Jan`s Story
von
Sirius DANUS
Familie Droster wohnte in einem schönen Haus mit großem
Garten am Rande einer Großstadt. Vater Droster hatte eine eigene Firma, die
sich mit Immobilienkauf und -verkauf beschäftigte und Frau Droster erledigte
halbtags einige administrative Arbeiten für ihren Mann. Die beiden Kinder, Jan
und Sarah hatten viele Freunde und es war immer gute Stimmung bei den Drosters.
Jan war beinahe sechs und Sarah fast dreizehn Jahre alt. Sie liebten einander
sehr und auch wenn es manchmal, wie in allen Familien, ein wenig Streit gab,
standen sie doch voll zu einander. Eines Tages kam Frau Droster nachmittags vom
Arzt heim und wirkte ein wenig aufgeregt. Herrn Drosters Mutter, die immer auf
die Kinder aufpaßte, sah ihr an, dass sie etwas wichtiges bewegte. „Was ist
denn los“, fragte sie ein wenig besorgt. „Das erfahrt ihr, wenn Papa da
ist“, erwiderte sie lächelnd und machte sich daran, das Abendessen zu zu
bereiten. Als Herr Droster aus dem Büro kam, spürte er die Spannung und
fragte, was denn los sei. „Setzt euch erst mal“, sagte Frau Droster. Nachdem
alle Platz genommen hatten, sahen sie sie gespannt und erwartungsvoll an.
„Nun sag doch schon“, drängte Oma Droster. „Also ich war heute
nachmittag beim Arzt und“, sie zögerte kurz, „nun ja, mein Verdacht hat
sich bestätigt! Ich bin wieder schwanger!“ Es dauerte ein wenig bis Herr
Droster reagierte. Dann sprang er auf und umarmte seine Frau. Er küßte sie und
streichelte ihr Haar. „Du machst mich sehr glücklich“, rief er und auch die
Kinder umarmten ihre Mutter. „Nicht so stürmisch“, sagte Oma, „ihr erdrückt
die Arme ja!“ „Krieg ich jetzt einen kleinen Bruder“, fragte Jan. „Nun,
das weiß ich noch nicht. Aber es kann schon sein“, antwortete Mama. „Und
wenn nicht, wird’s hoffentlich eine Schwester“, fuhr Jan fort. „Das
scheint doch sicher“, antwortete Papa lachend.
Einige Monate waren vergangen und die Spannung wuchs.
Drosters wußten nun bereits, dass sie bald einen Jungen mehr haben würden.
Frau Droster war weniger aktiv und manchmal auch ein wenig gereizt. Das konnte
der kleine Jan einfach nicht verstehen. „Warum ist Mama so anders“, fragte
er Oma. „Nun, es ist nicht einfach, ein Kind zu bekommen. Es wächst im Bauch
von Mama und manchmal tut es auch ein bißchen weh. Du mußt halt jetzt ein
wenig Rücksicht nehmen.“ Aber Jan wollte sich damit nicht abfinden. Er war
sechs Jahre der Liebling aller und nun sprachen sie nur mehr über das Baby!
Eines Morgens, als Mama Jan weckte, begann er zu weinen und wollte einfach nicht
aufstehen. „Was ist denn los, mein Schatz?“ Aber der Junge weinte weiter und
gab keine Antwort. „Nun komm schon, die Tante im Kindergarten wartet doch auf
dich und das Frühstück ist auch bereits fertig.“ Als Mama sich auf Jans Bett
setzte wußte sie, warum der Bub weinte. Er hatte wieder einmal ins Bett
gemacht. Dies kam in letzter Zeit wieder öfter vor und Jan war darüber immer
sehr unglücklich. „Ach Schatz, deshalb brauchst du doch nicht weinen“,
sagte sie liebevoll, während sie die Bettdecke zurück schlug und den Jungen
aus dem nassen Bett hob. „Ich werde dich rasch duschen und dann frühstücken
wir gemeinsam, ja?“ Nachdem sie alles erledigt und den Jungen in den
Kindergarten gebracht hatte setzte sie sich auf das Sofa und schloß die Augen.
Es fiel ihr zunehmend schwerer, die tägliche Arbeit zu erledigen und auch den
Jungen konnte sie kaum mehr heben ohne Kreuzschmerzen zu bekommen. Sie ruhte ein
wenig aus und ging dann einkaufen.
