Otto kreierte die Freiluftbar
Schweizer hat in 33 Jahren Pattaya ein Stück
Gastronomiegeschichte geschrieben
Der 62-jährige Otto
Schaufelberger mit seinen drei Hunden vor dem
Eingang seines Hauses an der Soi 17
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Otto Schaufelberger ist in Pattaya eine Institution.
Der Schweizer hat im Touristenzentrum ein Stück
Gastronomiegeschichte geschrieben. Er war der erste
Deutschsprachige, der hier eine Bar eröffnete. In 33
Jahren hat der heute 62-jährige wohl mehr Lokale geführt
als jeder andere Investor. Er hat die Entwicklung Pattayas
zu einem weltweit berühmt-berüchtigten Touristenzentrum
miterlebt und war Ansprechpartner für Tausende Touristen.
Geboren im Kanton Zürich, musste Otto mit zwölf
Jahren wegen einer Lungenkrankheit drei Jahre auf einer
Alm verbringen. Es folgte ein ebenfalls dreijähriger
Aufenthalt in einem Sanatorium. Auf Anraten eines
Berufsberaters schaffte er jeweils ein halbes Jahr in
einem Motorrad- und Fahrradgeschäft sowie als Glasbläser.
Nach einer Lehre als Glasbläser baute er in Fällanden
eine Kunstglasbläserei auf und führte später mit seinem
Bruder ein Motorrad- und Fahrradgeschäft.
Zu einer Zeit, als ein Thailand-Urlaub für die meisten
Europäer noch unerschwinglich oder zu abenteuerlich war,
düste der Schweizer mit einem Freund nach Bangkok. Man
schrieb das Jahr 1969. „Nach drei bis vier Tagen“, so
erinnert sich Otto, der sich beim Kunstturnen einen
Bandscheibenschaden zugezogen hatte, „war ich
schmerzfrei.“ Da er schon immer ins Ausland wollte,
sagte er nach seiner Rückkehr zu seinem Bruder: „Ich
gehe eine Zeitlang nach Thailand.“ Sein Bruder zahlte
ihn aus, Otto setzte sich wieder ins Flugzeug in Richtung
Bangkok.
Bangkok war nur eine Durchgangsstation. Sein Ziel war
Pattaya. Die beiden Deutschen Dick und Dieter, die damals
in der Hauptstadt eine Bar betrieben und heute in Pattaya
das Heidelberg bzw. das Deutsche Haus besitzen, sagten im
Spass: „Der will nach Pattaya und eine Würstchenbude eröffnen“.
Ein drei Vierteljahr später investierten auch Dick und
Dieter in Pattaya - in ihren Deutschen Biergarten.
Als Otto Anfang 1970 in Pattaya eintraf, war das kleine
Fischerdorf fest in den Händen von Amerikanern. Denn vom
nahegelegenen Luftwaffenstützpunkt U-Tapao starteten
amerikanische Flugzeuge mit ihrer verheerenden Bombenlast
in Richtung Vietnam, an den kilometerlangen Stränden
hatten sich seit Jahren US-Soldaten erholt.
Ottos erste Bar hiess „Switzerland
Chalet“ und befand sich an der Soi 11
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Damals gab’s in Pattaya bereits vier GoGo-Bars. Zwei
besassen Chinesen, die beiden anderen Amerikaner. Auch
weitere Bars, alle mit Klimaanlage, wurden von US-Bürgern
geführt. Der in Indonesien geborene Holländer Dolf Riks
bewirtete seine Gäste in seinem Restaurant an der Einmündung
der South Pattaya Road in die Beach Road, das Nipa Lodge
(heute Nova Lodge) war Pattayas erstes Hotel, an der Beach
Road gab’s weiter ein Gästehaus namens Nautical Inn mit
dem Segelclub und mehrere kleinere Bungalowanlagen mit
hauseigener Bar.
Auf der heutigen Second Road bauten Thais noch Reis an,
die Strassen in Pattaya und bis kurz vor Bangkok waren
nicht asphaltiert. „Alles Sandstrassen“, erzählt
Otto. Auf dem Motorrad ging’s in beschwerlicher Fahrt
nach Chonburi. Dort musste der Schweizer für seine erste
Bar die Ausstattung kaufen. Denn in Pattaya gab’s so gut
wie nichts.
An der Soi 11 eröffnete Otto im Erdgeschoss des Pen
Pat-Hotels das „Switzerland Chalet“. Weil seine Gäste
lieber draussen als im aircon-gekühlten Lokal sitzen
wollten, stellte Otto Stühle und Tische in den Garten. So
entstand im Seebad die erste offene Bar mit anfangs 15
Thaimädchen als Bedienung.
Bei einem Wechselkurs von damals 4 Baht für 1
Schweizer Franken kostete das Singha-Bier 8 Baht. „Wenn
ich zum Geschäftsschluss 300 bis 500 Baht in der Kasse
hatte, war es ein guter Tag gewesen“, berichtet Otto.
Bis Ende letzten Jahres befand
sich die „Calypso Bar“ an der Einmündung der
Soi Diamond in die Walking Street. Auf dem Foto:
Der Gastronom mit Mitarbeiterinnen im Jahre 1997.
