Ich habe aber auch einen Kombi. Damit fahre ich zum Beispiel
zum Getränkemarkt.
Prisma: Um Coca Cola in Flaschen
oder in Dosen zu kaufen.
Schmidt: Ne, Mineralwasser, wo es preislich am günstigsten ist.
Prisma: Welches ist das
momentan.
Schmidt: Das sage ich nicht. Wenn ich eine Firma nenne, dann soll die
auch dafür bezahlen.
Prisma: Kriegen Sie zu Hause den
Show-Schmidt schnell aus dem Kopf?
Schmidt: Ja, relativ schnell. Wissen Sie, das ist ein Job. Clint Eastwood
läuft auch nicht zu Hause in Cowboy-Stiefeln rum.
Prisma: Aber es gibt genügend
Geschäftsleute, die sich ihre Arbeit mit nach Hause bringen.
Schmidt: Ja, aber die machen irgendwas falsch, oder? Ich habe letztens
ein Buch über einen Super-Manager gelesen, der erzählte, dass er in 30 Jahren
kein einziges Mal am Wochenende im Büro war.
Prisma: Sie kommen also zur
Tagesschau-Zeit nach Hause.
Schmidt: Ganz genau. Da kuck ich rein unter dem Gesichtspunkt:
"Steckt da schon ein Thema für morgen drin?"
Prisma: Also arbeiten Sie doch
ein bisschen zu Hause. Kann eines Ihrer Themen tatsächlich in der Tagesschau
stecken?
Schmidt: Ja, sehr häufig. Beim Schäuble-Rücktritt habe ich jede Stunde
Nachrichten geschaut. Klar ist das ein Thema für uns.
Prisma: Okay, Sie zappen abends
viel rum. Was machen Sie noch, um sich vom Show-Stress zu erholen.
Schmidt: Indem ich was lese oder Klavier spiele. Aber ich habe eigentlich
gar keinen Stress. Der Job ist ein unablösbarer Teil von mir. Das ist mein
Ding. Wenn Sie Maler sind, dann sind Sie Maler. Da wird einfach gemalt. Mal in
der Schweiz, mal in der Provence, mal in Paris. Aber Sie sind Maler. Ich bin ja
nicht einer von denen, die so zufällig ins Fernsehen gespült wurden. Das ist
mein eigentlicher Job.
Prisma: Was spielen Sie denn
abends auf dem Klavier?
Schmidt: Bach. Oder auch, ganz peinlich: Billy Joel nach Noten. Ich hätte
gerne das absolute Gehör, so dass ich Lieder von der Platte runterspielen könnte.
Aber ich kann es leider nur nach Noten.
Prisma: Singen Sie auch zu Billy
Joel?
Schmidt: Ja, klar.
Prisma: Zum Beispiel?
Schmidt: Zuletzt waren es "New York State Of Mind" und
"Just The Way You Are".
Prisma: Wenn Sie vor dem
Fernseher sitzen oder Klavier spielen, sind Ihre Kinder wohl schon im Bett?
Schmidt: Ja, die sind ja noch klein, ein und vier Jahre alt.
Prisma: Haben Sie sich mal
Gedanken darüber gemacht, unter welchem Druck und welcher Beobachtung Ihre
Kinder aufwachsen müssen?
Schmidt: Ja, aber, wissen Sie, das tangiert nicht. Ich habe gerade mit
meinem Anwalt telefoniert, weil die Gala ein Foto gebracht hat, wo man uns
komplett vor unserem Haus abgeschossen hat. Mit den Kindern. Ich habe vor einer
Woche ein Urteil gelesen, dass es verboten ist, ohne Einwilligung der Eltern
Kinder zu fotografieren. Was mich persönlich angeht, mache ich schon lange
nichts mehr gegen die Presse. Das ist mir Wurscht. Aber wenn's um die Kinder
geht, werde ich aktiv. Es gibt überhaupt keinen Grund, Bilder von meinen
Kindern zu machen. Ich halte meine Kinder so weit raus, wie es geht. Die wachsen
in einem völlig normalen Umfeld auf. Kinder nehmen das ja letztenendes immer
nur in der Form wahr, in der man es ihnen auch schildert.
Prisma: Gehen Sie zu
Elternabenden?
Schmidt: Ja, klar. Und die anderen Eltern treten mir da ganz normal gegenüber.