Als Sarah von der Schule heim kam half Mama ihr bei
den Hausübungen und dann besorgten sie gemeinsam den Haushalt. Mama wusch ab
und Sarah saugte die Zimmer und richtete die Betten. Dabei sah sie natürlich
auch, dass Janchens Bett abgezogen war und bemerkte den nassen Fleck auf der
Matratze. „Hat Janchen wieder eingenässt“, fragte sie, als sie in die Küche
zurück kam. „Leider ja. Ich denke, das wird aufhören, wenn der ganze Streß
vorbei ist und das Baby endlich geboren wurde. Aber wir sollten unbedingt einen
Matratzenschoner für ihn kaufen“, antwortete Frau Droster. „Gestern hat er
sogar die Hose genäßt, weil er angeblich zu spät bemerkte, dass er muß. Und
das war nicht das erste Mal“, sagte Sarah und im gleichen Moment wurde ihr
bewusst, dass sie das eigentlich für sich behalten hätte sollen. „Davon hab
ich ja noch gar nichts bemerkt. Warum habt ihr mir das nicht gesagt“, fragte
Mama. „Naja, er weinte jedesmal sehr und hat gebettelt, dir nichts zu sagen,
weil du ja mit dem Baby im Bauch genug zu tun hast. Bitte sag ihm nicht, dass du
es von mir gehört hast. Oma hat seine Sachen immer gleich ausgewaschen und
aufgehängt, damit du dich damit nicht belasten musst. Sie meinte, ob wir ihm
nicht vorübergehend wieder Windeln anlegen sollten, aber ich glaube, das wäre
ihm nicht so recht. Er ist eigentlich immer sehr stolz darauf gewesen, kein Baby
mehr zu sein.“ „Das denke ich auch. Vor allem könnte sich dadurch die Sache
noch verschlimmern. Denn wozu sind denn Windeln da? Also würde er noch weniger
darauf achten, rechtzeitig raus zu gehen und nur mehr in die Windeln machen.
Vielleicht hilft es, wenn ich mich heute abends ein wenig mit ihm unterhalte.“
Frau Droster machte sich nun doch ein wenig Sorgen um Jan. Sie nahm sich vor,
mit ihm ein ausführliches Gespräch zu führen und ihm klar zu machen, dass sie
ihn trotz des Babys noch genau so lieb habe wie bisher. Irgendwie schien er sich
doch vernachlässigt zu fühlen. Dies war Frau Droster aber bisher noch nie
wirklich aufgefallen. So sehr sie auch nachdachte, konnte sie nichts finden,
dass Jan so empfinden lassen könnte.
Als sie den Jungen vom Kindergarten holte, erkundigte
sie sich bei der Tante, ob denn im Kindergarten auch schon `Pannen´ passiert wären.
„Ich habe es Ihrer Schwiegermutter schon einige Male gesagt und sie hat
Janchen dann Reservekleidung mit gegeben. Es passiert schon einige Male pro
Woche, dass er nass ist, vor allem während des Mittagsschlafes und ich habe den
Eindruck, dass es immer öfter vorkommt. Einige Male war er danach sogar voll!
Er sagt dann immer, er habe es nicht mehr rechtzeitig zur Toilette geschafft
oder es erst zu spät bemerkt. Manchmal ist er mit einigen anderen in der
Spielecke und plötzlich sitzt er in einer Riesenlacke. Wenn die anderen Kinder
dann lachen, weint er natürlich. Wir haben schon überlegt, ihn tagsüber
wieder zu wickeln, denn die Situation ist für alle Beteiligten sehr unangenehm.
Nicht, dass uns die Arbeit zu viel wäre, aber es ist auch wegen der anderen
Kinder. Jan ist das immer sehr unangenehm und ihn drei- bis viermal täglich zu
duschen und um zu ziehen ist ihm sicher auch peinlich. Gelegentlich nuckelt er
beim Mittagsschlaf auch am Daume. Das tat er früher nie. Vielleicht sollten sie
einmal mit dem Kinderarzt darüber sprechen.“ „Warum haben sie mir diese
Vorfälle nicht schon früher mitgeteilt“, fragte Frau Droster. „Ich dachte,
sie wüssten ohnedies Bescheid. Ihre Schwiegermutter hatte ja erwähnt, dass es
auch zu Hause manchmal nasse Hosen gibt.“
Frau Droster ging mit Jan heim und überlegte, wie
sie dem Jungen helfen könnte. Warum begann er nun plötzlich wieder ins Bett
und die Hose zu machen, wo er das doch schon drei Jahre nicht mehr getan hatte?