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In den folgenden Jahren näherte sich der Zürcher
immer mehr seinem späteren Haupt-standort, der Soi
Diamond. An der Beach Road neben der Polizeibox entstand
„Ottos Snack Bar“. Schon damals standen Bratwurst,
Frankfurter oder Koteletts auf der Speisekarte.
Für den Einkauf musste Otto weite Weg und viel Zeit in
Kauf nehmen. „Morgens um 5 Uhr fuhr ich mit dem Bus nach
Bangkok. Erst viele Stunden später kehrte ich mit
frischen Wurst- und Brotwaren zurück.“
Später übernahm er das „Wagon Wheel“, nur wenige
Schritte von seiner Snack Bar in Richtung Süden gelegen.
Als 1978 ein Taifun ein Schiff gegen das Restaurant drückte,
brach eine Stützmauer. Das Lokal drohte einzustürzen.
Otto baute um, nannte sein Lokal „Chalet Swiss“ und eröffnete
in direkter Nachbarschaft die „Chaemihütte“. Dann zog
es ihn in die Soi Diamond, die viele Jahre Mittelpunkt des
bizarren Nachtlebens werden sollte.
Otto kaufte ein Haus, investierte und schuf die neue
„Ottos Snack Bar“, aus der nach dem Umbau im Jahre
1982 die „Calypso Bar“ wurde. Der Schweizer liess ein
Logo mit seinem Namen anfertigen: S und O von Calyp-so
umschlingen sich und stehen für Otto Schaufelberger.
Damals, als Ausländer fast ausschliesslich wegen der Mädchen
und des ausschweifenden Nachtlebens Pattaya aufsuchten, an
der Soi Diamond und der heutigen Walking Street die
„Luft brannte“ und die Gäste, so geht jedenfalls die
Legende, in Dreierreihen vor den Bars standen, besass der
Zürcher neben dem Restaurant „Chalet Swiss“ zwölf
Bars.
Otto mit Gästen in seiner „Chaemihütte“
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Denn Otto investierte weiter und übernahm mehrere in
der Mitte der Soi Diamond errichtete offene Bars. Er
fasste die zur Beach gelegenen beiden Lokale zur
„Chiquita Bar“ zusammen, auch die beiden gegeneinander
drehenden „Caroussel Bars“ vor dem Diamond Beach Hotel
sind sein Werk. „Das war zu jener Zeit eine Sensation.
Die Leute standen Schlange und warteten geduldig, um einen
Sitzplatz an der Theke zu ergattern.“
Weitere Neueröffnungen hiessen „Playboy“ und
„Casablanca“, zwei Bars, und „Pfeffermühle“, ein
Restaurant als Ersatz für das „Chalet Swiss“. Otto
ist sichtbar stolz, dass er alle Objekte nach eigenen
Ideen verwirklichte, die andere Barbesitzer später
Schritt für Schritt übernahmen.
Jetzt musste Otto ein weiteres Mal den Standort
wechseln. Weil nach einem Vierteljahrhundert der Grundstückspachtvertrag
für das von ihm erworbene Haus an der Einmündung der Soi
Diamond in die Walking Street ablief, schloss der 62-jährige
Ende Dezember 2002 seine „Calypso Bar“. Er suchte
lange nach einem geeigneten Platz und fand ihn
schliesslich an der Walking Street gegenüber dem alten,
grossen Baum, in Nachbarschaft von Marine Bar und Tony’s.
Restaurant und Bar firmieren als „New Calypso Bar“.
„Ottos Snack Bar“ im Jahre
1978. Der Schweizer hatte dieses Eckhaus an der
Soi Diamond/Walking Street erworben.
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Auf unsere Frage nach der Zahl der Standorte in seinen
33 Jahren Pattaya, muss der Schweizer nicht einmal gross
nachdenken. Er zählt sie schnell an den Fingern ab: „Es
sind inzwischen sieben.“
Rückblickend hat Otto einen Grossteil seiner
Lebenszeit in seinen Restaurants und Bars zugebracht. Es
gibt aber auch den Privatmann Schaufelberger, der an der
Soi 17 ein Haus mit weitläufigem Garten besitzt und
dessen ganzer Stolz ein kleiner See mit wertvollen Fischen
ist. Ottos 28-jähriger Sohn Somchai aus der ersten Ehe
mit der verstorbenen Ehefrau Mae leitet das Restaurant in
der Diskothek X-Zyte an der 3rd Road und überprüft als
gelernter Computerspezialist im Entertainmentkomplex Hard-
und Software. Mit seiner zweiten Frau Itchaya hat der
Schweizer einen jetzt 14-jährigen Sohn. Em geht in
Pattaya zur Schule.
Trotz seiner 62 Jahre denkt der Schweizer nicht an den
Ruhestand. „Ich habe doch gerade erst wieder angefangen.
Treue Gäste kommen jedes Jahr wieder zu mir. Schon
deshalb wäre es nicht einfach aufzuhören. Aber leider
sterben die Stammgäste weg. Meine Bars waren immer
Treffpunkt und Anlaufstelle für Touristen. Sie kommen,
trinken und essen und gehen später gemeinsam auf die
Gasse.“ (kabu)
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