Ob das nun ein Handwerksmeister ist, der da sitzt, oder ich, das ist vollkommen
egal. Ich bewege mich völlig normal in der Öffentlichkeit.
Prisma: Das war ja nicht immer
so. Sie hatten Probleme in der Konfrontation mit der Öffentlichkeit.
Schmidt: Stimmt.
Prisma: Hat sich das geändert?
Schmidt: Ja, es ist eine Erfahrungssache. Ich bin ja jetzt sehr viel mehr
präsent als zu "Verstehen-Sie-Spaß?"-Zeiten. Ich sehe das
mittlerweile als Teil meines Jobs. Wenn ich wohin komme, wollen die Leute halt
ein Autogramm. Und wenn ich in ein Kaufhaus gehe, dann fahren mir die Kinder auf
der Rolltreppe hinterher. Es ist halt so. Wenn ich keinen Bock habe, gehe ich
eben nicht ins Kaufhaus. Und wenn, dann weiß ich, was passiert, und dann gebe
ich auch den Fernsehonkel und haue ein paar Sprüche raus.
Prisma: Sie haben früher sogar
mal einen Psychologen aufgesucht, weil Sie sich von Menschen bedrängt fühlten.
Schmidt: Ja. Ich hatte eine Zeit lang mal so richtige klaustrophobische
Zustände, was komischerweise viele Leute in unserem Job haben. Das war so, dass
ich zum Beispiel auf Flughäfen so richtige Panikattacken bekommen habe.
Kurioserweise hatte ich nie Probleme, in einer Halle vor 5000 Leuten zu stehen.
Aber auf dem Flughafen kannst du ja immer unvorbereitet angesprochen werden. Der
Psychologe hat mir dann beigebracht zu denken: "Die Situation hat einen
Anfang und ein Ende!" Das hat geholfen. Ich rechne mittlerweile damit, in
der möglichst härtesten Form angesprochen zu werden. Dann trifft Sie das nicht
mehr so. Es gibt Leute, die haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, mir mal zu
sagen, wie Scheiße sie mich finden. Aber sie sind normalerweise morgens um acht
auf dem Flughafen nicht in der Lage zu hören, dass Sie jemand nicht ausstehen
kann. Sie müssen aber damit rechnen, dass der Typ, der Ihren Mantel durch den
Scanner laufen lässt, sagt: "Sie sind ein Arschloch!" Da gibt es zwei
Möglichkeiten: Entweder Sie regen sich auf. Oder Sie sagen: "Junge, das
Recht steht Dir absolut zu, das zu sagen. Du kontrollierst hier Dein Leben lang
Mäntel und ich fliege mal eben nach Amerika und bin morgen wieder zurück."
Prisma: Das sagen Sie oder
denken Sie das nur?
Schmidt: Das denke ich natürlich nur. Ich würde immer nur den Eindruck
erwecken: "Kann ich verstehen. Ich mag auch nicht alles." Das ist die
ideale Tour. Und dieses Verhalten ist jetzt einfach professionalisiert. Sobald
ich das Haus verlasse, weiß ich: "Jetzt bin ich im Dienst. Jetzt kommt die
öffentliche Meinung auf Dich zu." Und da muss man auf vieles gefasst sein.
Es ist ja erwiesen, dass viele Menschen sagen: "Dieses Arschloch kann ich
nicht ertragen" und schalten trotzdem jeden Abend ein. Taxifahrer zum
Beispiel schimpfen generell über das Fernsehen. Zurecht.
Prisma: Mal ehrlich. Ist nicht
das Privatfernsehen im Niedergang begriffen? Man muss sich doch nur mal diesen
Comedy-Boom ansehen.
Schmidt: Ach, wissen Sie. Das sind Phasen. Sie müssen nur den richtigen
Sender kucken. Wir haben nun mal die Öffentlich-Rechtlichen. Und wenn ich mich
politisch informieren will, kucke ich die ARD, die Tagesthemen, Monitor, den
Brennpunkt. Für mich gibt's ja nicht den Grund zu fragen: "Warum kann ich
das nicht auf RTL sehen?" Wenn es die ARD nicht mehr geben würde, dann müsste
man sich Gedanken machen. Aber die Gefahr besteht gottseidank nicht mehr.