War es wirklich Eifersucht auf das Baby, dass er sich selbst wieder wie eines
benahm? Sie musste das wieder in den Griff bekommen, denn sie war sicher, dass
Jan sehr darunter litt und es bestimmt nicht absichtlich tat. Sie würde
versuchen, Jan von nun an mehr Zeit zu widmen als bisher. Sollte sich die Sache
nicht bessern, würde sie wohl wirklich einmal mit Jans Arzt darüber reden müssen.
Es gingen ihr viele Dinge durch den Kopf und sie begann ernsthaft über das
erneute Wickeln ihres beinahe sechsjährigen Sohnes nach zu denken.
Nach dem Abendessen brachte Frau Droster Jan zu Bett
und setzte sich zu ihm auf die Bettkante. „Was ist denn in letzter Zeit mit
dir, Schatz? Ich habe mit der Tante im Kindergarten gesprochen und erfahren,
dass du oft vergisst, zur Toilette zu gehen oder sagst, es nicht bemerkt zu
haben. Du bist doch ein großer Junge und hast seit drei Jahren nicht mehr in
die Hose gemacht. Ich denke, dass es mit dem Baby in meinem Bauch zu tun hat.
Wahrscheinlich habe ich dir einfach zu wenig Zeit gewidmet, aber das werde ich
ändern. Und dafür bemühst du dich bitte, wieder wie ein großer Bub die
Toilette zu benutzen. Es ist dir doch sicher sehr unangenehm, wenn die anderen
Kinder im Kindergarten über deine nassen Hosen lachen. Tante Gerda meinte, sie
wird dir wieder Windeln anziehen, wenn es nicht besser wird und langsam denke
ich auch, dass es das beste wäre. Du weißt doch, dass ich dich genauso lieb
habe wie früher und es keine Rolle spielt, ob nun bald wieder ein Baby da ist
oder nicht.“
Sie nahm ihren Jungen in den Arm und er drückte sich
ganz fest an sie. Tränen kullerten über seine Wangen. „Ich möchte ja eh
nicht in die Hose machen. Aber irgendwie spür ich´s immer öfter erst, wenn es
schon zu spät ist. Dann lachen mich aber die anderen immer aus und ich muss
unter die Dusche und umziehen. Das find ich echt doof. Kannst mir nicht helfen,
damit das wieder aufhört? Bitte Mami, ich will nicht wieder ein Baby sein. Und
Windeln will ich auch keine!“ „Wein doch nicht, Schätzchen. Wir bekommen
das schon wieder in den Griff. Aber die Sache mit den Windeln ist vielleicht gar
nicht so schlimm, wie du glaubst. Sieh mal, wenn deine Windeln nass oder voll
sind, ist die Gefahr, dass die Kinder das mit bekommen nicht so groß, als wenn
das mit deinen Hosen passiert. Dann brauchst du dich auch nicht mehr davor fürchten
ausgelacht zu werden. Außer der Tante wird es keiner wissen und du gehst dann
einfach zu ihr und bittest sie, dich frisch zu wickeln. Überleg es dir mal in
Ruhe. Ich werde dich sicher nicht zwingen, wenn du es nicht willst“, erwiderte
Frau Droster, legte den Jungen ins Bett, deckte ihn zu und gab ihm einen
Gute-Nacht-Kuß.
Dann ging sie zu Sarah ins Zimmer, die gerade für
eine Geschichte-Prüfung lernte. „Ich habe mit Jan gesprochen und ich bin
jetzt sicher, dass er nicht absichtlich einnässt. Es ist ihm im Gegenteil mehr
als peinlich und er bat mich ihm zu helfen, dass es wieder aufhört“, sagte
sie zu ihrer Tochter. „Habt ihr auch über Windeln gesprochen“, fragte
diese. „Ja und er weinte, weil er kein Baby mehr sein will. Aber ich habe ihn
gebeten, in Ruhe darüber nach zu denken. Ich werde sicher ein wenig Hilfe von
dir benötigen. Sollte er sich dafür entscheiden, darfst du ihm nie das Gefühl
geben, deswegen noch ein Baby zu sein. Versprich mir das bitte.“ Sarah bejahte
und Mama ging nach unten.
