ALASKA

Trinkwasser im hohen Norden:

Ist Alaska's Flusswasser trinkbar ?

Als ich zum ersten Mal in die Wildnis ging nahm ich selbstverstaendlich an, dass das Flusswasser ohne weiteres getrunken werden kann. Selbst wenn das Wasser durch starke Regenfaelle leicht verschlammt war und keine Seitenbaeche zu finden waren trank ich das lehmige Gebraeu mit leichtem Missbehagen aber ohne groessere Besorgnis. 'Dreck reinigt den Magen' dachte ich mir waehrend meine Augen ueber die endlose Natur streiften, und zum Abkochen des Wassers war ich meist zu bequem und unbesorgt.
Es dauerte dann auch eine Weile, bis einige Alaskaner mich darauf aufmerksam machten, dass meine Haltung dem Wasser in der Wildnis gegenueber mehr auf meinem Wunschdenken von 'Wildnis pur' als auf Tatsachen basiert. Allerdings erwischte mich erst 10 Jahre nach meiner ersten Tour schlussendlich das beruechtigte Bieberfieber.

Da ich oft ueber die Trinkbarkeit von alaskanischem Flusswasser gefragt werde, ist es wohl Zeit dieses Thema ausfuehrlich zu behandeln:
Bis heute trinke ich das Wasser aus Bergfluessen zumindest in den Oberlaeufen unbehandelt und habe damit nie Probleme gehabt. Abgekochtes Wasser hat einen mir recht ekelhaft erscheinenden Beigeschmack und morgens am Fluss zu knieen und aus der hohlen Hand zu trinken waehrend die aufgehende Sonne den ueber dem Wasser treibenden Fruehnebel hebt ist ein Gefuehl, das unbezahlbar ist.
Trotzdem gibt es in fast allen alaskanischen Fluessen einen Einzeller namens 'Giardia lambia'. Dieser Krankheitserreger ist meist in Biberkot vorhanden (daher der Name 'Biberfieber') und kann sich im Darm festsetzen. Da der Erreger sein Stadium veraendern muss um den Darm anzugreifen ist die Inkubationszeit (Zeit bis zum ersten Symptom) ungefaehr 10-14 Tage. Durchfall, Darmkraempfe,Schwaeche, Hungerverlust sowie Uebelkeit bis hin zum Erbrechen sind Symptome des Befalls. Falls dies auftritt ist die wahrscheinlichste Diagnose Giardiasis.
Giardiasis dauert im normalen Falle 2-6 Wochen, obwohl es auch kronische Faelle dieser Infizierung gibt. Da der Darmparasit Zucker und Lactose liebt, ist es ratsam beides waehrend der Erkrankung zu vermeiden. Die Krankheit wird mit Antibiotika namens Metronidazol, Tinidazol oder Ornidazol behandelt.

Wer mit seinem Hausarzt redet und erklaert, dass man gerne eine Dosis dieser Antibiotika prophylaktisch (zur Vorbeugung) mit in den Busch nehmen will, wird wahrscheinlich nicht auf taube Ohren stossen. Manche Doktoren behaupten auch, dass sich die Syptome der Krankheit durch Kohletabletten mindern laesst, da diese von Erregern im Darm ausgestossene Giftstoffe absorbieren koennen. Kohletabletten sollten in jeder Tourenapotheke vorhanden sein, sind aber in der USA nur schwierig zu bekommen. Stuhlfestigende Medikamente sollten vermieden werden,da dies Giftstoffe im Darm zurueckhaelt.
Wasserfilter sollten nicht groesser als 0.9 Micron filtern um Giardia aus dem Trinkwasser zu entfernen. Silbersulfat-Tabletten toeten den Einzeller im Normalfall auch, (Micropur, etc) falls die Konzentration hoch genug ist. Im generellem Falle ist allerdings nur Micropur Forte offiziell geeignet.
Giardiasis ist allerdings nicht das einzige Trinkwasserproblem. Wer zum Beispiel den Yukon River kanut wird feststellen, dass dieser Fluss ab dem White River in den Yukon Territories ganzjaehrig sandig und verschlammt ist. Der White River traegt seinen Namen auf Grund seiner Farbe. Er wird von Gletschern gespeist und spuelt ueber 500.000 Tonnen Sand und Schlamm jaehrlich in den im Oberlauf klaren Yukon.Seitenfluesse koennen nach starken Regenfaellen schnell steigen und tragen dann ebenfalls grosse Mengen an Erdreich und Mineralien mit sich.
Auch muss bedacht werden, dass Oberlaeufe wie Beaver, Birch und Sheenjek fast voellig unberuehrt sind, der Yukon allerdings groessere Staedte wie Dawson City, Whitehorse, Eagle und Circle erdulden muss, die ihr Abwasser in den beruehmtesten aller nordamerikanischen Fluesse schuetten. Zwar sind dies insgesamt nur ca. 40.000 Haushalte, aber wenn man darueber nachdenkt wird einem sicherlich klar, dass Yukonwasser nur behandelt (gekocht, gefiltert oder chemisch desinfiziert) getrunken werden sollte.
Man sollte sich in allen anderen Faellen immer Gedanken darueber machen ob Siedlungen oberhalb des Einsatzpunktes liegen. Falls der 'Hauptfluss durch Regenfaelle, die manchmal ueber 200 km entfernt stattfinden koennen, verschlammt ist, sollte man beim Wasserschoepfen von vielleicht klaren Seitenbaechen auch auf die Karte gucken um zu sehen woher das Wasser kommt. Falls es aus einem sumpfigen Seengebiet stammt in dem gerne Biber leben, sollte es desinfiziert werden.