Prisma: Apropos ARD, WDR,
Feuerstein. Er sagte mir letztens, dass er sich zum 10-jährigen
Schmidteinander- Jubiläum mit Ihnen ein Revival vorstellen könnte.
Schmidt: Nein, das würde ich nie machen. Man muss "Schmidteinander"
in der Verklärung belassen, in der es ist. Vorbei ist vorbei. Und nirgendwo ist
es etwas so vorbeier als im Fernsehen. Die Leute sollen "Schmidteinander"
ruhig verklären. Früher hat man geschimpft, heute jubeln alle, dass das Kult
sei. Sollen sie doch reden. Feuerstein und ich heute, das käm rüber wie ein
Altherrenspiel mit Buffi Ettmeyer und Hansi Müller. Warum sollen wir uns
sinnlos dem Vergleich aussetzen. Ich staune ja, was da mittlerweile so alles
reininterpretiert wird. Das ist auch gut so. Was sollte mich reizen, diese
Illusion zu zerstören? Es interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht mehr.
Aber ich distanziere mich nicht von der Zeit. Ich war damals eben der Schmidt
mit langen Haaren und Jeans. Heute bin ich der mit kurzen Haaren und Anzug.
Alles zu seiner Zeit. Im Fernsehen zählt nur, was sie aktuell machen. Alles
andere ist noch nicht mal Schnee von gestern.
Prisma: Der große Show-Rückblick
im ZDF mit Thomas Gottschalk und Frank Elstner hatte aber sehr gute Quoten. Die
Zuschauer finden anscheinend doch Gefallen an der Vergangenheit. Es wird
gewollt.
Schmidt: Definitiv.
Prisma: Aber ohne Sie.
Schmidt: So isses.
Prisma: Ihr alter
Schauspiellehrer hat mal gesagt, dass es schon ein früher Wunsch von Ihnen war,
berühmt zu werden.
Schmidt: Ja, stimmt, klar. Ich verstehe auch nicht, warum man den Beruf
sonst machen sollte. Ich glaube, keiner geht zum Fernsehen und denkt:
"Hoffentlich kriegt's keiner mit."
Prisma: Sie sind jetzt berühmt,
Sie sind Multi- Millionär und zufriedener Familienvater. Eigentlich ist das
doch das Endstadium der Glückseligkeit.
Schmidt: Fast. Ich bin noch nicht schwul. Das fehlt noch zur völligen
deutschen Medienabrundung.
Prisma: Ist Schwulsein derart en
vogue?
Schmidt: Ja. Gerade in Köln gibt es viele Modeschwule. Die sind gar
nicht richtig schwul, haben aber so einen leichten Medienschwuchtel-Touch, weil
sie glauben, dass sei angesagt.
Prisma: Undercover-Schwule?
Schmidt: Nein, leider nicht. Sondern im Gegenteil Oncover-Schwule. Hach
und hier und da und toll und dieses Getöle. Mir geht's da hauptsächlich ums
Getöle, weil es akustisch so störend ist. Mir ist es vollkommen wurscht, ob
jemand schwul, lesbisch oder sonstwas ist. Aber dieses laute Getöle in den
In-Kneipen geht mir auf die Nerven: "Hach, ich habe gleich ein Fax
geschickt!"
Prisma: Konvertiert die Stimme
ins Sanft-Schrille, wenn man schwul wird?
Schmidt: Ich glaube, je weniger schwul, desto mehr wird getölt. Ich
kenne ja genügend richtige Homosexuelle, in der Wolle gefärbt seit der
Erfindung. Da kommen Sie gar nicht drauf, dass die schwul sind. Die sind völlig
normal. Ich rege mich auf über die Kölner Medienschwuchtel.
Prisma: Ein perfektes Objekt, um
es in Ihrer Sendung durch den Kakao zu ziehen.
Schmidt: Ja, kommt gut an. Ich glaube, viele Schwule sind begeistert,
weil sie glauben, sie könnten mich doch noch rüberziehen. Andere wiederum
stehen auf dieses Gequältwerden: "Hach, er hat mich wieder beschimpft. Der
Harald ist so gemein. Ich hab nur geheult. Er ist wirklich der Gemeinste von
allen."
Prisma: Die Zeit ist wirklich
vorbei, in der man sich über solche Gags noch beschwert, oder?
Schmidt: Ja, definitiv.
Prisma: Wer bietet sich aktuell
an, verarscht zu werden?