Dann bat sie ihren Mann und dessen Mutter zu einem
Gespräch. Auch Herr Droster wusste Bescheid über Jans Probleme und
rechtfertigte sein Schweigen damit, dass seine Frau ohnedies nicht so belastbar
sei wie sonst. „Ich habe Jan gefragt ob er nicht besser vorübergehend wieder
Windeln anziehen möchte. Natürlich will er das nicht, aber er versprach mir,
es sich zumindest zu überlegen. Es hat sicher mit dem Baby zu tun. Es bleibt
mir einfach zu wenig Zeit für Jan. Zudem bin ich leichter gereizt als früher
und oft auch etwas energischer. Sicher ist das nicht in Ordnung und ich werde
versuchen, das zu ändern“, sagte Karola. „Mach dir bitte nicht zu viele
Sorgen wegen Jan. Das kommt schon wieder in Ordnung“, erwiderte Papa und nahm
seine Frau zärtlich in den Arm.
Am nächsten Morgen war der Kleine wieder nass und
nun bat er Mama von sich aus, doch Windeln zu kaufen, weil er nicht ständig im
Nassen liegen oder mit nasser Hose rumlaufen wollte. Teilweise war Frau Droster
nicht gerade unglücklich über Jans Bitte, aber sie hatte schon ein wenig
Bedenken, ob er dadurch nicht erst recht das schon Gelernte wieder aufgeben würde.
Sie zog den Kleinen aus und brachte ihn ins Badezimmer. Nachdem sie ihn geduscht
hatte, holte sie aus Jans Kasten einige Stoffwindeln von früher und fand sogar
ein Plastikhöschen das noch passte. Sie wickelte ihn und half ihm beim
Anziehen. Anschließend setzten sie sich gemütlich zum Frühstück und gingen
danach zum Kindergarten. Beim Einkaufen besorgte sie trotz ihrer Bedenken
Windeln in Jans Größe und brachte anschließend gleich einige im Kindergarten
vorbei, die sie so unauffällig wie möglich Jans Tante übergab. Diese gab Frau
Droster im Gegenzug gleich wieder nasse Wäsche mit, denn Jan hatte sich wieder
mal zu spät gemeldet, und bedankte sich für die Windeln. Dann rief Tante Gerda
den Jungen und ging mit ihm in den Waschraum, wo sie ihn wickelte.
Widerstandslos ließ er das über sich ergehen und ein wenig war er auch froh.
Jetzt würde ihn keiner mehr auslachen, wenn er in die Hose machte, denn er würde
es nur der Tante sagen und wegen der Windeln würden es die anderen Kinder nicht
mehr mit bekommen. Aber ein komisches Gefühl war es doch ein wenig.
Frau Droster ging heim und verstaute die übrigen
Windeln in Jans Kasten. Dann zog sie sein Bett ab und spannte den ebenfalls neu
gekauften Matratzenschoner unter das Leintuch. Danach ging sie in die Küche
hinunter, um das Mittagessen für Sarah und sich zu bereiten. Als das Mädchen
heim kam, erzählte Mama ihr alles und Sarah schien erleichtert über Jans
Entscheidung. „Ich verspreche dir, dass ich Janchen wegen der Windeln weder
auslachen noch aufziehen werde. Wenn du willst, kann ich ihn auch statt dir
wickeln. Das hab ich ja manchmal schon gemacht, als er noch ein Baby war. Und es
macht mir wirklich nichts aus. Hauptsache, du hast nicht zu viel Arbeit“,
sagte sie lächelnd. Mama nahm sie in den Arm und war glücklich, denn mit
Sarahs Hilfe würde es ihr sicher leichter fallen, die zusätzliche Arbeit zu
bewältigen.
Es
war an einem schönen Herbsttag, als in Herrn Drosters Büro das Telefon läutete.