Wer sich einen Wasserfilter leistet sollte zumindest eine Filterkartusche als Ersatz mitnehmen, das diese in solchen Faellen recht schnell verstopfen. Auch sollten die Filtersysteme in Europa gekauft werden und nicht in Alaska, damit man spaeter fuer weitere Touren die Gewaehrleistung hat Ersatzteile und weitere Filter ohne Probleme vom Erzeuger geliefert zu bekommen.

Wer keinen Filter besitzt und auf dem Yukon paddelt oder einen Regensturm in Oberlaeufen erlebt kann sich eines anderen Tricks bedienen:
Setze einen grossen Topf auf's Feuer, koche das Wasser und lasse es ueber Nacht stehen. Sand und Schlamm setzen sich ueber Nacht nach dem Kochen sehr leicht am Boden ab. Wer dann noch einen kleinen Plastikschlauch hat, kann das klare Wasser ohne Probleme vom Topf absaugen ohne den Bodensatz zu stoeren. Manche Teams haben auch Kaffeefilter nach dem Abkochen benutzt. Diese verstopfen allerdings sehr schnell, wonach die Fuellung des Filters und das sehr langsame Tropfen des klaren Trinkwassers zu muehsamer und ungeheuer langweiliger Arbeit wird.Ein kleiner Schlauch ist da schon besser. Manche Teams haben erfolgreich am Boden aufgeschnittene Saftflaschen benutzt (die Deckeloeffnung nach unten) und zwischen Papiertuechern selbstgebaute Holzkohlefilter zur Wasserreinigung kreiirt. Dies scheint auch recht gut zu klappen.

Jeder muss seine eigene Entscheidung in Hinsicht auf Wasserversorgung treffen.
Meine einzige Giardiasis hohlte ich mir auch nicht tief im Busch, sondern waehrend des Baus eines Hauses am unteren Chatanika River nahe von Fairbanks. Persoenliche Vorkehrungen im Busch laufen darauf hinaus, dass ich kein Wasser nahe von Biberdaemmen oder deren 'Haeusern' schoepfe. Auch koche ich Wasser von stehenden Gewaessern wie Seen ab und tue das selbe in langsam fliessenden Unterlaeufen mit einer hohen Biber-Population.
Wenn Teams mich fragen, wie sie die Trinkwasserfrage handhaben sollen gebe ich regelmaessig zwei Antworten.
Die offizielle (legale) Antwort ist: Trinke Wasser nur, wenn es abgekocht,desinfiziert oder gefiltert ist.
Die inoffizielle (persoenliche) Antwort ist: Macht euch in den Oberlaeufen keine grosse Sorge drum. Wenn der Fluss spaeter langsamer und breiter in seinem Unterlauf wird, ihr an jeder Kurve Biber seht und der Geschmack des Wassers sich zu aendern beginnt, kocht es ab, behandelt es mit Tabletten oder filtert es.

Als letzter Hinweis sollte auch die Wasseraufbewahrung besprochen werden:
Natuerlich kann man sich hervorragende Wasserflaschen fuer Trekking-Touren in Deutschland kaufen und dafuer teuer bezahlen. Dank der weltweiten Wegwerfgesellschaft werden allerdings Saefte heutzutage in der USA in recht stabilen Plastikflaschen bis zu 4 Liter Groesse angeboten, die sich hervorragend auf Touren bewaehrt haben. Ich rate jedem Team ein bis zwei dieser Flaschen zu kaufen, den Saft zu trinken und sie danach als Wasserbehaelter zu verwenden. Die Flaschen sind mit stabilen Griffen versehen und sehen Dank der Designer, die jede groessere Firma anscheinend heutzutage anstellt sogar recht gut aus. Ich rate davon ab, teure Wassersaecke oder sogenannte 'Expeditions-Trinkflaschen' zu kaufen, die den groessten Teil des Jahres im Regal liegen.

Happy Trails,
Peter

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Peter Kamper

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