Schmidt: Mein Lieblingspolitiker ist momentan Christian Wulff. Der tritt
in Pressekonferenzen immer öfter in Sweat-Shirts auf. Das ist so eine leicht
veraltete Form der Anbiederung. Von wem ich mir in dieser Richtung auch viel
erhoffe, ist Herr Mertz der neue Fraktionsvorsitzende der CDU.
Prisma: Achten Sie in Ihren
Shows auf Ausgewogenheit bei der Auswahl der politischen Gäste: Erst Schlauch,
dann Westerwelle, dann Müntefering...?
Schmidt: Nein. Überhaupt nicht. Man kann nicht mit jedem Politiker was
anfangen. Es geht rein um den Unterhaltungsfaktor. Aber angesichts der aktuellen
Lage, könnte ich mir selbst Frau Merkel als Gast vorstellen.
Prisma: Könnte interessant
werden, wenn man sich momentan ansieht, wie gut einige Politiker schauspielern können.
Sie selbst sind ja ausgebildeter Schauspieler. Haben Sie Idole?
Schmidt: Ja, viele. Ich gehe generell nur ins Star-Kino. Jack
Nicholson, Robert
Duvall und natürlich De Niro. Grandios, dass er nicht auf die Berlinale
gekommen ist, um sich seinen Preis abzuholen, oder? Alle laufen überall hin und
sammeln die Preise ein. Aber De Niro kommt einfach nicht. Das ist doch ganz große
Klasse.
Prisma: Wenn Sie das so toll
finden: Warum sind Sie dann zur Verleihung des Grimme-Preises gegangen oder zur
Goldenen Kamera? Sie haben ja tausend Preise.
Schmidt: Alle! Schreiben Sie bitte, dass ich alle habe und die meisten
doppelt. Ich habe 15 insgesamt. Ich gehöre auch nicht zu denjenigen, die
originellerweise sagen, dass der Preis über'm Klo hängt. Ich habe ein eigens für
diesen Zweck gefertigtes Regal in meiner Wohnung. Da stehen die Preise drin und
werden von Fachkräften poliert.
Prisma: Die Fachkräfte sind
Ihre Kinder?
Schmidt: Wollen Sie mir unterstellen, dass ich meine Kinder putzen lasse,
oder wie? Das ist mein Heer von Angestellten. Oder wie man heute sagt: mein
Facility Management.
Prisma: Nochmal zurück zum
Kino. War es für Sie ein Schock, als klar war, dass "Late Show"
gefloppt ist?
Schmidt: Der Film war ja kein Flop. Ich habe nur damit zu leben, dass der
Film überall als Flop bezeichnet wird. "Late Show" war mit 850000
Zuschauern der fünfterfolgreichste Film des vergangenen Jahres.
Prisma: Man hatte natürlich
sehr hohe Erwartungen an diesen Film gehabt. Wegen der ganzen PR.
Schmidt: Natürlich. Das war zuviel der Werbung. Aber das ist für mich
alles zweitrangig. Für mich waren diese Dreharbeiten ein sensationelles
Erlebnis. Mit einem großartigen Helmut
Dietl und einem tollen Kameramann Gernot Roll. Alles andere ist
Medienmaschinerie. Das ist nicht mehr mein Job.
Prisma: Aber die hohen
Erwartungen haben Sie selber zu verantworten gehabt. Indem Sie sich
beispielsweise gegenseitig in Ihre Shows eingeladen haben.
Schmidt: Ja, gut. Aber was soll ich machen? Ich habe 45 Einzelinterviews
gegeben. Nach dem dritten habe ich schon abgesagt. Zwei Minuten später war
Dietl am Telefon und hat gesagt: "Du musst das machen!" Und da dachte
ich mir: "Gut, ich verstehe nichts vom Filmgeschäft. Wird schon stimmen.
Und dann hab ich's gemacht." Für mich zählen aber die Erfahrungen am Set.
Mit da zu stehen, wo nicht Heinzchen Klawuppke mit Fördermitteln auch mal einen
Kultfilm machen will, sondern, wo einfach jemand sitzt, der einen gewaltigen Ruf
hat. Und das sind für mich Glücksmomente. In dem Film waren auch zuviele Leute
dabei, mit denen zuviele Journalisten noch eine Rechnung offen hatten. Was gibt
es Schöneres, als so eine Kombination von Leuten auf die Schnauze fallen zu
sehen?