Droster hob ab und am anderen Ende der Leitung meldete sich eine sympathische
Frauenstimme: „Hier ist Klinik Bräuer. Ich wollte ihnen mitteilen, dass sie
soeben Vater eines gesunden Buben geworden sind. Er ist 3120 Gramm schwer und
etwa 38 Zentimeter groß.“ Herr Droster strahlte über das ganze Gesicht.
Endlich! Die letzten Monate waren ihm wie Jahre vorgekommen. Karola, seine Frau,
war in den letzten Wochen auch schon etwas unleidlich geworden und konnte den
Geburtstermin kaum noch erwarten. Die Anspannung wich von ihm. Er teilte seiner
Sekretärin mit, dass er den Nachmittag frei nähme um zu seiner Frau in die
Klinik zu fahren und machte sich auf den Weg.
Im Krankenhaus angekommen wurde er schon von seiner
Mutter und den anderen beiden Kindern erwartet. „Papa wir haben einen kleinen
Bruder“, riefen beide im Chor und man sah ihnen die Freude darüber schon von
weitem an. „Nun beruhigt euch erst mal“, sagte Drosters Mutter und umarmte
ihren Sohn. „Gratuliere Ewald, der Junge ist wirklich süß. Ich war so frei
und habe ihn mit den Kindern schon angesehen. Jetzt ist er bei Karola. Ich
bleibe hier bei den Kindern. Geh zu ihr.“
Droster konnte es kaum erwarten, den Jungen zusehen
und auf den Arm zu nehmen. Als er in Karolas Zimmer kam, hatte diese ihn auf dem
Arm und lächelte Ewald an. Der küßte seine Frau und sah dann den Buben an.
„Er ist wirklich hübsch. Das hat er wohl von seiner Mutter“, flüsterte er
zärtlich. „Willst du ihn nehmen?“ „Gerne.“ Vorsichtig nahm Droster das
Kind in seine starken Arme und küßte es auf die Stirn. „Hallo Gregor“, flüsterte
er und streichelte liebevoll den Kopf des Babys. „Willkommen in der Welt und
bei deiner Familie. Wir haben dich schon sehnsüchtig erwartet.“ Nachdem er
das Kind noch eine Weile gehalten hatte gab er es an Karola zurück. „Wie geht
es der Mutter? Ist alles in Ordnung? Wir vermissen dich sehr.“ „Ich bin ja
bald wieder daheim. Also keine Aufregung. Was ist mit Jan? Geht es schon besser
mit ihm?“ „Leider nicht. Ohne Windeln fort zu gehen ist mehr als riskant.
Wir haben es gestern versucht und er war nass bis auf die Socken!“ „Wenn ich
wieder daheim bin, wird es sicher besser. Oma ist wohl auch eine große Stütze.
Die Kinder lieben sie. Schade, dass meine Eltern das nicht mehr erleben dürfen.
Nun sieh mal, Gregor ist eingeschlafen.“ Herr Droster betrachte den Kleinen
und es schien ihm, als würde er lächeln. Er unterhielt sich noch eine Weile
mit Karola. Dann verließ er das Zimmer und ging zu den anderen.
„Wann kommt Mami wieder heim“, fragte Jan
aufgeregt. „In ein paar Tagen sind wir wieder alle zusammen“, erwiderte
Droster. „Darf ich das Baby auch baden und wickeln“, wollte Sarah wissen,
die schon nach Jans Geburt sehr geholfen hatte, obwohl sie damals erst sechs
war. „Aber natürlich und zur Feier des Tages gehen wir alle, auch Oma, heute
ganz fein essen.“ Dann stiegen
alle ins Auto und fuhren heim. Herr Droster ging gleich nach oben und betrat das
künftige Zimmer Gregors. Es war wirklich sehr nett eingerichtet. Das meiste
hatte er selbst gemacht. An den Wänden waren blaue Tapeten mit Teddybären und
anderen Spielsachen darauf. Auf dem
neuen Teppichboden standen eine Wiege mit blauen Vorhängen, ein Kasten für
Gregors Sachen und eine Wickelkommode. In einer großen Truhe neben der Wiege
lagen die neuen Spielsachen. Zwar hatte er dafür sein Arbeitszimmer opfern müssen,
aber er bereute es keine Sekunde. Außerdem würde er im geplanten Zubau
ohnedies wieder eines einrichten. Ewald betrachte all das mit einem Lächeln und
überprüfte noch mal, ob auch wirklich alles für die Ankunft des Jungen bereit
war. Die Windeln lagen im Schrank und einige auch auf der Wickelkommode. Der
blaue Strampelanzug und einige Hemdchen waren auf dem Rand der Wiege plaziert
und auch Windeleimer und Babybadewanne standen bereit. Zufrieden schloß er die
Tür und ging hinunter in den Salon.
Die
Kinder saßen bei Kakao und Kuchen und Oma las ihnen aus dem neuen Märchenbuch
vor. Sie hatte es selbst gekauft, denn die Kinder liebten es, wenn Oma ihnen
vorlas und die anderen Bücher kannten sie beinahe auswendig. Als Jan fertig
war, nahm er ein Blatt Papier und begann zu zeichnen. Erst ein Haus, dann Mama,
Papa und Sarah, Oma und schließlich das Baby. Er malte noch eine Sonne dazu und
einige Wolken. Zum Schluss kam noch ein Herz für Mama dazu. Dann brachte er die
Zeichnung in Gregors Zimmer, legte sie auf die Wickelkommode und ging in sein
Zimmer spielen.
Droster
ließ sich in den antiken Ohrensessel fallen und schloß die Augen. Vor seinem
geistigen Auge ließ er die Jahre, als Jan und Sarah Babys waren, Revue
passieren. Er konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie er Karola mit Sarah
aus der Klinik heim gebracht hatte. Ganz vorsichtig hatten sie die Kleine in
ihre Wiege gelegt und waren bei ihr geblieben bis sie eingeschlafen war. Er
hatte das Kind oft selbst gebadet und gewickelt und Karola viel Arbeit
abgenommen, damit sie sich von den Strapazen der Schwangerschaft erholen konnte.
Bei Jan war es ähnlich. Ewald mußte lächeln. Jan war auch so ein niedlicher
kleiner Bursche wie Gregor gewesen und nun stand er kurz vor dem Schuleintritt.
„Die Zeit vergeht viel zu rasch“, dachte er. Er sah sich mit Jan und Sarah
im Garten spielen und bei ihrem Urlaub am Meer Sandburgen bauen. Ja, er war sehr
glücklich und ein liebevoller Vater. Er liebte seine Kinder über alles und
verbrachte so viel Zeit wie möglich mit ihnen, wenngleich sein Geschäft ihn
schon ziemlich in Anspruch nahm.
„Papa,
ich muss ganz fürchterlich dringend“, riß Jan ihn aus seinen Gedanken.
„Aber du bist doch ein großer Junge und kannst das alleine erledigen. Oder
soll ich mit dir gehen? Lauf rasch zur Toilette, ehe es wieder zu spät ist“,
antwortete er lächelnd. „Aber Sarah ist dort und es ist echt schon total
knapp!“ „Geh doch nach oben ins Bad.“ „Aber dort ist Oma! Ich halt´s
kaum mehr aus“, erwiderte der Junge mit Tränen in den Augen. „Wird ja nicht
mehr lange dauern. Das schaffst du schon“, sagte Droster und nahm den Jungen
auf den Schoß. Er strich ihm durchs Haar und gab ihm einen Kuß auf die Stirn.
Unruhig zappelte Jan herum und sprang plötzlich auf. Dann lief er, schon
ziemlich verzweifelt und weinend erst unten zur Toilette, die aber noch nicht
frei war, und dann nach oben ins Bad, wo Oma gerade heraus kam. Fast hätte Jan
sie umgelaufen. Rasch schloss der Junge die Tür hinter sich. Plötzlich hörte
Oma ihn weinen und ging nach sehen. Traurig stand er vor der Toilette und zu
seinen Füßen hatte sich eine Lacke gebildet. Er hatte es wieder einmal nicht
mehr rechtzeitig geschafft! An dem strengen Geruch konnte sie auch gleich
erkennen, dass Janchen nicht nur nass war. Oma nahm in bei der Hand und setzte
ihn auf die Kommode bei der Badewanne.