Prisma: Es heißt, ein Film
bleibt um so mehr in der Erinnerung der Zuschauer, je mehr große Momente er
hat, an die man sich nachher erinnert. Einer dieser Momente ist im Falle von
"Late Show" sicherlich Ihre Leck-Szene.
Schmidt: Ja, bestimmt. Das hätte ich auch für keinen anderen gemacht
als für Dietl. Außer natürlich noch für Martin Scorsese.
Prisma: Aber der hätte nicht mit Jasmin
Tabatabai besetzt.
Schmidt: Na gut. Winona
Ryder hätte ich auch noch die Zehen geleckt.
Prisma: Lehnen Sie sich
eigentlich mal zuhause zurück und sagen sich: "Harald, jetzt hast Du's
geschafft!"?
Schmidt: Nein, weil es ja definitiv noch unerreichbare Ziele gibt. Oder,
nein. Es sind Träume. Aber man soll sich ja hüten, seine Träume zu erfüllen.
Weil es immer desillusionierend ist.
Prisma: Welche Träume sind das?
Schmidt: Eine Hauptrolle am Burgtheater. In einem Ein-Personen-Stück
selbstverständlich. Vielleicht auch mal die Wiener Philharmoniker am
Neujahrskonzert dirigieren. Und, in einem Scorsese-Film mitzuspielen. Es ist
aber bestimmt zehnmal spannender, sich das alles auszumalen, als es zu schaffen.
Es sind sicher fantastische Dreharbeiten, aber man sollte sich davor hüten,
seine Idole aus der Nähe sehen zu wollen. DeNiro darf einfach nicht zur
Berlinale kommen. Vielleicht merkt man auf einmal, dass das ein ganz
langweiliger Typ ist. Man lebt vom Geheimnis. Wie lebt wohl DeNiro?
Prisma: Ist das auch ein
Erfolgsrezept von Ihnen, dass Sie sich Geheimnisse bewahren?
Schmidt: Nein, ich habe damit nur angefangen, weil ich irgendwann keine
Lust mehr hatte, mich nach außen hin darzustellen. Es ist ganz gut, einen
Mythos aufzubauen um etwas, wo nichts ist.
Prisma: Bei Ihnen ist also
nichts?
Schmidt: Natürlich nicht. Das ist Heinzchen Normalverbraucher.
Prisma: Wären Fans also von
Ihnen erschreckt, wenn die wüssten, wie Sie privat leben?
Schmidt: Das glaube ich wiederum nicht. Weil auch dann noch etwas
interpretiert würde. Man würde dann sicher sagen: "Der macht doch einen
auf normal. Oh, kuck, der hat sich ein Brot geschmiert." Und wenn das aufhört,
dann müssen Sie irgendwann ins ZDF zurück. Es muss halt ständig irgendwo was
reininterpretiert werden.
Prisma: Aber nochmal zurück zu
Ihrer Zukunft. Was wären nach Ihrer Fernsehkarriere wirklich realistische
Ziele?
Schmidt: Ach, ich sehe meine Late Night Show nicht vom Ende bedroht. Mich
wird es in dieser Show noch geben, wenn schon viele andere in der Rubrik
"Was macht eigentlich...?" auftauchen.
Prisma: Wird es jemals soweit
kommen, dass auf der letzten Seite im Stern steht: "Was macht eigentlich
Schmidt?"
Schmidt: Nein. Nie. Weil es mich länger geben wird als den Stern. Ich
bin ja tierisch froh, nicht eine solche wöchentliche Illustrierte rausbringen
zu müssen. Wenn die erscheint, sind doch alle Themen schon abgefrühstückt.
Wenn bei mir mal eine Sendung nicht so läuft. Dann mache ich's halt am nächsten
Tag besser. Wenn der Stern eine Ausgabe nicht verkauft kriegt, dann stehen viele
parat, die den Job des Chefredakteurs besser ausfüllen können. Man muss es so
sehen: Donnerstags kommt Spiegel-Light raus.
Prisma: Sind Sie sich da so
sicher, dass es Sie länger geben wird? Sie sind ein Herzinfarkt-Kandidat. Außerdem
sind Sie Hypochonder, was auch nicht gerade förderlich ist.