Nachdem
sie seine Tränen abgewischt hatte zog sie ihn aus und duschte ihn. „Nun wein
doch nicht. Es schimpft ja keiner mit dir. Aber wie kann denn alles in die Hose
gegangen sein? Sarah hat dich doch vor dem Weggehen gewickelt. Wieso hattest du
jetzt keine Windel an?“ „Die
hab ich schon im Spital in die Toilette geworfen, weil sie so nass war und so
schwer. Und ich hab mich geniert, euch zu sagen, dass ich schon wieder nass
war.“, antwortete Jan. „Nun beruhige dich doch, ist ja nicht weiter schlimm.
Komm, wir gehen in dein Zimmer und ich ziehe dich um. Die schmutzigen Sachen
wasche ich aus und hänge sie bei mir auf. Dann merkt keiner was. Das nächste
Mal sagst du es einfach jemandem von uns und bekommst eine frische Windel. Das
muss dir überhaupt nicht unangenehm oder peinlich sein“ sagte Oma und brachte
den Buben in sein Zimmer. Nachdem sie den Jungen gewickelt hatte zog er sich an
und sie wusch seine Hosen aus und ging anschließend zu ihrem Sohn nach unten.
„Was war denn los“, fragte Ewald. „Ach Janchen kam mal wieder zu spät
raus und darum hat er geweint. Ich habe aber schon alle Spuren beseitigt und ihn
gewickelt. Er spielt jetzt in seinem Zimmer und hat sich wieder beruhigt.“
An den Samstagen fuhren wir raus ins Grüne und die Kinder waren stets total überdreht. Sie liebten es.
All
die schönen Wanderungen und Ausflüge haben die Kinder viel gelehrt und Jan weiß
bald besser in der Natur Bescheid als Sarah. Wenn Karola sich erholt hat und
Gregor ein wenig älter ist, werden wir das wieder aufnehmen, denn die Kinder
lieben es und sonst haben sie ohnedies nicht viel von mir.
Die
Zeit ist einfach so schnell vergangen. Sarah wird bald dreizehn und Janchen
kommt nächstes Jahr in die Schule. Und nun ist Gregor da.
Ich freue mich wirklich sehr auf die Zeit mit ihm und
ich hoffe, die beiden anderen kommen gut mit ihm zurecht. Jan ist ja ein klein
wenig eifersüchtig seit Karolas Schwangerschaft und benimmt sich zeitweise
selbst wie ein Baby. Aber heute hat man ihm angesehen, dass er sich sehr über
den Kleinen freut. Und ich denke, dass mit seinen `Pannen´ wird nun auch bald
aufhören. Dann können wir die Windeln wieder ganz weg lassen. Es wäre sicher
sehr unangenehm, wenn Janchen auch noch damit zur Schule müsste.
Gut, dass Karola bald wieder da ist. Sie fehlt den
Kindern und mir sehr. Ich war in Gregors Zimmer. Es ist alles bereit. Ich bin
sehr stolz auf Karola. Wie sie das alles durch gestanden hat, trotz der Probleme
mit Jan. Das Baby ist so niedlich. Er ist wirklich ein hübscher Junge. Hast du
gesehen, wie herzig er lächelt? Er ist genauso hübsch wie seine Mutter. Und er
hat ihre schönen, blauen Augen. Ja, ich bin wirklich sehr glücklich, Mama.“
Der Kinderarzt hatte zu einer eingehenden Untersuchung geraten, die aber auch kein brauchbares Ergebnis lieferte, außer, dass die Blase des Jungen für sein Alter viel zu klein war. Bei dem Vorgespräch zur Einschulung hatte Karola das Problem verschwiegen. Teils aus Scham, teils, weil sie fürchtete, der Bub könnte dann nicht angenommen werden. Und vielleicht würde es ihn kränken, ein Jahr zurück gestellt zu werden. Doch früher oder später mussten die Lehrer und vor allem die anderen Kinder in der Klasse Jans Problem bemerken. Eine volle Windel war ja nicht zu übergehen. Mama hatte wirklich Angst, ihr Kleiner könnte dann zum Gespött der Schule werden.
Natürlich behielt sie diese Gedanken größtenteils für sich und vor allem dem Kind gegenüber schwieg sie darüber. Aber abends sprach sie oft mit ihrem Mann darüber. „Janchen wird darunter sehr leiden, wenn ihn die Mitschüler verspotten. Er ist doch so ein sensibler Bub. Wenn ich bloß wüsste, wie wir ihm helfen können! Wir reden oft miteinander und er sagt stets, dass er es vorher nicht spürt. Aber er war doch schon eine Zeit lang sauber. Es muss mit dem Baby zusammen hängen. Aber warum tut er das? Ich schenke ihm genauso viel Zuwendung und Aufmerksamkeit wie Gregor und dennoch hat sich sein Problem kein bisschen verbessert.“ „Vielleicht hat er unbewusst Angst, die Zuwendungen könnten weniger werden, wenn er nicht mehr gewickelt werden muss“, erwiderte Papa, „und kann deshalb nicht damit aufhören. Andererseits ist eindeutig klar, dass es ihn sehr belastet. Wie geht denn Sarah damit um? Sie hänselt ihn doch hoffentlich nicht.“ „Nein“, sagte Mama, „im Gegenteil. Sie ist auch sehr lieb zu ihm und sie wechselt auch sehr oft seine Windeln ohne zu murren und zu klagen. Unsere Tochter ist ein tolles Mädchen. Daran kann es wohl nicht liegen. Aber es muss etwas geschehen! Wenn Jan mit Windeln zur Schule muss, wird es nicht lange geheim bleiben können.“
Eines Morgens kam Jan wieder einmal weinend ins Schlafzimmer der Eltern. Sein Pyjama war feucht und er roch etwas streng. Mama stand auf und brachte den Jungen ins Badezimmer. Nachdem sie ihn geduscht, frisch gewickelt und ihm einen frischen Pyjama angezogen hatte, nahm sie ihn wieder mit sich und Jan durfte bei den Eltern im Bett weiter schlafen. Das mochte er besonders gerne, denn mit Mama und Papa zu kuscheln war seine Lieblingsbeschäftigung. Er beruhigte sich rasch und schlief wieder ein. Da bemerkte Karola erstmals, dass Jan wieder am Daumen nuckelte. Papa drehte sich verschlafen um und als er den Kleinen neben sich liegen sah, nahm er ihn zärtlich in den Arm und streichelte ihn. Karola hätte eigentlich sehr glücklich sein müssen. Sie hatte drei reizende Kinder und einen Mann, der nicht nur sie, sondern auch die Kleinen über alles liebte. Der zärtlich und fürsorglich war und stets an das Wohl seiner Familie dachte. Aber Jans Problem belastete sie doch weit mehr, als sie zugeben wollte. Was sollte wirklich werden in der Schule? Wie könnte sie ihren Schatz vor den Hänseleien der Klassenkameraden schützen? Und wie würde Jans Lehrerin reagieren? All diese Fragen gingen ihr immer und immer wieder durch den Kopf. Auch war es auf Dauer doch ziemlich anstrengend zwei Kinder mehrmals täglich zubaden und zu wickeln. Noch dazu, wo einer der beiden bereits sechs Jahre alt war.
Die Nächte wurden kürzer und endlich zog der Sommer
ins Land. Die Kinder waren nun wieder mehr im Freien. Entweder spielten sie im
Garten oder sie unternahmen kurze Ausflüge in die nahen Wälder. Herr Droster
hatte um diese Jahreszeit wieder etwas mehr zu tun und konnte sich nicht mehr so
den Kindern widmen, wie er es gern getan hätte. Frau Droster begann, wie jedes
Jahr, den Garten wieder auf Vordermann zu bringen. Auch Jan und Sarah halfen
dabei, denn das machte ihnen großen Spaß. Da konnten sie nach Herzenslust beim
Umgraben in der Erde wühlen. Sarah durfte heuer erstmals einige Pflanzen selbst
aussuchen und einsetzen. Sie bekam von Mama auch eine kleine Ecke des Gemüsegartens,
in der sie Erdbeeren, Himbeeren und Kräuter anpflanzte. Jan sah ihr dabei
neugierig zu und gelegentlich stellte er zu den Pflanzen auch Fragen, die Sarah
ihm bereitwillig und so gut es ihr eben möglich war, beantwortete. Biologie war
nämlich eines ihrer Hobbies und sie verbrachte in der kalten Jahreszeit viel
Zeit damit, Pläne für `ihren´
Garten zu machen und sich aus Mamas Gartenbüchern die nötigen Informationen zu
holen.