Schmidt: Hypochonder bin ich keiner mehr. Ich habe mittlerweile eine sehr
gute Definition von Gesundheit: Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit.
Das heißt: Man muss sich einrichten mit dem, was einem der Körper bietet. Sie
können sich unter Umständen mit einem Bein fitter fühlen als mit zwei Beinen.
Für mich ist ein Superbeispiel Frank Williams, im Rollstuhl zwischen
Reifenstapeln. Oder auch Wolfgang Schäuble. Ich meine das Akzeptieren von
Schicksalsschlägen. So was imponiert mir wahnsinnig.
Prisma: Welche körperlichen
Schicksalsschläge mussten Sie schon hinnehmen?
Schmidt: Toi, toi, toi. Bisher noch keine. Aber es fängt schon so
langsam an. So Geschichten mit vermehrtem Sodbrennen. Das lass ich dann aber
alles checken und verändere sofort meine Ernährungsgewohnheiten
dementsprechend. Wenn mein Arzt sagt: Lassen Sie Scharfgebratenes weg, dann
lasse ich es halt weg. Es ist immer die Frage, wie man sich damit fühlt. Man
muss das so sehen: Ein Sinn ist ausgefallen, aber die anderen funktionieren
noch. Das ist eine Mentalitätsfrage. Und zum Thema Herzinfarkt kann ich nur
sagen, dass man das nie weiß. Letterman hatte ja auch das Herz eines Zwanzigjährigen,
wie sein Professor sagte. Und dann hat man ihn bei einer Routineuntersuchung
direkt dabehalten und hat ihm fünf Bypässe eingepflanzt. Mein Professor sagte
mal zu mir: "Ich brauche Sie auch nicht durchzuchecken. Ich kann Ihnen bestätigen,
dass Sie topfit sind. Sie gehen raus und fallen tot um." Gerade beim
Herzinfarkt ist ja überhaupt nichts vorauszusehen. Okay, man sagt, wenn Sie
sich kaum bewegen, fett essen und rauchen, ist die Wahrscheinlichkeit höher.
Muss aber auch nicht sein. Denn jeder kennt einen fetten Kettenraucher, der 95
ist; und einen Top-Sportler, der mit 38 tot umfällt. Wissen Sie, das Leben ist
endlich. Ich sehe das ganz locker. Und ich habe auch den Ehrgeiz, nicht krank zu
werden. Um die Show nicht ausfallen zu lassen. Ich versuche, die Krankheiten am
Wochenende wegzudrücken. Bisher gab es 713 Shows, nur vier musste ich wegen
Grippe ausfallen lassen. Um mich im Team ist man ständig krank. Mal hier, mal
da, mal dort. Ich bleibe auf der Brücke.
Prisma: Das ist wohl auch eine
Kopfsache.
Schmidt: Absolut.
Prisma: Sie haben hier auf Ihrem
Schreibtisch einen Ihrer Preise stehen. Von der GQ. Sie sind zum Mann des Jahres
1999 gewählt worden.
Schmidt: Ja, aber nur im Bereich Krawatte. Dazu gab es dieses Buch über
Dress-Codes.
Prisma: Als dieser Schnitt
passierte von "Verstehen Sie Spaß?" hin zur Schmidt-Show, mussten Sie
doch Ihre komplette Garderobe austauschen.
Schmidt: Ich hatte ja keine. Ich hatte Jeans, Rollkragenpullover. Und
Boss war ja so freundlich, mich auszustatten.
Prisma: Bis heute. Ich sehe, Ihr
Gürtel ist auch von Boss.
Schmidt: Ja, wobei das meine Schnell-Uniform ist, wo ich morgens
reinsteige, ohne genau hinzukucken. Hose: GAP. Schuhe: Salvatore Ferragamo.
Socken: auch Boss. Die sind noch von gestern abend von der Show. Und das Hemd
heißt Jake. Ist mein Lieblingshemd. Das habe ich schon seit sechs Jahren. Es
wurde gewiss schon 600 Mal gewaschen. Habe ich aber wahnsinnig gerne an.
Prisma: Aber die alten Jackets
und Hemden aus Schmidteinander-Zeiten tragen Sie nicht mehr?
Schmidt: Nein. Das gehörte ja auch alles dem WDR. Jetzt heißt es: Maßanzug
und Hemden. In zunehmendem Alter hört man ja auch auf herumzusuchen. Im
Privatbereich bin ich mit zwei Jeans und drei T-Shirts völlig abgedeckt. Der
Rest wird hier im Studio ausgewählt. Und es ist doch ein Segen, wenn Sie sich für
einen Anzug entschieden haben. Das lässt sich ja auch noch verfeinern.
Prisma: Wie?
Schmidt: Immer bessere Hemden. Immer bessere Anzüge. Immer bessere
Schuhe. Und irgendwann sagen Sie dann nur noch: "Gimme the best money can
buy!" .
Prisma: Sie wissen, dass Sie
sich dann aber von Boss trennen müssen.
Schmidt: Das lass ich mal als These von Ihnen beim laufenden Band so
dahingestellt. Aber ich muss sagen: Als junger Journalist sind Sie ein sehr
wacher Beobachter.
Prisma: Das könnten Sie in
einer Live-Sendung im Radio schlecht sagen. Sie waren ja auch mal beim Hörfunk.
Schmidt: Ja, beim WDR, "Unterhaltung am Wochenende" hieß die
Sendung. Aber ich fand mich da nicht so toll. Es gibt andere Leute wie Elmar Hörig,
die um Klassen besser rüberkommen.
Prisma: Elmi hat ja jetzt
endlich wieder einen neuen Job beim Rockland-Radio.
Schmidt: Ja, find ich toll. Auch für uns mal wieder ein Gast. Ich muss
ja mal sagen, dass ich mit Elmi aufgewachsen bin. Ich wollte ja werden wie Elmi.
Das muss ich mir mal eingestehen. Ich ging ja noch zur Schule, da war Elmi schon
der Superstar. Ich war ja später auch mal Gag-Schreiber von Björn-Hergen
Schimpf. Der hat im RTL-Radio "Guten Morgen, Deutschland" moderiert. Während
meiner Zeit beim Düsseldorfer Kom(m)ödchen war ich einer aus dem
Gag-Schreiber-Pulk und musste meine Gags beim heutigen Komödianten Hans-Werner
Olm abgeben. Schimpf hat kaum einen von mir genommen. Ich hatte aber damals das
Gefühl, dass da in der Hierarchie was nicht stimmt. Das habe ich immer. Das
wird einem zwar immer als Größenwahn ausgelegt. Aber glaube, ich liege da oft
richtig.
Prisma: War es für Sie immer
ein Ziel, in einer Hierarchie ganz oben zu stehen?
Schmidt: Wissen Sie, für mich gab es immer nur mich, die Bühne und den
Scheinwerfer. Alles andere sind Kunstprodukte, die mir nachgesagt wurden. Meine
Parole war früher immer: "Seht her, hier kommt der Erfinder des Showgeschäfts!"
Prisma: Und, haben Sie das
geschafft?
Schmidt: Ja .
Prisma: War das eigentlich schon
in der Schule so?
Schmidt: Ja, definitiv. Selbstzweifel haben mich selten gehindert. Das
heißt aber nicht, dass ich sie manchmal habe.
Prisma: Ihren Drang ins
Showgeschäft mussten also auch schon Ihre Mitschüler ertragen?
Schmidt: Ja. Wenn wir mit dem Bus nach Südtirol ins Schullandheim
fuhren, dann habe ich mir das Mikrofon vom Busfahrer genommen und vier Stunden
den Unterhalter gemacht.
Prisma: Sie waren ja in der
Schule sehr unbeliebt, weil Sie mit Ihren Witzen Lehrer und Schülerinnen
angegriffen haben.
Schmidt: Ja. Dieses Witzereißen entsteht ja aus Folgendem. Derjenige,
der in der Schule abräumt, das ist der Sport-Crack. Und wenn man selber den
Ball nicht trifft, muss man halt sehen, wie man sonst die Aufmerksamkeit auf
sich ziehen kann. Wenn Sie Leonardo DiCaprio sind, müssen Sie nicht gut reden können.
Aber wer will schon Leonardo DiCaprio sein?
Prisma: Sie hatten ja früher
wenig Erfolg bei den Frauen. Und sind deshalb so zynisch geworden?
Schmidt: Ja, auch.
Prisma: Jetzt ist alles anders.
Sie sind erfolgreich, und Erfolg macht bekanntlich sexy!
Schmidt: Ja. Ich muss abends mit der Sense ums Haus rennen.
Prisma: Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Martin Häusler